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Bundesratsbeschluss über

die Beschwerde des Comestibleshändlers S. Fuchsmann in Zürich betreffend Entzug einer Bewilligung zum Gewerbebetrieb an öffentlichen Ruhetagen.

(Vom 27. Dezember 1907.)

Der schweizerische B u n d e s r a t

hat über die Beschwerde des Comestibleshändlers S. Fuchsmann in Zürich betreffend Entzug einer gemäss § 16 des zürcherischen Gesetzes betreffend die öffentlichen Ruhetage erteilten Bewilligung zum Gewerbebetrieb, auf den Bericht seines Justiz- und Polizeidepartements, folgenden

Beschluss gefâsst:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

,Im Juni 1907 stellte S. Fuchsmann, welcher in Zürich im Metropol ein Comestiblesgeschäft mit Filiale in der Vorhalle des Hauptbahnhofes betreibt, beim Regierungsrat das Gesuch, das Filialgeschäft, in dem er nur Obst und Wurstwaren verkaufe, gemäss § 16 des Gesetzes betreffend die öffentlichen Ruhetage Bundesblatt. 60. Jahrg. Bd. I.

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vom 12. Mai 1907 offen halten zu dürfen, d. h. nach dem Gesetz, am Karfreitag, Ostermontag, Pfingsttag, eidgenössischen Bettag und ersten Weihnachtstag bis vormittags 9 Uhr, von 10'/a bis 2 Uhr und von 4---8 Uhr, an den übrigen öffentlichen Ruhetagen von lO'/a vormittags bis 8 Uhr abends, während welchen Stunden auch das Austragen von Waren gestattet ist. Fuchsmann begründete das Gesuch insbesondere damit, sein Filialgeschäft diene lediglich den Reisenden, die ja an Sonn- und Festtagen zahlreicher seien als an Werktagen. Dieses Gesuch wurde vom Regierungsrat am 10. Juli 1907 bewilligt. Aus einer Bekanntmachung des S. Fuchsmann im Tagblatt der Stadt Zürich vom 20. Juli 1907, die ausser der Telephonnummer des Bahnhofgeschäfts folgende Stelle enthielt: ,, D a g e g e n ist m e i n G e s c h ä f t im H a u p t b a h n h o f für das reisende'Publikum von lO'/a U h r v o r m i t t a g s b i s a b e n d s 8 U h r u n u n t e r b r o c h e n g e ö f f n e t ^ , schloss der Polizeivorstand der Stadt Zürich, Fuchsmann habe die Absicht, die Filiale im Hauptbahnhof nicht bloss den Reisenden, sondern der Einwohnerschaft überhaupt zur Benutzung zu empfehlen und verfügte daher unter Androhung des Entzugs der dem S. Fuchsmann erteilten Bewilligung, dass sich der Verkauf von Obst und Wurstwaren in der Bahnhoffiliale nach wie vor auf das reisende Publikum zu beschränken habe. Das Vorgehen des S. Fuchsmann veranlasste aber den Vorstand des Verbandes der Comestibleshändler in Zürich zu einer Eingabe an den Regierungsrat, worin beantragt wurde, die dem S. Fuchsmann erteilte Bewilligung sei zurückzuziehen, da kein Anlass vorliege, ihm eine Ausnahmestellung zu schaffen ; die Reisenden hätten in den Bahnhofwirtschaften genügend Gelegenheit, sich mit Mundvorrat zu versehen. Hierauf zog der Regierungsrat mit Beschluss vom 15. August 1907 die dem S. Fuchsmann am 10. Juli 1907 erteilte Bewilligung zurück,, weil Fuchsmann sie durch seine Bekanntmachung im Tagblatt missbraucht habe und eine Kontrolle zur Verhütung weitern Missbrauchs undurchführbar sei, und weil die Keisenden in den ßahnhofwirtschaften, sowie in den Speisewagen der Züge, genug Gelegenheit haben, ihre Bedürfnisse nach Speise und Trank zu befriedigen. Ein Gesuch des S. Fuchsmann, der Kegierungsrat wolle auf seinen Beschluss zurückkommen, in welchem Gesuch
u. a. geltend gemacht wurde, das Filialgeschäft S. Fuchsmann stehe im Zusammenhang mit dem Bahnbetrieb und falle daher nicht unter das Ruhetagsgesetz, welches in § 4 ausdrücklich den .Betrieb der öffentlichen Verkehrsanstalten von seiner Regelung

