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Jahrgang VI. BaK$ I.

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Samstag, den 11. Februar 1854.

Man abcnnirt ausschließlich beim nächst gelegenen Postamt. Preis für das 3«br 1854 im ganzen Umfange der Schwei* p o r t o f r e i F.kn. 4. 40 demimen. Snserale sind f r a n k i r t a» die ©ipedition einzusenden. Gebuhr 15 Centimen per Zdle cder deten Raum.

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Bericht und Gutachten des

Bundesrathes an die hohe schweizerische Bundesversammlung, betreffend das bernische Dekret bezüglich des Grütlivereins (Vom 28. Januar 1854.)

Tit.

Da die schweizerische Bundesversammlung durch ihren Beschluß vom 30. Iuli 1853 die Bundeebchörden für kompetent erklärt hat, in die Materie über die beiden Beschwerden, welche die Sektionen des Grütlivereins gegen das bernische Dekret vom 16. Juni 1852 erhoben haben, einzutreten, und da der Regierungsratl) des Kantons Bern dem Bundesrathe unterm 16«.

November lezthin auf eine neue Einladung, die diese Angelegenheit betreffenden Aktenstitke zu übersenden und dieselben mit einem Berichte über den Inhalt seines genannten Dekretes zu begleiten, geantwortet hat, haben wir die Ehre, Ihnen das von dem Nationalräthe durch Bundisblatt. 3«hx8. VI. Bd. I.

36

442 Beschluß vom 7. Iuli 1852 verlangte Gutachten vor-zulegen.

I. xheil.

Darstellung der Aktenlage.

Um in diese ziemlich verwikelte Angelegenheit einige

Ordnung zu bringen und die Einficht in die Akten zu erleichtern, müssen wir hier mit der Aufzählung der zu diefer Frage gehörenden Aktenstüke und Slhatsachen be# ginnen.

1) Das Dekret, welches den Gegenstand, der Beschwerden bildet, über welche die Entscheidung der schweiz.

Bundesversammlung angerufen worden ist, hat folgenden Inhalt : ,,Der Regierungsrath des Kantons Bern, ,,nachdem fich aus einer durch Beschimpfungrn der ,,Regierung von Seite mehrerer Mitglieder des soge.,,nannten ,,schweizerischen Grütlivereins " in Thun ver,,anlaßten Untersuchung ergeben: 1) ,,daß dieser Verein eine Menge kommunistischer und ,,sozialistischer Bücher und Flugschriften hält, welche ,,den vorgefundenen Korrespondenzen zufolge zur ,,Verbreitung im Volle bestimmt find, und welche als ,,Zwef des Vereine bezeichnet erscheint; 2) "daß den in den Vereinsprotokollen eingetragenen ,,Zentralberichten zufolge, der Verein sich seit län# ,,gercr Zeit offener Feindseligkeit gegen die beste,,hende Staatsordnung und ihre Träger, so ...eie ,,geheimer Wühlerei gegen die öffentlichen Zustände ,,überhaupt hingegeben hat;

443 3) ,,daß der Verein den Korrespondenzen zufolge auch ,,mit gleichartigen auswärtigen, dieselben Tendenzen ,,verfolgenden Gesellfchaften Verbindungen unter,,halten hat; 4) ,,daß ein Kopierbuch des Vereins, dessen Existenz "hergestellt ist, bei Seite geschafft und der Einficht ,,der Polizeibehörde entzogen worden ist; ,,erwägend, ,,daß durch den lezterwähnten Umstand der Verein ,,fich des Charakters eines öffentlichen Vereins begeben ,,hat, und daß fich aus dem ganzen Sachverhalt ergibt, ,,daß der ,,schweizerische Grütliverein" statt des aner,,kannten Zwekes wissenschaftlicher Ausbildung und gemein,,nüziger Thätigkeit, oder neben demselben, gemeingefähr,,liche Grnndsäze im Volke verbreitet, und fich politischer ,,Wühlerei hingegeben hat; in Anwendung des §. 78 ,,der Staatsverfassttng, und aus den Antrag der Iustiz-

,,und Polizeidirektion, ,,beschließt: ,,Art.

1.

,,Der sogenannte ,,schweizerische Grütliverein" ist im ,,ganzen Umfange des Kantons Bern aufgehoben, «nd »für die Zäunst Untersagt.

,, A r t . 2.

,,Iede fernere Zufammenfunfi sdet Verhandlung des ,,schweizerischen Grütlivereins ist als Störung der öffent,,lichen Ordnung erklärt, «nd . s? Ist gegen die Theil,,nehmer nach Vorschrift des Strafgesezes einzufchrelten.

,,Siri. 3.

,,..Kantonsfremde, welche nicht förmlich angefeffen find ,,und i?em schweizerischen ©rüt.ivcrein ungePrt laben, ,,oder fich von nun an einer Widethandlung gegrn .pfefen

444 ,,Beschluß schuldig machen, find übertieß von Polizei* ,,wegen aus dem Kanton sortzuwcisen.

,,Art. 4.

,,Sämmtliche Polizeibehörden des Kantons, insbe* ,,sondere aber die Direktion der Iustiz und Polizei und ,,die Zentralpolizei, so wie die Regierungsstatthalter,,ämter sind mit der sofortigen Vollziehung und strengen ,,Handhabung diefes Befchlasses beauftragt.

,,Bern, den 16. Juni 1852."

(Folgen die Unterschristen.)

2) Gegen dieses Dekret wurden unverweilt mehrere Beschwerden an die Bundesbehörden gerichtet.

Zuerst gegen Ende Juni und Anfangs Juli 1852 an'den Bundesrath. Sie rührten theils von Sektionen des Vereins im Kanton Bern her und von den in diesem Kanton wohnenden Schweizern, meistens von Nicht» bernern; theils von Sektionen und Schweizern in an.« dern Kantonen.

Die Bundesversammlung ihrerfeits erhielt ähnliche Beschwerden von Sektionen außerhalb des Kantons Bern, so wie von dem Zentralkomite des Grütlivereins in St. Gallen.

Indem die Beschwerdeführer die Anklagen gegen den Grütliverein, welche in den Erwägungsgründen des bernischen Dekrets enthalten find, zurük weifen, erheben sie sich gegen die zwei hauptsächlichen Bestimmungen des

Dekrets, nämlich: 1) gegen die Aufhebung des Grütlivereins im ganzen Umfange des Kantons Bern und gegen das Verhol dieses Vereins für die Zukunft j

445 2) gegen die polizeiliche Ausweisung der Schweizer anderer Kantone aus dem Kanton Bern, welche an .diesem Vereine ...theil genommen haben, oder Theil nehmen werden, und wicht förmlich niederge* lassen find.

Die Beschwerdeführer verlangen die Aufhebung biefer beiden Bestimmungen, als im Widerfpruch stehend, die etstere mit Art. 46 der Bundesverfassung und mit Art. 78 der bernifchen Staatsverfassung, welch'beide das Vereinsrecht innerhalb gewisser Schranken garantiren, die zweite init Art. 41 der Bundesverfassung, welcher den Schweizern die freie Niederlassung in allen Kantonen gewährleistet.

3) Diefe verfchiedenen Beschwerden find dem Regiemngsrathe des Kantons Bern mitgetheilt worden, damit er die nöthigen Erläuterungen darüber gebe.

