385

# S T #

Bundesblatt

Bern, den 15. Juli 1965

117. Jahrgang

Band II

Nr. 28 Erscheint wöchentlich. Preis Fr. 33.- im Jahr, Fr. 18.- im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postzustellungsgebuhr

# S T #

9287

Botschaft

des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel 45bis betreffend die Schweizer im Ausland (Vom 2. Juli 1965) Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren !

Die Botschaft, die Ihnen zu unterbreiten wir die Ehre haben, betrifft ein Gebiet, das sich durch einige besondere Probleme auszeichnet.

Einmal äussert sich die Wirkung der geplanten Verfassungsrevision - weil es um Auslandschweizer geht - nicht nur im Inland, sondern mehr noch im Ausland. Sie betrifft Personen in der ganzen Welt, die durch ihr Bürgerrecht wohl mit der Schweiz verbunden bleiben, auf Grund ihres Wohnsitzes aber den verschiedenartigen Verhaltnissen ihrer Gastländer und deren Gesetzen unterworfen sind. Auf diesen Umstand hat jede Massnahme, welche die Schweiz in bezug auf ihre im Ausland lebenden Bürger autonom trifft, Rücksicht zu nehmen. Die Vorlage berührt daher nicht nur landesrechtliche, sondern ebensosehr völkerrechtliche Fragen. Dazu kommen politische, psychologische, soziale und wirtschaftliche Gesichtspunkte, die nicht weniger wichtig als die juristischen sind.

Zudem geht es um eine Angelegenheit, die seit vielen Jahren, ja Jahrzehnten immer wieder Gegenstand Öffentlicher Erörterungen bildet. Sie litten gelegentlich darunter, dass sie zu sehr und oft fast zufällig von Einzelproblemen ausgingen. Dabei wurde sowohl von den Behörden wie von den Auslandschweizern selbst vielleicht zu wenig beachtet, dass alle diese Fragen unter sich in einem Zusammenhang stehen. Dies erschwerte es, den Kernpunkt - dass es nämlich um eine Verfassungsfrage geht - klar zu erkennen und stand der Verwirklichung einer sowohl im Grundsätzlichen wie in den Einzelfragen abgewogenen Lösung entgegen.

Mit dieser Botschaft möchten wir einen Überblick über die wesentlichen Auslandschweizerfragen geben und die einzelnen Sachgebiete untereinander in Beziehung bringen. Unsere Darlegungen erheben nicht Anspruch auf Vollständigkeit. So sind die Institutionen, die sich mit den Auslandschweizern beBundesblatt. 117,Jahrg. Bd.U.

25

386 fassen, nicht erschöpfend aufgezählt. Auch kann bei den rechtlichen Darlegungen nicht alles, was die juristische Stellung der Auslandschweizer ausmacht, zum Ausdruck kommen. Wir werden nur jene Rechtsfragen eingehender behandeln, die für die Würdigung der vorgeschlagenen Verfassungsrevision von Bedeutung sind.

Die Botschaft gliedert sich in drei Teile. Im ersten werden die wesentlichen Tatsachen festgehalten; der zweite Teil schildert die rechtliche Ausgangslage und der dritte begründet die in Aussicht genommene Verfassungsbestimmung.

Erster Teil Tatsächliche Ausgangslage A. Hinweise auf die Auswanderungspolitik der Eidgenossenschaft im Laufe der Jahrhunderte

/. Vorbemerkungen Wie die Geschichte unseres Landes zeigt, haben sich die Behörden ständig mit Problemen abgeben müssen, die darauf zurückgehen, dass Eidgenossen ins Ausland ziehen wollten, in der Fremde weilten oder in die Heimat zurückkehrten. Diese Fragen nahmen die verschiedensten Formen an und spielten in der Politik der Eidgenossenschaft eine gewichtige, zeitweise sogar ausschlaggebende Rolle. Das ständige Auf und Ab in den Auswanderungsbewegungen durch die Jahrhunderte fand seinen Niederschlag in den von den Ständen jeweils erlassenen Verordnungen. Die getroffenen Lösungen waren nicht immer aufeinander abgestimmt. Sie lassen aber das Bemühen der Behörden erkennen, sich mit den durch die besondere Lage des Bürgers in der Fremde geschaffenen Schwierigkeiten auseinanderzusetzen.

Es ist hier nicht der Ort, eine Abhandlung über die Geschichte der Auslandschweizer vorzulegen. Das hierüber bestehende Archivmaterial und die Literatur sind ausserordentlich umfangreich. Eine solche allgemeine Darstellung, so interessant sie auch wäre, würde aber den Rahmen dieser Botschaft sprengen.

Wir müssen uns damit begnügen, die Bedeutung der Auslandschweizer soweit als möglich zu beleuchten und die Auslandschweizerpolitik der Stande durch charakteristische Beispiele aus verschiedenen Jahrhunderten etwas zu ver* anschaulichen.

//. Beurteilung und Umfang der Auswanderung 1. Auswanderer gab es im Laufe der Jahrhunderte aus allen Gebieten der Eidgenossenschaft und nach den verschiedensten Ländern. Innerhalb Europas setzte die Auswanderung schon sehr früh ein, nach Amerika anfangs des 18. Jahrhunderts.

Die Gründe, welche Schweizerbürger zur Auswanderung veranlasstcn, sind nicht auf einen Nenner zu bringen: politische, wirtschaftliche, soziale, religiöse, psychologische Erwägungen lösen sich in bunter Reihenfolge ab, beeinflussen sich gegenseitig und treten bald in den Vorder-, bald in den Hinter-

387

grand. Viele Auswanderer trafen ira Ausland für sie ungewohnte Verhältnisse an und zeigten sich daher der Aufgabe nicht gewachsen, erlitten Schtrfbruch und kehrten verarmt zurück oder gingen im Ausland zugrunde. Der fremde Kriegsdienstführte die Eidgenossen vom 15. bis zum 19. Jahrhundert nach beinahe allen europäischen Ländern, sogar nach ändern Kontinenten, und förderte auch die zivile Auswanderung. Das trifft in erster Linie für Frankreich zu. So verdankt die Schweizerkolonie in Paris ihr Entstehen den aus allen Ständen der Eidgenossenschaft stammenden Söldnern des 15. Jahrhunderts. Die Solddienste Gegenstand und Sorge der eidgenössischen Politik durch eine lange Zeitspanne unserer Geschichte - waren vor allem wirtschaftlich bedingt, da der karge Boden unseres Landes die zunehmende Bevölkerung nicht zu ernähren vermochte. Sie entlasteten den Arbeitsmarkt, brachten den eidgenössischen Ständen beträchtliche Einnahmen und vielfach bedeutende Handelsvortcile. Sie trugen auch zum militärischen Ruhm der Eidgenossenschaft bei, und, durch die Zurückgekehrten, zur Erhaltung der militärischen Tradition in den Orten. Allerdings kehrten viele Söldner als Krüppel in die Heimat zurück. Als schlimmer noch ist die Tatsache zu werten, dass sie oft in verschiedenen Lagern dienten. Die sozialen und politischen Schattenseiten des Reislaufens und des Pensionenwesens gaben seit der Reformationszeit Anlass zu mannigfachen und teilweise schweren inneren Auseinandersetzungen.

Die Auswanderung nach der Neuen Welt war- anfänglich zum mindesten stark religiös bedingt. Nach und nach wurden aber auch andere Beweggründe, vor allem wirtschaftliche für die Auswanderung mitbestimmend. Besonderes Interesse verdienen die Gründungen von Schweizer «Kolonien» in Nord- und Südamerika, so z.B. New Bern (1710), Puiysburg (1730) und New Glarus (1845) in den Vereinigten Staaten von Amerika, Nova Friburgo (1819), Dona Francisca (1851) und Ibicaba (1845) in Brasilien und Nueva Helvecia (1862) in Uruguay.

Zahlreich sind die Landsleute, die sich im Ausland eine gute Existenz aufzubauen vermochten und Hervorragendes leisteten; das gilt namentlich für die Kriegführung, die Diplomatie, die Industrie, die Landwirtschaft, handwerkliche Berufe, aber auch für Kunst und Wissenschaft. In mehreren Ländern haben diese Schweizer Spuren hinterlassen,
die heute noch Zeugnis von ihrem Wirken ablegen. Wir müssen darauf verzichten, hier auch nur die wichtigsten und berühmtesten dieser Eidgenossen im Ausland aufzuzählen. Es sei aber, zur Verdeutlichung des Bildes und weil diese Tatsache oft übersehen wird, daran erinnert, dass die Auswanderung aus den heute das Tessin und Graubünden bildenden Gebieten, die vermutlich auf das 13. Jahrhundert zurückgeht und namentlich in Richtung nach Italien ausgeprägt war, ihre Ausstrahlungskraft besonders in den schöpferischen Leistungen auf dem Gebiet der Kunstausübung zeigte, Tessiner Künstler sind z. B. an der Errichtung einiger der stolzesten Bauwerke Italiens massgebend beteiligt gewesen.

2. Die Frage, wieviele Schweizer im Verlaufe der Jahrhunderte ausgewandert sind, lässt sich nicht genau beantworten. Immerhin kann auf Grund der abgeschlossenen Kapitulationen die Zahl der Söldner einigermassen geschätzt

388

werden. So wissen wir, dass in Frankreich Franz I. während seiner 32jährigen Regierungszeit 163 000 Schweizer in seinen Diensten hatte, Ludwig XIV.

120000 und Napoleon I. 90000. Im Österreichischen Erbfolgekrieg kämpften Zehntausende von Schweizern in sechs verschiedenen Armeen. Man nimmt an, dass vom 15. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, d.h. bis zu dem Zeitpunkt, da die Bundesverfassung von 1848 den Abschluss von Militärkapitulationen verbot, zwei Millionen Schweizer als Soldaten, 60 000 als Offiziere und 700 als Generäle in fremden Kriegsdiensten gestanden haben.

Die Bedeutung der zivilen Auswanderung lässt sich in Zahlen nur schwer erfassen. Man ist darauf angewiesen, einige Beispiele zu erwähnen. So ist bekannt, dass im 17. Jahrhundert innert 30 Jahren etwa 4000 Zürcher nach der Kurpfalz und nach dem Elsass auswanderten. In der Grafschaft Hanau-Lichtenberg waren etwa 1500 Schweizer niedergelassen. 1705 unterstützte Bern die Überführung von 500 Täufern nach Pennsylvanien. Zwischen 1753 und 1763 verlor Bern 1000 Menschen jährlich durch Auswanderung. Im Jahre 1766 lebten in der Republik Venedig gegen 3000 Bündner und in der Stadt befanden sind 172 bündnerische Betriebe. Man kann anhand derartiger Beispiele annehmen, dass die Auswanderung verhältnismässig gross war. Dies ergibt sich auch aus dem Umstand, dass sich die eidgenössischen Stände immer wieder mit den ins Ausland ziehenden oder dort niedergelassenen Bürgern abgeben mussten.

Erst seit 1868 erstellt der Bund jährliche Statistiken über die Zahl der auswandernden Schweizer, jedoch nur für die überseeischen Länder. Vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes von 1880 über die Auswanderungsagenturen sollten die Kantone die notwendigen Unterlagen liefern. Sie kamen aber der Einladung des Bundesrates zum Teil nicht oder nicht sorgfältig nach, so dass diese ersten eidgenössischen Zusammenstellungen nicht als zuverlässig betrachtet werden können. Wohl bemühte sich der schweizerische Konsul in Le Havre, wo die meisten Auswanderer durchreisten, halbjährliche Berichte über den Umfang der Auswanderung zu erstatten. Auch trafen jährliche Rapporte der amerikanischen Hafenbehörden über die Herkunft der Einwanderer nach Nationalitäten ein. Alle diese Quellen geben aber so voneinander abweichende Werte an, dass von einer brauchbaren Statistik nicht die
Rede sein kann. Eine genaue Statistik führte nur der Kanton Aargau, der in der Verfassung von 1852 die Organisation des Auswanderungswesens der Fürsorge des Staates unterstellt hatte. Aus allen zur Verfügung stehenden Angaben lässt sich der absolute Umfang der Auswanderung nicht feststellen, sondern höchstens ihre relative Zuoder Abnahme. So erkennen wir eine ziemlich starke Auswanderung in den Jahren 1851 bis 1863 - mit einem Höhepunkt im Jahre 1854, wo die Zahl der Auswandernden auf 7,5 Promille der schweizerischen Bevölkerung geschätzt wurde - und eine vorübergehende Abnahme zufolge des amerikanischen Sezessionskrieges. Die Bewegung erreichte ihre absolute Spitze im Jahre 1883 mit 12 800 Auswanderern und sank bis 1914 auf 3000 oder rund l Promille der Bevölkerung.

389 ///. Eigenheiten der Auswanderungspolitik

1. Das Verhalten der Alten Eidgenossenschaft gegenüber ihren Angehörigen in der Fremde war zum Teil durch Verhaltnisse bedingt, die heute nicht mehr bestehen. Das gilt vor allem für die Söldner. Trotzdem ging es gelegentlich auch hier um Lösungen, auf die wir jetzt noch Wert legen (z.B. in der Wehrpflicht Anknüpfung an das Heimatrecht und nicht etwa an das Recht des Aufenthaltsstaates). Es ist auffallend, dass sich die Stände schon damals mit Problemen zu beschäftigen hatten, die auch heute eine wesentliche Rolle spielen (Unverlierbarkeit des Bürgerrechts, Doppelbürgerrecht, politische Rechte, Wehrpflicht, Fürsorge). Einige Beispiele mögen diese Erscheinungen belegen.

2. Schon seit dem 15. Jahrhundert betrachteten die fremden Regierungen die Eidgenossenschaft als Nation. Jeder Angehörige eines Standes war auf Grund dieser Zugehörigkeit stets auch berechtigt, sich aufsein Schweizertumzu berufen.

Die Regel, wonach den Landesabwesenden das Bürgerrecht längere Zeit offengehalten war und grundsätzlich vom Wohnsitz unabhängig blieb, ist in erster Linie dem fremden Kriegsdienst zu verdanken.

Je häufiger die Schweizer in fremde Kriegsdienste traten, desto grosszügiger mussten sich die Regierungen in der Behandlung des Bürgerrechts erweisen. In Zürich wurde die Einrichtung des «Offenhaltens» des Bürgerrechts seit Beginn des 17. Jahrhunderts verfeinert. In jedem Fall sollte der ausser Landes Ziehende für den bei seinem Tode zu zahlenden «Abzug» Sicherheit leisten, sonst musste der Rat nach einem Beschluss von 1699 das Bürgerrecht sofort aufsagen. Die dauernde Verbindung zwischen Staat und Individuum sollte grundsätzlich auch dann vom Wohnsitz unabhängig sein, wenn der Bürger sich unter fremdem Schutz und Schirm niedergelassen hatte. Jeder auswärtige Bürger hatte persönlich oder durch seinen Stellvertreter ein Bürgerrechtspatent zu erwirken und alle drei, später alle sechs Jahre um dessen Erneuerung nachzusuchen. Der abwesende Bürger war aber zur Entrichtung der gewöhnlichen Steuern an die Stadt und die Zünfte verpflichtet. Kehrte er mit einem regelmässig erneuerten Patent zurück, so hatte er zur Feststellung dieser Tatsache bloss vor dem Kleinen Rat zu erscheinen, worauf er wieder sämtliche Bürgerrechte genoss. Auch Bürgersöhne, die sich in der Fremde selbständig gemacht oder verehelicht hatten, mussten
bei der Rückkehr nur den Bürgereid schwören, bevor sie die bürgerlichen Rechte wieder ausüben durften.

In Glarus überliess man es dem Bürger, dafür zu sorgen, dass die Staatszugehörigkeit nach der Auswanderung nicht in Vergessenheit geriet. Die Landsgemeinde setzte 1686 erstmals die Pflicht zur Erneuerung fest; wer sie unterliess, verwirkte sein Landrecht.

Die Mithilfe bei der Tragung der Lasten bildete die wichtigste Voraussetzung für die Erhaltung des Bürgerrechts auswärts Niedergelassener. Als im 18. Jahrhundert der in französischen Diensten stehende Brigadier César Hipp oly te Pestalozzi sein Zeugnis der Abstammung vom adeligen Geschlecht in Chiavenna durch die Drei Bünde bestätigen lassen wollte, machten seine Gegner geltend, ein Landrecht gehe verloren, wenn einer das Land gänzlich verlasse, all sein Hab

390

und Gut verkaufe, keinerlei Auflagen bezahle, keine Lasten mitgetragen und überhaupt nicht das Geringste für das Gemeinwesen beigetragen habe. Dieser charakteristische Streitfall brachte die Drei Bünde dazu, 1752 ein Gesetz über den Verlust des Bürgerrechts zu erlassen. Wer auswanderte, musste es vor Ablauf von drei Jahren der Obrigkeit anzeigen. Sie musste wissen, wo einer weilte.

Auch wurde der Auswanderer verpflichtet, an die Lasten des Landes beizutragen.

Er sollte deswegen den sechsten oder achten Teil seines Vermögens im Lande lassen. Da aber viele Bundesleute und Untertanen wegen langjähriger Abwesenheit ihr Bürgerrecht bereits verwirkt hatten, sollten sie wieder als Burger angesehen werden, sofern sie sich innert zwei Jahren anmeldeten.

Das Glarner Landbuch von 1807 dehnte die Frist für die Erneuerung des Landrechts auf 15 Jahre aus, das Bürgerrechtsgesetz von 1839 sogar auf 20 Jahre.

Glarus trachtete danach, die Verbindung der Ausgewanderten mit der Heimat zu erhalten und die Bewahrung des Bürgerrechts zu erleichtern.

Die Bürger von Uri, Zug und St. Gallen gingen ihres Landrechts ebenfalls verlustig, wenn sie dieses nach einer gewissen Zeit nicht erneuerten.

Schon die Alte Eidgenossenschaft kannte auch das Problem des Doppelbürgerrechts. Die Regierungen suchten eine Kollision der gleichzeitigen Treuepflicht gegenüber zwei Staaten auszuschalten. Aus dem Doppelbürgerrecht sollten dem eigenen Staat keine Nachteile erwachsen. Daher verfügte z.B. die Regierung in Bern 1714, dass in fremden Diensten stehende Bürger nicht in den Rat gewählt werden dürften, che sic vor versammeltem Rat auf die fremden Dienste verzichtet und sich ihrer Verpflichtungen gegenüber der fi ernden Macht entledigt hätten. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde in Bern das Doppelburgcrrecht unmittelbar bekämpft. Weder Bürger noch Untertan durften ohne Einwilligung der Obrigkeit sich auswärts einbürgern. Die Verletzung dieser Vorschrift hatte den Verlust des bernischen Bürger- und Landrechts zur Folge. Dasselbe galt für die Bürger von Schwyz, Appenzell I.-Rh. und Thurgau beim Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit.

3. Wehrpflichtig war von jeher jeder männliche Eidgenosse. Seit dem 15. Jahrhundert wurde der Militärdienst vorwiegend in fremden Heeren geleistet, zum Vorteil des Staatshaushaltes, der dafür Jahrgcldcr
erhielt. Immerhin wurde versucht, die Söldncrbewegungen mit Hilfe von Kapitulationen, d.h. von Verträgen mit fremden Regierungen, in geordnete Bahnen zu lenken. In Zeiten der Gefahr konnte die Tagsatzung die «kapitulierten» Regimenter zur Verteidigung des Landes zurückrufen.

Die besondere Stellung der Söldner zeigte sich darin, dass die im Felde stehenden Krieger zur Kriegsgemcinde zusammentraten, zu einer souveränen Versammlung, die alle das Heer und den Krieg betreffenden Fragen entschied. Am 14. August 1475 mussten die beiden bernischen Zuzüge vor Blatnont in geschlossenem Ring zusammentreten, um über zwei Knechte Gericht zu halten. Nach einhelligem Urteil der Mannschaft wurden die beiden Angeklagten zum Tode verurteilt, durch Hauptleute und Räte begnadigt, unter Schimpf und Schande heimgeschickt, zu den Kosten verurteilt und verpflichtet, Urfehde zu schwören. Im Verlaufe des 17. Jahrhunderts setzte sich mehr und mehr die Übung durch, die

391

Straffälle aus dem Felde durch die zivilen Instanzen und Gerichte nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen beurteilen zu lassen. Die in fremden Diensten stehenden Schweizer Regimenter hatten von jeher das Privileg, ihr heimatliches Recht und Gericht auch im Ausland beizubehalten. Das Militärstrafrecht der Schweizer in fremden Diensten beruhte bis ins 19. Jahrhundert hinein auf schweizerischem Strafrecht. Jede Strafgerichtsbarkeit des fremden Staates über eidgenössische Truppen war ausgeschlossen. Die Personalhoheit der Eidgenossenschaft über die Schweizer Soldner und die schweizerische Gerichtsbarkeit blieben gewahrt. Dafür zeugen die zahlreichen Kapitulationen mit Frankreich (1516/1521, später öfters erneuert), das Bündnis Venedigs mit Zürich und Bern von 1615, jenes mit den Drei Bünden von 1603 sowie Kapitulationen mit Spanien von 1721, 1728 und 1734.

Die eigene selbständige Gerichtsbarkeit hatte zur Folge, dass die Truppenkörper einen in sich geschlossenen, schweizerischen, allenfalls kantonalen Charakter wahrten. Fremde wurden wenn immer möglich ausgeschlossen. Als 1751 wieder ein Berner Regiment aufgestellt wurde, forderte der Rat ausdrücklich, dass alle 12 Kompagnien bernisch sein mussten.

4. Die eidgenössischen Stände bemühten sich, auch den zivilen Auswanderern eine möglichst günstige Stellung im fremden Land zu sichern. Die Tagsatzung schützte, bald unmittelbar, bald durch Empfehlungen einzelner Stände, neben den Schweizer Söldnern auch die Kaufleute im Ausland, So genossen z.B. in Frankreich die schweizerischen Kaufleute ihre besonderen, bedeutsamen Handelsprivilegien, und die Schweizer hatten ganz allgemein, welchen Standes sie auch sein mochten, freien Handel und Wandel. Die Kauf leute waren von Steuern und Abgaben, besonders vom Heimfalls- und Abzugsgeld befreit und im Besitz von ausgedehnten Zollfreiheiten. Der König schränkte freilich 1638 die Zollbefreiung auf schweizerische Natur- und Gewerbeprodukte ein.

Die Kauf leute schlössen sich in Lyon, wo sie besondere Messefreiheiten besassen, in der Schweizerkolonie zusammen. Sie bildeten die «Nation suisse» mit einem Syndikus, der gleichsam als Konsul amtete. Hier übten die Schweizer eine vorbildliche autonome Handelsgerichtsbarkeit aus. Ähnliche Gebilde entwickelten sich in Marseille und Bordeaux. Auch Venedig gewährte im Bündnis von 1603
den Bündnern, so wie Frankreich es getan hatte, freie Niederlassung, freie Ausübung von Handel und Gewerbe sowie Duldung des protestantischen Bekenntnisses.

5. Die Politik der Stände war darauf gerichtet, die Auswanderung unter Kontrolle zu halten. Dafür waren verschiedene Gründe rnassgebend: religiöse, fürsorgerische, politische Überlegungen spielten eine Rolle. Im einzelnen erfuhr die Auswanderungspolitik der Eidgenossen eine recht differenzierte Gestaltung.

Im 16. und 17. Jahrhundert führte die Sorge der reformierten Regierungen um die Erhaltung des konfessionell einheitlichen Staates zwangsläufig zur Auswanderung der Täufer, die in grösseren Scharen aus Zürich, Bern und Schaffhausen nach Mähren zogen. Für die Täufer gab es grundsätzlich keine Rückkehr.

Schaff hausen drohte 1610 jedem, der ohne Wissen und Willen der Obrigkeit nach Mähren zog, den Verlust des Heimatrechts an.

392

Nach dem 30jährigen Krieg bemühten sich besonders die Landesherren in der Pfalz und im untern Elsass infolge der unheilvollen Zerstörungen ganzer Dörfer um die Ansiedlung Fremder und versprachen meistens eine Befreiung von jeglichen Abgaben für die Dauer von 10 Jahren. So kam die Auswanderung stark in Fluss. Der Zürcher Rat verfügte 1650 die Aufzeichnung aller Auswanderer. In jedem Fall sollte das Abzugsgeld in der Höhe von 10 Prozent des Vermögens entrichtet werden. Auch wurde der Nachweis des Ansiedlungsortes gefordert; denn die Abwanderung in katholische Orte wurde grundsätzlich erschwert. Wer den Anordnungen zuwiderhandelte, verlor sein Heimatrecht.

Der Berner Rat verfügte 1668 ebenfalls eine Meldepflicht für Auswanderer.

Der Amtmann hatte zu versuchen, den Wegziehenden zurückzuhalten. Wer trotzdem wegen wichtiger Gründe auswandern wollte, musste in einem Rodel verzeichnet werden, sich fremden Kriegsdienstes enthalten und durfte auch nicht von seiner Religion abfallen. Da auch Schaff hausen eine starke Verminderung seiner Bevölkerung in den Jahren 1642, 1659 und 1684 durch Auswanderung nach Württemberg, der Pfalz, Hessen und Schlesien erlebt hatte, verbot der Rat 1684 die Auswanderung, bevor der Abzug entrichtet und der Verzicht auf das Bürgerund Gemeinderecht geleistet worden war.

Zürich untersagte 1734 die Auswanderung sowie den Verkauf von beweglichen und unbeweglichen Gütern. Getätigte Verkäufe wurden rückgängig gemacht. Wer heimlich wegzog, verlor sein Landrecht; wer wegen Verarmung zurückkehrte, wurde des Landes verwiesen.

Bern bemühte sich, die Auswanderung einzudämmen durch Verweigerung der Pässe, wenn der Gesuchsteller keine Empfehlung des Amtsmannes beizubringen vermochte. Der Rat suchte auch auf die Gemeinden einzuwirken, indem er wiederholt verfügte, dass an Stelle eines Ausgewanderten ein Heimatloser ins Bürgerrecht aufzunehmen sei. Unter dem Druck der Verhältnisse musste aber die Regierung 1734 trotzdem 322 Personen nach Übersee ziehen lassen, von denen viele in London stecken blieben und in Not gerieten. Am 21. März 1735 verschärfte sie die Massnahmen. Wer abreisen wollte, dem musste der Abzug ohne jeden Nachlass abgefordert und das Landrecht entzogen werden. Wer auf die Auswanderung verzichtete, erhieltvom Ratfür jedes Kindjährlich sechs Kronen.

Den in London Angekommenen
ermöglichte er die Rückkehr. Nicht immer aber wurden die Mandate befolgt: mancher Vorgesetzte stellte trotz des Verbotes Pässe aus, die Gemeinden leisteten Vorschüsse, weil sie die Not aus der Nähe erlebten. Gross war die Zahl jener, die, um dem Abzug zu entgehen, ihre Heimat schwarz verliessen.

Doch die Obrigkeit erschwerte die Auswanderung durchaus nicht immer.

Als gegen Ende des 17. Jahrhunderts im Kurfürstentum Brandenburg die Bestrebungen zur Kolonisation einsetzten, erhielten die Zürcher Auswanderer 1691 vom Rat Generalpässe und einen Reichstaler als Reisegeld; die Obrigkeit liess die Kinder sogar in eigenen Wagen nach Schaffhausen bringen. Als sich die ersten Enttäuschungen einstellten, hielt sich die Regierung wieder zurück, zumal die Pfarrer dringend gemahnt hatten, die Auswanderung aufzuhalten und die übereilten Güterverkäufe zu verhindern.

