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Schweizerische Bundesversammlung,

Die gesetzgebenden Räte der Eidgenossenschaft sind am 30. März 1908 zur Fortsetzung der ordentlichen Wintersession zusammengetreten.

Als neues Mitglied ist erschienen : im Ständerat: Herr Adolf S o l d i n i , von und in Chiasso.

Im N a t i o n a l r a t eröffnete Herr Präsident Speiser die Session mit folgenden Worten: Meine Herren Nationalräte!

Bei unserm Zusammentritte zu einer kurzen Frühjahrssession liegt mir vor allem die Pflicht ob, zweier lieber Kollegen zu gedenken, die uns im Beginne dieses Jahres durch den Tod entrissen worden sind.

Am 19. Januar 1908 entschlief nach langen und schweren Leidenstagen Herr Nationalrat Franz Joseph Hänggi, Vertreter des Wahlkreises des Kantons Solothurn, geboren zu Nunningen im Jahre 1846.

In frühern Jahren als .Redaktor konservativer Tagesblätter tätig und schon 1871 vom. Bezirke Thierstein in den Kantonsrat gewählt, wurde er 1876 Oberamtmann des Bezirkes Dorneck-Thierstein und 1887 Mitglied des Regierungsrates als Vertrauensmann der Volkspartei ; er leitete das Departement des Innern ; viermal bekleidete er die Würde eines Landammanns des Kantons ; in den Nationalrat trat er, von allen Parteien akzeptiert, im Jahre 1899 und blieb darin bis zu seinem Hinschiede. Wir alle schätzten ihn als einen fleissigen, arbeitsamen Kollegen, der seine Ansichten mit Bestimmtheit, aber mit gros-

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ser Sachlichkeit vertrat ; im Kantone war seine Verwaltungstätigkeit als vorbildlich anerkannt ; dem freundlichen Manne, Beispiel eines schlichten, republikanischen Staatsmanns, werden wir alle eine freundliche Erinnerung widmen.

Unerwartet -- denn die hohe Gestalt erschien als von der Last des Alters noch wenig gedrückt -- starb am 26. Februar nach kurzer Krankheit Herr Nationalrat Edmund von Steiger, von Bern, Vertreter des 6. Wahlkreises. Geboren 1836 widmete er sich dem theologischen Studium und war Pfarrer in Saanen und in Gsteig. Im Jahre 1878 wurde er vom Grossen Rate in die Berner Regierung berufen und diente in dieser Stellung seinem Gemeinwesen nahezu dreissig Jahre lang ; seit 1888 gehörte er mit kurzer Unterbrechung unserm Rate bis zu seinem Tode an. Wie in der Regierung, so war er auch im Nationalrate vorzüglich auî dem Gebiete der Volkswirtschaft tätig, sowohl in der Richtung des Gewerbewesens, insbesondere der gewerblichen Bildung, als der Sozialpolitik, und wenige gesetzgeberische Fortschritte im Kanton oder im Bunde auf diesem Gebiete mögen zu verzeichnen sein, denen der Verstorbene nicht seine grosse Arbeitskraft in der Vorberatung und seine eindringliche Fürsprache im Rate gewidmet hat.

Neben dieser amtlichen Tätigkeit fand er sich aber auch immer bereit, freiwillige Bestrebungen auf dem Felde der Gemeinnützigkeit mit seiner grossen Erfahrung und seinem festen Willen zu unterstützen und war im ganzen Lande als der Vertreter seines Kantons in den Werken schweizerischer Gemeinnützigkeit hoch geschätzt.

Beide Verstorbenen gehörten nach ihrer politischen Stellung der Minderheitspartei in ihrem Kantone an ; aher beide waren Vertreter, auf welche Minderheit und Mehrheit mit gleichem Vertrauen blicken durften.

Zu Ehren der Verstorbenen bitte ich Sie, sich von Ihren Sitzen zu erheben.

Nachdem wir den Gefühlen der Trauer über den Verlust von zwei um das Vaterland verdienten Männern Ausdruck gegeben, gedenken wir des freudigen Anlasses, da die Schweizer Gemeinde in Paris am I.März vereinigt war, um in Verbindung mit dem Abgeordneten des Bundesrates und mit den Schweizer Konsulaten in Frankreich dem verehrten Bevollmächtigten der Eidgenossenschaft bei der französischen Republik, Herrn Minister Lardy, den Dank für eine fünfundzwanzigjährige AmtstätigBundesblatt. 60. Jahrg. Bd. II.

