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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Gesetzesentwurf der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates betreffend den Ausbau der Verwaltungskontrolle (Vom 27. August 1965) Herr Präsident, Sehr geehrte Herren, Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates legte diesem am 13. April 1965 Bericht und Entwurf zu einem Bundesgesetz über den Ausbau der Verwaltungskontrolle vor (BB1 1965 I 1177). Wir haben die Ehre, Ihnen gestützt auf Artikel 102, Ziffer 4 der Bundesverfassung unsere Stellungnahme dazu bekanntzugeben.

Obschon es sich um Anträge einer nationalrätlichen Kommission an den Nationalrat handelt und deshalb streng genommen unsere Vernehmlassung nur an diesen zu richten wäre, wenden wir uns an beide Räte, weil beide mit diesem Geschäft befasst sind und weil es kaum nötig werden dürfte, dem Ständerat nach Behandlung der Vorlage im Nationalrat - ebenfalls einen Bericht zu erstatten.

Den Beschluss des Nationalrates vom 17.Juni 1965, die Behandlung des Geschäftes auf die Herbstsession zu verschieben, um dem Bundesrat Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme zu bieten, haben wir begrüsst. Er ermöglichte uns, die durch die Vorlage aufgeworfenen Fragen gründlich zu prüfen und Ihnen Vorschläge zu unterbreiten, welche die Gedanken der Kommission aufnehmen und nach unserer Überzeugung den rechtlichen und praktischen Bedürfnissen eines Ausbaus der parlamentarischen Kontrolle und einer Stärkung der Stellung des Parlamentes gerecht werden, ohne die Stellung und die Befugnisse des Bundesrates zu beeinträchtigen, Der Bundesrat hat, wie der Bericht der Kommission ausführt, am 23. September 1964 vor dem Nationalrat und am 7. Oktober 1964 vor dem Ständerat durch den Bundespräsidenten die Erklärung abgegeben, dass er sich dem beantragten Ausbau der Verwaltungskontrolle nicht widersetzen werde, solange bei den konkreten Vorschlägen der Grundsatz der Gewaltentrennung beachtet werde. Schon mit Botschaft vom 25. April 1960 zum neuen Geschäftsverkehrs-

1026 gesetz hat er Neuerungen aufgezeigt und vorgeschlagen, die er für besonders geeignet hielt, die Stellung des Parlamentes zu stärken und dessen Unabhängigkeit zu unterstreichen (BEI 1960 I 1449, vor allem S. 1504 ff.). Der Bundesrat bejaht die von der Kommission angestrebten Ziele.

In der Erfüllung seiner Aufgaben steht dem Bundesrat die Verwaltung zur Seite ; sie ist sein Werkzeug zur Vorbereitung und Erledigung der Geschäfte und zum Vollzug der Beschlüsse der eidgenössischen Räte, soweit dieser dem Bunde obliegt. Daraus ergibt sich ganz natürlich eine besonders nahe Beziehung zwischen der Exekutivbehörde und dem Verwaltungsapparat, die nicht nur durch verschiedene Gesetze geordnet wird, sondern auch ein Vertrauensverhältnis voraussetzt. Der Verwaltung unseres Staatswesens wird auch von kritischen Beobachtern das Zeugnis einer loyalen, verantwortungsvollen Haltung und Dienstbereitschaft ausgestellt.

Mit der Ausdehnung der Staatsaufgaben und der Zunahme der staatlichen Tätigkeiten auf verschiedenen Gebieten, wie sie unser Zeitalter auszeichnen, wächst auch der zur Bewältigung der Aufgaben benötigte personelle Apparat.

Der Bundesrat bemüht sich zwar dauernd, jeder nicht unvermeidbaren Erweiterung entgegenzuwirken. Anderseits begegnet heute die Rekrutierung des Personals vielfach Schwierigkeiten, die kaum vermindert würden, wenn die Tätigkeit und der verantwortungsvolle Einsatz der Beamtenschaft nicht gerecht gewürdigt, sondern erschwert werden sollten. Dabei sind wir uns bewusst, dass angesichts der Zunahme der dem Bunde übertragenen Aufgaben und der damit zusammenhängenden Ausdehnung der Verwaltung auch die verfassungsmässige Aufsicht und Oberaufsicht verbessert und ausgebaut werden muss. Der Bundesrat teilt die im Kommissionsbericht geäussertc Auffassung, dass eine wirksame Kontrolle des Staatsapparates dazu dient, das gegenseitige Vertrauen der Behörden zu stärken, und dass die Kontrollmöglichkeiten neuen Verhältnissen angepasst werden sollen. Indes war zu prüfen, ob die zur Erreichung dieser Ziele gestellten Anträge in allen Teilen mit den Grundsätzen unseres Staatsrechts, insbesondere mit dem Grundsatz der Gewaltentrennung, übereinstimmen.

Wenn ferner in bezug auf Geschäfte, für deren Geheimhaltung der Bundesrat verantwortlich ist, diese Verantwortung teilweise auf einen weiteren
Geheimnisträger übergehen soll, muss man sich darüber Rechenschaft geben, dass ein solcher Übergang jedenfalls nicht ohne ein Zusammenwirken beider Seiten stattfinden darf.

Unter den Hauptzielen, die die parlamentarische Oberaufsicht zu erreichen helfen soll, hat die Arbeitsgemeinschaft zur Abklärung der Mirage-Angelegenheit in ihrem Bericht vom l. September 1964 (BEI 1964II344) an erster Stelle « die sachgemässe, zeitgerechte und wirtschaftliche Erfüllung der dem Bund gestellten Verwaltungsaufgaben» und «die Sicherung der verfassungsmässigen Korapetcnzordnung» genannt. Mit diesen Zielen geht der Bundesrat völlig einig. Es ist ihm sehr daran gelegen, bei ihrer Verwirklichung mitzuwirken. Seine Bemerkungen und Vorschläge, die er Ihnen hiermit unterbreitet, sollen eine sachgemässe Oberaufsicht erleichtern helfen, ohne dass die oberste und leitende Aufgabe des Bundesrates für die Zukunft beeinträchtigt wird.

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Die Trennung der Gewalten Die durch den Gesetzesentwurf aufgeworfenen Fragen berühren zur Hauptsache die Abgrenzung der Befugnisse der Bundesversammlung und des Bundesrates und damit den Grundsatz der Gewaltentrennung.

Es gibt nur eine öffentliche Gewalt im Staate. Sie umfasst aber verschiedene Funktionen, die im modernen Staate verschiedenen Organen oder Gewalten zugeteilt sind. Wenn auch der Grundsatz der Gewaltentrennung in der Verfassung nicht ausdrücklich festgelegt wird, so ist doch nicht zu bcstreiten, dass sie ihn rechtlich anerkannt hat, indem sie drei verschiedene Behörden, die Bundesversammlung, den Bundesrat und das Bundesgericht schuf und jeder von ihnen einen Teil der Hauptfunlstìonen des Staates zuwies, ohne jedoch eine scharfe Trennung der Funktionen durchzuführen. Sie hat der Bundesversammlung ein grösseres Mass von Verwaltungsaufgaben zugeteilt, als dies die Mehrzahl der Staaten ihrer gesetzgebenden Behörde gegenüber getan haben; sie hat die eidgenössischen Räte auch mit Regierungsfunktionen ausgestattet (Art. 85, Ziff. 6 und 9) und ihnen Aufgaben der Rechtsprechung zugewiesen (Art. 85, Ziff. 12). Was den Bundesrat betrifft, erschöpfen sich seine Befugnisse bei weitem nicht im Vollzug der Gesetze (vgl. Baumlin, Verfassung und Verwaltung in der Schweiz, Festgabe Hans Huber, 1961, S. 70 ff.) ; die Lehre von der Gewaltentrennung berücksichtigt den besondern Charakter der Regierungstätigkeit nicht, welche folgende Aufgaben umfasst: die Leitung der Staatsgeschäfte (Art. 102, Ziff. l BV), die autonome Tätigkeit (z.B. völkerrechtliche Beziehungen: Art. 102, Ziff.8 BV), die Inangriffnahme neuer Geschäfte, das zeitlich ununterbrochene Handeln. Überdies hat die Bundesverfassung dem Bundesrat eine wichtige Funktion auf dem Gebiete der Gesetzgebung übertragen, nämlich die Vorbereitung von Gesetzes- und ßcschlussesentwürfen (Art. 102, Ziff. 4 BV), und ihm das Mitspracherecht bei den Verhandlungen der Räte eingeräumt (Art. 101 BV).

Unsere verfassungsmässige Ordnung ist nicht auf dem Gegensatz der Gewalten aufgebaut, sondern auf ihrer Vertrauens vollen Zusammenarbeit, auf ihrer engen Verbindung, welche übrigens die Einheit der Staatsgewalt, trotz der Arbeitsteilung, verlangt.

Bei dieser Zusammenarbeit ist Rücksicht zu nehmen auf die verfassungsmässigen Befugnisse jeder Gewalt und auf die
damit verbundenen Verantwortlichkeiten.

