225

# S T #

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer elektrischen Schmalspurbahn, teilweise Strassenbahn, von Neudorf (Gemeinde Tablat) nach Heiden mit Abzweigung von Riemen nach Rehetobel.

(Vom 15. Juni 1908.)

Tit.

Unterm 15. April 1907 reichten die Herren Dr. E.

S c h e r r e r , Gemeindeammann in St. Gallen, J. B ä n z i g e r , Gemeindehauptmann, und C. K e l l e r , Fürsprecher in Heiden, im Namen und Auftrag der Gemeinden St. Gallen, Tablât, Untereggen, Rorschacherberg, Eggersriet, Grub, Heiden und Rehetobel dem Eisenbahndepartement zu Händen der Bundesbehörden ein Gesuch um Erteilung der Konzession für eine elektrische Schmalspurbahn (teilweise Strassenbahn) von St. Gallen, bezw. Neudorf (Gemeinde Tablât) nach Heiden und Rehetobel ein.

Der allgemeine Bericht führt aus, die projektierte Strassenbahn bezwecke eine direkte Verbindung der Stadt St. Gallen mit ihren östlichen Nachbargemeinden und mit dem appenzellischen Vorderland. Das vorgesehene Tracé berühre die st. gallischen Gemeinden Tablât, Untereggen und Eggersriet und die appenzell-ausserrhodischen Dörfer Grub, Heiden und Rehetobel.

226

Die Gemeinde Rehetobel, die abseits des von der Bahn benützten Strassenzuges liege, erhalte eine Zweiglinie auf eigenem Unterbau, die sich bei der Kantonsgrenze östlich von Eggersriet an die Hauptlinie anschliesse.

Für die Ortschaften, welche von der projektierten Bahn berührt werden sollen, sei die Stadt St.. Gallen das wirtschaftliche und industrielle Zentrum. Mit dem Aufschwung, den Handel und Industrie in St. Gallen in den letzten Jahren genommen haben, sei auch der Verkehr der industriellen Landgemeinden mit der Stadt in hohem Grade gewachsen. Im appenzellischen Mittellande habe die Verkehrszunahme zur Erstellung der elektrischen Strassenbahn St. Gallen-Speicher-Trogen geführt, ein Unternehmen, welches bereits die günstigsten Wirkungen auf Handel und Gewerbe ausgeübt habe. Die nämliche Notwendigkeit einer direkten Bahnverbindung mit dem Industriezentrum St. Gallen zeige sich auch im appenzellischen Vorderlande.

Allerdings führe bereits eine Bahn von Rorschach hinauf nach Heiden, die eine gute Zufahrt für die aus dem Osten kommenden Waren bilde. Für den überwiegenden Teil des Verkehrs hingegen, der nach St. Gallen gerichtet sei, bilde die Linie über Rorschach einen Umweg. Die Bahn St. Gallen-Heiden werde die Bergbahn Rorschach-Heiden vorzüglich ergänzen.

Diese letztere Bahn werde ihren Verkehr nach der Eröffnung der neuen Linie ohne Zweifel stark vermehrt sehen und den Ausfall, der ihr vielleicht im Winter aus dem Personenverkehr erwachsen werde, durch den grössern Güterandrang und stärkern Sommerverkehr 'mehr als aufgewogen finden.

Als ein noch wertvolleres Unternehmen stelle sich die Bahn für Rehetobel dar, eine Ortschaft, die ungeachtet ihrer industriellen Prosperität in bezug auf Verkehrsmöglichkeiten schlecht gestellt sei. Dieser Zustand lasse sich indessen nicht auf lange Zeit hinaus aufrechterhalten, ohne Handel und Industrie zu schädigen und viele Arbeiter zum Wegzuge zu zwingen. Der Mangel an einer Bahnverbindung habe bisher auch alle Versuche, den Fremdenverkehr in Rehetobel zu beleben, zum Scheitern gebracht..

Gross seien die Vorteile, die Eggersriet, Grub und Untereggen von der projektierten Bahn erwarten können. In den letzten Jahren seien diese Dörfer eher zurückgeblieben.

Industrie, Handel, selbst die Landwirtschaft versage. So nahe diese Ortschaften der Stadt St. Gallen auch seien, so lasse sie

227

doch der Mangel einer Bahnverbindung abgelegen erscheinen.

Die Anlage der Bahn werde indessen auch diesen Dörfern neues Leben und deren landwirtschaftlichen Produkten mehr Nachfrage bringen.

