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9356 Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der geänderten Verfassung des Kantons Bern (Vom 26. November 1965)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren !

Mit Brief vom 20. Oktober 1965 ersucht der Regierungsrat des Kantons Bern um die Erteilung der eidgenössischen Gewährleistung für folgende Abänderungen der Staatsverfassung : I In der Volksabstimmung vom 16. Mai 1965 haben die Stimmberechtigten des Kantons Bern mit 61987 Ja gegen 15720 Nein der Aufnahme eines Artikels 6Ms und eines Artikels 26, Ziffer 21 der Kantonsverfassung zugestimmt.

Die neuen Bestimmungen lauten wie folgt :

Art. 6M" Auf Begehren von 15000 Stimmberechtigten finden ferner Volksabstimmungen statt über eine vom Grossen Rate beschlossene Erteilung einer Wasserkraftkonzession an öffentlichen Gewässern (Art. 26, Ziff. 21).

Das Begehren ist innert 3 Monaten nach Veröffentlichung des Beschlusses im kantonalen Amtsblatt zu stellen.

Art. 26, Ziff. 21 Dem Grossen Rate, als der höchsten Staatsbehörde, sind folgende Verrichtungen übertragen : 21. der Entscheid über die Verleihung, Abänderung, Erneuerung und Übertragung von Sondernutzungsrechten an öffentlichen Gewässern zur Erzeugung von mehr als 1000 Brutto-PS Leistung durch Ausnutzung der Wasserkraft oder zur Entnahme von mehr als 500 Sekundenlitern Gebrauchswasser.

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Die Einfügung eines Artikels 6Ms und einer neuen Ziffer 21 in Artikel 26 geht auf ein am 18. Januar 1964 eingereichtes Volksbegehren zurück. Das Volksbegehren wurde dann zugunsten des vom Grossen Rate abgeänderten Gegenvorschlags des Regierungsrates zurückgezogen. Nach den neuen Bestimmungen ist der Grosse Rat zuständig für die Verleihung, Abänderung, Erneuerung und Übertragung von Sondernutzungsrechten an öffentlichen Gewässern zur Erzeugung von mehr als 1000 Brutto-PS Leistung durch Ausnutzung der Wasserkraft, und das Referendum kann gegen seine Erteilungsbeschlüsse ergriffen werden. Ferner hat der Grosse Rat über Gesuche betreffend die Entnahme von mehr als 500 Sekundenlitern Gebrauchswasser zu entscheiden. Bisher war der Regierungsrat zuständig und seine Beschlüsse waren endgültig (kantonales Gesetz über die Nutzung des Wassers, vom S.Dezember 1950).

Obwohl Artikel 24bl3 der Bundesverfassung die Nutzbarmachung der Wasserkräfte unter die Oberaufsicht des Bundes stellt und gewisse Schranken aufstellt, ist u.a.die Bezeichnung der kantonalen Behörden, die sich mit dieser Materie zu befassen haben, ausschliesslich Sache der Kantone.

II In der Volksabstimmung vom S.Oktober 1965 haben die Stimmberechtigten ferner mit 31680 Ja gegen 16134 Nein einer Abänderung des Artikels 3, sowie mit 30992 Ja gegen 19 762 Nein einer Abänderung des Artikels 12, Absatz l und einer Ergänzung des Artikels 13 der Kantonsverfassung zugestimmt.

Die alten und die neuen Bestimmungen lauten :

Bisheriger Text:

Neuer Text:

Art. 3 Stimmberechtigt in kantonalen Angelegenheiten sind: 1. alle Kantonsbürger, welche a. das zwanzigste Altersjahr zurückgelegt haben, b. nach den Bestimmungen der Gesetze im Genuss der Ehrenfähigkeit sind, c. im Staatsgebiet wohnhaft sind; 2. alle Schweizerbürger, welche die nämlichen Eigenschaften besitzen, nach einer Niederlassung von drei Monaten oder einem Aufenthalt von sechs Monaten, beides von der Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung hinweg gerechnet.

Art. 3

(Ziff. l unverändert)

2. Alle Schweizerbürger, welche die nämlichen Eigenschaften besitzen, nach einer Niederlassung oder einem Aufenthalt von drei Monaten, beides von der ordnungsgemässen Anmeldung des Bürgers bei der Einwohnerkontrolle hinweg gerechnet.