393

Schaff hausen verfolgte eine andere Politik. Ledige, Besitzlose und Söldner liess der Rat ziehen. In vereinzelten Fällen richtete er ein Reisegeld aus. Bald nahm er Gesuche an, bald lehnte er sie ab. So ist es bezeichnend, dass er 1735 ausdrücklich vor der Abreise nach Carolina (USA) ohne Bewilligung der Obrigkeit warnte. Wer trotzdem auswanderte, musste 10 Prozent seines Vermögens entrichten und verlor sein Landrecht. Der Rat erliess gleichzeitig ein unbedingtes Verbot der Rückkehr, das er 1748 erneuerte. Geistliche durften den Auswanderern keinen Taufschein ausstellen. 1751 untersagte der Rat die Übernahme der Güter von Auswanderern.

Am 17. Juli 1817 befasste sich die Tagsatzung angesichts der damals herrschenden Hungersnot mit der ernsten Frage, ob die Auswanderung zu verhindern oder zu unterstützen sei. Der Vorort mahnte, die Auswanderer nicht mittellos ziehen zu lassen. Schaffhausen erklärte, es gehe nicht an, den Auswanderern das Bürger- und Heimatrecht zu entziehen, empfahl aber, vor der Erteilung des Passes und der Erlaubnis zur Ausreise einen Betrag von 85 holländischen Gulden für jeden Jugendlichen und 170 Gulden für eine erwachsene Person zu fordern; erst dann sollte Hufe geleistet werden können. Einzelne Gemeinden stellten Mittel bereit, um die notleidenden Familien von Heimkehrern zu unterstützen. Aargau erhob bei der Passerteilung eine Gebühr, die dem schweizerischen Konsulat in Amsterdam überwiesen wurde, um die Rückreise jener zu finanzieren, die nicht über genügend Geld für die Seereise verfügten. Auch verlangte der Kanton, dass sich seine Auswanderer für die Reise bis nach Übersee zu Gruppen unter einem verantwortlichen Leiter zusammenschlössen.

Wegen der allgemeinen wirtschaftlichen Notlage konnten die Behörden nicht untätig bleiben. Die Tagsatzung erklärte freilich zwei Jahre später (1819), die Regelung des Auswanderungswesens sei Sache der Kantone ; die Eidgenossenschaft habe nur in besonderen Fällen ihre Unterstützung zu gewähren. Manche Kantone griffen mit Mahnungen und Verboten ein.

Zahlreiche Berichte über die Misserfolge der Kolonisten, über ihr wirtschaftliches und soziales Elend, Betrügereien geschäftstüchtiger Agenten, aber auch Deportationen von Armen, Geisteskranken, von Gebrechlichen aller Art zwangen die meisten Kantone zum Eingreifen. Sie erliessen Vorschriften
über den Betrieb der Auswanderungsagenturen, die der Patent- und Kautionspflicht unterstellt wurden. Eine Konferenz von Vertretern der Kantone, aus denen Angehörige unter misslichen Bedingungen auf brasilianischen Plantagen lebten, erklärte 1858, es sei unabweisbare Pflicht der ganzen Schweiz, das Los der Ausgewanderten zu bessern, wie es bereits eine Konferenz von 12 Kantonen 1846 gefordert hatte. Schaffhausen empfahl 1848, den Auswanderern soviel als möglich Schutz und Hilfe des Staates angedeihen zu lassen, und beantragte beim Bundesrat, es sei die Frage der Schutzaufsicht und Organisierung der Auswanderung zu prüfen. Diese Initiative erlahmte, als sich der Bund ablehnend verhalten musste, da ihm die Bundesverfassung von 1848 keine Befugnisse zugewiesen hatte. Zu einem gemeinsamen Vorgehen der Kantone kam es nicht.

Dagegen nahmen sich verschiedene Vereinigungen der Auswanderungsprobleme

394 an: die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft, der Schweizerische Auswandererverein, der Grütliverein u.a.m.

Die Auffassung gewann immer mehr an Boden, dass sich der Bund mit dem Auswanderungswesen befassen müsse. Er hatte schon längst vor Erlass des ersten Gesetzes eine gewisse «freie Tätigkeit» gegenüber den Ausgewanderten entfaltet. Sie bezog sich besonders auf den Schutz der Schweizer im Ausland.

Auf Grund der Konsularberichte erliess der Bundesrat auch Kreisschreiben an die Kantone. Der Bund baute das Netz der Konsulate aus und gewährte seit 1855 für die Auswandererfürsorge jährliche Kredite an die Konsulate in den Vereinigten Staaten. Diese Entwicklung führte zur Aufnahme von Artikel 34, Absatz 2 in die Bundesverfassung von 1874, wonach der Geschäftsbetrieb von Auswanderungsagenturen der Aufsicht und Gesetzgebung des Bundes unterliegt.

Gestützt darauf wurde das Gesetz vom 24. Dezember 1880 betreffend den Geschäftsbetrieb von Auswanderungsagenturen erlassen, das 1888 revidiert wurde.

B. Bedeutung der Auslandschweizer Schon der Rückblick auf die geschichtliche Entwicklung hat gezeigt, dass die Auswanderung nicht eine einheitliche Beurteilung zulässt. Eine ähnliche Feststellung drängt sich ebenfalls für unsere Zeit auf, wenn auch gewisse Wandlungen - wie noch darzulegen sein wird - unverkennbar sind. Bevor wir darauf eintreten, scheint es angezeigt zu sein, die Verbreitung der Auslandschweizer zu schildern, die schon zahlenmässig ein eindrucksvolles Bild ergibt. Im Gegensatz zu früher verfügen wir heute üter ein zuverlässigeres Zahlenmaterial, wenigstens in bezug auf die Schweizer, die kein anderes Bürgerrecht besitzen (Nur-Schweizer).

/. Die Auslandschweizer im Spiegel der Zahlen l, Die erste systematische Zählung der im Ausland niedergelassenen Schweizer wurde 1926 vorgenommen. Für die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg geben private Schätzungen ihre Zahl mit ungefähr 50 000 im Jahre 1850,250 000 im Jahre 1880, 330000 im Jahre 1895 und gegen 380000 um die Zeit unmittelbar vor 1914 an.

Die auf Grund der Erhebungen unserer Auslandsvertretungen und der Immatrikulation gewonnenen Zahlen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Schweizer im Ausland Nur-Schweizerbürger

1926 1930 1935 1938 ] 945

Doppelbürger

Total (Schätzung)

hievon immatrikuliert

immatrikuliert

319000 320 000 296000

173983 226 501 228317

4393 11604 26729

290 000 248 000

232 239 206 576

30 465 42 382

nicht immatrikuliert

107000 75 000 81000 107 500 93 000

395 Nur-Schweizerbùrger

1950 1954 1955 1957 1958 1959 1960 1961

Doppelbürget

Total (Schätzung)

liicvon immatrikuliert

immatrikuliert

nicht immatrikuliert

186000 177500 177000 178000 173000 164000 165000 163500

165080 163440 163858 165448 160291 160897 160774 159381

72363 86552 88919 93887 95317 100344 104311 108247

115000 145500 299000 299500

1962

162 000

157 877

l U 758

1963 1964

160000 160000

156030 155980

116119 119668

Die Angaben über die Personen, die lediglich das Schweizerbürgerrecht besitzen, dürfen als zuverlässig angesehen werden. Dagegen ist es praktisch unmöglich, die nichtimmatrikulierten Doppelbürger statistisch zu erfassen. Die Kantone hatten vor 1843 die Frage der Erhaltung des Bürgerrechts verschieden geregelt. Unter Umständen konnte das Doppelbürgerrecht bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über den Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts vom 29. September 1952 auf viele Generationen zurückgehen. Schon deswegen waren Schätzungen über die Zahl der nichtimmatrikulierten Doppelbürger mit grösster Vorsicht aufzunehmen. Dieses Gesetz sieht nunmehr unter gewissen Voraussetzungen den Verlust des Schweizerbürgerrechts vor durch Verwirkung von der zweiten im Ausland geborenen Generation an. Die früheren Schätzungen waren öfters eher zu niedrig als zu hoch. Das gilt namentlich für die Vereinigten Staaten; eine im Jahre ] 955 durchgeführte eingehende Analyse des «US Census of Population 1950» erlaubte, die Zahl der schweizerischen Doppelbürger auf 275 000 anzusetzen, während sie in den auf Schätzungen unserer Konsulate beruhenden Statistiken nur mit 121 000 in Erscheinung traten. Diese Berichtigung erklärt den beachtlichen Unterschied in der Tabelle zwischen den Zahlen von 1954 und jenen von 1955 über die nichtirnmatrikulierten Doppelbürger. Seit 1958 wurde wegen der den Schätzungen anhaftenden Ungenauigkeit darauf verzichtet, die nichtimmatrikulierten Doppelbürger in der jährlichen Statistik aufzuführen.

Der Prozentsatz der Nur-Schweizer, die sich bei unseren Vertretungen anmelden, ist seit Einführung der Immatrikulation unaufhörlich gestiegen. Im Jahre 1926 waren es nur wenig mehr als die Hälfte (54 Prozent) ; 1964 hatten sich etwa 97 Prozent der Nur-Schweizer immatrikulieren lassen. Diese Entwicklung hat verschiedene Gründe. Einmal hat die Notwendigkeit, in den Besitz von Ausweispapieren zu gelangen, zahlreiche Auslandschweizer zur Immatrikulation veranlasst. Verschiedene Verbesserungen in der Führung der Register, verbunden mit regelmässigen Aufforderungen an die Schweizer, sich eintragen zu lassen, übten eine ähnliche Wirkung aus. Schliesslich haben die politischen Umwälzungen der letzten Jahrzehnte, die während und nach dem Krieg durchgeführten schweizerischen Hilfsaktionen sowie die Einführung der freiwilligen Alters- und Hinterlassenenversicherung zugunsten der Auslandschweizer unsere Mitbürger

396

mehr und mehr bewegen, die Verbindung mit den Vertretungen aufrechtzuerhalten und die Immatrikulation zu verlangen.

Die absolute Zahl der immatrikulierten Nur-Schweizer hat seit 1938 fast regelmässig abgenommen. Dagegen lässt sich für den gleichen Zeitraum eine ebenso regelmässige Zunahme des Bestandes an immatrikulierten Doppelbürgern feststellen. Die Gründe für diese scheinbar widerspruchsvolle Entwicklung sind aber zu einem guten Teil dieselben : die Errichtung totalitärer Regimes, der Zweite Weltkrieg, seine Nachwirkungen, die politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen aller Art, der überbordende Nationalismus und die besseren Verdienstmöglichkeiten in der Schweiz haben viele Auslandschweizer zur Rückkehr in die Heimat bewogen, gleichzeitig aber zahlreiche Doppelbürger, die bisher die Immatrikulation vernachlässigt hatten, veranlasst, die Verbindung mit der Aussenvertretung zu suchen und den Schweizerpass dem ausländischen vorzuziehen. Es kommt dazu, dass viele Auslandschweizerkinder auf Grund des ius soli in fremden Ländern als Doppelbürger geboren werden und weitere zahlreiche Auslandschweizer sich wegen der Verhältnisse in ihrem Wohnsitzstaat gezwungen sehen, dessen Bürgerrecht zu erwerben. Seit dem Inkrafttreten des neuen Bürgerrechtsgesetzes (I.Januar 1953) haben rund 15 500 gebürtige Schweizerinnen, die im Ausland wohnen und durch Heirat das Schweizerbürgerrecht verloren hatten, die Wiedereinbürgerung auf Ansuchen hin erhalten und sich in den meisten Fällen immatrikulieren lassen ; dieser Umstand hat ebenfalls zur Erhöhung der Zahl der immatrikulierten Doppelbürger beigetragen.

Wenn man aber die Zahl der immatrikulierten Nur-Schweizer und der immatrikulierten Doppelbürger zusammenzählt, dann stellt man fest, dass der Gesamtbestand seit 1938 ungefähr gleich geblieben ist.

Während der Kriegsjahre ist die Auswanderung fast ganz zum Stillstand gekommen. Seither hat sie wieder zugenommen, wie die folgenden seit 1960 verfügbaren Zahlen über die Wanderbewegung der immatrikulierten Nur-Schweizer zeigen : I960 1961 1962 1963 1964

Zuzüge aus der Schwete

Wegzüge in die Schweiz

MehrausWanderung

15 507 15 974 15 970 16073 17 295

13665 14 689 14 982 14540 14 220

+ l 842 + l 285 + 988 +1533 + 3 075

Diese Überschüsse genügen aber wohl nicht, eine Erneuerung und Verjüngung der Auslandschweizergemeinschaften herbeizuführen. Eine Erhebung aus dem Jahre 1958 lässt insgesamt auf eine gewisse Überalterung vor allem bei den Nur-Schweizern schliessen, wobei allerdings die Verhältnisse von Land zu Land verschieden sein können.

2. In welchen Kontinenten oder Gegenden leben unsere Landsleute? Die Antwort ist : überall in der Welt. Die Jahresstatistik 1964 führte 127 Länder auf.

Wenn wir die bei unseren Vertretungen immatrikulierten Nur-Schweizer in Betracht ziehen (vgl. nachfolgende Aufstellung), so ist festzustellen, dass Ende

397 1964 sich 66 Prozent in Europa auf hielten, 23 Prozent auf dem amerikanischen Kontinent und 11 Prozent in Asien, Afrika oder Australien.

Immatrikulierte Nur-Schweizer Jahr

Europa

Amerika

Afrika

Asien

Australien.

Neuseeland, Ozeanien

Total

1938 1945 1950 1955 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964

186790 159 817 123 173 109 960 105 252 105 434 105 793 104 794 103 980 103465 103 547

32828 34677 28954 37339 38476 38855 38427 38160 37953 36489 36141

8439 8850 8734 10740 10145 10245 9761 9393 9006 9040 9017

2956 2274 2877 3732 3694 3641 3795 3822 3838 4043 4199

1226 958 1342 2087 2724 2722 2998 3212 3100 2993 3076

232 239 206 576 165080 163 858 160291 160 897 160774 159 381 157 877 156 030 155 980

Die seit dem letzten Weltkrieg eingetretene Verminderung im Bestand der immatrikulierten Nur-Schweizer betrifft im wesentlichen Europa, während in den übrigen Kontinenten eine leichte Erhöhung festgestellt werden kann. In Afrika wurde diese Entwicklung seit einigen Jahren durch die politischen Ereignisse (nordafrikanische Staaten, Kongo) unterbrochen. Die dadurch bewirkten Abgänge wurden nur teilweise ausgeglichen durch eine Erhöhung unserer Auswanderung nach ändern afrikanischen Ländern.

Die zahlenmässig wichtigsten Gruppen von Nur-Schweizern befanden sich Ende 1964 in den folgenden Ländern: Frankreich (38385), Bundesrepublik Deutschland (21 134), USA (14456), Italien (13 570), Grossbritantiien (8105), Kanada (7060), Argentinien (4671), Brasilien (4307), Belgien (3918), Österreich (3566) und Spanien (3509).

Die immatrikulierten Doppelbürger waren 1964 stark vertreten in Frankreich, wo ihre Anzahl 58 Prozent (52 132) unserer immatrikulierten Landsleute ausmachte, in der Bundesrepublik Deutschland 33 Prozent (10 408), in den Vereinigten Staaten 41 Prozent (10015); ebenso in Kanada, Argentinien, Italien, Grossbritannien und Brasilien.

Von 17 295 Schweizern, die 1964 die Heimat verlassen haben, wählten 66 Prozent (11 352) Europa: Grossbritannien (3123), Bundesrepublik Deutschland (2115), Frankreich (2059), Italien (l 185), usw. ; 19 Prozent haben sich nach dem amerikanischen Kontinent begeben: Vereinigte Staaten (2164), Kanada (644), Brasilien (136), Peru (87), Argentinien (45) usw., während 8 Prozent nach Afrika, 5 Prozent nach Asien und 2 Prozent nach Australien/Ozeanien ausgewandert sind.

//. Allgemeine Würdigung Gegenüber früher hat die Auswanderung hauptsächlich in zwei Punkten ihren Charakter gewandelt: Das SÖldnertum, von der Fremdenlegion und einigen ändern Einzelfällen abgesehen, und die Auswanderung infolge der wirt-

398

schaftlichen Not in der Heimat sind verschwunden. Doch sind die Gründe, die den Schweizer dazu führen, in die Fremde zu ziehen, heute so wenig wie in früheren Jahrhunderten auf einen Nenner zu bringen. In soziologischer Hinsicht erweisen sich die Auslandschweizergemeinschaften als Abbild der Verhältnisse in der Heimat. Alle Schichten und alle Berufsarten sind vertreten. Immerhin lässt sich sagen, dass die Auswanderer von heute vor allem Techniker, Kaufleute und Wissenschafter sind. Sie wollen sich weiterbilden, ihre Kenntnisse für kürzere oder längere Zeit dem Ausland zur Verfügung stellen, neue Absatzmärkte erschliessen. Allgemein darf man, ohne auf Besonderheiten einzugehen, hervorheben, dass an die Stelle der Emigration, die gelegentlich die Form einer Landflucht, sogar einer Massenbewegung annahm, eine individuellere, eher auf Qualität ausgerichtete Auswanderung getreten ist. Sie geschieht heute weniger als früher mit der Absicht der dauernden, endgültigen Niederlassung im Ausland. So ist es bezeichnend, dass in gewissen Konsularkreisen der Zuzug aus der Schweiz und der Wegzug in unser Land einen verhältnismässig grossen Teil des Bestandes der Immatrikulierten betrifft; dies gilt etwa für Athen, Dublin, Hamburg, Kopenhagen, Lissabon, New York, Oslo, Rotterdam, Stockholm, ferner für die meisten Entwicklungsländer. Ein auffallendes Beispiel ist London, wo bei einem Gesamtbestand von rund 7200 Nur-Schweizern rund 2900 im Verlaufe des Jahres 1964 aus der Schweiz zugewandert und rund 2200 Mitbürger in die Schweiz zurückgekehrt sind. Alle diese Umstände führen allmählich zu Umschichtungen der Schweizergruppen im Ausland und zu Veränderungen in den Beziehungen zur Heimat.

Nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen hat unser Land allen Anlass, sich der Auswanderer in geeigneter Weise anzunehmen. Die Schweiz als kleines und rohstoffarmes Binnenland mit einer hochentwickelten und weltweiten Wirtschaft ist auf starke und lebenskräftige Niederlassungen, die durch tüchtige Auswanderer immer wieder aufgefrischt werden, angewiesen. Unsere Mitbürger in der Fremde, die auf vielen Gebieten ihr berufliches Können bewiesen haben, tragen nicht wenig zur weltumfassenden Verflechtung unserer Wirtschaft und damit zu deren Stärkung bei. Der Wert der direkten Investitionen der bedeutenden Unternehmungen der Schweiz in
Tochtergesellschaften im Ausland wurde Ende 1960 auf etwa 11 bis 13 Milliarden Franken geschätzt. 1964 betrug unsere Ausfuhr 11 461 Milliarden Franken. Unsere Uhrenindustrie, chemische Industrie, Maschinenindustrie und Textilindustrie leben zum grössten Teil vom Export. Eine repräsentative Gruppe von schweizerischen Unternehmen (vertreten in der Abteilung «Schweizer Unternehmen in der Welt» an der Expo 1964) beschäftigt z, B. 264 000 Personen im Ausland und betreibt zusammen mehr als 1000 Fabriken, wovon sich nur 114 in der Schweiz befinden. In diesen Betrieben haben zahlreiche Auslandschweizer Schlüsselstellungen inné.

Schlicsslich ist auf die Rolle hinzuweisen, welche die Auslandschweizer dank ihrer praktischen langjährigen Erfahrung in der Entwicklungshilfe zu spielen berufen -sind. Viele Mitbürger haben denn auch auf diesem Gebiet - nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch als Missionare oder Erzieher - einen tatkräftigen Einsatz bewiesen.

399 Dieses an sich erfreuliche Bild darf indessen nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Auslandschweizer nach wie vor mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Diese können individuelle Ursachen haben, wie sie jedem in der Wirtschaft Tätigen begegnen, sie können aber auch auf in Gastländern getroffene Massnahmen zurückgehen. Verstaatlichungen führen zur Vernichtung mancher Existenz und zur Wegnahme schweizerischer Investitionen aller Art. Die seit einigen Jahrzehnten zahlreiche Länder erfassende Nationalisierungswelle begann in Osteuropa und breitet sich heute vor allem in gewissen nordafrikanischen Staaten aus. Dazu kommt, dass sich die meisten Entwicklungsländer in Zahlungsschwierigkeiten befinden, die zu einer strengen Devisenbewirtschaftung führen. Davon werden oft gerade jene Zahlungen betroffen, die die Auslandschweizer besonders interessieren. Die Überweisungen von Ersparnissen, Pensionen, Feriengeldern sind erschwert, beschränkt oder überhaupt unmöglich.

Ein Wort muss den Leistungen der Auslandschweizer auf kultureller Ebene gewidmet werden. Auch in jüngster Vergangenheit haben unsere Mitbürger auf wissenschaftlichem und künstlerischem Gebiet (Theater, Musik, Dichtung, Malerei, Architektur) Beachtliches vollbracht. Diese Landsleute tragen zur Hebung des Ansehens unserer Heimat in aller Welt bei, was gerade in unserer Zeit, wo kulturelle Belange eine zunehmende Bedeutung auch in den zwischenstaatlichen Beziehungen erlangen, alle Beachtung verdient.

C. Institutionen /. Institutionen im Inland Es gibt in der Schweiz verschiedene private Institutionen, die sich mit Auslandschweizerfragen befassen; zum Teil stehen sie in enger Verbindung zueinander.

1. Am I.Februar 1914 ist die Neue Helvetische Gesellschaft (NHG) unter dem Wahlspruch «Pro Helvetica dignitate ac securitate» gegründet worden.

Sie setzte sich die Aufgabe, ausserhalb und über jeder Partei «die nationale Erziehung zu fördern, das öffentliche Gewissen im Kampf gegen das Eindringen eines ausschliesslichen Materialismus zu schärfen, engere Beziehungen der Angehörigen verschiedener Landcsteile und der Schweizer im Ausland unter sich und mit der Heimat zu pflegen». Im Jahre 1916 begann die Neue Helvetische Gesellschaft, Gruppen im Ausland zu gründen. Ein Jahr später setzte sie die Auslandschweizerkommission ein und errichtete 1919 das ständige Auslandschweizersekretariat. Zahlreiche Vereine haben sich in der Folge der Auslandschweizerorganisation der Neuen Helvetischen Gesellschaft angeschlossen; sie zählt mehrere hundert Auslandsgruppen und steht allen schweizerischen Gruppierungen und Institutionen im Ausland offen. Ihre Verbände wählen die Auslandsrnitglieder der Auslandschweizerkommission, deren Hauptaufgabe in der Behandlung der wichtigen Fragen der Auslandschweizerpolitik und in der Ver-

400

trctung der Auslandschweizer vor der Öffentlichkeit und bei den Behörden besteht. Das Auslandschwcizersekretariat wirbt im Inland um Verständnis für die besondern Probleme der Auslandschweizer. Im weitern trägt es dazu bei, mit verschiedenen Mitteln (so mit Filmen, Besuchen, Vorträgen, Veröffentlichungen) die Kenntnisse unserer Landsleute im Ausland über die Schweiz zu vertiefen. Die Monatsschrift «Echo» nimmt dabei einen besondern Platz ein.

Der Jugenddienst organisiert für unsere jungen Mitbürger im Ausland jedes Jahr Ferienlager in der Schweiz und gibt jeden zweiten Monat die Zeitschrift «Weltschweizer» heraus. Der Rekrutendienst betreut die jungen Landsleute aus dem Ausland, die ihren ersten Militärdienst absolvieren.

Seit 1920 organisiert die Auslandschweizerkommission die Auslandschweizertage, an denen Jahr für Jahr einige hundert Mitbürger teilnehmen.

Dabei werden sowohl die die Fünfte Schweiz besonders berührenden Probleme als auch Fragen von allgemeinem Landesinteresse erörtert. Ein Mitglied des Bundesrates und Vertreter der Bundesverwaltung folgen jeweils den Verhandlungen.

Der Bund unterstützt die vielfältige Tätigkeit des Sekretariats durch eine namhafte Subvention und leistet dazu noch besondere Beiträge für die Jugendlager.

2. Neben der Auslandschweizerkommission und dem Auslandschweizersekretariat der Neuen Helvetischen Gesellschaft sind im Inland eineReihe anderer Institutionen zu nennen, die ausschliesslich zugunsten der Auslandschweizer tätig sind. Die 1939 gegründete Stiftung für die Auslandschweizer dient der Mitfinanzierung des Auslandschweizersekretariats. Sie verfügt über Mittel privater Herkunft, und zwar hauptsächlich aus Bundesfeiersammlungen.

Die Schnyder von Wartensee-Stiftung will nach Möglichkeit denjenigen Auslandschweizern zu Hilfe kommen, 'die von Schicksalsschlägen getroffen werden.

Das Auslandschweizer-«Home» in Dürrenäsch (Aargau) steht als Erholungsstätte zur Verfügung und kann ungefähr hundert Personen beherbergen.

Das Hilfskomitee für Auslandschweizerschulen besteht aus einer Arbeitsgemeinschaft der Stiftung Schweizerhilfe und der Neuen Helvetischen Gesellschaft. Es wirkt bei der Rekrutierung und Ausbildung von Lehrern für die Auslandschweizerschulen mit, befasst sich mit der Herausgabe und Anschaffung von Lehrmaterial und organisiert Ferienlager für
die Schüler sowie Kurse für die Lehrer.

Die 1938 gegründete Stiftung Schweizerhilfe finanziert jedes Jahr für Hunderte von Kindern aus allen sozialen Schichten einen Aufenthalt in der Heimat.

Das Ausbildungswerk für junge Auslandschweizer berät unsere Mitbürger zwischen 10 und 25 Jahren in Fragen der Schul- und Berufsausbildung in der Schweiz. Es verhilft ihnen zu Studienaufenthalten in unserem Land, namentlich durch Gewährung von Stipendien und Darlehen.

*< 3. Unter den Institutionen, deren Tätigkeit sich zum Teil zugunsten der Auslandschweizer auswirkt, nimmt die Stiftung Pro Juventute einen besondern Platz ein. Sie betreut die Kinder, die sich mit der Unterstützung der Stiftung

401 Schweizerhilfe in unserem Land aufhalten, und ist eine der drei Trägerinstitutionen des Ausbildungswerkes für junge Auslandschweizer.

Die Stiftung des Ehepaares Karl und Mathilde Kiefer-Hablitzel setzt einen Teil ihrer Erträgnisse für schweizerische Kaufleute in Übersee aus, die ohne eigenes Verschulden ihre Stellung verloren haben und daher in die Schweiz zurückkehren müssen.

Das Schweizerische Tropeninstitut in Basel ist auch für Auslandschweizer von Interesse. Auswanderer können sich an seinen Informations- und Dokumentationsdienst wenden. Es bildet Plantagenchefs und Zuckerchemiker aus. Eine ihm angeschlossene Klinik ermöglicht die Behandlung zurückgekehrter Landsleute, die an Tropenkrankheiten leiden.

Der Kurzwellendienst der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft, der sich in acht verschiedenen Sprachen an die Hörer in Europa und Übersee wendet, betrachtet es als seine Pflicht, für die Auslandschweizer besondere Programme zu bringen. So werden wöchentlich zwei halbstündige Sendungen in schweizerdeutscher, französischer und italienischer Sprache ausgestrahlt.

4. Die Schweizerische Zentrale für Handelsförderung hat vor allem durch ihre Agenturen und die Handelskammern im Ausland Kontakte mit den Auslandschweizern. Enge Beziehungen bestehen auch zwischen diesen und der Schweizerischen Verkehrszentrale, die in 18 ausländischen Städten Agenturen unterhält.

Endlich ist die Stiftung Pro Helvetia zu erwähnen, von deren kulturellen Veranstaltungen im Ausland (Vorträgen, Ausstellungen, usw.) auch die Schweizer in der Fremde Nutzen ziehen und über die wir in der Botschaft vom 28. Mai 1965 eingehend berichtet haben.

