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ndesblatt

Bern, den 2. Dezember 1965

117. Jahrgang

Band HI

Nr. 48 Erscheint wöchentlich. Preis Fr. 33.- im Jahr, Fr. 18.- im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postzustellungsgebuhr

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9357 Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz (Vom 12. November 1965)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir haben die Ehre, Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf zu einem Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz zu unterbreiten.

L Entstehung und Bedeutung von Artikel 24sexles der Bundesverfassung 1. Am 27. Mai 1962 haben Volk und Stände eine Ergänzung der Bundesverfassung durch einen neuen Artikel 24sexles mit folgendem Wortlaut gutgeheissen : 1 Der Natur- und Heimatschutz ist Sache der Kantone.

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Der Bund hat in Erfüllung seiner Aufgaben das heimatliche Landschafts-und Ortsbild, geschichtliche Stätten sowie Natur- und Kulturdenkmäler zu schonen und, wo das allgemeine Interesse überwiegt, ungeschmälert zu erhalten.

3 Der Bund kann Bestrebungen des Natur- und Heimatschutzes durch Beiträge unterstützen sowie Naturreservate, geschichtliche Stätten und Kulturdenkmäler von nationaler Bedeutung vertraglich oder auf dem Wege der Enteignung erwerben oder sichern.

4 Er ist befugt, Bestimmungen zum Schütze der Tier- und Pflanzenwelt zu erlassen.

Die Annahme dieser verfassungsmässigen Grundlage für den Natur- und Heimatschutz war sehr eindeutig, indem sich die Stimmberechtigten bei 559415 abgegebenen gültigen Stimmen mit 442559 Ja gegen 116856 Nein für die Vorlage aussprachen, wobei sich gleichzeitig in allen Ständen eine annehmende Mehrheit ergab (Bundesbeschluss vom 22. Juni 1962 über die Er Währung des Ergebnisses der Volksabstimmung vom 27. Mai 1962 betreffend den Bundesbeschluss über die Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel 24sexles betreffend den Natur- und Heimatschutz; AS 7952, 749).

Mit dieser Verankerung des Natur- und Heimatschutzes in der Bundesverfassung erfuhr eine zeitgemässe Aufgabe ihre formelle Anerkennung.

Das eindeutige Abstimmungsergebnis darf als Beweis dafür gewertet werden, Bundesblatt. 117. Jahrg. Bd. m.

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dass das Schweizervolk sich der unserer Natur, unserem Landschaftsbild sowie unseren Kulturdenkmälern und geschichtlichen Stätten drohenden Gefahren bewusst ist und sowohl die Notwendigkeit als auch die Dringlichkeit eines wirksamen Natur- und Heimatschutzes bejaht.

2. In der Botschaft vom 19. Mai 1961 über die Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel 24sexies betreffend den Natur- und Heimatschutz (BB11961,I, 1093 ff.) ist eingehend über die Vorgeschichte, das geltende Recht sowie die Wünschbarkeit einer eidgenössischen Gesetzgebung über Natur- und Heimatschutz orientiert worden, so dass wir uns darauf beschränken können, die wesentlichsten Punkte in Erinnerung zu rufen.

Die ersten Vorstösse in den eidgenössischen Räten gehen auf das Jahr 1924 zurück, als der Bundesrat durch eine Motion Gelpke im Nationalrat eingeladen wurde, gestützt auf Artikel 702 des Zivilgesetzbuches einen Gesetzesentwurf über den Natur- und Heimatschutz auszuarbeiten. Diese Motion wurde abgelehnt. Im Jahre 1931 gelangte der Schweizerische Bund für Naturschutz an die Fraktionen der eidgenössischen Räte, und im Dezember des gleichen Jahres wurde von Nationalrat Oldani eine später in ein Postulat umgewandelte Motion eingereicht, die ebenfalls den Erlass eines «weitblickenden Naturschutzgesetzes» forderte. Im Jahre 1932 kam es zur sogenannten «Ottener Resolution» mit dem Begehren nach einem Bundesgesetz für «einen wirksamen Schutz von Natur und Heimat». Im Jahre 1933 ergab sich aus einer Umfrage des Eidgenössischen Departements des Innern bei den Kantonen, dass 9 Kantone für ein eidgenössisches Naturschutzgesetz und 16 dagegen waren. Einen Schritt weiter ging eine am I.November 1934 vom Verband zum Schütze des Landschaftsbildes am Zürichsee eingereichte Eingabe, welche die Aufnahme eines Bundesverfassungsartikels vorschlug. Am I.Mai 1936 schuf der Bundesrat die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission. 1948 kam es erneut zu einer Umfrage bei den Kantonen über das Bedürfnis nach einer Regelung des Natur- und Heimatschutzes auf Bundesebene : 13 Kantone und Halbkantone begrüssten ein eidgenössisches Rahmengesetz, 12 waren dagegen. Das Jahr 1954 brachte einen neuen Vorstoss in den eidgenössischen Räten. Der Bundesrat setzte darauf eine Expertenkommission ein. In einem weitern Vernehmlassungsverfahren äusserten
sich nur noch 5 Kantone gegen eine Regelung des Natur- und Heimatschutzes auf Bundesebene. Durch einen Beschluss vom 20. Januar 1959 beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Departement des Innern mit der Ausarbeitung der Botschaft an die Räte. Am 19. Dezember 1960 genehmigte der Bundesrat den Entwurf zu einem Artikel 24sexlea der Bundesverfassung, am 21. Dezember 1961 fand dieser die Zustimmung der eidgenössischen Räte (Bundesbeschluss vom 21. Dezember 1961 über die Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel 24sexle3 betreffend den Natur- und Heimatschutz, BB11961, II, 1350).

3. Eine Verfassungsbestimmung über den Natur- und Heimatschutz war besonders deshalb wünschenswert, weil sich aus Artikel 702 des Zivilgesetzbuches keine Kompetenz des Bundes zur Gesetzgebung auf diesem Gebiet ableiten lässt.

Allerdings sind die Kantone gemäss Artikel 3 der Bundesverfassung zum Erlass

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öffentlich-rechtlicher Vorschriften über den Natur- und Heimatschutz zuständig (BGE 411 489; 571 211 ; 641208), und die Vielzahl der geltenden kantonalen Gesetze und Verordnungen über den Natur- und Heimatschutz lässt erkennen, dass alle Kantone der Erhaltung und Pflege ihrer Naturschönheiten und Landschaftsbilder grosse Bedeutung beimessen. Es kann hingegen nicht in Abrede gestellt werden, dass die kantonalen Behörden bei der Wahrung der Interessen des Natur- und Heimatschutzes in zunehmendem Masse Schwierigkeiten begegneten. Zur Erhaltung der heute leider nicht mehr sehr zahlreichen unversehrten Naturlandschaften, Ortsbilder, geschichtlichen Stätten und Kulturdenkmäler von grossem, im ganzen Lande anerkanntem Wert drängte sich deshalb ein wirksamer, unmittelbarer Schutz durch den Bund auf. Ferner bestand ein unbestrittenes Bedürfnis nach einer verfassungsmässigen Kompetenz des Bundes zur Förderung der oft kostspieligen Bestrebungen der Kantone und der Organisationen des Natur- und Heimatschutzes. Als grosser Vorteil einer neuen Verfassungsbestimmung stand die Möglichkeit koordinierender und ausgleichender Funktionen im Vordergrund.

H. Das Kreisschreiben des Bundesrates vom 10. Dezember 1962 Als Sofortmassnahme und Notbehelf bis zum Zeitpunkt, in welchem das Gesetz in Kraft treten wird, erliess der Bundesrat am 10. Dezember 1962 ein Kreisschreiben an die Departemente und die Regiebetriebe des Bundes, worin die gesamte Bundesverwaltung aufgefordert wurde, bei ihrer Tätigkeit ohne Verzug nach den Grundsätzen von Absatz 2 des Verfassungsartikels zu verfahren - «dies nicht nur in Nachachtung der Verfassung, sondern auch weil der Schutz des Antlitzes unserer Heimat vor Entstellung und geistiger Verarmung eine immer dringendere moralische Pflicht wird angesichts der zunehmenden Gefahren, die ihm heute durch die starke Zunahme der Bevölkerung, die andauernde Hochkonjunktur sowie die rasche Entwicklung von Wirtschaft und Technik drohen».

HL Die Vorarbeiten für ein Bundesgesetz über den Naturund Heimatschutz Auf Grund der eidgenössischen Abstimmung vom 27. Mai 1962 beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Departement des Innern mit der Bildung einer Expertenkommission für die Vorbereitung der Ausführungsgesetzgebung. Diese Kommission stand unter dem Präsidium von Regierungsrat Dr. Urs Dietschi, Solothurn. Sie war in der Lage, bereits am 4. Juni 1963 dem Eidgenössischen Departement des Innern einen Vorentwurf abzuliefern, der nach einem internen Vernehmlassungsverfahren bei den Departementen der Bundesverwaltung überarbeitet und auf Grund eines Bundesratsbeschlusses vom 9. März 1964 zusammen mit einem erläuternden Bericht der Kommission den Kantonsregierungen, den politischen Parteien, den Spitzenverbänden der Wirtschaft sowie den schweizerischen Organisationen des Natur- und Heimatschutzes zur Vernehmlassung unterbreitet wurde. Das Ergebnis dieses Vernehmlassungsverfahrens war über-

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wiegend positiv: Von 76 Empfängern äusserten sich 67. Davon sprachen sich 63 für die Gesetzesvorlage aus, während ihr nur 4 Empfänger eher ablehnend gegenüberstanden. Vereinzelt wurden dabei allerdings auch Zweifel geäussert, ob ein Ausführungsgesetz zu Artikel 24sexles der Bundesverfassung überhaupt nötig sei. Mit der Expertenkommission und dem Eidgenössischen Departement des Innern möchten wir diese Frage indessen vorbehaltlos bejahen, da sonst der Verfassungsartikel weitgehend toter Buchstabe bliebe.

Aus den Vernehmlassungen ging ferner hervor, dass einem einzigen Ausführungsgesetz zum neuen Verfassungsartikel der Vorzug gegeben wird. Wie unserer Botschaft vom 19. Mai 1961 zum Verfassungsartikel 24sexles zu entnehmen ist (BB11961,I,1116), waren wir anfänglich der Auffassung, der Erlass eines einzigen umfassenden Bundesgesetzes empfehle sich nicht. Die Expertenkommission arbeitete denn auch ihre ersten Vorentwürfe zu den Absätzen 2, 3 und 4 von Artikel 24sexlea der Bundesverfassung als selbständige Einzelerlasse aus. Da diese Verfassungsbestimmungen aber trotz ihres verschiedenartigen Inhalts einer gemeinsamen hohen Aufgabe, nämlich der Erhaltung der natürlichen Schönheit und der überlieferten kulturellen Eigenart unseres Landes dienen, konnten die Ausführungsbestimmungen ohne Bedenken in einem einzigen Gesetzesentwurf zusammengefasst werden. Am 26. Februar 1965 legte die Kommission einen bereinigten Entwurf zu einem Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz vor.

