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Bundesblatt
Bern, den 29. April 1965
117. Jahrgang
Band l
Nr. 17 Erscheint wöchentlich. Preis Fr. 33.- im Jahr, Fr. 18.- im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postzustellungsgebühr
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zu 9143 Nachtrags-Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Brasilien abgeschlossenen Schulden-Konsolidierungsabkommens (Vom 13. April 1965) Herr Präsident!
Hochgeehrte Herren!
Mit unserer Botschaft vom l I.Dezember 1964 haben wir Sie eingehend über die Wirtschaftslage Brasiliens orientiert und Ihnen die Gründe geschildert, die dieses Land veranlassten, sich an die internationalen Finanzierungsinstitute und an die Regierungen der hauptsächlichsten Gläubigerländer zu wenden. Es handelte sich darum, durch die Konsolidierung von kommerziellen Verpflichtungen gegenüber dem Ausland den Erlass eines Moratoriums zu vermeiden.
Mit der Konsolidierung wird eine Verbesserung der Zahlungsbilanz und damit auch die kontinuierliche und pünktliche Regelung der laufenden kommerziellen Fälligkeiten angestrebt. Sie spielt aber auch im brasilianischen Plan zur Sanierung der wirtschaftlichen und sozialen Lage eine wichtige Rolle.
I.
Die brasilianische Regierung verpflichtete sich seinerzeit auch, die Zahlungsrückstände, einschliesslich jene des Invisibles-Sektors, rasch zu begleichen.
Sie behielt sich aber vor, zu diesem Zwecke im Sinne einer Uberbrückungsfinanzierung bei amerikanischen und europäischen Bankkonsortien um Kreditfazilitäten nachzusuchen. Damals stand noch nicht fest, ob ein solches Begehren auch an die Schweizerischen Banken gerichtet würde und ob und unter welchen Bedingungen diese allfällig bereit wären, sich an einer solchen Kreditaktion zu beteiligen.
Bundrablatt. 117.Jahrg. Ed.I.
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Im Rahmen des konsequent weitergeführten Sanierungsprogramms gelangte die brasilianische Regierung nun kürzlich an Gruppen von amerikanischen und europäischen Banken - auch an eine schweizerische - mit dem Begehren um Gewährung einer mittelfristigen Finanzhilfe. Diese sollte nicht nur der raschen Beseitigung der kommerziellen Zahlungsrückstände, auch jener die aus Leistungen im Invisibles-Sektor entstanden sind, sondern auch der Wiederbeschaffung minimaler Devisenreserven dienen. Letztere waren vorübergehend eingesetzt worden, um die Begleichung des ältesten Teils der erwähnten Zahlungsrückstände zu beschleunigen.
Nach brasilianischen Angaben betrugen die kommerziellen Zahlungsrückstände, inbegriffen jene aus dem Invisibles-Sektor, im Januar 1965 insgesamt 220 Millionen Dollar, wovon 107 Millionen aus Erdöllieferungen bereits konsolidiert werden konnten. Die amerikanischen Banken erklärten sich bereit, von den verbleibenden 113 Millionen 80 Millionen zu finanzieren. Ein Beitrag von 50-75 Millionen Dollar wird von den europäischen Banken erwartet. Damit soll der Rest der Zahlungsrückstände abgegolten und eine teilweise Wiederbildung von Devisenreserven ermöglicht werden. 75 Millionen würden ungefähr dem 1962 nicht ausgenützten Teil des stand-by-Kredites von 110 Millionen Dollar entsprechen, den europaische Banken Brasüicn im Jalue 1961 einräumten. Auch die damalige Aktion lief parallel zu den Fazilitäten, die Brasilien von internationalen Finanzierungsinstitutionen und den USA gewährt wurden. Details sind aus unserer Botschaft vom 11. Dezember 1964 und der nachstehenden brasilianischen Aufstellung über die voraussichtliche Entwicklung der Zahlungsbilanz in den nächsten Jahren ersichtlich: Zahlungsbilanz Vorhersage für die Jahre 1965-1969 in Millionen Dollar Ausfuhr:
Kaffee Zucker Erze Baumwolle andere
1965
1966
1967
1968
1969
760 45 100 117 447
810 50 110 117 503
820 55 138 120 565
830 55 166 125 625
835 60 200 125 700
Total der Ausfuhr
1469 1590 1698 1801 1920
Einfuhr: Erdöl Weizen audeie
195 200 210 215 220 150 150 170 170 180 1072 1128 1180 1235 1290