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keit auszusprechen. Herr Lardy hat seit dem Jahre 1869 unserm Lande in Paris gedient und sich in seiner bedeutungsvollen Stellung als Minister die Anerkennung seiner heimatlichen Behörden, wie auch die Hochachtung der Regierung, bei der er die schweizerischen Interessen zu vertreten hatte, erworben ; bei den mannigfaltigen und schwierigen Aufgaben, denen er sich zu widmen hatte, ist es ihm jeweilen gelungen, die guten Beziehungen zum Nachbarlande aufrechtzuerhalten, und zahllos sind die Dienste, die er seinen Landsleuten in Prankreich geleistet hat ; es darf ihm darum auch an dieser Stelle Dank und Anerkennung bezeugt und der Wunsch für weitere erfolgreiche Tätigkeit in seinem Amte ausgesprochen werden.

Die portugiesische Gesandtschaft hat die Präsidien der beiden Räte zu einer kirchlichen Trauerfeier aus Anlass der schrecklichen Ereignisse, welche das portugiesische Königshaus und die Nation betroffen haben, eingeladen ; wir glauben in Ihrem Sinne gehandelt zu haben, indem wir der Gesandtschaft unsere Teilnahme aussprachen.

Und nun lassen Sie mich mit froher Genugtuung feststellen, dass am 20. März die Referendumsfrist für das schweizerische Zivilgesetzbuch unbenutzt abgelaufen und damit die grosse parlamentarische Arbeit der letzten Jahre zu erfolgreichem Abschluss gekommen ist.

Stillschweigend hat das Schweizervolk einen Akt vollzogen, der wohl neben der Gründung des Bundes von 1848 als der stärkste Ausdruck des Bewusstseins politischer Zusammengehörigkeit der Bundesglieder gelten darf.

Und wenn sonst in unserer Demokratie die grossen politischen Aktionen sich mittelst der Überwindung einer Minderheit durch eine Mehrheit in der Volksabstimmung zu vollziehen pflegen und das Volk sich so zunächst in Sieger und Besiegte teilt, so erblicken wir heute weder Besiegte noch Sieger; wenn es Überwundene gibt, so sind es nur solche, die sich selber überwunden haben, indem sie das höhere allgemeine Interesse über das besondere, welcher Art es sei, gestellt und damit ein schönes Zeugnis für das hohe Mass politischer Erziehung unseres Volkes abgelegt haben. Diese Tat der Selbstüberwindung soll heute mit Anerkennung festgestellt werden, und sie möge auch später, wenn bei anderer Gelegenheit die Geister sich wieder gegeneinander erheben werden, auf allen Seiten unvergessen sein.

179 Gross sind die Hoffnungen, die das Schweizervolk an das neue einheitliche Gesetz knüpft. Wir alle glauben, dass diese Hoffnungen sich erfüllen werden ; nur gilt es, diesen Glauben aufrechtzuerhalten, wenn er in den ersten Jahren des Übergangs und des Einlebens auf die Probe gestellt werden wird.

Möge dem schweizerischen Zivilgesetzbuche erspart bleiben, was so manche eidgenössische Schöpfung der letzten Jahrzehnte hat erfahren müssen, dass nämlich der Begeisterung für das zu Schaffende so bald der Zweifel an dem Geschaffenen folgte.

Möge vielmehr das umsichtige und zielbewusste Schaffen des einheitlichen Rechtes, das zu dessen friedlicher Annahme durch das Volk geführt hat, auch die starke Bürgschaft für seine sichere Aufnahme im Volksleben sein !

Hiermit erkläre ich die Frühjahrssession des Nationalrates als eröffnet.

Im S t ä n d e r a t Ansprache :

hielt Herr Präsident Scherrer folgende

Sehr geehrte Herren Kollegen!

Indem ich Sie bei unserm Zusammentritt zur Frühjahrssession herzlich begrüsse, liegt mir zunächst die Pflicht ob, von dieser Stelle aus des schmerzlichen Verlustes zu gedenken, den die schweizerische Bundesversammlung seit der Dezembersession durch den Hinscheid zweier bedeutender Mitglieder und lieber Kollegen erlitten hat.

