#ST#

Schweizerisches

Jahrgang VI. Band III.

Nro.

^

Samstag, den 9. Dezember 1854.

#ST#

Botschaft des

Bundesrathes an die beiden gesezgebenden Räthe der Eidgenossenschaft , betreffend die Aushebung des Einfuhrzolls auf Lebensmitteln.

(Vom 1. Dezember 1854.)

Tit.

Seit bereits 15 Monaten stehen die Getraidepreise auf einer außergewöhnlichen Höhe. Während lange Zeit hindurch das Malter Kernen nur zu 20--30 Franken verkauft wurde, stieg es im Spätjahr 1853 allmählig auf den Preis von Fr. 40 und 50, im Monat Iuni, wo es am höchsten war, sogar auf Fr. 60; sank dann nach der Aernte dieses Jahres auf Fr. 42 herab, erhob fich aber nach und nach wieder bis auf Fr. 50, was wir gegenwärtig als Durchschnittspreis eines Malters annehmen können.

Bundesblait. Jahrg. VI. Bd. III.

48

526 Zugleich brachten auch die politifchen Ereignisse im Orient einiges Stoken in den Gang des Handels und der Industrie. Das Geld wurde seltener, und während sich die Arbeit verminderte, stieg zugleich mit dem Preise .der Lebensmittel der Werth der andern notwendigen Lebensbedürfnisse. Unter folchen Verhältnissen ist es

begreiflich, daß theils von Regierungen, theils von Vereinen und Privaten Gesuche an uns gelangten, den Getraidezoll aufzuheben, und daß auch wiederholt im Schooße der Bundesversammlung felbst Motionen und Interpellationen, betreffend Aufhebung des Getraidezolles, gestellt wurden.

Man schilderte den eidg. Zoll als eine Last, die auf dem sonst hart bedrängten konsumirenden Publikum ruhe, zitirte das Beispiel anderer Staaten, die ihre hohen Zölle aufgehoben hatten und versprach sich von einer gleichen Maßregel in der Schweiz einen wohlthätigen Einfluß auf die öffentliche Stimmung und Beruhigung des Volkes, wobei man freilich übersah, daß die benachbarten Staaten durch Ermäßigung ihres hohen Eingangszolles eine Aenderung des Brodpre^s wohl bewirken konnten, daß sie aber immerhin noch eine Kontrolgebühr beibehielten, die in Frankreich sich per Zentner auf 16 Rp., in Sardinien selbst auf 31 Rp. beläuft, so daß sie troz ihrer zur Nachahmung empfohlenen Maßregel noch höhere Gebühren bezogen, als diejenigen, die unfer ordentliche Tarif vorschreibt.

Wir trugen damals gleichwol noch Bedenken, dem an uns gestellten Gesuche zu entsprachen, und auch di^ Bundesversammlung schien unsere Ansichten zu billigen, indem den Petitionen und individuellen Mo^onen .^..n..: ^olge gegeben wurde.

52.^ Die Gründe unserer Abweisung find in unferm Kreisschreiben vom 28. November 1853 (Bundesblatt 1853, IH, S. 637) zusammengestellt, und ähnliche Motive mögen auch die Bundesversammlung in ihren Schlußnahmen im Hornung und im Iuli d. I. ^) geleitet haben.

Gegenwärtig zeigen sich nun zwar die Verhältnisse gegenüber dem Stande der Sache im Iuli noch nicht wesentlich verändert. Der Preis eines Malters Kernen steht zwar um Fr. 5 niedriger als damals, und in öffentlichen Blättern lefen wir selbst von Lieferungsverträgen, die auf das Frühjahr hin, um noch mäßigere Beträge abgeschlossen worden find. Dagegen läßt sich nicht verkennen, daß die Hoffnungen, mit denen man sich zur Zeit der Aernte getröstet hat, gar nicht oder nur fehr

unvollständig in Erfüllung gegangen sind. Die Aernte sowol in der Schweiz als in Deutschland kann zwar als eine ordentliche Mittelärnte bezeichnet werden. Nach Berichten aus Frankreich ^....r sie aber dort nicht so ergiebig, als ma.^ erwartete; gleichwol würde der Minderertrag eine Thenrnng nicht hervorrufen, wenn nicht überall in öffentlichen wie in Privatspeichern die Vorräthe als aufgezehrt erschienen und die Zufuhren ans^ dem Ausland...

bedeutend gehemmt wären. In Amerika klagt man be^.