Total der Einfuhr
1417 1478 1560 1620 1690
Uberschuss der Handelsbilanz
52
112
138
181
230
995 1965
1966
1967
1968
1969
83 100
83 120
90 140
95 155
100 155
285 75 163 103
317 75 126 --
308 85 100 --
255 85 100 --
255 90 100 --
100 125 54 80 75
-- -- -- -- --
-- -- -- -- --
-- -- -- -- ·--
-- -- -- --
1243
721
723
690
700
Ausgaben für Dienstleistungen Ausgaben und Zinsen Überweisung von Dividenden andere Dienstleistungen
132 60 343
133 60 349
121 35 320
117 40 325
112 50 330
Total Ausgaben für Dienstleistungen
535
542
476
482
492
Überschuss der Einnahmen aus Kapital und des Dienstleistungsverkehrs
708
179
247
208
208
Verfügbarer Nettobetrag für den Schuldendienst
760
291
385
389
438
Rückzahlung auswärtiger Schulden Kommerzielle Zahlungsrückstände Private Darlehen für Projekte Swaps Vereinbarung über Petrollieferungen Kompensatorische Darlehen Internationaler Währungsfonds Schatzamt der USA Refinanzierungen Banken der USA *) Europäische Banken Total Schulden
113 72 181 179 62 120 -- -- 5 10 -- 742
·-- -- 70 50 168 152 81 36 45 8 178 63 -- -- 24 26 5 5 20 20 21 22 612382
--· 50 127 17 -- 56 125 4 21 20 21 441
-- 50 98 -- -- 56 -- -- 22 10 11 247
Einnahmen aus Kapital und Dienstleistungen Dienstleistungen Private Investitionen Darlehen für Projekte und mittelfristige Kredite Spezialkredit der USA Finanztransfers Refinanzierungen Agentur für internationale Entwicklung (USA) Internationaler Währungsfonds Schatzamt der USA Handelsbanken der USA Europäische Handelsbanken Total der Einnahmen aus Kapital und Dienstleistungen
J
) gemäss ursprünglichem Vorschlag
996 II.
Am 22, März 1965 trafen sich die Vertreter der wichtigsten europäischen Banken in Frankfurt mit einer brasilianischen Delegation. Die Verhandlungen ergaben, dass alle Banken bereit sind, dem brasilianischen Begehren (in Klammern angegeben) mehr oder weniger zu entsprechen : Millionen Dollar
Bundesrepublik Deutschland Frankreich (unter Vorbehalt der Gewährung einer Regierungsgarantie) Italien: Banken Wahrscheinlicher Beitrag der Regierung Grossbritannien Schweiz (unter Vorbehalt der Gewährung einer Garantie der Regierung) Belgien Schweden Niederlande Total
25
(25)
15 2 8 6,2
(15) (10)
5 2 2 2 67,2
(10) (2) (2) (2) (76)
(10)
Im Prinzip wurden für diese Operation folgende wichtigsten Modalitäten vorgesehen : Zur Verfügungsstellung des Kredits : 70 Prozent sofort 30 Prozent in drei Tranchen von je 10 Prozent im April, Juli und Oktober 1965 Rückzahlung: in 7 ungefähr gleich hohen Tranchen im März und Dezember 1966, Juni und Dezember 1967, Juni und Dezember 1968 und Juni 1969 Zins: auszuhandeln Gebühr: l Prozent pauschal auf dem Kreditbetrag
III.
Im Hinblick auf den Unterstützungscharakter dieses Kredites haben die meisten beteiligten europäischen Banken, wie bei früheren ähnlichen Operationen, eine Rückendeckung seitens ihrer Regierungen verlangt und zum grösseren Teil bereits erhalten. Auch die schweizerischen Banken sind nur dann zur Krediteröffnung bereit, wenn ihnen der Bund eine Delkredere- und Transfergarantie zusichert.
Bereits in den Jahren 1961/62 nahm ein schweizerisches Bankenkonsortium, bestehend aus dem Schweizerischen Bankverein, der Schweizerischen Kreditanstalt und der Schweizerischen Bankgesellschaft, mit einem stand-by-
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Kredit von 12 Millionen Dollar an einer internationalen Aktion zu Gunsten Brasiliens teil. Da es sich damals um eine Krediterleichterung für die Bezahlung von Warenlieferungen die im Genüsse der Exportrisikogarantie waren, handelte, konnte der Bundesrat den Banken gestützt auf das Bundesgesetz über die Exportrisikogarantie vom 26. September 1958 eine Ausfallgarantie von 80 Prozent gewähren. Bei der jetzigen Krediteröffnung ist keine genügend enge Verknüpfung mit der Bezahlung derartiger Forderungen vorhanden, so dass eine Garantiegewährung nur gestützt auf einen besonderen Beschluss des Parlamentes erfolgen kann.