IV. Rücksichtnahme auf die föderalistischen Grundsätze Absatz l von Artikel 24BexleB der Bundesverfassung hält fest, dass Naturund Heimatschutz Sache der Kantone sind - mit den in den Absätzen 2, 3 und 4 des gleichen Artikels genannten Einschränkungen. Damit waren auch die Richtlinien für die Ausarbeitung des vorliegenden Gesetzesentwurfes gegeben. Die Bestrebungen der Kantone sollen weder geschwächt noch eingeschränkt, sondern einer wirksamen Unterstützung teilhaftig werden. In gleichem Sinne war schon in der Botschaft zum Verfassungsartikel über Natur- und Heimatschutz ausgeführt worden: «Die erforderliche Ausführungsgesetzgebung zu Artikel 24-sexies der Bundesverfassung wird dem Prinzip des Föderalismus sowie der Verschiedenartigkeit der durch die einzelnen Absätze des Natur- und Heimat schutzartikels angestrebten Ziele Rechnung
tragen müssen» (BB1 1961, I, 1116).

Ausführungsbestimmungen zum ersten Absatz des Verfassungsartikels fallen ausser Betracht. Hingegen dürfte, gestützt auf diesen Absatz und den Erlass des vorliegenden Gesetzes, für die Kantone der Moment gekommen sein, ihre Natur- und Heimatschutzgesetzgebung zu überprüfen und nach Möglichkeit auszubauen (vgl. auch Botschaft, BB11961, l, 1110).

V. Die Grundzüge des Gesetzesentwurfes 1. Volle Ausschöpfung der verfassungsrechtlichen Kompetenz

Ein Grundsatz wies bei der Ausarbeitung des Gesetzesentwurfes von Anfang an den Weg: Die durch den neuen Verfassungsartikel geschaffenen Möglich-

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keilen, auf Bundesebene unsere Heimat in ihrer natürlichen Schönheit und ihrer geschichtlich gewachsenen Eigenart zu schützen und zu erhalten, sollten voll ausgeschöpft werden, soweit dies mit einer rechtlich zu verantwortenden Auslegung vereinbar war. Hiefürsprachen drei Gründe: Einmal war Artikel 24sexle3 der Bundesverfassung bewusst mit grosser Zurückhaltung formuliert worden, weil der Bund - mit Rücksicht auf den überlieferten föderalistischen Aufbau unseres Staates - so wenig als möglich in die Zuständigkeit der Kantone eingreifen wollte (Art. 24sexles, Abs. l BV). Ein zurückhaltend formulierter Verfassungsartikel darf aber nicht noch einschränkend ausgelegt werden, wenn er seiner Wirksamkeit nicht völlig entkleidet werden soll. Zum gleichen Schluss führt uns auch die starke Annahme der Verfassungsvorlage mit einem Volksmehr von rund 4 : l und allen Standesstimmen. Darin lag ein eindrücklicher Auftrag an den Gesetzgeber, seine Aufgabe mit Entschlossenheit und Konsequenz anzupacken. Schliesslich zwingt ihn hiezu die standig zunehmende Dringlichkeit der Aufgabe : Die stürmische Entwicklung von Wirtschaft, Technik und Verkehr bedroht das Antlitz unserer Heimat jeden Tag stärker; sie lässt beim Schaffen von gesetzlichen Abwehrmitteln keine Zaghaftigkeit mehr zu.

2. Die Gliederung des Entwurfs

Aus der Gliederung des Verfassungsartikels ergibt sich auch die Unterteilung des vorliegenden Entwurfs zu einem Bundesgesetz: In einem ersten Abschnitt werden alle Bestimmungen zusammengefasst, die Behörden und Amtsstellen des Bundes bei Erfüllung ihrer Aufgaben verpflichten. Der zweite Abschnitt enthält die Massnahmen des Bundes zur Unterstützung von Natur- und Heimatschutz sowie die Rechtsgrundlagen für die allfällige Sicherung gefährdeter wichtiger Objekte durch den Bund. Der dritte Abschnitt ist dem Schutz der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt gewidmet. Den Abschluss bilden die Straf- und Schlussbestimmungen.

3. Natur- und Heimatschutz bei der Erfüllung von Bundesaufgaben

Absatz 2 von Artikel 24sexles der Bundesverfassung verpflichtet den Bund, «in Erfüllung seiner Aufgaben das heimatliche Landschafts- und Ortsbild, geschichtliche Stätten sowie Natur- und Kulturdenkmäler zu schonen und, wo das allgemeine Interesse überwiegt, ungeschmälert zu erhalten». Der Bund hat, mit ändern Worten, vorweg bei der Erfüllung seiner eigenen Aufgaben den Anforderungen des Natur- und Heimatschutzes gerecht zu werden. Dieser Grundgedanke war bis jetzt nur in einzelnen Bundesgesetzen ausgesprochen, und es fehlte an Bestimmungen zu seiner Durchsetzung.

Die im ersten Abschnitt des vorliegenden Gesetzesentwurfs enthaltenen Bestimmungen verfolgen den Zweck, die Beachtung des in Absatz 2 des Verfassungsartikels festgelegten Grundsatzes verfahrensmässig zu gewährleisten, ohne dass dadurch die Verwaltungsstellen des Bundes übermässig belastet werden.

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Der Abschnitt beruht im wesentlichen auf den folgenden fünf Gedanken: o. Nähere Bestimmung der bundeseigenen Aufgaben durch Aufzählen ihrer Formen; b. Abstufung der Schutzobjekte nach ihrer Bedeutung (nationale, regionale oder lokale Bedeutung); c. Inventarisation der Schutzobjekte von nationaler Bedeutung; d. Begutachten der Wahrung von Natur- und Heimatschutz bei der Erfüllung von Bundesaufgaben durch besondere von der Bundesverwaltung unabhängige sachkundige Organe; e. Befugnis von gesamtschweizerischen Vereinigungen des Natur- und Heimatschutzes zum Ergreifen von Rechtsmitteln des Bundesrechtes gegen Entscheide von Behörden.

Diese fünf Gedanken sind als zusammenhängendes Ganzes aufzufassen, dessen Einzelteile aufeinander abgestimmt sind und daher nicht beliebig herausgebrochen werden können : - Nur wenn die Bundesaufgaben umfassend umschrieben werden, besteht Gewähr, dass bei ihrer Erfüllung Natur- und Heimatschutz wirksam gewahrt werden.

- Nur wenn eine klare Rangordnung der Schutzobjekte aufgestellt wird, sind die Bundesorgane bei der Erfüllung ihrer Aufgaben in der Lage, sich von Anfang an auf die wesentlichen Objekte zu konzentrieren.

- Nur durch eine Inventarisation der wichtigsten Schutzobjekte, die auch für die weniger wichtigen als Vorbild dient, kann eine solche klare Rangordnung geschaffen werden.

- Nur die Begutachtung durch von der Bundesverwaltung unabhängige und sachkundige Organe bietet Gewähr dafür, dass die Bundesverwaltung bei der Erfüllung von Bundesaufgaben für die Interessenabwägung nicht bloss in bezug auf ihr jeweiliges Fachgebiet, sondern auch in bezug auf den Natur-und Heimatschutz über zuverlässige Unterlagen verfügt.

- Nur das Rekursrecht der Natur- und Heimatschutzverbände ermöglicht es, Entscheide von Bundesorganen, die sich ohne Not über ein solches Gutachten hinwegsetzen, an eine höhere Instanz weiterzuziehen.

Der Begriff der «Erfüllung einer Bundesaufgabe» wird weder in bezug auf die Kategorien noch bezüglich der bei jeder Kategorie erwähnten Beispiele in abschliessender Weise umschrieben. Dies geht deutlich aus der Verwendung des Ausdrucks «insbesondere» in der Einleitung von Artikel 2 des Gesetzesentwurfes hervor. So ist unter «Erfüllung einer Bundesauf gäbe »beispielsweise auch der Abschluss von Verträgen mit dem Ausland zu verstehen. Kommt es zu
Vertragsverhandlungen, bei denen schweizerische Schutzobjekte im Sinne von Absatz 2 des Verfassungsartikels in Frage stehen, so haben die Delegierten des Bundes auch die Interessen des Natur- und Heimatschutzes nach Möglichkeit zu wahren und nötigenfalls ein Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutz-

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kommission oder der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege einzuholen.

Bewusst wird im vorliegenden Entwurf auch auf eine Definition der im Verfassungsartikel aufgeführten Schutzobjekte (Landschafts- und Ortsbild, geschichtliche Stätte, Natur- und Kulturdenkmal usw.) verzichtet; wegen der Vielgestaltigkeit der schützenswerten Objekte stösst jede allgemeine Umschreibung auf grosse Schwierigkeiten. An die Stelle von Begriffsbestimmungen tritt daher die zweckmässigere Inventarisation der Naturlandschaften, Ortsbilder, geschichtlichen Stätten, Natur- und Kulturdenkmaler. Dabei sollen nur die Listen der Schutzobjekte von nationaler Bedeutung durch den Bund selbst erstellt oder übernommen werden; die Schaffung von Inventaren der Objekte von regionaler oder lokaler Bedeutung bleibt den Kantonen vorbehalten, wobei die Bundesinventare für die Auswahl und Umschreibung der Schutzobjekte als Vorbild dienen können.

Bezüglich der Beziehungen des Natur- und Heimatschutzes zur Landesplanung hat die Botschaft zum Verfassungsartikel eine deutliche Abgrenzung gezogen (Botschaft, BB1 1961,1, 1104/1105). Immerhin sollte im vorliegenden Bundesgesetz nichts \erankert werden, das die Landes-, Regional- und Ortsplanung hemmen könnte. Ein kurzer Hinweis darauf schien uns deshalb am Platze (Art. 2, Buchstabe e), um so mehr, als auch die Planung die Schönheiten des Orts- und Landschaftsbildes zu wahren sucht (Reichlin, ZSR, 1947, 177 a; Ruck, Schweizerisches Elektrizitätsrecht, 1964, 122, Note 23; BGE 88 I 231; Imboden, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 1964, Nr. 27).

4. Die Erstellung von Inventaren Artikel 5 des vorliegenden Gesetzesentwurfes sieht vor, dass der Bundesrat nach Anhören der Kantone Inventare von Objekten von nationaler Bedeutung aufstellen wird und dass er sich dabei auf schon vorhandene Inventare von staatlichen Institutionen und Vereinigungen zum Schütze von Natur und Heimat stützen kann. So besteht insbesondere die Möglichkeit, das Inventar der Schweizerischen Kommission zur Erstellung einer Liste der zu erhaltenden Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (KLN), datiert vom 4. Mai 1963, als Grundlage zu nehmen. Es wäre für den Bund wenig sinnvoll, mit grossem Verwaltungs- und Zeitaufwand vollständig neue Inventare zu erstellen, wo solche von sachkundiger Seite bereits
ausgearbeitet oder in Angriff genommen worden sind. Anderseits versteht es sich von selbst, dass eine gänzliche oder teilweise Übernahme der bestehenden privaten Inventare durch den Bund nur nach vorheriger Fühlungnahme mit den Kantonen in Frage kommt.

