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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Unterschlagung, Fälschung und Vernichtung von Bundesakten und Amtspflichtverletzung bestraften Alfred Matti von Zweisimmen, gewesenen Posthalters in Kandersteg.

(Vom 9. Juni 1908.)

Tit.

Durch Urteil der Assisen des I. Geschwornenbezirkes des KantonsBern vom 2./3. Dezember 1907 wurde Alfred Matti schuldig erklärt : a. der Unterschlagung von Geldern im Gesamtbetrage vonüber Fr. 300 (nach dem Ergebnis der Beweisverhandlung im Betrage von zirka Fr. 7000), begangen seit dem Juni 1907 in seiner Eigenschaft als Beamter der schweizerischen Postverwaltung zum Nachteil dieses seinesDienstherrn, mit der Feststellung, dass er die unterschlagene Summe auf geschehene Aufforderung hin sofort vollständig ersetzte ; &. der Fälschung von Bundesakten, begangen dadurch, dass er am 27. Juli 1907 in der Einzahlungsrechnung des Postbureaus Kandersteg für den Monat Juli 1907 bei einem Posten von Fr. 8000 die Ziffer 8 in Ziffer 7 oder bei einem Posten von Fr. 5247 die Ziffer 5 in Ziffer 4 abgeändert hat ;

184 c. der Zerstörung von Bundesakten, begangen dadurch, dass er folgende Monatsrechnungen des Postbureaus Kandersteg für den Monat Juli 1907 unbefugterweise zerstört hat : die Passagierrechnung, die Nachnahmerechnung, die Einzahlungsrechnung für interne Mandate, die Auszahlungsrechnung für interne Mandate, die Rechnung für Fach- und Lagergebühren, die Selbstgutschrift und den Expertenschein ; d. der Amtspflichtverletzung in fünf Fällen, begangen dadurch, dass er als Beamter oder Angestellter des Bundes (Posthalter) in folgenden Fällen absichtlich seine Amtspflicht verletzt hat : 1. indem er die in lit. a näher beschriebenen Unterschlagungen beging, 2. indem er die in lit. b bezeichnete Fälschung von Bundesakten beging, 3. indem er die in lit. c bezeichnete Zerstörung von Bundesakten beging, 4. indem er am 27. Juli 1907 in der Einzahlungsrechnung für den Monat Juli 1907 zwei Posten um je Fr. 500 zu niedrig eingetragen hat, 5. indem er im Sommer 1907 wiederholt am Ende des Monates eingegangene Mandatbeträge erst im folgenden Monat verrechnet hat.

Im Wahrspruch der Geschwornen wurden dem Alfred Matti mildernde Umstände zugebilligt.

Die Kriminalkammer des Kantons Bern verurteilte gestützt hierauf den Schuldigerklärten : a. peinlich zu 16 Monaten Zuchthaus, abzüglich ein Monat Untersuchungshaft ; b. zu fünf Jahren Verlust des Aktivbürgerrechts und zu den Kosten des Staates.

Bei der Strafausmessung wurde als das schwerste der in Betracht kommenden Delikte zu Grunde gelegt die nach Art. 61 des Bundesstrafrechtes vom 4. Februar 1853 zu bestrafende Fälschung und Vernichtung von Bundesakten. Dabei nahm der Gerichtshof an, dass es sich nicht um einen der im Schlusssatz dieser Gesetzesstelle erwähnten, bloss mit Gefängnis zu bestrafenden Fälle handle, und dass Matti bei Verübung dieser Verbrechen einen so starken verbrecherischen Willen an den Tag gelegt habe, dass auch nicht auf das Minimum von einem

185 Jahre Zuchthaus abgestellt werden könne. Für die Unterschlagung 'wurde nach bernischem Rechte unter strafmindernder Berücksichtigung der erfolgten Schadendeckung eine Strafe von zwei Monaten Korrektionshaus und für die wiederholten Amtspflichtverletzungen eine dem Art. 53 des Bundesstrafrechtes entsprechende Geldbusse angesetzt, ebenso Einstellung im Aktivbürgerrecht als obligatorische Konsequenz der Verhängung von Zuchthausstrafe nach Art. 3, Lemma 2, des Bundesstrafrechts. Die Freiheitsstrafen und die Geldbusse wurden gcmäss Art. 33 des Bundesstrafrechts zusammengerechnet unter Anwen·dung der Strafe des schwersten Verbrechens und Berücksichtigung der übrigen als besondere Schärfungsgründe.

Alfred Matti hat die Zuchthausstrafe sofort angetreten. Ein Kassationsgesuch, das sein Verteidiger wegen angeblich unrichtiger Anwendung des Bundesstrafrechtes beim Bundesgcrichte ·einreichte, wurde als unbegründet abgewiesen.

Nunmehr reicht sein Verteidiger im Strafverfahren, Für·sprech Arnstutz in Thun, im Namen des Verurteilten das Gesuch ein, dass diesem die verhängte Strafe, soweit nicht verMsst, auf dem Wege der Begnadigung teilweise erlassen werde, und zwar auch die Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit. Spezialvollmacht lag dem Begnadigungsgesuch nicht bei und wurde vom Verteidiger trotz Aufforderung nicht nachgebracht. Matti selbst gab dagegen sein Einverständnis mit der Einreichung des Begnadigungsgesuches dadurch zu erkennen, -dass er das Gesuch nachträglich unterschrieb.

Zur Begründung des Gesuches wird vorgebracht : Die gegen Matti ausgesprochene Strafe, soweit sie sich auf eidgenössisches Recht gründe, müsse als eine unverhältnismässig harte bezeichnet werden. Bei ihr habe der Umstand keine Berücksichtigung gefunden, dass der Schaden unmittelbar nach geschehener Aufforderung gedeckt worden. Matti sei durch grosse Familienlasten in ökonomische Bedrängnis und zu der rechtswidrigen Verwendung von Postgeldern gekommen. Sein Leumund sei früher gut gewesen und der Vollzug der ganzen Strafe würde es ihm verunmöglichen, wieder für seine Familie zu sorgen, den Freunden, die ihm bei der Schadensdeckung beistanden, die gebrachten Opfer zu vergelten und das Vertrauen seiner Mitbürger wieder zu gewinnen.

Dass Matti sich der ihm zur Last gelegten Verbrechen schuldig gemacht hat, steht fest und wird nicht bestritten. Die Bundesblatt. 60. Jahrg. Bd. IV.

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von der bernischen Kriminalkammer ausgesprochene Strafe aber beruht auf sehr sorgfältiger und richtiger Würdigung aller Umstände und angemessener Gesetzesanwendung. Besonders musste der Richter als strafschärfend in Betracht ziehen die Konkurrenz schwerer Delikte, ihre vielfache Wiederholung durch einen Mann in wichtiger Vertrauensstellung und mit Verhältnismassig bedeutendem Einkommen. Daher liegen keine genügenden Gründe vor, das richterliche Urteil hinsichtlich der Strafzumessung zu mildern.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den An t r a g :

Es sei das Begnadigungsgesuch des Alfred Matti abzuweisen.

B e r n , den 9. Juni 1908.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Kingier.

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1908

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25

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17.06.1908

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183-186

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