Der Grundsatz der GewaUentrennung an sich schliesst jede rechtliche Unterordnung einer Gewalt unter die andere aus. Das Bundesgericht übt eine souveräne Herrschaft in dem ihm eigenen Gebiete der Rechtsprechung aus. Das gleiche gilt für den Bundesrat im Hinblick auf die Gegenstände, die ihm von der Bundesverfassung zugewiesen sind, ganz besonders für das Gebiet dei Regierungstätigkeit und des Vollzuges; vorbehalten bleiben indessen die Rechtsprechungskompetenzen der Bundesversammlung (Art. 85, Ziff. 12 BV; Art.

132 OG) sowie die Funktionen, welche die Bundesverfassung gleichzeitig dem

1028 Bundesrat und der Bundesversammlung im Gebiete der Wahrung der innera und äussern Sicherheit der Schweiz übertragen hat (Art. 85, Ziff. 6, und 102, Ziff. 9 und 10 BV).

Die Bundesversammlung wählt die Mitglieder des Bundesrates und des Bundesgerichtes; sie kontrolliert diese Behörden. Aber ihre Befugnisse wurden Bundesrat und Bundesgericht von der Verfassung zugewiesen.

In bezug auf die Bundesversammlung bestimmt die Verfassung (Art. 71), dass sie die oberste Gewalt des Bundes ausübt. Diese Bewertung ihrer Befugnisse ist vor allem historisch zu erklären. Es handelte sich 1848, als die Tagsatzung durch eine gesetzgebende Gewalt mit eigener Autorität ersetzt wurde, darum, dieser die notwendige Souveränität zuzuerkennen. Man wollte anderseits, in Anerkennung der durch die Reformen der Regenerationszeit verwirklichten Grundsätze, der aus einer Volksabstimmung hervorgegangenen Versammlung Hauptfunktionen des Staates übertragen. Diese Auszeichnung rechtfertigt sich auch dadurch, dass die Bundesversammlung das höchste Vorrecht des Staates, die Gesetzgebung, ausübt. Überdies übernimmt die Bundesversammlung durch die Ausübung der Oberaufsicht über die ändern Gewalten die Aufgabe der Koordination der staatlichen Tätigkeiten in der Eidgenossenschaft.

Dagegen anerkennt das Schrifttum übereinstimmend (Burckhardt, Kommentar, S. 639 f. und 661; Fleiner-Giacometti, Bundesstaatsrecht, S. 474), dass im Zweifelsfall die Zuständigkeiten der Bundesversammlung nicht nach Massgabe der Artikel 71 und 84 der Bundesverfassung zu beurteilen sind, sondern nach dem Grundsatz der Trennung der Gewalten. Mit ändern Worten, man kann im allgemeinen aus diesen beiden Artikeln keine Kompetenzen der Bundesversammlung ableiten. Daraus folgt, dass alle Regicrungs- und Verwaltungsbefugnisse, welche die Bundesverfassung nicht ausdrücklich der Bundesverversammlung zuweist, dem Bundesrat in seiner Eigenschaft als oberste leitende und vollziehende Behörde der Eidgenossenschaft zusteht (Art. 95 BV), der sie in voller Unabhängigkeit ausübt.

Im Lichte dieser Grundsätze müssen die Beziehungen zwischen Bundesversammlung und Bundesverwaltung betrachtet werden.

Die Verwaltung ist, wie wir bereits ausgeführt haben, das Instrument, mit dem der Bundesrat seine Aufgaben erfüllt. Mit ihrer Hilfe übt der Bundesrat seine Regierungstätigkeit aus,
bereitet er die der Bundesversammlung vorzulegenden Erlassentwürfe vor, sorgt er für den Vollzug der Gesetze und Beschlüsse des Bundes. Im Rahmen einer der Autorität des Bundesrates unterstellten Organisation empfangen die Beamten von ihren hierarchischen Vorgesetzten ihre Weisungen und ihre Dienstbefehle (vgl. Im Hof, Das öffentliche Dienstverhältnis, ZSR 1929, S. 246 a und 323 a). Wenn sie einerseits der Allgemeinheit gegenüber zur Treue verpflichtet sind, sind sie anderseits ihren Vorgesetzten untergeordnet in einem Verhältnis des Vertrauens und der Disziplin. Diesen Vorgesetzten gegenüber sind sie für ihre Tätigkeit verantwortlich. Somit folgt aus dem Grundsatz der Gewaltentrennung (auf den sich der Bericht der Kommission im Hinblick auf die Schaffung einer von der Exekutive unabhängigen Paria-

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mentsverwaltimg beruft, S. 1197, 21 *), dass innerhalb der Verwaltung nur die Regierungsautorität wirken darf. Es ist Sache des Bundesrates, die Geschäftsführung der Beamten und Angestellten zu beaufsichtigen (Art. 102, Ziff. 12 und 15 BV). Er hat sich dafür der Bundesversammlung gegenüber zu verantworten (Bericht der Kommission, S. 1193,17). Ebenfalls ist der Bundesrat zuständig, der Bundesversammlung und ihren Kommissionen Auskünfte über die Tätigkeit der Verwaltung zu erteilen, die Befragung von Beamten zu bewilligen, zu entscheiden, in welchem Ausmass diese von der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit entbunden werden sollen, und die Aushändigung von Amtsakten zu gestatten.

n Die Oberaufsicht über die Verwaltung A. Allgemeines Artikel 85, Ziffer 11 der Bundesverfassung überträgt der Bundesversammlung die Oberaufsicht über die eidgenössische Verwaltung und Rechtspflege.

Hauptgegenstand des Entwurfes der Gescbäftsprüfungskommission ist der Ausbau der parlamentarischen Kontrolle über die Verwaltung, Wir werden nun prüfen, ob sich die entsprechenden Vorschläge im Blick auf die Koordination der Befugnisse der beiden Behörden und den Grundsatz der Gewaltentrennung vertreten lassen.

Die Mehrzahl der im 19. Jahrhundert geschaffenen Verfassungen gingen in einem Gefühl des Misstrauens gegenüber der Regierung darauf aus, diese in ein Abhängigkeitsverhältnis zur gesetzgebenden Versammlung zu bringen. Der Verfassungsgesetzgeber von 1848 hat im Bestreben, den neuen Staat lebensfähig zu gestalten, das parlamentarische Regime, nach welchem die Regierung einer Abstimmung über die Vertrauensfrage ausgeliefert ist, nicht übernommen. Er verlieh der Regierung Kraft und Dauerhaftigkeit. Aber die Aufgaben des Bundesrates waren zu Beginn so beschränkt, dass die vom Volke oder von den gesetzgebenden Behörden der Kantone gewählte Bundesversammlung, die sich ausser mit der Gesetzgebung noch mit wichtigen Verwaltungsaufgaben zu befassen hatte, diejenige Gewalt war, die rechtlich und politisch die Vorherrschaft in der Eidgenossenschaft innehatte. Die stufenweise Ausdehnung der Aufgaben des Zentralstaates hat eine sich ohne Unterbruch steigernde Entwicklung der Befugnisse des Bundesrates begünstigt. Namentlich die Gesetzgebung auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiete liess wegen ihrer Komplexität die vorbereitende gesetzgeberische Tätigkeit der Regierung in den Vordergrund treten. Die Anwendung dieser Gesetze schliesslich führte zu einer ständigen Erweiterung des Verwaltungsapparates des Bundes.

Die Organisation der einzelnen Gewalten und ihre Funktionen wurden in der Verfassung von 1848 durch genügend allgemein gehaltene und anpassungsfähige Bestiumiungen umschrieben, so dass sich das staatliche Leben, trotz der eingetretenen Wandlungen in der politischen Struktur des Landes, unter Be* Die zweite Seitenzahl bezieht sich jeweils auf die Separatausgabe des Berichts, Bundesblatt. W.labrg. Bd.II.

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1030 achtung dieser Bestimmungen ungehindert entwickeln konnte. In der Tat fand unter dem Schütze dieser Verfassung eine doppelte Verlagerung des Schwerpunktes des öifentlichen Lebens statt. Als Folge der Zentralisation verlagerte sich die Hauptstätte der politischen Tätigkeit, die sich im vergangenen Jahrhundert im Kanton befand, nach Bern. Auch trat eine gewisse Verschiebung der öffentlichen Aufgaben und der politischen Verantwortung vom Parlament auf die Regierung ein. Diese Veränderungen bewirken nach der Formulierung eines deutschen Autors einen «stillen Verfassungswandel» (von der Heydte, Archiv für Rechtsund Sozialphilosophie, 39, S. 461 ff.).