5. Der geistlichen Betreuung nimmt sich auf protestantischer Seite der Ausschuss für die Schweizer Kirchen im Ausland des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes an. Er rekrutiert für den Dienst im Ausland geeignete Pfarrer, verbreitet religiöse Literatur und kann wenn nötig finanzielle Zuwendungen gewähren. Die Vereinigung der schweizerischen Auslandpfarrer, welche die im Ausland tätigen oder von dort zurückgekehrten Geistlichen umfasst, arbeitet eng mit dem Evangelischen Kirchenbund zusammen.

Für die Katholiken hat die Bischofskonferenz ein Sekretariat für die Seelsorge der Schweizer-Katholiken im Ausland geschaffen, das in London und Paris Missionen gründete. Diese
werden durch aus der Schweiz entsandte, dem Bistum Basel zugeteilte Priester geleitet.

//. Institutionen im Ausland 1. Die Auslandschweizer besitzen in hohem Masse die Eigenschaft, sich einer neuen Umgebung, anderen Sitten, anderen Lebensformen anzupassen.

Der Vorgang wird beschleunigt, wenn der Auslandschweizer fern von Landsleuten unter Andersgesinnten lebt oder eine Angehörige des Aufenthaltsstaates heiratet. Hinzu kommt, dass viele Staaten die Assimilation fördern und die Einbürgerung erleichtern oder sogar verlangen. Diese Umstände können zu Bundcsblatt.ll7,Jahrg.Bd.n.

26

402

einer Lockerung der Beziehungen zur alten Heimat führen. Sie ändern aber nichts daran, dass die Neigung der Schweizer, sich in Vereinen aller Art zur Pflege gemeinsamer Interessen zusammenzuschliessen, auch im Ausland ausgeprägt ist.

Neben den Beweggründen, welche die Inlandschweizer in Vereine führen, kommen bei den Mitbürgern in der Fremde noch einige besondere hinzu. Trotz der Assimilierung an die Umgebung wollen sie mit ändern Landsleuten Beziehungen pflegen. G elegen tlich führt auch der Umstand, dass sie nicht am politischen Leben in der Heimat teilnehmen können, zu verstärkter Betätigung in Vereinen. Diese Feststellungen werden durch die grosse Zahl und die Vielfalt der von Auslandschweizern gegründeten Vereinigungen erhärtet. Eine kürzlich vorgenommene Umfrage hat ergeben, dass nahezu 700 in Rechtsform errichtete Vereine bestehen. Wenn sie sich auch in den Idealen gleichen, so weisen sie doch grosse Unterschiede in ihrer Tätigkeit auf. Im allgemeinen bezwecken sie, die Geselligkeit zu pflegen und Aussprachen über die die Mitglieder beschäftigenden Fragen zu ermöglichen. Sie organisieren die Bundesfeier, unterhaltende und kulturelle Veranstaltungen, Exkursionen, Jugend- und Kinderfeste. Schiessen und Turnen nehmen gemäss einer guten schweizerischen Überlieferung einen besondern Platz ein. Im Ausland bestehen 30 Schiessektionen, denen das Militärdepartement unter bestimmten Voraussetzungen die Pflege des Schiesssportes ermöglicht, ferner 40 Sport- und 30 Gesangvereine. Zahlreich sind die Frauenvereinigungen, die sich hauptsächlich sozialen Aufgaben widmen, die Jugendgruppen, ferner Vereine, denen die Angehörigen bestimmter Kantone oder Berufsrichtungen (z. B. Akademiker) angeschlossen sind. Die Vereine widmen ihre Aufmerksamkeit oft auch ProblemeiijWelche die moderne Welt unserem Land und der gesamten Völkergemeinschaft stellt.

Die Auslandschwcizervereine sind naturgemäss in jenen Ländern und Städten am häufigsten, wo sich am meisten Landsleute aufhalten. Wir zählen z. B.

mehr als 70 in Frankreich - davon ungefähr ein Drittel in Paris -, mehr als 50 in der Bundesrepublik Deutschland und 11 in Österreich, rund 50 im Bezirk des Generalkonsulates New York, ungefähr 30 in jenem von Buenos Aires und je rund 15 in Brüssel, London und Mailand. Wir finden aber auch Schweizergruppen in abgelegenen
und dünn besiedelten Gebieten. Fast überall in der Welt, wo einige Mitbürger niedergelassen sind, besteht ein Verein oder ein Freundeskreis, wo sich unsere Landsleute treffen. Eine Ausnahme machen leider die Länder, in denen wegen des herrschenden politischen Regimes jede private Organisation entweder verboten oder in ihrer Tätigkeit erheblichen Einschränkungen unterworfen ist.

Oft schliessen sich die Schwcizervereine im Ausland auf örtlicher, regionaler oder Landesebene, in einigen Fällen auch in zwischenstaatlichem Rahmen zusammen, um den Kontakt unter sich zu verstärken, allgemeine Fragen zu behandeln, den Auslandschweizertag vorzubereiten und ihre Vertreter in die Auslandschweizerkommission abzuordnen. In mehreren Ländern (z.B. in der Bundesrepublik Deutschland, in Österreich, Frankreich, Italien, in den Beneluxund den skandinavischen Staaten, in den drei Hauptregionen der Vereinigten Staaten von Amerika) halten sie jährlich Versammlungen ab, an denen auch

403

Vertreter des Auslandschweizersekretariates der Neuen Helvetischen Gesellschaft und des Bundes teilzunehmen pflegen.

2. Während sich viele Schweizervereine für ihre Versammlungen mit gemieteten Räumen begnügen müssen oder etwa auf die Gastfreundschaft von Hotels zählen können, die unter schweizerischer Leitung stehen, haben andere .um den Preis grosser Opfer Liegenschaften erworben, die nicht nur zum Mittelpunkt ihrer Tätigkeit, sondern oft zu einem Ausstrahlungspunkt für Schweizerart geworden sind. Wir finden Dutzende solcher Schweizerhäuser in vielen Teilen der Welt, so in zahlreichen Städten der Vereinigten Staaten und Kanadas, in Südamerika (Lima, Rio de Janeiro, Santiago de Chile), in Asien (Kalkutta, Damaskus, Manila, Singapur), in Afrika (Algier, Johannesburg, Kapstadt, Leopoldville), und in den europäischen Staaten (Barcelona, Bordeaux, Brüssel, Catania, Hannover, Lissabon, Livorno, Madrid, Marseille, München, Nizza, Paris, Turin). In Mailand ist der Bund Eigentümer des « Centro Svizzero », in dem der Schweizerverein zwei Stockwerke belegt. In London und New York werden gegenwärtig, auf private Initiative hin, Swiss Centres errichtet, wo Räumlichkeiten für die Vereine vorgesehen werden können, und in Lyon befindet sich ein Schweizerhaus im Bau. Pläne für ähnliche Unternehmen in ändern Städten werden erwogen.

3. Zahlreiche Auslandschweizer haben Zeitungen und Zeitschriften unseres Landes, besonders das «Echo», abonniert. Mehrere Auslandschweizergemeinschaften empfanden zudem die Notwendigkeit, selbst Informationsmittel zu schaffen, die Nachrichten aus der Heimat, Bekanntmachungen unserer amtlichen Vertretungen im Ausland, lokale Chroniken über das Leben in den Vereinen veröffentlichen. So werden durch unsere Landsleute rund 50 Mitteilungsblätter und Zeitungen, davon 18 in Europa, 10 in Südamerika, 9 in Nordamerika, 9 in Afrika und 4 in Asien/Ozeanien herausgegeben.

4. Von hervorragender Bedeutung ist die Tätigkeit privater schweizerischer Fürsorgeeinrichtungen im Ausland. Die Gesamtzahl dieser Institutionen kann auf über 150 geschätzt werden. Die Fürsorge kommt in erster Linie den bedürftigen, alten und kranken Landsleuten zugute, die der betreffenden Gemeinschaft angehören, aber auch durchreisenden Mitbürgern. Sie kann verschiedene Formen annehmen (z. B. nicht zurückzuzahlende Beiträge,
Darlehen, Übernahme von Spital- und Kurkosten, unentgeltliche Lieferung von Lebensmitteln, Kleidern und Arzneimitteln, Beiträge für Reisen in 'die Ferienlager der jungen Auslandschweizer, Zahlung von Abonnementen auf schweizerische Zeitungen und Zeitschriften, Weihnachtsbescherungen). Diese rege und äusserst nützliche Tätigkeit h'ess verschiedene dieser Institutionen zu gut ausgebauten Fürsorgestellen werden, die zum Teil über hauptamtliche Mitarbeiter verfügen und die unseren Vertretungen im Ausland einen Teil ihrer Arbeit abnehmen, aber auch die Kantone und Gemeinden entlasten. Ihre Mittel werden durch Schenkungen, Vermächtnisse und gelegentliche oder regelmässige Beiträge geäufnet ; zum grössten Teil werden sie durch die Auslandschweizer selbst aufgebracht. Der Bund anerkennt den Nutzen dieser Selbsthilfewerke und gewährt seit mehr als 100 Jahren den Gesellschaften, die es verlangen und Rechnung ablegen, Beiträge. Ge-

404

genwärtig verfügt die Eidgenossenschaft zu diesem Zweck über einen jährlichen Kredit von 70 000 Franken; dazu kommen die entsprechenden Leistungen der Kantone, die sich 1964 auf 60 270 Franken beliefen. Im Jahre 1964 sind 59 solcher Wohltätigkeitsgesellschaften in den Genuss eines öffentlichen Beitrags gelangt.

In mehreren Ländern haben unsere Landsleute Altersheime geschaffen, so z.B. in Villa Ballester in der Provinz Buenos Aires, Mount Kisco im Staate New York, Issy-les-Moulineaux bei Paris, Sao Paulo in Brasilien. Marseille und Mexiko D. F. (in dieser Stadt handelt es sich um ein Gemeinschaftsunternehmen der schweizerischen, französischen und belgischen Wohltätigkeitsgesellschaften). Aufnahmeheime, die besonders für junge Mädchen und alleinstehende Frauen bestimmt sind, finden wir in London, Mailand, Neapel, New York und Wien. Einige Auslandschweizergruppen konnten auch Spitäler gründen, deren ärztliche Leitung und Verwaltung vorwiegend durch Schweizerbürger besorgt (Casa di cura evangelica internazionale di Milano) oder die zusammen mit ändern Ausländergemeinschaften geführt werden (Barcelona, Genua, Mexiko D. F., Neapel). Damit wird unseren Landsleuten eine angemessene ärztliche Betreuung zu erschwinglichen Bedingungen ermöglicht. Gelegentlich sind besondere Abmachungen zugunsten erkrankter Schweizerbürger mit Spitälern, die andere Ausländergemeinschaften gegründet haben, getroffen worden. Dies trifft insbesondere für das französische Spital in London und das deutsche Krankenhaus in Madrid zu. Mehrere dieser Heime, Asyle und Spitäler sowie einige andere Fürsorgeeinrichtungen zugunsten unserer Mitbürger im Ausland (Sozialsekretariat der Schweizer und Heilsarmee in Paris) werden durch den Bund und die Kantone subventioniert, die ihnen 1964 insgesamt 58 500 Franken haben zukommen lassen.

5. Das rege Gemeinschaftsleben der Auslandschweizer zeugt von ihrer Anhänglichkeit an die Heimat. Es gilt, die freie und von behördlicher Beeinflussung unabhängige Vereinstätigkeit zu erhalten. Die Privatinitiative soll auch bei den Auslandschweizern den Vorrang vor staatlichen Massnahmen haben. Die erfreulich grosse Zahl von Vereinen darf allerdings nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass einige unter ihnen, wie in Auslandschweizerkreisen selbst etwa geltend gemacht wird, anscheinend Mühe haben, Formen
der Tätigkeit aufzugeben, welche namentlich die junge Generation als überholt empfindet.

Die jungen Kräfte wünschen, vermehrt zur Mitarbeit und Mitverantwortung herangezogen zu werden; zudem sollen immer mehr qualifizierte Vertreter der verschiedenen Gruppen herangebildet werden, die als Wortführer auch in der Schweiz auftreten können, 6. Unter den pädagogischen und kulturellen Institutionen nehmen die 16 durch den Bund anerkannten Auslandschweizerschulen einen besondern Platz ein. Diese sind bestrebt, die Schüler im schweizerischen Geist zu unterrichten. Sie verdanken ihr Entstehen ausschliesslich privater Initiative und konnten oft nur unter grossen Opfern grossherziger Mitbürger erhalten bleiben. In der Reihenfolge ihrer Gründung handelt es sich um: Neapel 1839, Genua 1851, Luino 1883, Catania 1904, Mailand und Barcelona 1919, Alexandrien 1921,

405

Kairo 1929, Santiago de Chile 1939, Lima 1941, Rom 1945, Florenz 1946, Bogota 1948, Rio de Janeiro und Bangkok 1963, Ponte San Pietro bei Bergamo (1965 anerkannt). Ihre Geschichte und die wichtige Aufgabe, die ihnen als Bildungszentrum und Mittelpunkt kultureller Ausstrahlung zukommt, sind in den beiden Botschaften vom 17. September 1946 (Bundesblatt 1946III244) und 16.

September 1963 (Bundesblatt 1963 II 599) eingehend dargestellt worden. Es sei hier lediglich erwähnt, dass am Ende des Schuh'ahres 1963/64 der Bestand dieser Schulen 3782 Schüler, davon 985 Schweizer, und 175 Hauptlehrer, davon 105 Schweizer, umfasste. Pläne zur Gründung neuer Schulen werden gegenwärtig geprüft. Der Bundesbeschluss vom 3. März 1964 umschreibt die Voraussetzungen für die Bundeshilfe; ihr kommt lediglich subsidiäre Bedeutung zu, den privaten Charakter der Schulen berührt sie nicht. Sie entbindet insbesondere unsere Landsleute nicht von eigenen Anstrengungen.

Eine Bundeshilfe wird auch der Schule des «Cercle commercial suisse» in Paris, der «Swiss Mercantile School» in London sowie der Schule dés «Circolo Commerciale Svizzero» in Mailand gewährt. In Domodossolabesteht seit 1906 für die Kinder der schweizerischen SBB- und Zollbeamten eine Schule, die der Aufsicht des Kantons Waadt unterliegt und vom Bund subventioniert wird.

7. Unter den Institutionen mit akademischem Charakter erwähnen wir als wichtigstes Beispiel das Schweizerische Institut in Rom, das Hochschulabsolventen, Studenten und jungen Künstlern einen Arbeitsaufenthalt an einem Ort klassischer Kultur ermöglicht. Das Institut verfügt über eine Bibliothek und veranstaltet Vorträge, Ausstellungen und Konzerte, die es zu einem geschätzten Mittelpunkt kultureller Ausstrahlung gemacht haben. Der Bund hat ihm eine namhafte finanzielle Unterstützung gewährt.

Das Schweizerhaus in der Cité universitaire in Paris, das 1933 von Le Corbusier gebaut wurde, bietet jungen Intellektuellen, die ihre Studien in der französischen Hauptstadt fortführen, günstige Aufenthalts- und Arbeitsbedingungen. Es nimmt durchschnittlich 80 Studenten im Jahr auf und wird durch den Bund unterstützt.

8. Verschiedene schweizerische Gemeinschaften haben im Ausland eigene Kirchen gegründet. Auf reformierter Seite gilt dies z. B. für Barcelona, Buenos Aires, Domodossola, Florenz, Genua,
Johannesburg, London, Marseille, Mailand, Misiones, Neapel, Rio de Janeiro, Sao Paulo und Triest. Die reformierten schweizerischen Kirchen im Ausland und in gewissen Fällen die Wohltätigkeitsgesellschaften verfügen an einzelnen Orten über einen eigenen Friedhof. Auf die katholischen Missionen in London und Paris haben wir bereits hingewiesen.

9. Seit langem sind schweizerische katholische und protestantische Missionswerke in vielen Teilen der Welt, hauptsächlich in Afrika, aber auch in Asien/ Ozeanien und Lateinamerika, tätig. Sie beschränken sich nicht auf die Glaubensverkündigung und den religiösen Unterricht. Ihre Arbeit umfasst z, B, den Schulunterricht, die Führung von Spitälern, Apotheken, Lepraheimen, Kindergärten, die technische und landwirtschaftliche Ausbildung, die Heranbildung von Lehrern und Krankenpflegern. Trotz der zunehmenden Schwierigkeiten, denen

406 die Missionen begegnen, zählen die schweizerischen Missionare nach Tausenden.

Sie leben oft in abgelegenen und schwer zugänglichen Gegenden, halten aber die Verbindung mit ändern Landsleuten aufrecht. Unsere Mitbürger wenden sich oft für geistlichen Beistand an sie und wissen, dass sie im Notfall auch medizinisch betreut werden.

10. Handelskammern zur Förderung schweizerischer wirtschaftlicher Interessen sind durch unsere Landsleute in Argentinien, Belgien, Brasilien, Frankreich, Italien, Luxemburg und Österreich gegründet worden. Sie sind im Verband der Schweizerischen Handelskammern im Ausland in Zürich zusammengeschlossen, der eine Sektion des Vorortes des Schweizerischen Handels- und Industrievereins bildet. Gemischte Handelskammern zur Förderung der Wirtschaftsbeziehungen bestehen in Chile, den Niederlanden, Peru und Uruguay. In die gleiche Kategorie kann man den Swiss Economie Council in London einreihen.

///. Die Genossenschaft «Solidaritätsfonds der Auslandschweizer» Die 1958 gegründete Genossenschaft «Solidaritätsfonds der Auslandschweizer» mit Sitz in Bern bezweckt die genossenschaftliche Vereinigung der Auslandschweizer zu gemeinsamer Selbsthilfe für den Fall von Existenzverlusten im Ausland, welche durch Krieg, innere Unruhen oder allgemeine politische Zwangsmassnahmen verursacht und nicht selbstverschuldet sind. Inlandschweizer können dem Fonds als Paten für Auslandschweizer beitreten. Die Genossenschaft äufnet ihr Vermögen durch statutarische und freiwillige Leistungen der Genossenschafter und Beiträge Dritter. Jeder Genossenschafter hat einen später grundsätzlich rückzahlbaren festen jährlichen oder einmaligen Beitrag zu entrichten. Wenn ein Genossenschafter seine Existenz im Ausland aus den angeführten Gründen verliert, hat er Anspruch auf eine Pauschalentschàdigung in der Höhe des Hundertfachen eines Jahresbeitrages, wobei die kleinste 2500 Franken und die grösste 30 000 Franken beträgt. Zur Deckung der Pauschalentschädigungen dienen die Zinsen auf dem Genossenschaftsvermögen.

Die Bundesversammlung hat mit Bundesbeschluss vom 22. Juni 1962 den Bundesrat ermächtigt, der Genossenschaft eine Ausfallgarantie zu gewähren, was mit Vertrag vom 23. Oktober 1962 geschehen ist. Die Leistungen des Bundes erfolgen in der Form von rückzahlbaren Vorschüssen. Infolge der politischen
Ereignisse (vor allem in Afrika) wurde der Fonds bereits zu Beginn semer Existenz, als die von den Genossenschaftern geäufheten Mittel noch klein waren, stark in Anspruch genommen. Das führte dazu, dass der Bund in Erfüllung seines Garantieversprechens bis 1964 einen Vorschuss von über 500 000 Franken zu leisten hatte.

Dem Fonds gehören rund 8500 Genossenschafter an. Bis Ende 1964 gewährte er Entschädigungen von 2 Millionen Franken an insgesamt 215 Genossenschafter.

Obwohl der Gedanke, nach Möglichkeit selbst Vorsorge gegen Schicksalsschläge zu treffen, unter den Auslandschweizern erfreulich stark verbreitet ist, entsprechen die 8500 Beitritte zum Solidaritätsfonds nicht den gehegten Erwar-

407

tungen. Es ist zu hoffen, dass von den rund 270 000 immatrikulierten Auslandschweizern sich noch eine grössere Zahl zur Mitgliedschaft entschliesst. Die Werbung neuer Genossenschafter bleibt für alle beteiligten privaten und staatlichen Stellen eine wichtige Aufgabe. Je grösser die Zahl der Genossenschafter wird, desto besser ist auch das Risiko verteilt. Durch ihren Beitritt beweisen die Auslandschweizer, dass für sie der Solidaritätsgedanke kein leeres Wort ist.

Damit bekunden sie aber auch, dass sie gewillt sind, selbst eine angemessene Vorsorge für die Zukunft zu treffen. Je entschiedener der Wille zur Selbsthilfe ist, um so grösser sind die Möglichkeiten der heimatlichen Behörden, Begehren unserer Landsleute im Ausland auch vor dem Souverän zu vertreten. Der Verzicht des einzelnen Auslandschweizers, dem Solidaritätsfonds beizutreten, obwohl er diese Möglichkeit gehabt hätte, könnte im Falle eines Existenzverlustes als Selbstverschulden angesehen werden und die Beurteilung allfälliger Hilfsbegehren durch die zuständigen Behörden beeinflussen.

IV. Organe des Bundes Zahlreiche Behörden (namentlich des Bundes, aber auch der Kantone und Gemeinden) kommen dazu, sich mit den Auslandschweizern zu befassen. Diese Vielfalt rührt davon her, dass regeltnässig jene Behörde, die für inländische Verhältnisse fachlich zuständig ist, es auch für die Probleme unserer Mitbürger in der Fremde bleibt. Das hat den Vorteil, dass die Fälle der Auslandschweizer weitgehend nach den Gesichtspunkten beurteilt werden, die im Inland gelten, gleichzeitig aber auch den Nachteil, dass die Lage, in der sich unsere Landsleute befinden, nicht immer eine genügende Würdigung erfährt, was die Koordination in der Auslandschweizcrpolitik des Bundes erschwert. Im folgenden seien lediglich jene Verwaltungsstellen erwähnt, die sich ständig und in grösserem Umfang mit Auslandschweizerfragen befassen.

l. Seit jeher wurde angenommen, dass der Schutz von Schweizerbürgern fremden Staaten gegenüber zur Wahrung der Interessen der Eidgenossenschaft nach aussen gehört und somit gemäss Artikel 102, Ziffer 8 der Bundesverfassung dem Bundesrat obliegt. Das Bundesgcsetz über die Organisation der Bundesverwaltung vom 26. März 1914 überträgt diese Aufgabe dem Politischen Departement sowie seinen diplomatischen und konsularischen Vertretungen. Die
Verhältnisse bringen es mit sich, dass das Departement, vielfach zusammen mit ändern Behörden, auf den verschiedensten Gebieten für die Auslandschweizer tätig ist. Dazu gehören etwa die Vorbereitung und Anwendung von Staatsverträgen sowie die Behandlung zahlreicher individueller Anliegen unserer Mitbürger. Neben den Stellen, die für die einzelnen Länder und gewisse Sachfragen zuständig sind, besteht ein besonderer Dienst, der sich ausschliesslich der Auslandschweizerangelegenheiten annimmt und bemüht ist, unter anderem die Tätigkeit der Behörden zu koordinieren, soweit sie unsere Landsleute in der Fremde betrifft.

Nach allgemeinem Völkerrecht wird zwischen diplomatischen Missionen und konsularischen Posten eines Staates im Ausland unterschieden. Ihre Stellung, ihr Aufgabenbereich, ihre Vorrechte und Immunitäten sind im Wiener

408

Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom IS.April 1961 und im Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24, April 1963 kodifiziert worden. Die Schweiz hat beide Übereinkommen ratifiziert. Der diplomatische Vertreter ist bei der Regierung eines Staates akkreditiert, vertritt dort sein Land und interveniert in grundsätzlichen Fragen, welche die Auslandschweizer berühren. Die konsularischen Vertreter nehmen die Interessen ihrer Landsleute gegenüber den lokalen Behörden in ihrem Konsularbezirk wahr.

Landesrechtlich ist für unsere Konsulate das schweizerische Konsularreglement vom 26. Oktober 1923 massgebend. Es ist auch auf die konsularische Tätigkeit unserer Botschaften, von denen die meisten einen Konsularbezirk betreuen, anwendbar. Den Aufgabenbereich der Konsulate umschreibt es nicht . abschliessend, da ihnen in der Zwischenzeit neue Aufgaben zugewiesen worden sind und sie immer wieder mit Situationen fertig werden müssen, die sich nicht reglementieren lassen. Wir denken vor allem daran, dass unsere Konsulate immer mehr dazu berufen sind, für das kulturelle Ansehen der Heimat im Ausland zu werben. Der Konsul ist Mittelsperson zwischen dem Bundesrat und den im Konsularbezirk ansässigen Schweizerbürgern. Er ist verpflichtet, die Interessen des Bundes und der Kantone wahrzunehmen. Er hat nach Kräften die Interessen der Schweizerbürger zu wahren und sich aller Bestrebungen anzunehmen, die geeignet sind, die Beziehungen, insbesondere die Handelsbeziehungen, zwischen der Schweiz und seinem Konsularbezirk zu entwickeln. Ihm obliegt es, nach Möglichkeit den Schweizerbürgern rechtliche Unterstützung zu gewähren, die Vorschriften über die Militärkontrolle, den Militärpflichtersatz, das Pass- und Beglaubigungswesen sowie die freiwillige Alters- und Hinterlassenen- und Invalidenversicherung zu vollziehen. Er wirkt bei der Abklärung der zivilrechtlichen Verhältnisse und Erbschaftsfälle von Schweizern mit. Er hat sich mit Fürsorgefällen zu befassen und die schweizerischen Hilfsgesellschaften zu fördern.

Aus dieser keineswegs abschliessenden Aufzählung ergibt sich, dass die Konsuln verschiedenartige Aufgaben wahrnehmen, die in der Schweiz spezialisierten Amtsstellen übertragen sind.

2. Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) befasst sich mit der Anwendung des Bundesgesetzes
vom 22. März 1888 betreffend den Geschäftsbetrieb der Auswanderungsagenturen. Dieses Gesetz, das sowohl privatrechtliche Bestimmungen wie auch polizeiliche Vorschriften enthält, bezweckt, gefährliche oder betrügerische Propaganda für die Auswanderung zu verhindern und den Schutz der Auswanderer bis zur Ankunft am Bestimmungsort sicherzustellen. Gemäss Artikel 25 des Gesetzes unterhält das BIGA einen Auswanderungsdienst; er erteilt auf Begehren Auskünfte über Arbeitsmöglichkeiten sowie über Zulassungs-, Lebens- und Arbeitsbedingungen im Ausland; jährlich berät er mehrere tausend Personen. Das Amt steht heimgekehrten Auslandschweizern bei der Arbeitssuche bei und ist auch mit der Durchführung der Staatsverträge über den Austausch von Stagiaires betraut.

3. Das Sekretariat des Eidgenössischen Departements des Innern befasst sich mit der Hilfe an die Schweizerschulen im Ausland.

409

4. Das Bundesamt für Sozialversicherung übt die Aufsicht über die freiwillige Alters- und Hinterlassenen- und die Invalidenversicherung der Auslandschweizer aus und erteilt - im Einvernehmen mit dem Politischen Departement die für ihre Durchführung erforderlichen Weisungen. Dem Bundesamt obliegt neben der Vorbereitung von Gesetzesrevisionen die Führung von Staatsvertragsverhandlungen über Sozialversicherung. Für den technischen Vollzug der Versicherung der Auslandschweizer ist die Schweizerische Ausgleichskasse in Genf zuständig.

5. Der Chef des Personellen der Armee ist für die militärischen Angelegen heiten der Ausland schweizer zuständig. Er ist für die militärische Kontrolle über die Auslandschweizer verantwortlich und wendet die Erlasse und staatsvertraglichen Abmachungen über die Erfüllung der Wehrpflicht an.