Am 21. Januar starb in Solothurn Landammann Nationalrat Franz Josef Hänggi, und kaum hatte sich das frische Grab über diesem vortrefflichen nnd hochverdienten Manne geschlossen, erhielten wir die betrübende Kunde von dem Hinscheide des bernischen Regierungsrates und Vertreters im Nationalrate, Edmund von Steiger.

Über die öffentliche Laufbahn und über die öffentliche Tätigkeit dieser beiden hervorragenden schweizerischen Staatsmänner ist in unserer Tagespresse eingehend berichtet worden, und da diese Männer sowohl, wie ihr öffentliches Wirken, ohnehin in unser aller Erinnerung stehen, so glaube ich davon Umgang nehmen zu sollen, deren Laufbahn eingehender zu skizzieren,

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und mich darauf beschränken zu können, die Hauptzüge ihres vaterländischen Wirkens mit einigen Worten verdienten Dankes und verdienter Anerkennung hervorzuheben.

Franz Josef Hänggi und Edmund von Steiger haben während mehrerer Jahrzehnte ihre ebenso unermüdliche, wie fruchtbare und erfolgreiche Tätigkeit der Öffentlichkeit und wie man mit Recht sagen kann, dem Wohle des Staates und ihrer Mitbürger gewidmet.

So verschieden die beiden Verstorbenen in ihrem ganzen Wesen, in ihren Charaktereigenschaften und in ihrem Temperamente, ja auch zum Teil in ihren politischen und religiösen Anschauungen gewesen sein mögen, so trat doch in ihrem ganzen Schaffen und Streben so mancher gemeinsame Zug zu Tage, der sie auszeichnete und der so recht geeignet war, ihre Tätigkeit und Wirksamkeit erspriesslich und erfolgreich zu gestalten.

Mit gediegener Bildung und klarem, durchdringendem Verstand verbanden beide eine wohl seltene gründliche Kenntnis des Volkes, seiner Anschauungen und seiner Denkweise, und damit auch einen offenen Sinn und ein Verständnis für dessen wahre Bedürfnisse.

Beide waren auch von dem aufrichtigen Bestreben beseelt, diesen Bedürfnissen nach Kräften gerecht zu werden, das Los der Armen und wirtschaftlich Schwachen zu verbessern und die wirtschaftliche Lage des Volkes und der einzelnen Erwerbszweige zu fördern und zu heben. Und wo die Verhältnisse einer staatlichen und gesetzgeberischen Ordnung im Wege standen, da suchten sie auf dem Felde der Gemeinnützigkeit und der werktätigen Menschenliebe, wo sie beide eine grosse Tätigkeit und Initiative entfalteten, ihre Ziele und Bestrebungen zu erreichen.

Das schlichte, biedere und offenherzige Wesen des wahren Volksmannes Hänggi und die glänzende Beredsamkeit und die gewinnenden Umgangsformen des bernischen Staatsmannes v. Steiger konnten nicht verfehlen, dass ihnen aus den weitesten Kreisen des Volkes Hochachtung und Liebe entgegengebracht wurde; sie zählten daher nicht nur zu den populärsten Persönlichkeiten ihres Heimatkantons, sondern jene vortrefflichen Eigenschaften haben auch vermocht, gar manche Schwierigkeiten persönlicher Art und manche Vorurteile, die eine erspriessliche gesetzgeberische Tätigkeit so oft erschweren, zu beseitigen, und damit dem, was sie einmal für gut und richtig erkannt haben, die Wege zu öffnen.

181 Politisch gehörten die beiden Verstorbenen bekanntlich unseren Minderheitsparteien an. Aber sowohl der überzeugungstreue Katholik Hänggi wie der protestantische, strenggläubige v. Steiger waren, bei aller Grundsätzlichkeit in ihrer religiösen und politischen Gesinnung, weit entfernt, die Gegensätze, die sie in dieser Hinsicht von der Mehrheit trennte, in Fragen und Dinge hineinzuziehen, mit denen sie nichts zu tun hatten, und eine grundsätzliche Opposition oder gar Obstruktion war beiden durchaus fremd und mit ihrem Wesen nicht vereinbar.

Im Bewusstsein der Schwierigkeiten, die in einem rein demokratischen Gemeinwesen der Gesetzgebung ohnehin entgegenstehen, und durchdrungen von der Notwendigkeit einer gedeihlichen Entwicklung unseres Landes im Interesse seiner Kraft und seines Ansehens, sowie auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiete, haben sie getreu und kräftig mitgearbeitet, wo es galt, diesen Bestrebungen, sei es im Bund, sei es in ihren Kantonen, zum Durchbruch zu verhelfen.