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Bisheriger Text :

Neuer Text :

Art. 12, Abs. l In keiner Staatsbehörde, mit Ausnahme des Grossen Rates, dürfen zugleich sitzen : 1. Verwandte in gerader Linie;

Art. 12, Abs. l

2. Schwiegervater und Tochtermann; 3. Brüder und Halbbrüder;

4. Schwäger und Ehemänner Schwestern; 5. Oheim und Neffe im Geblüt.

von

In keiner Staatsbehörde, mit Ausnahme des Grossen Rates, dürfen zugleich sitzen : 1. Verwandte und Verschwägerte in in gerader Linie; 2. Voll- und halbbürtige Geschwister; 3. Ehegatten, Verschwägerte in der Seitenlinie bis und mit dem zweiten Grade, sowie Ehegatten von Geschwistern; 4. Verwandte in der Seitenlinie bis und mit dem dritten Grade.

Art. 13 Wählbar als Mitglied des Grossen Rates sowie zu den in der Verfassung bezeichneten Stellen der administrativen und richterlichen Gewalt ist jeder stimmberechtigte Kantons- und Schweizerbürger, welcher dasfünfundzwanzigste Altersjahr zurückgelegt hat. Vorbehalten sind die besondern Bestimmungen der Artikel 33 und 59 hiernach.

Art. 13 (Abs. l unverändert)

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Frauen sind, abgesehen von der Stimmberechtigung, unter den gleichen Voraussetzungen wie die Männer in alle Steilen der richterlichen Gewalt wählbar.

Die Abänderung von Artikel 3 bezweckt die Gleichstellung der Aufenthalter mit den niedergelassenen Schweizerbürgern, indem jene wie die Niedergelassenen nach drei Monaten, statt wie bisher erst nach sechs Monaten, in kantonalen Angelegenheiten stimmberechtigt werden. Ferner wird diese Frist nicht mehr von der Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung, sondern von der ordnungsgemässen Anmeldung des Bürgers bei der Einwohnerkontrolle berechnet.

Schliesslich wurde die Darstellung des Absatzes l des französischen Textes derjenigen des deutschen Textes angepasst.

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Die Ergänzung von Artikel 13 bezweckt, die Frauen in alle Stellen der richterlichen Gewalt wählbar zu erklären. Das bedingt eine Änderung des Absatzes l des Artikels 12 über die Unvereinbarkeit wegen Verwandtschaft und Schwägerschaft.

Artikel 43, Absatz 5, der Bundesverfassung bestimmt, dass der Schweizerbürger das Stimmrecht in kantonalen und Gemeindeangelegenheiten nach einer Niederlassung von drei Monaten erhält. Die Bundesverfassung sagt aber nichts aus über das Stimmrecht der Aufenthalter, und das in Artikel 47 B V vorgesehene Gesetz ist nie erlassen worden. Die Kantone sind daher frei, den Aufenthaltern das Stimmrecht zu gewähren oder nicht.

Artikel 64, Absatz 3, und 64bis, Absatz 2BV bestimmen u. a., dass die Organisation der Gerichte den Kantonen verbleibt. Diese können daher die Frauen als in die Stellen der richterlichen Gewalt wählbar erklären.

Diese Änderungen der Verfassung des Kantons Bern enthalten somit nichts den Vorschriften der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes. Wir beantragen Ihnen deshalb, ihnen durch die Annahme des beiliegenden Beschlussesentwurfes die Gewährleistung des Bundes zu erteilen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 26. November 1965.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident : Tschudi

Der Bundeskanzler : Ch.Oser

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(Entwurf)

Bundesbeschluss über die Gewährleistung der geänderten Verfassung des Kantons Bern

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, in Anwendung von Artikel 6 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 26. November 1965, in Erwägung, dass diese Verfassungsänderungen nichts den Vorschriften der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthalten, beschliesst:

Art. l Den in den Volksabstimmungen vom 16. Mai 1965 und vom 3. Oktober 1965 angenommenen Änderungen der Verfassung des Kantons Bern (Art. 6bls neu, 26, Ziffer 21 neu sowie Art.3,12 Abs. l und 13 Abs.2) wird die Gewahrleistung des Bundes erteilt.

Art. 2 Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

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1965

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9356

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

09.12.1965

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358-362

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