#ST#

Schweizerisches

uudesblatt.

Jahrgang VI. Band III.

fr 0 '

52.

Samstag, den 18. November 1854.

Man abonnirt ausschließlich beim nächst gelegenen Postamt. Preis für das Jahr 1854 im ganzen umfange der Schweiz p o r t o f r e i Sera. 4. 40 (Centimen. Inserate sind f x a n k i x t an die ®xpedition ciRzufendeu. Gebühr 16 Seniimen per Zeile oder deren Raum.

#ST#

Botschaft des

Bundesrathes an die beiden gesezgebenden Räthe der Eidgenossenschaft, betreffend das neue Ererzierreglement.

(Vom 4. November 1854.)

Tit.

Dbwol die ©rerzier- und Manövrirreglemente der Infanterie vor nicht langen Jahren einer allgemeinen Revifion unterworfen worden waren, so zeigt sich schon wieder das Bedürfnip, aufs Neue eine Revifion voran.nehmen,

Der Grund dieser Erscheinung maß In folgendem gesucht werden: l) Bei jener Revision bekämpften sich sowol |n den »orberathenden Behörden, als in der zur Beratung von solchen Reglementen wol wenig geeigneten Tags-zung Bundesblatt. Jahrfl. yI. Bd. In.

42

450

zwei Elemente: eines, das am Alten mehr oder weniger festhalten und eines, welches durchgreifende Reformen erzielen wollte. Die golge dieses Kampfes war ein ge# mischtes Resultat, das im Grunde Niemanden befrie.» digte, obwol es sich nicht verkennen läßt, daß schon damals manche Veieinfachung und Verbesserung erzielt «jurde.

2) Die Kriegserfahrungen, welche mehrere Armeen benachbarter Staaten seither, und namentlich in den Jahren 1848 und 1849 zn machen Gelegenheit hatten, haben in den Dienst- und Ererzierreglementen derselben

zum Beseitigen des als überflüssig und unwesentlich Er-

kannten geführt. Das Bestreben., sich nur auf das zu beschränken, was wirklich vor dem geinde seine Anwendung findet, macht fich in den erschienenen Reglementen jener Armeen vorzugsweise bemerkbar.

Wenn aber diese überwiegende Richtung ants das Praktische fich schon in den flehenden Heeren volle Gel* tung verschafft hat, so erscheint es gewiß um so natür*licher, daß fich dieselbe auch bei den Offizieren und Sol.» daten eines Milizheeres zeigt und sich Geltung zu ver" schaffen sucht.

Jn der That ist der Wunsch nach Vereinfachung der Réglemente schon in den lezten Iahren theils in den Sijungen des eidg. Offiziervereins, theils in der militari* schen Presse wiederholt ausgesprochen worden. Hinwieder lìaben die heuer in der Jnflruktorenfchule zu Thun anröefend gewesenen Oberinstruktoren, oder Instruktoren erster Alasse aller Cantone fich sur die Vereinfachung der (.....mzierreglemente erklärt, und fich in einer an das2 fchweizerische Militärdepartement gerichteten sachbezüglichen Eingabe vorzugsweise sür die Beschränkung der ·f>andgrisse aus das Stothwendigfie ausgesprochen.

451 Ein weiterer Impuls, die Revision der ßrerzierregle.-.mente der Infanterie an die Hand zu nehmen. Jag in der Einführung des neuen Jägergewehrs bei den Iägern.

Die von dem Rollgewehr vermiedene Behandlung des* selben würde ein besonderes Iägerreglement und eine größere Ausführlichkeit der Vorschriften über ihre VerWendung in Sataillon und in der Brigade nothwendig gemacht haben. Diefem Momente konnte bei einer allgemeinen Revision Rechnung getragen und das Erlassen neuer, die bestehende Zahl vervielfachender Réglemente dadurch vermieden werden.

