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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über das Postulat Winiger betreffend Belassung von Dienstzweigen der Zentralverwaltung in Luzern anlässlich der Einverleibung der Gotthardbahn in das Netz der schweizerischen Bundesbahnen.

(Vom 14. Dezember 1908.)

Tit.

Mit Beschluss vom 4. Dezember 1908 haben wir die Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz betreffend die Erwerbung und den Betrieb von Eisenbahnen für Rechnung des Bundes und die Organisation der Verwaltung der schweizerischen Bundesbahnen, vom 15. Oktober 1897, ergänzt und die erforderlichen Massnahmen zur Einbeziehung der Gotthardbahn. in das Netz der Bundesbahnen getroffen. Es erübrigt uns noch, Ihnen über das Postulat Winiger betreffend Belassung einzelner Dienstzweige der Zentralverwaltung in Luzern bei der Einverleibung der Gotthardbahn in die Bundesbahnen Bericht zu erstatten.

Der Ständerat hat in seiner Sitzung vom 16. Dezember 1907 anlässlich der Behandlung des Budgets der schweizerischen Bundesbahnen folgendes Postulat angenommen: ,,Mit Hinsicht auf Position 3 des Baubudgets wird der Bundesrat eingeladen, die Frage zu prüfen, ob nicht bei Übernahme der Gotthardbahn durch den Bund es sich empfehle, einzelne Dienstzweige, welche nach Massgabe der Vollziehungsverordnung vom 7. November 1899 zum Rückkaufsgesetze der Zentralverwaltung

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in Bern anzugliedern wären, in Rücksicht auf die bestehenden besondern Verhältnisse, der neu zu schaffenden Kreisdirektion in Luzern zuzuteilen.a Sowohl aus den bezüglichen Verhandlungen des Ständerates, als aus einer Eingabe des Stadtrates von Luzern an das Eisenbahndepartement, vom 28. Februar 1908, ist ersichtlich, dass es sich dabei lediglich um einzelne Abteilungen des kommerziellen Dienstes (Betriebskontrolle und Frachtreklamationsbureau der Gotthardbahn) handelte ; bezüglich der anderen Dienstzweige darf demnach von einer Prüfung der durch das Postulat aufgeworfenen Frage Umgang genommen und deren Übersiedlung nach Bern als unangefochten angesehen werden.

Gegen die Abänderung der Vollziehungsverordnung zum Rückkaufgesetze im Sinne des vom Ständerat beschlossenen Postulates Winiger sprachen formelle Gründe, indem die Belassung einzelner Dienstzweige in Luzern eine Verletzung der Vorschriften des Rückkaufgesetzes bedeutet hätte.

Über die gewichtigen materiellen Gründe, die der Berücksichtigung des Postulates Winiger ebenfalls entgegenstanden, enthält der Bericht der Bundesbahnverwaltung, welche vom Eisenbahndepartement seinerzeit um ihreVernehmlassung ersucht wurde, folgende Ausführungen: ,,Wenn eine T a r i f a b t e i l u n g in Luzern belassen würde, hätten wir in den vielen Fragen allgemeiner Natur (Transportreglement, Tarifvorschriften, Güterklassifikation, Verkehrsteilungen, Repartitionsgrundsätze, Rückvergütungen, Interpretationen bestehender Vorschriften u. s. w.) wieder mit dem Kreis V, statt wie bisher mit der Gotthardbahn, langwierige Korrespondenzen zu führen; durch die Zentralisation wollte man aber gerade dies für alle Zukunft beseitigen. Abgesehen hiervon verlangt der Umstand, dass mit der Verstaatlichung der Gotthardbahn beide Alpenübergänge (Gotthard" und Simplon) in den Besitz und die Verwaltung der schweizerischen Bundesbahnen übergehen, gebieterisch, dass das Tarifwesen des Gotthardweges den in Bern zentralisierten Tarif bureaux unterstellt wird, wie das Rückkaufsgesetz es verlangt. Eine Trennung der Tarifgeschäfte hätte unzweifelhaft zur Folge, dass die Einheit im Tarifwesen verloren ginge und dass die Kreisdirektion in Luzern einseitig die Gotthardinteressen vertreten würde, während die Zentralisation es möglich macht, die so wichtigen Interessen b e i d e r Alpenübergänge gegeneinander abzuwägen und je nach der Lage der Dinge