Von manchen ihrer nähern Freunde, die nicht so hoch standen und nicht so erhaben dachten wie sie, sind sie vielleicht da und dort nicht immer verstanden und begriffen worden. Aber ihre Tätigkeit und Arbeit hat denn doch im ganzen Volke -- ohne Unterschied der Parteien und Anschauungen -- ebenso ungeteilte Anerkennung gefunden, wie ihr allzu früher Hinscheid allgemein aufs Tiefste beklagt und bedauert worden ist.

Wir alle werden Franz Jos. Hänggi und Edmund v. Steiger ein gutes Andenken bewahren, und zur äussern Ehrung dieses Andenkens ersuche ich Sie, geehrte Herren Kollegen, sich von ihren Sitzen zu erheben.

Meine Herren!

Von dem Gesandten und bevollmächtigten Minister des Königreichs Portugal bei der schweizerischen Eidgenossenschaft habe ich zu Händen unseres Rates eine Einladung zu einer kirchlichen Totenfeier erhalten, die zum Andenken an 8. M. den König Dom Carlos I. und an S. H. den königlichen Prinzen, Dom Luis Philippe, die beide auf so tragische Weise ums Leben gekommen sind, in Bern veranstaltet worden ist.

Da diese Feier nicht an dem ursprünglich dafür vorgesehenen Termin stattfinden konnte, sondern verschoben werden musate,

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habe ich zu meinem Bedauern dieser Einladung nicht Folge leisten und den Rat bei dieser Feier nicht vertreten können.

Dagegen habe ich nicht ermangelt, dem portugiesischen Gesandten im Namen des schweizerischen Ständerates zu Händen der schwerbetroffenen königlichen Familie und des portugiesischen Volkes den Ausdruck der innigsten Teilnahme zu übermitteln, mit der gleichzeitigen Versicherung, dass die ruchlose Tat, der S. M. der König und S. kgl. H. der Kronprinz zum Opfer gefallen sind, die einmütige Verurteilung des Schweizer Volkes und seiner Vertreter gefunden hat.

Ich bin überzeugt, damit den Intentionen unseres Rates entsprechend gehandelt zu haben.

Am 1. März d. J. sind 25 Jahre verflossen, seit unser hochverehrter Herr Minister Lardy als ausserordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister der schweizerischen Eidgenossenschaft bei der französischen Republik seines Amtes waltet, nachdem er bereits vorher während 15 Jahren, d. h. von 1868 bis 1883, die Stelle als Attaché und Sekretär unserer Gesandtschaft in Frankreich mit grosser Pflichterfüllung versehen hatte.

Es ist gewiss schon an und für sich ein seltenes, ja aussergewöhnliches Ereignis, wenn ein Diplomat auf eine vierzigjährige Tätigkeit und auf eine fünfundzwanzigjährige Vertretung seines Landes bei der Regierung der gleichen Macht zurückblicken kann.

Was aber noch mehr zu bewundern ist und was unsere rückhaltlose Anerkennung herausfordert, das ist die Art und Weise, wie Herr Minister Lardy seinen ebenso wichtigen, wie schwierigen und verantwortungsvollen Beruf aufgefasst und ausgeübt hat, das grosse Geschick und der feine Takt, mit dem er stets seines schweren und oft so delikaten Amtes gewaltet hat, der unermüdliche Eifer, die ausserordentliche Gewissenhaftigkeit und die grosse Hingebung, die er dem Studium aller Angelegenheiten, die unser Land, oder kleinere und grössere Interessenkreise, oder auch nur einzelne Schweizerbürger berührten, gewidmet und entgegengebracht hat, sowie nicht minder auch die Bereitwilligkeit und Liebenswürdigkeit, die er gegenüber jedermann, der ihn um seinen Rat und seine Vermittlung anging, stets an den Tag gelegt hat.

Diese hervorragenden Eigenschaften, in Verbindung mit einem wahren und nie versagenden Patriotismus, haben zweifellos ganz wesentlich dazu beigetragen, unsere Beziehungen zu der

183 französischen Republik angenehm zu gestalten und die Politik des gegenseitigen Vertrauens und der gegenseitigen Freundschaft zu ptlegen und zu fördern.