Es ist leicht verständlich, dass diese Entwicklung die Bundesversammlung veranlasst, eine Prüfung der Rolle vorzunehmen, die ihr die verfassungsmäßige Ordnung zuweist. Auf diese Frage hat ein schweizerischer Publizist, W. Schaumann, folgende Antwort gegeben : «Wichtiger als Versuche, eine weitgehende Rückkehr zur klassischen Gewaltentrennung oder sogar der historischen Vormachtstellunganzustreben, wie sie der Bundesversammlung nach der ursprünglichen Konzeption des schweizerischen Verfassungsrechtes zukam, erscheint der Aufbau einer wirksamen Kontrolle der Kompetenzausübung, in erster Linie durch richterliche Behörden, dann aber auch als politische Kontrolle durch Parlament und Volk» (Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit in der staatlichen Wülensbildung, ZSR 1955, S. 276/7), Die «tiefgreifenden Veränderungen», die die Rolle der Regierung und des Parlamentes bestimmen, stellen in den Ländern mit parlamentarischem Regime die gleichen Probleme wie in der Schweiz. Der belgische Premierminister Lefèvre hat mit den folgenden Worten (Übersetzung eines Zitates von De Croo) die Schlussfolgerungen aus einer parlamentarischen Diskussion über diese Frage gezogen : «Wir müssen eine Anstrengung unternehmen, nicht um das Parlament wieder mit den Befugnissen auszustatten, die es in der Vergangenheit besass, sondern um alle unsere Einrichtungen den Bedürfnissen der Zeit anzupassen, um so dem Parlament zu ermöglichen, in der Zukunft die Rolle zu spielen, die ihm zukommt : nämlich der Ausdruck der öffentlichen Meinung der Nation, der eifrige Wächter unserer Freiheiten und der strenge Aufseher über jene zu sein, die die Macht haben» (zitiert in De Croo, Parlement et gouvernement, 1965, S. 131/2).

B. Der verfassungsmässige Begriff der Oberaufsicht über die Verwaltung

Indem die Verfassung der Bundesversammlung die Oberaufsicht über die Verwaltung (oder die politische Kontrolle) anvertraute, übertrug sie ihr das Recht, alle Auskünfte zu verlangen, die geeignet sind, sie umfassend und genau Über die vom Bundesrat und von den ihm unterstellten Diensten gefassten Beschlüsse zu orientieren, um ihr zu gestatten, diese zu beraten und die Verständigung der beiden Gewalten bei der Führung der Staatsgeschäfte zu erreichen.

Traditionsgemäss wird die Oberaufsicht ausgeübt durch die jährliche Prüfung des Geschäftsberichtes des Bundesrates (Art. 102, Ziff. 16, Abs. l BV); sie

1031 erfolgt ferner durch die Prüfung der besonderen Berichte, die die Räte vom Bundesrat verlangen können (Art. 102, Ziff. 16, Abs. 2 BV), und schliesslich durch die Interpellation und die Kleine Anfrage. Der Entwurf der Kommission bezweckt den Ausbau dieser Kontrolle. Die Mittel, die er dafür vorsieht, werden wir später prüfen. Wir begnügen uns hier mit der Erklärung, dass wir es begrüssen, wenn die Möglichkeiten untersucht werden, die es der Bundesversammlung gestatten, ihre verfassungsmässige Funktion der Oberaufsicht wirksamer zu erfüllen.

Nach einer feststehenden Doktrin und Praxis hat die Bundesversammlung, sofern die Prüfung der Geschäftsführung zu Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden Behörden führt, das Recht, «Einladungen» und «Empfehlungen» an den Bundesrat zu richten, wonach er sich ihrer Auffassung anschliessen möge.

Durch diese Empfehlungen wird die Verwaltung nicht gebunden. Es kann aber nicht bestritten werden, dass der Bundesrat sich immer bemüht hat, im Rahmen des Möglichen den Wünschen der Geschäftsprüfungskommission oder der Räte Rechnung zu tragen. Weit davon entfernt, einer Diskussion auszuweichen, begrüsst sie der Bundesrat; er wünscht sie sogar und legt überdies Wert darauf, dass die beiden Gewalten, wie Burckhardt sich ausdrückt, Hand in Hand marschieren (Kommentar, S. 640).

Das Kontrollrecht gestattet der Bundesversammlung nicht, dem Bundesrat verbindliche Weisungen zu erteilen. Es gibt ihr nicht das Recht, Entscheidungen des Bundesrates aufzuheben oder zu ändern, jioch einen Verwaltungsakt aus dem Bereiche dieser Behörde auszuführen. Die Genehmigung oder Missbilliguijg der vom Bundesrat getroffenen Massnahmen und allgemein der Geschäftsführung ist ohne rechtliche Tragweite; sie stellt einen Akt politischer Natur dar.

Konnte eine Meinungsverschiedenheit zwischen den beiden Gewalten durch die Aussprache nicht aus der Welt geschafft werden, so kann die Bundesversammlung im Wege der Motion neue gesetzliche Massnahmen veranlassen, wodurch sie ihre rechtliche Vorrangstellung gegenüber der Tätigkeit des Bundesrates zum Ausdruck bringt. Das sagt, im Einklang mit der Doktrin, der Bericht der Kommission (S. 1182,6). Nur ist kein Beispiel bekannt, wo die Ausübung der Oberaufsicht eine Meinungsverschiedenheit hervorgerufen hätte, die durch eine Gesetzesrevision hätte
entschieden werden müssen.

Die Auffassungen der Geschaftsprüfungskommission über den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Oberaufsicht entsprechen im allgemeinen derjenigen des Bundesrates. Gemäss den Ausführungen im Begleitbericht zum Entwurf «muss vermieden werden, dass die Grenzen zwischen der Aufsicht des Bundesrates über die Verwaltung und der Oberaufsicht der Bundesversammlung verwischt werden und dass eine «Überkontrolle» das Funktionieren der Verwaltung erschwert. Aus diesem Grunde soll sich die Oberaufsicht nicht einmischen, solange die Aufsichtsbehörde noch nicht entschieden hat. Die Geschäftsprüfungskommissionen haben sich daher grundsätzlich nur mit letztmstanzlichen Entscheiden zu befassen» (S. 1205,29). Es wäre empfehlenswert, wenn auch der Gesetzestext diesen klugen Grundsätzen entspräche, was beim Entwurf nicht in

1032 allen Teilen der Fall ist. In einem wesentlichen Punkte wahrt der Entwurf sorgfältig den Grundsatz der Gewaltentrennung. Er bestimmt nämlich (Art. 47lluatei' Abs. 4), dass « die Beschlüsse und Entscheide des Bundesrates, der Departemente und Abteilungen von den Kommissionen oder der Bundesversammlung nicht aufgehoben oder abgeändert werden können».

Anders verhält es sich mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Bundesgerichts, weil die Urteile unseres obersten Gerichtes Entscheide der Departemente oder sogar des Bundesrates aufheben oder ändern können und weil der Bundesrat gehalten ist, solche Urteile zu vollziehen. Diese Mitwirkung des Bundesgerichts bei den Verwaltungsaufgaben des Bundes hat allerdings nicht zur Folge, dass das leitende und vollziehende Organ des Bundes der richterlichen Gewalt untergeordnet wird; es handelt sich hier einfach um ein komplexes Verfahren zur Schaffung und Verwirklichung des Rechtes.

C. Die Rationalisierung des Staatsapparates Wenn es auch offenkundig ist, dass die Kontrolle der Bundesversammlung sich dem wachsenden Aufgabenkreis des Bundesrates anpassen muss, mit dem sie politisch durch die Befugnis der Oberaufsicht verbunden ist, kann diese Kontrolle doch nicht die Aufgabe der Aufsicht über alle Beamten und Angestellten übernehmen, die die Verfassung dem Bundesrat überträgt (Art. 102, Ziff. 15 BV).

Es ist schwer verständlich, auf welche Weise der Ausbau der parlamentarischen Kontrolle, wie dies die Kommission glaubt, eine Reform des Verhältnisses des Bundesrates zu seiner Verwaltung fördern könnte (Bericht S. 1195,19). Immerhin wird dadurch das Problem der Rationalisierung des Staatsapparates zur Diskussion gestellt.

Die Kommission erwähnt unter ihren Forderungen den Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der, wie sie bemerkt, zürn Ziel hat, «den Einfluss von Regierung und Verwaltung zu mindern und vor möglichen Missbräuchen zu bewahren, indem gewisse Entscheide nicht mehr der Verwaltung überlassen bleiben, sondern in die Hand unabhängiger richterlicher Behörden gelegt werden» (S. 1193,17). Der Bundesrat wird in einigen Wochen einen Gesetzesentwurf über den Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit vorlegen. Aus der Annahme dieses Gesetzes werden sich neue Garantien für den Rechtsschutz des Bürgers ergeben. Der Bundesrat wird von einem Teil seiner Aufgaben
der Verwaltungsgerichtsbarkeit befreit, und möglicherweise wird auch die Tätigkeit einzelner Zweige der Verwaltung eine gewisse Entlastung erfahren.