Dem technischen Bericht ist zu entnehmen, dass die Bahn in Neudorf (St. Fiden), Gemeinde Tablât, beginnt, wo sie an die Geleise der Trambahn der Stadt St. Gallen anschliesst. Die städtische Linie leite alsdann die Züge bis zum Bahnhofe St. Gallen.

Von Neudorf an benütze die Bahn zunächst die Staatsstrasse bis zum Unterschachen, wo der Abstieg in das Martinstobel beginne. Im Martinstobel sei an die Benützung der Strasse als Bahnunterbau nicht zu denken, und es könne mit Grund angenommen werden, dass in Verbindung mit der st. gallischen Regierung die Gelegenheit benützt werde, um daselbst eine regelrechte Strassenverbindung herzustellen. Die Länge der vorgesehenen Strassenkorrektion betrage 3,68 km.

Ohne Schwierigkeiten erreiche die Bahn alsdann, der Staatsstrasse folgend, die Station Eggersriet und bei km. 9,l die Gabelstation Riemen, wo die Abzweigung nach Rehetobel ihren Anfang nehmen werde. Für diese letztere Linie sei ein eigener, 2650 m. langer Bahnkörper vorgesehen.

In geringer Entfernung von der Gabelstation Riemen erreiche die Bahn den höchsten Punkt der Strasse in der ,,Halten" (871 m.) und alsdann das Dorf Grub, wo auf ebener Strecke eine Station mit Ausweich- und Gütergeleisen erstellt werden könne. Auch von Grub bis zur Endstation in Heiden folge das Tracé der Staatsstrasse.

Bahnhofanlagen seien in Entfernungen von 2 bis 4 Kilometern in Heiden, Grub, Rehetobel, Eggersriet und HinterhofUntereggen vorgesehen.

Die technischen Hauptangaben sind folgende : Bahnhof St. Gallen-Neudorf (städtische Trambahn) 3400 m.

_.

/ Neudorf-Heiden 12,600 m.

T. .

Eigene Linie { Riemen Rehetobel '2650 m.

Spurweite : l m.

Masimalsteigung : 70 %o Höhencoten : Neudorf 658,35, Martinstobelbrücke (tiefster Punkt) 592, Riemen 850, in der ,,Halten" (Kulminationspunkt der Heidener Linie) 871, Heiden 804, Rehetobel 960.

I

228

Minimalradius : 50 m.

Zwischenstationen : 4.

Betriebssystem : Elektrizität. Gleiches Betriebssystem wie die Bahn St. Gallen-Speicher-Trogen. Kraftbezug aus dem Kubelwerk oder aus einer eigenen Zentrale.

Der summarische Kostenvoranschlag sieht folgende Hauptposten vor : Bahnanlage und feste Einrichtungen . . . Fr.

91,500 Verzinsung des Baukapitals ,, 58,000 Landerwerb etc ,, 150,000 Unterbau ,, 1,155,750 Oberbau ,, 385,000 Hochbau und mechanische Stationseinrichtungen ,, 270,000 Elektrische Leitungen ,, 295,000 Signale und Einfriedigungen ,, 30,000 Zentrale und Rollmaterial ,, 622,000 Mobiliar und Gerätschaften ,, 60,000 Verschiedenes ,, 82,750 Total Fr. 3,200,000 Die Regierungen der Kantone Appenzell A.-Rh. und St. Gallen sprachen sich in ihren Vernehmlassungen vom 15. Juni, bezw. 28. September 1907 für die Erteilung der Konzession aus. Die vorgängig der Konzessionserteilung zu behandelnde Frage der Strassenbenützung fand aber erst durch bezügliche Beschlüsse des Kantonsrates Appenzell A.-Rh. vom 29. November 1907 und des Grossen Rates des Kantons St. Gallen vom 21. Mai 1908 in abschliesslicher Weise ihre Erledigung.

In den konferenziellen Verhandlungen, die am 5. Juni 1908 in' Bern stattfanden, wurde dem vom Eisenbahndepartement aufgestellten Konzessionsentwurf bis auf wenige Punkte zugestimmt. Auf den Antrag der Vertreter des Initiativkomitees wurde aus Gründen betriebstechnischer und finanzieller Natur beschlossen, im Titel und im Eingang des Konzessionsentwurfes, nach ,,Heiden" die Worte ,,(Station der Rorschach-Heiden-Bahn)" zu streichen und vorläufig von der im Interesse eines direkten Verkehrs vom Eisenbahndepartemente vorgeschlagenen Einrichtung einer gemeinschaftlichen Station in Heiden für die Rorschach-Heiden-Bahn und für die projektierte St. Gallen-HeidenrBahn Umgang zu nehmen.