Es darf in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, dass die bestehenden Inventare trotz ihres rein privaten Charakters schon wiederholt angerufen wurden und wirksame Schutzfunktionen auszuüben vermochten, so in der Diskussion um die Umgebung der Teilskapelle, um den Frauenwinkel am Zürichsee und das Delta der Verzasca und des Ticino.

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Von besonderer Bedeutung ist schliesslich die Feststellung, dass die Wasserrechtshoheit der Kantone durch das Bundesgesetz über Natur- und Heimatschutz nicht berührt wird. Wie auf dem Gebiet der Baupolizei, sind auch bei der Erteilung von Wasserrechtskonzessionen durch die Kantonsregierungen die Inventare des Bundes nicht verbindlich.

5. Die Begutachtung durch Fachkommissionen

Wenn bei der Erfüllung einer Bundesaufgabe ein Objekt beeinträchtigt werden könnte, das in einem Inventar des Bundes aufgeführt ist, muss rechtzeitig ein Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission oder der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege eingeholt werden (Art. 7 des Entwurfes). Diese beiden Kommissionen können zudem in wichtigen Fällen von sich aus ein Gutachten über die Schonung oder ungeschmälerte Erhaltung eines bedrohten Objekts abgeben (Art. 8).

Bei der Ausarbeitung der Vollziehungsverordnung zum Gesetz wird zu prüfen sein, ob der Zeitpunkt des Beizugs der beiden Kommissionen näher geregelt werden muss.

Die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege wird hier ebenfalls als Fachkommission erwähnt, trotzdem sie sich in ihrem Aufgabenbereich relativ selten zu einer Stellungnahme unter dem Gesichtspunkt von Absatz 2 des Verfassungsartikels veranlasst sehen wird. Die Denkmalpflege des Bundes befasst sich vorwiegend mit der Erhaltung und stilgerechten Restaurierung von Baudenkmälern, wogegen der Schutz der Umgebung derartiger Objekte vor Beeinträchtigungen durch Bauten, Anlagen usw. in der Regel in den Aufgabenbereich des Natur- und Heimatschutzes fällt. Die Abgrenzung der Bereiche des Naturund Heimatschutzes und der Denkmalpflege kann der vertrauensvollen Zusammenarbeit der beiden Kommissionen überlassen und nötigenfalls in der Vollziehungsverordnung zum Gesetz geregelt werden.

Eine Ausnahmestellung nehmen die militärischen Anlagen im Sinne des Bundesgesetzes vom 23. Juni 1950 über den Schutz militärischer Anlagen ein (AS 1950, II, 1474 ff.). Aus Gründen der Geheimhaltung muss hier die Begutachtung eingeschränkt werden (Art. 10), was aber nicht bedeutet, dass der Bund nicht dessen ungeachtet zur grösstmöglichen Schonung von Inventarobjekten verpflichtet bleibt.

6. Beschwerdelegitimation gesamtschweizerischer Vereinigungen für Natur- und Heimatschutz

Artikel 11 des Entwurfes ermächtigt die gesamtschweizerischen Vereinigungen, die sich statutengemäss dem Natur- oder Heimatschutz oder verwandten, rein ideellen Zielen widmen, aus Gründen des Natur- und Heimatschutzes wegen Verletzung von Bundesrecht ein Mittel des Rechtsschutzes zu ergreifen.

In dieser ausdrücklichen Ermächtigung der gesamtschweizerischen Vereinigungen für Natur- und Heimatschutz liegt eine wichtige Neuerung, da sowohl

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vom Bundesrat als auch vom Bundesgericht die Legitimation dieser Organisationen zur Beschwerdeführung, zum Beispiel gegen die Erteilung von Konzessionen, bis anhin verneint worden ist. Die Rekursbehörden begründeten dies damit, dass das Interesse am Natur- und Heimatschutz ein öffentliches Interesse und dass die Wahrung öffentlicher Interessen Sache der Behörden und nicht privater Beschwerdeführer sei (vgl. hiezu auch BGE 90 I 184).

Die Betrauung der Natur- und Heimatschutzverbände mit dem Beschwerderecht ist eine einfache und im Prinzip dem schweizerischen Recht nicht fremde Lösung. Diese Regelung wurde auf ändern Gebieten in ähnlicher Gestalt schon früher vorgesehen, so zum Beispiel beim Rekursrecht der Ausgleichskassen auf dem Gebiete der AHV (Art. 86 AHVG). Es ist ferner daran zu erinnern, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichts die staatsrechtliche Beschwerdebefugnis aus eigenem Recht - auch den Berufsverbänden beilegt.

Einem Missbrauch des Rekursrechtes durch die Natur- und Heimatschutzverbände beugen die Möglichkeit der Kostenauflage an unterliegende Rekurrenten sowie das Ausmass der mit der Beschwerde meist verbundenen (in der Regel ehrenamtlich geleisteten) Arbeit vor. Im übrigen ist zu erwarten, dass sich mit der Zeit durch einige grundlegende Entscheide des Bundesrates in den umstrittensten Fragen eine feste Praxis herausbilden wird.

Alle in Artikel 11 angeführten Rechtsschutzmittel (Rechtsmittel im engeren Sinne und Rechtsbehelfe) können nur ergriffen werden, um eine Verletzung von Bundesverfassungsrecht oder von sonstigem Bundesrecht zu rügen. Zur Hauptsache werden sich diese Rechtsschutzmittel gegen Akte des Bundes bei der Erfüllung von Bundesaufgaben richten. Insofern hält sich die Zuerkennung der Befugnis, Rechtsschutzmittel zu ergreifen, an den Rahmen des l. Abschnittes : «Natur- und Heimatschutz bei Erfüllung von Bundesaufgaben». Die Vereinigungen des Natur- und Heimatschutzes können auf diese Weise dazu beitragen, den Bestimmungen des 1. Abschnittes Nachachtung zu verschaffen.

Nur ausnahmsweise werden sich die Rechtsschutzmittel auch gegen kantonale Entscheide richten können, dann nämlich, wenn die Kantone auf Grund gesetzlicher Delegation als blosse Vollzugsorgane des Bundes Aufgaben erfüllen, die grundsätzlich in die Zuständigkeit des Bundes fallen.

Artikel 11 bringt
keine Popularbeschwerde. Er sieht auch von der problematischen Schaffung eines «eidgenössischen Natur- und Heimatschutzanwalts» ab. Die Legitimation zur Beschwerde soll auf einige wenige gesamtschweizerische Vereinigungen beschränkt werden, deren verdienstvolle Tätigkeit seit Jahrzehnten allgemein bekannt ist. Indirekt können indessen gleichwohl auch kantonale Sektionen von Natur- und Heimatschutzvereinigungen zu Worte kommen, indem sie ihre Anliegen der schweizerischen Dachorganisation unterbreiten; diese wird aber solche Anträge kritisch prüfen, da sie gegenüber den Behörden die Verantwortung für das Rechtsmittel zu übernehmen hat. Angesichts dieser Beschränkungen besteht kein Grund zur Befürchtung von Missbräuchen als Folge der neuen Legitimationsbestimmung.

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Als gesamtschweizerische, zur Beschwerde legitimierte Organisationen kommen in Frage : der Schweizerische Bund für Naturschutz, die Schweizerische Vereinigung für Heimatschutz, der Schweizer Alpen-Club, die Gesellschaft für schweizerische Kunstgeschichte, die Schweizerische Naturforschende Gesellschaft, die Schweizerische Gesellschaft für Urgeschichte - keinesfalls aber Aktionskomitees für Einzelfälle und auf materielle Interessen ausgerichtete Vereinigungen. Das gleiche Recht soll im übrigen gemäss Absatz 2 den Kantonen gegenüber Entscheiden eidgenössischer Behörden zustehen. Von einer Legitimation der Gemeinden wurde Umgang genommen, da es Sache der Kantone ist, die Interessen der Gemeinden gegenüber den Bundesbehörden zu wahren.

Im Vernehmlassungsverfahren ist dieses neue Rekursrecht der gesamtschweizerischen Natur- und Heimatschutzvereinigungen überwiegend positiv aufgenommen worden. Es wurde anerkannt, dass ohne das Beschwerderecht dieser Vereinigungen die obligatorische Begutachtung durch die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission und die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege problematisch und oft wirkungslos wäre.

7. Der Einsatz von Bundesmitteln

Gemäss Artikel 24aexles, Absatz l der Bundesverfassung bleibt der Naturund Heiinatschutz eine primäre Aufgabe der Kantone. Manche unter ihnen dürften heute in der Lage sein, für diesen Zweck höhere Aufwendungen auf sich zu nehmen als früher. Eine wesentliche Rolle in der Pflege des Natur- und Heimatschutzes kam sodann seit jeher der privaten Initiative zu, waren doch die privaten Vereinigungen vielfach die Träger entscheidender Aktionen und Schutzmassnahmen. Leider zeigt aber die Erfahrung, dass die finanziellen Mittel der Kantone und privaten Vereinigungen oft nicht ausreichen. Artikel 12 des vorliegenden Entwurfes sieht deshalb vor, dass der Bund an die Kosten der Erhaltung von schützenswerten Landschaften, Ortsbildern, geschichtlichen Stätten sowie Natur- und Kulturdenkmälern Beiträge gewähren kann - vorausgesetzt, dass sich die an den Objekten interessierten Kantone in angemessener Weise an den Kosten beteiligen. Dabei können Bedingungen für die Erhaltung, den Unterhalt und die Pflege des Objekts sowie seiner Umgebung geknüpft werden (Art. 12, Abs. 2).

Mit der Expertenkommission und dem Eidgenössischen Departement des Innern sind wir indessen der Ansicht, dass von der Schaffung eines Nationalfonds für Natur- und Heimatschutz Umgang genommen werden sollte.

Wenn der Bund, entsprechend der föderalistischen Struktur unseres Landes, in der Regel auch nur im Sinne zusätzlicher Hilfsmassnahmen eingreifen soll, kann einer solchen Hilfe als Rückenstärkung für kantonale, kommunale und private Bemühungen doch entscheidende Bedeutung zukommen.

Ähnlich wie bei der für die Denkmalpflege des Bundes geltenden Regelung ist in Aussicht genommen, die Bundesbeiträge in Prozenten der als subventionsberechtigt anerkannten Kosten zu bemessen, wobei eine obere Grenze von 50 Prozent vorgesehen ist. Dem Begehren auf Ausrichtung von Beiträgen bis zu 60 Prozent, wie es in zahlreichen Vernehmlassungen zum Ausdruck gekommen

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ist, kann der Bundesrat aus grundsätzlichen Erwägungen nicht zustimmen. In Absatz l von Artikel 248exleB der Bundesverfassung wird ausdrücklich festgehalten, dass der Natur- und Heimatschutz Sache der Kantone ist. Mit dieser Bestimmung ist ein eidgenössischer Subventionssatz von mehr als 50 Prozent unvereinbar. Ferner drängt sich auch mit Rücksicht auf die Belastung der Bundesfinanzen eine obere Begrenzung von 50 Prozent auf. Bezüglich der Berechnung der Bundesbeiträge ist ferner zu beachten, dass Aufwendungen für den laufenden Unterhalt oder zum Zwecke einer vorteilhafteren Benützung eines Objekts - also Leistungen, die nicht der «Erhaltung» im engern Sinne des Wortes dienen - bei der Festsetzung der Bundesbeiträge nicht in Betracht fallen können.

