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Bundesratsbeschluss über die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages für die schweizerische Reiseartikelund Lederwarenindustrie # S T #

(Vom 4. August 1965)

Der Schweizerische Bundesrat, gestützt auf Artikel 7 Absatz l des Bundesgesetzes vom 28. September 1956 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen, beschliesst:

Art, l 1

Die im Anhang wiedergegebenen Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages vom I.Juni 1965 für die schweizerische Reiseartikel- und Lederwarenindustrie werden allgemeinverbindlich erklärt.

2

Zwingende Vorschriften des Bundes und der Kantone sowie für den Arbeitnehmer günstigere vertragliche Abmachungen bleiben vorbehalten.

Art. 2 1

Die Allgemeinverbindlicherklärung wird für die ganze Schweiz ausgesprochen.

2

Die allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages finden Anwendung auf die Dienstverhältnisse zwischen Inhabern von Betrieben der Reiseartikel- und Lederwarenindustrie und ihren Arbeitnehmern, die mit der Bearbeitung und Herstellung von Reiseartikeln und Lederwaren beschäftigt sind. Ausgenommen sind die Meister, das technische und kaufmännische Personal sowie die Lehrlinge im Sinne der Bundesgesetzgebung über die berufliche Ausbildung.

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Art. 3 Dieser Beschluss tritt am 23. August 1965 in Kraft und gilt bis zum 31. Mai 1968.

Bern, den 4. August 1965.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Tschudi Der Bundeskanzler : Ch. Oser

Bundesblatt;. 117-Jahrg. Bd.II

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Anhang

Gesamtarbeitsvertrag fiir die schweizerische Reiseartikelund Lederwarenindustrie abgeschlossen am l.Juni 1965

zwischen dem Verband schweizerischer Reiseartikel- und LederwarenFabrikanten, einerseits und dem Verband der Bekleidungs-, Leder- und Ausrustungsarbeiter der Schweiz, dem Christlichen Textil- und Bekleidungsarbeiter-Verband der Schweiz sowie dem Landesverband freier Schweizer Arbeiter, anderseits.

Allgemeinverbindlich erklarte Bestimmungen Art. 3 Arteitazcit

1

Die wochentliche Normalarbeitszeit betragt 45 Stunden.

Der Samstagnachmittag ist frei.

3 Uberzeit iiber die ordentliche Arbeitszeit von 45 Stunden pro Woche hinaus ist mit einem Zuschlag von 25 Prozent zu bezahlen.

4 Hilfsarbeit im Sinne der Artikel 178 und 179 der Vollzugsverordnung zum Fabrikgesetz ist nicht zuschlagspflichtig. Auch fiir das Vor- und Nachholen ausfallender Arbeitszeit innerhalb des gesetzlich gestatteten Rahmens sind keine Zuschlage zu bezahlen.

6 Fiir die Arbeitszeitverkiirzung von 48 auf 45 Stunden ist in die Minimallohne ein Lohnausgleich von 6,6 Prozent eingebaut; dieser entfallt: a. fiir Arbeitnehmer, die auf ihr Verlangen weniger als 45 Stunden arbeiten; 2

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b. für Arbeitnehmer, welche die Normalarbeitszeit von 45 Stunden oder weniger aus nicht entschuldbaren Gründen nicht einhalten, Art. 4 1 Die gegenseitige Kündigungsfrist beträgt während der vier- Kündigung zehntägigen Probezeit einen Tag; nach Ablauf der Probezeit beträgt sie 14 Tage, und zwar auch im überjährigen Dienstverhältnis.

2 Der Ablauf der Htätigen Kündigungsfrist muss auf einen Samstag oder Zahltag fallen. Durch schriftliche Abmachung kann die Kündigungsfrist für Einzelfälle auch ausgedehnt werden; sie muss aber für beide Parteien gleich lang sein.

3 Die fristlose Auflösung gemäss Artikel 352 des Obligationenrechts bleibt vorbehalten...

Art. 5 Nach Beendigung der Arbeitszeit und wahrend der bezahl- Schwarzarbeit ten Ferientage darf keine Berufsarbeit zu Erwerbszwecken für Drittpersonen verrichtet werden.

a Arbeitnehmer, welche diese Vorschrift missachten, verlieren die Entschädigung für die Ferien. Nach erfolgter fruchtloser Mahnung ... können sie ohne Einhaltung der Kündigungsfrist sofort entlassen werden und verlieren jeden Anspruch auf eine Entschädigung.