Die Kommission hält es für besonders wichtig, die Stellung der Regierung dadurch zu verändern, dass diese stärker von der Verwaltung abgerückt wird (S. 1195,19). In der Tat überträgt die geltende Gesetzgebung dem Bundesrat und den Vorstehern der Departemente Befugnisse administrativer Art, die sich mit der Entwicklung der vollziehenden Gewalt des Bundes als ausserordentliche Belastung auswirken. So wurden denn auch in beiden Räten Postulate eingereicht, die eine Reform der Regierungs- und Verwaltungsbefugnisse des Bundesrates verlangen. Diese Postulate wurden angenommen und befinden sich in Prüfung,

1033 Bei der Prüfung der Reformen, welche unter der III. Republik die verfassungsmässige Entwicklung verlangte, schrieb ein französischer Publizist: «Die wirkliche Aufgabe des Ministers ist zu regieren, d.h. zu kontrollieren, zu verbessern, anzutreiben, aber nicht zu verwalten. Das Heilmittel besteht darin, die eigentlichen Verwaltungsaufgaben der Regierenden auf ein Minimum herabzusetzen» (übersetzt aus E. Giraud, La crise de la démocratie et le renforcement du pouvoir exécutif, 1938, S. 173). Der gleichen Idee entsprechen bei uns die von Professor Imboden in seiner Studie «Helvetisches Malaise», 1964, angestellten Überlegungen, wo er anregt, dass den Leitern der Dienstzweige der Verwaltung erweiterte Kompetenzen zugewiesen werden, damit sich das Regierungskollegium gegenüber der Verwaltung grösserer Unabhängigkeit erfreuen und damit jedes Mitglied der Regierung die volle Verantwortung für die Gesamtheit der Regierungsaufgaben übernehmen kann (S. 40).

Die Entwicklung der Dinge sowie der Verwaltungsmethoden verlangt ununterbrochen eine erneute Anstrengung, die Tätigkeit der Regierung und der Verwaltung den Bedürfnissen der Zeit anzupassen. In Ausführung der eingereichten Postulate prüfen wir die Möglichkeiten einer Verwaltungsreform, wobei die Frage im Vordergrund steht, wie die Kollegialbefugnisse des Bundesrates in seiner eigentlichen Regierungs- und Aufsichtstätigkeit gefestigt werden könnten.

III Fragen im Zusammenhang mit der Gesetzgebung A. Wahrung der Prärogativen der Bundesversammlung 1. Gestützt auf Artikel 102, Ziffer 4 der Bundesverfassung schlägt der Bundesrat der Bundesversammlung Gesetze und Beschlüsse vor. Ferner steht nach Artikel 93 der Bundesverfassung jedem der beiden Räte und jedem Mitglied derselben das Vorschlagsrecht zu.

Seit der Gründung des Bundesstaates bis heute wurden beinahe alle von der Bundesversammlung beschlossenen Gesetze den Räten durch den Bundesrat, dem schon ihre Vorbereitung oblag, vorgelegt. Diese Praxis wurde durch Verfassungsvorschriften, wie diejenige des Artikels 32, Absatz 3 bestätigt, der- offensichtlich dem Bundesrat - vorschreibt, die zuständigen Organisationen der Wirtschaft vor Erlass der Ausführungsgesetze anzuhören. Ebenso bestätigen diese Praxis die Artikel 43 und 44 des Geschäftsverkehrsgesetzes.

Seitens der Räte und ihrer Mitglieder wurde
das Gesetzgebungsverfahren in der Regel durch Motionen und Postulate ausgelöst. Es ist aber unbestritten, dass die Räte, ihre Mitglieder und ihre Kommissionen das Recht haben, der Bundesversammlung Vorschläge über alle Gegenstände, die in ihre Zuständigkeit fallen, einzureichen unter Einschluss von formulierten Gesetzes- und Beschlussesentwürfen.

Der Entwurf der Kommission sucht eine «Stärkung der Stellung des Parlamentes » zu erreichen. Im Gebiete der Gesetzgebung soll dieses Ziel durch Massnahmen erreicht werden, die geeignet sind, die Unabhängigkeit der gesetz-

1034 gebenden Behörden sicherzustellen. Diese Unabhängigkeit würde nach dem Bericht namentlich gewahrleistet, wenn die Kommissionen über jene Hilfsmittel verfügen könnten, welche ihnen gestatten, sich ein eigenes Urteil über die Anträge des Bundesrates zu bilden, wenn die Mitglieder der Räte leichter von dem ihnen durch Artikel 93 der Bundesverfassung eingeräumten Initiativrecht Gebrauch machen könnten, wenn schliesslich das vorparlamentarische Gesetzgebungsverfahren in einer Weise geregelt würde, welche die Entscheidungsfreiheit der Räte garantiert.

2. Bei der Suche nach Arbeitsmethoden, welche zur Verstärkung der Stellung und der Unabhängigkeit des Parlamentes führen können, zogen vor allem die parlamentarischen Einrichtungen der Vereinigten Staaten die Aufmerksamkeit auf sich. Tatsächlich besitzt das Parlament dieses Staates eine grosse Erfahrung in bczug auf die parlamentarische Initiative, die Dokumentationsdienste, die Rechtsberater und die Hearings. Aber diese Einrichtungen müssen im Rahmen der verfassungsmässigen Ordnung der Vereinigten Staaten betrachtet werden.

Der Verfassungstext der Vereinigten Staaten sagt nicht, ob der Präsident das Gesetzesinitiativrecht besitze. Es hat sich aber eine Tradition entwickelt, die, in strenger Auslegung des Grundsatzes der Gewaltentrennung, die Unabhängigkeit des Parlamentes in der Ausarbeitung der Gesetze bestätigt hat. In seiner Eigenschaft als Regierungschef kann der Präsident dem Parlament keinen Gesetzestext unterbreiten. Es ist somit Sache der Kongressabgeordneten, die Entwürfe für Gesetzeserlasse einzureichen. Um ihre Aufgabe zu erleichtern, wurde ein ungeheurer, der Kongressbibliothek angeschlossener Dokumentationsdienst geschaffen, sowie ein Auskunftsdienst für die Gesetzgebung, bestehend aus einem mächtigen Stab von Fachleuten für die verschiedenen Sachgebiete, die Gegenstand der Bundesgesetzgebung bilden. Die Hufe dieser Sachverständigen kann von den Kongressmitgliedern und ihren Kommissionen beansprucht werden.

Die Anträge (Bills) der Kongressmitglieder werden den zuständigen Kommissionen unterbreitet. Jede Kommission verfügt über die Dienste von vier qualifizierten Sekretären, die sie in ihren Nachforschungen unterstützen. Die wichtigste gesetzgeberische Rolle spielen hier also die Kommissionen. Wenn eine Kommission einen Antrag für
tauglich erachtet, zieht sie ihn in Beratung. Wenn es sich um eine Frage von allgemeiner Tragweite handelt, die umstritten ist, veranstaltet sie ein Hearing (öffentliche Aussprache), wo die Interessenten angehört werden und zu welcher jeder, der es wünscht, freien Zutritt hat. Der Nachteil dieses Systems besteht, wie man sich denken kann, im häufig einseitigen Charakter der Auskunft.

Nach Abschluss dieses Verfahrens bildet die Kommission ihre endgültige Meinung über den Antrag, nimmt ihn an oder ändert ihn nach Bedarf oder «beerdigt » ihn wie etwa im Falle der Weigerung, darauf einzutreten. Die meisten dieser Bills haben die Interessen Privater, von Verbänden oder Regionen zum Gegenstand.

«Die Senatoren und Kongressabgeordneten teilen die grosse Illusion der Amerikaner, die glauben, dass das Heilmittel gegen jedes Übel darin bestehe, ein «Gesetz zu machen»; vor allem aber möchten sie den Vertretern gewisser

1035 Interessen oder gewisser «Angelegenheiten» einen Gefallen tun; sie wünschen gleichzeitig, als Verfasser der Bills ihren Namen in den Zeitungen zu lesen, vor allem in denjenigen ihres Wahlkreises (...)· Die Reorganisation der Gesetzgebung von 1946 hat die Einreichung privater Bills sehr stark eingeschränkt. Ursprünglich erreichte ihre Zahl bis fünfzehn- oder zwanzigtausend (während jeder Session des Kongresses); heute bleibt die übliche Zahl bei zehn- oder zwölftausend - wovon ungefähr zwei Drittel beim Kongress. Von diesem ganzen Kram bleiben für eine vernünftige Gesetzgebung lediglich einige Anregungen übrig; nur wenige erwecken die Aufmerksamkeit, und der grösste Teil gelangt glücklicherweise nie ans Ziel» (F.A. Ogg und P.O. Ray, Le Gouvernement des EtatsUnis d'Amérique, übersetzt nach einer französischen Übersetzung von J. HenriPrélot, 1958, S. 286). Halten wir dabei fest, dass die Befugnisse des Zentralstaates in den Vereinigten Staaten bedeutend weniger weit gehen als in der Schweiz.