6. In den Geschäftskreis der Justizabteilung des Justiz- und Polizeidepartements fallen Fragen des internationalen Privatrechts, die gerade für Auslandschweizer häufig eine besondere Bedeutung haben. Die Tätigkeit der Justizabteilung beschränkt sich jedoch auf die Behandlung von Rechtsfällen, soweit dafür die Verwaltung zuständig ist, während in Streitfällen die Gerichte zu entscheiden haben. Häufig wird die Justizabteilung in Erbschaftsfällen, wo entweder der Erblasser oder Erben Auslandschweizer sind, in Anspruch genommen. Sie handelt in diesen Fällen mit unseren Auslandsvertretungen zusammen als Verbindungsstelle zwischen den beteiligten Personen und den zuständigen inund ausländischen Behörden.

Besondere Bedeutung haben auch für die Auslandschweizer die heimatlichen Zivilstandsregister, in denen Geburt, Eheschliessung und Tod, überhaupt alle Tatsachen des Personen- und Familienstandes, zu beurkunden sind; diese Beurkundungen bilden die Grundlage für die Ausstellung des Schweizerpasses und anderer Ausweispapiere. Die Registerführung ist den Kantonen anvertraut.

Das Eidgenössische Amt für das Zivilstandswesen, das der Justizabteilung untersteht, führt die Oberaufsicht ; es vermittelt den Verkehr zwischen den kantonalen Behörden und unseren Vertretungen im Ausland.

Im Geschäftsbereich der Justizabteilung ist ferner der Bundesbescbluss vom 23. März 1961 über die Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland zu erwähnen. Indessen ist der Abteilung hier
keine Entscheidungsbefugnis eingeräumt; vielmehr entscheiden über Erteilung oder Ablehnung der Bewilligung die kantonalen Behörden und auf Rekurs hin eine eigens dafür eingesetzte eidgenössische Kommission. Dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement steht aber das Rekursrecht gegen die kantonalen Entscheide zu.

7. Die Polizeiabteilung des Justiz- und Polizeidepartements beschäftigt sich unter verschiedenen Gesichtspunkten mit den Anliegen der Auslandschweizer.

Dazu gehören folgende Sachgebiete : Bürgerrecht (z. B. Wiedereinbürgerung, erleichterte Einbürgerung), Abgabe von Schweizerpässen und endlich Fragen auf dem Gebiet der zwischenstaatlichen Fürsorge, z. B. Vorbereitung und Durchführung von Fürsorgeverträgen.

410

Auf einer grundsätzlich anderen Ebene liegt die Tätigkeit der zur Polizeiabteilung gehörenden Eidgenössischen Zentralstelle für Auslandschweizerfragen. Diese hat im Rahmen des Bundesbeschlusses vom 13. Juni 1957 über eine ausserordentliche Hilfe an Auslandschweizer und Rückwanderer, die infolge des Krieges von 1939 bis 1945 Schäden erlitten haben, als instruierende Behörde zuhanden der Kommission für die Hilfe an kriegsgeschädigte Auslandschweizer die nötigen Abklärungen vorzunehmen und deren Entscheide zu vollziehen.

Unabhängig von diesem Bundesbeschluss kann die Zentralstelle solchen Auslandschweizern und Rückwanderern helfen, die wegen allgemeiner politischer oder wirtschaftlicher Zwangsmassnahmen unverschuldeterweise in Not geraten sind.

8. Entsprechend ihrem Aufgabenkreis ist die Eidgenössische Fremdenpolizei massgebend am Abschluss von Niederlassungsverträgen beteiligt, die im allgemeinen die Stellung der Ausländer in der Schweiz und der Schweizer in den Vertragsstaaten nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung regeln.

9. Im Bereich des eidgenössischen Abgaberechts, soweit es die Auslandschweizer betrifft, überwacht die Eidgenössische Steuerverwaltung vor allem die Veranlagung und Erhebung des Militärpflichtersatzes; sie führt die Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf Grund staatsvertraglicher Abmachungen durch, ist zuständig für die Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen und bereitet neue solche Abkommen vor.

10. Verschiedene ausserparlamentarische Kommissionen des Bundes befassen sich mit Auslandschweizerfragen, sei es mit beratender oder mit entscheidender Funktion.

Auf dem Gebiete der Sozialversicherung ist die vom Bundesrat eingesetzte eidgenössische Kommission für die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung zu nennen, in der unsere Mitbürger im Ausland durch einen Mitarbeiter des Auslandschweizersekretariates der Neuen Helvetischen Gesellschaft ein Mitspracherecht ausüben können. Zuhanden des Bundesrates begutachtet die Kommission grundsätzliche Fragen der Durchführung und Weiterentwicklung der AHV und der Invalidenversicherung.

Die Schweizerische Invalidenversicherungskommission für Versicherte im Ausland entscheidet über die Gesuche, die von den der Invalidenversicherung angeschlossenen Versicherten mit Wohnsitz im Ausland und damit auch von Auslandschweizern
eingereicht werden. Sie klärt namentlich die Eingliederungsfähigkeit der Versicherten zuhanden der Schweizerischen Ausgleichskasse ab und bestimmt die Eingliederungsmassnahmen sowie den Grad der Invalidität für die Gewährung von Renten und Hilflosenentschädigungen. In dieser Kommission sind die Auslandschweizer ebenfalls durch Mitarbeiter des Auslandschweizersekretariates der Neuen Helvetischen Gesellschaft vertreten.

Andere Kommissionen mit Entscheidungsbefugnis haben ausserordentliche, einmalige und zeitlich begrenzte Aufgaben zu lösen. Dies war der Fall bei der Kommission für Japan-Entschädigungen (Entschädigung der von Japan während des Krieges Schweizern verursachten völkerrechtswidrigen Schäden) und

411

gilt auch für die Kommissionen für Nationalisierungsentschädigungen, füVorauszahlungen an schweizerische Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung und für die Hilfe an kriegsgeschädigte Auslandschweizer.

Dank ihrer Zusammensetzung (Vertreter des Bundes und Sachverständige, auch Auslandschweizer) und Arbeitsweise haben diese Kommissionen eine von der Verwaltung weitgehend unabhängige Stellung. Sie befinden in den Einzelfällen über die persönliche und sachliche Legitimation der Ansprecher und setzen die Zuwendungen fest. Ihre Entscheide können an besondere Rekurskommissionen weitergezogen werden, die Spezialgerichte des Bundes sind. Es darf gesagt werden, dass sich dieses System bewährt; dank ihrer Zusammensetzung, ihrer Unabhängigkeit und ihrem Verfahren, das auf rechtsstaatliche Grundsätze besondere Rücksicht nimmt, erfüllen diese Kommissionen ihre Aufgaben in zweckmässiger Weise.

Zweiter Teil Rechtliche Ausgangslage A. Die Auslandschweizer im Spannungsfeld zwischen dem Heimat- und dem Wohnsitzrecht

Auslandschweizer ist begrifflich jener Schweizerbürger, der seinen Wohnsitz ausserhalb der Grenzen der Eidgenossenschaft hat. Wie alle nicht in ihrer Heimat lebenden Personen ist er notwendigerweise zwei voneinander unabhängigen Rechtsordnungen unterworfen: der des Heimatstaates und der des Wohnsitzstaates.

Welche der beiden Rechtsordnungen bei der Regelung einer Einzelfrage massgebend ist, lässt sich nicht allgemein sagen. Es hängt vom Völkerrecht, von der Gesetzgebung und der Praxis der Staaten ab. Zwei Prinzipien stehen sich gegenüber: einerseits das Staatsangehörigkeits- oder Heimatprinzip, anderseits das Wohnsitz- oder Territorialitätsprinzip. Jenes misst die entscheidende Bedeutung der Zugehörigkeit zum Heimatstaat bei und beansprucht infolgedessen die Anwendung des Heimatrechts, ohne Rücksicht darauf, ob der Bürger in der Heimat oder im Ausland lebt; er trägt demnach sein heimatliches Recht überall mit sich, was bedeutet, dass der Auslandschweizer auch an seinem Wohnsitz nach schweizerischem Recht za behandeln ist. Das andere Prinzip legt umgekehrt das Hauptgewicht auf den Wohnsitz, ausgehend von der Erwägung, die Hoheit des Staates über sein Gebiet bringe naturgemäss die Anwendung seines Rechts im ganzen Herrschaftsbereich ohne Rücksicht auf die Nationalität der Einwolmer, also für die Ausländer wie für die eigenen Angehörigen, mit sich. Insoweit dieser Grundsatz gilt, untersteht der Auslandschweizer dem an seinem Wohnsitz geltenden ausländischen Recht.

Das Völkergewohnheitsrecht, Staatsverträge oder auch nur die Staatenpraxis überlassen gewisse Gebiete der Regelung durch die Rechtsordnung des Wohnsitzstaates, andere jener des Heimatstaates. Allgemein lässt sich sagen,

412

dass in den meisten Rechtsgebieten die Ordnung des Wohnsitzstaates anwendbar ist. Das Heimatprinzip gilt demgegenüber besonders bei der Zuerkennung politischer Rechte, den militärischen Pflichten, der Fürsorge und der Gewährung des diplomatischen Schutzes. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Schwierigkeiten aller Art, vor allem Kollisionen, bei der Anwendung der beiden Prinzipien entstehen können, wenn im Einzelfall jeder Staat die ausschliessliche Geltung seiner eigenen Gesetzgebung beansprucht. Als Beispiel sei der Fall erwähnt, wo auf Grund des Staatsangehörigkeitsprinzips der Heimatstaat auch von seinen Bürgern im Ausland die Erfüllung der militärischen Verpflichtungen verlangt, der Wohnsitzstaat dagegen die Wehrpflicht als Einwohnerpflicht auffasst. Von Konflikten werden naturgemäss besonders Doppelbürger betroffen, da dort, wo nach Völkerrecht das Heimatprinzip anwendbar ist, beide Heimatstaaten die Anwendung ihrer Rechtsordnung beanspruchen können. Umgekehrt kann es geschehen, dass sowohl Heimatstaat wie Wohnsitzstaat die Anwendung ihrer Gesetzgebung ablehnen: der Heimatstaat, weil sein Angehöriger im Ausland wohnt, der Wohnsitzstaat, weil es sich um einen Ausländer handelt. Derartige Schwierigkeiten können etwa in Fürsorgefragen entstehen.

Wohl ist unser Land, wie jedes andere auch, unter dem Vorbehalt völkerrechtlicher Normen frei, über die Anwendbarkeit seiner Gesetze selbst zu bestimmen. Die Schwierigkeiten können aber schon bei der Grundfrage der Staatsangehörigkeit als Voraussetzung für die Anwendung des Heimatrechts beginnen.

Die Gesetze mancher Länder über Erwerb und Verlust des Bürgerrechts weichen von den unsrigen in wesentlichen Punkten ab. So wird jemand etwa gezwungen, seine ursprüngliche Staatsangehörigkeit aufzugeben, oder diese wird vom neuen Heimatstaat ignoriert. Da der Auslandschweizer im Machtbereich des Staates steht, in welchem er lebt, wird die Durchsetzung des schweizerischen Standpunktes nicht selten auf grosse Schwierigkeiten stossen. Die Hoheit des Wohnsitzstaates über sein Gebiet setzt der Anwendung des Heimatrechts eine Schranke.

So steht der Auslandschweizer im Spannungsfeld zwischen dem Staatsangehörigkeits- und dem Wohnsitzprinzip. Daraus sind in manchen Ländern bedeutende Schwierigkeiten entstanden; sie sind auch für die Zukunft zu gewärtigen.
Die Lösung derartiger Konflikte kann grundsätzlich auf zwei Arten geschehen. Einmal kann jeder Staat (sei es der Heimat-, sei es der Wohnsitzstaat) in seiner Gesetzgebung und Praxis darauf Rücksicht nehmen. Viele Staaten haben Kollisionsnormen aufgestellt, die für die in ihrem Gebiet wohnenden Auslandschweizer von Bedeutung sein können. Es ist nicht möglich, diese hier im einzelnen darzulegen; es müssten hiefür Gesetzgebung und Praxis zahlreicher Staaten durchgangen werden. Die zweite Art, den Konflikt aus der Welt zu schaffen, besteht im Abschluss eines Vertrages zwischen dem Heimat- und dem Wohnsitzstaat. Von dieser Methode wird in zunehmendem Masse Gebrauch gemacht. Sie beschlägt verschiedenartige Gebiete, etwa die Sozialversicherung, das Steuerrecht, den Zahlungsverkehr, die Wehrpflicht, das Fürsorgewesen.

Auf dem Gebiete des Privatrechts zeigt sich ebenfalls das Spannungsfeld zwischen dem Heimat- und Wohnsitzrecht. Die Kollisionsnormen hierüber sind

413 Gegenstand des internationalen Privatrechts, das einerseits in den Landesgesetzen, anderseits in Wissenschaft und Praxis, aber auch in Staatsverträgen, eine reiche Ausgestaltung erfahren hat.

Das schweizerische Recht enthält im Bundesgesetz betreffend die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter (NAG) vom 25. Juni 1891 landesrechtliche Bestimmungen auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts. Die Artikel 7d, 7f, 7g, 7 i, sowie 28 bis 31 dieses Gesetzes regeln die zivilrechtlichen Verhältnisse der Schweizer im Ausland. Von besonderer Bedeutung ist hierbei der Artikel 28, der unter Vorbehalt der Staatsverträge die grundsätzliche Unterstellung des Auslandschweizersunter die Gesetzgebung des Wohnsitzstaates (unter Ausschluss ihrer Anwendbarkeit auf in der Schweiz gelegene Liegenschaften) anerkennt und nur subsidiär, für die Fälle, in denen sie nicht dem Recht des Wohnsitzstaates unterworfen sind, die Anwendung schweizerischen Rechts vorsieht.

Die Schweiz hat ferner von jeher aktiv an der Ausarbeitung multilateraler Verträge auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts mitgewirkt und ist Vertragsstaat zahlreicher solcher Übereinkünfte. Von besonderem Interesse f ür die Auslandschweizer sind hier die Haager Abkommen zur Regelung des Geltungsbereichs der Gesetze auf dem Gebiete der Eheschliessung und zur Regelung der Vormundschaft über Minderjährige, beide vom 12. Juni 1902; das Haager Übereinkommen vom S.Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiete des Schutzes von Minderjährigen (von der Schweiz noch nicht ratifiziert) sowie die zwei weiteren Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht vom 24. Oktober 1956 und über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiete der Unterhaltspflicht gegenüber Rindern vom 15. April 1958, die am 17. Januar 1965 in Kraft getreten sind. Auf bilateraler Ebene wurden mit verschiedenen europäischen Staaten Abkommen über gewisse privatrechtliche Fragen abgeschlossen.

B. Einzelne Rechtsgebiete Es sollen hiernach neben den für den vorgeschlagenen Verfassungsartikel unmittelbar in Frage kommenden Gebieten (Ziffer III bis V) auch noch die wichtigsten anderen Bereiche behandelt werden, die für die Auslandschweizer von
Bedeutung sind (Ziffer I, II und VT).

/. Das Schweizerbürgerrecht 1. Gekennzeichnet ist das Schweizerbürgerrecht durch die Zugehörigkeit des Bürgers zu einer Gemeinde, zu einem Kanton und zur Eidgenossenschaft. Es wird gleichzeitig erworben und verloren mit dem Kantons- und Gemeindebürgerrecht. Der Erwerb des Schweizerbürgerrechts beruht in erster Linie auf der väterlichen Abstammung und auf dem Grundsatz der Einheit des Bürgerrechts

414

in der Familie. Das hat unter anderem zur Folge, dass die ausländische Frau, die einen Schweizer heiratet, mit der Eheschliessung automatisch das Schweizerbürgerrecht erhält, und dass die Kinder dem Bürgerrecht des Familienvaters folgen.

Die unbeschränkte Übertragung des Schweizerbürgerrechts durch väterliche Abstammung im Ausland bringt auch Nachteile mit sich, die namentlich während des letzten Krieges offenbar wurden. Es kam vor, dass Personen, die keine tatsächlichen Beziehungen zur Schweiz mehr hatten, aus materiellen oder politisch für uns unerwünschten Gründen ihr Schweizerbürgerrecht wieder geltend machten. Daher schränkte das Bundesgesetz vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts den Grundsatz der Unverlierbarkeit des Schweizerbürgerrechts ein, und zwar in folgender Weise: Das im Ausland geborene Kind eines ebenfalls im Ausland geborenen Schweizerbürgers, das noch eine andere Staatsangehörigkeit besitzt, also Doppelbürger ist, verwirkt das Schweizerbürgerrecht mit der Vollendung des 22, Lebensjahres, wenn es nicht bis dahin einer schweizerischen Behörde im In- oder Ausland gemeldet worden ist oder sich selber gemeldet oder schriftlich erklärt hat, das Schweizerbürgerrecht beibehalten zu wollen. Bei entschuldbarer Unterlassung der Meldung oder Erklärung ist innert 10 Jahren seit Verwirkung unter Umständen eine Wiedereinbürgerung möglich. Keinesfalls hat der Auslandschweizer zu befürchten, staatenlos zu werden, da die Verwirkung bloss Doppelbürger treffen kann.

Als Ausweis für sein Bürgerrecht dient dem Auslandschweizer der Schweizerpass, der auf Grund der Familien- und Bürgerregister ausgestellt wird und bis zum Beweis des Gegenteils volle Beweiskraft hat. Voraussetzung für die Ausstellung eines Passes ist grundsätzlich die Immatrikulation. Der Auslandschweizer hat sich bei der zuständigen schweizerischen Aussenvertretung anzumelden und sich immatrikulieren zu lassen. Die Immatrikulation, über die ein Register geführt wird, hegt in seinem Interesse. Sie ist wichtig für die Führung der heimatlichen Zivilstandsregister und der militärischen Urlaubskontrolle, für die Ausstellung oder Erneuerung des Passes, den diplomatischen Schutz, den Anschluss an die freiwillige schweizerische AHV/IV und anderes mehr.

Das neue Bürgerrechtsgesetz hat die bürgerrechtliche
Stellung der Schweizerin bei und nach der Heirat mit einem Ausländer erheblich verbessert. Schon früher konnte die Schweizerin, die das Schweizerbürgerrecht durch Heirat mit einem Ausländer in der Regel verlor, nach Auflösung oder gerichtlicher Trennung der Ehe bei Wohnsitz in der Schweiz mit Einbezug der ihr zugeteilten minderjährigen Kinder wicdercingebürgert werden. Das neue Recht gewährt ihr die Wiedereinbürgerung auch bei Wohnsitz im Auslande (während die einbezogenen Kinder in der Schweiz wohnen müssen). Es gibt ihr ferner die Möglichkeit, das Schweizerbürgerrecht bei Heirat mit einem Ausländer gar nicht erst zu verlieren; sie kann bis zur Trauung dem Zivilstandsamt in der Schweiz oder dem schweizerischen Konsulat die schriftliche Erklärung abgeben, es beibehalten zu wollen.

Gibt sie diese Erklärung aus entschuldbaren Gründen nicht ab, so kann sie innert bestimmter Fristen ein Wiedereinbürgerungsgesuch stellen. Um gebürtigen

415

Schweizerinnen, die vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes (I.Januar 1953) das Schweizerbürgerrecht durch Heirat verlieren mussten, nicht zu benachteiligen, wurde ihnen ermöglicht, ein Wiederaufnahmegesuch bis Ende 1953 zu stellen. Auf Grund dieser Vorschrift sind über 32 000 Frauen wiedereingebürgert worden, wovon fast die Hälfte im Ausland wohnte. Das Gesetz gewährte zudem von 1957 an allen ehemaligen, noch mit einem Ausländer verheirateten Schweizerinnen, die das Schweizerbürgerrecht durch Heirat vor dem I.Januar 1953 verloren hatten, die Möglichkeit, sich unabhängig davon, ob sie in der Schweiz oder im Ausland wohnen, wiedereinbürgern zu lassen. Die Wiedereinbürgerung ist an eine Reihe von Voraussetzungen wie guter Leumund, Assimilation oder Verbundenheit mit der Schweiz geknüpft, wobei im Einzelfall der Rahmen des freien Ermessens naturgemäss weit gespannt ist.

2. Der Regel, dass das Bürgerrecht durch Abstammung erworben wird, stehen die Gesetze jener Länder gegenüber, in welchen kraft des ius soli die Staatsangehörigkeit an die Tatsache der Geburt im Lande geknüpft wird (z.B.

Frankreich, Grossbritannien sowie die meisten amerikanischen Staaten).

Andererseits sehen sich die Auslandschweizer oft veranlasst, im Wohnsitzstaat sich einzubürgern, um eine bestimmte Stellung bekleiden zu können oder ihre Existenz zu sichern. Das schweizerische Bürgerrechtsgesetz verbindet in solchen Fällen den Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit nicht mit dem automatischen Verlust des Schweizerbürgerrechts. Sollte der ausländische Staat als Voraussetzung für die Einbürgerung den Verzicht auf das Schweizerbürgerrecht verlangt haben und der Auslandschweizer nach Abgabe der Verzichterklärung aus diesem entlassen worden sein, so hat er unter gewissen Voraussetzungen innert 10 Jahren seit Rückkehr in die Schweiz die Möglichkeit, um seine Wiedereinbürgerung nachzusuchen. In der Praxis wird ein strenger Massstab angelegt.

Hingegen wird den Kindern gegenüber ein grösseres Entgegenkommen gezeigt.

Voraussetzung ist in formeller Beziehung, dass diese Kinder in der Schweiz wohnen und das Gesuch innert 10 Jahren seit Rückkehr in unser Land, jedenfalls aber vor Vollendung des 30. Lebensjahres stellen.

In gewissen Fällen, so für die Gewährung des diplomatischen Schutzes gegenüber einem Drittstaat, kann es bei
Doppelbürgern notwendig werden zu entscheiden, welches Bürgerrecht massgebend sein soll. Die Schweiz stellt für solche Fälle, wie andere Staaten, auf den Begriff der effektiven oder vorherrschenden Nationalität ab. Wann das Vorherrschen oder die Effektivität des Schweizerbürgerrechts gegeben ist, lässt sich nicht auf Grund allgemeiner Kriterien beurteilen, sondern muss von Fall zu Fall, auch unter Berücksichtigung allfälliger besonderer Umstände beurteilt werden. Für schweizerische Doppelbürger werden in der Regel der freiwillige Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit ein negatives, die aktive Teilnahme am Leben der Schweizergruppen, enge Beziehungen zur Heimat, Militärdienstleistung positive Elemente darstellen. Die blosse Immatrikulation bei einer Auslandvertretung und der Besitz eines Schweizerpasses dürften in der Regel, mindestens was die Gewährung des diplomatischen Schutzes angeht, für sich allein das Vorherrschen des Schweizerbürgerrechts noch nicht belegen.

416 //. Niederlassung, Aufenthalt, Berufsausübung l. In der Regel unterliegen die Ausländer im Aufenthaltsstaat und somit auch die Schweizcrbürger im Ausland Beschränkungen in bezug auf die Niederlassung, den Aufenthalt und die Berufsausübung. Inhalt, Zweck und Mass dieser Beschränkungen wechseln von Land zu Land. In den günstigeren Fällen begnügt sich der fremde Staat mit der Aufstellung gewisser Einwanderungsvorschriften, lässt aber dem Zugelassenen die Freiheit des Ortswechsels und der Berufsausübung, unter Vorbehalt der für die eigenen Staatsangehörigen geltenden Bestimmungen. Sobald die Einwanderung gestattet ist, begegnen die Auslandschweizer in diesen Fällen keinen weiteren Schwierigkeiten. In manchen Ländern dagegen erhält der Zugewanderte vorerst eine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung nur auf begrenzte Dauer; sie ist oft an mancherlei Bedingungen geknüpft.

Der Einwanderer bleibt während mehrerer Jahre einer strengen behördlichen Aufsicht unterworfen, die seine Bewegungsfreiheit stark einschränkt und seine wirtschaftliche Lage erschwert. Überdies kann die Erneuerung der Bewilligung verweigert werden, wenn eine weitere Anwesenheit des Zugewanderten mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage des Landes oder aus ändern Gründen nicht mehr wünschbar erscheint. Er erlangt somit unter Umständen erst nach mehrjährigem Aufenthalt eine gesicherte Stellung.

Es ist leicht ersichtlich, dass solche Beschränkungen die Lage der Schweizer im Ausland ungünstig beeinflussen. Gegen sie vermögen auch nicht die zahlreichen, von der Schweiz abgeschlossenen Niederlassungsverträge zu schützen ; denn diese Verträge behalten ausdrücklich oder dem Sinne nach die landesrechtlichen Bestimmungen über Einwanderung, Aufenthalt und Berufsausübung der Ausländer vor. Die Bundesbehörden haben sich bemüht, zugunsten der Schweizer in den für die Auswanderung wichtigsten Staaten die Lage durch besondere Abkommen zu verbessern, welche unseren Landsleuten eine weitgehende Gleichbehandlung im Verhältnis zu den Angehörigen des Vertragsstaates zusichern und ihnen nach einem Aufenthalt von einigen Jahren die dauernde Niederlassung gewährleisten. Allein unsere Handlungsfreiheit ist in dieser Hinsicht beträchtlich eingeengt, da solche Abkommen auf dem Grundsatz der Gegenseitigkeit beruhen.

Als Landesfremde ermangeln die Auslandschweier
endlich jener Rechte, welche die Staatsangehörigkeit des Gastlandes zur Voraussetzung haben; so können sie z.B. an der Ausübung gewisser Berufe, wie Arzt, Apotheker, Anwalt gehindert sein, 2. Während die Niederlassung und die Berufsausübung eines Schweizerbürgers in einem fremden Staat vom Rechte jenes Staates und gegebenenfalls von zwischenstaatlichen Vereinbarungen abhängen, verhält es sich anders, wenn ein Schweizerbürger aus der Fremde heimkehrt. Er kann sich an seinem Heimatort oder an jedem anderen Ort der Schweiz niederlassen (Art. 45 BV), wo er die gleichen Rechte und Pflichten wie alle niedergelassenen Schweizerbürger besitzt.

417

///. Politische Rechte Die Schweizerbürger im Ausland (mit Ausnahme der Tessiner in kantonalen Angelegenheiten) haben keine Möglichkeit, an der politischen Willensbildung in unserem Land mitzuwirken, da die Ausübung der politischen Rechte nach der jetzigen verfassungsrechtlichen Ordnung an die Voraussetzung des Wohnsitzes in der Schweiz geknüpft ist.

Darin unterscheidet sich zum Teil unsere Rechtsordnung von jener einiger anderer Staaten. So können z.B. Auslandösterreicher, die nahe der Grenze wohnen, in der nächstgelegenen Gemeinde des Landes ihr Stimmrecht ausüben. Im Ausland wohnhafte Franzosen können an Wahlen in Frankreich, teilnehmen, wenn sie sich im Wahlbüro der Gemeinde in Frankreich, in deren Wahlregister sie eingetragen sind, einfinden oder sich vertreten lassen. Die Verfassung der französischen Republik sieht zudem vor, dass die ausserhalb Frankreichs wohnhaften Franzosen im Senat vertreten sind, wo sie über sechs von insgesamt 274 Sitzen verfügen. Die Italiener im Ausland können unter gewissen Voraussetzungen in die italienischen Wahllisten eingeschrieben werden. Die Stimmabgabe wird ihnen erleichtert durch die anlässlich von Wahlen stark herabgesetzten Tarife der öffentlichen Verkehrsmittel. Dänemark, Norwegen und Schweden kennen eine Regelung besonderer Art für jene Bürger, die im Inland wohnen, am Wahltag aber sich im Ausland aufhalten; diese Auslandaufenthalter können ihr Stimmrecht bei den diplomatischen und konsularischen Missionen oder besonders bezeichneten Behörden ausüben, sofern die Gastländer dies zulassen.