Wie Ihnen bekannt ist, hat der Bundesrat durch eine besondere Delegation dem vielverdienten Jubilaren neben den herzlichsten Glückwünschen auch den Ausdruck des besondern Dankes für seine langjährige schwierige und erfolgreiche Tätigkeit im Namen unseres Landes übermitteln lassen.

Sie teilen wohl mit mir das Gefühl, dass der Zusammentritt der Bundesversammlung den geeigneten Anlass bietet, dem Jubilaren auch unserseits unsere Sympathie und Anerkennung z,u bekunden, und ich nehme an, Sie seien einverstanden, wenn ich mich im Namen des Rates sowohl den Glückwünschen, wie auch den Worten des Dankes, die dem Jubilaren durch den Bundesrat dargebracht worden sind, von ganzem Herzen anschliesse, und diesen Ihren Auftrag Herrn Minister Lardy in geeigneter Weise zur Kenntnis bringe.

Heine Herren !

Bndlich glaube ich, den Erwartungen zu entsprechen, die Sie mit Recht an Ihren Vorsitzenden stellen, wenn ich heute auch dem Gefühl der Freude und besonderen Befriedigung darüber Ausdruck gebe, dass das grosse Werk eines Schweizerischen Zivilgesetzbuches, durch den am 20. März erfolgten Ablauf der Referendumsfrist, nunmehr auch die Sanktion des schweizerischen Volkes gefunden hat, und dass das Inkrafttreten dieses Gesetzes auf den 1. Januar 1912 somit zu einer vollendeten Tatsache geworden ist, Dass ein Gesetz, das die eidgenössischen Räte und deren Kommissionen während einer mehr als 3jährigen Dauer beschäftigt und stark in Anspruch genommen hat, ein Gesetz von diesem Umfang und dieser Bedeutung, ein Gesetz, das noch vor wenigen Jahren als eine der schwierigsten Unternehmungen betrachtet worden ist, das jeden Menschen und alle Gebiete und Verhältnisse des Lebens, von der Geburt bis zum Tode und darüber hinaus, in so intensiver Weise berührt, dass ein solches Gesetz ·die stillschweigende Genehmigung des Souveräns und nicht die geringste Anfechtung von irgend einer Seite gefunden hat, das verdient, in den Annalen der schweizerischen Staats- une Rechtsgeschichte mit grossen Lettern registriert zu werden ; das ist ein

184 ebenso untrüglicher wie hocherfreulicher Beweis, dass der eidgenössische Staatsgedanke, das Gefühl der Zusammengehörigkeit und Solidarität aller Eidgenossen in unserem Volke weit und kräftig Wurzel gefasst hat, und dass die Entwicklung unserer schweizerischen Demokratie, wenn ihr Tempo auch manchem von uns als langsam und schwerfällig erscheint, in soliden und guten Bahnen, vielleicht etwas langsam, aber sicher und zuverlässig vorwärtsschreitet.

Die Sanktion dieses Gesetzes bildet aber auch eine grosse Genugtuung für unsere gesetzgebenden Räte und den Bundesrat und ganz besonders für den Verfasser und Redaktor des Gesetzes, der nicht nur von allen Seiten des In- und Auslandes aufrichtige und begeisterte Anerkennung gefunden, sondern sich durch dieses Werk, dem er sein reiches Wissen, seine unentwegte Pflichttreue, und die besten Jahre seines Lebens gewidmet und geopfert hat, ein bleibendes Denkmal in den Herzen seiner Mitbürger gesetzt hat.

Es muss aber auch dankbar hervorgehoben werden, das» dieses hocherfreuliche Resultat zum nicht geringen Teile dem guten Geiste, dem gemeinsamen verständigen Zusammenarbeiten und der patriotischen Hingabe aller Parteien in den eidgenössischen Räten zu verdanken ist.

Und wenn ich als Vorsitzender dieses Rates einem Wunsche und einer Hoffnung Ausdruck geben darf, so geht er dahin, dass dieser gute Geist anhalten und sich weiter entwickeln möge und dass er über unsern Beratungen walten möge bei allen grossen Aufgaben und Fragen, die noch ihrer Lösung harren, und die für unser Land oder für grosse Bevölkerungsklassen von so vitaler Bedeutung sind.

·Mit diesem Wunsche erkläre ich die Session für eröffnet.

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