Fast zwei Drittel der Kongressabgeordneten sind Juristen. Jeder Abgeordnete und jeder Senator verfügt über eine private Mitarbeiterequipe von drei bis acht Personen, dank der Entschädigung, die sie für ihr Sekretariat erhalten.

Nachdem es aber wenige Kongressabgeordnete gibt, die in der Lage wären, ihre Anträge in eine technisch befriedigende Form zu kleiden, werden Redaktionsbureaux zur Verfügung der Parlamentsmitglieder gestellt (vgl. W.H. Yung, American Government, 1956, S. 277).

Trotz der sehr grossen Empfindlichkeit des Kongresses gegenüber der Frage der Gewaltentrennung und der Verteidigung seiner in Artikel l der Verfassung verankerten Prärogativen im Bereich der Gesetzgebung, ist es keinem dieser politischen Grundsätze gelungen, die stille Entwicklung der Verfassungswirklichkeit aufzuhalten, als diese die Zusammenarbeit von Regierung und Parlament bei der Gesetzgebung verlangte. «Behaupten wollen, dass der Präsident als Vertreter der Exekutive nichts mit der Arbeit der Gesetzgebung zu tun habe, hiesse Philosophie betreiben und nicht Tatsachen prüfen» (übersetzt aus Munro, The Government of thè United States, 1925, S. 149).

«Tatsächlich», schreiben A. und S. Tunc, «ist die Rolle des Präsidenten als Promotor der Gesetzgebung eine grundlegende; seine Botschaft über den Stand der Union ist zu einem
wirklichen jährlichen Gesetzgebungsplan geworden; für jede wichtige Frage wird ein Gesetzesentwurf vollständig von der Verwaltung vorbereitet, um durch ein Mitglied der Partei des Präsidenten im Kongress eingereicht zu werden; der Präsident greift häufig aktiv in die Abstimmung über Gesetze ein, und es gibt fast kein Gesetz, welches nicht, bevor es zur Abstimmung gelangt, im einen oder ändern Zeitpunkte der Verwaltung unterbreitet wird» (übersetzt aus «Le système constitutionnel des Etats-Unis d'Amérique, 1954, 2. Teil, S. 66).

3. Die Geschäftsprüfungskommission legt groascn Wert darauf, dass die Bundesversammlung über ihren eigenen Dokumentationsdienst verfügt. Dieser Antrag ist gerechtfertigt. Der Bundesrat ist bereit, bei dessen baldigen Verwirklichung mitzuhelfen.

1036 Der Vorentwurf sah auch die Schaffung eines Rechtsdtenstes vor, der dazu bestimmt gewesen wäre, die Parlamentarier bei der Vorbereitung von Initiativtexten oder ändern Anträgen zu beraten und zu unterstützen. Die Kornmission hat diesen Gedanken aus verschiedenen Gründen fallen lassen, namentlich weil das Parlament die Möglichkeit hat, den Rechtsdienst des Justiz- und Polizeidepartements zu benützen, und weil zu befürchten wäre, dass die Initiativen der Parlamentarier ihren persönlichen und ursprünglichen Charakter verlieren könnten, wenn sie durch die Hände von Technikern des Rechtes gehen müssten.

Es ist aber erwünscht, dass der Dokumentationsdienst so ausgestattet wird, dass die Mitglieder der Räte sich schnell und sicher über die sachlichen und rechtlichen Gegebenheiten der Geschäfte unterrichten können.

Im allgemeinen nehmen die Kommissionen vom Gegenstand, den sie zu behandeln haben, auf Grund der Botschaft des Bundesrates und der mündlichen Erläuterungen der Departementschefs und deren Beamten Kenntnis. Es kann vorkommen, dass eine Kommission das Bedürfnis empfindet, ihre Kenntnisse durch den Beizug von Sachverständigen zu erweitern. In seiner Sorge um die Vervollkommnung der Gesetze kann der Bundesrat es nur begrüssen, wenn die Kommissionen, die sich mit der Gesetzgebung befassen, gründliche Studien anstellen und die qualifiziertesten Berater beiziehen, die ihnen die Bildung einer auf sicheren Grundlagen beruhenden Meinung erleichtern.

Wenn im Bericht der Kommission auf die Hearings angespielt wird, zu denen eine Kommission soll Zuflucht nehmen können, so ist festzustellen, dass der Gesetzesentwurf zwar die Befragung von Beamten und sachkundigen Personen ausserhalb der Verwaltung, aber keine eigentlichen Hearings vorsieht.

Die Hearings dienen dazu, die Auffassung der interessierten Kreise zu erforschen.

Es dürfte selten vorkommen, dass der Bundesrat bei der Vorbereitung eines Gesetzesentwurfes den Kreis seiner Konsultationen nicht genügend weit zieht.

Man darf deshalb annehmen, dass die Kommissionen nach Konsultierung der interessierten Kreise auf die Durchführung weiterer Hearings verzichten und sich mit der Befragung von sachkundigen Personen und Beamten begnügen.

4. Die Gesetzesinitiative, wie sie in der Verfassung geregelt ist und wie sie gehandhabt wurde, entspricht den
Bedürfnissen der öffentlichen Interessen und dem Geiste der Demokratie.

Unter Umständen - und es wird sich dabei in der Regel um schwerwiegende Umstände handeln - gibt der Bundesrat von sich aus den Anstoss zum Erlass eines Gesetzes, doch ist das die Ausnahme. Es kommt selten vor, dass ein Mitglied der Räte in die Bundesversammlung kommt, ohne eine Idee mitzubringen, von der es hofft, dass sie verwirklicht werde. In unseren Räten ist ein eigentliches Heraussprudeln von Ideen festzustellen, wie dies die Liste der in jeder Session zur Behandlung gelangenden Motionen und Postulate anschaulich zeigt. Unter diesen Vorschlägen muss die Regierung im Einvernehmen mit den Räten ihre Wahl treffen. Dabei muss sie sowohl die Priorität der Aufgaben im Verhältnis zum Bedürfnis als auch die in den verschiedenen Rechtsbereichen sicherzustellende Koordination in Betracht ziehen. Erscheint der Antrag als richtig und nützlich, so spielt seine Formulierung eine geringe Rolle. Er bildet nun fortan

1037 eine «Gegebenheit» der Gesetzgebung. Als Postulat oder als Motion erheblich erklärt, wird der Antrag von der Regierung übernommen, die ihn «gestaltet», indem sie ihn in die geeignete Rechtsform kleidet, Die Mitwirkung der Regierung bei der Gesetzgebung rechtfertigt sich aus verschiedenen Hauptgründen. Die Regierung ist natürlicher Weise bestrebt, den Gesetzesentwurf so zu konzipieren und seine Grundzüge so festzulegen, dass er dem Interesse der Allgemeinheit entspricht und sich in die Gesamtheit der Gesetzgebung einfügt. Sie ist das Staatsorgan, das am ehesten in der Lage ist, durch den Einsatz eigener Mittel einen sowohl sachlich wie gesetzestechnisch möglichst vollkommenen Entwurf zu gewährleisten. Nachdem die Regierung mit dem Vollzug des Gesetzes beauftragt ist, bietet ihre Mitwirkung bei dessen Ausarbeitung Gewähr dafür, dass es nach dem Willen des Gesetgebers angewendet werden wird.

B. Das vorparlamentarische Gesetzgebungsverfahren 1. Der Entwurf verlangt, dass der Bundesrat das vorparlamentarische Verfahren für die Vorbereitung von Gesetzes- und Beschlussesentwürfen durch Verordnung regle. Dieser Antrag wird mit dem Wunsche begründet, zu verhindern, dass die Entscheidungsfreiheit der Bundesversammlung durch den Emfluss der Berufs- und Wirtschaftsverbände auf die Vorbereitung von Gesetzesentwürfen eingeschränkt wird. Die gewünschte Ordnung wird wie folgt umschrieben: Der Bundesrat «bestimmt insbesondere allgemein, wann eine Expertenkommission einzuberufen ist, ihre Zusammensetzung, ihre Aufgaben und ihre Arbeitsweise. Er regelt ebenfalls allgemein das Vorgehen, den Umfang und den Zeitablauf des Vernehmlassungsverfahrens, das gemäss besonderer Vorschrift oder gemäss den in der Verordnung aufzustellenden Grundsätzen bei den Kantonen und den zuständigen Organisationen durchzuführen ist».

Zunächst möchten wir feststellen, dass kein definitiver Vorschlag der Geschäftsprüfungskomrnission vorliegt; sie erklärt selber, dass sie nur «vorläufig» einen Text aufgenommen habe (S. 1197, 21). Überdies steht dieser Antrag im offensichtlichen Widerspruch zu dem von der Kommission angerufenen Grundsatz, dass «für die Vorbereitung der Gesetze und Beschlüsse und somit auch für das vorparlarnentarische Verfahren nicht die Bundesversammlung, sondern der Bundesrat zuständig ist (Art. 102, Ziff.4 BV)»
(S. 1201, 25).