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so zu entscheiden, wie es das Gesamtinteresse der Bundesbahnen erfordert. Wegen der gegenseitigen Konkurrenzstellung der verschiedenen Routen sind in den Verkehren Schweiz-Italien, sowie Deutschland-, Frankreich-, Belgien- und Österreich-Italien die Verhältnisse sehr kompliziert und nur eine einheitliche Übersicht über dieselben und die Führung aller bezüglichen Verhandlungen durch eine einheitliche Stelle, die Generaldirektion, kann es ermöglichen, den schweizerischen Alpenübergängen die ihnen gebührende Bedeutung im internationalen Verkehr zu sichern. Jede Zersplitterung der Verwaltung im Tarif wesen müsste die Schädigung der einen oder ändern Route im Gefolge haben.

,,Bezüglich des A b r e c h n u n g s w e s e n s darf zunächst als selbstverständlich angenommen werden, dass nach vollzogener Verstaatlichung der Gotthardbahn die Resultate der Monatsrechnungen der Gotthardbahnstationen in den monatlichen Rechnungsabschluss der schweizerischen Bundesbahnen einbezogen werden, d. h. dass unsere Einnahmenkontrolle für das ganze Bundesbahnnetz nur e i n e n Monatsabschluss wird zu erstellen haben. Daher muss das die Grundlage zu diesem Monatsabschluss bildende Rechnungsmaterial der Stationen der Gotthardbahn an unsere Einnahmenkontrolle in Bern gesandt werden. Es hätte nun keinen Sinn, einen Teil dieses Materials zur Behandlung einem Bureau in Luzern zu übermachen; viel einfacher und zweckmässiger ist es, wenn diese Behandlung mit dem Material aller anderen schweizerischen Bundesbahnstationen in Bern vollzogen wird.

,,Im Postulat des Ständerates wird von ,,bestehenden besondern Verhältnissen"1 gesprochen, welche laut der Begründung einmal mit Rücksicht auf die von Deutschland und Italien geleisteten Subventionen (allfällige Vereinbarung bezüglich der Superdividende über 7 °/o) eine besondere Rechnungsführung für die ehemalige Gotthardbahn bedingen werden; anderseits sei die Gotthardbahn bisher die internationale Abrechnungsstelle für den Gütertransport zwischen Italien, Deutschland, Holland und England gewesen.

,,Was den ersten Punkt betrifft, so ist hervorzuheben, dass die schweizerischen Bundesbahnen bekanntlich mehrere Privatbahnen betreiben, für welche seit der Übernahme des Betriebes derselben besondere Rechnung geführt wird; die Ausscheidung der Betriebseinnahmen und der Ausgaben der Gotthardbahn wird sonach durchaus keine Schwierigkeiten bieten, und ein besonderes Abrechnungsbureau hierfür ist nicht erforderlich und auch nicht zweckmässig.

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,,Wenn daran gedacht wurde^ in Luzern eine internationale.

A b r e c h n u n g s s t e l l e , speziell ein A b r e c h n u n g s b u r e a u für den V e r k e h r mit I t a l i e n , zu errichten, so ist -in dieser Beziehung folgendes festzustellen : A. Personell- und Gepäckverkehr.

1. Schweiz-Italien und umgekehrt.

,,Der Verkehr via Gotthard wird von der Gotthardbahn abgerechnet und der Verkehr via Simplon von den Bundesbahnen.

Diese beiden Verwaltungen vermitteln die Abrechnung und Saldierung des Verkehrs der ändern schweizerischen Transportanstalten. Es ist zweckmässig, dass nach der Verstaatlichung der Gotthardbahn die Abrechnung von e i n e r Stelle besorgt werde, und zwar von der Einnahmenkontrolle in Bern. Ein besonderes Abrechnungsbureau wäre Überfluss, weil nach der Verstaatlichung der Gotthardbahn mindestens 90 % des Verkehrs nur die zwei Verwaltungen der schweizerischen Bundesbahnen und der italienischen Staatsbahnen berühren werden, die Abrechnung somit in der Hauptsache nur zwischen zwei Verwallungen stattzufinden hat.

2. Deutschland-Italien und umgekehrt.

,,Für die Abrechnung dieses Verkehrs besteht ein Abrechnungsbureau bei den Eisenbahnen in Elsass-Lothringen, in Strassburg.