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ausnehme, wurde vom Regierungsrat am 5. September 1907 abgewiesen. In dem Beschluss wurde ausgeführt, Fuchsmann könne sich nicht auf den Entscheid der Bundesbehörden berufen, wonach der Betrieb der Bahnhofwirtschaften in engem Zusammenhang mit dem Bahnbetrieb überhaupt stehe und daher die kantonale Polizeistunde auf sie nicht angewendet werden könne, denn Fuchsmann betreibe keine Wirtschaft, und es handle sich bei seinem Geschäft nicht um die Frage des Nachts-, sondern des Sonntagsbetriebs. Die blosse Tatsache, dass ein Geschäft seinen Sitz in einem Bahnhofgebäude habe, stelle noch keinen Zusammenhang des Geschäfts mit dem Bahnbetrieb her. Wenn die gegenteilige Auffassung richtig wäre, so würden auch alle andern Geschäfte, wie Coiffeurläden etc., die in Bahnhofgebäuden untergebracht sind, der Herrschaft des kantonalen Rechts entzogen und dem Eisenbahnrecht des Bundes unterstellt, das darüber keinerlei gewerbepolizeiliche Vorschriften besitze.

II.

In einer vom 14. Oktober datierten, am 15. Oktober eingegangenen Eingabe beschwert sich S. Fuchsmann beim Bundesrat über den Besehluss des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 15. August 1907 und stellt das Begehren, dieser Beschluss sei aufzuheben, weil er mit Art. 4 und 31 der Bundesverfassung im Widerspruch stehe. Zur Unterstützung seiner Eingabe hat der Rekurrent im Laufe des Oktobers sodann noch ein Gutachten beigebracht. Zur Begründung des Begehrens des ßekurrenten wird in der Besehwerdeschrift und im Gutachten im wesentlichen folgendes vorgebracht: Das Ruhetagsgesetz könne auf das Geschäft des Rekurrenten im Bahnhof Zürich als auf eine zum Eisenbahnbetrieb gehörige Einrichtung nicht angewendet werden. Der Eisenbahnbetrieb umfasse nämlich, wie hauptsächlich in der deutschen .Gerichtspraxis anerkannt werde, nicht nur die Beförderung von Personen und Gütern, sondern auch alle Veranstaltungen, die das Reisen und die Wartezeit auf Bahnhöfen möglichst behaglich machen und dem Publikum Gelegenheit zur Körperpflege und zur Beschaffung von Nahrungs- und Genussmitteln und von Lesestoff geben sollen. Hieraus ergebe sich, dass der Betrieb dieser Einrichtungen nicht durch das kantonale Recht, sondern einzig durch das Eisenbahnrecht und die vom Fahrtenplan bedingten Verfügungen der Bahnverwaltungen geregelt werden können. Dies

