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Bundesblatt

Bern, den 12. August 1965

117. Jahrgang

Band II

Nr. 32 Erscheint wöchentlich. Preis Fr. 33.- im Jahr, Fr. 18.- im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postzustellungsgebühr

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Erhöhung des Zollzuschlages auf Treibstoffen zur Finanzierung der Nationalstrassen # S T #

(Vom l O.August 1965) Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen den nachstehenden Bericht betreffend die Erhöhung des Zollzuschlages auf Treibstoffen zur Finanzierung der Nationalstrassen zu erstatten, die wir auf Grund von Artikel 5 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959 über den schweizerischen Zolltarif (Zolltarifgesetz; AS 1959, 1343) angeordnet haben.

Am 19. März 1965 haben Sie den Bundesbeschluss über die Finanzierung der Nationalstrassen erlassen, durch den der Zollzuschlag auf Treibstoffen für motorische Zwecke von 7 auf 12 Rappen je Liter erhöht wird. Dieser Beschluss unterlag dem Referendum (Art, 6, Abs.2); die Referendumsfrist lief am 23, Juni 1965 ab (BEI 1965,1,774). Der Bundesbeschluss hätte demnach frühestens auf Anfang Juli in Kraft gesetzt werden können. Es war ausgeschlossen, den Beschluss mit rückwirkender Kraft zu versehen und damit die vor diesem Datum eingeführten und verzollten Treibstoffmengen dem höhern Zollzuschlag zu unterwerfen. Da die Preisfestsetzung bei Treibstoffen keinen gesetzlichen Beschränkungen unterliegt, hätte die Möglichkeit bestanden, dass schon die blosse Tatsache der Inkraftsetzung der Erhöhung als Motiv gedient hätte, den neuen Zuschlag in den Verkaufspreis der Treibstoffe einzukalkulieren, selbst wenn es sich um Treibstoffe handelte, die noch vor der Inkraftsetzung des erhöhten Zollzuschlags zu den alten Ansätzen abgefertigt waren. Ein solches Vorgehen würde um so gewinnbringender sein, je grösser die Einfuhrmengen wären, die vor dem Inkrafttreten des Zollzuschlags noch zu den niedern Ansätzen verzollt und ah Vorräte, angelegt wurden.

Diese Möglichkeit ist bekanntlich bereits einmal ausgenützt worden, nämlich anlässlich der Einführung des ersten Zollzuschlags von 5 Rappen je Liter.

Damals wurde während der Referendumsfrist so viel Benzin und Dieselöl einBundtsblatt, 117. Jahrg. Bd.n.

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geführt, dass praktisch sämtliche Lager bei der Inkraftsetzung des Bundesbeschlusses vom 29.September 1961 am IS.Januar 1962 (AS 1962, 9) mit zuschlagsfreier Ware gefüllt waren. Vom Konsumenten forderte jedoch der Handel sofort den um 5 Rappen je Liter erhöhten Preis, trotzdem er während längerer Zeit noch die ohne Zollzuscblag abgefertigten Mengen umsetzte. Das gleiche galt für die zum Zwecke der Bildung der Pflichtlager vor dem 15. Januar 1962 unter Zwischenabfertigung eingelagerten Treibstoffe, die mit dem Zuschlag ebenfalls noch nicht belastet waren. So kam es, dass während der ersten drei Monate nach dem Inkrafttreten des Treibstoffzollzuschlages der Markt hauptsächlich mit Mengen beliefert wurde, die ohne Zollzuschlag eingeführt worden waren und in der Folge noch von Apri) bis Anfang Juli mit den genannten, ebenfalls zuschlagsfreien Vorräten aus Pflichtlagern, der Konsument aber sich von Anfang an mit dem Zollzuschlag belastet sah. Wegen der Voreindeckung des Handels mit verzollter Ware blieben während der gleichen Zeitspanne die verzollten Einfuhren von Treibstoffen erheblich unter dem normalen Stand, so dass die mit den Zollzuschlägen angestrebten Mehreinnahmen zugunsten des Nationalstrassenbaus zunächst ausblieben. Man begreift, dass dieser Ablauf, bei dem private Kreise eine dringliche staatliche Massnahme auf Monate hinaus illusorisch gemacht hatten, in der Öffentlichkeit heftige Kritik hervorgerufen hat. Die ganze Situation veranlasste die beiden beteiligten Departemente, nämlich das Departement des Innern und das Finanz- und Zolldepartement, an einer Pressekonferenz die Rechtslage zu erläutern, die die gerügte Entwicklung erlaubt hatte; sie stellten zugleich in Aussicht, anlässlich einer allfälligen künftigen Erhöhung des Zollzuschlages alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um eine Wiederholung des beschriebenen Geschehens und vorab um spekulative Gewinne zu verhindern.