3. Englisch-frangösisch-belgisch-holländisch-italienischer Verkehr.

,,Der englisch-französisch-italienische Verkehr via Laon oder Paris-Delle oder Altmünsterol wird von jeder Bahn direkt mit den beteiligten Verwaltungen abgerechnet.

,,Die Abrechnung des englisch-italienischen Verkehrs über Belgien-Elsass-Gotthard, sowie des belgisch-italienischen und des holländisch-italienischen Verkehrs via Gotthard wird vom Abrechnungsbureau der Elsass-Lothringischen-Bahnen in Strassburg besorgt.

4. Zusammenstellbare Fahrscheinhefte des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen.

,,Hierfür besteht eine Saldierungsstelle in Berlin.

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B. Güterverkehr.

,,Im Verkehr mit Italien findet auf allen Übergangsstationen an der Grenze gegen Österreich, die Schweiz und Frankreich (Pontebba, Peri, Chiasso, Pino, Domodossola, Modane und Vintimille) die sogenannte Grenzabrechnung statt, darin bestehend, dass die Taxen von der Abgangsstation bis zur italienischen Grenze und von da bis an Bestimmung in den Transportbegleitpapieren getrennt ausgesetzt werden, und die Abrechnung über die gegenseitigen Belastungen und Gutschriften der Grenzverwaltungen durch die Grenzstationen vollzogen wird. Die Kontrollen der Grenzverwaltungen haben daher für die italienischen Bahnen keine Detailberechnungen aufzustellen, sondern nur die Zusammenstellungen der Grenzstationen zu prüfen und auf Grund derselben die Saldierung anzuordnen, sowie nachträglich zu Tage tretende Differenzen auszugleichen. Ferner besorgen sie die Abrechnung mit den beteiligten schweizerischen und ausländischen Verwaltungen.

,,Hinsichtlich der einzelnen Verkehre ist folgendes zu bemerken : 1. Schweiz-Italien und umgekehrt.

,,Die Abrechnung mit den ändern schweizerischen Transportanstalten wird besorgt : a, für den Verkehr via Gotthard von der Gotthardbahn ; b. für den Verkehr via Simplon von den Bundesbahnen.

,,Die Abrechnung findet, wie im schweizerischen Verkehr, in der Weise statt, dass jede beteiligte Verwaltung eine vollständige Rechnung einschliesslich Ausscheidung der Anteile aus den Taxen bis bezw. ab der italienischen Grenze über ihren Empfang aufstellt und der Versandverwaltung zur Prüfung, eventuell Richtigstellung und Anerkennung übermittelt. Ein besonderes Abrechnungsbureau hätte keinen Zweck, vielmehr ist -es am Platze, dass nach der Verstaatlichung der Gotthardbahn die Abrechnung von e i n e r Stelle, und zwar von der Einnahmenkontrolle in Bern besorgt wird.

2. Frankreich-Italien via Simplon und umgekehrt.

,,Die Abrechnung mit den französischen Bahnen über den Verkehr via Simplon wird von den Bundesbahnen besorgt. Das Verfahren ist ähnlich wie dasjenige für den schweizerisch-italienischen Verkehr.

402 3. Deutschland-Italien und umgekehrt.

.,,Für diesen Verkehr besteht ein Abrechnungsbureau bei den Eisenbahnen in Elsass-Lothringen, in Strassburg. Diesem Bureau haben die Gotthardbahn und die Bundesbahnen als Grenzverwaltungen über den Verkehr via Gotthard bezw. Simplen je eine auf Grund der Versandrapporte der Grenzstationen aufgestellte, von der Empfangsbahn geprüfte und mit der Empfangszusammenstellung in Einklang gebrachte Versandzusammenstellung zu liefern, enthaltend die relationsweise Angabe des Gewichts und der Frachten, Nebengebühren und Nachnahmen. Die gleiche Obliegenheit haben die deutschen Bahnen für den Verkehr in umgekehrter Richtung zu erfüllen. Auf Grund dieser Zusammenstellungen scheidet das Abrechnungsbureau in Strassburg die Frachtanteile der beteiligten schweizerischen und deutschen Bahnen aus, stellt deren Schuld- und Guthabensummen zusammen und macht einen sogenannten Saldierungsvorschlag, aus dem für jede Verwaltung hervorgeht, ob sie Debitorin oder Kreditorin ist und an wen sie ihre Schuld zu zahlen, bezw. von wem sie ihr Guthaben zu erhalten hat.