Artikel 15 veranlasste eine längere Diskussion, indem die Vertreter des Initiativkomitees den Wunsch aussprachen, es

229 möchte die für die Hin- und Rückfahrt vorgesehene Ermässigung der Personentaxen fallen gelassen werden, wogegen die Initianten der Reduktion der Personentaxe von 12 auf 10 Rappen per Kilometer zustimmen würden. Diesem Begehren konnte aber der Konsequenzen wegen nicht entsprochen werden. Von der Verpflichtung zur Ausgabe von Retourbilletten ist bisanhin nur bei städtischen Tramways Umgang genommen worden ; bei Schmalspurbahnen dagegen wird in allen neuern Konzessionen eine Retourtaxe vorgesehen, und es besteht kein Grund, von dieser Praxis abzuweichen. Bei Artikel 20 regten die Vertreter des Initiativkomitees die Herabsetzung des Maximums der taxfrei zu befördernden Traglasten von 15 auf 10, bezw. 12 kg. an.

Auch diesem Antrag konnte mit Rücksicht auf Artikel 17, laut welchem 10 kg. Reisegepäck so wie so taxfrei zu befördern sind, keine Rechnung getragen werden. Immerhin wurde mit Rücksicht auf die lokalen Verhältnisse (Stickereiindustrie) festgesetzt, dass die Bahn nicht verpflichtet ' werden könne, wegen dieser taxfrei zu befördernden Traglasten einen Extrawagen anzuhängen.

Für die übrigen Artikel beliebte die Fassung des Konzessionsentwurfes.

Weitere Bemerkungen haben wir nicht anzubringen.

Wir empfehlen Ihnen den nachstehenden Beschlussesentwurf zur Annahme und benützen auch diesen Anlass, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 15. Juni 1908.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

230

(Entwurf.)

Bundeslbeschluss betreffend

Konzession einer elektrischen Schmalspurbahn, teilweise Strassenbahn, von Neudorf (Gemeinde Tablât) nach Heiden mit Abzweigung von Riemen nach Rehetobel.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe des Initiativkomitees für eine elektrische Schmalspurbahn 8t. Gallen-Heiden Rehetobel vom 15. April 1907; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 1908, beschliesst: I. Einem Initiativkomitee, vertreten durch die Herren Dr. E.

Scherrer, Gemeindeammann in St. Gallen, J. Bänziger, Gemeindehauptmann, und C. Keller, Fürsprecher, in Heiden, wird zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession für den Bau und den Betrieb einer e l e k t r i s c h e n S c h m a l s p u r b a h n , teilweise S t r a s s e n b a h n , von N eu d or f (Gemeinde Tablât) nach H e i d e n mit A b z w e i g u n g von R i e m e n nach R e h e t o b e l unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt.

Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Die Bahn wird als. Nebenbahn im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 erklärt.

231 Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteilt.

Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Heiden.

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weiteren Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Art. 5. Binnen einer Frist von 36 Monaten, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, sind dem Bundesrat die vorschriftsmässigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach der Plangenehmigung ist mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu beginnen.

Art. 6. Binnen 2 Jahren, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionierte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Die Ausführung des Bahnbaues, .sowie der zum Betrieb der Bahn erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausführungsplänen, welche vorher dem Bundesrat vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind. Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn wird mit Spurweite von l Meter und eingeleisig erstellt und mittelst Elektrizität betrieben.

In bezug auf die Benützung der öffentlichen Strassen für die Anlage und den Betrieb der Bahn gelten die vom Grossen Rate des Kantons St. Gallen unterm 21. Mai 1908 und vom Kantonsrate, sowie vom Regierungsrat des Kantons Appenzell A. - Rh. unterm 29. November/12. Dezember 1907 erlassenen Vorschriften, soweit' diese Vorschriften nicht mit der gegenwärtigen Konzession und der Bundesgesetzgebung im Widerspruch stehen.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigentum desjenigen Kantons, auf dessen Gebiet sie gefunden werden, und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

232 Art. 10. Den eidgenössischen Beamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrat kann verlangen, dass Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlass geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Ebenso hat er das Recht, zu verlangen, dass Mitglieder der Verwaltung, welchen vorübergehend oder dauernd Funktionen eines Beamten oder Angestellten übertragen sind und die in der Ausübung derselben Anlass zu begründeten Klagen geben, dieser Funktionen enthoben werden.