sonders über große Dürre, und erhält von daher verhältnißmäßig hohe Preisnotirungen. Ein schlimmes Zeichen ist es auch, daß aus einigen .Ländern, wie aus Algier und in neuester Zeit auch aus Belgien, die Ausfuhr von Getraide verboten worden ist. Als besonders nachtheilig .^scheint aber der Umstand , daß di^ Zu^.^r.. aus Ruß.^ ...and, vom Markte in Odessa, der bei ..^..trungen jederzeit wesentliche Aushilfe leiste, für la^ Zeit gänzlich

^ Bundes^ .^ J. 185^, .^d. I, ^ .^

^28 abgeschnitten ist , sei es , daß der Kriegsverhältnisse wegen weniger Getraide angebaut und eingesammelt wird, sei es, daß die Zufuhren aus dem Innern verkümmert werden , oder daß das Wenige, was am schwarzen Meere noch erhältlich ist, für den Bedarf der Armeen eine andere Richtung nimmt. Die kriegerischen Verhältnisse überhaupt gestalten fich so, daß auch im Laufe des nächsten Iahres ein hartnäkiger Kampf voraus zu sehen ist, der sehr leicht eine größere Ausdehnung mit den nachtheiligsten Folgen für die Preise der Lebensmittel gewinnen kann. Wir dürfen daher auf ein baldiges Sinken der Getraidepreise , selbst bei günstigen Ausfichten auf eine künftige Aernte , keine großen Hoffnungen bauen , und bereits sehen wir auch, daß die waltenden Besorgnisse nicht nur Privaten zu Spekulationen veranlaßt haben, sondern daß auch ^Regierungen , Gemeinden , Aktienvereine und Fabri^herren in der wohlgemeinten Abficht, ihren Angehörigen wohlfeiles Brod zu verschassen, große .Bestellungen im Auslande gemacht haben.

Bei diesen nicht besonders tröstlichen Ausfichten haben wir neuerdings in ernste Erwägung gezogen, ob es nicht an der Zeit sei, nach Anleitung des Art. 43

des Zollgesezes vom 27. August 1851, vorübergehend eine allgemeinere Maßregel zur Erleichterung der Einfuhr der notwendigsten Lebensmittel zu treffen. Die finanziellen Folgen einer solchen Maßregel stellen fich aber als so bedenklich heraus, daß es nicht unerheblichen Zweifeln unterliegt, ob der wirkliche Vortheil, der dem Publikum durch Aufhebung des unbedeutenden Zolles geboten werden kann, die großen Opfer aufzuwiegen im Stande sei, die der eidg. Kasse unvermeidlich zufallen müßten. Da wir zudem am Vorabend der Einberufung der Bundesversammlung uns befinden, der ohnehin nach

52^ dem zitirten Art. 34 eine dießfällige Schlußnahme des Bundesrathes zur Genehmigung hätte vorgelegt werden müssen, so erachteten wir es der Wichtigkeit der Sache angemessen, die Angelegenheit ohne präjudizirliche Verfügung zum freien Entscheide an die Bundesversammlung zu bringen. Wenn wir ihr nun auch den Vorschlag zur gänzlichen Aufhebung des auf den notwendigsten .Lebensmitteln haftenden Eingangszolles vorlegen , so wollen wir gleichwol nicht unterlassen, das Für und Wider, das zur Annahme oder Abweisung des Vorschlages von Einfluß fein kann, mit möglichster Unparteilichkeit aus einander zu sezen.

Wenn überhaupt eine Maßregel getroffen werden soll, von der einiger Einfluß auf den Preis der Lebensmittel und auf die öffentliche Stimmung ^u erwarten ist, so erachten wir, daß man bei Aufhebung des Eingangszolles auf Getraide und Mehl nicht stehen bleiben dürfe, fondern dieselbe auf die ganze Rubrik Getreide und

.^ülsenfrüchte (Mais inbegriffen), .^uf d.^s Re.s -- mit noch mehr Grund, weil der Zoll höher ist -, aufBrod,.

gerollte Gerste, .^afergrüze und Gries, fo wie auf Reis-.

mehl, ja selbst Kartoffeln, obfchon davon eine ganze Zu..^ ..hierlast nur mit 1.^ Cent. belegt ist, ausgedehnt werden müsse, und daß der Zoll nicht nur ermäßigt, fonder^ ganz aufgehoben werden soll, ind^m eine bloße Herab^ sezung des ohnehin unbedeutenden Zolles von g^r keiner .merklichen Wirkung fein könnte. Eine Kontrole über das eingeführte Quantum ist ^ur Vermeidung des Schmug.gels von andern Waaren und für die statistischen Nachweife gleichwol notwendig, dieselbe ..^nn aber auch ohne den Bezug von Gebühren ausgeübt werden. Als sehr nothwendig erscheint dann die Bestimmung, daß die .Maßregel nur eine vorübergehende sei, und daß na^

.^0 Ablauf eines bestimmten Termins, den wir auf den 1..

