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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer elektrischen Strassenbahn von Lugano über Bioggio und über Sorengo, Agno, Ponte Tresa nach Ponte Cremenaga.

(Vom 17. Dezember 1908.)

Tit.

I.

Unterm 18. Juni 1887 (E. A. S. IX, 290) haben Sie die Konzession für eine normalspurige Eisenbahn von Lugano nach Ponte Tresa erteilt. Im Jahre 1905 wurde diese Konzession zu Gunsten eines durch die Herren Leone Stoppani in Ponte Tresa und Giuseppe Soldati in Neggio erneuert und mit den neueren Konzessionsbestimmungen in Einklang gebracht. Bei diesem Anlass wurde den Konzessionären freigestellt, die Bahn mit Rücksicht auf den Anschluss an eine von Porto Ceresio aus noch zu erstellende italienische Bahn entweder nach Ponte Tresa oder nach Caslano zu führen.

Da seit den Achtzigerjahren die Verwirklichung dieses Bahnprojektes keine merklichen Fortschritte gemacht hatte, wurden von anderer Seite ähnliche Projekte eingereicht (Konzessionsgesuch Quadri, Riva und Mithafte), welche aber in letzter Stunde vor der Erteilung der Konzession vom Jahre 1905 zurückgezogen wurden.

Inzwischen sind die Bestrebungen behufs Erstellung einer Bahnverbindung zwischen Lugano und dem sogen. Malcantone

362 (Gegend von Agno und Ponte Tresa) von zwei verschiedenen Initiativkomitees wieder aufgenommen worden, und zwar im Sinne des Baues einer schmalspurigen Strassenbahn.

II.

Unterm 1. Februar 1908 reichte Herr Fürsprech Balestra in Lugano ein Konzessionsgesuch für eine elektrische Strassenbahn Lugano-Bioggio-Ponte Tresa ein. Dieses Gesuch ergänzte er unterm 14. Mai durch eine Vorlage für eine elektrische Strassenbahn von Ponte Tresa nach Ponte Cremenaga und am 9. September vereinigte und ergänzte er diese beiden Projekte, indem er dem Eisenbahndepartement, bezw. dem Bundesrate zuhanden der Bundesversammlung ein Konzessionsgesuch für eine elektrische Strassenbahn yon Lugano über Bioggio und über Sorengo, Agno und Ponte Tresa nach Ponte Cremenaga einreichte.

Den verschiedenen allgemeinen und technischen Berichten, die diesen Vorlagen beilagen, sind folgende Angaben zu entnehmen.

Seit längerer Zeit wünsche man bessere Verbindungen von Lugano nach den Ortschaften der Umgebung zu haben. Durch die Gotthardbahn, die Schiffahrtsgesellschaft und die im Bau begriffene Strassenbahn Lugano-Tesserete sei allerdings diesem Bedürfnis bereits in gewissem Masse Rechnung getragen worden.

Die ganze dicht bevölkerte Gegend im Westen von Lugano habe aber noch gar keine Bahnverbindung nach ihrer natürlichen Verkehrsrichtung. Die projektierte Normalspurbahn Lugano-Ponte Tresa oder Caslano allein könne den Wünschen der Bevölkerung nicht genügen, denn ihr Ziel sei eben die Erstellung einer möglichst direkten Verbindung zwischen Lugano und Mailand.

Daher werde diese Bahn voraussichtlich nur wenige Stationen zwischen Lugano und der Grenze schaffen und es werden nicht alle Züge an denselben anhalten können. Mit einer Linie, die möglichst viele Stationen und Haltstellen hätte und viele Fahrgelegen^ heiten bieten könnte, sei der Gegend weit besser gedient. Die projektierte Strassenbahn werde nur die Beförderung der Reisenden, des Handgepäcks und der Postsachen übernehmen.

Die erste Strecke der Linie beginne an der Kreuzung der Staatsstrasse Lugano-Massagno mit der Strasse Lugano-Station G.B., und folge der Staatsstrasse durch Massagno, Gerso, Cappella delle due Mani. Hier verlasse sie die Strasse und erreiche auf eigenem Bahnkörper (zirka 500 m) die Strasse Lugano-Bioggio bei Cinque

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Vie. Über Bioggio, Agno und Magliaso gelange sodann die Bahn wieder auf der Staatsstrasse nach Ponte Tresa.