4. Ihgliscii-hollä,ndisch-i>elgisch-üalienischer Verkehr.

,,Der Lebensmittelverkehr wird vom Abrechnungsbureau der Eisenbahnen in Elsass-Lothringen abgerechnet. Das Verfahren ist das gleiche wie für den deutsch-italienischen Güterverkehr.

,,Für den übrigen Verkehr erstellt jede Empfangsbahn eine vollständige Rechnung zu Händen der Versandhahn und übermittelt den Transitbahnen einen Auszug über die sie betreffenden Transporte. Die Gotthardbahn erstellt demnach die Rechnungen über den Verkehr nach Italien, während die Rechnungen über den Verkehr v o n Italien durch die Kontrollen der beteiligten englischen, niederländischen und belgischen Verwaltungen aufgestellt werden. Die Saldierung wird durch die Zentralsaldierungsstelle der belgischen Staatsbahnen in Brüssel vollzogen.

,,Aus dem vorstehend Gesagten geht, folgendes hervor : 1. Für die hauptsächlichsten internationalen T r a n s i t v e r k e h r e der Gotthardbahn bestehen ein Abrechnungsbureau in Strassburg und eine Saldierungsstelle in Berlin.

2. Der s c h w e i z e r i s c h -italienische Personen- und Gepäckverkehr berührt zum weitaus grössten Teil nur die schweizerischen Bundesbahnen und die italienischen Staatsbahnen und dürfte kaum mehr als 2--3 Personen beschäftigen. Ein besonderes Abrechnungsbureau hierfür ist daher überflüssig ; besondere Abrechnungs-

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bureaux bieten nur dann Vorteile, wenn eine grössere Anzahl Verwaltungen am Verkehr wesentlich beteiligt sind.

3. Die Abrechnung des schweizerisch-italienischen Güterverkehrs wird auf den Grenzstationen (Chiasso, Pino und Bomodossola) vollzogen. Für die Abrechnung mit den ändern schweizerischen Bahnen und die Verteilung der Taxen bis zur italienischen Grenze ist die Errichtung einer besondern Abrechnungsstelle unnötig.

,,Schliesslich ist noch zu bemerken, dass die Versetzung des Kontrollpersonals von Luzern nach Bern in bezug auf das Abrechnungswesen von keinem Nachteil sein und keine Störungen nach sich ziehen wird, weil das Fachpersonal der Gotthardbahn nach seiner Übersiedlung nach Bern einfach bei den gleichen Arbeiten belassen wird. Der Unterschied wird lediglich darin bestehen, dass dieses Personal seine Fachkenntnisse in Bern statt in Luzern wird zur Geltung bringen können.

,,Hinsichtlich der F a h r g e l d - und Frachtreklamationen ist vor allem zu bemerken, dass die Kreisdirektion V in Luzern, wie alle ändern Kreisdirektionen, einen Tarifbeamten mit dem nötigen Hülfspersonal zur Behandlung der bezüglichen Reklamationen aus dem i n t e r n e n Verkehr zugeteilt erhalten wird.

,,Die Fahrgeld- und Frachtreklamationen aus dem d i r e k t e n Verkehr dagegen sind gemäss Rückkaufsgesetz Art. 25, Ziffer 13, ausdrücklich der Generaldirektion zur Behandlung zugewiesen ; dasselbe gilt für die Rückvergütungen (Detaxen), laut der bundesrätlichen Vollziehungsverordnung Art. 21, II, 4 und 5. Allerdings kann nach dem genannten Art. 25, Ziffer 13, des Rückkaufsgesetzes durch die bundesrätliche Vollziehungsverordnung die Zuweisung dieser Geschäfte an die Kreisdirektionen oder an Dienststellen verfügt werden und unter Berufung auf diese Bestimmung wird in der erwähnten Eingabe des Stadtrates von Luzern die Zuscheidung eines Teiles der nach der Vollziehungsverordnung vom 7. November 1899 von der Generaldirektion zu behandelnden Geschäfte entweder an die Kreisdirektion V oder an ein der Generaldirektion unterstelltes Frachtreklamationsbureau in Luzern angeregt.