Das vorparlamentarische Verfahren für die Vorbereitung von Gesetzes- und Beschlussesentwürfen hat eine zunehmende Bedeutung erlangt, seitdem der Staat tief in das wirtschaftliche und soziale Leben des Landes eingreift. Die Aufgabe der Gesetzgebung, die sich ehemals mit einfachen und während langer Zeit erprobten Fragen zu befassen hatte, ist komplex und schwierig geworden. Das Gesetz muss Interessen ordnen, welche durch die beschleunigte soziale und wirtschaftliche Entwicklung in der Schweiz und in der ganzen Welt geweckt wurden, und dabei den Fortschritten der wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse Rechnung tragen.

2. Der schwerste Vorwurf, der gegenüber der Methode der Vorbereitung der Gesetzesentwürfe erhoben wird, bezieht sich auf die Verständigungen und die

1038

Kompromisse, die mit den interessierten Kreisen im Verlaufe des Konsultationsverfahrens getroffen werden und die ihren Niederschlag im Text des Entwurfes finden. Dadurch kann bei den gesetzgebenden Räten der Eindruck entstehen, dass ihre Entscheidungsfreiheit eingeschränkt werde.

Das Problem stellt sich nicht allein für den schweizerischen Gesetzgeber.

Das weiter oben zitierte Werk von H.C. de Croo, Parlement et Gouvernement, macht in bezug auf die belgischen Angelegenheiten auf «die Tendenz der tatsächlichen Gewalt, sich immer offener an die Stelle der verfassungsmässigen Behörden zu setzen» aufmerksam und erwähnt «die Proteste zahlreicher Parlamentarier gegen Verfahren, welche die Rolle der Kammern auf die Genehmigung ausserhalb des Parlamentes getroffener politischer Vereinbarungen vermindern» (S. 197).

Bei der Vorbereitung sämtlicher Gesetzesentwürfe macht es sich der Bundesrat zur Regel, alle Meinungen zu erkunden und entgegenzunehmen, die der Meinungsbildung des Gesetzgebers dienen könnten. Es handelt sich hier um ein vernünftig angewandtes «Hearing». Die Anhörung der interessierten Verbände im vorparlamentarischen Gesetzgebungsverfahren wird von der Bundesverfassung für folgende Sachgebiete vorgeschrieben: Filmwesen (Art. 27ter BV), Wirtschaftsgesetzgebung (Art. 32 BV) und Arbeitsgesetzgebung (Art. 34ter BV).

Die Bundesverfassung hat nicht festgelegt, welche Verbände anzuhören sind oder wie die Konsultation zu erfolgen hat, schriftlich oder konferenziell. Ausser Zweifel steht, dass die Bundesverfassung «eine wirksame, regehnässige Zusammenarbeit zwischen Bundesbehörden und Wirtschafts- und Berufsvcrbänden» wollte (R. Rubatici, Die Beziehungen zwischen Bund und Wirtschaftsverbänden, in Sonderheft 64 der «Volkswirtschaft», 1957, S. 10). Aber der Sinn dieser Einrichtung ist «Mitwirkung und nicht Entscheid», «Information der Behörden im Interesse der Allgemeinheit und nicht Druck, der zu bestimmten Zwecken auf die Behörden ausgeübt wird» (a.a.O., S. 11). Eine Information kann aber natürlich nach Massgabe ihres Überzeugungswertes ihren Einfluss haben.

Aus der Anhörung der Interessierten ergeben sich in der Regel Differenzen oder Interessenkonflikte. Es ist Aufgabe des Staates, diese zu bereinigen und auszugleichen. Im Bestreben, einen ausgewogenen,für Gesetzgeber und Volk gleicherweise
annehmbaren Entwurf vorzubereiten, kann der Bundesrat vermittelnd eingreifen und eine Einigung der Interessierten fördern. Er wird aber einer solchen Einigung seine Zustimmung nur geben, wenn er sie als mit den Interessen der Allgemeinheit, deren Förderer und Wächter er ist, in Übereinstimmung weiss.

Ein "solches Vorgehen der Behörde ist oft unvermeidlich, D. Schindler stellte fest, dass selten ein wichtiges Gesetz zustande komme, ohne dass die Zustimmung grosser Interessenkreise in einer ausserhalb der ordentlichen Rechtssetzung bleibenden vertragsähnlichen Form gesichert sei (Werdende Rechte, in Festgabe für Fleiner, 1927, S. 422).

«In letzter Instanz ist es Aufgabe des Staates», schreibt R. Rubattel (und wir präzisieren : ist es Aufgabe des Buudesrates im vorparlamentarischen Ge-

1039 setzgebungsverfahren), «das allgemeine Gleichgewicht zu wahren, das nicht verwirklicht wäre ohne die Versöhnung, soweit das überhaupt möglich ist, von Interessen und vertretbaren ideellen Zielsetzungen. Gerade hier, in dieser Vermittlerrolle, erweist der Staat seine Stärke gegenüber den Organisationen aller Art» (a.a.O., S. 21).

Wesentlich ist, dass gute Gesetze gemacht werden. Der Bundesrat sorgt dafür, indem er einen Vorentwurf ausarbeiten lässt, der seine eigene Konzeption wiedergibt. Er veranlasst die Anhörung und den Ausgleich der Interessen, um die Übereinstimmung des Gesetzes mit der Wirklichkeit, die es zu ordnen hat, zu gewährleisten. Die Rolle des Parlamentes aber ist es, den Entwurf besonders unter seinen rechtlichen und politischen Gesichtspunkten zu prüfen und ihm zuzustimmen oder ihn abzulehnen. Es wird die Zustimmung verweigern, wenn es ihm scheint, dass trotz der Sorgfalt der Regierung das Gruppeninteresse gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit überwiege. Es wird sich seine Überzeugung um so leichter bilden können, als ihm die neuen gesetzlichen Bestimmungen gestatten werden, sich durch das Gutachten von Sachverständigen, die von jeder Bindung zu den interessierten Kreisen frei sind, dokumentieren zu lassen.

3. Der Entwurf möchte, dass der Bundesrat bestimme, wann eine Expertenkommission einzuberufen ist, wie sie zusammengesetzt sein soll und welches ihre Aufgabe und Arbeitsweise ist. Er möchte auch, dass das Vemehmlcissungsverfahren geregelt wird. Schliesslich sollen diese Bestimmungen zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung durch die Bundesversammlung bedürfen.

Die Praxis zeigt deutlich, dass eine Expertenkommission bei der Ausarbeitung jedes wichtigen Gesetzesentwurfes bestellt wird, gleichgültig, welchen Gegenstand er betrifft.

Schliesslich muss nicht besonders nachgewiesen werden, dass das vorparlamentarische Verfahren zur Ausarbeitung von Gesetzen sich weder für die Gesetzgebung noch für eine ins einzelne gehende und starre Reglementierung eignet, weil es offenkundig ist, dass die Verhältnisse von einem Sachgebiet zum ändern zu verschieden sind, als dass sie durch einheitliche Bestimmungen geregelt werden könnten. Man denke nur an die Bestellung von Expertenkommissionen in Sachgebieten wie die Invalidenversicherung, die Verwendung der Atomenergie, die Luftfahrt, das
Strafgesetzbuch. Wenn für die Zusammensetzung und das Funktionieren solcher Kommissionen Normen aufgestellt werden müssten, dann müssten sie so allgemein gehalten sein, dass sie keinerlei praktischen Wert mehr hätten.

Die Bundesverfassung hat dem Bundesrat die Befugnis eingeräumt, Gesetzes- und Beschlussesentwürfe vorzuschlagen. Sie knüpft an diese Kompetenz einen einzigen Vorbehalt: die Verpflichtung des Bundesrates, in gewissen Fällen die Kantone und die interessierten Verbände anzuhören. Nachdem der Verfassuugsgeber die Art und Weise der Anhörung nicht festgelegt hat, «haben die Bundesbehörden alle Freiheit bei ihrem Vorgehen, je nachdem, wie es sich als geeignet erweist, was wiederum von den zur Diskussion stehenden Fragen sowie von den Umständen abhängt» (R. Rubattel, a.a.O., S. 11). «Diese Befugnis

1040 (des Bundesrates, Gesetzesentwürfe vorzulegen; Art. 102, Ziff. 4 BV) wird einzig und allein durch die Verfassung selber begrenzt» (R. Rubattel, a.a.O., S. 23).

Auf Grund seiner auf der Verfassung beruhenden Zuständigkeit zur Vorbereitung der Gesetzesentwürfe beansprucht der Bundesrat die Handlungsfreiheit als Korrelat seiner Verantwortung. Sollte es sich als notwendig erweisen, den Beizug von Experten im vorparlamentarischen Gesetzgebungsverfahren zu regehi, so wäre er allein zuständig dazu (vgl. auch Art. 104 BV). Was er im Augenblick tun könnte, wäre die Aufstellung von Richtlinien nach Massgabe der in den einzelnen Sachgebieten befolgten Praxis. Aber als zuständige Behörde müsste er sich auch die Anpassung dieser Richtlinien an die veränderten Verhältnisse und ihre durch die Erfahrung bedingte Überprüfung vorbehalten.