Die zweite Strecke beginne ebenfalls in Lugano, bei der erwähnten Strassenkreuzung. Bis nach Sorengo folge sie der im Bau begriffenen neuen Strasse Besso-St. Grato, und erreiche sodann teils auf eigenem Bahnkörper, teils auf der Staatsstrasse die projektierte Station Agno.

Die dritte Strecke endlich folge von Ponte Tresa mit Ausnahme von zirka 100 m ausschliesslich der Staatsstrasse und habe ihren Bndpunkt in Ponte Cremenaga.

Technische Hauptangaben:

Länge der Bahn : 22,i25 km, wovon 1300 m auf eigenem Bahnkörper.

Spurweite : l m.

Maximalsteigung: 80 %o.

Höhenkoten: Lugano 325, Cappella delle due Mani 387, Cassinone 288,6, Bioggio 315, Agno 286, Sorengo 373, Ponte Vedeggio 280, Ponte Tresa 278.

Zwischenstationen: 32 Haltstellen.

Betriebssystem : Elektrizität (Gleichstrom). Kraftbezug aus dem Verzasea-Werk. Rollmaterial nach dem von der Trambahn Lugano verwendeten Typus oder eventuell nach den Instruktionen der Aufsichtsbehörde.

Der Kostenvoranschlag enthält folgende Hauptposten : Projektstudien, Organisations- und Verwaltungs- · kosten . . Fr.

92,000 Bauzinsen ,, 35,000 Expropriationen ,, 15,000 Unterbau, Erweiterung v o n Strassen . . . .

,, 60,000 Oberbau ,, 575,000 Hochbau ,, 30,000 Telegraph, Signale .

,, 20,000 Elektrische Ausrüstung ,, 230,000 Rollmaterial 135,000 fl Mobiliar und Gerätschaften ,, 20,000 Unvorhergesehenes (7 %} __,, 88,000 Total Fr. 1,300,000 Der vorgelegten Rentabilitätsberechnung ist zu entnehmen, dass die Initianten hoffen, schon in den ersten Jahren " den Prioritätsaktien eine kleine Dividende entrichten zu können.

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m.

Ein zweites Initiativkomitee, vertreten durch. Herrn Ingenieur L. Borella in Lugano, ersuchte unterm 8. Mai 1908 um Erteilung einer Konzession für den Bau und Betrieb einer elektrischen Strassenbahn von Lugano über Muzzano und Ponte Tresa nach Ponte Cremenaga.

Der allgemeine Bericht geht davon aus, dass der von Herrn Ingenieur Borella ins Leben gerufene Automobil-Verkehr von Lugano nach Ponte Tresa und Ponte Cremenaga dem stetig zunehmenden Verkehr bald nicht mehr genügen werde. Es sei somit an der Zeit, die blühenden Ortschaften des Malcantone durch ein leistungsfähigeres Transportmittel mit Lugano zu verbinden. Das vorgelegte Projekt habe gegenüber demjenigen des Komitees Balestra den Vorteil, dass es den Malcantone auf dem kürzesten Weg, ohne den grossen Umweg über Bioggio zu machen, verbinde.

Wohl seien noch verschiedene Projekte vorhanden, welche die Verbindung zwischen Lugano und Porto Ceresio bezw.

Mailand bezwecken, die projektierte Strassenbahn werde aber ganz wohl neben einer Normalspurbahn, die hauptsächlich den Transitverkehr übernehmen werde, bestehen können.

Die Linie beginne bei der Station Lugano, gelange sukzessive nach Besso, Cortivallo und Carmignone, führe auf eigenem Bahnkörper dem Muzzano-See entlang und erreiche die Staatsstrasse vor Muzzano. Nach Muzzano bediene sie noch Agno, Magliaso, Ponte Tresa und Ponte Cremenaga.

Unterm 21. Mai 1908 reichte das Initiativkomitee Borella noch eine Variante ein, nach welcher das Tracé zwischen Besso (bei Lugano} und Muzzano etwas abgeändert wurde.