Ergänzend sei beigefügt, dass der erwähnte stand-by-Kredit nur zum Teil benützt und zudem völlig zurückbezahl worden ist.
Die schweizerischen Banken werden den Kredit erst nach dem Vorliegen der Bundesgarantie zur Verfügung stellen, das heisst, voraussichtlich 90 Prozent im September und 10 Prozent im Oktober 1965. Der verlangte Zins liegt 4 Prozent über dem Diskontsatz der Schweizerischen Nationalbank. Der Zinssatz beträgt somit gegenwärtig 6'/i Prozent. Er mag im Hinblick auf die verlangte Bundesgarantie relativ hoch erscheinen. Doch bewegt er sich an der unteren Grenze dessen, was die übrigen europäischen Banken verlangen.
Ferner schüesst er auch die Garantiegebühr des Bundes L) ein. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Banken 25 Prozent des Risikos selbst tragen. Im übrigen ist die Garantie auf dem Zins nicht nur auf 75 Prozent des Betrages beschränkt, sondern zugleich auf die Höhe der Zinsselbstkosten plus Unkostenanteil (eingeschlossen die Garantiegebühr des Bundes), festgelegt auf 5 Prozent.
IV.
Wir sind der Auffassung, dass sich die Schweiz der Teilnahme an dieser Kreditgewährung der westeuropäischen Industrieländer nicht entziehen sollte.
Es besteht ein wesentliches Interesse, die beträchtlichen Anstrengungen der brasilianischen Regierung zur Sanierung der brasilianischen Wirtschaft zu unterstützen. Von Seiten der Wirtschaftssachverständigen und insbesondere der internationalen Institutionen, wie dem Internationalen Währungsfonds werden der brasilianische Sanierungsplan und die mit ihm bereits erzielten Erfolge günstig beurteilt. Die Schweiz ist an der Unterstützung des Gesundungsprozesses der brasilianischen Wirtschaft nicht nur im Hinblick auf ihren beachtlichen Export,
sondern insbesondere auch im Hinblick auf ihre bedeutenden Investitionen in diesem Lande interessiert.
Die schweizerische Beteiligung am Gcsamtkredit mag im Hinblick auf die für Belgien, die Niederlande und Schweden vorgesehenen Beträge etwas hoch erscheinen. Sie trägt aber der Tatsache Rechnung, dass die Schweiz, im Gegensatz zu den erwähnten Ländern, keinen Beitrag über den Kanal des Internationalen Währungsfonds und der ihm verwandten Institutionen leistet. Zux
) Sie beträgt, berechnet nach den für die Exportrisikogarantie geltenden Regeln, pauschal 1,25%.
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dem entspricht sie ungefähr dem prozentualen Anteil des schweizerischen Exportes am Gesamtexport der an der Operation beteiligten europäischen Länder.
Ein Abseitsstehen der Schweiz würde nicht nur schwer verstanden, sondern könnte zudem negative Folgen für die Verteidigung der schweizerischen Exportposition, der namhaften schweizerischen Investitionen in Brasilien sowie der nicht unbedeutenden Interessen der Swissair sein.
Wir schlagen Ihnen daher vor, uns zu ermächtigen, dem schweizerischen Bankenfconsortium, bestehend aus dem Schweizerischen Bankverein, der Schweizerischen Kreditanstalt und der Schweizerischen Bankgesellschaft, eine Ausfallgarantie für das Delkredere und den Transfer des erwähnten Kredites von 21,6 Millionen Franken zu gewähren, und zwar im Umfange von 75 Prozent des Kapitals und der Zinsen. Für die Zinsen erstreckt sich die Garantie auf maximum 100 Prozent der Selbstkosten des aufgewendeten Kapitals (Passivzinsen plus Unkosten einschliesslich der Garantiegebühr des Bundes), festgelegt auf 5 Prozent.
V.
Wir beehren uns, Ihnen, gestützt auf diese Ausführungen, zu beantragen, den beiliegenden Entwurf zu einem Beschluss zu genehmigen, der die ganze Finanzhilfe an Brasilien beinhaltet und, den neuesten Umständen angepasst, somit jenen ersetzt, den wir Ihnen mit unserer Botschaft vom l I.Dezember 1964 unterbreiteten.
Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.
Bern, den 13. April 1965.
Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Tschudi Der Bundeskanzler: Ch.Oser
Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali
Nachtrags-Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Brasilien abgeschlossenen Schulden-Konsolidierungsabkommens (Vom 13.
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1965
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17
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29.04.1965
Date Data Seite
993-998
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10 042 864
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