Wenn damals nicht schon auf die in Artikel 5 des Zolltarifgesetzes gegebene Ermächtigung der vorzeitigen Inkraftsetzung des Zollzuschlags gegriffen wurde, so hatte dies verschiedene Gründe. Vor allem musste der heiklen politischen Lage Rechnung getragen werden, die mit der Ablehnung der ersten Vorlage über die Erhebung eines Zollzuschlags zur Finanzierung des Nationalstrassenbaus am S.März 1961 entstanden
war. Auch die zweite Botschaft des Bundesrates (BEI 1961,1,1390) stiess in verschiedenen Kreisen auf Widerstand, und es war selbst nach der Verabschiedung der Vorlage durch die eidgenössischen Räte in der Herbstsession 1961 keineswegs gewiss, dass nicht auch gegen sie das Referendum ergriffen würde. Die vorzeitige Inkraftsetzung hätte unter den damaligen Verhältnissen sogar das Referendum provozieren können. Damit wäre aber das Schicksal des Zollzuschlags nochmals gefährdet gewesen. Ein grundlegender Unterschied im Vergleich zur heutigen Lage war, dass damals noch keine gesetzliche Grundlage für die Erhebung eines Zollzuschlags bestand, dass somit bei einer Ablehnung auch der zweiten Vorlage nur der Zoll weiterbestanden hätte, während der dringend benötigte Zuschlag überhaupt in Frage gestellt gewesen wä) e. Bei dei jetzigen Regelung war indessen das Bestehen des Zuschlags an sich unbestritten ; es stand lediglich die Erhöhung zur Diskussion. Schliesslich glaubte damals der Bundesrat, mit einem gewissen loyalen Verhalten des Marktes rechnen zu können, was sich dann aber leider als zu optimistische Annahme erwies. Es

779 rnuss betont werden, dass die vermehrten Einfuhren nicht zum vornehcrein darauf schliessen liessen, dass die Importeure beabsichtigten, sofort nach Inkrafttreten des Zollzuschlags die Verkaufspreise zu erhöhen; es hätte sich ebenso gut darum handeln können, mit den angelegten Vorräten die Preise während einer gewissen Dauer noch niedrig zu halten, so dass sich die Einfuhren wenigstens zum Vorteil der Konsumenten ausgewirkt hätten.

Diese negativen Erfahrungen haben uns veranlasst, bereits bei der Erhöhung des Zuschlags auf 7 Rappen je Liter gemäss Beschluss vom 30. August 1963 die entsprechenden Folgerungen zu ziehen : Die Heraufsetzung erfolgte schlagartig, so dass zusätzliche Einfuhren nicht möglich waren ; für die auf Privatlager befindlichen Vorräte traf der Beschluss eine von den allgemeinen Bestimmungen des Zollgesetzes abweichende Regelung, die alle nach Inkrafttreten ausgelagerten Treibstoffe dem höheren Ansatz unterwarf.