Bei der Uebersendnng der an den Bundesrath gelangten Reklamationen an den Regierungsrath, ersuchte das fchweizerifche Justiz- und Polizeidepartement, in Uebereinstimmung mit den allgemeinen Weifungen, welche ïraft Nr. 2 des Art. 90 der Bundesverfassung gegeben

iind, die bernifche Behörde, daß die Vollziehung des

·gortweifungsbefehls gegen nichtbernifche Schweizer, welche an dem aufgelösten Vereine Theil genommen haben, auf fo lange eingestellt werden möchte, bis der Bundesrath einen Beschluß über ihre Beschwerde gesaßt hätte.

Der Nationalrath überfandte unterm 7. Juli 1852 dem -Bundesrathe die an die Bundesversammlung gerichteten Beschwerden und beauftragte ihn: a. die eingelangten Beschwerden dem Regierungsrathe von Bern zu übermitteln, mit der Einladung, die-

446 selben zu beantworten und sämmtliche Akten, auf welche sein Beschluß fich gründe, einzusenden.

I>. tin Gutachten, betreffend die Erledigung dieser An«> gelegenheit, dem Nationalrathe vorzulegen.

4) «2s erfolgten auf diese Mittheilungen zwei Ant» werten des bernischen Regierungsrathes an den Bundes.« rath: 1) die eine vom 27. Juli 1852, betreffend die bei dem Bundesrathe geführten Beschwerden; 2) die andere vom 9. August desselben Iahres, be* züglich der an die Bundesversammlung gelangten Beschwerden.

In dem ersten dieser Aktenflüke bemüht fich der Re# gierungsrath, zuerst die Kompetenz der Bundesbehörden, auf den Inhalt dieses Dekrets vom 16. Iuni einzutreten und von ihm Rechenschaft über die Motive diefer Schlußnahme zu verlangen, zu bestreiten, da dasselbe nicht das Vereinsrecht im Grundsaze unterdrüke, son* dern bloß von Polizei wegen speziell bezeichnete Vereine bestimmter Ursachen wegen aufhebe, und der Art. 46 der Bundesverfassung in diejer Beziehung die Sortveränetät der Kantone nicht.beschränke. Hierauf macht der Regierungsrath, nachdem er bezüglich des Art. 78 der bernischen Staatsverfassung den Vorwurf einer Ver* lezung desselben jurük gewiesen hat, und fich auf diese Verfassung selbst und ein Gesez von 185l fiüzt, die Einwendung, daß die Beschwerdeführer, ehe und bevor fie gegen eine Maßregel der kantonalen Vollzichungsbe# hörde an die Bundesbehörde rekurriren könnten, ihre Klage vorher an den Großen Rath bringen müssen.

Darauf, unter Vorbehalt seines vermeintlichen Rechts,

44T in den Inhalt der Motive seiner Schlußnahme vom 16.

Iuni nicht eingehen zu müssen, fügt der Regiernngsrath sowcl der ö f f e n t l i c h e n M e i n u n g w e g e n und ganz, befonders aus A c h t u n g v o r der h o h e n B u n d e s b e h o r d e einige kurze Andeutungen über die Motive bei.

Da diefe Andeutungen, welche einigermaßen die Erwägungsgründe des Dekrets entwikeln, wörtlich weiter unten, im zweiten Theil, III. M a t e r i e des D e k r e t s , angeführt find, so verweisen wir hier bloß darauf.

Was endlich die Beschwerde der Nichtberner über den Art. 3 des Dekrets betrifft, so hält der Regierungsrath dafür, daß die Garantie der freien Niederlassung, welche der Art. 41 (Ziffer 6) der Bundesverfassung aufstellt, ausschließlich auf Schweizer, welche im Kanton förmlich n i e d e r g e l a s s e n find, anwendbar sei und daher nicht verhindere, Schweizer, die bloß wohnhaft find oder fich aufhalten und Theil an dem Vereine genommen haben, sortzuweisen, und daß er in Folge dessen nicht in der .Lage sei, die Suspenfion des Fortweisungsbefehls zu verhängen. Schließlich erklärt der Regierungsrath, daß kein formlich niedergelassener Schweizer wegen der Theilnahme am Grütliverein der gortweifnng aus dem Kanton unterliege, und daß diefe Maßregel nur gegen Per* sonen angewendet werde, deren Fortweifung, abgesehen von diefer Theilnahme, genügend begründet erscheine.

Die Anschauungsweise des Regierungsrathes, betrefsend die Tragweite des Artikels 41 der Bundesverfassung, welcher die freie Niederlassung garantir», ist in einem amtlichen Schreiben vom 13. September 1852 entwikelt, welches weiter unten (zweiter Theil, III. B.) zu prüfen sein wird.

Die zweite Eröffnung oder Antwort des Regierungs* rathes, vom 9. August 1852, welche fich bezüglich der

448 grage über die Kompetenz der Bundesbehorden und den vorherigen Rekurs an den Großen Rath auf die erstere beruft, fügt andere Einwendungen bei, um die Weigerung, in die Materie des Dekrets vom 16. Iuni ein» zugehen, zu rechtfertigen. Die bernifche Regierung wendet unter Anderm ein: 1) die Unfähigkeit des Zentralkomite und der Seltion von M u r t e n korporativ zu handeln; 2) den Mangel der Authentieität der Petitionen, weil ihnen die Beglaubigung fehle; 3) der Abgang der Berechtigung zur Gründung von Vereinen durch Schweizer, welche nicht im Kanton Bern find; 4) die Unanständigkeit der Sprache mehrerer Petitionen.

Aus diefen Gründen und demjenigen, der von der vermeintlichen Inkompetenz des Bundes hergeleitet wird, schließt der Regiernngsrath des Kautons Bern mit der Weigerung des Eintretens in den Inhalt der Beschwerden und folglich auch der Mittheilung der Akten.

So war der Stand dieser Angelegenheit im Monat

Iuli 1853.

5) Da die Regierung des Kantons Bern ihre Weigerung, in die Materie einzutreten, wesentlich darauf gründete, daß nach ihrer Meinung die Bundesbehörden nicht kompetent feien, über die gegen ihr Dekret vom 16. Juni erhobenen Klagen zu entscheiden, mußte der Bundesrath vorläufig diesen Kompetenzkonflikt vor die beiden zur Bundesversammlung vereinigten Räthe bringen, gemäß des Art. 74, Ziffer 17, und des Art. 80 der Bundes* verfassung.

Es geschah dieses durch feinen Bericht vom 13. Juli 1853, in welchem die Kompetenzfrage in einer Weise entwikelt worden ist, wie es die Wichtigkeit eines solchen

".S

449 Gegenstandes erforderte. Man führte darin an, daß der Art. 5 der Bundesverfassung in Verbindung mit dem Art. 46, so wie mit dem Art. 90, Ziffer 2, und Art. 74, Ziffer 8 und 15 der Bundesbehörde die Kompetenz ertheile, welche ihr die Regierung von Bern bestreuet.

(Siehe den Bericht, Sundesblatt Iahrg. V, Band III, Seite 138.)

Nach einer gründlichen Verhandlung und nach Annähme der Vorschläge in der Hauptsache, welche wir die Ehre hatten ihr vorzulegen, faßte die Bundesverfammlung am 30. Iuli 1853 einen Beschluß folgenden In.haUes: ,,Die Bundesversammlung der f c h w e i z e r i s c h e n Eidgenosfenschaft, "nach Einsicht des ihr unterm 13. Iuli 1853 vom schweizerischen Bundesrathe erstatteten Berichtes, betresfend, die Beschwerden des Grütlivereins, so wie der Übrigen aus diese Angelegenheit bezüglichen Aktenstüfe, ,,beschließt: 1. ,,Die schweizerische Bundeeverfammlung erklärt die Bundesbehörden sur kompetent, über die beiden Beschwerden, betreffend die Aufhebung der Sektionen des Grütliöereins im Kanton Bern und die Wecjweisung derjenigen Mitglieder, welche nicht förmlich niedergelassen find, und sofern diefe Wecjwäsung lediglich durch die Theilnahme an Vereinen begründet wird, einzutreten.