Dass die Frage der politischen Rechte unsere Mitbürger im Ausland schon sehr früh und immer wieder beschäftigt hat, ist verständlich. Zahlreich sind die Vorstösse um Teilnahme an eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen. So richteten im Jahre 1874 einige Schweizer in Mailand und in Mülhausen an die eidgenössischen Behörden das Gesuch, an der Abstimmung vom 19. April 1874 über die Revision der Bundesverfassung teilnehmen zu können. Der Bundesrat lehnte dieses Begehren unter Hinweis auf das (heute noch geltende) Bundesgesetz betreffend die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen vom 19. Juli 1872 ab, wonach das Stimmrecht nur von solchen Schweizern ausgeübt werden könne, die in der Schweiz wohnen. In den folgenden Jahrzehnten waren es vor allem im nahen Ausland (Grenzbahnhöfe)
stationierte Zollbeamte, die an Wahlen und Abstimmungen mitzuwirken wünschten. Die Stellungnahme der Behörden war nicht immer einheitlich. Dagegen konnten die AuslandschweizerWehrmänner sowohl im Ersten wie im Zweiten Weltkrieg dank den auf Grund der ausserordentlichen Volknachten erlassenen Vorschriften an den während ihrer Dienstzeit stattfindenden Nationalratswahlen teilnehmen.

Anlässlich der Abstimmung über die Rriseninitiative vom 2, Juni 1935 kamen aus Deutschland, Frankreich und Italien über unsere Aussenposten dringende Anfragen, ob die Auslandschweizer an dem für das Land bedeutenden Urnengang nicht teilnehmen dürften. Die Bundeskanzlei gelangte auf Grund eines schon am 13. November 1925 an die Kantone gerichteten Kreisschreibens des Bundesrates zu einer positiven Stellungnahme. Dieser hatte die Auffassung Bundesblau. HT.Jahrg. Bd.II.

27

418

bekundet, dass ein stimmfähiger Schweizerbürger, der sich in einer schweizerischen Gemeinde unter Hinterlegung richtiger Ausweispapiere als Aufenthalter polizeilich anmelde, und gegen den ein Ausschliessungsgrund nicht vorliege, in dieser Gemeinde das Stimmrecht in eidgenössischen Angelegenheiten besitze, vorausgesetzt, dass er im Stimmregister seines früheren Wohnortes gestrichen worden sei. Obwohl im Kreisschreiben von den Auslandschweizern nicht die Rede war, folgerte die Bundeskanzlei in ihrer Mitteilung vom 25. April 1935 an die Kantone, dass auch die Auslandschweizer ihre politischen Rechte in einer schweizerischen Gemeinde ausüben könnten, wenn sie dort ihre Ausweispapiere hinterlegt hätten. Auf Grund dieses Erlasses nahmen etwa 600 Auslandschweizer an der Abstimmung über die Kriseninitiative teil. Allein im Oktober des gleichen Jahres verweigerte die Regierung des Kantons Schwyz bei den Nationalratswahlen den beim Etzel-Werk beschäftigten 250 Zürcher Arbeitern die Zulassung zur Urne. Betraf diese Stellungnahme auch nicht direkt die Auslandschweizer, so wurde durch sie doch die Frage des Erfordernisses eines schweizerischen Wohnsitzes anstelle eines blossen Wahldomizils wieder aufgeworfen und ein Zustand der Unsicherheit geschaffen. Der Bundesrat sah sich deshalb am 4. Oktober 1937 veranlasst, auf das Krcisschreiben vom 13.November 1925 zurückzukommen, das, wie er selbst bemerkte, ganz allgemein den politischen dem zivilrechtlichen Wohnsitz gleichstelle und daher augenfällig von Doktrin und Praxis abweiche; er sehe keine andere Lösung als den Verzicht auf die durch das Kreisschreiben vom 13.November 1925 den Aufenthaltern gewährten Erleichterungen; insbesondere könnten die im Ausland wohnhaften Schweizerbürger nicht mehr an einer eidgenössischen Abstimmung oder Wahl teilnehmen.

Bei dieser Regelung ist es bis heute geblieben. Auch das in den letzten Tagen verabschiedete Gesetz über die Einführung von Erleichterungen der Stimmabgabe an eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen beruht auf dem Grundsatz der Stimmabgabe am politischen Wohnsitz.

Neben zahlreichen einzelnen Mitbürgern im Ausland haben sich auch die Auslandschweizer-Organisationen der Frage der politischen Rechte immer wieder angenommen. Sie gab auch an den Auslandschweizertagen zu Diskussionen Anlass. Am vierten Auslandschweizertag
im Jahre 1921 wurde z.B. ein Bundesgesetz für die Auslandschweizer postuliert und darin* das Stimmrecht vorgesehen. Weitere Vorstösse erfolgten 1926, 1933,1935,1947,1949 und 1950. So unterbreitete 1947 die Schweizerkolonie London besonders differenzierte Anträge. Seit 1958 verschwindet dieses Anliegen nicht mehr von der Traktandenliste der Auslandschweizertage. Die Konferenzen der Auslandschweizer befassen sich in den verschiedensten Ländern Jahr für Jahr und oft sehr eingehend mit dem Problem.

Auf parlamentarischer Ebene wurden insgesamt fünf Vorstösse unternommen, die die Frage der politischen Rechte der Auslandschweizer zum Gegenstand hatten. Davon sind heute noch unerledigt das Postulat des Ständerates vom 14. Dezember 1949 und jenes des Nationalrates vom 19. September 1951, die beide folgenden Wortlaut haben:

419 Der Bundesrat wird eingeladen, einen Bericht vorzulegen über die Frage, ob und unter welchen Bedingungen die Schweizer im Ausland an eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen teilnehmen können.

IV. Wehrpflicht Die Wehrpflicht knüpft grundsätzlich an die Staatsangehörigkeit an. Artikel 18 der Bundesverfassung erklärt jeden Schweizer wehrpflichtig. Diese Pflicht ist durch persönliche Dienstleistung (Militärdienst) in der Armee zu erfüllen. Wer den Militärdienst aus irgendeinem Grunde nicht leistet, hat einen Ersatz in Geld, den Militärpflichtersatz, zu zahlen.

Mit dieser Regelung steht die Verfassung in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht, nach welchem die Befugnis jedes Staates, seine im Ausland leben den Bürger zum Militärdienst heranzuziehen, unbestritten ist. Freilich gibt es Staaten, die sich nicht bloss an das Staatsangehörigkeitsprinzip halten, sondern auch auf ihrem Gebiet wohnende Auslander zum Militärdienst heranziehen.

Unser Land hat von jeher darauf verzichtet, in Friedenszeiten von seinen Bürgern im Ausland die Leistung des Militärdienstes zu fordern. Bei uns schliesst die Wehrpflicht nach dem Bestehen der Rekrutenschule von mehreren Monaten zahlreiche Wiederholungs-, Ergänzungs- und Landsturmkurse in sich, die in bestimmten Intervallen bis zum 50. Altersjahr, von Offizieren noch länger, zu leisten sind. Für die meisten Auslandschweizer, namentlich in Übersee, würde die Pflicht, zu allen diesen Diensten in die Heimat zu reisen und Beruf und Arbeit immer wieder zu verlassen, eine nicht zu verantwortende Härte bedeuten, oft sogar ihre wirtschaftliche Existenz bedrohen.

Die geschilderte Praxis ist in den letzten Jahren überprüft und gesetzlich verankert worden : Artikel l der Militärorganisation in der Fassung des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1960 beauftragt die Bundesversammlung, den Militärdienst der Auslandschweizer besonders zu regeln. Gestützt darauf ordnete die Bundesversammlung durch Beschluss vom S.Dezember 1961 über den Militärdienst der im Ausland wohnenden Schweizer für Friedenszeiten die Befreiung aller im Ausland wohnenden Wehrpflichtigen vom Instruktionsdicnst, von den Ausrüstungsinspektioncn und von der Erfüllung der ausserdienstlichen Schiesspflicht an, unter Vorbehalt freiwilliger Dienstleistung in Schulen oder Kursen.

Ebenso ist es den ins /\lter der Stellungspflicht
tretenden Auslandschweizern freigestellt, ob sie sich der Aushebungfür den Dienst in der schweizerischen Armee (sanitarische Untersuchung, Zuteilung zu einer Truppengattung) unterziehen wollen. Immerhin wird der Bundesrat ermächtigt zu bestimmen, in welchen Fällen die sich freiwillig Meldenden nicht auszuheben und nicht zur Rekrutcnschule einzuberufen sind. Mit Beschluss vom 26. Dezember 1961 über die Aushebung und das Aufgebot zur Rekrutenschule der im Ausland wohnenden Schweizer hat der Bundesrat angeordnet, dass die sich freiwillig zur Erfüllung der persönlichen Dienstpflicht Meldenden zur Aushebung und zur Rekrutenschule zugelassen werden, wenn sie in einem europäischen Staat oder in einem am Mittelmeer gelegenen asiatischen oder afrikanischen Küstenstaat oder Küstengebiet wohnen, nicht zugleich das Bürgerrecht des Wohnsitzstaates be-

420

sitzen, eine der schweizerischen Landessprachen beherrschen und nicht wegen eines schweren Deliktes verurteilt worden sind. Die Fälle sind nicht selten, in denen junge Auslandschweizer die Heimat aufsuchen, um hier Militärdienst zu leisten. Jährlich rücken ungefähr 100 Auslandschweizer zur Rekrutenschule ein.

Für den Fall des aktiven Dienstes der schweizerischen Armee bestehen wegen der anders gearteten Lage der Landesabwesenden besondere Vorschriften über die Einrückungspflicht der Auslandschweizer. Bei Teilmobilmachung werden keine Auslandschweizer, im Zustand der bewaffneten Neutralität nur die unter 43jährigen Militärdicnsttauglichen aus Ländern unter die Fahnen gerufen, die der Bundesrat zu gegebener Zeit bezeichnen wird. Greift ein Krieg auf unser Land über, so haben alle Schweizer ihre Person zur Verfügung des Landes zu stellen und, soweit es in ihren Kräften steht, zur Verteidigung des Landes beizutragen (Art.202 der Militärorganisation). In diesem äussersten Fall kann ein Aufgebot zu militärischem Einsatz auch an alle wehrpflichtigen Auslandschweizer ergehen.

In diesem Zusammenhang sind auch die Vorschriften über die militärischen Kontrollen über die Auslandschweizer zu würdigen. Diese haben sich vom Rekrutierungsalter an bis zum Ende ihrer Wehrpflicht bei der zuständigen Auslandvertretung an- und abzumelden und ihr allfällige Adressänderungen bekanntzugeben; sie haben militärischen Auslandurlaub einzuholen und ihn periodisch erneuern zu lassen.

Wie für den Schweizerbürger im Inland, der keinen Militärdienst leistet, tritt ebenfalls für den Auslandschweizer an dessen Stelle grundsätzlich der Militärpflichtersatz. Durch Bundesgesetz vom 12,Juni 1959 über den Militärpflichtersatz ist dagegen die Pflicht zur Leistung der Ersatzabgabe für Schweizer im Ausland eingeschränkt worden. Darnach sind alle Wehrpflichtigen, die in einem Jahr mehr als sechs Monate im Ausland wohnen und militärisch ordnungsgemäss beurlaubt sind, vom Militärpflichtersatz befreit, wenn sie zu Beginn des Jahres bereits seit mehr als acht Jahren (im Landwehr- oder Landsturmalter: seit mehr als fünf Jahren) im Ausland wohnen. Die neue Befreiungsvorschrift hat bewirkt, dass statt bisher 42 000 Auslandschweizer nur noch 17 500 zur Ersatzabgabe herangezogen werden.

Weil auch im Gebiet der Wehrpflicht die mehrfache
Staatsangehörigkeit eine Quelle von Schwierigkeiten bildet, soll auf diese Seite besonders eingegangen werden. Da jeder Heimatstaat den Doppelbürger für den Militärdienst beanspruchen kann, ohne auf eine andere Staatsangehörigkeit Rücksicht zu nehmen, ergeben sich für den Einzelnen, der identischen und oft unvereinbaren Ansprüchen zweier Heimatstaaten gegenübersteht, mitunter schwerwiegende Konflikte. Der Staat hat es jedoch in der Hand, solche Konflikte im Rahmen der nationalen Gesetzgebung zu mildern, Die Schweiz hat von dieser Möglichkeit weitgehend Gebrauch gemacht. Der Doppelbürger, der in der Schweiz wohnt, hat zwar grundsätzlich die schweizerische Wehrpflicht zu erfüllen. Da aber der Militärdienst wegen der damit verbundenen besondern Treuepflicht nur in einem Staat geleistet werden sollte, gilt

421

seit der Jahrhundertwende die Praxis (heute Art. 3 des Beschlusses der Bundesversammlung vom S.Dezember 1961), dass ein Schweizerbürger, der zugleich die Staatsangehörigkeit eines fremden Staates besitzt und in der Armee dieses Staates Dienst geleistet hat, weder in die schweizerische Armee eingeteilt werden noch in ihr eingeteilt bleiben kann. Die betreffenden Doppelbürger sind unter bestimmten Voraussetzungen auch nicht ersatzpflichtig; sie bleiben aber den militärischen Kontrollpflichten unterstellt. Fremder Militärdienstist dem Schweizer ohne Erlaubnis des Bundesrates, die aus Neutralitätsgründen schon seit langem nicht mehr erteilt wird, verboten; der Dienst in der päpstlichen Schweizergarde in Rom gilt nicht als fremder Militärdienst. Die Fälle junger Schweizer, die sich, wenn auch in abnehmender Zahl, z.B. immer noch für die französische Fremdenlegion anwerben lassen, werden den Militärgerichten zugewiesen. Für Doppelbürger, die in ihrem zweiten Hcimatstaat wohnten und sich dort der Dienstpflicht nicht oder nur unter gewissen Nachteilen entziehen konnten, brachte das Verbot beträchtliche Härten mit sich. Das Bundesgesetz vom 21. Dezember 1950 betreffend die Änderung des Militärstrafgesetzes und der Militärstrafgerichtsordnung hat hier Abhilfe geschaffen ; der Schweizer, der noch eine andere Staatsangehörigkeit besitzt, im ändern Staate niedergelassen ist und dort Militärdienst leistet, bleibt straflos (Art. 94, Abs. 2 des Militärstrafgesetzes).

Dem Postulat, wonach der Doppelbürger nur in einem seiner Heimatstaaten Militärdienst leisten soll, wird zudem durch die Vorschrift Rechnung getragen, dass Schweizer, die noch ein anderes Bürgerrecht besitzen und die im zweiten Heimatstaate wohnen, auch nicht auf Grund freiwilliger Meldung für die schweizerische Armee ausgehoben oder zu schweizerischem Militärdienst zugelassen werden dürfen.

Ausserdem hat die Eidgenossenschaft auch im Wege staatsvertraglicher Abmachungen mit den USA, Frankreich, Argentinien und Kolumbien die mehrfache militärische Inanspruchnahme der Doppelbürger einschränken können.

Eine besondere Schwierigkeit besteht hinsichtlich der Vereinigten Staaten von Amerika. Die USA ziehen grundsätzlich auch Ausländer, die mit einem Einwanderungsvisum ins Land gelangt sind, zur Militärdienstleistung heran (Einwohnerdienst, gestützt auf
die Erfahrung, dass der Einwanderer aller Regel nach über kurz oder lang die amerikanische Staatsangehörigkeit erwerben wird). Für den Schweizer, der sich im amerikanischen Rekrutierungsalter von 18 Vi bis 26 Jahren mit einem Immigrationsvisum nach Amerika begibt, entsteht dadurch ein Dilemma. Entweder verstösst es gegen das schweizerische Verbot des fremden Militärdienstes und macht sich bei uns strafbar; oder er läuft Gefahr, sich die weitere Existenz in den USA zu verbauen. Das amerikanische Vorgehen widerspricht dem schweizerisch-amerikanischen Vertrag von 1850. Die schweizerischen Behörden sind seit Jahren bestrebt, eine Anpassung der amerikanischen Gesetzesbestimmungen an die völkerrechtlichen Verpflichtungen der USA zu erwirken. Es sollte möglich sein, eine Lösung zu finden. Bis auf weiteres konnte erreicht werden, dass den jungen Schweizern, die ein amerikanisches Aufgebot erhalten, von Fall zu Fall eine Suspendierung des Marschbefehls gewährt wird.

422 Die schweizerische Ordnung der Wehrpflicht, die nach dem Dargelegten den Mitbürgern im Ausland wesentliche Erleichterungen sowohl bei der persönlichen Dienstleistung als auch beim Militärpflichtersatz einräumt, kann aber naturgemäss nicht alle Kollisionen und Schwierigkeiten beseitigen. Das gilt einmal für die oft beträchtlichen Härten, die dem Schweizer, insbesondere dem im In- oder Ausland lebenden Doppelbürger, aus seiner Heranziehung zum Militärdienst durch ausländische Staaten entstehen können. Anlass zu Aussetzungen an der Ordnung der Wehrpflicht bildet in Auslandschweizerkreisen weniger der Grundsatz als die Art der Ausführung. Die Schwierigkeiten sind, etwas vereinfachend ausgedrückt, vor allem psychologischer Natur. Während für den diensttauglichen Bürger im Inland die Wehrpflicht in der Regel die Form des persönlich geleisteten Militärdienstes annimmt, wird sie beim Auslandschweizer zumeist nur in der Gestalt von administrativen Massnahmen sichtbar, deren Sinn nicht immer erfasst wird. Deshalb wird immer wieder eine Anpassung der militärischen Kontrollvorschriften an die besonderen Verhältnisse der Auslandschweizer verlangt. Viele Auslandschweizer empfinden den Militärpflichtersatz als eine «Doppelsteuer», die zu den Einkommenssteuern im Aufenthaltsstaat hinzukommt. Trotz Verbesserungen habe das Bundesgesetz vom 12. Juni 1959 eine Mehrbelastung der jungen Jahrgänge gebracht und den « Steuer »Charakter nicht beseitigt. Vor allem bedeute der Militärpflichtersatz für den einzelnen ihm unterstellten Auslandschweizer wirtschaftlich eine zusätzliche Belastung seines Einkommens, die im jungen Wehrpflichtalter, d. h. in der Zeit der Ausbildung und des Aufbaus einer Existenz am stärksten fühlbar sei. Von verschiedenen Seiten wird daher seit Jahrzehnten die Aufhebung der «Steuerpflicht »für Wehrpflichtige im Ausland und die Ersetzung durch eine gestaffelte Pauschalabgabe befürwortet. Auch die Anregung, den von den Auslandschweizern bezahlten Militärpflichtersatz zurÄufnungeinesFondsfür die Unterstützung von in Notlage geratenen Mitbürgern oder allgemein für die Förderung der Auslandschwcizerinstitutionen zu verwenden, ist stets wieder aufgegriffen worden.

Anderseits steht fest, dass diese Begehren neben vielen anderen erst vor wenigen Jahren, bei der Vorbereitung und Beratung des heute in
Kraft stehenden Militärpflichtersatzgesetzes vom 12. Juni 1959, in Expertenkommissionen, im Bundesrat und in den eidgenössischen Räten Gegenstand einlässlicher Prüfung gewesen sind.

V. Fürsorge Im internationalen Verhältnis besteht keine allgemeine völkerrechtliche Pflicht zur Unterstützung von Ausländern. Desgleichen hat der Heimatstaat keine allgemeine völkerrechtliche Verpflichtung, seine Bürger im Ausland zu unterstützen. Die strenge Durchführung dieser Grundsätze würde zu grossen Schwierigkeiten und Härten führen. Rücksichten der Menschlichkeit, der öffentlichen Ordnung und der allgemeinen Gesundheit machen es den Wohnsitzstaaten zur Pflicht, für die auf ihrem Gebiet in Not geratenen Personen solange zu sorgen, bis ihre Heimschaffung in den Heimatstaat oder ihre Ausreise in einen Drittstaat möglich und zumutbar ist.

423

In mehreren Ländern (vor allem in unseren Nachbarstaaten) zeichnet sich die Tendenz ab, die Fürsorge im internationalen Verhältnis dem Wohnsitzprinzip zu unterstellen. So haben alle Mitglieder des Europarates, mit Ausnahme Österreichs, der Schweiz und Zyperns, die am l I.Dezember 1953 in Paris abgeschlossene europäische Konvention über sozialen und medizinischen Beistand ratifiziert. Die Angehörigen dieser Staaten fallen grundsätzlich unter die Sozialgesetzgebung des Gastlandes, sofern es ebenfalls Mitglied der Konvention ist.

Es fehlte auch schweizeriscberseits nicht an Bestrebungen, die Stellung unserer Landsleute im Ausland gegenüber der gegebenen Rechtslage durch staatsvertragliche Vereinbarungen zu verbessern und zugleich die Unterstützung der bei uns lebenden Ausländer zu regeln. In diesem Sinne hat die Schweiz versucht, mit verschiedenen Staaten, namentlich mit den Nachbarländern, eine zeitlich und im Personenkreis mehr oder weniger beschränkte Gleichbehandlung ihrer Staatsangehörigen zu erreichen, sei es in besonderen Fürsorgeabkommen, sei es in Verbindung mit dem Abschluss von Niederlassungsverträgen. Zu jenen gehören die Abkommen mit Frankreich von 1931 und mit der Bundesrepublik Deutschland von 1952. Nach diesen Abkommen sind die im ändern Staat lebenden Angehörigen im Bedarfsfalle von diesem wie eigene Bürger zu unterstützen. Dabei hat der Aufenthaltsstaat die Unterstützungskosten während einer bestimmten Zeitspanne, in der Regel während 30 Tagen, zu tragen, während die zusätzlichen Auslagen vom Heimatstaat zu ersetzen sind. Von geringerer Tragweite sind weitere Abkommen, insbesondere mit Belgien, Finnland, Italien, Österreich und Portugal, die sich auf die Regelung der ersten Unterstützung und der Heimschaffung beschränken.

Für die Betreuung ihrer Bürger im Ausland sehen Belgien, Dänemark, Italien, Österreich und Norwegen eine Regelung von Fall zu Fall vor. Sie überlassen ihren diplomatischen und konsularischen Vertretungen den Entscheid, in Notfällen mit kleineren Beträgen aus öffentlichen Mitteln eine vorübergehende Unterstützung zu leisten. In den Niederlanden soll 1965 ein «Allgemeines Beistandsgesetz» in Kraft treten, das der Gewährung von Hilfe an Staatsangehörige im Ausland eine gesetzliche Grundlage geben wird. Demgegenüber wird in der Bundesrepublik Deutschland die Betreuung
hilfsbedürftiger Deutscher im Ausland und solcher Hilfsbedürftiger im Inland, die aus dem Ausland heimgeschafft wurden, von den Landesfürsorgeverbänden übernommen. Frankreich überträgt die Betreuung nach Möglichkeit den französischen Hilfsgesellschaften ; für Heimschaffungskosten steht dem Aussenministerium ein Kredit zur Verfügung.

Nach schweizerischer Rechtsordnung ist die Öffentliche Fürsorge Sache der Kantone, da keine Verfassungsbestimmung diese Aufgabe dem Bund überträgt.

Aus Artikel 45, Absatz 3 der Bundesverfassung ist sodann zu folgern, dass mindestens für die dauernde Unterstützung eines Schweizerbürgers der Heimatkanton zuständig ist.

Diese Ordnung der Zuständigkeit hat verschiedene Unzukömmlichkeiten.

Einmal sind die Kantone grundsätzlich nicht verpflichtet, ihre Angehörigen im Ausland zu unterstützen, sondern nur, sie aufzunehmen. In der Praxis gewähren sie aber oft ihren im Ausland wohnhaften Angehörigen Unterstützungen, weil

424

damit in der Regel die Heimschaffung mit ihren Härten vermieden werden kann.

Sodannf ührt die bestehende Ordnung zu einer unterschiedlichen Behandlung der Auslandschweizer je nach ihrer Kantonszugehörigkeit, wobei die finanzielle Lage des Kantons und der Heimatgemeinde eine Rolle spielt.

Mit Eingabe vom 20. September 1957 ersuchte daher die Konferenz der kantonalen Fürsorgedirektoren den Bundesrat, die Frage der Übernahme der Fürsorgekosten der Auslandschweizer durch den Bund zu prüfen. Zur Begründung des Begehrens wurde im wesentlichen darauf hingewiesen, die Auslandschweizer fühlten sich vor allem als Schweizerbürger und nicht als Angehörige eines bestimmten Kantons. Es werde deshalb nicht verstanden, dass die Unterstützung der Auslandschweizer, die unter den gleichen Bedingungen lebten, je nach der Kantonszugehörigkeit sehr unterschiedlich sei. Auch die Vertreter der Schweizervereine im Ausland wiesen immer wieder auf die Wünschbarkeit einer Vereinheitlichung der Unterstützungsgrundsätze hin.

Diese Eingabe ist noch hängig. Sie berührt die verfassungsmässige Ordnung der Fürsorge, die heute Sache der Kantone ist.

Von der Frage der ordentlichen Fürsorge und der Subventionen an Unterstützungsvereine ist jene von ausserordentlichen Hilfsmassnahroen zugunsten der infolge der Rriegsereignisse in Not geratenen Auslandschweizer und Rückwanderer zu unterscheiden, welche die Auslandschweizer wie auch die Behörden sowohl nach dem Ersten wie auch nach dem Zweiten Weltkrieg immer wieder lebhaft beschäftigte. Davon zeugen die häufigen Debatten an den Auslandschweizertagen wie auch die zahlreichen in den eidgenössischen Räten unternommenen Vorstösse. Massgebend ist heute auf diesem Gebiet der Bundesbeschluss vom 13. Juni 1957 über eine ausserordentliche Hilfe an Auslandschweizer und Rückwanderer, die infolge des Krieges von 1939 bis 1945 Schäden erlitten haben. Unabhängig von diesem Bundesbeschluss verfügt der Bund zusätzlich über einen besondern Kredit zugunsten von Auslandschweizern, die infolge allgemeiner politischer Zwangsmassnahmen in eine Notlage geraten sind. Schliesslich sei auch hier die Bundesgarantie an den Solidaritätsfonds der Auslandschweizer erwähnt.

VI. Übrige Rechtsgebiete In den übrigen hier interessierenden Rechtsgebieten (wie namentlich in der Sozialversicherung, im Steuer- und Zollrecht
sowie im Zahlungsverkehr) spielt die Staatsangehörigkeit eine eher untergeordnete Rolle. Grundsätzlich gilt das Wohnsitzprinzip, wobei jedoch auch hier Ausnahmen zu verzeichnen sind.

1. Sozialversicherung Viele Auslandschweizer sind auf Grund ihres Wohnsitzes im Ausland und der dort ausgeübten Beschäftigung der Sozialversicherung ihres Gastlandes obligatorisch unterstellt.

Von besonderer Bedeutung für die Auslandschweizer sind die schweizerische Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) sowie die Invalidenversicherung (IV). Gemäss Artikel 2 des AHV-Gesetzes vom 20. Dezember 1946 und

425

Artikel l des Invalidenversicherungsgesetzes vom 19. Juni 1959 können die Auslandschweizer obligatorisch oder freiwillig der AHV/IV angeschlossen sein, obligatorisch allerdings nur jene, die wohl im Ausland wohnen, aber in der Schweiz arbeiten oder für einen Arbeitgeber in der Schweiz im Ausland tätig sind und von diesem entlöhnt werden. Der freiwilligen Versicherung können dagegen die bei der AHV nicht obligatorisch versicherten Auslandschweizer grundsätzlich bis zur Vollendung ihres 40. Altersjahres beitreten. Diese Regelung beruht auf dem Heimatprinzip.