52 gelte insbesondere für die Benutzbarkeit dieser Veranstaltungen an den öffentlichen Ruhetagen, da gerade an diesen Tagen die Zahl der Reisenden besonders gross sei. Auch der Bundesral teile in seinem Entscheid betreffend die Polizeistunde im Bahnhof Bern diese Auffassung, indem er anerkenne, dass die kantonale Vorschrift über die Polizeistunde für das Bahnhofrestaurant ·nicht gelte, weil es zum Betrieb der Eisenbahn gehöre. Das müsse auch für das Filialgeschäft Fuchsmann gelten, das kein Comestiblesgeschäft, sondern ganz auf die Bedürfnisse der Reisenden zugeschnitten sei, da dort nur Obst und Wurstwaren feilgehalten werden. Der Zweck des Geschäfts Fuchsmann decke sich vollkommen mit demjenigen einer Bahnhofwirtschaft. Dass die Reisenden ähnliche Bedürfnisse in der Bahnhofwirtschaft, wenn auch kaum zum gleichen Preis und in der gleichen Qualität decken können, komme nicht in Betracht. Ebenso sei. der Umstand bedeutungslos, dass es sich für Fuchsmann nicht um den Nacht-, sondern um den Feiertagsbetrieb handle, da zwischen diesen ein prinzipieller Unterschied nicht bestehe, und es nur darauf ankomme, dem Reisenden Gelegenheit zum Einkauf von Proviant während einer Zeit zu verschaffen, zu welcher ihm die Deckung seiner Bedürfnisse an andern Orten unmöglich sei. Die enge Beziehung, in der das Geschäft des Rekurrenten zum Bahnbetrieb stehe, erhelle übrigens auch aus der Bestimmung des von ihm mit der Bahnverwaltung abgeschlossenen Vertrages, welcher ausdrücklich die Benutzung des Mietobjekts auf diejenige Zeit beschränke, während welcher die Zugänge zum Bahnhof dem Publikum geöffnet sind.

Sollte aber auch dieser Standpunkt vom Bunderat nicht anerkannt werden, so müsse der Beschluss des Regierungsrats doch als ein Akt der Willkür aufgehoben werden. Nachdem die verlangte Bewilligung vom Regierungsrat am 10. Juli erteilt worden war, habe sie nur aus ganz wichtigen Gründen wieder entzogen, werden können. Nur die Unmöglichkeit oder die grosse Schwierigkeit zu kontrollieren, ob die erteilte Bewilligung richtigöder unrichtig ausgeübt werde, oder ein nach einer Strat'drohung oder Strafverfügung andauernder Missbrauch der Bewilligung hätte ihren Entzug rechtfertigen können. Die einmalige, nicht ganz einwandfreie Bekanntmachung des Rekurrenten genüge hierzu nicht. Das habe auch der Polizeivorstand mit seiner
am 20. Juli erlassenen Verfügung anerkannt. Die vom Rekurrenten begangene Inkorrektheit sei mit der Verwarnung durch den Polizeivorstand erledigt gewesen, und der Regierungsrat habe mit dem trotz der Ver-

53 warnung verfügten Entzug der Bewilligung nur in ungerechtfertigter Weise dem Drängen des Verbandes der Comestibleshändler nachgegeben.

Überdies aber verletze der angefochtene Beschluss die Rechtsgleichheit. In Zürich bestehen nämlich vier Traiteur- oder Bratwurstereigeschäfte, die gemäss § 9, lit. c, in Verbindung mit § 15 des Ruhetagsgesetzes betrieben werden dürfen. Einige dieser Geschäfte seien mit Verkaufsläden verbunden, worin die gleichen Waren wie im Fuchsmannschen Geschäfte feilgeboten werden.

Diese Verkaufsstellen werden nun gemäss § 15 des genannten Gesetzes am Karfreitag, Ostersonntag, Pttngstsonntag, am eidgenössischen Bettag und am ersten Weihnachtstag bis vormittags 9 Uhr, an den übrigen Ruhetagen überdies von lO'/s bis 12 Uhr vormittags und von 6 bis 8 Uhr abends offengehalten, während Fuchsmann nach Entzug der Bewilligung, gemäss § 14 des Gesetzes, sein Geschäft an öffentlichen Ruhetagen, ausgenommen im Dezember, schliessen müsse. Er sei somit gegenüber den genannten gleichartigen Geschäften zurückgesetzt. Ja, er sei sogar schlechter gestellt, als die Verkaufsstellen, die ausschliesslieh alkoholfreie Getränke und Obst verschleissen, da diese an Sonntagen Obst verkaufen dürfen, was ihm untersagt sei.

III.

In seiner Vernehmlassung vom 25. November 1907 beantragt der Regierungsrat des Kantons Zürich Abweisung der Beschwerde.