Dem technischen Bericht entnehmen wir folgende Angaben : Länge der Bahn : 15,705 m, wovon 2100 m auf eigenem Bahnkörper ; Spurweite : l m ; Maximalsteigung : 80 %o ; Höhenkoten : Lugano 338, Agno 286, Magliaso 284, Ponte Tresa 278, Ponte Cremenaga 256 ; Minimalradius : 40 m ; Zwischenstationen : 9 Haltestellen ; Betriebssystem : Elektrizität, Einphasenwechselstrom mit obei> irdischer Leitung.

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Der Kosten Voranschlag setzt sich aus folgenden Posten zusammen : Unterbau, Kunstbauten Fr. 55,760 Oberbau ,, 262,550 Elektrische Ausrüstung ,, 96,000 Rollmaterial . ,, 115,000 Hochbau ,, 16,000 Unvorhergesehenes ,, 34,690 Fr. 580,000 oder zirka Fr. 37,000 per Bahnkilometer.

IV.

Schon unterm 24. März 1908 hat Herr Bundesrichter Dr.

Ag. Soldati in Lausanne im Auftrage des Initiativkomitees für die eingangs erwähnte Normalspurbahn Lugano-Ponte Tresa oder Castano gegen die nachgesuchte Konzession für eine Strassenbahn Lugano-Ponte Tresa Einsprache erhoben. Da die projektierte Strassenbahn so ziemlich das gleiche Tracé wie die bereits konzessionierte Normalspurbahn habe, werde sie dieser letzteren grossen Schaden zufügen. Allerdings werde die Normalspurbahn eine neue Schienen Verbindung zwischen Lugano und Mailand schaffen, sie sei aber auch auf den Lokalverkehr angewiesen und sei ohne denselben nicht lebensfähig.

Nachdem die eingelangten Konzessionsgesuche Balestra und Borella sukzessive der Kantonsregierung übermittelt worden waren, brachte das Eisenbahndepartement die Einsprache des Herrn Dr. Soldati unterm 7. August 1908 dem Staatsrat des Kantons Tessin ebenfalls zur Kenntnis und lud ihn gleichzeitig ein, sich über dieselbe zu äussern. Dabei wurde betont, dass, falls die Konzessionierung einer Strassenbahn neben der bereits konzessionierten Normalspurbahn im Interesse der Gegend sei, eine Einigung zwischen den beiden Initiativkomitees angestrebt werden müsse, um einen Konkurrenzkampf, durch den die Verwirklichung des neuen Bahnprojektes in Frage gestellt werden könnte, zu vermeiden. Der Staatsrat möge daher die von ihm schon früher versuchten aber fruchtlos gebliebenen Vermittlungsversuche wieder aufnehmen.

In seiner Vernehmlassung vom 29. August 1908 führte der Staatsrat aus, dass keine Einigung zwischen den beiden Initiativ-

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komitees habe erzielt werden können. Da aber das durch Herrn Fürsprech Balestra vertretene Komitee sein Projekt mit einer-, direkten Verbindungslinie Agno-Sorengo-Lugano (Konzessionsgesuch vom 9. September 1908) zu ergänzen beabsichtige, so biete dasselbe die meisten Vorteile und müsse daher zur Berücksichtigung empfohlen werden.

In bezug auf die Einsprache des Herrn Dr. Ag.- Soldati verwies der Staatsrat auf die Vernehmlassungen der beiden Initiativkomitees und bestätigte im übrigen seine Vernehmlassung vom 17. März -1908 betrefiend das erste Konzessionsgesuch des Herrn Balestra, in welchem er bereits ausgeführt hatte, dass nach seiner Ansicht kein Konkurrenzverhältnis zwischen der Normalspurbahn und der Strassenbahn bestehe ; denn die vom Komitee Stoppani und Soldati projektierte Linie mit dem in Aussicht genommenen Anschlüsse an die noch zu erstellende italienische Linie Porto CeresioCaslano oder Ponte Tresa bezwecke, eine kürzere Verbindung zwischen Lugano und Mailand zu schaffen und habe somit einen internationalen Charakter.

Nach Prüfung des vom Staatsrat angekündigten dritten Konzessionsgesuches . des Initiativkomitees Balestra stellte das Eisenbahndepartement an Herrn Dr. A. Soldati in Lausanne die Anfrage, ob er seine Einsprache mit Rücksieht auf die Haltung des Staats^ rates und der interessierten Gemeinden aufrecht erhalte.