2. ,,Diefer Beschluß wird dem Bundesrathe mitgeiheilt, um den Gegenstand, nach Maßgabe des Beschlus[es des Nationalrathes vom 7. Iuli 1852, in weitere Behandlung zu nehmen.

,,Also beschlossen Je. K."

450

Der vorstehende Beschluß wurde den 12. August 1853 dem Regierungsrathe des Kantons Bern mit der Einladung mitgetheilt, dem Bundesrathe die Aftenstüke, auf welche das Dekret vom 16. Iuni bafirt fei, zu übermitteln und einen fernern Bericht über das Wcsentliche diefer Angelegenheit zu erstatten.

6) Der Regierungsrath hat aus diefe Einladungra durch Schreiben vom 16. November 1853 geantwortet, dessen Inhalt wir hier kurz anführen zu sollen glauben.

A. Was die Mittheilung der Aktenstüke anbelangt, so hat der Regierungsrath übersendet: 1. Vereinsakten, welche enthalten: a. Bücher und Broschüren, welche von Politik, Arbeit, Pauperismus, Sozialismus, Kommunismus, religiösen und andern Fragen handeln; b. Statuten, Protokolle, Verzeichnisse, Korrespondenzen, Lieder n. K.

2. Amtliche, auf den Gegenstand, welcher uns be-

schäftigt, bezügliche Akten, wie Anzeigen, Berichte, Verbale. Abhörungen, Korrefpondenzen, Weifungen, das Dekret vom 16. Inni 1852 und ein polizeirichterliches

Urtheil.

B. ...Bezüglich des Berichtes über das Materielle der Frage, ist das Schreiben sehr kurz. Man refumirt hier, indem man die in dem Schreiben vom 27. Iuli 1852 gemachten Andeutungen noch abkürzt und die Erwägutigs-

gründe des Dekrets reprodnzirt.

Dann, zu den erhobenen Beschwerden gegen das Dekret übergehend, bringt der Regierungsrath zunächst Bemerkungen über die Tragweite des Bnndesbcfchlusses vom 30. Iuli, die Schweizer betreffend, welche bloß ,,Aufenthalter" find.

451 Hierauf behauptet der Regierungsrath, bezüglich der Gewährleistung des Vereinsrechts, daß dieser Bundes* beschluß nicht näher entschieden habe, in welcher S3ezie# hung das kantonale Dekret vom 16. Iuni in die Kom# .Petenz der Bundesbehörden fallen solle und schließt, dap die F r a g e der K o m p e t e n z noch in gleicher Lage sei, indem man nicht die Kompetenz des Bundes über* haupt, sondern nur den Umfang derselben bestritten habe«.

Daher beschränkt fich der Regierungsrath nur auf sol# gende kurze Bemerkungen, bezüglich der Aufhebung des

Grütlivereins.

Er stellt folgende vier Fragen: ; 1) ,,War die Behörde, welche verfügte, nach der Ver,,fassung kompetent dazu? (Nach der Kantonalkom* ,,petenz.)

2) ,,Sind die Motive der Verfügung an fich richtig?

3) ,,Wenn dem so ist, rechtfertigen fie die Verfügung?

4) ,,Wurde durch die Verfügung ein verfassungsmäßig ,,ges Recht, oder ein Staatsvertrag verlezt?"

Der Regierungsrath, mit diefcr lezten Frage beginn nend, beantwortet fie v e r n e i n e n d , theils weil kein Ver# trag über diesen Gegenstand bestehe, theils weil der Art. 46 der Bundesverfassung nur solche Vereine garantire, welche weder in ihrem Zweke, noch in ihren Mitteln

rechtswidrig oder ftaatsgefährlich find, und ausdrüklich

der Kantonalgesezgebnng dieUnterdrükung des Mißbraucht überlasse, und weil Art. 78 der bernischen Verfassung nur ö f f e n t l i c h e Vereine gewährleiste, der Grütliverein aber dadurch, daß er ein Protokoll den Augen der 23ehörde entzogen, fich des Charakters der Oessentlichkeit begeben und denjenigen eines staatsgefährlichen Vereins angenommen habe.

452 Darauf, die erste Frage beantwortend, legt sich der Regierungsrath die Kompetenz bei, den Verein aufzu* löfen, weil ihm die Kantonsöerfassung die gefammte Regierungsgewalt, innerhalb der verfassungsmäßigen und gefezlichen Schranken, so wie die Sorge, für die Sicherbeit des Staates zu wachen und die oberste Polizei auszuüben, übertragen habe. Die Frage kann, nach feiner Anficht, nicht vor die Gerichte gebracht werden, da weder die Verfassung, noch die bernischen Geseze dieses vor* schreiben und die Maßregel eine rein polizeiliche ist.

Sodann, auf die zweite und dritte Frage geführt, erklärt der Regierungsrath, daß der Bundesrath nach dem Vorausgegangenen von der bernischen Behörde ein Eingehen auf die Materie nicht erwarten werde.

Und in der ..Ihat, fezt er hinzu, müssen wir es noch jezt entschieden von der Hand weisen, indem unsere Pflicht es uns befiehlt.

Der Regierungsrath des Kantons Bern, welcher hierauf auf die Kompetenzfrage zurük kommt, und einige der Erwägungsgründe zur Unterstüzung des Bundesbefchlusses vom 30. Iuli 1853 zu bekämpfen verfucht, besteht aufs Neue auf den traurigen Folgen, welche nach seiner Ansicht daraus entstehen müßten, wenn der Bundesregierung die Gewalt zugestanden würde, über kautonale Maßregeln, welche eines Angriffs ans die durch die Verfassung gewährleisteten Rechte beschuldiget werden, sich Rechenschaft geben zu lassen; er gesteht ihr nur eine formelle Kontrole zu und fpricht ihr das Recht jeder Einmischung, so wie jeder Entscheidung ab, wenn die Maßregel durch die kompetente kantonale Behörde getroffen worden sei.

Der Regierungsrath, der Entscheidung der hohen Bundesbehörde entgegen sehend, fügt bei: ,,In mate*

453 rieller Beziehung erlauben wir uns daher bloß die Erinnerung, daß die ganze Verhandlung im Zusammenhange steht und eine Folge jener Ungeheuern Agitation im Kanion Bern ist, die, im Iänner 1852 begonnen, um eine Regierung abzuberufen, welche selbst, dem geringsten Beamten gegenüber, ohne Abbernfungsrecht ist, am ISApril 1852 in einer ablehnenden Entscheidung des Volks ihren Ausgang fand."

Weiter um die Beiseitsschaffung des Korrespondenzbuchs zu beweisen, welche im vierten Erwägungsgrund des Dekrets als Motiv angeführt ist, aber in der Beschwerde der Sektion B u r g d o r f geläugnet wird, verweist der Regierungsrüth auf einige der beigebrachten Aktenstüke.