Wie Herr Nationalrat Schürmann erklärt hat (Sten, Bull. NR 1963, S. 356), gehört die richtige Auswahl der Experten zur Regierungskunst. Nun war aber, seit der Schaffung des Bundesstaates, die Vorbereitung der Gesetze immer Sache des Bundesrates, deren er sich in Zusammenarbeit mit von ihm frei gewählten Experten annahm. Im vorparlamentarischen Verfahren stand zwischen Regierung und Parlament nie eine undurchdringliche Scheidewand: regelmässig wurden auch Mitglieder der Bundesversammlung als Experten beigezogen.

Die verfassungsmässige Befugnis des Bundesrates zur Vorbereitung der Gesetze, die durch eine seit mehr als einem Jahrhundert eingelebte Praxis bestätigt wird, darf nicht durch einen Erlass des Gesetzgebers eingeschränkt werden; eine solche Einschränkung stünde im Widerspruch zur verfassungsmässigen Ordnung.

Der Entwurf sieht vor, dass die bezügliche Verordnung des Bundesrates zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung durch die Bundesversammlung bedarf.

Aber eine solche Genehmigung wäre ein Akt der Rechtssetzung (W. Christ, Die Genehmigung von Verordnungen der Exekutive durch die Legislative, S. 107).

Das Parlament kann indessen nicht über einen Gegenstand legiferieren, für welchen, wie der Bericht der Kommission zu Recht feststellt, «nicht die Bundesversammlung, sondern der Bundesrat zuständig ist» (S, 1201, 25).

Übrigens kennt die Bundesverfassung das Genehmigungsrecht des Parlaments nicht. Sie schliesst es aber auch nicht aus. Obschon in der Praxis gelegentlich davon
Gebrauch gemacht wird, erscheint es rechtlich nicht als unbedenklich, weil es zu einer Verwischung der Verantwortlichkeiten führen kann und vor dem Grundsatz der Gewaltenteilung nicht ohne weiteres zu bestehen vermag.

Nicht unerwähnt bleibe, dass das neue Geschäftsverkehrsgesetz das Institut der Genehmigung bundesrätlicher Verordnungen ebenfalls nicht kennt.

Wir beantragen demgemäss die Streichung von Artikel 42bl8 des Entwurfes.

IV

Bemerkungen zu einzelnen Artikeln des Entwurfes A, Artikel 47bl!; Verkehr der Kommissionen mit dem Bundesrat Dieser Artikel handelt insbesondere vom Verkehr der Kommissionen mit dem Bundesrat und der Verwaltung. Der Entwurf sieht vor, dass sämtliche

1041 Kommissionen befugt sind, Beamte zu ihren Sitzungen einzuladen und sie zu befragen, und zwar ohne vorherige Zustimmung des Bundesrates, dem lediglich vorgängig Mitteilung zu machen wäre.

Die damit den Kommissionen eingeräumte Befugnis, Beamte zur Teilnahme an ihrer Arbeit einzuladen oder sie zu befragen, und dies, ohne die Zustimmung ihrer Vorgesetzten einzuholen, würde eine Einmischung in den Zuständigkeitsbereich der leitenden und vollziehenden Gewalt des Bundes bedeuten. Die Beamten der Verwaltung stehen in einem ausschliesslichen Abhängigkeitsverhältnis zum Bundesrat. Sie können Weisungen und Dienstbefehle nur von ihren Vorgesetzten entgegennehmen.

Die Möglichkeit einer Kommission, aus eigener Machtvollkommenheit sich die Mitarbeit der Beamten zu sichern oder diese zu befragen, wäre in hohem Masse geeignet, die Beamten in eine zwiespältige Lage gegenüber dem Bundesrat zu bringen, den hierarchischen Aufbau der Verwaltung und den Gang der Geschäfte zu stören sowie das Vertrauen, als Grundlage einer erspriesslichen Zusammenarbeit zwischen Bundesrat und Verwaltung, nachhaltig zu erschüttern. Ein solcher durch nichts zu rechtfertigender Eingriff in die bisherige Ordnung läge weder im Interesse des Staates noch der Beamtenschaft; eine klare Abgrenzung der Verantwortlichkeiten wäre nicht mehr gewährleistet; die Disziplin wäre in Frage gestellt.

Die Bestimmung, die den Kommissionen eine solche Befugnis einräumt, verträgt sich schlecht mit Absatz 3 des gleichen Artikels, der bestimmt, dass «Beamte bei diesen Befragungen nur durch den Bundesrat von der für sie geltenden Pflicht zur Amtsverschwiegenheit entbunden werden können». Diese Vorschrift entspricht einem fundamentalen Prinzip eines auf der Grundlage der Gewaltentrennung organisierten Staates. Das Amtsgeheimnis deckt nun aber praktisch die Mehrzahl der wesentlichen Tatbestände, von denen der Beamte im Laufe seiner Amtstätigkeit Kenntnis erlangt. Deshalb wird die Befragung eines Beamten kaum von Nutzen sein, wenn ihn der Bundesrat nicht von der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit entbunden hat. Es rechtfertigt sich daher, dass eine Kommission, die einen Beamten zu befragen wünscht, die Zustimmung des Bundesrates einzuholen hat, und dass der Bundesrat sich dabei auch über die Frage der Aufhebung des Amtsgeheimnisses ausspricht.

Die Aushändigung
eines Dossiers oder eines Aktenstückes kann die Offenbarung eines Amtsgeheimnisses bedeuten. Es wird oft vorkommen, dass die Ermächtigung zur Befragung eines Beamten und die Entbindung von der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit die Ermächtigung zur Aushändigung von Amtsakten bedingen. Auch hierüber hat der Bundesrat zu entscheiden.

Nachdem unsere verfassungsmässige Ordnung die Zusammenarbeit der gesetzgebenden und der regierenden Gewalt fordert, wird sich der Bundesrat nicht ohne zwingende Gründe dem Gesuch einer Kommission widersetzen, das die Mitarbeit oder Befragung von Beamten verlangt. Eine Verständigung zwischen den beiden Gewalten liegt im beidseitigen Interesse, weil es ihnen die Erfüllung ihrer Aufgaben erleichtert. Das Einvernehmen setzt gegenseitiges Vertrauen voraus.

1042 Diese Grundsätze rechtfertigen folgende Neufassung der Absätze 2 und 3 : «Sie können ferner zur Abklärung besonders schwieriger Verhältnisse Beamte sowie sachkundige Personen ausserhalb der Verwaltung in die Sitzung einladen und befragen» (Abs. 2).

«Die Befragung von Beamten bedarf der Zustimmung des Bundesrates, der sie nötigenfalls von der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit entbindet und zur Herausgabe von Amtsakten ermächtigt» (Abs. 3).

Dass der Bundesrat von den Äusserungen seiner Beamten und der sachkundigen Personen ausserhalb der Verwaltung in geeigneter Weise Kenntnis und nötigenfalls Gelegenheit zur Stellungnahme erhält, erscheint als selbstverständlich; im Gesetz selber braucht darüber wohl nichts gesagt zu werden.

B. Artikel 47iua'er; Verkehr zwischen den Geschäftsprüfungskommissionen und der Verwaltung 1. Der Entwurf enthält im ersten Absatz, welcher den Umfang der Befugnisse der Geschäftsprüfungskommissionen umschreibt, eine Bestimmung, die in gleicher Weise die Verwaltung wie die Gerichte betrifft : « Soweit die Geschäftsprüfungskommissionen es zur Erfüllung ihrer Aufgabe als notwendig erachten, haben sie das unbedingte Recht, jederzeit in die die Geschäftsführung betreffenden Akten der Bundesverwaltung und der Gerichte Einsicht zu nehmen und von allen Dienststellen die zweckdienlichen Auskünfte zu verlangen». Nun anerkennt aber der Bericht der Kommission zu Recht (S. 1199,23), dass die Oberaufsicht der Bundesversammlung über die Gerichte weniger weit geht als diejenige über die Verwaltung. Infolgedessen ist es nicht angebracht, die Kontrolle der Gerichte den Bestimmungen zu unterstellen, welche die Kontrolle der Verwaltung regehi und welchen die antragstellende Geschäftsprüfungskommission eine sehr grosse Tragweite geben möchte. Die Rechtspflege erfordert in einem demokratischen Staate eine derart vollständige Unabhängigkeit der Gerichte, dass nicht einmal der Anschein erweckt werden darf, sie könnte durch die parlamentarische Kontrolle beeinträchtigt werden. Übrigens ist der Geschäftsverkehr zwischen der Bundesversammlung und den eidgenössischen Gerichten bereits durch das Bundesgesetz vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (Art. 21; BS 3, 531) und durch den Bundesbeschluss vom 28. März 1917 betreffend die Organisation und das Verfahren des
Eidgenössischen Versicherungsgerichtes (Art. 28; BS 3, 607) geregelt.