Die Abstufung der Beiträge erfolgt nach der Bedeutung des zu schützenden Objektes, der Höhe der Kosten sowie nach Massgabe der Finanzkraft des in Betracht fallenden Kantons. Der Rahmen soll weit gezogen und die Möglichkeit gewahrt bleiben, in Fällen, da die Finanzierung keinerlei Schwierigkeiten bereitet, keine oder nur bescheidene Beiträge auszurichten. Von der Festlegung eines Beitragsminimums wurde deshalb abgesehen.

Wie bei der Denkmalpflege sollten auch andere Leistungen aus einem Kanton dessen Beitrag zugerechnet werden können.

In der Vollzugsverordnung wird Stellung zu nehmen sein zur Kennzeichnung der mit Bundesgeldern unterstützten Objekte, zu den Begriffen der «Erhaltung» und der «Beitragswürdigkeit» sowie zur Frage, ob und in welchem Masse die Planungskosten auf der Grundlage von Artikel 12 durch den Bund mitfinanziert werden können. Desgleichen wird die Kostenteilung für den Fall, dass sich an Stelle des Kantons eine private Körperschaft (z. B. der Schweizer Heimatschutz oder eine seiner kantonalen Sektionen) an der Finanzierung einer Aufgabe beteiligt, in der Vollzugsverordnung zu regeln sein.

Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch Artikel 13, der die Ausrichtung von Bundesbeiträgen an Vereinigungen des Natur- und Heimatschutzes von gesamtschweizerischer Bedeutung vorsieht. Voraussetzung dafür ist allerdings der Nachweis einer Tätigkeit im öffentlichen Interesse.

Bundesmittel können im übrigen nicht nur in der iForm von Beiträgen an Massnahmen Dritter, sondern auch direkt eingesetzt werden, so namentlich zum Erwerb
oder zur Sicherung von Naturlandschaften (zur Schaffung von Reservaten), von geschichtlichen Stätten oder Kulturdenkmälern von nationaler Bedeutung. Die Regel bildet hier die vertragliche Vereinbarung, Artikel 14 sieht aber - in Übereinstimmung mit Absatz 3 von Artikel 248exles der Bundesverfassung - auch die Möglichkeit einer Enteignung vor.

8. Schutz der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt

Absatz 4 des Natur- und Heimatschutzartikels der Bundesverfassung (Art.

24-sexies) ermächtigt den Bund, Bestimmungen zum Schütze von Tieren und Pflanzen zu erlassen. In Ausführung dieses letzten Absatzes des Verfassungsartikels schlagen wir Ihnen den Abschnitt «Schutz der einheimischen Tier- und

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Pflanzenwelt» vor, der die Artikel 17 bis 22 des vorliegenden Gesetzesentwurfes umfasst. Er handelt von den Massnahmen, die geeignet sind, dem Aussterben einheimischer Tier- und Pflanzenarten durch die Erhaltung genügend grosser Lebensräume (Biotope) entgegenzuwirken und ordnet das Sammeln wildwachsen der Pflanzen und das Fangen freilebender Tiere zu Erwerbszwecken sowie das Pflücken, Ausgraben, Ausreissen, Wegführen, Feilbieten, Verkaufen, Kaufen oder Vernichten seltener Pflanzen. Artikel 20 enthält Schutzbestimmungen zur Erhaltung der Ufervegetation. Für begründete Ausnahmen (Erfüllung wissenschaftlicher Aufgaben, Lehr- und Heilzwecke, öffentliche Interessen) sind Sonderbewilligungen vorgesehen, die auch für das Ansiedeln landes- und standortfremder Tier- und Pflanzenarten (Art. 22) denkbar sind.

VI. Bemerkungen zu den einzelnen Artikeln Titel und Ingress Der Titel wurde in Übereinstimmung mit der Bezeichnung des Verfassungsartikels formuliert, und zwar sowohl im deutschen wie im französischen Text. Es ist hier aber einmal mehr daraufhinzuweisen, dass die im französischen Sprachgebrauch üblichen Ausdrücke wie «protection du paysage» und «sauvegarde du patrimoine national» mit dem deutschen Begriff des Heimatschutzes nicht identisch sind. Während «protection du paysage» dem erheblich breiteren Aufgabenkreis des Heimatschutzes nur ungenügend Rechnung trägt, kann unter «sauvegarde du patrimoine national» die Erhaltung der Gesamtheit der Kulturgüter eines Volkes verstanden werden, was mit dem Aufgabenkreis des Heimatschutzes insofern wieder nicht übereinstimmt, als dieser namentlich das moderne Kunstschaffen nicht berücksichtigt. Nach Artikel l seiner Satzungen verfolgt der Schweizer Heimatschutz den Zweck, «die Schweiz in ihrer natürlichen und geschichtlich gewordenen Eigenart zu schützen und weiter zu entwickeln», und er stellt sich damit namentlich folgende Aufgaben: a) Schutz der landschaftlichen Naturschönheiten vor jeder Art von Entstellung und gewinnsüchtiger Ausbeutung, b) Pflege der überlieferten ländlichen und bürgerlichen Bauweise; Schutz und Erhaltung charakteristischer Bauten, c) Forderung einer harmonischen Bauentwicklung, d) Erhaltung und Pflege der heimischen Gebräuche, Trachten, Mundarten, des Volksliedes und Volkstheaters, e) Forderung von Volkskunst und Handwerk, f) Schutz der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt.

Mit diesen vielseitigen Aufgaben ist der Interessenkreis des Schweizer Heimatschutzes zum Teil weiter oder enger gezogen und teilweise ganz anders gelagert als bei den französischen Begriffen «protection du paysage» und «sauvegarde du patrimoine national». Um bei der Anwendung des Gesetzes von Anfang an Klarheit zu schaffen, wird es deshalb notwendig sein, der Auslegung den Sinn des Heimatschutzes im deutschen Sprachgebrauch zugrunde zu legen.

101 Beim Ingress ist zu beachten, dass er ausschliesslich die Absätze 2, 3 und 4 des Verfassungsartikels zitiert, womit unterstrichen wird, dass sich die Gesetzgebung auf diese drei Bestimmungen zu beschranken hat.

Artikel l Zweckartikel Der an die Spitze des Entwurfes gestellte Zweckartikel ermöglicht es, das Gesetz statt mit der eher prosaischen Aufzählung der Bundesaufgaben (vgl.

Art. 2 des Entwurfes) mit einer Erklärung von grundsätzlicher Tragweite einzuleiten. Diese Erklärung darf sich ohne weiteres von der Nüchternheit der übrigen Bestimmungen ein wenig abheben. Auch im Bundesgesetz vom 16. März 1955 über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung (AS 1956, 1533 ff.) findet sich ein ähnlicher Zweckartikel.

1. ABSCHNITT: Natur- und Heimatschutz bei Erfüllung von Bundesaufgaben

Art. 2

Erfüllung von Bundesaufgaben In Übereinstimmung mit den Ausführungen in der Botschaft zum Verfassungsartikel wird in Artikel 2 festgehalten, dass unter Erfüllung einer Bundesaufgabe nicht nur die Planung und Errichtung von Werken und Anlagen durch den Bund sowie seine Anstalten und Betriebe zu verstehen ist, sondern auch die Erteilung von Konzessionen und Bewilligungen, beispielsweise für den Bau und Betrieb von Verkehrsanlagen, Transportunternehmen oder Rohrleitungen.

Ferner gehört auch die Gewährung von Beiträgen an Planungen, Werke und Anlagen dazu, wobei an Meliorationen, die Sanierung landwirtschaftlicher Bauten, Wildbach- und Lawinenverbauungen usw. zu denken ist.

Der Frage, ob die Nationalstrassen in die erste (Buchstabe a) oder in die dritte Kategorie (Buchstabe c) einzureihen seien, wurde besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die Erstellung dieser Strassen steht unter der Hoheit der Kantone, wird aber zur Hauptsache durch den Bund finanziert. Ferner wirkt das Eidgenössische Amt für Strassen- und Flussbau bei ihrer Planung in massgebender Weise mit. Auf Grund dieser Überlegung ist vorgesehen, die Nationalstrassen in der ersten Kategorie, die neben der Errichtung auch die Planung von Werken und Anlagen durch den Bund umfasst, aufzuführen.

Artikel 3 Pflicht des Bundes Diese Bestimmung wiederholt die in Absatz 2 des Verfassungsartikels enthaltene Verpflichtung der Bundesstellen in bezug auf die in Artikel 2 umschriebenen Aufgaben. Sie umschreibt, worin die Verpflichtung zu ungeschmälerter

102 Erhaltung oder Schonung besteht, wenn es um eigene Bauten und Anlagen des Bundes, um die Erteilung von Bewilligungen oder Konzessionen oder um die Gewährung von Beiträgen geht. In diesem Zusammenhang ist besonders hervorzuheben, dass die Verpflichtung des Bundes einen unbedingten Charakter hat und damit von der Bedeutung des Objektes sowie von dessen Aufführung in einem Inventar unabhängig ist. Eine Massnahme darf anderseits nie weiter gehen, als es der Schutz des Objektes und seiner Umgebung im Einzelfall erfordert (Grundsatz der Verhältnismässigkeit).

Dass unter Umständen nicht nur ein Objekt selber, sondern auch seine Umgebung des Schutzes bedarf, ergibt sich indirekt aus dem Zweckartikel l, indem die dort genannten Objekte nicht nur vor Zerstörung oder Verunstaltung, sondern auch vor Entwertung geschützt werden sollen; ein Baudenkmal oder ein Ortsbild beispielsweise kann, ohne dass es selber angetastet wird, durch Bauten und Anlagen in seiner unmittelbaren Nachbarschaft (etwa Hochhäuser oder Fabriken) weitgehend entwertet werden.

Artikel 4 Einreihung der Objekte Grundlage für die Erstellung der Inventare des Bundes (Art. 6) bildet die Wertung der Natur- und Heimatschutzobjekte nach ihrer Bedeutung. Diese gleiche Klassierung dient der Abgrenzung der verfassungsmässigen Bundeskompetenz zum Erwerb und zur Sicherung Von Naturreservaten, geschichtlichen Stätten und Kulturdenkmälern sowie der Festsetzung der Höhe der Bundesbeiträge (Art. 12). Bei der Einreibung der Objekte in drei Klassen - in Objekte von nationaler, regionaler und lokaler Bedeutung - kann auf die langjährige Praxis der mit der Denkmalpflege betrauten Organe des Bundes abgestellt werden.

Die Abstufung der Schutzobjekte (Landschafts- und Ortsbilder, geschichtliche Stätten, Natur- und Kulturdenkmäler) nach ihrer Wichtigkeit drängte sich deshalb auf, weil es praktisch unmöglich ist, alles irgendwie Schützenswerte mit gleicher Konsequenz zu erhalten.