Eben fo weist der Regicrungsrath als auf ein Zeugniß des Geistes, von welchem der Grütliöerein beseelt ist, und seiner feindfeligen Stellung gegen die gegenwärtige Ordnung der Dinge im Kanton Bern, auf die ungebührliche Sprache der gleichen Sektion Burgdorf, vor Allem aber auf diejenige des Zentralkomite in St. G allen hin. ,,Diefe beiden Aktenfiüke," fährt die Regierung von Bern fort, ,,find in beleidigendem, besonders aber die leztere in fo ungeziemendem Tone abgefaßt, daß wir uns, zumal im Hinblik auf verwandte Vorfälle, über die Annahme derselben von Seite der Bundesbehörden beschweren dürften, wäre uns nicht dadurch der Beweis an die Hand gegeben worden, daß wir nur von der eigenen Anschauungsweise des Grütlivereins ausgegangen find, als wir annahmen, fein Fortbestand sei mit dem unsrigen unverträglich, und wir darnach verfügten."

Der Regiernngsrath schließt mit der wiederholten Behauptung, daß allen denjenigen Klägern, welche nicht im Kanton angefessen und daher auch durch den Beschluß vom 16. Iuni 1852 nicht betroffen seien, das

454 Recht zur Beschwerdeführung abgehe; diejenigen aber, welche derselbe beschlage, fich zuerst an den Großen Rati, des Kantons zu wenden hätten.

Kurz, nachdem der Regierungsrath sowol die von

ihm verlangten Aktenfiüke übermittelt, als auch einige

ziemlich wichtige Erläuterungen über die Umstände, welche das Dekret vom 16. Inni herbei geführt und uber den Geist, der es diktirte, gegeben hat, beharrt fr darauf, die Bundeskompetenz als noch nicht bestimmt zu bestreiten, und das Eingehen auf die Materie über die Wahrheit und das Zureichende der Thatsachen, welche fein gedachtes Dekret motivirt haben, zu verSiveigern.

7) Diese Beharrlichfeit der Regierung von Bern, sine Kompetenz, die positiv erklärt worden ist, in Frage p stellen und auf vollständige und genügende Weife [ich zu weigern, den wiederholten Einladungen der BundesHjehörde nachzukommen, würde allein für diese hinreichen, Mm weiter gehend einen Beschluß der Bnndesverfamm!ung zu motiviren, welcher die Aufhebung des Dekrets vom 16. Juni 1852 ausgesprochen hat. Allein in Betracht der Wichtigkeit diefer Frage, bei der es fich um einen Grundfaj und einen wichtigen Vorgang handelt, liegt es der Bundesbehörde daran, zu zeigen, daß sie die Vernunft Mnd das Recht fo gut wie die Gewalt auf ihrer Seite hat.

Ueberdieß weist die bernische Regierung die Bumdeskompetenz nicht absolut zurük. Sie läßt fie bezüglich folgender Fragen zu: 1) ob die bernische Behörde, welche Sie Maßregel angeordnet hat, im kantonalen Geschäftsïreis kompetent war; 2) ob das Dekret vorn 16. Juni dnen Staatsvertrag verlejt habe; 3) bis auf einen gewissen Punkt, .ob sie ein verfassungsmäßiges Recht verlezt habe; 4) Bern überläßt es ebenfalls dem Bunde,

455

den Werth welches es demfelben grage der verfassung

der Grunde des Nichteintretens abzuwägen, den Beschwerdeführern im Kanton und außer entgegen seztj 5) endlich bleibt noch die Anwendbarkeit des Artikels 41 der Bundesauf Schweizer, die nicht förmlich angesessen

lind.

8) Da die beiden Kategorien der Petitionen, diejenigen, welche zuerst an den Bundesrath und diejeni* gen, welche später an die Bundesversammlung gelangten, den gleichen Gegenstand enthalten, nämlich das bernische Dekret vom 16. Iuni 1852, sowol bezüglich der Auf* .hebung des Grütlivereins, als auch der Ausweifung ber schweizerischen, nicht förmlich niedergelassenen Mit* Glieder dieses Vereins, so müssen sie in dem gegenwärtigen Bericht und Gutachten vereint behandelt werden, »eil die Entscheidung, welche die Bundesversammlung fassen wird, beid'e betrifft.

II. xhcil.

Untersuchung der Fragen.

Die grage«, p deren Untersuchung uns die Befchwerdra der Petenten .und die drei Antworten des Regierungsraths des Kcntons Bern auffordern, frnd folgende: I. Die Bundeskompetenz. (Sinn und Tragweite des

Beschlusses vom 30. Iuli 1853.)

II. Einwendungen und Ablehnungsgründe.

IH. Materie des Dekrets vom 16. Iuni 1852.

A. Aufhebung des Grütlivereins.

456

B. Befehl zur Ausweisung aus dem Kanton Bern der nichtbernifchen Schweizer, die SD.itglieder des Vereine und nich! förmlich niedergelassen find,

IV. Schluß.

I. ...Kompetenz.

Es handelt fich nicht darum, auf die von der -.Sundesversammlung durch ihren Beschluß vom 30. Iuli 1853 erledigte Frage zurük zu kommen, sondern zu zeigen, welches der Sinn dieser Erledigung im Gegenfaz zur Meinung des Regierungsrathes des Kantons Bern ist, der sagt, daß dieser Beschluß keineswegs e n t s c h i e d e n habe, in welcher Beziehung das kantonale Dekret vom 16. Inni 1852 in die Kompetenz der Bundesbehörden fallen solle, und daß die Kompetenzfrage noch die gleiche sei wie vorher.

Da man wirklich nicht die Kompetenz des Bundes überhaupt, sondern nur den Umfang derselben bestritten habe, wie der Regierungsrath bemerkt, fo würde der Beschtuß vom 30. Iuli 1853 ein Unfinn fein, wenn er nicht über den Gegenstand des Streites selbst, welcher der Bundesversammlung unterworfen worden, entschieden hätte.

In der Thal ist der Beschluß vom 30. Iuli weder in u n b e s t i m m t e r Weise, noch über einen schlecht definirten Streitsaz gefaßt worden, sondern, wie der Erwägungsgrund anzeigt, ,,nach Einficht des ihr (der Bunde.Sversammlung) unterm 13. Iuli 1853 vom schweijcrifchcn B u n d e s r a t h e erstatteten B e r i c h t s , betreffend die Beschwerden des ©rütlivereins, so wie der ü b r i g e n auf diese Angelegenheit bezüglichen Aktcnstüke." Diese

457 übrigen Aktenstüke find die B e s c h w e r d e n und die z w e i a m t l i c h e n S c h r e i b e n des Regierungsrathes de.H Kantons Bern vom 27. Juli und 9. August 1852, so wie der Bericht der K o m m i s s i o n der ...Sundesverfammlung, womit man noch die V e r h a n d l u n g übet den Entwurf des Beschlusses verbinden muß. Welches »ar nun die der Bundesbehörde durch den RegieTungsrath des Kantons Bern bestrittene Kompetenz ?

Gerade diese: 1) von der bernischen Kantonalbehörde Rechenschaft über die M o t i v e ihres Dekretes vorn 16. Iuni 1852 zu verlangen ; 2) diese Motive und dra Inhalt des genannten Dekrets überhaupt zu unterfuchen; 3) über das Zureichende oder Unzureichende dieser Motive zu entscheiden, oder mit andern Worten, zu entscheiden, ob da.!.-. Dekret eine Verlezung des Vereinsrechts innerIjalb der Schränken des Art. 46 der Bundesverfassung and des Art. 78 der Kantonsverfassung enthält oder Micht, und folglich, wenn die Klagen der Petenten be# ·gründet gefunden würden, dasselbe aufzuheben; fall-?

aber diese Klagen unbegründet oder unzureichend ..»ären, dasselbe fortbestehen zu lassen. Indem der Regierungs* Tath dem Art. 3 der Bundesverfassung einen Sinn gibt, den er nicht hat und nicht haben kann, ohne die ganze Kompetenz des Bundes zu vernichten und alle dem Volke und den Bürgern durch die gleiche Verfassung gewährleisteten Rechte illuforifch zu machen, bestritt er diefe.