Es ist verständlich, dass, als unser Antrag zu einem neuen Bundesbeschluss bekannt wurde, mit dem zur Finanzierung des Nationalstrassenbaus die Treibstoffzollzuschläge nochmals erhöht werden sollten, in der Öffentlichkeit, vor allem seitens der Automobil- und Strassenverkehrsverbände, die Forderung an den Bundesrat gestellt wurde, dass spekulative Gewinne auch in diesem Fall unbedingt verhindert werden müssten. Die gleichen Begehren wurden anlässlich der Behandlung der Vorlage in den Kommissionen und besonders im Nationalrat wiederholt (u.a. Voten Eggenberger, Grolimund, Dafflon; s. Sten. Bull. NR, Frühjahrssession 1965). Der Vorsteher des Finanz- und Zolldepartements gab hiezu im Nationalrat die folgende Zusicherung: «Pour liquider ce problème, je vous confirme que le Conseil fédéral a pris des mesures pour éviter la spéculation et qu'il les appliquera. S'il y avait des réactions négatives, il compte sur vous pour l'approuver. » Die Beobachtung der Treibstoffeinfuhren gestützt auf die Angaben der Handelsstatistik zeigte nun, dass diese, nachdem Ihr Beschluss vom 19. März 1965 ergangen war, hauptsächlich von der zweiten Hälfte April 1965 an über das übliche Mass hinaus zunahmen. Diese Entwicklung erhellt die folgende Tabelle (wobei zu berücksichtigen ist, dass die Osterfeiertage letztes Jahr in den Monat März, dieses Jahr in den April fielen) : Benzin

Januar Februar März April

Dieselöl

1964

1965

1964

1965

kg

kg

kg

kg

25906871 35510J96 32837333 40666098

54971687 40917600 59134786 58243143

80596625 834647J7 8477S915 116638400

84056020 84509023 113626901 120248603

In diesen Mengen sind die von der Raffinerie Collombey gelieferten und beim Verlassen der Raffinerie verzollten Treibstoffe nicht inbegriffen, wo zum Beispiel Benzin von 12 538 835 kg im April 1964 aufH 522 053 kg im April 1965 zugenommen hat. Gleichzeitig musste die Verwaltung vernehmen, dass zusätzlicher Tankraum in den Rherakähnen für die nächste Zukunft, also die Zeit vor Ablauf der Referendumsfrist, zum Transport von Treibstoffen reserviert worden war. Wenn auch von seilen der Importfirmen öffentlich die Zusicherung abgege-

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ben worden war, dass sie die Treibstoffpreise nicht erhöhen würden, solange die mit dem niedrigeren Zollzuschlag belasteten Vorräte ausreichten, so schien jetzt der Moment gekommen, die versprochenen Massnahmen zu ergreifen, um eine Wiederholung der Vorgänge von 1961/62 zu verhindern. Grundlage hiefür bot dem Bundesrat der Artikel 5, Absatz l des Zolltarifgesetzes. Durch diesen wird der Bundesrat ermächtigt, «die Erhöhung einzelner Ansätze des Generaltarifs, unter gleichzeitiger Vorlage eines Antrages zu einem entsprechenden Bundesbeschluss, von sich aus zu verfügen, wenn dies zur Gewährleistung des mit der Tariferhöhung verfolgten Zwecks unerlässlich ist». Nachdem tatsächlich die Erfahrungen der Jahre 1961/62 bereits den Beweis erbracht hatten, dass der Zweck der Erhöhung des Zollzuschlags, nämlich die Bereitstellung vermehrter Mittelf ür den Nationalstrassenbau, durch Grossimporte von Treibstoffen vor dem Inkraftsetzen der Erhöhung auf längere Zeit hinaus unwirksam gemacht werden kann und wird, konnte es keinen Zweifel darüber geben, dass die Voraussetzung für die Anwendung von Artikel 5 des Zolltarifgesetzes in bezug auf die in Frage stehende Zollerhöhung erfüllt war. Gestützt hierauf fassten wir am 30, April 1965 unsern Beschluss über die vorläufige Erhebung eines erhöhten Zollzuschlags auf Treibstoffen (AS 1965,415). Inhaltlich nimmt dieser Beschluss die Regelung vorweg, die anlässlich der Inkraftsetzung des Bundesbeschlusses vom 19. März 1965 zur Erhöhung des Zollzuschlags auf 12 Rappen getroffen wurde.