,,Was zunächst die vorgeschlagene Änderung der bundesrätlichen Vollziehungsverordnung im Sinne obiger Anregung betrifft, Bundesblatt.

60. Jahrg. Bd. VI.

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so bestehen hiergegen schwerwiegende Bedenken. Die Erweiterung der Befugnisse der Kreisdirektion V durch Zuweisung von Fahrgeld- und Frachtreklamationen aus dem d i r e k t e n Verkehr empfiehlt sich nicht, weil dadurch für diese Kreisdirektion eine Sonderstellung geschaffen würde, was durchaus vermieden werden sollte. Der andere Vorschlag, es sei das jetzige Frachtreklamationsbureau der Gotthardbahn in Luzern mit Unterstellung unter die Generaldirektion zu belassen, kann im Interesse einer glatten Geschäftsabwicklung nicht befürwortet werden. -- Abgesehen, von den namentlich im Güterverkehr zu lösenden, grundsätzlichen Fragen, erheischen die Auslegung der Vereinbarungen, der Vorschriften, dann das Fehlen der Repartitionen u. s. w. eine engere und unmittelbare Fühlung mit dem Vorsteher des kommerziellen Departementes, mit den Tarifbureaux, sowie mit der Einnahmenkontrolle. Dass bei teilweiser Übertragung von Reklamationen ans dem direkten Verkehr, sei es an die Kreisdirektion V, sei es an ein der Generaldirektion unterstelltes Frachtreklamationsbureau in Luzern durch den nicht zu vermeidenden Schriftwechsel zwischen Luzern und Bern die Geschäftsabwicklung erheblich erschwert und verzögert würde, braucht wohl nicht einlässlich erörtert zu werden.

,,Immerhin ist besonders noch hinzuweisen auf die zahlreichen Frachtreklamationen auf Sendungen im Verkehr Frankreich, Belgien, Holland, England-Italien, deren Behandlung mit Rücksicht auf die bestehenden komplizierten Gemeinschaftsverhältnisse eine ungleich schwierigere ist, als diejenige des schweizerischen und deutsch-italienischen Verkehrs. Mit diesen Gemeinschaftsverhältnissen ist aber das Personal des Frachtreklamationsbureau der Gotthardbahn nicht genügend vertraut, so dass ihm die Behandlung dieser Geschäfte nicht überlassen werden könnte. Für die richtige Lösung dieser Aufgabe erfordert es Beamte, die sich jahrelang mit diesen besondern Gemeinschaftsverhältnissen beschäftigt und darin eine gewisse Routine erlangt haben.

,,Zur Behandlung aller Fahrgeld- und Frachtreklamationen aus sämtlichen Verkehren mit Italien (Schweiz, Deutschland, Österreich-Ungarn, Frankreich, Belgien, Holland und England) würde das Personal des Frachtreklamationsbureau der Gotthardbahn nicht ausreichen; anderseits wiederum wäre für dasselbe nicht genügende Beschäftigung vorhanden, wollte man gemäss dem Eventual-Antrag der Eingabe des Stadtrates von Luzern, um dem genannten Personal das Verbleiben in Luzern zu er-

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möglichen, nur die Behandlung der Rückvergütungen, soweit diese den Verkehr via Gotthard betreffen, dem Tarifbeamten der Kreisdirektion V übertragen. Diese Rückvergütungen betreffen in der Hauptsache den Sammelladungsverkehr Chiasso transitBasel und umgekehrt; die Detaxierung dieser Sammelladungen ist eine ziemlich einfache Arbeit und wird einen Beamten während zirka 12--15 Tagen pro Monat beschäftigen.

,,Würden nun gleichwohl durch die bundesrätliehe Vollziehungsverordnuhg der Kreisdirektion V oder einem der Greneraldirektion unterstellten Frachtreklamationsbureau in Luzern die Fahrgeld- und Frachtreklamationen, sowie die Rückvergütungen aus einer noch näher zu umschreibenden Verkehrszone zur Erledigung zugewiesen, so ist zunächst zu sagen, dass sofort für das Publikum sowohl, als auch für die Stationen und die fremden Verwaltungen eine Unsicherheit entstünde. Man wüsste nicht, in welchen Fällen man sich nach Bern und in welchen nach Luzern zu wenden hätte: so würde für die beiden Frachtreklamationsbureaux schon durch die Überweisung der an die unrichtige Stelle gelangten Reklamationen eine erhebliche Arbeit entstehen. Diese Unsicherheit hinsichtlich der Zuständigkeit liesse sich erfahrungsgemäss trotz Verständigung des Publikums, der Stationen und der Verwaltungen nicht aus der Welt schaffen.