Diese Bestrebungen auf Bundesebene sollen Vorbild, nicht Verpflichtung für die Kantone sein, ihrerseits Inventare (mit Objekten von regionaler und lokaler Bedeutung) aufzustellen oder bestehende zu ergänzen. Auf Grund des vorliegenden Gesetzesentwurfs werden die Kantone somit ihrerseits Artikel 24sexle8, Absatz l der Bundesverfassung, vermehrt Nachachtung verschaffen können.

Artikel 5
Inventare des Bundes von Objekten mit nationaler Bedeutung Artikel 5 statuiert die Pflicht des Bundes, nach Anhören der Kantone über die Objekte von nationaler Bedeutung Inventare aufzustellen. Da diesen Inventaren grosse Bedeutung zukommen wird, rechtfertigt es sich, ihren wesentlichen Inhalt im Gesetz näher zu umschreiben.

103 Für die Kantone sind die vorgesehenen Bundesinventare nicht verbindlich.

Sie werden aber den kantonalen Behörden und Amtsstellen in ihrem Zuständigkeitsbereich als willkommene Richtlinie dienen können.

Das Ziel der geplanten Inventaraufnahme liegt darin, - Volk und Behörden zu ermöglichen, sich Rechenschaft über den heute noch vorhandenen Bestand an landschaftlichen Schönheiten und überlieferten kulturellen Werten und Gütern zu geben. Gleichzeitig werden auch die fortschreitenden Gefährdungen stärker ins Bewusstsein treten; - die Objekte abgestuft nach ihrer Schutzwürdigkeit aufzunehmen und einem verstärkten Schutz zuzuführen; - bestimmte rechtliche Folgen an die Aufnahme von Objekten nationaler Bedeutung in das Inventar zu knüpfen; Sache der Kantone wird es sein, auf den Gebieten ihrer Zuständigkeit (z.B. Baupolizei, Wasserrechtshoheit) für den Schutz dieser Objekte zu sorgen-wozu sie allerdings von Bundes wegen nicht gezwungen sind - und im übrigen für die anderen schutzwürdigen Objekte solche Rechtsfolgen vorzusehen.

Der Wert dieser Inventare steht und fällt mit der Sorgfalt, die für ihre Ausarbeitung aufgewendet wird. So bedarf es für die Auswahl und Umschreibung der schutzwürdigen Objekte und der ihnen drohenden Gefahren grösstmöglicher Sachkenntnis, Gründlichkeit und Objektivität.

Artikel 6 Bedeutung des Inventars Der Bund soll verpflichtet werden, bei der Erfüllung seiner Aufgaben auf die ungeschmälerte Erhaltung der in den Inventaren enthaltenen Objekte Bedacht zu nehmen. Dabei ist der Begriff der «ungeschmälerten Erhaltung» so zu verstehen, dass der im Inventar angestrebte Schutz vollumfänglich zur Geltung gelangen und allfälligen Bedrohungen begegnet werden soll. Die Aufnahme eines Objektes in ein Verzeichnis bedeutet anderseits nicht, dass sich am bestehenden Zustand überhaupt nichts mehr ändern darf. Der Zustand eines Objektes soll aber gesamthaft betrachtet unter dem Gesichtspunkt des Natur- und Heimatschutzes nicht verschlechtert werden. Allfällige geringfügige Nachteile einer Veränderung müssen durch anderweitige Vorteile mindestens ausgeglichen werden.

Ein Abweichen von der ungeschmälerten Erhaltung im Sinne der Inventare sollte grundsätzlich nur in Erwägung gezogen werden, wenn ihr andere gleichöder höherwertige Interessen voij ebenfalls nationaler Bedeutung entgegenstehen. Auch
in diesen Ausnahmefällen (z. B. Bedürfnisse der militärischen Landesverteidigung) ist indessen eine möglichst weitgehende Schonung des betreffenden Objekts anzustreben.

Artikel 7 Obligatorische Begutachtung Bei der Begutachtung - eines der neuen gesetzlichen Mittel zur Wahrung der Interessen des Natur- und Heimatschutzes - sind die erheblichen Unter-

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schiede in der Ausgestaltung zu beachten. Die Einholung eines Gutachtens ist obligatorisch, wenn ein Objekt gefährdet werden könnte, das in einem Inventar des Bundes aufgeführt ist und sich die Gefährdung bei Erfüllung einer Bundesaufgabe ergibt. Für die Begutachtung kommen in diesem Falle ausschliesslich die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission und die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege in Frage (Art. 7). Nur diese beiden Kommissionen haben ferner die Möglichkeit, auch bei nicht in ein Bundesinventar aufgenommenen Objekten von sich aus Gutachten abzugeben, dies aber nur in wichtigen Fällen und wenn die Schonung oder ungeschmälerte Erhaltung eines Objekts bei Erfüllung einer Bundesaufgabe aktuell wird (Art. 8).

Die besondere Stellung, die der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission und der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege eingeräumt wird, ist dadurch gerechtfertigt, dass diese Kommissionen auf Grund ihrer grossen Erfahrung für die hier zu lösenden Aufgaben am besten geeignet sind.

Der Schlussatz von Artikel 7 legt im übrigen fest, nach welchen Gesichtspunkten die Gutachten der Kommissionen jeweils zu erstatten sind.

Artikel 8 Fakultative Begutachtung Im Kreisschreiben vom l O.Dezember 1962 an die Departemente und die Regiebetriebe des Bundes ermächtigte der Bundesrat die Eidgenössische Naturund Heimatschutzkommission, nötigenfalls von sich aus ein Gutachten darüber abzugeben, in welcher Weise bei der Erfüllung einer Bundesaufgabe dem Schütze von Landschafts- und Ortsbildern, von geschichtlichen Stätten sowie von Naturund Kulturdenkmälern Rechnung zu tragen sei. Dieses System der fakultativen Begutachtung soll nun unter gleichzeitiger Einbeziehung der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden.

Zu beachten ist, dass Artikel 8 den beiden Kommissionen die Befugnis einräumt, sich in jedem Stadium des Verfahrens und unabhängig von der Klassierung des betreffenden Schutzobjekts im Sinne von Artikel 4 einzuschalten. Das Gutachten soll jedoch so frühzeitig als möglich erstattet werden. Auf Grund der Erfahrungen mit der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission, der diese Kompetenz bereits auf Grund des erwähnten Kreisschreibens des Bundesrates zusteht, ist anzunehmen, dass diese begutachtenden Organe
von ihren Befugnissen auch künftighin einen massvollen Gebrauch machen werden.

Artikel 9 Anderweitige Begutachtung Das Einholen von Stellungnahmen der kantonalen Natur- und Heimatschutzorgane wird vor allem bei der Gefährdung von Objekten von nicht nationaler Bedeutung in Frage kommen. Durch den Beizug der kantonalen Naturund Heimatschutzkommissionen oder anderer Organe kann die Eidgenössische

105 Natur- und Heimatschutzkommission entlastet werden. Die Vernehmlassung privater Vereinigungen des Natur- und Heimatschutzes ermöglicht den zuständigen Behörden, die Aussichten eines allfälligen Rekurses abzuschätzen.

Von einer obligatorischen Begutachtung haben wir hier abgesehen, weil in einzelnen Kantonen keine staatliche Natur- und Heimatschutzkommission besteht. Zudem kommen bei der Erfüllung einer Bundesaufgabe die kantonalen Behörden, die sich ihrerseits auf ihre Fachorgane und auf kommunale Äusserungen abstützen können, in der Regel ohnehin zum Zuge.

Artikel 10 Vorbehalt militärischer Anlagen Aus Gründen der militärischen Geheimhaltung drängen sich für die Errichtung der durch das Bundesgesetz vom 23. Juni 1950 (AS 1950, II, 1474) und den Bundesratsbeschluss vom 28. Dezember 1950 (AS 1950, II, 1477) geschützten militärischen Anlagen gewisse Vorbehalte auf, und zwar sowohl für die obligatorische wie für die fakultative Begutachtung. Ungeachtet dieser Sonderregelung für militärische Bauten ist der Bund in derartigen Fällen von der Pflicht zu grösstmöglicher Schonung von Inventarobjekten selbstverständlich nicht entbunden.

Dieser Verpflichtung wurde allerdings schon bisher grundsätzlich nachgelebt, jedoch vornehmlich im Hinblick auf die bestmögliche Tarnung der Anlagen.

Artikel 11 Rechtsmittel der gesamtschweizerischen Vereinigungen für Natur- und Heimatschutz Zur Bedeutung dieses Artikels im Hinblick auf die Durchsetzung des vorliegenden Gesetzes haben wir uns im Abschnitt V (Grundzüge des Gesetzesentwurfes) eingehend geäussert. Ein besonderer Hinweis ist hier noch auf die Revision des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (BS 3, 531) am Platze, die wesentliche Änderungen der geltenden Ordnung bringen wird. Wir haben deshalb Artikel 11 des vorliegenden Entwurfes so formuliert, dass er der in Gang gekommenen Revision von Artikel 97 ff. des Organisationgesetzes auf jeden Fall entspricht. Ob und wie weit das Bundesgericht in Beschwerdesachen aus dem Bereiche des Natur- und Heimatschutzes zuständig sein soll, wird durch die eidgenössischen Räte im Zusammenhang mit der Revision des Organisationsgesetzes zu entscheiden sein.

Neu ist auch das in Absatz 2 vorgesehene Recht der Kantone, gegenüber Verfügungen von Bundesbehörden die gleichen Rechtsmittel
(Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat und verwaltungsgerichtliche Beschwerde an das Bundesgericht) wie die gesamtschweizerischen Organisationen des Natur- und Heimatschutzes zu ergreifen.

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2. ABSCHNITT: Unterstützung des Natur- und Heimatschutzes durch den Bund und eigene Massnahmen des Bundes

Artikel 12 Beiträge zur Erhaltung von schützenswerten Objekten Entsprechend der Zweiteilung von Absatz 3 des Verfassungsartikels ordnet der 2. Abschnitt des Gesetzesentwurfs einerseits die finanzielle Unterstützung der kantonalen, kommunalen oder privaten Bestrebungen im Interesse des Naturund Heimatschutzes sowie anderseits die Voraussetzungen und das Verfahren zur wirksamen Sicherung unmittelbar bedrohter wertvoller Objekte. Zum Begriff «Heimatschutz» gehört auch der Denkmalschutz; die Denkmalpflege braucht deshalb im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt zu werden. In Einzelfällen ist es denkbar, dass Bundesbeiträge aus den Krediten des Natur- und Heimatschutzes und der Denkmalpflege zugleich in Frage kommen. Das Vorgehen in diesem Falle wird in der Verordnung zu regeln sein.

Artikel 12 legt die Höhe und die Voraussetzungen der Ausrichtung von Bundesbeiträgen fest und bestimmt die Objekte, für deren Erhaltung eine finanzielle Leistung des Bundes in Frage kommt. Die Überlegungen, die zu dieser Fassung führten, sind im Kapitel 7 des Abschnittes «Grundzüge des Gesetzesentwurfs» festgehalten.

Artikel 13 Beiträge an Vereinigungen für Natur- und Heimatschutz Der Natur- und Heimatschutz soll auch in Zukunft nicht vorwiegend eine Angelegenheit des Staates sein. Den privaten Organisationen wird trotz des Einsatzes vermehrter öffentlicher Mittel weiterhin eine wichtige Rolle zufallen.