Der freiwillig Versicherte hat die gleichen Beiträge für die AHV/IV zu entrichten wie der obligatorisch Versicherte, nicht aber die Beiträge an die Erwerbsersatzordnung. Das bedeutet für freiwillig versicherte Auslandschweizer, dass sie sowohl die Arbeitnehmer- wie auch die Arbeitgeberbeiträge von je 2,2 Prozent oder im ganzen 4,4 Prozent zu entrichten haben. Wegen dieser im Vergleich zum obligatorisch versicherten Arbeitnehmer in der Schweiz doppelten Beitragszahlung (wozu noch unter Umständen die Abgaben an die ausländische Sozialversicherung hinzukommen) traten nicht wenige Auslandschweizer nach einigen Jahren der Zugehörigkeit aus der freiwilligen AHV/IV aus oder wurden wegen Nichtbezahlung der Beiträge trotz Mahnung ausgeschlossen, was den Verlust ihrer Anwartschaft zur Folge hatte. Seit dem I.Januar 1964 bleibt jedoch der erworbene Rentenanspruch gewahrt, auch wenn ein Auslandschweizer von der freiwilligen Versicherung zurückgetreten ist oder ausgeschlossen wurde (mit Ausnahme in der Invalidenversicherung).

Die freiwillig Versicherten erhalten grundsätzlich die gleichen Versicherungsleistungen wie die der obligatorischen Versicherung angehörenden Schweizerbürger. Schweizer im Ausland, denen bei der Einführung der AHV die freiwillige Versicherung nicht mehr offenstand, namentlich weil sie das Rentenalter schon erreicht hatten, erhatten unter bestimmten wirtschaftlichen Voraussetzungen beitragslose ausserordentliche Renten.

Die besondere Bedeutung der freiwilligen AHV/IV für die Schweizer im Ausland geht unter anderem daraus hervor, dass am 3I.Dezember 1964 nicht weniger als 26 550 Auslandschweizer freiwillig versichert waren und gleichzeitig die Zahl der Rentenbezüger sich auf 27 248 belief. Im selben Jahr haben die frei-wilh'g Versicherten
7 Millionen Franken an Beiträgen bezahlt, während 49,6 Millionen für AHV-Renten und gegen 1,6 Millionen für IV-Renten ausgerichtet wurden. Gesamthaft hat sich die freiwillige AHV/IV segensreich zugunsten der Auslandschweizer ausgewirkt. Sie hatte z.B. zur Folge, dass die Unterstützungsfälle im Ausland zurückgingen.

Unmittelbar nach Einführung der AHV/IV hat sich die Schweiz in die seit dem zweiten Weltkrieg feststellbare ausserordentliche Entwicklung der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Sozialversicherung eingeschaltet.

So wurden Gegenseitigkeitsabkommen abgeschlossen mit Italien und Frankreich 1949, Österreich und der Bundesrepublik Deutschland 1950, Italien 1951 (I.Revision), Belgien 1952, Grossbritannien 1953, Schweden, Dänemark und Liechtenstein 1954, Luxemburg 1955, den Niederlanden 1958, der Tschechoslo-

426

wakei und Spanien 1959, Italien 1962 (2. Revision), Jugoslawien 1962, der Bundesrepublik Deutschland 1964 (I.Revision).

Diese Abkommen haben unseren Mitbürgern in den Vertragsstaaten entscheidende Vorteile gebracht, so ihre Gleichstellung mit den Angehörigen der Partnerstaaten in bezug auf die vollen Versicherungsleistungen, die Sicherung der erworbenen Ansprüche aus der Renten- und Unfallversicherung beim Übertritt von der Versicherung des einen in diejenige des ändern Vertragsstaates, die uneingeschränkte Zahlung der ausländischen Versicherungsleistungen (mit Ausnahme der nordischen Staaten) nach der Schweiz und gegebenenfalls auch nach Drittstaaten, die ungehinderte Durchführung der freiwilligen AHV/IV für die Auslandschweizer auf dem Gebiete der Vertragsstaaten. Endlich trachtet die neuere Staatsvertragspraxis danach, den Übertritt von der Krankenversicherung des einen in diejenige des ändern Vertragsstaates durch Beseitigung der bestehenden Karenzfristen und Aufhebung der Altersgrenze zu erleichtern.

2. Steuerrecht Auch die Steuerpflicht wird grundsätzlich vom Wohnsitzprinzip beherrscht : aus der persönlichen Zugehörigkeit des Pflichtigen zu einem Gemeinwesen auf Grund seines Wohnsitzes oder Aufenthaltes ergibt sich die unbeschränkte Steuerpflicht, Eine an die Staatsangehörigkeit anknüpfende, unbeschränkte Steuerpflicht ist dem schweizerischen Recht mit einer Ausnahme fremd: nach dem geltenden Steuergesetz des Kantons Tessin sind Ausland-Tessiner für das gesamte Vermögen und den Ertrag voll steuerpflichtig.

Vom Standpunkt des Steuerrechts des Bundes und der übrigen Kantone sind die Auslandschweizer als im Ausland wohnhafte Personen in der Schweiz nicht unbeschränkt steuerpflichtig, es sei denn, sie halten sich längere Zeit in der Schweiz auf (Wehrsteuer: im allgemeinen sechs Monate, bei Aufenthalt im eigenen Haus drei Monate).

Bedeutsam für unsere Mitbürger im Ausland ist die Ausgestaltung der beschränkten Steuerpflicht in der Schweiz auf Grund der wirtschaftlichen Zugehörigkeit. Sie bezieht sich nach dem Abgaberecht des Bundes und der Kantone in erster Linie auf in der Schweiz gelegenes Grundeigentum, auf Forderungen, die durch Grundstücke in der Schweiz sichergestellt sind, auf Betriebsstätten in der Schweiz und auf Beteiligungen an Personengesellschaften sowie die Erträge daraus, ferner
auf Einkünfte aus einer vorübergehend in der Schweiz ausgeübten Erwerbstätigkeit.

Die Verrechnungssteuer wird an der Quelle auf Erträgen aus beweglichem Kapitalvermögen (Dividenden schweizerischer Gesellschaften, Zinsen auf inländischen Obligationen) sowie auf Kundenguthaben (Sparhefte bei inländischen Banken) erhoben. Inländern, welche die an der Quelle besteuerten Erträge und die Vermögenswerte, aus denen sie stammen, in der Steuererklärung deklarieren, wird die Verrechnungssteuer angerechnet oder erstattet. Demgegenüber stellt die Verrechnungssteuer für die im Ausland ansässigen Personen eine endgültige Belastung dar, weil diese und damit auch die Auslandschweizer für

427

ihre schweizerischen Wertschriften oder Bankguthaben und den Ertrag daraus der Steuerpflicht in der Schweiz nicht unterliegen. Durch Entrichtung der Verrechnungssteuer leisten sie einen Beitrag an die Deckung der Ausgaben des Bundes. Verschiedentlich wurde von Seiten der Auslandschweizer wie auch aus schweizerischen Bankkreisen vorgeschlagen, die Verrechnungssteuer entweder dem Auslandschweizer zurückzuerstatten oder für besondere Auslandschweizerzwecke zu verwenden. In der Botschaft betreffend den Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer vom 18. Oktober 1963 hatten wir Gelegenheit darzulegen, warum diesem Begehren nicht Folge geleistet werden kann (BB1 1963 II 964). Immerhin wird die Verrechnungssteuer an gemeinnützige Institutionen der Auslandschweizer mit Sitz im Ausland zurückerstattet.

In der Regel besteuert der Wohnsitzstaat eines Auslandschweizers dessen gesamtes Einkommen und Vermögen, mit Einschluss der schweizerischen Kapitalanlagen und Einkünfte daraus; diese Anlagen unterliegen aber - wie wir gesehen haben - unter Umständen auch schweizerischen Steuern. Auch auf dem Gebiete der Erbschaftssteuern kann es zu ähnlichen Überschneidungen kommen.

Die Bundesbehörden sind deshalb bemüht, derartige Doppelbesteuerungen durch den Abschluss von Staatsverträgen zu vermeiden oder doch wesentlich zu mildern.

Heute bestehen umfassende Doppelbesteuerungsabkommen mit Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, Finnland, Frankreich, Grossbritannien, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Pakistan, Schweden, Ungarn und den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Doppelbesteuerungsabkommen teilen die verschiedenen Steuerobjekte entweder einem der beiden Vertragsstaaten unter Ausschluss des ändern fest zu oder sehen vor, dass der Wohnsitzstaat die im Quellenstaat oder am Ort der gelegenen Sache erhobenen Steuern an seine eigenen anrechnet.

Die Doppelbesteuerungsabkommen werden in erster Linie zum Schutz der weltweiten Interessen der schweizerischen Wirtschaft abgeschlossen. Dank diesen Vereinbarungen werden aber auch die Auslandschweizer in den betreffenden Ländern, d.h. drei Fünftel aller Landsleute im Ausland, die Vermögenswerte in der Schweiz besitzen und deshalb von der Verrechnungssteuer betroffen werden, hievon ganz oder teilweise entlastet, wenn sie die vorgesehenen Bedingungen erfüllen.
3, Zahlungsverkehr Auf dem Gebiete des internationalen Zahlungsverkehrs wird auf den Wohnsitz abgestellt. Soweit es in der Macht der schweizerischen Behörden steht, wird den Interessen der Auslandschweizer stets Rechnung getragen. So gewährt der Bundesratsbesclüuss vom 17. Dezember 1956 über den gebundenen Zahlungsverkehr mit dem Ausland, der heute nur noch auf wenige Länder anwendbar ist, den Auslandschweizern weitergehende Rechte als den Nichtschweizern.

Ausserdem trachten die zuständigen schweizerischen Behörden immer danach, soweit nötig in den Zahlungsabkommen für den Rückwanderertransfer eine befriedigende Regelung vorzusehen. Gleich verhält es sich mit der Wahrung der Auslandschweizer-Interessen in den Abkommen betreffend die Entschädigung

428

für Nationalisierungs- und ähnliche Massnahmen. Diese Vergünstigungen können jedoch die den Auslandschweizern aus der einschränkenden Devisengesetzgebung ihres Wohnsitzstaates erwachsenden Schwierigkeiten nicht beseitigen. Es bleibt eine Aufgabe des Bundes, die Interessen der Auslandschweizer auf dem Gebiete des internationalen Zahlungsverkehrs gegenüber zahlreichen Staaten, die Einschränkungen erlassen haben, nach Möglichkeit zu wahren.

4. Grundstückerwerb in der Schweiz Der Bundesbeschluss vom 23. März 1961 über die Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland bezweckt, einer volkswirtschaftlich schädlichen Ausbreitung ausländischen Eigentums an Schweizer Boden entgegenzuwirken und dem Schweizervolk das Recht an seinem Boden zu erhalten. Die im geltenden Bundesbeschluss getroffene Regelung fusst auf den vom Bundesrat in seiner Botschaft vom 15. November 1960 dargelegten völkerrechtlichen Überlegungen, dass mit Rücksicht auf bestehende Staatsverträge zwischen der Schweiz und verschiedenen ändern Ländern und zur Vermeidung einer Diskriminierung von Ausländern gegenüber den Schweizerbürgern als Anknüpfungspunkt für die Unterstellung unter die Bewilligungspfltcht nicht die ausländische Staatsangehörigkeit, sondern vielmehr der ausländische Wohnsitz massgebend sein soll. Deshalb wurden auch die Schweizer im Ausland dem Bewilligungsverfahren unterstellt. Auf Grund von Anträgen aus dem Schoss der eidgenössischen Räte wurden indessen im Bundesbeschluss von 1961 von der Bewilligungspflichtfür den Grundstückerwerb unter anderem jene natürlichen Personen ausgenommen, die in der Schweiz geboren sind und hier während wenigstens fünfzehn Jahren gewohnt haben.

Da die Geltungsdauer des Bundesbeschlusses von 196t bis zum 31.Dezember 1965 befristet ist, unterbreitete der Bundesrat den eidgenössischen Räten mit Botschaft vom 27. November 1964 eine neue Vorlage, die eine wiederum befristete Verlängerung der geltenden Ordnung zum Gegenstand hat. Zurzeit steht das Geschäft bei den eidgenössischen Räten in Prüfung.

Dritter Teil Die Einführung eines Verfassungsartikels über die Schweizer im Ausland A. Der Vorentwurf des Bundesrates vom 9. Dezember 1963

/. Vorgeschichte Obschon es seit Bestehen des Bundesstaates, namentlich aber seit der Totalrevision der Bundesverfassung von 1874, immer wieder zu teilweise sogar heftigen Auseinandersetzungen über die rechtliche und staatspolittsche Stellung der Auslandschweizer gekommen ist, trat die Frage einer Verfassungsänderung zugunsten der «Fünften Schweiz» verhältnismässig selten in den Vordergrund.

429

Eine - allerdings auf ein Einzelproblem beschränkte - Diskussion der Verfassungsfrage ergab sich 1874, als in die Bundesverfassung eine Bestimmung (Artikel 34, Absatz 2) über die Auswanderungsagenturen aufgenommen wurde.

Im Jahre 1925, bei der Debatte über die Geschäftsführung (Postulat Vigizzi), warf der Bundesrat die Frage auf, ob nicht für die Gewährung des Stimmrechts an die im Ausland niedergelassenen Schweizer eine Verfassungsrevision erforderlich wäre. Am Auslandschweizertag 1926 wurde dieselbe Frage aufgegriffen. Die Verfassungsfrage kam ferner bei den Auseinandersetzungen über die Hilfe an die im Ersten und Zweiten Weltkrieg geschädigten Auslandschweizer mehrmals zur Sprache. So wurde erörtert, ob und inwieweit der Bund eine derartige Hilfe ohne ausdrückliche Kompetenzzuteilung in der Verfassung gewähren könne.

Am 23.Dezember 1953 reichte Nationalrat Vontobel eine Motion ein, in der er die verfassungsmässige Gewährleistung des diplomatischen Schutzes für Auslandschweizer forderte. Die Motion wurde am I.Oktober 1954 in ein Postulat umgewandelt. Endlich hat der Nationalrat am 3. März 1965 ein Postulat angenommen, worin er eine beschleunigte Behandlung der Vorarbeiten zum Verfassungsartikel über die Auslandschweizcr verlangt.

Ein systematisches Eindringen in die ganze Verfassungsproblematik, die den Auslandschweizerfragen eigen ist, lässt sich besonders in den letzten Jahren feststellen. Immer deutlicher ist der Gedanke durchgedrungen, dass sich eine befriedigende, umfassende Lösung kaum ohne Verfassungsrevision verwirklichen lasse. Nach eingehenden, innerhalb der Bundesverwaltung durchgeführten Vorabklärungen, an denen sich auch unsere Aussenvertretungen beteiligten, unterbreitete das Politische Departement am 15. Januar 1959 der Auslandschweizerkommission der Neuen Helvetischen Gesellschaft zwei Fragen, nämlich: 1. Erachten Sie es als wünschenswert, dass die Bundesverfassung durch eine Bestimmung über die Auslandschweizer ergänzt wird ?

Welche Gründe (rechtlicher, politischer, psychologischer Art) halten Sie in positiver wie in negativer Hinsicht als besonders stichhaltig?

2, Wenn Sie die erste Frage bejahen: Wie sollte ein solcher Verfassungsartikcl Ihrer Auffassung nach lauten ?

Die Auslandschweizerkommission der Neuen Helvetischen Gesellschaft erstattete dem Departement am 16. September 1960 einen Bericht, der auf den Debatten am Auslandschweizertag 1959 sowie auf Vorschlägen der Herren Professoren Dr.W.Kagi, Zürich, und Dr.H.Zwahlen, Lausanne, sowie Dr. G.

Schürch, Präsident der Kommission, Bern, fusste. Darin wurde in eingehender Weise dargetan, wie sehr ein Verfassungsartikel für Auslandschweizer erwünscht sei. Die Neue Helvetische Gesellschaft schlug folgenden als Artikel 45Wa ge_ dachten Text vor: Der Bund festigt die Stellung der Schweizer im Ausland und fördert ihre Beziehungen unter sich und zur Heimat im Rahmen der Verfassung und des Völkerrechts.

Er ist befugt, private oder öffentliche Unternehmungen, insbesondere Selbsthilfewerke der Auslandschweizer, welche dieser Aufgabe dienen, zu unterstützen.

Der Bund gewährt den Schweizerbürgern diplomatischen Schutz. Er wahrt gegenüber fremden Staaten die berechtigten Interessen der Schweizerbürger und notfalls deren Ansprüche auf Wiedergutmachung.

430

Der Bund kann Auslandschweizern, die in Notzeiten und Katastrophen unverschuldet ihre Existenz verloren haben, aus eigenen Mitteln zum Wiederaufbau Hilfe leisten.

Es ist Sache der Bundesgesetzgebung zu bestimmen, in welchem Urnfang, unter welchen Voraussetzungen und an welchem Ort die Auslandschweizer ihre politischen Rechte in eidgenössischen Angelegenheiten ausüben können.

Der Bund berücksichtigt auch in der übrigen Gesetzgebung die besonderen Verhältnisse der Auslandschweizer.

Das Problem wurde an den Auslandschweizertagen 1961, 1962, 1963 behandelt. Auf Grund des Ergebnisses der Tagung 1962 unterbreitete die Auslandschweizerkommission der Neuen Helvetischen Gesellschaft einen neuen Vorschlag: Der Bund berücksichtigt in seiner Gesetzgebung und Verwaltung die besonderen Bedürfnisse der Auslandschweizer; im Rahmen von Verfassung und Volkerrecht trifft er in Verbindung mit den Organisationen der Auslandschweizer geeignete Massnahroen zur Festigung ihrer Stellung und zur Förderung ihrer Beziehungen unter sich und zur Heimat.

Darauf ersuchte das Politische Departement unter anderem die Herren Dr. H. Kühn, alt Chef der Justizabteilung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, und Professor Dr. H. Huber, Ordinarius für Staats- und Völkerrecht an der Universität Bern, um gutachtliche Äusserungen.

Die Ergebnisse dieser Prüfungen veranlassten uns am 9. Dezember 1963, folgenden vom Politischen Departement unterbreiteten Vorentwurf zu einem Verfassungsartikel über die Auslandschweizer als Diskussionsgrundlage zu genehmigen : Der Bund ist befugt, die Beziehungen der Auslandschweizer unter sich sowie zur Heimat und die diesem Ziel dienenden Institutionen zu fördern. Er kann in Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse der Auslandschweizer die zur Regelung ihrer Rechte und Pflichten erforderlichen Bestimmungen erlassen, namentlich über die Erfüllung der Wehrpflicht und die Gewährung politischer Rechte sowie auf dem Gebiete der Unterstützung. Die Kantone sind vorgängig anzuhören.

Gleichzeitig beauftragten wir das Politische Departement, die Stellungnahme der Kantonsregierungen und der politischen Parteien einzuholen. Ebenso wurden die wichtigsten Wirtschaftsverbände und die Auslandschweizerkommission der Neuen Helvetischen Gesellschaft eingeladen, ihre Bemerkungen zum Vorentwurf bekanntzugeben.
77. Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens in grundsätzlicher Hinsicht Von einer Ausnahme abgesehen, haben alle Kantone geantwortet. Sie stimmen dem Grundsatz der Einführung eines Verfassungsartikels zu. Mehrere von ihnen anerkennen zudem ausdrücklich, dass eine verfassungsmässige Grundlage notwendig sei, wenn man die rechtliche Lage der Schweizer im Ausland verbessern wolle. Daneben wird auch die grosse psychologische Bedeutung, die ein Verfassungsartikel für die Auslandschweizer hätte, unterstrichen.

Der Verfassungstext selbst und sein Aufbau finden mit einer Ausnahme die Billigung aller Kantone. Bern und Solothurn erklären dazu noch ausdrücklich,

431 dass der Entwurf des Politischen Departements jenem der Neuen Helvetischen Gesellschaft vom 16. September 1960 vorzuziehen sei.

Die politischen Parteien, die sich im Vernehmlassungsverfahren geäussert haben, sprechen sich ebenfalls zugunsten des Erlasses eines Verfassungsartikels und des vorgeschlagenen Textes aus. Allerdings regt der Landesring der Unabhängigen unter Hinweis auf das Postulat Vontobel vom I.Oktober 1954 an, folgenden Absatz dem Text des Vorentwurfes vom 9. Dezember 1963 voranzusetzen: Der Bund wahrt die berechtigten Interessen geschädigter Schweizer gegenüber fremden Staaten. Er ist ermächtigt, aus allgemeinen Bundesmitteln Hilfe zum Wiederaufbau der Existenz zu gewähren, besonders wenn es sich um Existenzen handelt, die durch schädigende Massnahmen ausländischer Behörden zerstört worden sind.

Von den angefragten Wirtschafts- und Berufsverbänden erhebt keiner Einwendungen gegen die geplante Verfassungsrevision. Die meisten von ihnen sprechen sich positiv dafür wie auch für den vom Politischen Departement vorgeschlagenen Verfassungstext aus.

Die Auslandschweizerkommission der Neuen Helvetischen Gesellschaft erklärte am 6. April 1964 ihr grundsätzliches Einverständnis mit dem Vorentwurf, schlägt aber folgenden Text vor : Der Bund fördert die Beziehungen der im Ausland lebenden Schweizerbürger unter sich sowie zur Heimat und die diesem Ziel dienenden Institutionen, Der Bund berücksichtigt die besondern Verhältnisse dieser Mitbürger und er erlässt die zur Regelung ihrer Rechte und Pflichten erforderlichen Bestimmungen, namentlich über die Erfüllung der Wehrpflicht und die Ausübung der politischen Rechte sowie auf dem Gebiete der Unterstützung; die Kantone und die zuständigen Organisationen der Auslandschweizer sind vorgängig anzuhören.

Auf die von den angefragten Stellen aufgeworfenen Einzelfragen werden wir weiter unten eingehen.

B. Vorlage des Bundesrates /. Allgemeines Ob eine Verfassungsrevision für die Auslandschweizer nötig oder zum mindesten angezeigt sei, lässt sich nicht für alle Fragen gleich beantworten. Von vorneherein fallen hier alle jene Angelegenheiten ausser Betracht, die ausschliesslich auf der völkerrechtlichen Ebene, insbesondere auf staatsvertraglichem Wege, zu lösen sind. Dasselbe gilt für Fragen, für deren Regelung die Kantone, allenfalls die Gemeinden
zuständig sind und zuständig bleiben sollen (z. B. die Ausübung politischer Rechte in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten). Es gibt ausserdem Probleme, für die gewisse Kreise nach wie vor eine ausdrückliche Lösung in der Bundesverfassung befürworten, von denen wir glauben, dass sie auf anderem Wege geregelt werden müssen. Wir werden zunächst diesen Fragen unsere Aufmerksamkeit schenken und dann auf jene Punkte eingehen, die unserer Auffassung nach verfassungsmässig gelöst werden sollten.

432 II. Fragen, deren Regelung keiner Verfassungsrevision bedarf

1. Mitspracherecht Das Begehren um vermehrtes Mitspracherecht der Auslandschweizer geht im wesentlichen dahin, in Fragen der Gesetzgebung und der öffentlichen Verwaltung mitreden zu können, bevor Entscheidungen getroffen werden, die sie besonders berühren oder interessieren. Damit wollen unsere Mitbürger vermehrten Einfluss auf öffentliche Angelegenheiten nehmen. Während das Stimmrecht die Teilnahme des Einzelnen an der politischen Willensbildung ermöglichen würde, zielt die Einräumung des Mitspracherechts auf eine ständige Verbindung zwischen den Organisationen der Auslandschweizer und den heimatlichen Behörden ab.

Dieses Begehren fand seinen Ausdruck unter anderem in den seit 1918 bis heute abgehaltenen Auslandschweizertagen. So wurden schon 1926 eine engere Zusammenarbeit mit den Behörden und eine Beteiligung bei der Ausarbeitung von Handelsverträgen befürwortet. Auch die Jahr für Jahr zur Debatte gestellten Probleme, welche die Auslandschweizer direkt betrafen (z. B. AHV, Militarpflichtersatz, Solidaritätsfonds) oder die von allgemeinem Interesse für das Land waren (z. B. Beitritt der Schweiz zum Völkerbund, Landesverteidigung, Neutralität, Integration, Hilfe an Entwicklungsländer) beweisen, dass die Auslandschweizer ihre Ansichten zur Geltung bringen wollen. Diese Teilnahme am öffentlichen Leben äusserte sich aber nicht nur in der Aufstellung von Begehren, sondern auch in Akten freundeidgenössischer Solidarität. Wir erinnern nur an die 1936 durchgeführte Wehranleihe, an der sich die Auslandschweizer in namhafter Weise beteiligten, an die Schweizer Spende, für die unsere Mitbürger im Ausland über eine halbe Million Franken in bar und wertvolle Naturalspenden stifteten, sowie an die jährliche I.August-Sammlung, die von den Schweizervereinen im Ausland tatkräftig gefördert wird.

Die Frage geht dahin, ob das Mitspracherecht in irgendeiner Form in der Verfassung verankert werden soll, wie das vor allem die Auslandschweizerkommission der Neuen Helvetischen Gesellschaft vorgeschlagen hat, während andere Stellen wohl für eine vermehrte Befragung der Auslandschweizer in Angelegenheiten, die sie angehen, eintreten, ohne aber den Einbau dieses Grundsatzes in die Verfassung selbst zu empfehlen.

Der geplante Verfassungsartikel sieht vor, dass vor Erlass neuer Bestimmungen die Kantone anzuhören sind. Wohl
gehen die Wirtschaftsartikel (Art.31
433

den Artikeln 27ter, Absatz 2 (Filmwesen), Artikel 34«»»'«, Absatz 3 (Altersund Hinterlassenenversicherung) und Artikel 34«uln«llleB, Absatz 5 (Familienschutz) der Bundesverfassung vorgeschriebene Anhörung der zuständigen Organisationen vor dem Erlass der Ausführungsgesetze oder bei deren Vollzug.

Wir glauben nicht, dass es notwendig ist, im vorgesehenen Verfassungsartikel die Anhörung der Auslandschweizer ausdrücklich zu erwähnen. Würde eine derartige Befragung der interessierten Kreise vorgeschrieben, so wäre sie noch in manchen ändern Verfassungsartikeln am Platz. Sie ist aber dort nicht zu finden, und dies mit Recht. Die Verfassung soll sich jedenfalls in Verfahrensfragen auf das Unumgängliche beschränken, die Einzelheiten aber der Ausführungsgesetzgebung und Praxis überlassen. Wenn in der Bundesverfassung die Pflicht zur Anhörung der Kantone häufig erwähnt wird, so hat das seinen Grund in ihrer besondern Stellung gegenüber dem Bund. Sollte das Mitspracherecht der Auslandschweizer in den Verfassungsartikel aufgenommen werden, müsste man wohl auch den an diesen Fragen interessierten Inlandschweizerkreisen ein gleiches Recht einräumen, was sehr weit ginge. Die Auslandschweizcrkommission der Neuen Helvetischen Gesellschaft darf durchaus als repräsentative Vertretung betrachtet werden; die Überlegung des Kantons Basel-Stadt, es könne einmal Meinungsverschiedenheiten über die Frage geben, wer zur Vertretung der Interessen der Auslandschweizer befugt sei, erscheint uns aber trotzdem der Berücksichtigung wert.

Auch ohne ausdrückliche Erwähnung in der Verfassung besteht die Möglichkeit, bei gesetzlichen Erlassen und Staatsverträgen, deren Gegenstand für die Auslandschweizer von besonderer Bedeutung ist, die Sprecher unserer Mitbürger im Ausland sowohl im Stadium der Vorbereitung wie auch des Vollzugs zu Worte kommen zu lassen; dies ist z. B. beim Bürgerrechtsgesetz, bei der AHV/IV, bei Entschädigungsabkommen mit fremden Staaten, bei der Kommission für die Hilfe an kriegsgeschädigte Auslandschweizer unjl der Kommission für technische Zusammenarbeit sowie in besonderem Masse auch bei den Vorarbeiten zur gegenwärtigen Vorlage geschehen. Einer verfassungsmässigen Normierung des Mitspracherechts bedarf es somit nicht. Das Problem liegt auf einer ändern Ebene: je sachkundiger die Vertreter der Auslandschweizer
und je aktionsfähiger ihre Organisationen sind, um so eher sind sie in der Lage, in aufbauender Weise mit den eidgenössischen Behörden zusammenzuarbeiten. In diesem Zusammenhang darf darauf hingewiesen werden, dass auch unsern Mitbürgern im Ausland das Petitionsrecbt nach Artikel 57 der Bundesverfassung gewährleistet ist. Von diesem Recht haben sie schon mehrmals Gebrauch gemacht.