Wichtiger als dies ist der Umstand, dass recht viele Eingaben der Speditionshäuser, namentlich aber solche der Privatreklamationsbureaux im In- und Ausland Sendungen aus allen möglichen Verkehrsgebieten betreffen, so dass eine und dieselbe Eingabe zum Teil in Bern, zum Teil in Luzern zu bearbeiten wäre. Eine solche Zweispurigkeit würde den Geschäftsgang ungemein erschweren. Sie hätte aber auch einen ändern, nicht zu übersehenden Missstand im Gefolge, nämlich die sicherlich eintretende, ungleichartige Erledigung der Geschäfte. Dies würde sofort bemerkt und dann Klage darüber geführt, dass man der Geschäftswelt nicht an beiden Stellen in gleicher Weise entgegenkomme.

Zur Wahrung der unbedingt notwendigen Einheitlichkeit ist die Behandlung der betreffenden Geschäfte durch e i n e Stelle unerlässlich. Im i n t e r n e n Verkehr mit seinen einfachen Verhältnissen lässt sieh eine einheitliche Behandlung der Reklamationen durch mehrere Stellen (Tarifbeamte bei den Kreisdirektionen) durchführen ; sehr schwierig,
geradezu unmöglich, wäre dies aber im d i r e k t e n Verkehr, wo vielfach recht komplizierte und eigenartige Verhältnisse bestehen und wo den mannigfachsten, besonderen Faktoren Rechnung getragen werden muss. Hier ist

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daher dringend geboten, dass sich nur eine Stelle mit diesen Geschäften befasse.a Aus den vorstehenden Ausführungen der Bundesbahnverwaltung ergibt sich, dass sowohl die Zuteilung der genannten Dienstzweige an die Kreisdirektion V in Luzern, als die ßelassung eines der Generaldirektion unterstellten Frachtreklamatioasbureaus in Luzern nicht nur zum Teil gesetzlich unzulässig, sondern auch für die gesamte Geschäftsabwicklung der schweizerischen Bundesbahnen durchaus unzweckmässig gewesen wäre; neben der Verletzung des Rilckkaufsgesetzes wären damit eine Reihe von Unzukömmlichkeiten und erhebliche Mehrkosten verbunden gewesen.

Zweimal im Laufe des Herbstes 1908 hat eine Delegation von höheren Beamten der Gotthardbahn beim Vorsteher des Eisenbahndepartements dem Wunsche Ausdruck gegeben, es möchte den Beamten des kommerziellen Dienstes gestattet werden, auf so lange in Luzern zu verbleiben, als für die Gotthardbahn getrennte Rechnung geführt werden müsse. Hinsichtlich dieses Begehrens verweisen wir auf die diesbezüglichen Ausführungen der Generaldirektion der S. B. B.

Es ist übrigens zu bemerken, dass nur eine verhältnisrnässig kleine Zahl von Personen in Betracht fällt, welche von Luzern nach Bern umzuziehen hat. Bei der Kreisdirektion V werden alle Dienstabteilungen der Gotthardbahn verbleiben mit Ausnahme derjenigen des kommerziellen Dienstes und der Wagenkontrolle.

Allerdings wird bei der einen und ändern sukzessive bei eintretenden Vakanzen eine gewisse Personalreduktion eintreten, und es werden nicht alle Oberbeamten in gleicher Stellung wie bisher Verwendung finden können, gerade wie das boi den ändern verstaatlichten Bahnen der Fall war.

Laut dem Geschäftsbericht der Gotthardbahn für das Jahr 1906 zählte das kommerzielle Bureau 15 Beamte und die Betriebskontrolle mit Inbegriff des statistischen Bureaus 48, es handelt sieh somit bei diesen Dienstzweigen nur um die Versetzung von 63 Beamten, von denen noch 2--3 dem Reklamationsbureau in Luzern als Tarifbeamte und Gehülfen zur Behandlung der Frachtreklamationen werden zugeteilt werden. Das Reklamationsbureau für Behandlung der Entschädigungsforderungen wegen Verlustes, Beschädigungen und Verspätungen bleibt ohne weiteres bei Kreis V.