Unter diesen Umständen glaubte unser Militärdepartement nicht länger zogern, sondern die Revijionsarbeit sofort an die Hand nehmen zu sollen. Zu dem Ende ernannte es eine durch seinen Ehef präsidirte, aus den Herren eidg. Obersten Z i m m e r l i , Z i e g l e r , M ü l l e r und B o u r g e o i s bestehende Kommission, welcher auch noch zwei Experten in den Herren Kommandant .-pin* ben lang aus Bafel und Major Müller aus Zürich beîgegeben wurden.

Nachdem diese Kommission die erste Re»ij!onsarbeit ausgeführt hatte, wurden die aus derselben hervorge# gangenen Reglemente in Basel, in Zürich, in Aarau und in Thun versuchsweise in Vollziehung gesezt und die damit beauftragten Behörden oder ..Militärs ersucht, ihre -..Bemerkungen über die praktische Durchführbarkeit derfelben einzureichen. Diefes ist denn auch aus ver* dankenswert.)« Weife geschehen. Die eingelangten Be# merlungen, wurden der Kommission zugestellt, von der.« selben geprüft und angemessen beruksichtigt.

.Dit: Kommission hat es sich zur Aufgabe gemacht, bei ihrer Arbeit sich durchaus nur auf das einem Miliz-5 heere Nothwendige uno für dm Krieg praktische in dm

452

Reglementen zu beschränken und von allem abzusehen, was nicht durchaus erforderlich ist, oder nur zum Paradedienst gehört. Sie glaubte diesen Standpunkt um so mehr einnehmen zu sollen, als die Zeit des Unterrichts dem Infanteristen offenbar zu kurz zug«.» messen ijt und es daher unerläßlich schien, wenigstens diese Zeit auf den nothwendigjien Unterricht zu verwenden.

Nach diesen allgemeinen Bemerkungen mag hier noch besonders erwähnt werden, welches die hauptsächlichsten Verschiedenheiten der einzelnen Theile des vereinfachten Entwurfes vom bestehenden Réglemente find.

I. Soldatenschule.

Dieselbe behandelt in drei Abtheilungen und fünf Abschnitten sowol die Ausbildung des einzelnen Mannes ohne Gewehr, wie mit Gewehr, und zwar zum Gebrauch für alle Waffen. Durch diese formelle Anordnung wird in Zukunft der Uebelfiand verschwinden, daß die gleiche llebung bei den betreffenden Wassen durch verschiedene Kommando's instruirt werde. Die dritte Abtheiluug rnthält überdieß den Entwurf zum Bajonettgefecht für Infanterie, Jäger »nd Schurfschitzen, um diesem zur Förderung der Gewandtheit des Mannes, so wie zur .grhßhung bcs Vertrauens in seine Waffe, bedeutungs.oollen Dienjizweig schon durch die Behandlung desselben, als Theil des Reglements, mehr Beachtung zujuwenden, als es bisher meistens geschehen ist. Auch find in diese Abtheilung die Waffenübungen des Reiters mit dem Säbel aufgenommen worden, um eine vollständige, die -Inforderuagen aller Waffen erfüllende Soldatenschulc zu bcfijen.

453 Der erste und zweite Abschnitt der bisherigen Sol* datenfchule, die Ausbildung de's Soldaten ohne und mit dem Gewehr, find überdieß durch Weglassung des

Schulfchrittes rükwärts, des Marfches auf der Stelle,, des hochgeschulterten Gewehrs, der Handgriffe zum Präsentire«, die in Arm und über's G'wehr, so wie der Ladung in drei Tempo's bedeutend vereinfacht worden.

In dem zweiten Abfchnitte ist zudem die Eigenthümlichkeit der Iäger und Scharffchüzenwaffe überall, theils durch Bemerkungen, theils durch befondere Para.« graphe« berükfichtigt worden, so daß ein eigenesScharsfchüzen- oder Iägerreglement in Zukunft entbehr-

lich fcheint.

Das neu vorgeschriebene "Schultert's G'wehr," wo* bei der Mann 'das Gewehr in ungezwungener Weiseauf der linken Schulter fest im Gleichgewicht trägt, und die linke Hand dasfelbe nur stüzt, hat sich bei den In mehreren Kantonen angestellten Verfuchen als eine wenig ermüdende, und da sie den rechten Arm ganz frei läßt, einen guten Marsch befördernde Tragart bewährt.