Iuli 1855 anfezen, die Zollverwaltung ohne weitere

Schlußnahme die Erhebung des ordentlichen gesezlichen Tarifes wieder eintreten lasse.

Nach diesen Gr.^ndsäzen können wir den muihmaß-

lichen Ausfall für die Bundeskasse nach Maßgabe der Einfuhr im I.^hr 1853, von der die Einfuhr in der ersten Hälfte des Jahre^ 1855 bei gegenwärtigen Preisen sehr wesentlich ^ich^. abweichen wird, auf nachstehende Weise fes.sezen: Zentner.

Zollsaz.

Rp.

^etraide und Hülsensri.chte . .

Mehl.

Brod Reis

.

.

.

.

.

.

...

.

.

.

Kartoffeln . .

Gerste, gerollte ..^afergrüze und ^ries . . .

Zollbetrag.

Fr.

Rp.

^,527,376 492,334 2,672 .^7,223 73,385

15 50 50 15 1

379,^6. 40 246,167. 1,33^. ^16,^. .^5 733. .^5

^,476

50

4,738. ^5

ertrag im Iahr ^53 . . . . . . 648,16^. 95 Die Hälf^ ...uf ^ .donate im Iahr 1855 berechnet

.

.

.

.

.^

.

.

.

.

324,^2.

^7

Im Allgemeinen kann nun zwar der S..^ ^icht be^ritten werden, daß je mehr die Hemmnisse, die der Einfuhr eines Gegenstandes entgegen stehen, beseitigt werden, desto mehr dieselbe zunehmen wird, und daß ....ei stärkerer Einfuhr die Konkurrenz auch dje Preise in .^er Regel ermäßigt. Wenn daher die Eidgenossenschaft ^uf eine Auflage von Fr. 324,000, die auf der Einfuhr ^er notwendigsten Lebensmittel haftet, verzichtet, so ^t

531 ^lar, daß diese Summe irgend jemandem zu gut kommen .muß, und zwar entweder dem Käufer oder dem VerKäufer, der aber eben hiedurch ermuntert wird, größere Vorräthe in die Schweiz einzuführen und dadurch mitwirkt, das Steigen der greife wenigstens zu verhindern.

Im Publikum ist nun einmal mit oder ohne Grund .^ie Meinung verbreitet, daß der eidg. Zoll zur Ve^ theurung des Brodes beitrage, und es ^fehlt an offene lichen Stimmen nicht, ....ie diesen Glauben bestärken und den Einfluß des Eingangszolles auf die Brodpreise auf höchst übertriebene Weise darstellen...

Man weiß auch, daß im Zollgesez der .^all vorgesehen ist, daß dieser vermeintliche Uebelstand gehoben werden kann, und dennoch, .^heißt es, thun die BundesbeBörden nichts, um nach Anleitung des Gesezes dem har..bedrängten Publikum Erleichterung zu verschaffen...

Es hält schwer, überall den nöthigen Belehrungen Ein-

gang z.^ verschaffen und die Täuschung begreiflich zu machen, der man sich hinsichtlich der Folgen einer entsprechenden eidg. Maßregel hingibt. Wenn daher auch in der Wirklichkeit der unmittelbare Vortheil, den das ^..ublil^um aus der vorgeschlagenen Aufhebung der Zölle Ziehen wird, sehr zweifelhaft ist, so wird man gleichwol ^icht verkennen können, daß die Annahme des Vorschl^ges einen wohlthätigen moralischen Einfluß auf .^ie össentliche Stimmung ausüben und zur Beruhigung eines großen Theils der fchweiz. Bevölkerung beitragen wir.^.

Im Gegenfaze zu diesen Motiven, die für unfern Vorfchlag fprechen, glauben wir uns aber auch verpflichtet, die Zweifel hervorzuheben, die dem Erfolge, den die vorgefchlagene Maßregel in der Wirklichkeit auf .^ine Ermäßigung der ^Brodpreife ausüben wird, en^ gegen stehen.