Diese ungefähr 60 Beamten werden allerdings mit ihren Familien umziehen müssen; es lag aber kein Grund vor, den

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Platz Luzern und das dort wohnende Personal der Gotthardbahn anders zu behandeln, als dies bei der Verstaatlichung der übrigen Privatbahnen für andere Städte und das dort befindliche Bahnpersonal geschehen ist. Eine solche Sonderbehandlung der Beamten der Gotthardbahn hätte unangenehme .Konsequenzen nach sich ziehen können. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Beamte der Einnahmenkontrolle und anderer Abteilungen der Zentralverwaltung, welche von Basel, St. Gallen und Zürich nach Bern umziehen mussten, die Rückkehr in die Kreise postuliert hätten.

Allen diesen unangenehmen Verhandlungen und Erörterungen mit dem Personal konnte nur dann vorgebeugt werden, wenn das Gotthardbahnpersonal gleich behandelt wurde wie dasjenige der anderen verstaatlichten Bahnen.

Wir möchten bei dieser Gelegenheit noch erwähnen, dass mittelst Eingabe vom 28. / 29, September 1908 eine Delegation des Verwaltungspersonais der Gotthardbahn das Eisenbahndepartement ersucht hat, dahin zu wirken, dass die Generaldirektion eine provisorische Verfügung erlasse, gemäss welcher bis zu einer Neuorganisation des Kreises V die Einnahmenkontrolle der Gotthardbahn in Luzern bleiben solle. Die Delegation berief sich zur Begründung ihres Gesuches auf eine Verfügung der Generaldirektion vom 21. Dezember 1901 betreffend die provisorische Belassung der Einnahmenkontrollen der Centralbahn und der Nordostbahn in Basel, bezw. in Zürich.

Die Generaldirektion, zur Vernehmlassung eingeladen, wies unterm 9. Oktober 1908 zunächst darauf hin, dass das fragliche Provisorium auf eine ganz kurze Zeit nach dem Datum des konzessionsgemässen Rückkaufes (1. Mai 1903) berechnet war, und zwar nur auf so lange, bis die zur Unterbringung der Einnahmenkontrollen der S. C. B. und der N. O. B. in Bern erforderlichen Lokale durch den Bau des neuen Dienstgebäudes zur Verfügung standen, d. h. bis zum 1. November 1903. Im vorliegenden Falle würden die Lokale für Unterbringung des Personals der Einnahmeukontrolle der Gotthardbahn spätestens auf den 1. Juli 1909 zum Bezüge bereit sein, d. h. nach Vollendung des Anbaues an das Dienstgebäude. Man könne nun dem genannten Personal in der Weise entgegenkommen, dass° in Berücksichtigung der in Luzern und Bern geltenden Termine für den Wohnungswechsel (15. März und 15. September, bezw. 1. Mai und 1. November) der Umzugstermin über den 1. Mai 1909 hinausgeschoben werde und der Einbezug in das Personal in Bern erst auf den 1. November 1909 erfolge.

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Wir haben daher unterm 4. Dezember dieses Jahres, anlässlich des Erlasses des Bundesratsbeschlusses betreffend die Ergänzung der Vollziehungs verordnung zum Rückkaufsgesetze das Postulat Winiger betreffend Belassung von Dienstzweigen der Zentralverwaltung in Luzern abgelehnt und der Generaldirektion der S. B. B. anheimgestellt, im Sinne ihrer Ausführungen vom 9. Oktober 1908 den Einbezug der Einnahmenkontrolle der Gotthardbahn in das Personal in Bern erst auf Ende 1909 vorzunehmen.

Wir ersuchen Sie, von der Erledigung des Postulates Winiger und von der teilweisen Berücksichtigung der Eingabe des Verwaltungspersonals der Gotthardbahn vom 28./29. September 1908 Vormerk nehmen zu wollen, und benützen auch diesen Anlass, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 14. Dezember 1908.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Postulat Winiger betreffend Belassung von Dienstzweigen der Zentralverwaltung in Luzern anlässlich der Einverleibung der Gotthardbahn in das Netz der schweizerischen Bundesbahnen. (Vom 14.

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1908

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23.12.1908

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397-408

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10 023 168

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