Solche Organisationen sollen aber nicht nur als Betreuer bestimmter Schutzobjekte, sondern auch für ihre allgemeine, im öffentlichen Interesse liegende Tätigkeit die Möglichkeit einer Beitragsleistung der öffentlichen Hand erhalten, wie dies bei ändern kulturellen Vereinigungen schon heute der Fall ist.

Die Festsetzung der Subventionsbedingungen ist der Vollzugsverordnung vorzubehalten, wobei davon auszugehen ist, dass nur Beiträge an Vereinigungen von gesamtschweizerischer Bedeutung für eine im öffentlichen Interesse liegende Tätigkeit in Frage kommen. Als Beispiele könnten erwähnt werden: die Bauberatung der Schweizerischen Vereinigung für Heimatschutz, die Ausarbeitung von Inventaren mit Objekten von nationaler Bedeutung oder die wissenschaftliche Betreuung von Reservaten.

Es versteht sich von selbst, dass keine Bundesgelder für Abstimmungskosten zur Verfügung gestellt werden.

Die Subventionierung kantonaler oder lokaler Vereinigungen des Naturund Heimatschutzes muss Sache der Kantone und der Gemeinden sein.

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Da der Denkmalschutz einen Teil des Heimatschutzes darstellt, ist auch an Beiträge zugunsten von gesamtschweizerischen Vereinigungen für die Denkmalpflege zu denken.

Artikel 14 Erwerb und Sicherung schützenswerter Objekte Es ist durchaus denkbar, dass bei unmittelbarer Bedrohung eines Schutzobjektes von nationaler Bedeutung die Bestrebungen des Kantons, der Gemeinden oder privater Vereinigungen trotz der finanziellen Hilfe des Bundes nicht innert nützlicher Frist zum Ziele führen, beispielsweise infolge mangelnder Kredite der kantonalen oder kommunalen Behörden. Unter solchen Umständen soll der Bund im nationalen Interesse die Rettung des gefährdeten Objekts selbst in die Wege leiten und die hiefür geeigneten Massnahmen treffen. Im Vordergrund steht dabei die in der Denkmalpflege übliche vertragliche Sicherung durch Begründung zweckdienlicher Servituten. Ausnahmsweise wären gewisse Objekte vom Bunde zu Eigentum zu erwerben. Für diese Fälle soll indessen die Möglichkeit geschaffen werden, die Verwaltung des Objekts dem Kanton, der Gemeinde, einer privaten Vereinigung oder einer Stiftung zu übertragen, da eine Belastung der Bundesverwaltung mit dauernden zusätzlichen Aufgaben vermieden werden muss.

In Artikel 14 wird der Grundsatz, dass der Bund von der Expropriationsmöglichkeit nur dann Gebrauch machen sollte, wenn alle ändern Mittel versagen, nachdrücklich unterstrichen. Für die in der Praxis vermutlich seltenen Enteignungsmassnahmen ist auf das Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (BS 4, 1133) abzustellen.

Als Objekte eines Erwerbs oder einer Sicherungsmassnahme des Bundes sind in Absatz 3 des Verfassungsartikels neben den geschichtlichen Stätten und den Kulturdenkmälern auch die Naturreservate aufgeführt. Diese Bestimmung kann nicht dahin ausgelegt werden, dass der Bund nur bereits bestehende Reservate zu Eigentum übernehmen oder sichern könne. Eine derartige Regelung wäre in den meisten Fällen wenig sinnvoll und würde überdies gegen die föderalistische Grundhaltung des Natur- und Heimatschutzartikels verstossen, da die bestehenden Reservate meistens unter der Aufsicht und sehr oft sogar im Eigentum der Kantone, der Gemeinden oder privater Organisationen stehen. Artikel 24sexles, Absatz 3 der Bundesverfassung, will dem Bund vielmehr die Möglichkeit verschaffen, unberührte
inventarwürdige Naturlandschaften durch geeignete Massnahmen in neue Reservate umzuwandeln.

Artikel 15 Vorsorgliche Massnahmen Es muss immer wieder festgestellt werden, dass wir bedeutender, schutzwürdiger Objekte verlustiggehen, weil sich die von Behörden oder privaten Vereinigungen geplanten Schutzmassnahmen nicht rechtzeitig verwirklichen lassen.

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Eine nachträgliche Wiederherstellung des früheren Zustandes erweist sich aus naheliegenden Gründen in den meisten Fällen als unmöglich. Deshalb ist es notwendig, dem Bunde die Kompetenz einzuräumen, bei unmittelbarer Gefährdung eines Objektes von nationaler Bedeutung sofort die dringlichsten Vorkehren zu dessen Rettung zu treffen.

Es liegt auf der Hand, dass sich Artikel 15 nur auf Objekte von nationaler Bedeutung bezieht, und auch hier, wie bei Artikel 14, kann der Bund nur subsidiär eingreifen, so zum Beispiel dann, wenn der zuständige Kanton keine Schutzmassnahmen in die Wege leitet.

Artikel 16 Rückerstattung von Beiträgen Die Aufnahme einer Rückerstattungsklausel in den Entwurf erfolgte nach dem Beispiel ähnlicher Subventionsgesetze des Bundes. Eine Rückforderung ist zum Beispiel denkbar, wenn die Schutzwürdigkeit eines Objektes dahinfällt - es sei denn, dass den Subventionsempfänger dafür keine Verantwortung trifft und er aus dem Wegfall der Schutzwürdigkeit auch keinen Nutzen zieht.

3. ABSCHNITT: Schutz der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt Artikel 17 Schutz von Tier- und Pflanzenarten Das Aussterben wildlebender Tierarten ist hauptsächlich eine Folge der Veränderung ihrer Umweltsbedingungen. Da die heutigen kantonalen Erlasse in der Regel keine Vorschriften über die Erhaltung und Verbesserung von Biotopen enthalten, kommt Artikel 17, Absatz l die Bedeutung eines Appells zu.

Bei diesen Massnahmen zur Erhaltung genügend grosser Lebensräume ist schutzwürdigen land- und forstwirtschaftlichen Interessen nach Möglichkeit Rechnung zu tragen.

In Anbetracht der raschen Entwicklung der Methoden der chemischen Schädlingsbekämpfung ist es angezeigt, ein allgemeines Gebot der Rücksichtnahme auf schützenswerte Tier- und Pflanzenarten, insbesondere bei der Anwendung von Giftstoffen, in das Gesetz aufzunehmen.

Gemäss Absatz 3 kann der Bund die Wiederansiedlung von Arten, die in unserem Land ausgestorben oder in ihrem Bestand bedroht sind, an dazu geeigneten Standorten fördern. Diese Kompetenz schliesst auch Beiträge des Bundes für entsprechende Massnahmen in sich, zumal kraft Artikel 24sexies, Absatz 4 der Bundesverfassung, der Bund ermächtigt wird, über den Schutz der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt Gesetze zu erlassen.

109 Artikel 18 Sammeln wildwachsender Pflanzen und Fangen von Tieren; Bewilligungspflicht Der Kontrolle der zuständigen Behörden der Kantone wird das Sammeln wildwachsender Pflanzen und das Fangen freilebender Tiere zu Erwerbszwecken unterstellt, wobei aber die land- und forstwirtschaftliche Nutzung und das übliche Sammeln von Pilzen, Beeren, Tee- und Heilkräutern ausgenommen bleiben. Die Kantone können auf Grund von Artikel 24Bexlea, Absatz l der Bundesverfassung, weitere Schutzmassnahmen erlassen. Artikel 19, Absatz 2 behält diese ausdrücklich vor.

Artikel 19 Schutz seltener Pflanzen und Tiere Auf Grund der Verfassungsbestimmung (Art. 24sexies, Abs. 4 BV) kann der Bund Vorschriften zum Schütze der Tier- und Pflanzenwelt erlassen. Er wird dabei die Kantone zur Vernehmlassung einladen.

Bei einzelnen Pflanzen, die in der ganzen Schweiz selten sind, drängt sich ein wirksamer Schutz durch einen bundesrechtlichen Erlass auf. Da sich hinsichtlich der einzelnen Arten die Verhältnisse mit der Zeit ändern können, wird indessen auf die Aufnahme einer Liste der besonders schützenswerten Pflanzen im Gesetz verzichtet. Artikel 19 des Entwurfes überlässt den Erlass eines Verbotes für das Pflücken, Ausgraben, Ausreissen, Wegführen, Feilbieten, Verkaufen, Kaufen oder Vernichten einer bestimmten Auswahl seltener Arten der beweglicheren Verordnung des Bundesrates. Bei der Ausarbeitung des ersten Vorentwurfes zum Bundesgesetz erstellte die Expertenkommission bereits eine Liste der zu schützenden Pflanzen. Dieser Katalog wird bei der Schaffung der entsprechenden Bestimmung in der Vollziehungsverordnung als Grundlage dienen können.

Absatz 2 macht die Kantone zwar auf eine Zuständigkeit aufmerksam, die sie bereits besitzen. Es wird damit aber auch einmal mehr der föderalistische Charakter des Bundesgesetzes unterstrichen.

Artikel 20 Ufervegetation Ein allgemeines Verbot des Rodens oder Überschüttens der wertvollen Ufervegetation, insbesondere der Schilf- und Binsenbestände an den öffentlichen Gewässern, ist dringend notwendig. Es wird damit möglich, wertvolle Zonen mit Schilf- und Binsenbeständen, die sich ausserhalb des eigentlichen Waldareals befinden und daher nicht mehr im Rahmen von Artikel 31, Absatz l des Bundesgesetzes vom l I.Oktober 1902 betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei (BS 9, 521) geschützt werden können, vor der Vernichtung zu bewahren.

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Artikel 21 Ausnahmebewilligungen Die Erteilung von Ausnahmebewilligungen ist bei Pflanzen und Tieren ausdrücklich auf die Verwendung zu wissenschaftlichen sowie zu Lehr- und Heilzwecken beschränkt, die Beseitigung von Ufervegetation ist an das Vorliegen eines öffentlichen Interesses gebunden. So könnte beispielsweise die Ufervegetation von Wasserläufen, die als Vorfluter für eine kulturtechnische Entwässerung dienen, in begründeten Einzelfällen beseitigt werden. Hingegen wird etwa beim Bau von Ferienhäusern grundsätzlich stets ein privates Interesse anzunehmen sein. Bei Bauvorhaben, welche auf Grund einer eidgenössischen Konzession oder von Anstalten des Bundes gestützt auf die für sie geltende Sondergesetzgebung des Bundes ausgeführt werden sollen, entscheidet über Ausnahmebewilligungen nach Anhören der kantonalen Behörde die zuständige Plangenehmigungsbehörde vorbehaltlich der Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat. Dies trifft u. a. zu bei Bauvorhaben der Schweizerischen Bundesbahnen sowie der eidgenössisch konzessionierten Eisenbahn-, Schiffahrts-, Luftseilbahn- und Trolleybusunternehmen, für welche das Eidgenössische Amt für Verkehr erstinstanzliche Plangenehmigungsbehörde ist.