Kompetenzen, welche nur eine bilden, und stüzte sic|> ....arauf, um das Eingehen auf die Moti»e feines Dekrete,, oder in die Beschwerden der Petenten zu verweigern, und folglich auch der Bundesbehörde die Akten bezüglich dieser Angelegenheit zu übermitteln. Gibt es da eine konkretere, eine bestimmtere Frage der -.Sundesversamm* lung zu unterwerfen?

Bnndesblait. Iahrg. VL Bd. I.

37

458 Wolan, der Umfang der Kompetenz, welchen der bernische Regierungsrath durch die Schreiben vom 27. Iuli und 9. Angust der Bundesbehörde bestreitet, ist von diesen Behörden durch den von der Versammlung am 30. Iuli 1853 gefaßten Befchluß anerkannt werden. Dieses eben ist erklärt worden, weil es derjenige Umfang ist, der den Gegenstand der Bestreitung in den verschiedenen Aktenstuken des Konflikts bildet, welcher der Entfcheidung der Bundesversammlung unterworfen worden ist. Auch ftellt das Difpofitiv des Dekrets fest, daß die Bundesbehörden kompetent feien, in die b e i d e n B e f c h w e r d e n , von welchen die eine die A u f h e b u n g der Sektionen des Grütlivereins, die andere die W e g w e i s u n g der Mitglieder, welche es betrifft, einzutreten. Um in die ...Sefchwerdepunkie einzugehen, muß man sie unterfuchen, das heißt, man muß sehen, ob die ..Ehatfachen, welche das angefochtene Dekret motivirt baben, wahr und zureichend |eien, um darnach zu entscheiden; und um Dieses îhun zu können, mußte die Regierung von Bern zur ··Srklärung eingeladen werden; und fie ist dazu gehalten, wenn fie nicht die aus dieser Weigerung möglichen Fclgen tragen will.

Die bernifche Regierung hat dieses bis auf einen gewissen Grad gefühlt, weil sie den Beschluß durch ihr Schreiben vom 16. November 1853 theilweise ausführte; erstlich, daß sie die von ihr verlangten Aktenstüke eingesendet, dann einige Erläuterungen über die Gründe, welche fie zu dem Erlasse des Dekretes bewegen, gegeben .und endlich Beweise zur Unterstüzung des vierten Motîivs des Dekrets beigebracht hat.

Indem die Regierung von Bern auf diefe Art theil»eise vollzog, hat fie im Wesentlichen die Kompetenz, welche fie noch immer in ihrem Berichte vom 16. No-

459 aember bestreitet, anerkannt. Wurde die Weigerung, loie verlangten Aktenstüke 1852 zu übermitteln, nicht als eine natürliche Konsequenz der Weigerung, in die MaSerie über die Motive des Dekrets einzugehen, dargestellt ? Ia, dieses liest man in dem drittlezten Alinea des Schreibens vom 9. August 1852, und in der That war diefes fehr logisch. Nun hat der Regierungsrath, indem er die Aktenstüke, deren Mittheilung er vor dem Beschlüsse vom 30. Iuli verweigerte, übersandte, die Konsequenz aufgegeben, welche er anfänglich aus der Weigerung, fich zu erklären, folgerte; da es aber weder eine Konfequenz ohne Prinzip, noch ein Prinzip j.)hne Konfcquenz gibt, so muß die Weigerung, in die Moiive de.! Dekrets vom 16. Inni einzutreten, mit der Weigerung, die Aktenstüke, welche davon unzertrennlich find, einzusenden, dahinsallen.

Dejjhalb hat der Regierungsrath in seinem Berichte vom 16. November Erläuterungen gegeben, welche viel £icht auf den Geist werfen, aus welchem fein Dekret .hervorgegangen ist, nämlich : daß diese Verhandlung im Zusammenhange mit der durch die Abberufungsfrage verantaßten Agitation stehe, und daß er von der An# sich* ausging, das Fortbestehen des Grütlivereins set unverträglich mit demjenigen der bernischen Regierung.

Endlich ist die Mühe, welche sich der Regierungrath·,, gibt, das vierte Motiv seines Dekrets zu rechtfertigen, nicht weniger ein tatsächliches Eingehen, das er im Prinzip in Abrede stellt.

· Warum nun nach all' diesem auf halbem Wege stehen .-..leiben? Warum nicht das Zureichende der Thatfachen, auf welche das durch die Beschwerdeführer angegriffene: Dekret motivirt ward, nicht aller Welt zu zeigen?

Wir wollen uns bei den Erörterungen des Regier rungsrathes, um die Bundesinkompetenz bezüglich der Materie, um welche es fich handelt, herzustellen, nicht aufhalten, weil diese Deduktion bereits in unserm Berichte vom 13. Iuli 1853, in demjenigen der Kommission der Bundesversammlung und in der Verhandlung widerlegt worden ist, und der Beschluß vom 30. Iuli in einem der bernischen Regierung entgegengesezten Sinne die grage gelöst hat. Aber eine Interpellation können wir nicht unbeantwortet lassen. ,,Wir fragen," sagt der Regierungsrath in seinem Berichte vom 16. November, ,,wenn die Polizeigewali der Kantone in Vereinssachen beschränkt wäre durch eine fie überragende Bundesgewalt, so dürfte diese in den Kantonen nur Vereine erhalten, welche fie aufheben möchten ; oder soll ihm auch die Befugniß zukommen, im Widerspruch mit den Kantonen, Vereine, welche sie schüzen möchten, aufzulösen?" Das erfiere wäre eine offenbare Inkonsequenz, das leztere aber dürfte wenigstens diejenigen, welche die Kompetenz des Bundes aus dem ©efichtspunît einer Garantie für größere Freiheit verfechte«, zu ernstem ·Nachdenken bestimmen." Es ist leicht, fich nicht in dieses ...Dilemma einschließen zu lassen. Denn es handelt fich nicht um die Frage zu wissen, ob der Bund oder ein Kanton wünsche, einen Verein erhalten oder aufgelöst ju sehen, sondern darum, ,,ob in dem Zweke eines solchen Vereins oder in den dafür bestimmten Mitteln etwas .Rechtswidriges oder Staatsgefährliches sei." (Art. 46 der Bundesverfassung.) Aus diesem Grunde wirb der Bund Vereine aufrecht erhalten, welche diesen Charakter nicht .haben, und wird durch verfassungsgemäße und gesezliche ysiittd solche auflosen, welche etwas Rechtswidriges oder ·Staatscjefährliches enthalten, ohne sich darum zu be#

461 fümmern, ob dieselben für oder gegen die kantonale oder Bundesregierung find ; er wird feine Unterstüzung solchen Vereinen, gegen welche er eine Antipathie hat, eben so gut gewähren als solchen, für welche er einige Sympathie hegen könnte, so wie er die Auflösung eben sowol solcher Vereine, welche sich auf ihn stüzen, als solcher, welche ihm entgegen sein werden, zugeben oder herbeiführen wird ; stets je nachdem dabei die Verfassung und die Geseze in Anwendung kommen werden. Gewiß, wenn die Erhaltung oder die Unterdrükung der Vereine von ihren politischen Farben, von den Sympathien oder Antipathien der Bundes- oder Kantonsregierungen abhängen follten, fo wäre es besser, den Art. 46 der Bundesverfassung und diejenigen der Kantonsverfassun* gen, welche das Vereinsrecht gewährleisten, auszustreiche«, weil man alsdann im Reinen wäre.