Aus all diesen Gründen halten wir es nicht für angezeigt, dass der Verfassungsartikel ausdrücklich von der Anhörung der Organisationen der Auslandschweizer spricht. Wir legen aber - um allfälligen Missverständnissen vorzubeugen - Wert auf die Feststellung, dass die qualifizierten Auslandschweizerorganisationen auch ohne besondere in der Verfassung festgelegte Verpflichtung in geeigneter Weise angehört werden, wo dies möglich und angezeigt ist.

Bundesblatt, 117.Jahrg. Bd.II.

2S

434

2. Der diplomatische Schutz Wie die Debatten an den Auslandschweizertagen, hauptsächlich seit 1937, zeigen, hat die Frage, wie die Interessen unserer Mitbürger im Ausland (z. B.

bei Kriegsschäden, Nationalisierungen, Agrarreformen, Einschränkungen im Zahlungsverkehr) gewahrt werden könnten, die Auslandschweizer immer wieder beschäftigt. Die Begehren zielten aber nicht auf den Erlass eines besondern Verfassungsartikels hin; sie verlangten vielmehr in besonderen Fällen die diplomatische Intervention des Bundesrates. Weiter geht das noch unerledigte und schon erwähnte Postulat Vontobel vom I.Oktober 1954, das folgenden Wortlaut hat: Der Bundesrat wird beauftragt zu prüfen, ob nicht den eidgenössischen Räten ein Verfassungsartikcl vorzulegen sei, durch den der diplomatische Schutz der im Ausland wohnhaften Schweizerbürger gewährleistet wird.

Der gleiche Verfassungsartikel soll auch die Grundlage für die Gesetzgebung bilden, in der jene Falle bestimmt werden, wo der Schutz zu garantieren und die Staatshaftung zu statuieren ist.

Das Postulat hat bei keiner der angefragten Stellen, mit Ausnahme des Landesrings der Unabhängigen, Zustimmung gefunden. Im Gegenteil, gewisse Vernehmlassungen, wie jene der Kantone Freiburg, Obwalden und Waadt oder des Vororts des Schweizerischen Handels- und Industrievereins, wenden sich ausdrücklich dagegen. Die Auslandschweizerkommissionen der Neuen Helvetischen Gesellschaft hatte ursprünglich die Erwähnung des diplomatischen Schutzes in der Verfassung im Sinne einer allgemeinen anweisenden Norm (nicht eines Individualrechts) befürwortet. Sie verzichtete indessen in der Vernehmlassung zürn Vorentwurf vom 9. Dezember 1963 darauf, und zwar unter Hinweis auf Artikel 102, Ziffer 8 der Bundesverfassung.

Bei unserer Stellungnahme zum Postulat gehen wir - ohne auf alle begrifflichen Einzelheiten einzutreten - von folgenden Gesichtspunkten aus.

Unter dem diplomatischen Schutz versteht man die Einwirkung eines Staates zugunsten seiner Angehörigen auf einen ändern Staat, wenn dieser sie durch völkerrechtswidriges Verhalten schädigt, mit dem Ziele, Wiedergutmachung zu erhalten. Er ist eine auf dem Staatsangehörigkeits- und nicht dem Wohnsitzprinzip beruhende Einrichtung des Völkerrechts. Subjekte des Völkerrechts sind die Staaten und nicht die einzelnen natürlichen oder juristischen Personen; diese sind Objekte des diplomatischen Schutzes. Dem Doppelbürger kann gegenüber seinem zweiten Heimatstaat der diplomatische Schutz nicht gewährt werden.

Als Vorkommnisse, die Anlass zur Ausübung des diplomatischen Schutzes geben können, seien genannt: Verletzung eines Niederlassungsvertrages, entschädigungslose Enteignungen (Nationalisierungen, Sozialisierungen, Agrarund andere wirtschaftliche Strukturreformen), Ausschreitungen.

Ein Staat kann einen ändern grundsätzlich erst dann für eine Verletzung des Völkerrechts in der Person eines seiner Angehörigen haftbar machen, wenn der landesrechtliche Instanzenzug durchlaufen ist, d. h. von allen vom Landesrecht zur Verfügung gestellten Rechtsmitteln Gebrauch gemacht wurde, es sei denn, es werde durch eine allgemeine Massnahme, z. B. durch ein Gesetz selbst, nicht

435

erst durch dessen Anwendung, im Einzelfall eine Völkerrechtswidrigkeit begangen.

Die Art des Vorgehens richtet sich nach den (meist vielfältigen) Besonderheiten des Falles. Die Methoden sind recht verschiedenartig. Als Beispiel seien erwähnt: Interventionen bei örtlichen oder zentralen Behörden des ändern Staates, diplomatische Vorstellungen, Verhandlungen, Einschaltung eines Vermittlers oder eines Drittstaates, Unterwerfung unter ein ständiges oder ein ad hoc gebildetes Schiedsgericht, Abberufung des diplomatischen Vertreters, Ergreifungvölkerrechtlich zulässiger Gegenmassnahmen (wie Retorsionen, Repressalien). Die Umstände können in irgendeinem Stadium des Verfahrens einen Verzicht auf den diplomatischen Schutz nahelegen.

Soll der diplomatische Schutz verfassungsrechtlich gewährleistet werden ?

Die Bundesverfassung spricht an zahlreichen Stellen von «Gewährleistungen». In Artikel 5 gewährleistet der Bund den Kantonen ihre Gebiete. Artikel 6 verpflichtet die Kantone, um die Gewährleistung des Bundes für ihre Verfassungen nachzusuchen. Zudem werden Individualrechte gewährleistet, z. B. die Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 31), die Unverletzlichkeit des Post- und Telegraphengeheimnisses (Art. 36, Abs. 4), die freie Ausübung gottesdienstlicher Handlungen innerhalb der Schranken der Sittlichkeit und der öffentlichen Ordnung (Art. 50, Abs. 1), die Pressefreiheit (Art. 55, )und das Petitionsrecht (Art, 57).

Auch wenn man sich des grundlegenden Unterschiedes zwischen den Individualrechten, die der staatlichen Macht Grenzen setzen, und einer allfälligen verfassungsmässigen Gewährleistung des diplomatischen Schutzes, die einen Anspruch auf staatliches Handeln begründen würde, bewusst ist, könnte man argumentieren, eine solche Gewährleistung stelle den Ausbau der verfassungsmässigen Garantien dar. Dieser Gedankengang berücksichtigt aber nicht, dass zwischen den herkömmlichen verfassungsmässigen Garantien und einer Gewährleistung des diplomatischen Schutzes ein grundlegender Unterschied besteht. Der Bund ist kraft seiner Souveränität für die Gewährleistung der Kantonsverfassungen und der Individualrechte allein zuständig. Er kann hier autonom Recht setzen und anwenden. Diese Garantien entfalten ihre Wirkung einzig auf schweizerischem Gebiet. In Ausübung des diplomatischen Schutzes handelt zwar der Bund
ebenfalls autonom, doch richtet sich sein Vorgehen gegen einen fremden Staat, der nicht der Rechtsordnung des Bundes untersteht. Der Erfolg des diplomatischen Schutzes ist nicht nur von den ergriffenen Massnahmen abhängig, sondern vielmehr von der schliesslichen Bereitschaft des verantwortlichen Staates, den rechtmässigen Zustand wieder herzustellen.

Artikel 102, Ziffer 8 auferlegt dem Bundesrat die Pflicht, die Interessen der Eidgenossenschaft nach aussen zu wahren. Wenn dem Bund verfassungsmässig die Pflicht auferlegt würde, Auslandschweizern (oder ändern Personen) den diplomatischen Schutz zu gewährleisten, könnte ein Widerspruch zwischen dieser Norm und jener des Artikels 102, Ziffer 8 entstehen. Die Interessen der Eidgenossenschaft sind vielfältig und in zahlreichen Punkten einem Wandel unterworfen; sie berühren die verschiedensten Gebiete. Sie sind nicht ohne weiteres identisch mit jenen der Auslandschweizer, wenn auch zu sagen ist, dass viele

436

Berührungspunkte bestehen. Aber nicht einmal die Interessen aller Auslandschweizer gehen in der gleichen Richtung. Auch hier sind grosse Unterschiede, oft Gegensätze festzustellen. Im weitern wäre zu unterscheiden zwischen den Auslandschweizern und den Schweizern im Inland. Die Anliegen dieser beiden Gruppen können teilweise gleicher Art, teilweise unterschiedlich, sogar gegensätzlich sein. Inlandschweizer können ebenso schützenswerte Rechte im Ausland haben wie die Auslandschweizer selbst. Eine verfassungsmässige Gewährleistung des diplomatischen Schutzes zugunsten der Auslandschweizer würde Vorrechte schaffen, die sachlich nicht begründet wären. Abgesehen davon würde sich die Frage stellen, welche AuslandschweizeMnteressen der Gewährleistung teilhaftig werden sollten. Diese Sachlage hätte eine verfassungsmässige Gewährleistung des diplomatischen Schutzes in ihrer Formulierung zu berücksichtigen, womit jedoch lediglich erreicht wäre, dass - genau wie bei der gegenwärtigen rechtlichen Ordnung - die Gewährung des diplomatischen Schutzes auf Grund einer Abwägung aller Umstände beschlossen, abgelehnt oder verschoben werden müsste.

Aus all diesen Gründen ist der Bundesrat der Auffassung, dass die verfassungsmässige Gewährleistung des diplomatischen Schutzes abgelehnt werden muss. Dies gilt nicht nur für Auslandschweizer, sondern auch für andere Interessenten, wie schweizerische juristische Personen und Bürger mit Wohnsitz im Inland.

Nun verlangt aber das Postulat Vontobel noch etwas anderes. Der Verfassungsartikel, welcher der Gewährleistung des diplomatischen Schutzes der Auslandschweizer gewidmet wäre, sollte nämlich auch «die Grundlage für die Gesetzgebung bilden, in der jene Fälle bestimmt werden, wo der Schutz zu garantieren und die Staatshaftung zu statuieren ist».

Das bedeutet offenbar, dass dort, wo der diplomatische Schutz des Bundes trotz aller Bemühungen nicht oder nicht ganz zum Erfolg führt, die Staatshaftung, d. h. eine Haftung des Bundes, statuiert werden soll, und zwar für jene Fälle, «wo der Schutz zu garantieren ist».

Der Bund soll somit haften bloss für eine gewisse Kategorie von Schäden.

Die Staatshaftung ist grundsätzlich nichts Aussergewöhnliches, kommt sie doch in zahlreichen Gebieten der Gesetzgebung vor. So haftet der Staat unter gewissen Voraussetzungen etwa für Schäden,
die durch den Militärdienst, durch den Betrieb von Eisenbahnen, das Verhalten seiner Beamten verursacht worden sind.

Beim diplomatischen Schutz würde aber gehaftet nicht für Ereignisse, welche die Eidgenossenschaft zu veranworten hat, sondern für ein Verhalten, das sich auf ausländischem Boden abspielt und das einem ausländischen Staat zur Last zu legen ist. Grundsätzlich ist nicht einzusehen, warum die Eidgenossenschaft für derartige Schäden haften sollte. Diese Staatshaftung ginge weit über jene hinaus, die im Bundesgesetz vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördenmitglieder und Beamten vorgesehen ist. Sie hätte zudem die unerwünschte Wirkung, dass sich andere Staaten unter Hinweis auf die Haftung des Bundes ihrer Verantwortung entschlagen könnten.

437

Die Staatshaftung wäre im übrigen schwer zu umschreiben. Die Schäden, um die es gehen könnte, lassen sich oft nicht bemessen. Man denke z. B. an den Fall, dass einem Schweizerbürger entgegen einem Staatsvertrag die Niederlassung in einem fremden Staat verweigert wird. Ein Schweizer, der sich im Ausland niederlässt oder dort wirtschaftliche Interessen hat, nimmt das damit verbundene Risiko in Kauf. Die Eidgenossenschaft kann es ihm weder ganz noch teilweise abnehmen. Der diplomatische Schutz spielt zudem von vorneherein nicht für alle Interessen, die ein Auslandschweizer hat. Neben der Schädigung völkerrechtlich geschützter Interessen können Auslandschweizer noch zahlreiche andere empfindliche Schäden erleiden. Verluste von Versicherungsansprüchen infolge politischer und wirtschaftlicher Umwälzungen, Währungsverluste, Steuererhöhungen, Devisenrestriktionen, Konjunkturrückgänge und vieles andere mehr sind Beispiele für Schädigungen, die nicht zum Gegenstand des diplomatischen Schutzes gemacht werden können. Wenn somit für derartige Fälle eine Staatshaftung nicht in Frage käme, hätte dies, um es an einem konkreten Beispiel zu zeigen, zur Folge, dass ein Auslandschweizer, der wegen völkerrechtlich erlaubter kriegerischer Handlungen alle seme Ersparnisse verliert, keine «Staatshaftung» beanspruchen könnte, während für einen ändern, dessen Ferienhaus in Verletzung des Völkerrechts geplündert worden ist, die Haftung des Staates, d. h. des Bundes spielen würde. Eine Staatshaftung im Zusammenhang mit dem diplomatischen Schutz müsste zu unsachlichen, d. h. willkürlichen Regelungen führen.

Bei Doppelbürgern wird diese Lage besonders deutlich. Ein diplomatischer Schutz kommt für sie gegenüber dem zweiten Heimatstaat von vorneherein nicht in Frage. Also gäbe es auch keine Staatshaftung. Vom intern schweizerischen Standpunkt aus gesehen kann aber eine Leistung an Doppelbürger je nach den Umständen sich sehr wohl rechtfertigen lassen.

Mit diesen Hinweisen soll dargetan sein, dass eine Verknüpfung zwischen dem diplomatischen Schutz und einer allfälligen «Staatshaftung» nicht am Platze ist. Schon das Wort «Staatshaftung» ist in diesem Zusammenhang unglücklich. Es geht wohl eher um die Frage, unter welchen Voraussetzungen Zuwendungen an bestimmte Gruppen von Auslandschweizern geleistet werden sollen. Dieser Gedanke
geht auch aus dem Vorschlag hervor, den der Landesring der Unabhängigen im Vernehmlassungsverfahren gemacht hat. Der Kreis jener Auslandschweizer, die des diplomatischen Schutzes teilhaftig werden, ist in der Tat nicht identisch mit dem Kreis derjenigen, die im Ausland durch besondere Ereignisse am schwersten betroffen sind. Es wäre eine Ungerechtigkeit, durch eine Staatshaftung jene zu privilegieren, für die zufällig die allgemeinen völkerrechtlichen Voraussetzungen für den diplomatischen Schutz erfüllt wären, während die ändern - deren Schäden unter Umständen bedeutend sind - keine solche «Staatshaftung» geniessen würden.

Was man nach Auffassung des Bundesrates verfassungsmässig regem muss, ist nicht der diplomatische Schutz für Auslandschweizer, sondern die Grundlage für eine Hilfe an unsere Mitbürger. Dies wird mit dem vorgeschlagenen Verfassungsartikel erreicht und damit gleichzeitig der Anregung des Landesrings

438 Rechnung getragen. Unabhängig von der geplanten Verfassungsrevision soll aber der diplomatische Schutz den Auslandschweizern zugute kommen, soweit dies möglich ist. Der Bundesrat wird nach wie vor seine volle Aufmerksamkeit dieser Frage schenken und keine Anstrengungen unterlassen, um zu abgewogenen, sachlich gerechtfertigten Lösungen zu kommen. Hierzu genügt die Vorschrift des Artikels 102, Ziffer 8 der Bundesverfassung, wonach der Bundesrat die Interessen der Eidgenossenschaft nach aussen zu wahren hat, vollauf.

///. Fragen, die verfassungsrechtlich zu regeln sind 1. Politische Rechte Die politischen Rechte umfassen das Stimmrecht und das aktive Wahlrecht (Art.43 BV), die Beteiligung am Gesetzesreferendum (Art.89 BV) und ander Verfassungsinitiative (Art. 120 und 121 BV), ferner aber auch das passive Wahlrecht, insbesondere die Wählbarkeit als Nationalrat, Bundesrat, Bundeskanzler, Bundesrichter oder eidgenössischer Geschworener.

Für die politischen Rechte ist vor allem Artikel 43 massgebend, der dem Schweizerbürger allgemein das Stimm- und Wahlrecht gibt, seine Ausübung aber am Wohnsitz verlangt und nur dort zulässt. Daraus ergibt sich der Ausschluss der Auslandschweizer. Diese Folgerung ist fast einhellig auch von der Wissenschaft gezogen worden. Burckhardt hält sie in seinem Kommentar zur Bundesverfassung (3. Auflage, Seite 371) allgemein fest, auchfür Schweizer, die in amtlicher Stellung im Ausland leben. Im Werk von Fleiner/Giacometti über das Bundesstaatsrecht (Seiten 437 und 439) wird die nämliche Auffassung vertreten und der Begriff des politischen Domizils als des Ortes, an dem das Stimmrecht auszuüben ist, wie folgt umschrieben: «Politisches Domizil ist aber der Ort, an dem sich jemand mit der Absicht, dort nicht bloss vorübergehend zu verweilen, tatsächlich aufhält. Daraus folgt, dass die Schweizer, die im Ausland leben, in der Schweiz kein politisches Domizil besitzen».

Die Richtigkeit dieser Auffassung wurde demgegenüber von Professor Imboden am Schweizerischen Juristentag von 1959 in Zweifel gezogen, als über die Ausübung des Stimm- und Wahlrechts beraten wurde. Die besondere Frage der Auslandschweizer wurde in den Referaten allerdings nicht berührt. Professor Imboden griff sie jedoch in der Diskussion auf, in dem Sinne, es könne fraglich erscheinen, ob dem Artikel 43, Absatz
2 nicht nur Bedeutung für die Schweizer in der Schweiz zukomme, so dass damit für die Auslandschweizer überhaupt nichts bestimmt und nichts präjudiziert würde. Jedenfalls setzte sich Professor Imboden dafür ein, trotz völkerrechtlicher und abstimmungstechnischer Schwierigkeiten eine positive Lösung zu suchen und den Auslandschweizern die politischen Rechte insoweit zu erteilen, als es ohne gewichtige Nachteile möglich sei.

Nachdem man in den dreissiger Jahren zur Auffassung gekommen war, dass ein blosses Wahldomizil nicht genügt, ist in ständiger Praxis aus verfassungsrechtlichen Gründen die Möglichkeit der Teilnahme von Auslandschweizern an eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen verneint worden. Das Bundesgericht hatte in seiner staatsrechtlichen Praxis schon früher die ausschliessliche

439

Möglichkeit der Ausübung des Stimmrechts am Wohnsitz bestätigt (BGE 38 I 466; 49 I 416). Da dieser Rechtszustand auf der Bundesverfassung beruht, bedarf es, wenn er geändert werden soll, einer Verfassungsrevision.

Von den 24 Kantonen, die eine Vernehmlassung eingereicht haben, stimmen 20 ausdrücklich oder stillschweigend dem Grundsatz zu, dass dem Bund die Kompetenz erteilt werde, die Ausübung politischer Rechte durch die Auslandschweizer gesetzlich zu regeln. Die Kantone Aargau, Basel-Stadt, Bern, Freiburg und Waadt befürworten die Einräumung politischer Rechte an in der Schweiz sich aufhaltende oder hier Militärdienst leistende Mitbürger aus dem Ausland, während Solothurn, St. Gallen und Thurgau dies auf Militärdienst leistende Auslandschweizer beschränkt sehen möchten. Der Kanton Schwyz nimmt eine ablehnende Haltung ein, würde sich indessen damit abfinden, dass Militärdienst leistende Auslandschweizer politische Rechte während der Dauer des Dienstes ausüben. Die Kantone Genf, Graubünden und Schaffhausen bezweifeln die Zweckmässigkeit einer Änderung des jetzigen Zustandes.

Die politischen Parteien sprachen sich, soweit sie sich äusserten, für die Ausübung des Stimmrechts durch die Auslandschweizer aus. Die gleiche Feststellung gilt in bezug auf die Vemehmlassung der Wirtschafts- und Berufsverbände. Im Vordergrund steht bei ihnen das Stimmrecht für die Auslandschweizer-Wehrmänner und eventuell die Aufenthalter.

Die Auslandschweizerkommission der Neuen Helvetischen Gesellschaft endlich fordert in ihrer Vernehmlassung unter anderem das Stimm- und Wahlrecht bei Aufenthalten (und a fortiori während eines Militärdienstes) in der Schweiz.

Diese Feststellungen sprechen dafür, dem Postulat in geeigneter Weise Folge zu geben. Das Thema taucht seit Jahrzehnten immer wieder auf. Wenn auch manche unserer Landsleute aus verständlichen Gründen der Frage eher gleichgültig gegenüberstehen, wäre es gegenüber den anders denkenden, politisch interessierten Auslandschweizern nicht richtig, darüber hinwegzugehen.

Unter den vielen behördlichen und privaten Stimmen, die sich zur Frage geäussert haben, ist eine grundsätzliche Ablehnung, wie oben ausgeführt wurde, nur vereinzelt zutage getreten. Dagegen werden verständlicherweise Vorbehalte in bezug auf die Schwierigkeiten der Durchführung angebracht.

Ein weiterer,
nicht zu unterschätzender Grund, die Einräumung politischer Rechte zu befürworten, liegt darin, dass die Auslandschweizer der Wehrpflicht unterworfen bleiben. So wird die Unmöglichkeit, das Stimmrecht auszuüben, dann als besonders stossend empfunden, wenn Auslandschweizer, die in der Heimat Dienst leisten, sogar während dieses Dienstes von der Teilnahme an einer eidgenössischen Abstimmung ausgeschlossen sind, ein Missstand, der in den Vernehmlassungen verschiedentlich gerügt wird, ohne Verfassungsänderung aber nicht behoben werden kann.

Schliesslich darf auch auf die psychologische Seite hingewiesen werden. Sie liegt, noch mehr als in der praktischen Tragweite, in der den Auslandschweizern grundsätzlich einzuräumenden Möglichkeit, sich an der politischen Willensbildung der Schweiz zu beteiligen. Ein Entgegenkommen in der Frage der poli-

440

tischen Rechte wird als Zeichen der Anerkennung und des guten Willens der Heimat dazu beitragen, die gefühlsmässigen Bindungen der Auslandschweizer zu ihr zu festigen.

Alle diese Erwägungen führen zum Schluss, dass es sich rechtfertigt, durch eine Verfassungsbestimmung die Grundlage für die Ausübung politischer Rechte durch die Auslandschweizer zu schaffen.

Die Ausführungserlasse zu einer entsprechenden Verfassungsbestimmung wären Sache der Gesetzgebung. Bei dieser Gelegenheit wird zu prüfen sein, inwieweit die Auslandschweizer in den Genuss politischer Rechte gelangen können. Drei wichtige Hinweise drängen sich jetzt schon auf.

Verschiedentlich wurde im Konsultationsverfahren ausdrücklich darauf hingewiesen, es könne sich hier nur um die Legiferierung in eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen handeln. In der Tat geht es bloss um die politischen Rechte nach eidgenössischem, nicht nach kantonalem Staatsrecht. Über das Stimmrecht in kantonalen und Gemeindeangelegenheiten hat (unter Vorbehalt von Art. 43, Abs. 5 BV) nicht das Bundesrecht zu befinden. Es ist möglich, dass in diesen Angelegenheiten das kantonale Recht den im Ausland niedergelassenen Kantonsangehörigen das Stimmrecht verleiht. Das ist geschehen für die Tessiner im Ausland, die ein politisches Domizil in derjenigen Gemeinde haben, wo sie im Haushaltungsregister eingetragen sind; dort können sie das Stimmrecht ausüben. Dem Verfassungsgesetz des Kantons Tessin vom 16. Juni 1893 wurde die eidgenössische Gewährleistung erteilt mit der Begründung, das Bundesrecht verlange nicht, dass für die Stirnmberechtigung in kantonalen und Gemeindeangelegenheiten dieselben Erfordernisse gelten wie in den eidgenössischen (BB11895 III223 ff.).

Wo soll der Auslandschweizer sein Stimm- und Wahlrecht ausüben können ?

Es ist schwerlich denkbar, dass dies am ausländischen Wohnsitz erfolgen kann.

Dies wäre nicht nur mit technischen Schwierigkeiten verbunden, sondern könnte auch zu Anstanden mit Ländern führen, die, wie die Schweiz, die Teilnahme an der politischen Willensbüdung durch Ausländer auf ihrem Staatsgebiet als mit ihrer Souveränität unvereinbar betrachten. Die Schweiz ist bei ihrer starken Überfremdung auch nicht in der Lage, Gegenrecht zu gewähren. Man wird sich deshalb wohl damit begnügen müssen, die Beteiligung der Auslandschweizer an Wahlen
und Abstimmungen dann zuzulassen, wenn sie sich in der Schweiz aufhalten, sei es als Grenzgänger, sei es im Militärdienst oder aus ändern Gründen.

Auf ein solches sogenanntes «Aufenthalterstimmrecht» hat sich die Diskussion in der letzten Zeit konzentriert. Auch für diese beschränkte Form des Stimmrechts bedarf es jedoch zur Schaffung einer klaren Rechtsgrundlage einer Verfassungsrevision .

Der Begriff der politischen Rechte umfasst auch das passive Wahlrecht, d. h. Wählbarkeit in die eidgenössischen Behörden, die schon gelegentlich zugunsten der Auslandschweizer befürwortet worden, ist. Während für die Wahlfähigkeit als Ständerat das kantonale Recht massgebend ist, erklärt Artikel 75 der Bundesverfassung jeden stimmberechtigten Schweizerbürger weltlichen Standes als Nationalrat wahlfähig. Würde nun dem Auslandschweizer die Stimm-

441

berechtigung zuerkannt, so erfüllte er, weltlicher Stand vorausgesetzt, auch die Bedingung des Artikels 75. Es wäre somit nicht ausgeschlossen, dass ein Auslandschweizer in irgendeinem Kanton von einer politischen Partei auf die Liste für die Nationalratswahlen genommen würde. Eine andere Bedeutung würde das Problem erhalten, falls daran gedacht werden sollte, für die Nationalratswahlen aus den Auslandschweizern einen oder mehrere neue Wahlkreise zu bilden oder die Zahl von 200 Nationalräten zu erhöhen.

2. Wehrpflicht Die ausdrückliche Erwähnung der Wehrpflicht im vorgesehenen Verfassungsartikel hat im Vernehmlassungsverfahren, soweit hierzu Stellung genommen wurde, nahezu ausnahmslos Zustimmung gefunden.

Die neue Militär- und Ersatzabgabeordnung brachte es mit sich, dass die Mehrheit der bei unsern Auslandvertretungen immatrikulierten wehrpflichtigen Landsleute weder die Wehrpflicht durch Militärdienst erfüllen noch einen Militärpflichtersatz zu entrichten haben. Darin ist gelegentlich eine Verletzung des in Artikel 18 der Bundesverfassung niedergelegten Grundsatzes der allgemeinen Wehrpflicht erblickt worden. In seiner Botschaft vom l I.Juli 1958 über die Neuordnung des Militärpflichtersatzes hat der Bundesrat dargelegt, dass und warum im Ausland lebende Landsleute, sofern sie dort sesshaft geworden sind und somit ihre Existenz in Beruf, Gesellschaft und Familie ausserhalb unseres Landes aufgebaut haben, nach dem Gebot der rechtsgleichen Behandlung Anspruch auf eine Ausnahme von dem auf Schweizer im Inland zugeschnittenen Verfassungsgrundsatz erheben können. Richtig verstanden gestattet, ja verlangt das Gleichbehandlungsgebot die ungleiche rechtliche Behandlung von Ungleichem.