Der Einwand, das Ruhetagsgesetz könne auf den Betrieb des Rekurrenten überhaupt nicht angewendet werden, sei vor Erlass des angefochtenen Beschlusses vom 15. August 1907 nicht erhoben worden, vielmehr habe sich der Rekurrent immer dem kantonalen Gesetz gefügt und dessen Begünstigungen für sich in Anspruch genommen. Erst nach dem Entzug der Bewilligung zum Offenhalten seines Geschäftes gemäss § 16 des Gesetzes, sei er auf dieses Argument verfallen. Das vom Rekurrenten beigebrachte Gutachten gehe viel zu weit mit seinem Leitsatz, dass alles, was zu Eisenbahnbauten irgendwelcher Art gehöre, unter dem Eisenbahnrecht des Bundes stehe und der Herrschaft des kantonalen Rechts gänzlich entzogen sei. Für diese Bauten gelte unbestrittenermassen in Ergänzung des Bundesrechts das kantonale Recht im Gebiete der Bau-, Feuer- und Gesundheitspolizei und, soweit dies mit dem Zweck der Bauten und des Dienstzweiges, dein sie gewidmet sind, vereinbar sei, auch im Gebiete der Ruhetagspolizei.

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Dies sei auch vom Bundesrat im Entscheid betreffend die Bahnhofwirtschaft Bern anerkannt worden. Wenn auch dort das Bundesrecht und die Interessen des Eisenbahnbetriebs in erster Linie als massgebend bezeichnet werden, so sei doch keine Rede davon, dass das kantonale Recht neben dem Bundesrecht überhaupt keine Geltung mehr besitze. Übrigens könne, was für Bahnhofwirtschaften gelte, nicht ohne weiteres auf andere Geschäfte, die zufälligerweise in einem Bahnhofgebäude eingerichtet sind, übertragen werden, und speziell bei dem Geschäft des Kekurrenten fehle es an denjenigen Beziehungen zum Eisenbahnbetrieb, die allein eine solche Analogie rechtfertigen könnten.

Schon nach seiner Lage in der der Stadt zugewendeten Vorhalle des Bahnhofs unterscheide es sich wesentlich von den Bahnhofrestaurationen im Innern der Haupthalle und diene schon aus diesem Grunde nicht den eigentlichen Reisenden, den Durchreisenden, für die besonders es solcher Veranstaltungen bedürfe, sondern der städtischen Kundschaft, der es der ßekurrent auch durch sein Inserat besonders empfohlen habe. Jedenfalls aber sei das Geschäft oder die Räumlichkeiten, worin es sich befindet, zurzeit von der Bahnverwaltung nicht zum Eisenbahnzweck bestimmt.

In diesen Räumen sei früher der Schalterdienst der Bahn eingerichtet gewesen. Als dieser ins Innere der Haupthalle habe verlegt werden müssen, seien diese Lokale frei geworden und, wie diejenigen irgend eines privaten Hausbesitzers, ohne Rücksicht auf den Eisenbahnbetrieb an Geschäftsleute vermietet worden.

Klar sei allerdings, dass sich da besonders solche Geschäfte eingemietet hätten, deren Waren auch Reisenden nützlich sein können, aber die Eisenbahnverwaltung habe bei der Vermietung ihrer Räume nicht ihr besonderes Augenmerk auf solche Geschäfte gerichtet. Die Klausel im Mietvertrag, wonach die Benutzung fier Räume auf die Zeit beschränkt iet, während welcher die Zugänge zum Bahnhof dem Publikum geöffnet sind, beweise nichts für die Zugehörigkeit des Geschäftes Fuehsmann zum Bahnbetrieb, sondern nur, dass es der von der Bahnverwaltung aufgestellten Hausordnung unterstehe, da die Bahnverwaltung einen besondern Kontrolldienst für die Öffnung und Schliessung dieses Geschäfts oder einen besondern Sicherheitsdienst dafür nicht einfuhren wollte.