Art. 6 1 Als Berufsarbeiter im Sinne des Vertrages gilt der Arbeit- Arbeitnehmernehmer, der die Lehrabschlussprüfting als Reiseartikelsattler, kategorien Sattler oder Portefeuiller bestanden hat. Beim Inkrafttreten dieses Vertrages gelten als Berufsarbeiter auch Arbeitnehmer, die sich über eine mehrjährige umfassende Tätigkeit als selbständige Reiseartikelsattler, Sattler, Portefeuiller, Zuschneider, Mustermacher und Kantennäher ausweisen können. Sie sind im Lohn dem gelernten Berufsarbeiter gleichgestellt.

ì Als Angelernte gelten Arbeitnehmer, die sich in längerer Anlerntätigkeit die Fähigkeit zur einwandfreien und selbständigen Herstellung von einzelnen Artikeln oder zur Ausführung qualifizierter beruflicher Teilarbeit angeeignet haben. Die Anlernzeiten sind im einzelnen Betrieb mit der Arbeiterkommission und, wo keine solche besteht, mit den qualifizierten Arbeitnehmern festzulegen.

3 Als Hilfsarbeiter gelten Arbeiter und Arbeiterinnen, welche die umschriebenen Anforderungen für eine der hiervor genannten beiden Berufskategorien (Berufsarbeiter und Angelernte) nicht erfüllen.

1

i

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Art. 7 Miuiniallohn

1

Fur die Entlohnung gelten pro Stundc folgende Minimalansatze, einschliesslich 6,6 Prozent Ausgleich fur die Verkiirzung der Normalarbeitszeit auf 45 Stunden: Kat, 1: Berufsarbeiter 1. Beschaftigungsjahr 2. Beschaftigungsjahr 3. Beschaftigungsjahr

Fr, 3.90 4.20 4.50

Kat. 2; Angelernte Facharbeiter 1. Beschaftigungsjahr 2, Beschaftigungsjahr

3.70 3.90

Kat, 3: Angelernte Facharbeiterinnen 1, Beschaftigungsjahr 2. Beschäftigungsjahr

3. -- 3.30

Kat. 4: Hilfsarbeiter fiber 18 Jahre 1. Beschaftigungsjahr 2. Beschaftigungsjahr

3.20 3.50

Kat, 5: Hilfsarbeiterinnen fiber 18 Jahre 1. Beschaftigungsjahr 2. Beschaftigungsjahr

2.30 2.70

2

3 Die Minimallohnansatze der Kategorie 5 konnen fur Betriebe in landlichen Verhaltnissen um 5 Rappen herabgesetzt werden.

4 Die Minimalansatze finden keine Anwendung auf Arbeitnehmer, die nicht normal arbetts- und leistungsfahig sind.

5

Art. 8 Akkordlolm

1

Die Akkordansatze sind dem Arbeitnehmer vor Beginn der Arbeit bekanntzugeben. Sie sind so festzulegen, dass es durcbschnitthch qualifizierten Arbeitnehraern bei entsprechender Leistung moghch ist, regelmassig Akkordpramien von mindestens 10 Prozent der Minimallohne ihrer Kategorie zu erreichen.

2

Ausser den Akkordansatzen ist ein Garantielohn festzulegen, der als Feiertags- und Urlaubsentschadigung gilt, oder auf den der Arbeitnehmer bei normaler Leistung Anspruch hat, wenn er zeitweilig nicht im Akkord arbeitet. Der Garantielohn setzt sich zusarnrnen aus dem Minimallohn und der Halfte der Differenz

813 zwischen diesem und dem durchschnittlichen Akkordverdienst der letzten sechs Monate.

Art. 9 Nach dem zuriickgelegten 10. Dienstjahr wird den Arbeitnehmern jahrlich eine Treuepramie von 1 Prozent der BruttoJahreslohnsutnme ausgerichtet, ab zuruckgelegtem 15. Dienstjahr eine solche von 2 Prozent.

3 Diese Pra'mie soil nicht mit dem normalen Lohn vermischt, sondern am Jahresende gesondert bezahlt werden. Dabei kann fur Arbeitnehmer mit mehr als 15 Dienstjahren eine Anrechnung von 1 Prozent der Brutto-Jahreslobnsumme an schon vorhandene Gratifikationssysteme, Altersführsorge- oder Spareinrichtungen und spezielle Dienstalters-Lohnzuschlage erfolgen.