Aber die Voraussezungen der bernischen Regierung werden dnrch nichts gerechtfertigt; und um zu zeigen, wie fehr ihre Befürchtigungen übertrieben sind, verweifen wir auf unfern angeführttn Bericht »om 13. Iuli 1853, aus welchem auf eine unwiderlegbare Art hervorgeht, daß bei der Natur der Bundeseinrichtungen selbst und &ei der Menge der täglich anwachsenden Geschäfte die Zentralbehörde nur in seltenen und flagranten Fällen einschreiten und die kantonalen Polizeimaßregeln nur dann aufheben wird, wenn die Verfassungswidrigkeit der Maß.regel hinlänglich hergestellt ist, oder wenn eine Kantons* regierung sich weigert, die von der Behörde, welche die gewahrleisteten Rechte zu überwachen hat, verlangten, ·Erläuterungen zu geben.

462 II. Einwendungen nnd Abweisnngsgtûnde.

Der Regierungsrath des Kantons Bern fezt dm Beschwerdeführern folgende Einwendungen und Abweisungsgründe entgegen, die wir nach einander anführra und prüfen wollen.

A.

Tle4)t8niifnl)tghfit.

,,Da die Beschwerde des Zcntralkomite des Grütlivereine und diejenige der Sektion von Murten lediglich von dem Präfidentrn und Sekretär Namens des Komite und der betreffenden Sektion unterschrieben sei, so enthebe dieser Umstand allein schon den Regierungsrath des Eingehens auf diese Beschwerde; denn weder der allgemeine Grütliverein, noch der Sektionsverein von Murten hätten einen öffentlichen Charakter; nur öffentlich anerkannte Vereine aber besäßen das Recht korporativer Geltung." (Schreiben des bern. Regierungsrathes vom

9. August 1852.)

Aber der Schluß, welchen der Regierungsrath aus dieser Art zu unterschreiben folgert, kann keineswegs daraus hergeleitet werden.

Man mu§ zwischen Korporationen und Vereinen einen Unterfchied machen.

Das, was die K o r p o r a t i o n e n charakterifirt, ist-,, .daß sie als eine Körperschaft bestehen und handeln, und daß die Individuen gewissermaßen vor der Gemeinschaft »erfchwinden, welche in dieser Eigenschaft allein Rechte hat. Da eine Korporation eine ö f f e n t l i c h e Insti-tution ist, so kann fie nicht eristiren und handeln, ohne vom Staate anerkannt worden zu fein. Gemeinden, Bürgerschoften, Zünfte, Spitäler, religiöse Anstalten sind Korporationen. Die Regierung kann ihnen dm kor·jsoratiöen Charakter eben so gut entziehen als ve-*

463 leihen, so wie sie ihnen gewisse Lasten und andere Be*dingungen bei der Anerkennung auferlegen darf.

Die V e r e i n e dagegen find keineswegs Körperschaften, sondern Verbindungen von Bürgern, sie seien versammelt oder nicht, welche fich einen gleichen Zwei vorgesezt haben. Sie find keine öffentlichen Institutionen, welche mehr oder weniger direkt von der Behörde ablangen, sondern frei gebildete Gefellfchaften.

Sie laben für ihre Geltung keine Anerkennung der Regierung nothwendig, gerade deßwegen, weil sie keine korpo- · Tative Bedeutung haben ; ihre Geltung ist vielmehr kollektiv ; denn fie handeln eben fowol kollektiv durch ihre Vorsteher oder Vertreter, wie individuell durch die Bürger, welche an denfelben Theil nehmen. Diefe follekt i v e Thätigkeit ist von der k o r p o r a t i v e n sehr verschieden ; die erstere ist diejenige der Vorsteher oder Vertreter des Vereins, Namens der an demselben theilnehmenden Individuen, während die leztere eine Tha'tigïeit der Organe der Institution Namens der Körperschaft ist.

Mit andern Worten, eine Korporation ist eine Gesellschaft, welche der Berechtigung der Regierung bedarf; ein Verein ist eine freie Gefellfchaft.

Das Zentralkomite des (Srütlivereins und der Prä* ·jtdent und Sekretär der, Sektion von Murten haben demnach nicht k o r p o r a t i v , sondern k o l l e k t i v gehandelt.

Nun schreibt weder der Art. 46 der Bundesverfassung, noch der Art. 78 der Kantonsverfassung von Bern vor, daß ein Verein durch die öffentliche Behörde anerkannt fein müsse, um das Recht zu genießen, kollekti» .oder" individuell zu handeln. Wenn eine solche Anerken«ung nothwendig wäre, so hätten diese Artikel keinen Sinn.

In der That ist es sowol durch seine Abfassung als auch durch die Zufammenhaltung mit den andern Artikeln evident, daß der Art. 46 die freie M e i n u n g s ä u ß e r u n g durch den Weg des Vereins garantirt, wie der Art. 45 dieselbe durch den Weg der Presse, und Art. 47 durch denselben der Petitionen ge»ährleisten. Obgleich diese Garantien das ganze Gebiet des Gedankens umsassen, so hatte die Verfassung doch ganz besonders die politische Meinung im Auge, weil ihr freier Ausdruk unmittelbarer die Ausübung derr politischen Rechte, das öffentliche Leben und die AufrechtSpaltung der Verfassung selbst berührt.

B.

.Mangel an Uiglonbiguitg.

Das bernische Schreiben vom 9. August 1852 fährt folgendermaßen fort: ,,Dazu kömmt, daß die Unterfchriftra beider Eingaben jeder Beglaubigung entbehren, so daß weder erfichtlich ist, ob dieselben überhaupt ächt, noch viel weniger, ob die Genannten wirklich Vorsteher der frag* lichen Vereine find. Diefen leztern Mangel theilen auch sämmtliche übrige Eingaben. Sie rühren zwar von Privaten, angeblichen Mitgliedern verschiedener Grütlivereine her und unterliegen in so fern dem ersten Einwurfe des Mangels der Rechtsfähigkeit nicht; allein fie find ebenfalls unbeglaubigt, lassen also wie die Aechtheit ber Unterschriften, so auch die .Qualifikation der Betref.* fenden als Glieder des Grütlivereins in Zweifel."

Da der Art. 47 der Bundesverfassung keineswegs fordert, daß die Petitionen vidimirt oder beglaubiget feien, so hat die Regierung von Bern kein Recht, deßhalb über die gegen ihr Dekret vom 16. Iuni gerichteten Klagen Einwendungen zu machen.