Das Geschäft des Bekurrenten im Bahuhof Zürich
stehe also unzweifelhaft unter der Herrschaft des kantonalen Rechts.

Der Vorwurf des Rekurrenten, dass das Ruhctagsgesetz in willkürlicher Weise auf ihn angewendet worden sei, entbehre der

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Begründung. Eine Verletzung der Rechtsgleichheit könne in der verschiedenen Behandlung der Traiteur- und Bratwurstereigeschäfte und der Filiale des Rekurrenten nicht erblickt werden. Die Natur des Geschäftes der Traiteure und Bratwurster, die für die Bedürf nisse des Tages arbeiten, habe es nötig gemacht, diese Betriebe in § 9, lit. e, des Ruhetagsgesetzes von der Arbeitsbeschränkung an Sonntagen auszunehmen und da ihnen die Herstellung ihrer Waren gestattet sei, so müsse man ihnen auch die Möglichkeit geben, sie an Sonntagen zu verkaufen. Dies geschehe durch Unterstellung dieser Verkaufsläden unter § 15 des Gesetzes. Der Rekurrent betreibe aber ein blosses Comestiblesgeschäft und beanspruche überdies nicht die Vergünstigungen des § 15 des Ruhetagsgesetzes, sondern die bedeutend. weitergehende Ausnahmestellung des § 16. Dies sei nicht gerechtfertigt, vielmehr habe der Rekurrent nur Anspruch auf Gleichstellung mit den übrigen Comestibleshändlern. Aus diesem Grunde könne auch sein weiterer Einwand, dass ihm die Bewilligung willkürlich, nämlich ohne zureichenden Grund, entzogen worden sei, nicht gehört werden. Die ausnahmsweise Behandlung nach § 16 des Ruhetagsgesetzes sei ihm nur unter der Voraussetzung zuteil geworden, dass sein Geschäft, wenn es auch nicht zum Eisenbahnbetrieb gehöre, doch speziell oder ausschliesslich dem Reisendenverkehr diene. Nachdem dieser Voraussetzung durch die Handlungsweise des Rekurrenten der schwache Boden, auf dem sie beruhte, entzogen worden sei, habe der Regierungsrat nicht nur das Recht, sondern die Pflicht gehabt, den Rekurrenten durch Entzug der erteilten Bewilligung in die gleiche Rechtsstellung, wie die übrigen Comestibleshändler zu versetzen. Dies sei um so mehr angezeigt gewesen, als der Regierungsrat bei der Erteilung der Bewilligung an Fuchsmann über den Wortlaut des § 16 des Ruhetagsgesetzes hinausgegangen sei, welcher bloss von Konditoreien, Bäckereien und Verkaufsstellen, die ausschliesslich Obst und alkoholfreie Getränke verschleissen, spreche. Fuchsmann verkaufe zwar auch Obst, aber sein Betrieb qualifiziere sich in der Hauptsache doch als Comestiblesgeschäft. Indem der Regierungsrat die Filiale des Rekurrenten aus der Reihe der nach Massgabe des § 16 des Ruhetagsgesetzes zu behandelnden Geschäfte gestrichen habe, habe er nicht das Gesetz verletzt,
sondern nur den allein dem Gesetz entsprechenden Zustand wieder hergestellt. Das Bahnhofgeschäft des Rekurrenten gleich zu behandeln wie die ausschliesslich Obst und alkoholfreie Getränke vertreibenden Verkaufsstellen, gehe schon deshalb nicht an, weil

56 eine Kontrolle darüber, dass an den Ruhetagen im Fuchsmannschen Geschäft ausschliesslich Obst verkauft werde, undurchführbar sei, wenn man nicht verlangen wollte, dass an diesen Tagen sämtliche andern Waren ausgeräumt würden, was jedenfalls der Händler selbst nicht haben wollte.

III.