II. Pelotonsfchule.

Die bisherige Pelotonsschule erscheint als Pelotonsund Kompagnieschule. Sie ist durch einen Abschnitt er# gänzt worden, welcher die Formation der Kompagnie in geschlossene Zugs- und Pelotonskolonne, die -.Bewe-, gungen diefer Kolonne und das Deploiiren derselben enthält. Hiermit ist einmal das ausschließliche Behandein der o f f e n e n (Marfch-0 Kolonne, wie sie das be# ·stehende Reglement enthält, angemessen durch Aufnahme der g e f l o s s e n e n (Gefechts-) Kolonne beschränkt wor*> den. ferner erscheint erst in diefer Gestalt die Pelotons.-' schule als eine erschöpfende Vorübung der Bataillons.«

454

schule.. Auch werden durch das Ueben ihrer Äompagnien in dem betreffenden Abschnitte der vorliegenden pelotonsund Kompagnieschule die §auptleute eine größere Ver.-, trautheit in der selbjiständigcn Führung ihrer Kompagnie erhalten, als dieß bis jezt der gatl gewesen i(i.

Außer den auf den Bereich der Pelotonsschule wohl.thätig einwirkenden Vereinfachungen der Soldatenfchule find in Wegfall gekommen: das rükwärts mit Zügen Abschwenken, die Vorübung zur Bildung des ..Quarre, das Erstellen der Kolonne durch die glanke in die Linie, fo wie das Defiléfeuer im Verrüfen.

m. Bataillonsschule.

Die Bataillonsschule wird durch den in die Pelotons3ind Kompagnieschule ausgenommenen Abschnitt, das gormiren der geschlossenen Kolonne und das Deiploiiren derselben enthaltend, bedeutend abgekürzt, da diese Bewe* gungen ganz nach den durch die Pelotons- und Kömpagnieschule festgestellten Grundsäzen geschehen. Mit besonderem Nachdruk ist das gormiren der Dioifionsîolonne und die Bewegungen in derselben hervorgehoben worden, indem die Divisions* oder Angrissskolonne als äie eigentliche Gefechtskolonne zu betrachten ist. Das Bisherige ..Quarre, welches normal auf sechs Düvifionen .begründet war, und dessen glanken aus Mannschaft ver»> fchiedener Pelotons zujammengesezt wurden, ist modifijirt worden. Seine Flanken werden in Zukunft aus ganzen Pelotons bestehen, welche von ihren Ehefs zum geuern zu befehligen find. Die Iäger bilden auf den tükwärtigen Eken des Duarré die Masse und verstärken dadurch die Feuerwirkung der Flanken. Die Formation ist sonach nur auf 5 Divifionen begründet. Die bisher

455

im ,,Anhang" befindliche Vertheidigungskolonne hat als iWassenquarre in einem Abschnitte Ausnahme gefunden.

Jn Wegfall gekommen find: ,,Rükwärts Abschwenken."

,,Eine Kolonne verkehrt abschwenken lassen."

,,Der Durchmarsch durch ein Defilé," d. h. der Abzug eines in deploiirter Linie dicht vor einem Defilé stehenden Bataillons mit Rotten von einem oder beiden glügeln; ,,die Sammlung (Ralliement)," da diese immer den Vorschriftten des leichten Dienstreglements gemäß zu erfolgen hat.

,,Mit Peloton von einem .jlügel gegen den an-5 dern abmar.schiren."

,,Die Kolonne durch die glanke in 8inie zu er# stellen."

IV.

Brigadeschule.

Jn diesem Theile wurde vorzugsweise das Bedürfniß einer das Praktische der Gefechtslage mehrerer in eine Brigade vereinigten Bataillone ins Auge fassender Be# Handlung empfunden. Derselbe enthält daher im Eut* wurs einen Abschnitt für das offensive und einen solchen sür das defensive Gefecht. Auch der Division ihrer Auf* fiellung zum Gefecht und ihren Bewegungen ist ange-5 messene Rechnung getragen worden. Sine kurze Vor-» schrift für das formelle Verhalten der Brigaden und Divisionen in besondern pllen, z. B. bei Jnspektionen, findet sich am Schlüsse.