465

Kein anderes Recht ifl aus eine so absolute und unbeschränkte Weise durch die Bundesverfassung (Art. 47) und die bernische Staatsverfassung (Art. 77) gewährleistet worden, als das Petitionsrecht. Die freie Ausibung des Gottesdienstes, die Preßfreiheit, das Ver* dnsrecht, die freie Niederlassung, die politische und bürgerliche Gleichheit, die Freiheit des Handels find nur innerhalb gewisser Schranken und unter gewissem Vorbehalt, unter andern demjenigen gejezlicher Bestimmungen zur Regelung des Gebrauchs und zur Unterdrükung des Mißbrauchs garantirt. Aber die Bundesverfassung und ..nejenige des Kantons Bern sagt einfach und klar: das | ) e t i t i o n s r e c h t ist g e w ä h r l e i s t e t . Dieses Recht Ist unbeschränkt und ohne irgend eine Ausnahme. Dieses versteht sich. Das Recht sich zu beschweren, zu bitten oder zu verlangen, faßt nicht in fich, daß die Behörde den Befchwerden und Bitten der Petenten entsprechen soll, wenn fie unbegründet oder übertrieben gefunden werden. ..Das Petitionsrecht sezt voraus, daß die Behörde die Klagen und Bitten untersuche und würdige, so daß Mißbrauch wenig zu fürchten iji. Außerdem verhindert die Behörden, an welche man fich wendet, nichts, die Unterschriften., die Anzahl der Unterzeichner, wenn man Zweifel hegt, zu verifiziren und selbst die Urheber von Zwang oder Betrug, oder von andern unerlaubten Mitteln, welche angeïoendet werden konnten, um die Bittsteller einzuschüchtern oder irre zu führen, in Untersuchung zu ziehen und bellrafen zu lassen. Dieses beschlägt das gemeine Recht.

Aber weder ein Verein, noch ein Bürger kann in der Ausübung des Petitionsrechts durch Prävmtivmittel, «nd eben fo wenig durch andere Maßregeln befchränkt werden. Es geschieht dieses gerade, um nicht den Zu%itt bei der Behörde dem Armen, dem Schwachen, dent

466 Unterdrükten zu verfchließen, daß die Bundesverfassung die Beglaubigung der Unterfchriften unter den Petiticnm nicht verlangt; denn diefe Formalitäten find öfters außer toem Vermögen der Bürger, oder könnten diefelben ein.« schüchtern oder hemmen.

Ohne Zweifel, wenn es sich um einen Eivilvertrag oder um ein vor dem Gerichte zu produzirendes Akten|tük handelt, um ein Recht zu behaupten oder ein Urthei!

·zu begründen, verlangt das Gefez oder der Richter, oder |te können es verlangen, daß der Akt vor einem öffentlichen Beamten ausgefertigt, oder daß die UnterschrifteK .beglaubigt nJorden seien; dann ist man auf gericht* lichem Boden; aber auf demjenigen des öffentlichere Sebens, wo es fich einfach um Petitionen, befonder....

politischen Inhalts handelt, bieten die öffentliche Notorietät und die so leicht auszuübende Kontrole genügende Garantie dar.

C.

.Htong.el iti Befugnis.

,,Noch auffallender istes, daß sämmtliche an den Natio* nalrath gerichtete nnd im Namen dieser hohen Behörde am 12. und 16. Iuli "an uns überwiesenc Beschwerden von Vereinen oder Personen herrühren, die dem K a n t o n B e r n f r e m d find, und welche somit der Beschluß des Regierungsrathes »on Bern vom 16. Juni 1852 gar n i c h t b e r ü h r t . " Diefes Umstandes wegen wendet der Regiernngsrath in seinem Schreiben ein: " d a ß feie Regierung des Kantons B ern'jedenfalls sich ü b e r e i n e n A k t k a n t o n a l e r V e r w a l t u n g .nicht z u v e r a n t w o r t e n h a b e , V e r e i n e n u n d privaten gegenüber, welche dem K a n t o oe f r e m d find."

Die Bemerkungen, welche fo eben über den absolute»

467 und unbeschränkten Charakter des Petitionsrechts gemacht worden find, finden ihre volle Anwendung auf diefen dritten Ablehnungsgrund der bernifchen Regierung.

'Wir fügen hier bei, daß das Petitionsrecht allen Schweizern ohne Unterschied durch den Art. 47 der Bundesverfassung garantirt ist; noch mehr, daß bei Ermanglung jeder Befchränkung und jedes Vorbehalts in der Abfassung des Artikels, das Petitionsrecht implicite jedermann, selbst den Fremden in der Schweiz garantirt ist, weil jeder sich zu beklagen oder seine Meinung aussprechen zu können das Recht haben soll. Es gibt einen sehr einsachen Grund, dieses Recht allen Schweizern, selbst in Bezug auf Maßregeln, die in einem Kantone genommen worden, dessen Angehörige sie nicht find und in welchem sie nicht wohnen, zu gewährleisten; weil nämlich alle großen nationalen Interessen, alle durch die Bundesverfassung garantirten Rechte allen Schweizern gemeinsam find, welchem Kanton sie auch angehören, und wo fie fich befinden mögen. Es find nicht mehr die Kantone, die unter fich als S t ä n d e verbündet find, sondern die V ö l k e r s c h a f t e n der zwei und zwanzig fouveränen Kantone der Schweiz find zu einer Eidgenossenschaft durch den neuen Bund vereiniget; einer der Zweke dieses Bundes ist Schuz der Freiheit und der Rechte der Eidgenossen ; der Bund garantirt die Rechte des Volkes und die verfassungsmäßigen Rechte der Bürger eben so gut, als die Souöeränetät der Kantone mit den den Behörden übertragenen Rechten und Befugnissen; jeder Bürger eines Kantons ist Schweizerbürger und kann fich in allen andern Kantonen niederlassen, so wie die politischen Rechte überall, wo er ans vaterländischem Boden wohnt, ausüben; die Bürger der verschiedenen Kantone find demnach einander gegenüber keine grem-

den mehr, fondern gleich betheiligt, daß die durch die Bun# desverfassung gewährleisteten Rechte in allen Kantonen«, mögen fie in denselben wohnen oder nicht, um des P r i n z i p s w i l l e n geachtet werden, von dem fie Gebrauch machen zu müssen in den gali kommen können.

Also hat jeder Schweizer, sei er Mitglied des Grütlivereine oder nicht, wo er auch wohne, das Recht, bei der kompetenten Behörde gegen das bernischc Dekret vom 16. Inni Beschwerde zu führen. Es ist daher nicht a u f f a l l e n d , sondern ganz natürlich, daß die Mitglieder des Grütlivereins ihre Stimme gegen die Auflöfung der acht Sektionen im Kanton Bern, so wie gegen die Ausweisung der nichtbernifchen Mitglieder des Vereins, die einfach im Kanton wohnhaft find, erhoben haben. Wenn nach dem Regierungsrathe eine Solidarität zwischen der Sektion von Thun und den andern bernifchen Sektionen besteht, wegen der Einheit des Grütlivereins, so dehnt fich diese Solidarität nicht weniger zwischen den bernischen Sektionen und denjenigen anderer .Kantone aus.

D. ïlitûnftiiniituh.'it der Spracht.

,,Wir bedauern, daß die hohe Buudesbehörde nicht für angemessen gefunden hat, die Eingaben, bevor fie denselben Folge gab, einer wenigstens vorläufigen Prüfung zu unterwerfen; denn wir dürfen versichert sein, daß in diesem Falle ihre Ueberweifnng unterblieben wäre, weil die meisten derselben keineswegs in geziemendem Tone, eine sogar, diejenige des angeblichen Zentralkornite des Grütlivereins, so verlezend und unanständig abgefaßt ist, daß wir ihre Ueberweisung für beleidigend halten müßten, hätte die hohe Bundesbehörde davon Kenntnif.. gehabt."

Aus diesem Grunde und den vorhergehenden, drüfr der Regierungsrath die eben so gerechte als sichere ErWartung aus, "daß ohne Weiters über die an den Nationalrath gerichteten Eingaben zur Tagesordnung geschritten werde."