532

Der Eingangszoll auf ein Viertel Kernen beträgt zu 15 Cent. per Zentner ungefähr 31/^ Rp. Auf das Pfund Brod berechnet mag derselbe etwas mehr als ^ Rp. betragen. Angenommen nun, es sollte durch die Aufhebung des Zolles der Preis des Korns und folglich auch des Brodes um diefen Betrag vermindert werden, so würde wegen dieses kleinen Bruchtheils eines Rappens allein der Werth des Brodes noch nicht herabgesezt. In Verbindung mit andern Umständen, die eine Tendenz zum Sinken hervorbringen, könnte dagegen allerdings der, wenn auch kleine Betrag zu einer Ermäßigung des Brodpreises mitwirken. Allein es ist ^ mit Grund zu besorgen , daß dieser Nachlaß des Eingangszolles dem Publikum gar nicht zu gut kommen, sondern größtenteils in^den Händen der Spekulanten und Kornhändler bleiben wird. Der Preis des Getraides wird nicht in der Schweiz gemacht. Derselbe richtet fich nach den größern ^ruchtmärkten des Auslandes. Die einheimischen Produzenten. die etwa drei Viertele des Bedarfs verkaufen, sezen ihre greise nach denjenigen der größern Märkte fest und diejenigen, die uns den lezten Viertheil des Bedarfes zuführen, halten ^ich an dem gleichen Barometer. Diese Kornlieferanten find aber meistens Ausländer , die bisher den Zoll bezahlt haben und die allerdings fich fehr freuten, wenn fie bis zum Monat Iuli nichts mehr bezahlen müßten.

Könnte man fie dadurch zwingen, ihre Kornpreise herab-

zufezen, fo hätte allerdings das Publikum den Vortheil, nicht nur den Bedarf, der vom Ausland be.zo^ gen werden muß, wohlfeiler anzukaufen, fondern es würden durch die Konkurrenz auch die inländischen Kornhändler genöthigt werden, eine Ermäßigung in ihren greifen eintreten zu lassen.. Es scheint uns aber,

533 daß das Steigen nnd Fallen der Preise durch ganz andere, außer uns liegende Ursachen bewirkt wird, und daß wir bei diesen maßgebenden äußern Umständen und bei den großen Beträgen des ^ns und minus, mit welchen in der Regel der Kornhändler zu rechnen und zu fpielen gewöhnt ist, durch Aufhebung oder Fortbezug unfers Bagatellzolles keine Aenderung hervorzubringen vermögen. Man gibt nun zwar im Allgemeinen zu , daß die Aufhebung des Getraidezolles eine Ermäßigung des Brodpreifes nicht unmittelbar zur Folge haben werde, behauptet aber, daß durch diefe Begünstigung die Kornhändler und Spekulanten ermuntert werden, größere Vorräthe auf den Markt zu führen,. wodurch alsdann ein Sinken der Preife bewirkt werden könne.

Es hat aber auch diefe Behauptung ihre fchwache Seite ; denn wenn diese Voraussezung überhaupt richtig wäre, so würden wahrscheinlich die Kornhändler und Spekulanten diese für sie ungünstigen Folgen eben so gut voraussehen als diejenigen, die fich mit der Hoffnung schmeicheln, daß die Spekulanten in diese Falle gehen werden. Sie werden fich daher kaum ermuntert fühlen, ihre Vorräthe auf einen Markt zu führen, wo die Konkurrenz ein Herabdrüken des Preises zur Folge hätte. Wenn wir uns daher auch in dieser Beziehung keine große Hoffnung von dem Erfolge der vorgeschlagenen Maßregel machen, so anerkennen wir dagegen, daß das Angeführte auf die Ankäufe von Regierungen, Gemeinden, Aktienvereinen, Konsumvereinen, Fabrikherren und wohlthätigen Privaten, die nur aus gemeinnützigen Abfichten, um ihren Angehörigen um den kostenden Preis , oder .tnter demselben, Brod zu verschaffen, ihre Ankäufe machen, keine Anwendung findet. Solche Bestrebungen verdienen die Unterstüzung des Bundes, und wir tragen