V. A n l e i t n n g für den leichten Dienst.

....Demselben ist ein sür den ersten Unterricht im zer* freuten Gefecht bestimmter T..) eil, aus eine .JRekruteuab*

s> 456

Iheilung berechnet, vorangestellt worden, welchem in systematischer Weise der Unterricht des einzelnen Mannes in der ..Terrainbenuzung, so wie im Laden und Schießen hinter Dekungsgegenständen folgen. Weiterhin finden sich ergänzende Bestimmungen für das Verhalten der Abtheilungschefs, so wie der Kommandanten der Unter* fluzung und Reserve.

Die Signale find unverändert geblieben, nur ist

ftatrder Rechts- oder sinksbewegung das gleiche Signal

als Rechts* oder Linksziehen aufgenommen worden, da «in dem Schrägmarsch entsprechendes Seitwärtsbewegen der Kette jedenfalls häufiger vor dem Feinde Anwendung findet, als die dem glankenmarsch entsprechende

Rechts- oder sinksbewegung.

Dieses find in Kürze die wesentlichsten Unterschiede zwischen dem vorliegenden Entwurse und dem beflehenden Reglement.

Ungeachtet diese revidirten Reglemente bereits eine praktische Probe bestanden und allseitigen Beisall vpn den anerkanntesten Militärs erhalten haben, so find wir, im Hinblik auf das Umfassende der Reform und die beschränkte Sphäre, in welcher die praktischen Versuche stattgefunden, nicht Im Falle, Ihnen, Tit., schon jiezt die definitive Sanktion derselben anempfehlen zu können.

Wir halten vielmehr dafür, ein so wichtiges, in seinen Konsequenzen so weit eingreifendes Werk bedürfe einer umfassenderen langem praktischen Prüfung, ehe es definitiv sanktionirt werde. Wir zweifeln nicht daran, daß namentlich die Soldaten und die Brigadefchule, welche der durchgreifendsten Reform unterlegt wurden, noch einiger Abrundung und Ausfeilung bedürfen, um den Organismus und Mechanismus um so leichter und gängiger zu machen. Aus diesem Grunde glauben wir

457

nicht weiter gehen zu sollen, als die neu revidirten Réglemente einsweilen bei der Armee einzuführen, um fie später einer nochmaligen Durchficht zu unterwerfen.

Auch dazu glauben wir Ihrer Genehmigung zu bedürfen. Der Art. 150, Semma 2 des Gesezes über die cidgenösfische Militärorganisation schreibt nämlich vor, daß diejenigen Réglemente, im Falle einer Revision, Ihrer Genehmigung zu unterstellen feien, welche seiner Zeit von der Tagfazung erlassen wurden. Unter diese Réglemente gehören die nun revidirten. Wenn es fich auch noch nicht um ihre definitive Annahme und Ein*

führung handelt, fo ist die einsweilige Einführung bei der Armee doch so allgemein, daß wir es nicht über uns nehmen zu dürfen glaubten, diesen Schritt ohne Ihre Einwilligung zu unternehmen.

Aus diefen Gründen haben wir die Ehre zu beautragen:

,,Sie möchten uns ermächtigen, die revidirte Solda* ,,ten-, Pelotons-, und Kompagnieschule, die Ba# ,,taillons- und Brigadeschule, so wie die Anlei* ,,tung für den leichten Dienst bei der Armee eins,,weilen einzuführen."

Schließlich benuzen wir diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 4. November 1854.

Im Namen des schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

.5. Freh-Herosee.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: OEchicf?.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die beiden gesezgebenden Räthe der Eidgenossenschaft, betreffend das neue Ererzierreglement. (Vom 4. November 1854.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1854

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

52

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

18.11.1854

Date Data Seite

449-457

Page Pagina Ref. No

10 001 529

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.