In einer Eingabe vom 29. November 1908 erklärte Herr.

Soldati, dass er seine Einsprache nicht zurückziehen könne.

Aus dieser Eingabe heben wir folgende Punkte hervor: 1. Die Strassenbahn werde der Normalspurbahn einen Teil des Lokalverkehrs wegnehmen, den diese nicht entbehren könne.

Hierüber verlangte Herr Soldati eine Expertise.

2. Die Provinz Como und die interessierten italienischen Gemeinden hätten die von ihnen verlangten Subventionen an den Bau der Strecke Ponte Tresa (Caslano) - Porto Ceresio bewilligt.

Die Erteilung der Konzession durch Italien werde kaum mehr lange auf sich warten lassen.

Was zunächst die sub l verlangte Expertise anbelangt, so.

musa es jeweilen den Einsprechern überlassen werden, die zur Unterstützung ihrer Einsprache erforderlichen Erhebungen und Untersuchungen zu veranstalten und das bezügliche Material beizubringen.

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In bezug auf den zweiten Punkt ist zu bemerken, dass die Konzession für die Normalspurbahn seit über z w a n z i g Jahren besteht, ohne dass dieses Bahnprojekt hätte verwirklicht werden können. Dass auch in den nächsten Jahren mit dem Bau nicht wird begonnen werden können, geht aus dem Umstände hervor, dass Herr Dr. Ag. Soldati mit Schreiben vom 30. November abhin im Auftrage des Initiativkomitees der Normalspurbahn Lugano-Ponte Tresa oder Caslano eine Verlängerung um drei Jahre der für die Einreichung der technischen und finanziellen Vorlagen festgesetzten Frist nachgesucht hat.

Unter diesen Umständen schien es geboten, dem von sämtlichen übrigen Beteiligten geäusserten Wunsch, es möchte die Angelegenheit der Konzessionierung einer Strassenbahn der Bundesversammlung in ihrer Dezembersession zu unterbreiten, Rechnung zu tragen ; denn, wird eine Strassenbahn, die den Transport von Personen, Gepäck und Expressgut übernimmt, konzessioniert, so erhält voraussichtlich die Gegend in verhältnismässig kurzer Zeit die vorläufig vollkommen genügende, ersehnte Bahnverbindung mit Lugano. Das Eisenbahndepartement stellte daher gemäss dem Antrage des Staatsrates des Kantons Tessin einen Konzessionsentwurf zu Gunsten des letzten Projektes des Initiativkomitees Balestra auf und ersuchte sämtliche Interessenten an den konferenziellen Verhandlungen, die auf den 9. Dezember 1908 in Bern angesetzt wurden, teilzunehmen. Dieser Einladung folgten alle Beteiligten mit Ausnahme des Herrn Dr. A. Soldati, welcher mit Sehreiben vom 7. Dezember nochmals erklärte, dass er auf seiner Einsprache beharren müsse. Nach längeren Beratungen, in welchen ein letztes Projekt des Initiativkomitees Borella, vom 5. Dezember 1908, noch geprüft wurde, erfolgte zwischen den beiden Komitees Balestra und Borella eine Verständigung in dem Sinne, dass drei Mitglieder des letzteren Komitees in das erste Komitee aufgenommen wurden. Für das weitere Vorgehen wurde das Projekt Balestra adoptiert.

Dem Konzessionsentwurfe wurde im allgemeinen zugestimmt.

Den Begehren der Konzessionsbewerber um Einführung zweier Wagenklassen und um Aufnahme von Bestimmungen betreffend die Beförderung von Gepäck und Expressgut konnte ohne weiteres entsprochen werden.

Weitere Bemerkungen haben wir nicht anzubringen.