J Bei der Berechnung der Dienstjalire gilt das voile Kalenderjahr.

1

Art. 10 Die Arbcitnehmer haben pro Kalenderjahr Anspruch auf bezahlte Ferien im folgenden Ausmass: im 1. bis 10. Dienstjahr 12 Werktage (2 Wochen) im 11. bis 15. Dienstjahr 15 Werktage (2'/4 Wochen) ab 16. Dienstjahr 18 Werktage (3 Wochen) 1

Arbeitnehmer nach vollendetem 50. Altersjahr ab 11. Dienstjahr 18 Werktage Jugendliche bis zum vollendeten 18. Altersjahr 18 Werktage Der Samstag gilt als ganzer Ferientag.

2

(3 Wochen) (3 Wocheu)

Die Dienstjahre mtissen im gleichen Betrieb geleistet sein.

Friihere im Betrieb geleistete Dienstjahre, ebenso die im gleichen Betrieb verbrachten Lehrjahre sind bei der Bemessung des Ferienanspruchs anzurechnen. Als Stichtagfiir die Bemessung des Ferienanspruchs gilt der l.Januar.

3 Erfolgt der Bin- oder Austritt wahrend des Kalenderjahres, so hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Ferien im Verhaltnis zur anrechenbaren Dienstzeit. Bei normalem Austritt hat der Arbeitnehmer das Recht, die Ferien wahrend der Kundigungsfrist zu beziehen.

4 Die Entschadigung fiir einen Ferientag entspricht dem Verdienst von 7 1/2 Stunden einschliesslich Lohnausgleich fiir die Arbeitszeitverkiirzung. Eine Barentschadigung an Stelle der Ferien ist nicht gestattet.

Treuepramien

Ferren

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Bctragt der Arbeitsausfall infolgc Krankheit oder Unfall pro Jahr weniger als 60 Tage, so erfolgt kein Abzug an den Ferien.

Bei grosserem Arbeitsausfall erfolgt eine Herabsetzung des Ferienanspruchs nach Massgabe der Arbeitsunterbrechung.

6 Absenzen wegen Militardienst und Arbeitslosigkeit werden in der Weise mit den Ferien verrechnet, dass fur jeden Absenzmonat eine Kurzung der Feriendauer und Ferienvergiitung von je einem Zwolftel vorgenommen wird. Von dieser Kurzung wird Umgang genommen, wenn es sich um die Rekrutenschule oder um einen ordentlichen Wiederholungskurs handelt, ebenso wenn die Kurzung weniger als einen vollen Ferientag betragen wiirde.

7 Der Ferienantritt wird durch den Arbeitgeber bestimmt, soweit als moglich unter Beriicksichtigung gerechtfertigter Wiinsche der Arbeitnehmer, Wird der Betrieb ferienhalber wahrend mindestens 12 Tagen geschlossen (Betriebsferien), so gilt folgende Regelung: a. Arbeitnehmer mit langerem Ferienanspruch konnen ihre weiteren Ferientage nur dann unmittelbar vorgangig der Betriebsferien oder daran anschliessend beziehen, wenn dies aus betrieblichen Griinden ohne Schwierigkeiten moglich ist; b, fur Arbeitnehmer mit kiirzerem Ferienanspruch darf der Arbeitgeber einen entsprechenden Ausgleich in Abweichung von der wochentlichen Normalarbeitszeit anordnen. Soweit es die Urnstande erlauben, konnen diese Arbeitnehmer auf Wunsch auch mit Renovations-, Aufraumungs-, Reinigungs-, Lagerund ahnlichert Arbeiten beschSftigt werden. Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber diesen Wunsch spatestens 14 Tage vor Beginn der Betriebsferien bekanntzugeben.

Art 11 Feiertage und Abscazen

1

Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Entschadigung fiir jahrlich sechs auf einen unbezahlten Werktag fallende Feiertage, wobei die Ausfallstunden zu vergiiten sind. Fur den im Akkord beschaftigten Arbeitnehmer gilt Artikel 8 Absatz 2.