Wenn man auch die Schreibart einiger Petitionen nur tadeln fann, weil die Behörde, vornehmlich da. fie aus der Volkswahl hervorgegangen ist, von Allen ge# achtet werden muß, so genûqt diese Mißachtung nicht, um die ..Eagesordnung über alle Petitionen o h n e Unterschied zu begründen.

Da überdieß einige der Beschwerden keinen Anlaß zu einem Vorwurfe wegen Mangel an Achtung geben, so würde die Tagesordnung über die andern die Bundesversammlung nicht entbinden, in die Materie einzugehen, falls dieselbe fich nicht durch einige Einwürfe bezüglich der Form, die oben geprüft worden find, aufhalten lassen Würde. Diefe Bemerkung ist auch auf den Ablehnungsgrund, welcher aus der vorgeblichen Rechtsunfähigkeit

geschöpft wird, anwendbar. (Siehe u. A.)

Die Versammlung kann die Einwendungen der bernischen Regierung bezüglich der Sprache der Petenten berülfichtigen, indem sie über die in einer beleidigenden Sprache abgefaßten Petitionen zur Tagesordnung geht.,.

E.

Umliiufì$t Htbertorifung an den <&*0$m Ucth des frantone Uern.

Ueher diefeu Gegenstand drükt fich der Regierungsïath in seinem ersten Schreiben vom 27. Iuli 1852 fol.« gendermaßen aus:

,,Was den Vorwurf der Verlezung der eigenen Kau.« ionsverfassung betrifft, fo haben wir vor der Hand noch weniger darauf einzugehen. Wir befireiten der Bundes-*

470 gewalt die Befiigniß nicht, die Gefezmäfjigkeit der Kantonsverwaltungen, vom Gefichtspunkte der eigenen Verfassungen aus, zu kontroliren. Allein vor Allem sind Klagen solcher Art vor die zuständigen Organe der Kantone zu bringen, und erst, wenn hier die ganze Stufenfolge übergeordneter Behörden durchschritten worden ist, ohne daß der Klage Rechnung getragen wurde, mag in lezter Instanz der Bund angerufen werden. Nun ist die in Frage stehende Verfügung bloß vom Regierungsrathe ausgegangen, dessen gefammte Verwaltung nach §. 27 H. der Staatsverfassung vom 13. Iuli 1846 der Oberaufsicht des G r o ß e n R a t h e s unterliegt. Bevor demnach auf die, eine Verlezung der Kantonscerfassung voraussezenden -.Beschwerden eingetreten werden kann, werden dieselben jedenfalls zuerst an diese Behörde gewiesen werden müssen, wenn der Bundesrath, (die Bundesverfarnmlung) nicht für passender erachtet, sie überhaupt von der Hand zu weifen, und zwar um fo mehr, da das Gesez über die Verantwortlichkeit der öffentlichen Behörden und Beamten d. d. 19. Mai 1851 ausdrüklich bestimmt: ""Beschwerden gegen den Regiernngsrath find an den G r o ß e n R a t h zu weisen.""

Diese Bemerkung hat ihre richtige Seite, in so weit sie auf Befchwerden gegen untere, fantonale, administrative oder gerichtliche Behörden angewendet wird, aber es ist ein großer Unterschied, fobald es sich um höhere Behörden, wie der Regierungsrath oder das Obergericht handelt. In der That, wenn die Klage gegen eine untere Behörde gerichtet wird, ist es wahrfcheinlich, daß die obere Vollziehungs- oder Gerichtsbehörde der Be* schwerde Recht widerfahren läßt, und fo einen Rekurs an die Bundesbehörde verhütet. Bei einer andern Ver#

<*

47t.

fahrungsweise würde die Zentralgewalt bald mit Reklantationen jeder Art überhäuft werden, welche dem Gange der Gefchäfte schaden würden und fie der Gefahr, Eingriffe zu machen, aussezen könnten. Aber sobald die Beschwerden gegen ..Sntscheidungen der genommenen Maßfegeln -der höhern Kantonsbehörfcen gerichtet find, mag diese Behörde eine gesezgebende, vollziehende oder richterliche fein, so ist man vor einer höhern kantonalen In# ·stanz in der bezüglichen Sphäre, und es genügt, daß feiefe Behörde angehört wird, um die Beschwerde zurük»eisen zu können, oder ihr abzuhelfen, wenn sie er* îennt, daß sie da einen Irrthum begangen hat. Diefes ist um so richtiger, da der Bund mit den Kantonen durch das Organ des Bundesrathes korrespondirt, in* bem dieser sich an die Regierungs- oder Staatsräthe »endet. Wenn die kantonale Exekutivgewalt dafür hält, baß nach der Verfassung und den Gesezen des Kantong feie Maßregel, über welche man fich beschwert, an den Großen Rath .zu bringen fei, ehe die Bundesbehörde über die Beschwerde entscheidet, so ist es an diefer Voll* jiehungsbehörde, den Großen Rath einfchreiten zu lassen, da die Mittheilung der Klage an fie gelangte. Die .Bundesbehörde muß den Beschwerdeführern eine Ent(cheidung über das Wesentliche ihrer Klage geben, ohne fie an den Großen Rath des Kantons zu weifen; diefes $ängt mit dem Petitionsrechte zusammen und entspringt, auch aus dem Art. 90, Ziffer 2 der Bundesverfassung, Welcher bestimmt, daß der Bundesrath ,, zur Handhabung der Verfassung je. von sich aus oder auf eingegangene Beschwerde die erforderlichen Verfügungen treffe." Diese Verfügungen find entweder fufpenfiv oder entscheidend.., End wenn der Bundesrath diese unerläßliche Besugniß |at, um wie viel mehr gehört fie der Bundesverfamm--

472 lung an, an welche sich die Kantone und Bürger theils direkte, theils indirekte wenden, oder gegen Entscheidungen und Verfügungen, die von dem Bundesrathe getroffen worden find, reklamiren können. (Bundesverfassung

Art. 74, Ziffer 8 und 15.)

Diefe Verfahrungsart ist auf vorliegenden Fall um so anwendbarer, da durch die urfprüngliche Weigerung des Regierungsrathes, die Akten zu übersenden und auf die Materie seines Dekretes einzugehen, so wie in Folge seiner Einwendung der Inkompetenz, was den Bundesrath îiothigte, den Konflikt vor die Bundesversammlung zu brin* gen, viele Zeit hingegangen ist, ohne diejenige in Rechnung zu bringen, welche die Behandlung dieser verwikelten und mehrere Fragen aufwerfenden Angelegenheit nothwendig machte. Andererseits ist die Beharrlichkeit des Regierungsrathes, die Bundeskompetenz in Zweifel zu ziehen und fich zu weigern, über die Wahrheit und das Zureichende der Thatsachen, welche das Dekret vorn 16. Iuni motivirten, fich zu erklären, im Widerspruche mü dem von der Bundesversammlung gefaßten Befchluß vom 30. Iuli lezthin, wenig geeignet, eine neue Zuniï* fendung zu rechtfertigen.

Darum gibt der Bundesrath das Gutachten ab, fich bei dieser fünften Einwendung des bernischen RegierungsTathes so wenig mehr aufzuhalten, als bei den vier vor* -hergehenden.

(Die gortsezwng folgt in der nächsten Nummer).»

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Bericht und Gutachten des Bundesrathes an die hohe schweizerische Bundesversammlung, betreffend das bernische Dekret bezüglich des Grütlivereins (Vom 28. Januar 1854.)

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11.02.1854

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441-472

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