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Wir empfehlen Ihnen den nachstehenden Beschlussentwurf zur Annahme und benützen auch diesen Anlass, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 17. Dezember 1908.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

369 (Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Konzession einer elektrischen Strassenbahn von Lugano über Bioggio und über Sorengo, Agno, Ponte Tresa nach Ponte Cremenaga.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft., nach Einsicht 1. einer Eingabe eines durch Herrn Fürsprech Balestra in Lugano vertretenen Initiativkomitees betreffend Konzession einer elektrischen Strassenbahn Lugano-Bioggio-Ponte Tresa, vom 1. Februar 1908; 2. einer Eingabe desselben Initiativkomitees betreffend Konzession einer elektrischen Strassenbahn von Ponte Tresa nach Ponte Cremenaga, vom 14. Mai 1908; 3. einer Eingabe desselben Initiativkomitees betreffend Konzession einer elektrischen Strassenbahn von Lugano über Bioggio und über Sorengo, Agno, Ponte Tresa nach Ponte Cremenaga, vom 9. September 1908; 4. einer Eingabe eines durch Herrn L. Borella, Ingenieur in Lugano, vertretenen Initiativkomitees betreffend Konzession einer elektrischen Strassenbahn Lugano-Muzzano-Ponte TresaPonte Cremenaga, vom 8. Mai 1908, mit Variante vom 21. Mai 1908; 5. einer Einsprache des Herrn Dr. A. Soldati, in Lausanne, namens des Initiativkomitees für eine Eisenbahn von Lugano nach Ponte Tresa oder Caslano (Grenze), vom 24. März/ 29. November 1908; 6. einer Botschaft des Bundesrates vom 17. Dezember 1908,

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beschliesst: I. Einem durch Herrn B a l e s t r a , Fürsprech in Lugano, vertretenen und aus den Herren T o g n e t t i , B i a n c h i , D o n i n i , R u s c a und K i v a bestehenden Initiativkomitee, das sieh durch Aufnahme der Herren R u s c a , V i c a r i und Reina des Initiativkomitees Borella zu ergänzen hat, wird zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession für den Bau und den Betrieb einer elektrischen Strassenbahn von Lugano über Bioggio und über Sorengo, Agno, Ponte Tresa nach Ponte Cremenaga unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt.

Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Die Bahn wird als Nebenbahn im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 erklärt.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteilt.

Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Lugano.

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Art. 5. Binnen einer Frist von 24 Monaten, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, sind dem Bundesrat die vorschriftsmässigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach der Plangenehmigung ist mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu beginnen.

Art. 6. Binnen 2 Jahren, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionierte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Die Ausführung des Bahnbaues, sowie der zum Betrieb der Bahn erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausführungsplänen, welche vorher dem Bundesrat

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Art. 8. Die Bahn wird mit Spurweite von l Meter und eingeleisig erstellt und mittelst Elektrizität betrieben.

In bezug auf die-Benützung der öffentlichen Strassen für die Anlage und den Betrieb der Bahn gelten die Vorschriften des bezüglichen tessinischen Gesetzes vom 3. Juni 1899, soweit diese Vorschriften nicht mit der gegenwärtigen Konzession und der Bundesgesetzgebung im Widerspruch stehen.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. a. w., sind Eigentum des Kantons Tessin und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10, Den eidgenössischen Beamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrat kann verlangen, dass Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlass geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Ebenso hat er das Recht, zu verlangen, dass Mitglieder der Verwaltung, welchen vorübergehend oder dauernd Funktionen eines Beamten oder Angestellten übertragen sind und die in der Ausübung derselben Anlass zu begründeten Klagen geben, dieser Funktionen enthoben werden.

Art. 12. Die Gesellschaft übernimmt die Beförderung von Personen, Gepäck und Expressgut.

Eingeschriebenes Gepäck und Expressgut wird nur in Zügen mit Gepäckwagen befördert.

Art. 13. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement .der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschitfunternehmuugen Bundesblatt. 60. Jahrg. Bd. VI.

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zu unterziehen. Soweit sie Änderungen nötig finde), können solche erst eingeführt werden, nachdem sie vom Bundesrat genehmigt worden sind.

Art. 14. Es bleibt der Gesellschaft im allgemeinen anheimgestellt, die Zahl der täglichen Züge und deren Kurszeiten festzusetzen. Immerhin sollen alle daherigen Projekte, soweit sie sich auf fahrplanmässige Züge beziehen, dem Eisenbahndepartement vorgelegt und dürfen vor der Genehmigung nicht in Kraft gesetzt werden.

Die Fahrgeschwindigkeit der Züge wird vom Bundesrat festgesetzt.

Art, 15. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen nach dem Durchgangssystem mit zwei Klassen aufstellen.