In rechtlicher Hinsicht ist noch folgendes zu bemerken : Der zitierte Artikel 5 des Zolltarifgesetzes sieht als Regelfall vor, dass der Bundesrat eine der Bundesversammlung beantragte Zollerhöhung, bei der die erwähnte Gefahr besteht, im Zeitpunkt der Antragstellung von sich aus verfügen kann. Wir legten diese zeitliche Bestimmung dahin aus, dass der Bundesrat seine vorsorgliche Massnahme frühestens mit einem entsprechenden Antrag an die Bundesversammlung ergreifen dürfe, dass es ihm aber nicht benommen sein könne, mit seinem Beschluss über diesen Zeitpunkt hinaus zuzuwarten. Angesichts der Umstrittenheit einer weiteren Zollzuschlagserhöhung haben wir es im vorliegenden ersten Anwendungsfall des genannten Artikels 5 als angezeigt erachtet, vorerst den Entscheid der Bundesversammlung
abzuwarten. Demgegenüber hätte wohl eine gleichzeitige Inkraftsetzung mit der Unterbreitung der Vorlage an die eidgenössischen Räte als Versuch, die Entscheidung der zuständigen Instanz faktisch zu präjudizieren, ausgelegt werden können. Zudem vermochte im Zeitpunkt, da der Bundesrat seinen Beschluss dann fasste, mit ziemlicher Gewissheit ermessen werden, dass im Volke die Absicht, das Referendum zu ergreifen, nicht mehr bestand.

Wir haben uns auch gefragt, ob im Hinblick auf Artikel 36*er, Absatz 2 der Bundesverfassung, der für die Erhebung eines Zollzuschlags auf Treibstoffen zur Deckung des Anteils des Bundes an den Kosten der Nationalstrassen einen allgemein verbindlichen Bundcsbcschluss vorsieht, Artikel 5 des Zolltarifgesetzes überhaupt zur Anwendung gelangen könne. Der Zollzuschlag stellt rechtlich eine Tariferhöhung dar. Da auch alle ändern Zolltariferhöhungen nur durch Gesetz oder allgemein verbindlichen Bundesbeschluss erfolgen können und für diese

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Fälle die vorsorgliche Inkraftsetzung von Gesetzes wegen gestattet ist, so ist nicht einzusehen, warum Artikel 5 des Zolltarifgesetzes im Spezialfall der Treibstoffzollzuschlagserhöhung seine Funktion nicht auch übernehmen solle.

Da es möglich gewesen wäre, dass auch nach unserm Beschluss vom 30. April 1965 gegen den Bundesbeschluss vom 19. März 1965 das Referendum ergriffen und die Erhöhung in der Volksabstimmung verworfen worden wäre, musste schliesslich die Frage gestellt werden, welches die Folgen in einem solchen Fall sein würden. Wenn die Frage heute auch gegenstandslos geworden ist, so sei doch erwähnt, dass Artikel 5, Absatz 2 des Zolltarifgesetzes die unmittelbare Antwort gibt. Danach tritt die Massnahme ausser Kraft, ohne dass der erhobene Mehrzoll rückerstattet wird. Eine Rückerstattung des Mehrzuschlages von 5 Rappen je Liter war deshalb nicht vorgesehen. Übrigens wäre es praktisch gar nicht möglich, jedem Verbraucher, der den Mehrpreis bezahlte, im Fall der Ablehnung des referendumspflichtigen Beschlusses den Zollzuschlag entsprechend zurückzuerstatten. Eine Rückerstattung wäre daher den Benzinimporteuren zugute gekommen, was eine Situation ergeben hätte, die ebenso unbefriedigend und stossend gewesen wäre, wie diejenige von 1961/62.

Gestützt auf die vorliegende Berichterstattung stellen wir den Antrag, Sie möchten von der getroffenen Massnahme Kenntnis nehmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 10. August 1965.

Base

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident : Tschudi Der Vizekanzler: F.Weber

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Erhöhung des Zollzuschlages auf Treibstoffen zur Finanzierung der Nationalstrassen (Vom 10.August 1965)

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