534 kein Bedenken, zu ihren Gunsten auf eine Abgabe zu verzichten, die sonst der .Bund zu beziehen berechtigt wäre und von der wir wissen , daß sie nicht in fremde Hände fließt , sondern einem Theile des Publikums zu gut kommt. Ferner müssen wir zugeben, daß manches von dem Angeführten auf die Aufhebung ^des Eingangszolles auf Mehi, Brod, Gerste u. f. w., überhaupt auf solche Gegenstände, die mit 50 Rp. per Zentner belegt sind , nicht paßt. Der Zoll beträgt schon mehr als dreimal so viel als der Getraidezoll, und erscheint daher von folcher Erheblichkeit, daß bei dessen Aufhebung unmittelbar eine Ermäßigung des Brodpreifes eintreten kann. Aus einem Zentner Mehl können 125 Pfund Brod gebaken werden; der Eingangszoll zu 50^ Rp. berechnet, beträgt daher für 1 Pfund ^ Rp., oder für einen fünfpfündigen Laib 2 Rp. Die Einfuhr des Mehles ist zudem weniger für den Verkauf auf den Märkten.

berechnet, fo daß eine Ermäßigung des Preises eher dem Pnblikum zu gut kommt.

Wir haben hiebei nicht übersehen, daß den Müllern ein kleiner Schnz entzogen wird, der denselben durch die Auflage von 50 Rp. per Zentner auf fremdes Mehl gewährt wurde. Allein ihre Stellung wird bei gleich-

zeitiger Aufhebung des Getraidezolles nicht schlimmer als diejenige der fremden Müller, und ein Privilegium zum Nachtheil des Publikums, zumal in Zeiten von Theurung , kann keine Industrie für sich in Anspruch nehmen.

In unserm Kreisschreiben vom 28. Nov. 1853 haben wir darauf aufmerkfam gemacht, daß Aenderungen in dem dießseitigen Zollbezuge leicht Gegenmaßregeln bei unsern Nachbarstaaten hervorrufen könnten ; denn wenn die Schweiz ein Interesse hat, die Einfuhr zu begünfiigen, so haben die Nachbarstaaten, wenn die Korn-

535 greife einmal eine bedenkliche Höhe erreicht haben, ein eben fo großes Interesse, die Ausfuhr aus ihren Län^ dern zu erfchweren. Die Beforgniß ist keineswegs un-

begründet. Allein die Maßregel wird im jezigen Augenblike, zumal fie eben nicht von befonderer Erheblichkeit ist, weniger Aufsehen erregen als fpäter, wenn die Kornpreife eine größere Höhe erreichen follten.

Neben der Zwekmäßigkeit der vorgeschlagenen Maßregel, aus dem Standpunkte ihres Erfolges betrachtet , haben wir nun aber auch noch die Frage, ob die Bundestasse im Falle fei, ohne anderweitige noch größere Uebelstände hervorzurufen, den sich auf den Zolleinnahmen ergebenden Ausfall zu tragen.

Wir haben oben gezeigt, daß der muthmaßliche Aus-

fall in fechs Monaten Fr. 324,000 betragen würde.

Rechnen wir noch die Hälfte des Monats Dezember mit

Fr. 27,000 hinzu, weil das Dekret unmittelbar nach dessen Erlaß vollzogen werden foll, fo steigert sich der

Ausfall auf Fr. 351,000. Aus den Vorschüssen der Iahresrechnnng von 1854 kann nun diefer Ausfall nicht ^edekt werden; denn wenn das Budget pro 1854 auch

^inen Vorschuß von Fr. 634,844. 58 Rp. auf der Ge-

neralrechnung , und von Fr. 677,016. 93 auf der Verwaltungsrechnung erzeigt, fo find nachträglich im

Laufe des Iahres so viele Nachtragskredite bewilligt Borden, daß der Vorschuß, felbst mit Hinzurechnung der sticht verwendeten Kosten für Truppenznfammenzüge, mehr als bloß aufgezehrt erscheint. Die Einnahmen können zwar einen Ueberschuß nachweisen; allein da nach dem Ergebnisse der zehn ersten Monate des Iahres in den .Zolleinnahmen ein Ausfall von mehr als Fr. 100,000 ^u erwarten ist, so wird die Iahresrechnung kaum im ^alle sein, einen namhaften Ueberfchuß nachzuweisen.