Der Rekurrent hat seine Beschwerde gleichzeitig beim Bundesgericht anhängig gemacht. Gemäss Art. 194 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege wurde zwischen Bundesgericht und Bundesrat ein Meinungsaustausch eingeleitet^ welcher ergab, dass nach der Ansicht beider Behörden, der Bundesrat über die auf Art. 31 in Verbindung mit Art. 4 der Bundesverfassung fussende Beschwerde zu entscheiden habe.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht:

I.

In seiner Vernehmlassung hat der Kegierungsrat des Kantons Zürich bemerkt, die Beschwerde sei vielleicht verspätet.

Dem ist nicht so. Der angefochtene regierungsrätliche Beschluss datiert vom 15. August und ist dem Rekurrenten frühestens am 16. August zugestellt worden. Die Beschwerde des 8. Fuchsmann ist am 15. Oktober, also spätestens am letzten Tag der Rekursfrist, beim Bundesrat eingegangen.

II.

In erster Linie ist zu prüfen, ob das zürcherische Ruhetagsgesetz auf das Filialgeschäft des Rekurrenten im Bahnhof Zürich angewendet werden dürfe. Diese Frage ist zu bejahen. Der Rekurrent hat sich darauf berufen, dass sein Geschäft analog den Bahnhofwirtschaften zu behandeln sei, und dass der Bundesrat anerkannt habe, das kantonale Recht finde auf Bahnhofwirtschaften keine Anwendung. Dem gegenüber ist zu bemerken, dass in dem Entscheid vom 16. März 1903 betreffend die Schliessung der Bahnhofwirtschaft Bern und im Bericht an die Bundesversammlung vom 2. November 1903 in gleicher Sache

57 (vgl. Bimdesbl. 1903, I, 1069 ff. und IV, 512 ff.) der Bundesrat allerdings die Zugehörigkeit der Bahnhofwirtschaft in Bern zum Bahnbetrieb anerkennt, ohne damit aber den allgemeinen Satz aufzustellen, dass alle Bahnhofwirtschaften zum Bahnbetrieb gehören. Ausserdem findet sich in den einschlägigen Gesetzen und Reglementen und in der Judikatur kein Anhaltspunkt für die Zugehörigkeit von Obst- und Esswarengeschäften zum Bahnbetrieb, auch wenn sie in Bahnhofgebäuden untergebracht sind.

Weder hat die Aufsichtsbehörde von den Eisenbahnen verlangt, dass sie dem Reisenden solche Verproviantierungsgelegenheiten bieten, noch haben die Eisenbahnverwaltungen von sich aus dafür gesorgt. Auch im vorliegenden Falle konnte der Rekurrent nm; deshalb im Bahnhofgebäude sein Filialgeschäft errichten, weil der Schalterdienst der Bahnverwaltung in die Haupthalle verlegt werden musste und dadurch ein Teil des Bahnhofareals zu andern als Betriebszwecken verfügbar wurde. Dass die Räume, in denen sein Filialgeschäft untergebracht ist, dein Rekurrenten von der Bahnverwaltung vermietet worden sind und somit der Hausordnung des Bahnhofs unterstehen, bringt das Geschäft so wenig in einen Zusammenhang mit dem eigentlichen Bahnbetrieb wie der Umstand, dass die von Fuchsmann feilgebotenen Waren auch Reisenden dienlich sein können. Es kann somit kein Zweifel darüber bestehen, dass das zürcherische Ruhetagsgesetz in vollem Umfang auch auf das Filialgeschäft des Rekurrenten anwendbar ist.

III.

Ist somit festgestellt, dass das Geschäft des Rekurrenten zu denjenigen Betrieben gehört, die unter dem zürcherischen Ruhetagsgesetz stehen, so bleibt noch zu prüfen, ob, wie der Rekurrent behauptet, der Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zürich mit Art. 4 und 31 der Bundesverfassung unvereinbar sei. Ohne das Ruhetagsgesetz selbst von diesem Standpunkt aus anzufechten, behauptet der Rekurrent, die Anwendung des Gesetzes auf sein Filialgeschäft im angefochtenen Entscheid widerspreche dem Prinzip des Art. 4 der Bundesverfassung in zweifacher Weise ; erstens sei durch den im Gesetz selbst nicht vorgesehenen Entzug der Bewilligung ein dem Rekurrenten durch die ursprüngliche Bewilligung verliehenes wohlerworbenes Recht willkürlich wieder aufgehoben worden und zweitens sei der Rekurrent durch den Entzug der Bewilligung schlechter gestellt worden

58 als die Traiteure und die Verkäufer von Obst und alkoholfreien Getränken, was mit der Rechtsgleichheit unvereinbar sei.

