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Schreiben des Bundesrates an

die ständerätliche Kommission für das Traktandum ,,neues Postgesetz".

(Vom 1. Juni 1908.)

Herr Präsident, Hochgeachtete Herren, Wir beehren uns, Ihnen mitzuteilen, dass wir zu Ihren Anträgen zum P o s t g e s e t z vom 1. Mai 1908 nur folgende Einwendungen zu machen haben.

Bezüglich der Frage der P o r t o f r e i h e i t empfehlen wir in erster Linie die Annahme der in unserem Entwurf enthaltenen Anträge. Sollten letztere der Mehrheit Ihres Rates nicht genehm sein, so schlagen wir nachstehende Fassung vor, in die, soweit tunlich, auch die Abänderungsanträge Ihrer Kommission Aufnahme gefunden haben : ,, A r t. 49. Von der Entrichtung der Posttaxen sind befreit : a. die Mitglieder der Bundesversammlung oder deren Kommissionen während der Dauer der Sitzungen, wenn sie sich am Sitzungsorte befinden, für die ein- und ausgehenden Sendungen ; die Mitglieder der Kommissionen der Bundesversammlung für den amtlichen Aktenwechsel unter sich ; b. die Behörden und Amtsstellen der Eidgenossenschaft, die Generaldirektion und die Kreisdirektionen der schweizerischen Bundesbahnen ; die Behörden und Amtsstellen der Kantone, der Bezirke, der Kreise und der Gemeinden, sowie die vom Staate errichteten oder anerkannten Pfarrämter und Kir-

109 chenvorstände, die Aufsichtsbehörden der öffentlichen Schulen, Zivilstands- und Betreibungsämter und die Armenbehörden für Sendungen, welche sie unter sicìi in Amtssachen auswechseln, mit Ausschluss aller persönlich adressierten Sendungen und derjenigen an Private und von Privaten ; c. das im aktiven Dienst stehende Militär für die ein- und ausgehenden Sendungen ; d. die Behörden und Dienststellen der Post-, Telegraphenund Telephonverwaltung überdies für alle zur Postbeförderung geeigneten Gegenstände, sowie für Telegramme und Telephongespräche, welche sie unter sich im Dienstverkehr auswechseln.

Die unter lit. a, b und c bewilligte Portofreiheit erstreckt sich nur auf Postgegenstände, die das Gewicht von 2 Kilogramm nicht übersteigen, keine Wertangabe tragen und nicht zur Einschreibung aufgegeben werden. Der Bundesrat ist befugt, in einzelnen Fällen das Gewicht der portofreien Sendungen zu erhöhen.

Als Amtssachen im Sinne der lit. b sind nur solche Mitteilungen zu bezeichnen, die im öffentlichen Interesse des Staates, der Gemeinde, der Kirche oder der Schule gemacht werden."

,, A r t. 4 9 bis. Kantonale Gemeindeanstalten, welche wirtschaftlichen oder Erwerbszwecken dienen, gemessen keine Portofreiheit. Die Bezeichnung dieser Anstalten erfolgt durch den Bundesrat auf dem Wege der Verordnung."

,, A r t . 49 t e r . Wenn die Vermutung sich ergibt, dass ·die Portofreiheit unberechtigt in Anspruch genommen werde, ist die Postverwaltung befugt, die betreffende Sendung vorläufig ·zu taxieren. Dem Adressaten bleibt überlassen, auf der Poststelle des Bestimmungsortes die Berechtigung zur Portobefreiung genügend nachzuweisen. Wird der Nachweis erbracht, so wird ·die Taxe gestrichen. Ergibt sich bei Eröffnung der Sendung ein Missbrauch der Portofireüieit, so tritt Ahndung ein gemäss Art. 106 dieses Gesetzes."

Bei A r t . 50 schlagen wir die Streichung des 2. Alineas ·vor, das lautet : ,,Der Bundesrat ist ferner befugt, im Rahmen eines jährlich von der Bundesversammlung zu bewilligenden Kredites an Anstalten, Gesellschaften und Vereine, welche sich mit Armen-

no Unterstützung befassen oder andere wohltätige Zwecke verfolgen, zur Deckung der Taxen ihrer Briefpostsendungen unentgeltlich besonders gekennzeichnete Postwertzeichen abzugeben."

A r t . 50 würde somit nach unserem Vorschlage lauten : ,,Der Bundesrat ist befugt,, für die Beförderung sogenannter Liebesgaben zur Linderung von Notständen und für den zu diesem Zwecke unterhaltenen Briefpostverkehr zeitweise Portofreiheit zu gewähren."

Gegen die von der Minderheit der Kommission vorgeschlagene Taxermässigung von 10 auf 5 Rappen für B r i e f e bis zum Gewichte von 20 Gramm müssen wir uns ablehnend verhalten.

A r t . 40. Die Taxermässigung für P o s t a n w e i s u n g s b e t r ä g e von mehr als Fr. 20 bis Fr. 50 von 20 auf 15 Rappen müssen wir ebenfalls ablehnen.

Dagegen können wir, wenn dies im Rate beantragt wird, unsere Zustimmung zur Einführung der sogenannten K a r t e n b r i e f e geben, wobei das Höchstgewicht auf 7 Gramm, die Taxe auf 5 Rappen und die übrigen Bedingungen durch den Bundesrat auf dem Wege der Verordnung festzusetzen wären, alles in der Meinung, dass der Kartenbrief an Stelle des im Gesetzesentwurfe vorgeschlagenen unverschlossenen Briefes (Art. 22, lit. c) zu treten hätte. Beide Neuerungen miteinander, nämlich die Einführung des Kartenbriefes u n d des unverschlossenen Briefes, würden eine zu grosse Belastung der Postverwaltung bedeuten.

Wir benützen auch diesen Anlass, Sie, Herr Präsident, hochgeachtete Herren, unserer vorzüglichsten Hochachtung zu versichern.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t: Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Schreiben des Bundesrates an die ständerätliche Kommission für das Traktandum ,,neues Postgesetz". (Vom 1. Juni 1908.)

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