Art. 16. Für die Beförderung von Personen können Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze bezogen werden: in der zweiten Wagenklasse 15 Rappen, in der dritten Wagenklasse 10 Rappen per Kilometer der Bahnlänge.

Für Hin- und Rückfahrten sind die Personentaxen mindestens 20 °/o niedriger anzusetzen als für doppelte einmalige Fahrten.

Kinder unter vier Jahren sind gratis zu befördern, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird; für Kinder zwischen dem vierten und dem zurückgelegten zwölften Altersjahre ist in beiden Wagenklassen die Hälfte der Taxe zu zahlen.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, zu Bedingungen, welche im Einvernehmen mit dem Bundesrat aufzustellen sind, Abonnementsbillette zu reduzierter Taxe auszugeben.

Art. 17. Für die Beförderung von Armen, welche sich als solche durch Zeugnis der zuständigen Behörden ausweisen, ist die halbe Personentaxe zu berechnen.

Auf Anordnung eidgenössischer oder kantonaler Behörden sind auch Arrestanten zu transportieren.

Der Buudesrat wird hierüber die nähern Bestimmungen aufstellen. : Art. 18. Jeder Reisende ist berechtigt, 10 Kilogramm Reisegepäck taxfrei zu befördern, sofern es ohne Belästigung .der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

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Für anderes Keisegepäck kann eine Taxe von höchstens 10 Rappen per 1UO Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

Die Mioimaltaxe für die Beförderung von Gepäck und Expressgut soll den Betrag von 25 Rappen für eine einzelne Sendung nicht übersteigen.

Art. 19. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchteile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet.

Wenn die genaue Ziffer der so berechneten Taxe nicht ohne Rest durch 5 teilbar ist, so wird sie auf die nächsthöhere durch 5 teilbare Zahl aufgerundet, sofern der Rest mindestens einen Rappen beträgt.

Art. 20. Für die Einzelheiten Réglemente und .Tarife aufzustellen.

des Transportdienstes sind

Art. 21. Sämtliche Réglemente und Tarife sind mindestens zwei Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem ßundesrat zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 22. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transporttaxen verhältnismässig herabzusetzen. Kann hierüber eine Verständigung zwischen dem Bundesrat und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschliesslich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 23. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äufnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Ferner sind die Reisenden und das Personal bei einer Anstalt bezüglich derjenigen Verpflichtungen zu versichern, welche aus dem Haftpflichtgesetz vom 28. März 1905 mit Bezug auf Unfälle beim Bau, beim Betrieb und bei Hülfsgeschäften sich ergeben.

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Art. 24. Für die Ausübung des Rückkaufsrechtes des Bundes oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons Tessin, gelten folgende Bestimmungen : a. Der Rückkauf kann frühestens 30 Jahre nach Eröffnung des Betriebes und von da an je auf 1. Januar eines Jahres erfolgen. Vom Entschluss des Ruckkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

6. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allea übrigen Zugehören. Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensions- und Unterslützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge getan werden, und sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein vernai l nistnässiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Januar I960 rechtskräftig wird, den 25fnchen Wert des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Kalenderjahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1950 und l Januar 1965 erfolgt, den 221/afachen Wert; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1965 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages; -- unter Abzug der Erneuerungsüud Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzessionierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluss aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letzlern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibuugsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

. «. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Ruckkäufers entweder

375 der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen, unterliegen der Entscheidung des Buudesgerichtes.

Art. 25. Hat der Kanton Tessin den Rückkauf def Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein Rückkaufsreeht, wie es im Art. 24 definiert worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

II. Auf die Einsprache des Herrn Dr. A. Soldati in Lausanne namens des Initiativkomitees für eine Eisenbahn von Lugano nach Ponte Tresa oder Castano (Grenze) gegen die Konzessionierung einer elektrischen Strassenbahn von Lugano nach Ponte Tresa bezw. Ponte Cremenaga, vom 24. März/29. November 19U8 wird nicht eingetreten.

III. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieses Beschlusses, welcher am 1. Januar 1909 in Kraft tritt, beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer elektrischen Strassenbahn von Lugano über Bioggio und über Sorengo, Agno, Ponte Tresa nach Ponte Cremenaga. (Vom 17. Dezember 1908.)

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1908

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52

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

23.12.1908

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361-375

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