Was den ersten Punkt anbelangt, so stand dem Rekurrenten infolge der Einreihung seines Geschäfts unter die in § 16 des Ruhetagsgesetzes genannten Betriebe kein wohlerworbenes Recht zu. Durch den Beschluss des Regierungsrats vom 10. Juli 1907 wurde dem Rekurrenten lediglich die polizeirechtliche Erlaubnis erteilt, das Geschäft zu gewissen Zeiten offen zu halten. Solehe polizeiliche Bewilligungen können aber jederzeit zurückgenommen werden, wenn sich zeigt, dass die Voraussetzungen, an die sie geknüpft sind, überhaupt nie vorhanden waren oder nicht mehr .vorhanden sind, oder wenn sich herausstellt, dass die eingeräumte Bewilligung missbraucht wird. Der Entzug der Bewilligung wäre also im vorliegenden Fall nur dann nicht gerechtfertigt, wenn sich herausstellen sollte, dass sich aus dem Gesetz selbst ein Anspruch des Rekurrenten auf Einreihung seines Geschäfts unter die in § 16 genannten Betriebe ableiten lässt. Dem ist aber nicht so. Die Begünstigung des § 16 des Ruhetagsgesetzes kann nach dem Wortlaut des Gesetzes nur Konditoreien, Bäckereien und Verkaufsstellen, welche ausschliesslich alkoholfreie Getränke und Obst verkaufen, eingeräumt werden. Da im Filialgeschäft ·des Rekurrenten neben Obst hauptsächlich Wurstwaren verkauft werden, so fällt es unter keine der drei Kategorien des § 16.

Die Bewilligung war somit von vornherein ungesetzlich und hätte zurückgezogen werden können, auch wenn der Rekurrent sie nicht durch das Inserat im Tagblatt missbraucht hätte.

Auch der vom Rekurrenten erhobene Einwand, der angefochtene Entscheid widerspreche dem Grundsatz der rechtlichen Gleichbehandlung der Bürger, ist unbegründet. Der Rekurrent hat auf Grund dieses Prinzips nur Anspruch auf die Rechtstellung, welche die Inhaber gleicher Geschäfte in Zürich gemessen. Dieser Anspruch wird durch den Entzug der Bewilligung nicht verletzt, denn kein anderes Comestiblesgeschäft darf gemäss § 16 des Ruhetagsgesetzes offen gehalten werden. Und wenn >der Rekurrent zum Vergleich die Traiteurgeschäfte und die Verkaufsstellen, die bloss allkoholfreie Getränke und Obst feilhalten, heranzieht, so ist dieser Vergleich nicht stichhaltig, weil diese Geschäfte von dem seinigen wesentlich verschieden sind;
ausserdem aber unterstehen die Traiteurgeschäfte dem § 15 des Ruhetagsgesetzes geniessen also die vom -Rekurrenten mit seinein Gesuch um Unterstellung unter § 16 des Ruhetagsgesetzes

59 und um Aufhebung des regierungsrätlichen Entscheids angestrebten Vergünstigungen nicht.

Demnach wird erkannt: Die Beschwerde wird abgewiesen.

B e r n , den 27. Dezember 1907.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft; Ringier.

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Bundesratsbeschluss über die Beschwerde des Comestibleshändlers S. Fuchsmann in Zürich betreffend Entzug einer Bewilligung zum Gewerbebetrieb an öffentlichen Ruhetagen. (Vom 27. Dezember 1907.)

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1908

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02.01.1908

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