Ayt. 12. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen zu unterziehen. Soweit sie Änderungen nötig findet, können solche erst eingeführt werden, nachdem sie vom Bundesrat ge' nehmtet ö" worden sind.

Art. 13. Die Beförderung von Personen soll täglich mindestens viermal nach beiden Richtungen, von einem Endpunkt der Bahn zum ändern und mit Anhalten auf allen Stationen, erfolgen.

Die Fahrgeschwindigkeit der Züge wird vom Bundesrat festgesetzt.

Art. 14. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen mit nur einer Klasse aufstellen, deren Typus vom Bundesrat genehmigt werden muss.

Die Gesellschaft hat dafür zu sorgen, dass alle auf einen Zug mit Personenbeförderung sich Anmeldenden, wenn immer möglich, durch denselben, und zwar auf Sitzplätzen, befördert werden können.

Art. 15. Die Gesellschaft wird ermächtigt, für die Beförderung von Personen eine Taxe von 12 Rappen per Kilometer der Bahnlänge zu beziehen.

Für Hin- und Rückfahrten sind die Personentaxen mindestens 20 °/o niedriger anzusetzen als für doppelte einmalige Fahrten.

233 Kinder unter vier Jahren sind gratis zu befördern, sofern für «olche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird.

Für Kinder zwischen dem vierten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre ist die Hälfte der Taxe zu zahlen. Der Bun·desrat ist berechtigt, diese Altersgrenze von zehn Jahren zu erweitern.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, zu Bedingungen, welche im Einvernehmen mit dem Bundesrat aufzustellen sind, Abonnementsbillette zu reduzierter Taxe auszugeben.

Art. 16. Für die Beförderung von Armen, welche sich .als «olche durch Zeugnis der zuständigen Behörden ausweisen, ist die halbe Personentaxe zu berechnen.

Auf Anordnung eidgenössischer oder kantonaler Behörden sind auch Arrestanten zu transportieren.

Der Bundesrat wird hierüber die. nähern Bestimmungen-aufstellen.

Art. 17. Jeder Reisende ist berechtigt, 10 Kilogramm Reisegepäck taxfrei zu befördern, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für anderes Reisegepäck kann eine Taxe von höchstens 12,5 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

Mit Zustimmung des Bundesrates kann für das Reisendengepäck ein Abfertigungsverfahren mit einer einheitlichen Taxe «ingeführt werden. In diesem Falle setzt der Bundesrat die Taxe fest.

Art. 18. Bei der Erstellung der Gütertarife ist im allgemeinen vom Gewicht und Umfang der Warensendungen auszugehen, aber, soweit es die Bedürfnisse von Industrie, Gewerbe, Handel und Landwirtschaft rechtfertigen, auch auf den Wert und ·die wirtschaftliche Bedeutung der Waren Rücksicht zu nehmen.

Es sind Klassen aufzustellen, deren höchste nicht über -5 Rappen, und deren niedrigste nicht über 2,5 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer betragen soll.

Eine ganze Wagenladung (d. h. mindestens 5000 Kilogramm oder 5 Tonnen) hat gegenüber den Stückseudungen Anspruch auf Rabatt.

Bei Beförderung von Waren in Eilfracht kann die Taxe um 100% des gewöhnlichen Ansatzes erhöht werden.

Die für Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft erforderlichen Rohstoffe sollen am niedrigsten taxiert werden.

Bundesblatt. 60. Jahrg. Bd. IV.

16

234 Art. 19. Für den Transport von Edelmetallen, von barem Gelde und von Kostbarkeiten mit deklariertem Wert ist für Fr. 1000 per Kilometer höchstens 2,5 Rappen zu erheben.

Art. 20. Traglasten mit landwirtschaftlichen und einheimischen gewerblichen Erzeugnissen, sowie Handwerkszeug für denpersönlichen Gebrauch des Aufgebers, welche in Begleitung der Träger, wenn auch in besonderen Wagen, mit den Personenzügen transportiert und am Bestimmungsort sofort wieder in Empfang genommen werden, sind, soweit sie das Gewicht von 15 Kilogramm nicht übersteigen, frachtfrei. Für das Mehrgewicht ist die.

Taxe für Waren in gewöhnlicher Fracht zu erheben.