2 Die Feiertagsentschadigung wird nicht ausgerichtet, wenn ein Arbeitnehmer wahrend der ganzen Woche, auf die der Feiertag fallt, nicht gearbeitet hat oder an den Tagen vor oder nach dem Feiertag unentschuldigt von der Arbeit weggeblieben ist.

3 Ausserdem hat der Arbeitnehmer fur nachstehende Falle, sofern dadurch ein Lohnausfall enLslelit, Anspiuch auf folgende Urlaubstage, die gleich wie Feiertage zu vergiiten sind: a) bei Todesfall des Gatten und eigener Kinder 3 Tage

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b) bei Todesfall von Eltern, Schwiegereltern und Geschwistern sowie von weiteren in Hausgemeinschaft lebenden Familienangehorigen 1 Tag c) bei personlicher Trauung 1 Tag d) bei Geburt eigener Kinder 1 Tag 4 Ferner hat der Arbeitnehmer bei militarischer Inspektion, sofern dadurch ein Lohnausfall entsteht, Anspruch auf den Lohn eines halben Arbeitstages (Stundenlohn einschliesslich Teuerungszulage oder Garantielohn).

Art. 12 Den vollbeschaftigten Arbeitnehmern wird fur jedes Kind bis zum vollendeten 16. Altersjahr eine monatliche Zulage von Fr. 20.ausgerichtet. Bezugsberechtigt ist der unterstiitzungspflichtige Familienvorstand.

Art. 13 1

In den nicht der Bundesgesetzgebung uber die Kranken- und Unfallversicherung unterstellten Betrieben sind die Arbeitnehmer gegen Betriebs- und Nichtbetriebsunfalle zu versichern. Die Versicherung hat den Ersatz der Heilungskosten, die Leistung eines Taggeldes von mindestens 80 Prozent des Tagesverdienstes, des funffachen Jahresverdienstes im Todesfall und des achtfachen Jahresverdienstes im Invaliditatsfall vorzusehen.

2 Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Pramien fiir die Nichtbetriebsunfallversicherung auf den Arbeitnehmer abzuwalzen.

Art. 14 Jeder versicherungsfahige Arbeitnehmer ist verpflichtet, einer Krankentaggeldversicherung anziigehoren. Die Wahl des Versicherungstragers ist Sache der direkten Verstandigung zwischen den einzelnen Arbeitgebern und Arbeitnehmem.

a Die Krankengeldversicherung hat ein tagliches Kran kengeld von 50 Prozent des Tagesverdienstes vorzusehen. Die Genussrechtsdauer muss 720 Tage innerhalb von 900 Tagen und bei Erkrankung an Tuberkulose von 1800 Tagen innerhalb von 7 aufeinanderfolgenden Jahren betragen. Die Karenzzeit darf nicht langer als 3 Monate und die Wartefrist nicht langer als 2 Tage dauern.

3 Fiir die Pramien dieser Krankentaggeldversicherung hat der Arbeitgeber aufzukommen. Dadurch ist die ihm gemass Artikel 335 des Obligationenrechts obliegende Lohnzahlungspflicht im Krankheitsfalle des Arbeitnehmers abgelost. Soweit der Arbeitnehmer infolge Krankheitsanlagen bei Versicherungseintritt von der Krankentaggeldversicherung ausgeschlossen wurde, gilt im Kranklieitsfalle Artikel 335 des Obligationenrechts.

1

4

Kinderzulagen

UnfaUv«rsicherung

Kraokenveisicherung

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Koalitionsfreiheit

Art. 15 Die Koalitionsfreiheit wird gegenseitig anerkannt. Dem Arbeitnehmer diirfen aus der Zugehorigkeit oder Nichtzugehorigkeit zu einer Gcwerkscliaft oder wegen korrekter Ausiibung gcwerkschaftlicher Funktionen kcinevlei Nachteile erwachsen.

Art. 20

Kontrolle

Die Paritatische Kommission in der Reiseartikel- und Lederwaremndustrie oder die von ihr bestellten Organe konnen Kontrollen uber die Einhaltung des Gesamtarbeitsvertrages in den einzelnen Betrieben vornehmen. Die Arbeitgeber sind verpflichtet, den Kontrollorganen Einsicht in die in Betracht kommenden Unterlagen zu geben.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesratsbeschluss über die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages für die schweizerische Reiseartikel- und Lederwarenindustrie (Vom 4. August 1965)

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1965

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19.08.1965

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