Der Vorteil des vorgeschlagenen Verfassungsartikels liegt gerade darin, dass die heute für die Auslandschweizer geltende Ordnung auch im Gebiet des Wehrwesens eine unangefochtene Rechtsgrundlage in der Verfassung erhält. Hierin sehen wir im Gebiet der Wehrpflicht in erster Linie die Bedeutung der vorgeschlagenen Ergänzung der Bundesverfassung. Deshalb kann es nicht Aufgabe der vorliegenden Botschaft sein, zu den früher dargelegten Begehren Stellung zu nehmen; vielmehr wird nach Annahme des Verfassungsartikels geprüft werden können, ob und inwieweit die bestehende Ausführungsgesetzgebung einer Ergänzung bedarf.

Der neue
Artikel 45Ms soll auch zum Ausdruck bringen, dass mit ihm dem Auslandschweizer nicht einzig Vorteile verschafft werden sollen, sondern dass diesen auch weiterhin Pflichten, je nach den Bedürfnissen des Landes, gegenüberstehen. Aus diesen Gründen spricht der Artikel von der «Erfüllung der Wehrpflicht».

3. Fürsorge Das Begehren der kantonalen Fürsorgedirektoren vom 20. September 1957 um Übernahme der Fürsorge durch den Bund wurde von der grossen Mehrheit

442

der angefragten Stellen unterstützt. Nur zwei Kantone, Basel-Stadt und Schaffhausen, die Liberal-demokratische Union der Schweiz und die Vereinigung schweizerischer Unternehmen in Deutschland sprachen sich für die Beibehaltung der kantonalen Zuständigkeit aus.

Die Gründe, die dafür sprechen, die Möglichkeit einer bundesrechtlichen Regelung zu schaffen, sind unseres Erachtens ausschlaggebend. Unter den Nachteilen des gegenwärtigen Zustandes fallen namentlich die Ungleichheiten in der Unterstützung der Auslandschweizer ins Gewicht, die je länger desto weniger verstanden werden, besonders dann, wenn bedürftigen Landsleuten überhaupt nicht oder nur in ungenügendem Masse geholfen werden kann. Der gegenwärtige Zustand wirkt sich zudem nachteilig auf die Gestaltung unserer Fürsorgebeziehungen zu ändern Staaten aus. Der im Interesse einer geregelten Fürsorge liegende Abschluss von Unterstützungsabkommen wird durch die Vielfalt von Systemen gehemmt.

Es lässt sich daher unseres Erachtens rechtfertigen, auf diesem Gebiet die Zuständigkeit durch eine Verfassungsbestimmung dem Bund zu übertragen, um so mehr als die Mehrheit der Kantone selbst diesen Wechsel begrüsst und die föderalistischen Bedenken zurückstellt. Schon jetzt übernimmt der Bund während der ersten 10 Jahre die Hälfte der den Kantonen und Gemeinden erwachsenden Unterstützungskosten für in das Schweizerbürgerrecht wiederaufgenommene Personen (Art. 44, Abs. 5 BV). Auch wäre dem Bund für seine bedeutende ausserordentliche Hilfstätigkeit namentlich zugunsten der Kriegsgeschädigten schon bisher eine sichere Grundlage sehr zustatten gekommen; er musste aber, durch die Macht der Verhältnisse gezwungen, jeweilen mit Bundesbeschlüssen eingreifen, die sich nicht auf eine ausdrückliche Verfassungsbestimmung stützen konnten. Das gleiche ist von der zugunsten des Solidaritätsfonds übernommenen Ausfallgarantie zu sagen, Dabei muss man sich vergegenwärtigen, dass oft finanzielle Zuwendungen auf dem Spiele stehen, deren tatsächliche und rechtliche Voraussetzungen klar umschrieben werden müssen, über die von eigens eingesetzten Organen entschieden wird, die in einem besonders ausgestalteten Verfahren angefochten werden können und die ein beachtliches, abernicht immer leicht im voraus zu berechnendes Ausmass erreichen. Bei dieser Sachlage wird es schwer halten,
derartige Massnahmen immer wieder auf die «stillschweigenden Kompetenzen» des Bundes zu stützen. Eine eindeutige Verfassungsgrundlage ist erwünscht, nicht nur aus politischen, sondern auch aus rechtlichen Gründen. Die Achtung vor der Verfassung erheischt eine klare rechtliche Grundlage für Unterstützung und Hilfeleistung durch den Bund.

Die Ordnung der Unterstützung kann Beiträge an Institutionen der Auslandschweizer, die ordentliche Fürsorge und ausserordentliche Hilfeleistungen in Notzeiten umfassen. Die Einzelheiten zu regeln, wird Sache der Ausführungsgesetzgebung sein. Die verfassungsmässige Befugnis des Bundes schliesst Vereinbarungen unter den Kantonen auf dem Konkordatswege nicht aus. Anderseits besagt sie aber auch nicht notwendigerweise, dass der Bund die Unterstützung bedürftiger Auslandschweizer allein zu übernehmen habe. So wäre z.B.

443

eine Lösung denkbar, in der die gewährten Unterstützungen zwischen Bund und Kantonen aufgeteilt werden.

Die finanziellen Auswirkungen lassen sich nicht beurteilen, solange die Ausführungsbestimmungen und insbesondere das Mass der Leistungen des Bundes nicht bekannt sind. Immerhin sei erwähnt, dass nach der letztmals im Jahre 1955 erstellten Statistik der Konferenz der kantonalen Fürsorgedirektoren die kantonalen Leistungen für die ordentliche Unterstützung von Auslandschweizern jährlich-ungefähr 2 Millionen Franken betrugen. Die Geldentwertung und das Bestreben, bestehende Ungleichheiten möglichst auszugleichen, können zu einer Erhöhung führen. Anderseits dürften die ständigen Verbesserungen der Sozialversicherung im In- und Ausland eine Herabsetzung der Kosten zur Folge haben.

IV. Wesen und Zweck der Verfassungsrevision 1. Die Schlüsse rechtlicher Art, die aus den Darlegungen unter Ziffer II und III gezogen werden können, lassen sich wie folgt zusammenfassen: Notwendig ist eine Verfassungsrevision, wenn den Auslandschweizern politische Rechte und dem Bund Befugnisse auf dem Gebiet der Fürsorge eingeräumt werden sollen. Wünschenswert, aber nicht notwendig ist eine Verfassungsänderung für andere finanzielle Leistungen, insbesondere für die Ausrichtung von Subventionen an die Institutionen der Auslandschweizer, wie auch für die Ordnung der Wehrpflicht. Entbehrlich ist eine besondere Verfassungsbestimmung far das Mitspracherecht der Auslandschweizer in eidgenössischen Angelegenheiten, und ihr Fehlen mit keinen Nachteilen verbunden. Die verfassungsmässige Gewährleistung des diplomatischen Schutzes würde auf unüberwindliche Schwierigkeiten in der Durchführung stossen ; von ihr ist deshalb abzusehen. Kein Staat kennt übrigens unseres Wissens einen derartigen verfassungsrechtlichen Anspruch. Eine Verfassungsänderung, welche die Auslandschweizer - und nur sie - betrifft, hat somit das Ziel, dem Bund eine klare Gesetzgebungskompetenz einzuräumen.

2. Ob die Auslandschweizer in der Bundesverfassung genannt werden oder nicht, ist nicht nur nach rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Die Bedeutung der Auslandschweizer in historischer, politischer und wirtschaftlicher Hinsicht wird allgemein anerkannt und rechtfertigt es, dass die «Fünfte Schweiz» in der Bundesverfassung nicht übergangen wird. Nicht nur
die Neue Helvetische Gesellschaft hat die Einfügung eines besondern Verfassungsartikels mit eingehender Begründung befürwortet. Der Gedanke hat auch sonst allgemein Anklang gefunden; es ist eindrücklich, mit welcher Einhelligkeit Kantone, Parteien und Wirtschaftsverbände ihn befürworten. Schon die Erwähnung in der Verfassung würde bei unsern Mitbürgern in der Fremde das Gefühl der Verbundenheit mit der Heimat stärken und sich damit in vielfacher Hinsicht günstig auswirken.

Das ist die politische Seite der Angelegenheit.

3. Wer das ganze Problem sachlich und kritisch prüfen will, muss sich aber auch fragen, ob gegen die beabsichtigte Verfassungsergänzung nicht gewisse

444

Einwände zu erheben sind. So könnte man vorbringen, das Fehlen einer besonderen Verfassungsnorm habe den Bund bisher nicht daran gehindert, Massnahmcn zugunsten der Auslandschweizer zu treffen und ihnen namentlich finanzielle Leistungen zukommen zu lassen; das sei künftig ebenfalls möglich und ein Verfassungsartikel unter diesem Gesichtspunkt unnötig, Umgekehrt könnte er mancherlei Begehren mit erheblichen finanziellen Folgen wachrufen und unerfüllbaren Wünschen Auftrieb geben. Zudem laufe die Verfassungsänderung auf eine die Rechtsgleichheit verletzende Bevorzugung der Auslandschweizer gegenüber den Bürgern in der Heimat hinaus. Das Bestehen eines Verfassungsartikels könne unerwünschte Rückwirkungen auf das Verhältnis der Auslandschweizer zum Gastland haben. Endlich werde, ein derartiger Verfassungsartikel gar nicht von allen Auslandschweizern gewünscht ; viele von ihnen seien an der Frage nicht interessiert.

Diesen Überlegungen soll nicht jede Berechtigung abgesprochen werden.

Wir halten aber dafür, dass sie gegenüber den positiven Gründen zurücktreten müssen. Vorab scheint uns, die indifferente Haltung eines Teils der Auslandschweizer in dieser Frage vermöge die Ablehnung nicht zu rechtfertigen, da ihr die entschiedene gegenteilige Auffassung der massgebenden Kreise entgegensteht. Den Bedenken wegen möglicher ungünstiger Wirkungen muss und kann bei der Formulierung der Bestimmung und der Ausführungsgesetzgebung begegnet werden. Insbesondere lässt sich sicherlich eine Fassung finden, die nicht den Eindruck erweckt, sie bringe die Auslandschweizer in einen Gegensatz zu ihrem Gastland. Wegen der befürchteten Bevorzugung der Auslandschweizer weisen wir darauf hin, dass der Zweck des Verfassungsartikels nicht darin liegen kann, ihnen Vorrechte zu verschaffen; er soll, vor allem im Interesse einer klaren Ordnung, eine Kompetenzgrundlage schaffen und es dem Bund bJoss ermöglichen, die besonders gearteten Verhältnisse, in welchen sich unsere Mitbürger im Ausland befinden und die sich von denjenigen der Bürger im Inland grundlegend unterscheiden, angemessen zu berücksichtigen. Darin liegt keine Verletzung der Rechtsgleichheit, im Gegenteil. Es wird Sache der Ausführungsgesetzgebung sein, diesen Grundsatz zu wahren, wobei gerade die gegenüber den Inlandschweizern vorliegenden ungleichen tatsächlichen
Voraussetzungen bei den Auslandschweizera eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können.

Auf Grund dieser Überlegungen möchten wir in Übereinstimmung mit dem von allen angefragten Stellen geäusserten Wunsch eine Verfassungsänderung für die Auslandschweizer befürworten.

V. Die Art der verfassungsmässigen Lösung 1. Soweit die geplante Revision Gegenstände umfasst, die in der Verfassung bereits geordnet sind, wäre es denkbar, sie durch Ergänzung oder Änderung der hierüber bestehenden Artikel durchzuführen. In Betracht fallen dafür namentlich Artikel 18 hinsichtlich der Wehrpflicht und Artikel 43 für die politischen Rechte. Eine Revision nur dieser beiden Bestimmungen würde aber nicht ge-

445

nügen, da es zur Begründung einer Bundeskompetenz auf dem Gebiet der Unterstützung ohnehin einer neuen Verfassungsbestimmung bedarf.

Die wohl am nächsten liegende Methode bestünde in der Aufzählung der einzelnen Gebiete, auf denen dem Bund Kompetenzen eingeräumt werden sollen.

Da diese Aufzählung abschliessend sein müsste, hätte sie den Vorteil der Genauigkeit, die insbesondere für die Abgrenzung der Befugnisse zwischen dem Bund und den Kantonen erwünscht ist. Anderseits läge aber gerade in dieser erschöpfenden Aufzählung ein Nachteil, weil die fortschreitende Entwicklung, deren Auswirkungen sich gerade bei Auslandschweizerfragen meist nicht voraussehen lassen, neue Lagen schaffen kann. Es könnte so das Bedürfnis entstehen, den Bund auf weiteren Gebieten tätig werden zu lassen, wozu aber die Grundlage fehlte. In diesem Sinne könnte sich die einmal gewählte Umschreibung als zu eng erweisen.

Diese Erwägungen sprächen eher für eine allgemein formulierte Ermächtigung, die ohne Nennung einzelner Sachgebiete alle Massnahmen umfasst, soweit sie zur Wahrung der Interessen der Auslandschweizer, zur Regelung ihrer rechtlichen Verhältnisse und zur Aufrechterhaltung ihrer Beziehungen zur Heimat notwendig werden können. Eine solche allgemeine Formulierung würde auch für nicht voraussehbare Entwicklungen genügen. Anderseits würde aber gerade eine unbestimmte Fassung als Mangel empfunden werden, da sie nicht erkennen liesse, was für Massnahmen der Bund im einzelnen ergreifen soll und wird, wie dies unter anderem auch mit Recht von Herrn Professor Dr. H. Huber in einer gutachtlichen Äusserung gegenüber einer früheren Fassung beanstandet worden war.

2. Unseres Erachtens kommt man am besten zum Ziel mit einer Kombination beider Lösungen, und zwar in der Weise, dass einer allgemeinen Formulierung einige besondere Gegenstände beigefügt werden. Diese Aufzählung ist nicht abschliessend, sondern enthält nur die Fragen, die zurzeit im Vordergrund stehen und an die man bei den Massnahmen des Bundes in erster Linie denkt, nämlich die politischen Rechte, die Wehrpflicht und die Unterstützung.

Diese drei Gebiete, die unter sich einen gewissen Zusammenhang aufweisen, sind nicht rein zufällig gewählt; in ihnen liegen vielmehr heute die Kernfragen, welche die Bundesgesetzgebung auf dem Gebiete der Auslandschweizerpolitik
zu regeln hat. Wenn sie neben der allgemein formulierten Befugnis erwähnt werden, erhält der Verfassungsartikel damit einen sachlich genauer umschriebenen Inhalt und seine praktische Bedeutung wird ersichtlich. Die Einheit der Aufgabe und der besondere Charakter der neuen Bestimmung kommen sinnfällig zum Ausdruck. Als einzige in der Bundesverfassung wird sie sich ausschliesslich mit den im Ausland lebenden Schweizerbürgern befassen und infolgedessen ihre Wirkung vornehmlich jenseits unserer Grenzen äussern. Mit einem einheitlichen Artikel wird auch dem Wunsch, den Auslandschweizern einen Platz in der Verfassung zu sichern, in der besten Weise entsprochen. Diese Methode der Kompetenzumschreibung verdient unseres Erachtens den Vorzug; sie ist denn auch allgemein von den befragten Stellen befürwortet worden.

446

VI. Fragen der Formulierung 1. Soll die dem Bund zu übertragende Kompetenz imperativ sein, den Bund also zu den vorgesehenen Massnahmen verpflichten, oder soll sie ihm bloss eine Ermächtigung erteilen, von der er Gebrauch machen kann, aber nicht muss ?

Und falls die Kompetenz des Bundes mehrere Gegenstände umfasst, wie weit soll für sie der eine oder der andere Grundsatz gelten ?

In den zahlreichen Kompetenzbestimmungen der Bundesverfassung ist, je nach dem zu ordnenden Sachgebiet, bald der eine, bald der andere Charakter festzustellen. Als imperative Normen, die den Bund zu bestimmten gesetzgeberischen Massnahmen verpflichten, erwähnen wir die Artikel 31quinquies (Massnahmen zur Verhütung von Wirtschaftskrisen und Arbeitslosigkeit), 34bl9 (Kranken-und Unfallversicherung), 34quatet (Alters-und Hinterlassenenversicherung), 36Mfl (Nationalstrassen), 66 (Verlust politischer Rechte) und 67 (Auslieferung von Angeklagten). Zahlreicher sind jedoch die Bestimmungen, die dem Bund nur die Möglichkeit der Legiferierung einräumen (vornehmlich mit dem Wortlaut «Der Bund kann ...» oder «Der Bund ist befugt...»), Es sind die Artikel 23 (Expropriationsrecht des Bundes), 24quater (Gewässerschutz), 25 (Fischerei und Jagd), 27 (öffentliche Schulen), 27ter Filmwesen), 27quater (Stipendien), 31btB, Absatz 2 bis 4 (wirtschaftliche Massnahmen), 31«uater (Bankwesen), 32bis (gebrannte Wasser), 34 (Fabrikarbeit), 34ter (Gewerbegesetzgebung), 34quater (Invalidenversicherung), 34quinquies (FamiHenschutz), 37bls (Strassenverkehr), 41blB und 41tor (Bundessteuern), 42quater (Finanzhaushalt des Bundes), 64 (Zivilrecht), 64Ms (Strafrecht), 69 (übertragbare Krankheiten), 69bl" (Verkehr mit Nahrungs- und Genussmitteln usw.) und 69ter (Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern). In wichtigen Gebieten beruht die Bundesgesetzgebung somit auf bloss ermächtigenden Verfassungsbestimmungen.

Der neue Verfassungsartikel hat die Förderung der Auslandschweizer, ihrer Beziehungen und Institutionen sowie die Ordnung ihrer rechtlichen Stellung zum Gegenstand. Die Frage aber, ob Massnahmen dieses Inhalts dem Bund zur Pflicht gemacht oder ob ihm bloss die Möglichkeit dazu gegeben werden soll, wird nicht einheitlich beurteilt. Die Auslandschweizerkommission der Neuen Helvetischen Gesellschaft und verschiedene Schweizervereine hatten in ihren
Vorschlägen die erste Auffassung bekundet, wie dies ja der ganzen Tendenz ihrer Bemühungen entspricht. Demgegenüber haben die meisten ändern befragten Stellen eine nicht imperative Form des Verfassungstextes befürwortet.

So wies der Kanton Zürich darauf hin, dass eine Vorschrift imperativen Charakters in bestimmten Kreisen unserer Landsleute im Ausland leicht unerfüllbare Hoffnungen erwecken könnte. Der Kanton Schaffhausen lehnt eine positiv anweisende Norm ausdrücklich ab.

Ein Vergleich mit ändern Bestimmungen der Bundesverfassung ist übrigens nur bedingt zulässig. Ein Verfassungsartikel über die Auslandschweizer unterscheidet sich von den schon bestehenden Kompetenznormen darin, dass sich sein Vollzug vor allem im Ausland auswirkt. Auf die dortigen Verhältnisse, die einem ständigen Wechsel unterworfen sind und auf die Rücksicht zu nehmen ist,

447

haben wir nur eine beschränkte Einflussmöglichkeit. Daran würde auch eine imperative Bestimmung nichts ändern. Sie wäre daher fehl am Platze.

Gerade aus diesen Gründen sind die Bedenken des Kantons Zürich nicht von der Hand zu weisen. Auch ist es kaum möglich, im voraus zu sagen, worin im einzelnen die vorgesehene Förderung bestehen soll; das wird weitgehend von der Entwicklung und von den Verhältnissen in den verschiedenen Ländern abhängen. In gewissen Staaten kann die Lage unserer Mitbürger heikel sein. Mit einer verfassungsmässig dem Bund auferlegten Verpflichtung, «fördernde Massnahmen» zu treffen, erweist man unter Umständen vielen Auslandschweizern einen schlechten Dienst. Meinungsverschiedenheiten darüber, ob bei einer bestimmten Sachlage der Bund etwas unternehmen solle und was, sind leicht denkbar. Sie sollten nicht durch die Formulierung des Verfassungsartikels begünstigt werden. Namentlich gilt das für das Gebiet der Unterstützung. Hier könnte eine kategorisch ausgesprochene Pflicht des Bundes Begehren rufen, die zu erfüllen vielleicht nicht möglich sein wird, deren Ablehnung jedoch der Wortlaut der Verfassungsbestimmung erschweren würde. Auch könnte eine imperative Form die private Hilfstätigkeit lahmen und sogar den Eindruck erwecken, man wolle die Institutionen der Auslandschweizer verstaatlichen, was unbedingt vermieden werden sollte. Die Einräumung einer blossen Befugnis wird aber die Bundesbehörden nicht daran hindern, dort Massnahmen zu treffen, wo sie nötig sind und verwirklicht werden können.

2. Verschiedene massgebende Kreise, namentlich die Auslandschweizerkommission der Neuen Helvetischen Gesellschaft, haben vorgeschlagen, den Begriff «Gewährung» durch «Ausübung» der politischen Rechte zu ersetzen.

Diesem Begehren kann entsprochen werden.

Schon aus Artikel 43 der Bundesverfassung geht hervor, dass jeder in bürgerlichen Ehren und Rechten stehende Schweizerbürger an seinem Wohnsitz bei allen eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen teilnehmen kann. Das Stimm- und Wahlrecht ist Ausfluss des Schweizerbürgerrechts und unmittelbar mit diesem verbunden, während der Wohnsitz (in der Schweiz) den Ort der Ausübung dieses Rechts bezeichnet. Auch in der Wissenschaft wird bisweilen zwischen der Stimmfähigkeit als persönlicher Eigenschaft und der Ausübung dieses Rechts im Einzelfall
unterschieden, so im Werk von Fleiner/Giacometti über das Bundesstaatsrecht (Seiten 430 ff.). Darnach erfordert die Stimmfähigkeit männliches Geschlecht, Schweizerbürgerrecht, zurückgelegtes 20. Altersjahr und Fehlen eines Ausschlussgrundes. Der die vier genannten Voraussetzungen erfüllende Auslandschweizer besitzt das Stimmrecht und ist nur an seiner Ausübung verhindert, weil ihm ein Wohnsitz in der Schweiz fehlt. In diesem Sinne ist er in der ähnlichen Lage wie bisher der stimmberechtigte Inlandschweizer, der sich zur Zeit der Abstimmung nicht an seinem Wohnsitz aufhält und deshalb sein Stimmrecht nicht ausüben kann. Von den soeben durch das Bundesgesetz vom 25. Juni 1965 eingeführten Erleichterungen der Stimmabgabe wird hier abgesehen.

3. Vereinzelt ist auch vorgeschlagen worden, ausdrücklich vom Stimm- und Wahlrecht «in eidgenössischen Angelegenheiten» zu sprechen. Das scheint uns

448

nicht nötig. Wo eine nähere Umschreibung fehlt, ist es klar, dass der Bund auch hinsichtlich der politischen Rechte nur in eidgenössischen Angelegenheiten legiferieren kann.

4. Die Konservativ-christlichsoziale Volkspartei der Schweiz hat vorgeschlagen, die vorgesehenen Massnahmen des Bundes nur durch Erlasse, die dem fakultativen Referendum unterstellt sind, zu ergreifen und dies in der Formulierung des Verfassungstextes zum Ausdruck zu bringen. Dazu ist zu bemerken, dass dies bereits durch das Geschäftsverkehrsgesetz vom 23. März 1962 (Art. 5) vorgeschrieben ist.

5. Endlich wurde auch der Vorschlag unterbreitet, den letzten Satz «Die Kantone sind vorgängig anzuhören» zu streichen. Diese Verfahrensvorschrift ist aber unseres Erachtens deshalb am Platz, weil der vorgeschlagene Verfassungsartikel gewisse Befugnisse der Kantone beschneidet. Bevor eine auf den materiellen Inhalt des Verfassungsartikels sich stützende Massnahme ergriffen wird, muss daher den Kantonen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Dieser dem föderalistischen Grundsatz entsprechende Gedanke hat sich namentlich in der letzten Zeit wegen der allmählichen Erweiterung der Befugnisse des Bundes, die mit einer entsprechenden Schmälerung der kantonalen Kompetenzen verbunden ist, vermehrt geltend gemacht. Er ist namentlich berechtigt, wenn es sich um gesetzgeberische Erlasse mit dauernder Wirkung handelt. Möglicherweise kann die Stellungnahme der Kantone selbst dazu beitragen, zu weitgehende an den Bund gerichtete Begehren einzudämmen.

Das gilt aber nur für die Gesetzgebung, insbesondere dann, wenn Bestimmungen über die politischen Rechte, die Wehrpflicht und die Unterstützung zu erlassen sind. Die gleiche Auffassung haben auch verschiedene Kantone im Konsultationsverfahren bekundet. Bei administrativen Massnahmen dagegen ist die Anhörung der Kantone im allgemeinen nicht notwendig.

6. Obwohl in der Alltagssprache allgemein von den «Auslandschweizern» die Rede ist, entspricht es einem Wunsche vieler Landsleute und auch der Neuen Helvetischen Gesellschaft, von den «im Ausland lebenden Schweizerbürgern» zu sprechen. Auch diesem Begehren kann ohne Bedenken Folge geleistet werden, wobei wir die noch kürzere Fassung «Schweizer im Ausland» vorziehen möchten. Damit wird zugleich die genaue Übereinstimmung mit dem französischen und
dem italienischen Text («Suisses a l'étranger» und «Svizzeri all'estero») hergestellt, 7. Der neue Artikel findet seinen Platz am ehesten in der Gruppe der Artikel, die sich mit dem Bürgerrecht, der Stellung des Schweizerbürgers und der Niederlassung befassen (Artikel 43 bis 47). Die Neue Helvetische Gesellschaft hat in ihrer Eingabe vom 16. September 1960 vorgeschlagen, ihn nach Artikel 45 einzureihen. In der Tat steht er in der engsten Beziehung zur Ordnung der Niederlassung. Dem Vorschlag ist beizupflichten und demnach die neue Bestimmung als Artikel 45bls zu bezeichnen.

8. Aus diesen Überlegungen empfehlen wir Ihnen den nachstehenden Bundesbeschluss zur Annahme.

449

Wir beantragen Ihnen gleichzeitig, die Postulate der eidgenössischen Räte zu 5282, Stimmrecht der Schweizer im Ausland, 6576 des Nationalrates, diplomatischer Schutz der Auslandschweizer, und das Postulat zu 9058 des Nationalrates vom S.März 1965, Verfassungsartikel über die Auslandschweizer, abzuschreiben.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Bern, den 2. Juli 1965.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident : HP.Tschudi Der Bundeskanzler : Ch. Oser

Bundesblatt. 117. Jahrg. Bd.II.

450

(Entwurf)

Bundesbeschluss .über die Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel 45bis über die Schweizer im Ausland Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

in Anwendung der Artikel 85, Ziffer 14,118 und 121, Absatz l der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 2, Juli 1965, beschliesst:

I

In die Bundesverfassung wird folgende Bestimmung aufgenommen : Artikel 45ule 1

Der Bund ist befugt, die Beziehungen der Schweizer im Ausland unter sich und zur Heimat zu fördern sowie den diesem Ziel dienenden Institutionen beizustehen, 2 Er kann in Berücksichtigung der besondern Verhältnisse der Schweizer im Ausland die zur Regelung ihrer Rechte und Pflichten erforderlichen Bestimmungen erlassen, namentlich über die Ausübung politischer Rechte, die Erfüllung der Wehrpflicht und die Unterstützung. Die Kantone sind vorgängig anzuhören.

II 1 Dieser Beschluss wird der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreitet.

2 Der Bundesrat ist mit dem Vollzug beauftragt.

835S

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel 45bis betreffend die Schweizer im Ausland (Vom 2.

Juli 1965)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1965

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

28

Cahier Numero Geschäftsnummer

9287

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

15.06.1965

Date Data Seite

385-450

Page Pagina Ref. No

10 042 960

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.