536

Das Budget für das Jahr 1855 zeigt uns zwar ebenfalls einen Vorschuß von Fr. 400,000 auf der Generalrechnung und einen von ^r. 590,000 auf der Verwaltungsrechnung. Allein wenn die Thenrung fortbestehen und der Handel nicht besser gehen sollte als in diesem Jahre, so haben wir nach Verhältniß der Zollerlrägnisse im Iahr 1854 eine Mindereinnahme von Fr. 200,000 zu gewärtigen. Die Nachtragskredite, die wir bereits nachzusuchen im Falle waren, betragen auch schon Fr. 163,000. Nehmen wir nun an, daß weitere Nachtragskredite im Laufe des Iahres nicht zu vermeiden find; daß die im Iahr 1854 verschobenen Truppenzusammenzüge im Iahr 1855 abgehalten werden sollten ; daß nach nnserm .Vorschlage den Kantonen eine^Entschädigung für Anschaffung der neuen Iägerflinten verheißen wird; daß ihnen namhafte Unterstützungen für die Korrektion der Inragewässer, des Rheins im Kanton St. Gallen und auch im Kanton Graubünden

in Ausficht gestellt worden ist; daß für Beiträge ..n neuen Straßen über Bergpässe die Bittschriften nicht ausbleiben werden: so erscheint es als unzweifelhaft, daß wir nach Aufhebung des Eingangszolles auf Lebensmitteln weitere Nachtragskredite nicht mehr verlangen dürften und die in Ausficht gestellten Unterstüzungen öffentlicher Werke, im Iahr 1855 wenigstens, nicht mehr geleistet werden könnten.

Ja die Besorgniß liegt sehr nahe, daß wir den sich ergebenden Ausfall nicht aus den Vorschüssen des Iahres.

1855, fondern ans frühern Ersparnissen bestreiten werden müssen, da wahrscheinlich zur Erhebung von Geld^ kontingenten keine Geneigtheit vorhanden sein wird.

Die hohe Bundesversammlung mag nun selbst prüfen und erwägen , ob die Vortheile , die unfer

537 Vorschlag gewähren wird, wirklich so ficher und erheblich feien, daß es im wohlverstandenen Interesse der Eidgenossenschaft liege, der Ausführung dieser Maßregel so viele andere Zweke zu opfern, die aus gemeinnüzigen Abfichten gefördert werden könnten.

Wir haben die Gründe angegeben, die uns bewogen, diese Fragen mit Ia zu beantworten, gestehen aber zugleich , daß wir das Bedenkliche der Maßregel vollkommen einsehen, und es uns zu nicht geringer Beruhigung gereicht, daß der nahe bevorstehende Zufammentritt der Bundesversammlung uns den Anlaß bietet , den definitiven Entscheid in dieser wichtigen Angelegenheit den gefezgebenden Räthen anheim zu stellen.

Auf den Fall, daß Sie, Tit., die Gründe für

Aufhebung des Eingangszolles auf einige der nothwendigsten Lebensmittel überwiegend finden sollten, haben wir die Ehre, Ihnen angebogen den Entwurf zu einem .Bundesbeschluß vorzulegen , und benuzen noch den Anlaß, Sie unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

Bern, den 1. Dezember 1854.

Im Namen des schweiz. Bundesrathes.

Der Bundespräsident: F. Fre.^-.^erosee.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

..schieß.

538 Beschlußeutwurf.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , in Anwendung des Art. 34 des Zollgesezes vom 27.

August 1851, und nach Einficht eines Vorschlages des Bundesrathes, beschließt: Art. 1. Vom 18. Christmonat 1854 an bis zum 1. Heumonat 1855 soll von nachstehenden Gegenständen der gesezliche Eingangszoll nicht erhoben werden: . 1) von Kartoffeln; 2) " Getraide und Hülsenfrüchten;

3) ,, Reis^

4) ,, Brod:.

5)

,, gerollter Gerste, von Hafergrüze und Gries;

6) ,, Mehl und Reismehl.

Art. 2. Die genannten Gegenstände find bei ihrem Eingange gleichwol der zollamtlichen Kontrol^ unterworfen.

Art. 3. Nach Ablauf des festgeseztet.. Termins find ohn.. w^iter^ die ordentlichen gesezlichen Gebühren wieder zu beziehen.

Art. 4.. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die beiden gesezgebenden Räthe der Eidgenossenschaft, betreffend die Aushebung des Einfuhrzolls auf Lebensmitteln. (Vom 1. Dezember 1854.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1854

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

56

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

09.12.1854

Date Data Seite

525-538

Page Pagina Ref. No

10 001 546

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.