Art. 21. Beim Eintritt von Notständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Teuerung der Lebens- und Futtermittel, sind für den Transport von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten, Kartoffeln,, Futtermitteln u. s. w. zeitweise niedrigere Taxen einzuführen, welche vom Bundesrate nach Anhörung der Bahnverwaltung festgesetzt werden.

Art. 22. Für den Transport lebender Tiere mit Gttterzügen können Taxen erhoben werden, welche nach Klassen und Transportmengen (Stückzahl, Wagenladungen) abzustufen sind und den Betrag von 35 Rappen per Stück und Kilometer für die höchste und 7,5 Rappen für die niedrigste Klasse nicht übersteigen dürfen.

Bei Beförderung in Eilfracht kann ein Taxzuschlag bis auf 40 "/oerhoben werden.

Art. 23. Die Minimaltransporttaxe für Gepäck, für Gütersendungen und für Tiersendungen darf 40 Rappen nicht übersteigen.

Art. 24. Die vorstehenden Taxbestimmungen beschlagen bloss den Transport von Station zu Station. Die Waren sind von den Aufgebern an die Stationsverladplätze aufzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen.

Das Auf- und Abladen der Waren ist Sache der Gesellschaft, und es darf eine besondere Taxe dafür in der Regel nicht erhoben werden. Ausnahmen hiervon sind nur mit Zustimmung des Bundesrates zulässig für einzelne Klassen von Wagenladungsgütern, für lebende Tiere und andere Gegenstände, deren Verladung mit besondern Schwierigkeiten verbunden ist.

Art. 25. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchteile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet.

Das Gewicht wird bei Gütersendungen bis auf 20 kg. für volle 20 kg. gerechnet und bei Gepäcksendungen bis auf 10 kg.

235 für volle 10 kg. ; das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 kg. berechnet, wobei jeder Bruchteil von 10 kg. für eine ganze Einheit gilt.

Bei Geld- und Wertsendungen werden Bruchteile von Fr. 500 als volle Fr. 500 gerechnet.

Wenn die genaue Ziffer der so berechneten Taxe nicht ohne Rest durch 5 teilbar ist, so wird sie auf die nächsthöhere durch 5 teilbare Zahl aufgerundet, sofern der Rest mindestens einen Rappen beträgt.

Art. 26. Für die Einzelheiten des Transportdieustes sind Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 27. Sämtliche Réglemente und Tarife sind mindestens zwei Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrat zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 28. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transporttaxen verhältnismässig herabzusetzen. Kann hierüber eine Verständigung zwischen dem Bundesrat und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschliesslich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 29. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äufnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Ferner sind die Reisenden und das Personal bei einer Anstalt bezüglich derjenigen Verpflichtungen zu versichern, welche aus dem Haftpflichtgesetz vom 28. März 1905 mit bezug auf Unfälle beim Bau, beim Betrieb und bei Hülfsgeschäften sich ergeben.

Art. 30. Für die Ausübung des Rückkaufsrechtes des Bundes oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, der Kantone St. Gallen und Appenzell A.-Rh., gelten folgende Bestimmungen :

236 a. Der Ruckkauf kann frühestens 30 Jahre nach Eröffnung des Betriebes und von da an je auf 1. Januar eines Jahres erfolgen. Vom Entschluss des Ruckkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem Eintritte desselbengKenntnis zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören.

Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensions- und Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge getan werden, und sollte auch die Verwendung der Erneuerungsund Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein Verhältnismassiger Betrag von der Ruckkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Januar 1945 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Kalenderjahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1945 und 1. Januar 1960 erfolgt, den 22V2fachen Wert; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1960 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages; unter Abzug der Erneuerungsund Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzessionierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluss aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

e. Im Falle des Ruckkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die Über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

237 Art. 31. Haben die Kantone St. Gallen und Appenzell A.-Rh.

den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein Rückkaufsrecht, wie es im Art. 30 definiert worden, jederzeit auszuü ben, und die Kantone haben unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 32. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieses Beschlusses, welcher am 1. Juli 1908 in Kraft tritt, beauftragt.

·->»g5*<--

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer elektrischen Schmalspurbahn, teilweise Strassenbahn, von Neudorf (Gemeinde Tablat) nach Heiden mit Abzweigung von Riemen nach Rehetobel. (Vom 15. Juni 1908.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1908

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

26

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

24.06.1908

Date Data Seite

225-237

Page Pagina Ref. No

10 022 954

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.