Artikel 22 Fremde Tier- und Pflanzenarten; Bewilligungspflicht Neuansiedlungen von Tieren und Pflanzen in der freien Natur sollten sich grundsätzlich auf jene Arten beschränken, die im gleichen Gebiet in früherer Zeit heimisch v, aren. Die Ansiedelungen Standorts- oder gar landesfremder Arten zu Erwerbszwecken, zur Belebung des Fremdenverkehrs usw. fallen nicht in den Bereich der Naturschutzmassnahmen im Sinne des Verfassungsartikels. Sie sind unter Umständen sogar geeignet, die angestammte Fauna und Flora zu beeinträchtigen. Man denke etv,a an die 's erheerenden Auswirkungen, welche die Einfuhr von Kakteen in Australien hatte. Aus diesem Grunde sollen derartige Unternehmen von einer Überprüfung und Bewilligung durch den Bundesrat abhängig gemacht werden. Geplant ist vor allem die Verhinderung der Einfuhr von gefährlichen oder schädlichen Tierarten.

4.-6. ABSCHNITT: Straf bestimmungen, beratende Organe und Inkraftsetzung Artikel 23 Strafbestimmungen Damit die in den Artikeln 12, 15 sowie 17-22 enthaltenen Gebote und Verbote durchgesetzt werden können, bedarf es entsprechender Straf bestimmungen. Das im Entwurf gewählte Strafmass ist der Schwere der denkbaren

Ili Übertretungstatbestände angemessen, wobei der Richter gemäss Absatz 3 dem allenfalls erlangten widerrechtlichen Vermögensvorteil Rechnung zu tragen hat.

Zu beachten ist insbesondere, dass nicht nur von vorsätzlichen Widerhandlungen die Rede ist; damit sind gemäss Artikel 333, Absatz 3 des Strafgesetzbuches auch die fahrlässig begangenen Verstösse gegen die Vorschriften der Artikel 17-22 strafbar. Es handelt sich aber durchwegs um Polizeistrafrecht, so dass als Strafen lediglich Busse und Haft in Frage kommen, und in der Praxis dürften in der Regel nur krasse Widerhandlungen zur Anzeige gelangen.

Artikel 24 Beratende Organe des Bundesrates Die ausdrückliche Erwähnung der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission und der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege in einem besonderen Artikel soll deren wichtige Funktion als beratende Fachorgane des Bundesrates nachhaltig hervorheben. Die Mitgliederzahl sowie die Organisation der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission werden mit Vorteil erst in der Ausführungsverordnung zu regeln sein, da in bezug auf die Arbeitsbelastung zunächst gewisse Erfahrungen gesammelt werden müssen. Es ist jedoch heute schon darauf hinzuweisen, dass die Schaffung eines hauptamtlichen Sekretariates der Natur- und Heimatschutzkommission ähnlich jenem der Kommissionfür Denkmalpflege unentbehrlich sein wird. Die Organisation dieses Sekretariates wird in der Vollzugsverordnung zu regeln sein. Entscheidend ist, dass eine solche Bundesstelle gemeinsam mit der ihr übergeordneten Fachkommission als beratendes Organ des Bundesrates bei allen in Betracht fallenden Aufgaben des Bundes die Belange des Natur- und Heimatschutzes wahrnimmt und handeln kann, wenn in dringenden Fallen ein rasches Eingreifen des Bundes als geboten erscheint.

Auf dem Gebiete der Denkmalpflege des Bundes werden voraussichtlich keine organisatorischen Änderungen erforderlich sein. Eine Zusammenlegung der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege mit der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission steht jedenfalls nicht zur Diskussion. Anderseits dürfte es der Vollzugsverordnung vorbehalten sein, eine allfällige Unterteilung der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission in Subkommissionen (Naturschutz, Heimatschutz, Gebirgskommission) zu ordnen.

Artikel 25 Inkrafttreten
und Vollzug Die vorgeschlagene Formulierung entspricht der üblichen Regelung in der Bundesgesetzgebung. Mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes wird das am 10. Dezember 1962 vom Bundesrat erlassene Kreisschreiben an die Departemente und die Regiebetriebe des Bundes aufgehoben werden; dieses Kreisschreiben bezog sich lediglich auf Absatz 2 der Verfassungsbestimmung und sollte nur bis zum Erlass der Ausführungsgesetzgebung in Kraft bleiben.

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Vu. Die mutmasslichen Aufwendungen des Bundes für den Natur- und Heimatschutz Da der Bund bisher für diese Aufgabe keine bedeutenden finanziellen Mittel eingesetzt hat, ist es ausserordentlich schwer, eine Schätzung der kommenden Aufwendungen auf Grund des vorliegenden Gesetzes vorzunehmen. Eine gewisse, wenn auch sehr relative Vergleichsmöglichkeit bietet die Denkmalpflege, der seit I.Juli 1958 (Bundesbeschluss vom 14.März 1958 betreffend die Förderung der Denkmalpflege, AS 1958, 382) 1,5 Millionen Franken und ab 1963 ein jährlicher Gesamtkredit von 4 Millionen zur Verfügung stehen. Der Entscheid darüber, in welchem Masse der Bund die Aufgaben des Natur- und Heimatschutzes inskünftig unterstützen kann, liegt ganz in der Hand der eidgenössischen Räte, die bei der Budgetberatung jeweils darüber zu befinden haben werden, welcher Kredit der Verwaltung für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen ist. Das Eidgenössische Departement des Innern sieht vor, für die ersten Jahre nach der Inkraftsetzung des Gesetzes einen Betrag in der Grössenordnung von 1-2 Millionen Franken in den Voranschlag aufzunehmen.

Vin. Die verfassungsmässige Basis Die verfassungsmässige Basis für den Erlass des vorliegenden Bundesgesetzes findet sich in Artikel 24sexles, Absätze 2, 3 und 4 der Bundesverfassung.

IX. Abschreibung von Postulaten Wir beantragen Ihnen, das Postulat des Nationalrates vom 7. Oktober 1959 (Nr. 7780) betreffend die Schaffung eines Nationalfonds für Naturschutz abzuschreiben, da ihm mit dem vorliegenden Bundesgesetz soweit irgend möglich Rechnung getragen wird.

Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen empfehlen wir Ihnen die Annahme des beiliegenden Bundesgesetzes und versichern Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 12. November 1965.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Tschudi Der Bundeskanzler: Ch. Oser

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(Entwurf)

Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 24sexles, Absätze 2, 3 und 4,42ter und 64Ws der Bundesverfassung.

nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 12. November 1965, beschliesst:

Art. l Dieses Gesetz hat zum Zwecke, im Rahmen der Zuständigkeit zweck des Bundes gemäss Artikel 24sexles, Absätze 2-4 der Bundesverfassung, a. das heimatliche Landschafts- und Ortsbild, die Stätten unserer Geschichte und die Natur- und Kulturdenkmäler unseres Landes zu schonen, b. die Kantone in der Erfüllung ihrer Aufgabe des Natur- und Heimatschutzes zu unterstützen und die Zusammenarbeit mit ihnen zu sichern, c. die Bestrebungen von Vereinigungen zum Schütze von Natur und Heimat zu unterstützen, d. die einheimische Tier- und Pflanzenwelt und ihren natürlichen Lebensraum zu schützen.

1. Abschnitt : Natur- und Heimatschutz bei Erfüllung von Bundesaufgaben

Art. 2 Unter Erfüllung einer Bundesaufgabe im Sinne von Artikel Erfüllung 24sexies; Absatz 2 der Bundesverfassung, ist insbesondere zu ISfeSS?TM" verstehen :

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a. die Planung, Errichtung und Veränderung von Werken und Anlagen durch den Bund, seine Anstalten und Betriebe, wie Bauten und Anlagen der Bundesverwaltung, Nationalstrassen, Bauten und Anlagen der PTT-Betriebe und der Bundesbahnen; b. die Erteilung von Konzessionen und Bewilligungen, wie zum Bau und Betrieb von Verkehrsanlagen und Transportanstalten (mit Einschluss der Plangenehmigung), von Werken und Anlagen zur Beförderung von Energie, Flüssigkeiten oder Gasen oder zur Übermittlung von Nachrichten sowie Bewilligungen zur Vornahme von Rodungen; c. die Gewährung von Beiträgen an Planungen, Werke und Anlagen, wie Meliorationen, Sanierungen landwirtschaftlicher Bauten, Gewässerkorrektionen, Anlagen des Gewässerschutzes und Verkehrsanlagen.

Pflicht des Bundes

Art. 3 Die Behörden und Amtsstellen des Bundes sowie seiner Anstalten und Betriebe haben bei der Erfüllung der Bundesaufgaben dafür zu sorgen, dass das heimatliche Landschafts- und Ortsbild, geschichtliche Stätten sowie Natur- und Kulturdenkmäler geschont und, wo das allgemeine Interesse an ihnen überwiegt, ungeschmälert erhalten bleiben.

2 Sie erfüllen diese Pflicht, indem sie a. eigene Bauten und Anlagen entsprechend gestalten und unterhalten oder gänzlich auf ihre Errichtung verzichten (Art. 2, Buchst, a); b. Konzessionen und Bewilligungen nur unter Bedingungen oder Auflagen erteilen oder aber verweigern (Art. 2, Buchst, b); c. Beiträge nur bedingt gewähren oder ablehnen (Art. 2, Buchst, c).

3 Diese Pflicht gilt unabhängig von der Bedeutung des Objektes im Sinne von Artikel 4. Eine Massnahme darf nicht weiter gehen, als es der Schutz des Objektes und seiner Umgebung erfordert.

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Art. 4 Einreihung der Objekte

Beim heimatlichen Landschafts- und Ortsbild, den geschichtlichen Stätten sowie den Natur- und Kulturdenkmälern gemäss Artikel 24sexles, Absatz 2 der Bundesverfassung, sind zu unterscheiden: a, Objekte von nationaler Bedeutimg; b. Objekte von regionaler und lokaler Bedeutung.

115 Art. 5 1

Der Bundesrat stellt nach Anhören der Kantone Inventare von Objekten mit nationaler Bedeutung auf; er kann sich auf bestehende Inventare von staatlichen Institutionen und Vereinigungen zum Schütze von Natur und Heimat stützen. Die für die Auswahl der Objekte massgebenden Grundsätze sind in den Inventaren darzulegen. Ausserdem haben diese mindestens zu enthalten : a. die genaue Umschreibung der Objekte; b. die Gründe für ihre nationale Bedeutung; c. die möglichen Gefahren; d. bestehende Schutzmassnahmen ; e. den anzustrebenden Schutz; /. Verbesserungsvorschlage.

2 Die Inventare sind nicht abschliessend. Sie sind regelmässig zu überprüfen und zu bereinigen; über die Aufnahme oder die Streichung von Objekten entscheidet nach Anhören der Kantone der Bundesrat. Die Kantone können von sich aus eine Überprüfung beantragen.

Inventare des Bundes von Objekten mit nationaler Bedeutung

Art. 6 1

Durch die Aufnahme eines Objektes von nationaler Bedeutung in ein Inventar des Bundes wird dargetan, dass es in besonderem Masse die ungeschmälerte Erhaltung oder jedenfalls grósstmögliche Schonung verdient.

2 Ein Abweichen von der ungeschmälerten Erhaltung im Sinne der Inventare darf nur in Erwägung gezogen werden, wenn ihr bestimmte gleich- oder höherwertige Interessen von ebenfalls nationaler Bedeutung entgegenstehen.

Bedeutung des Inventars

Art. 7 Wenn bei Erfüllung einer Bundesaufgabe ein Objekt beeinträchtigt werden könnte, das in einem Inventar des Bundes aufgeführt ist, hat die zuständige Stelle rechtzeitig ein Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission oder der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege einzuholen. Dieses hat darzutun, weshalb und auf welche Weise das Objekt ungeschmälert zu erhalten, jedenfalls aber möglichst weitgehend zu schonen sei.

Obligatorische Begutachtung

Art. 8 Die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission und die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege können in wichtigen Fällen bei Erfüllung von Bundesaufgaben von sich aus in

Fakultative Begutachtung

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jedem Stadium des Verfahrens ihr Gutachten über die Schonung oder ungeschmälerte Erhaltung von Objekten abgeben. Es soll jedoch so früh als möglich erstattet werden. Auf Verlangen sind ihnen alle erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

Art. 9 Anderweitige Begutachtung

Vorbehalt militärischer Anlagen

Die zuständige Bundesstelle kann auch die kantonale Naturund Heimatschutzkommission oder ein anderes vom Kanton zu bezeichnendes Organ um ein Gutachten ersuchen oder Natur- und Heimatschutzvereinigungen zur Vernehmlassung auffordern.

Art. 10 Bei der Errichtung einer militärischen Anlage im Sinne des Bundesgesetzes vom 23. Juni 19501) über den Schutz militärischer Anlagen ist die zuständige Bundesstelle von der obligatorischen Begutachtung befreit. Sie ist auch nicht verpflichtet, Unterlagen für die fakultative Begutachtung zu liefern.

Art. 11

Rechtsmittel der Vereinigungen für Natur- und Heimatschutz

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Soweit gegen kantonale Verfügungen oder Erlasse oder gegen Verfügungen von Bundesbehörden die Beschwerde an den Bundesrat oder die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig ist, steht das Beschwerderecht auch den gesamtschweizerischen Vereinigungen zu, die sich statutengemäss dem Natur- und Heimatschutz oder verwandten, rein ideellen Zielen widmen.

2 Zur Beschwerde gegenüber Verfügungen von Bundesbehörden sind auch die Kantone berechtigt.

3 Vereinigungen im Sinne von Absatz l steht ferner das Recht zur Geltendmachung von Einsprachen und Begehren gemäss den Artikeln 9, 35 und 55 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 19302) über die Enteignung zu.

2. Abschnitt : Unterstützung des Natur- und Heimatschutzes durch den Bund und eigene Massnahmen des Bundes

Art. 12 Beiträge zur * Der Bund kann den Natur- und Heimatschutz unterstützen, fchutzensgwer11 fodem er an die Kosten der Erhaltung von schützenswerten Landten Objekten Schäften, Ortsbildern, geschichtlichen Stätten, Natur- und Kultur!) AS 1950, II, 1474.

ä ) BS 4, 1133.

117 denkmälern Beiträge bis höchstens 50 Prozent gewährt. Diese werden nur bewilligt, wenn sich auch der Kanton in angemessener Weise an den Kosten beteiligt. Der Beitragssatz richtet sich nach der Bedeutung des zu schützenden Objektes (Art. 4), der Höhe der Kosten und der Finanzkraft des Kantons.

2 An die Beiträge können Bedingungen für die Erhaltung, den Unterhalt und die Pflege des Objektes sowie seiner Umgebung geknüpft werden.

Art. 13 Der Bund kann Vereinigungen des Natur- und Heimatschutzes Beitrage an von gesamtschweizerischer Bedeutung an die Kosten ihrer im öffent- fJreNaS?8und liehen Interesse liegenden Tätigkeit Beiträge ausrichten.

Heimatschutz

Art. 14 1

Der Bund kann Naturlandschaften zur Schaffung von Reservaten, geschichtliche Stätten oder Kulturdenkmäler von nationaler Bedeutung vertraglich oder ausnahmsweise auf dem Wege der Enteignung erwerben oder sichern. Er kann Kantone, Gemeinden, Vereinigungen oder Stiftungen mit der Verwaltung betrauen.

2 Das Bundesgesetz vom 20. Juni 19301) über die Enteignung ist anwendbar.

Erwerb und Sicherung schutzenswertcr Objekte

Art. 15 Droht einer Naturlandschaft im Sinne von Artikel 14, einer vorsorgliche geschichtlichen Stätte oder einem Kulturdenkmal von nationaler Massnatmen Bedeutung unmittelbare Gefahr, kann der Bundesrat ein solches Objekt durch befristete Massnahmen unter den Schutz des Bundes stellen und die nötigen Sicherungen zu seiner Erhaltung anordnen.

Art. 16 1

Zu Unrecht bezogene Beiträge können zurückgefordert werden. Ebenso können Beiträge ganz oder teilweise zurückgefordert werden für Objekte, die dem Zwecke der Subvention entfremdet werden oder deren Schutzwürdigkeit dahingefallen ist.

2 Die Rückerstattungsansprüche verjähren mit Ablauf von 10 Jahren seit Entstehen des Anspruches. Die Artikel 135 ff. des Schweizerischen Obligationenrechts sind anwendbar.

l

) BS 4, 1133.

Rückerstattung von Beiträgen

118

3. Abschnitt: Schutz der einheimischen Tierund Pflanzenwelt Art. 17 Schutz von Tier- und Pflanzenarten

1

Dem Aussterben einheimischer Tier- und Pflanzenarten ist durch die Erhaltung genügend grosser Lebensräume (Biotope) und andere geeignete Massnahmen entgegenzuwirken. Bei diesen Massnahmen ist schutzwürdigen land- und forstwirtschaftlichen Interessen nach Möglichkeit Rechnung zu tragen.

2 Bei der Schädlingsbekämpfung, insbesondere mit Giftstoffen, ist darauf zu achten, dass schützenswerte Tier- und Pflanzenarten nicht gefährdet werden.

3 Der Bund kann die Wiederansiedlung ausgestorbener oder in ihrem Bestand bedrohter Arten an geeigneten Standorten fördern.

4 Die Bundesgesetzgebung über Jagd und Vogelschutz sowie über die Fischerei bleibt vorbehalten.

Art. 18 Sammeln wildwachsender Pflanzen und Fangen von Tieren; Bewilligungspflicht

Schutz seltener Pflanzen und Tiere

Das Sammeln wildwachsender Pflanzen und das Fangen freilebender Tiere zu Erwerbszwecken bedürfen der Bewilligung der zuständigen kantonalen Behörde. Diese kann die Bewilligung auf bestimmte Arten, Gegenden, Jahreszeiten, Mengen oder in anderer Richtung beschränken und das organisierte Sammeln oder Fangen sowie die Werbung dafür verbieten. Die ordentliche land- und forstwirtschaftliche Nutzung sowie das Sammeln von Pilzen, Beeren, Tee- und Heilkräutern im ortsüblichen Umfange sind ausgenommen, soweit es sich nicht um geschützte Arten handelt.

Art. 19 Der Bundesrat kann das Pflücken, Ausgraben, Ausreissen, Wegführen, Feilbieten, Verkaufen, Kaufen oder Vernichten seltener Pflanzen ganz oder teilweise untersagen. Ebenso kann er entsprechende Massnahmen zum Schütze bestimmter bedrohter oder sonst schützenswerter Tierarten treffen.

2 Die Kantone können solche Verbote für weitere Arten erlassen.

1

Art. 20 Ufervegetation

Die Ufervegetation (wie Schilf- und Binsenbestände usw.) der öffentlichen Gewässer darf weder gerodet noch überschüttet noch auf andere Weise zum Absterben gebracht werden.

119

Art. 21 Die zustandige kantonale Behorde kann fur das Sammeln und Ausgraben geschiitzter Pflanzen und das Fangen von Tieren zu wissenschaftlichen sowie zu Lehr- und Heilzwecken in bestimmten Gebieten Ausnahmen gestatten.

2 Sie kann die Beseitigung der Ufervegetation bewilligen, wenn es das offentliche Interesse erfordert. Gegen den Entscheid ilber das Bewilligungsgesuch ist die Beschwerde an den Bundesrat gemass Artikel 125, Absatz 1, Buchstabe b, des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 19431) iiber die Organisation der Bundesrechtspflege zulassig.

3 Bei Bauvorhaben, die gestiitzt auf eine eidgenossische Konzession oder gestiitzt auf die Bundesgesetzgebung fiir bundeseigene Betriebe ausgefiihrt werden sollen, entscheidet die zustandige Plangenehmigungsbehorde iiber die Ausnahmebewilligungen.

Sie hort vor ihrem Entscheid die kantonale Behorde an.

1

Art. 22 Das Ansiedeln landes- und standortsfremder Tier- und Pflanzenarten bedarf einer Bewilligung des Bundesrates. Gehege, Garten und Parkanlagen sowie die Betriebe der Land- und Forstwirtschaft sind ausgenommen.

4. Abschnitt: Strafbestimmungen Art. 23 Wer eine ihm auferlegte Bedingung nicht erfiillt, welche gemass Artikel 12, Absatz 2 an die Gewahrung eines Bundesbeitrages gekniipft wurde, wer einer Vorschrift zuwiderhandelt, die der Bundesrat in Ausfiihrung der Artikel 15 und 17, Absatze 1 und 2 erlasst, wer einem Verbot zuwiderhandelt, das die zustandige Behorde in Anwendung der Artikel 18 und 19 erlasst, wer unbefugt eine Handlung vornimmt, die nach Artikel 18, 21 und 22 bewilligungspflichtig ist und wer eine Bewilligung iiberschreitet, wird mit Haft oder Busse bestraft.

1

2

Die widerrechtlich gefangenen Tiere und, soweit es angemessen erscheint, die widerrechtlich gesammelten, feilgebotenen oder erworbenen Pflanzen sind einzuziehen.

1) BS 3, 531.

Ausnahmebewilligungen

Fremde Tierund Pflanzenarten.Bewilligungspflicht

120 3 Bei der Strafzumessung ist dem Wert des allenfalls erlangten widerrechtlichen Vermögensvorteils Rechnung zu tragen.

4 Die besondern Bestimmungen des Schweizerischen Strafgesetzbuches und die Strafbestimmungen der übrigen Bundesgesetzgebung, insbesondere über Gewässerschutz, Forstwesen, Fischerei, Jagd und Vogelschutz, bleiben vorbehalten.

5 Strafverfolgung und Beurteilung sind Sache der Kantone.

5. Abschnitt: Organisatorische Bestimmung Art. 24

Als beratende Organe bestellt der Bundesrat die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission und die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege.

6. Abschnitt: Schlussbestimmung Art. 25

Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes. Er erlässt die erforderlichen Ausführungsvorschriften.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz (Vom 12. November 1965)

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1965

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48

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9357

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02.12.1965

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89-120

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