Demzufolge beantragen wir, im ersten Absatz die Worte «und der Gerichte» zu streichen und am Schluss des Artikels einen neuen Absatz mit folgendem Wortlaut aufzunehmen : «Die Oberaufsicht über die Rechtspflege erfolgt nach den Vorschriften über die Organisation der eidgenössischen Gerichte».

2. Nach seinem Wortlaut verleiht Absatz l den Geschäftsprüfungskommissionen das unbedingte Recht (es gibt aber in der Schweiz kein unbedingtes Recht), jederzeit, ohne die Zustimmung des Bundesrates, ja selbst gegen seinen Willen, in alle die Geschäftsführung betreffenden Akten Einsicht zu nehmen und von allen Dienststellen die zweckdienlichen Auskünfte zu verlangen. Ge-

1043 stützt auf diesen Text könnte eine Geschäftsprüfungskommission die Herausgabe «streng geheimer» Akten der Generalstabsabtcilung, von Dossiers der politischen Polizei oder von solchen über im Gange befindliche politische Demarchen verlangen. Nachdem die Oberaufsicht das Recht in sich schliessen soll, Verwaltungsakte zur Diskussion zu stellen, Wünsche anzubringen und Anregungen zu unterbreiten, würde der Text des Entwurfes den Kommissionen sogar gestatten, auf die laufenden Geschäfte einzuwirken; ausgenommen wären lediglich die Aufsichtsbeschwerden, für welche Absatz 3 vorsieht, dass der Bundesrat den Kommissionen die Akten über ihre Erledigung vorlegt. Eine derartige Befugnis würde eine Einmischung in den Geschäftsgang der Verwaltung bedeuten.

Zur Begründung ihres Antrages beruft sich die Kommission auf Artikel 50 des Geschäftsverkehrsgesetzes, welcher die Befugnisse der Finanzdelegation umschreibt; nachdem die Prüfung des Finanzhaushaltes nur eine Form der Oberaufsicht sei, müssen ihres Erachtens die Geschäftsprüfungskommissionen ein gleiches Kontrollrecht erhalten wie die Finanzdelegation. Nun hat aber die Finanzdelegation nur das Recht, in die mit dem Finanzhaushalt zusammenhängenden Akten Einsicht zu nehmen. Diese Kompetenz der Bundesversammlung auf dem Gebiete des Finanzwesens ist übrigens nicht Ausfluss des parlamentarischen Oberaufsichtsrechts, sondern steht ihr auf Grund von Artikel 85, Ziffer 10 der Bundesverfassung zu, der ihr die Prüfung des eigentlichen Rechnungswesens überträgt (vgl. etwa BB1 1899 II 483/484). Die Verfassung selbst räumt also der Bundesversammlung im Finanzwesen Befugnisse ein, die weiter gehen als für die Oberaufsicht über die Verwaltung im allgemeinen. Dass die Bundesversammlung zur Erfüllung dieser Aufgabe über besondere Kontrollrechte verfügen muss, bedarf keiner weitern Begründung.

In ändern Staaten finden sich ähnliche Regelungen. Sie sind meist das Ergebnis einer geschichtlichen Entwicklung, die begann, als die Parlamente das Recht zur Erhebung von Steuern sowie als Korrelat das Recht zur Kontrolle der Verwendung der öffentlichen Einkünfte in Anspruch nahmen. In der Schweiz stellen die Finanzkompetenzen des Parlamentes eine Art Rechnungshof dar. Sie berühren übrigens die Kompetenzen der Exekutive weit weniger als die Befugnisse, die der Entwurf den
Geschäftsprüfungskomrnissionen einräumt. Ausserhalb des Finanzwesens verfügt die Regierung in der Tat über eine Bewegungsfreiheit, welche die parlamentarische Kontrolle nicht zu beschränken vermöchte.

Die Fassung des ersten Absatzes geht übrigens weit über den Willen der Verfasser des Entwurfes hinaus. Wie wir weiter oben (II, B) bei der Auslegung des Begriffes der Oberaufsicht gesehen haben, gibt der Bericht der Kommission zu, «dass die Geschäftsprüfungskomrnissionen sich grundsätzlich nur mit letztinstanzlichen Entscheiden zu befassen haben», «nur mit erledigten Fällen» (S. 1205,29). Es gibt aber Geschäfte, deren Erledigung eine grosse Zahl administrativer Entscheidungen voraussetzt oder Arbeiten erfordert, die sich manchmal über mehrere Jahre erstrecken (man denke z.B. an öffentliche Werke). Hier scheint es gerechtfertigt und wünschenswert, dass die Geschäftsprüfungskommissionen über die Entwicklung orientiert werden; sie können vom Bundesrat die nötigen Auskünfte verlangen.

1044 Anderseits erklärt der Bericht der Kommission bei der Behandlung des Amtsgeheimnisses (S. 1195,19) : «Es ist selbstverständlich, dass das Amtsgeheimnis bestehen bleiben muss, soweit es zum Schütze öffentlicher oder privater Interessen nötig ist.» Es mag merkwürdig erscheinen, dass der Frage des Amtsgeheimnisses eine solche Bedeutung zukommt, nachdem es sich doch um den Geschäftsverkehr zwischen den beiden Hauptgewalten des Bundes handelt und das Amtsgeheimnis die Mitglieder der einen wie der ändern der beiden Gewalten bindet.

Es gehört aber zu den wichtigsten Grundsätzen einer ihrer Verantwortung bewussten Staatsverwaltung, dass ein Amtsgeheimnis nur offenbart werden darf, wenn hiefür eine absolute Notwendigkeit besteht. Dieser Grundsatz wird sogar innerhalb der Bundesverwaltung befolgt. Der Offenbarung vertraulicher oder geheimer Angelegenheiten sind ausserdem Grenzen gesetzt, die in der Natur der Sache liegen.

Nicht unerwähnt bleibe, dass gewisse Angelegenheiten gar nicht bekannt werden dürfen, auch nicht in Fällen, in denen der Bundesrat endgültig entschieden und seme Verantwortung engagiert hat. Dies trifft zu für gewisse Geschäfte im Zusammenhang mit dem Staatsschutz und mit der Besorgung der auswärtigen Angelegenheiten.

Anderseits muss das Geheimnis grundsätzlich gewahrt werden in dienstlichen Angelegenheiten, die die Interessen Dritter berühren und deren Verbreitung den Bürger, der sich freiwillig oder auf Grund gesetzlicher Verpflichtung der Verwaltung anvertraut hat, an seinem Vermögen, seiner Ehre oder seinem Ansehen schädigen könnte. Im allgemeinen bedarf es in solchen Fällen der Zustimmung des Beteiligten zur Bekanntgabe seines Dossiers.

Schliesslich kann auf keinen Fall die Herausgabe interner Akten verlangt werden, die sich auf den Meinungsaustausch beziehen, welcher den Entscheidungen des Bundesrates vorausgeht: die Handlungsfreiheit und die Kollegialität der Mitglieder der Regierung sind die Grundlagen ihrer Autorität; sie dürfen nicht gefährdet werden. Dass dieser Vorbehalt für die Verhandlungen des Bundesrates in besonderem Masse gilt, braucht kaum näher begründet zu werden.

Es können sich Meinungsverschiedenheiten über die Wahrung eines Geheimnisses zwischen der Bundesverwaltung und der Bundesversammlung in ihrer Eigenschaft als Oberaufsichtsbehörde ergeben. Der Bundesrat
ist eher in der Lage als die Geschäftsprüfungskommissionen, den geheimen Charakter einer Dienstsache zu beurteilen, sowie das Ausmass der Geheimhaltung, das zu beachten ist. Im Falle einer Meinungsverschiedenheit zwischen der Behörde, die eine Aufsicht politischer Natur über die Verwaltung ausübt, und der Behörde, die rechtlich für die Geschäftsführung verantwortlich ist, ist es Sache der letztgenannten zu entscheiden.

3. Absatz 2 sieht vor, dass die Zentralstelle für Organisationsfragen den Kommissionen alle ihre Empfehlungen an die Departemente und Abteilungen zur Kenntnis bringt.

Wir legen Wert darauf, dass die Geschäftsprüfungskommissionen diesen Fragen ihre Aufmerksamkeit schenken. Als lebendiger Organismus muss sich

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eine grosse Verwaltung ständig bemühen, sich den wechselnden Bedürfnissen anzupassen. Wir werden entsprechende Anregungen mit Interesse entgegennehmen. Man kann sich aber fragen, ob es nicht genügen würde, wenn die Zentralstelle den Geschäftsprüfungskommissionen nur jene Empfehlungen unaufgefordert zu melden hätte, mit denen sie nicht durchgedrungen ist.

4. Dem Wunsch der Geschäftsprüfungskommissionen auf Herausgabe der in Absatz 3 namentlich genannten Akten soll unter den weiter oben gemachten Vorbehalten entsprochen werden. Wir legen indessen Wert auf die Feststellung, dass sie sich auch auf Akte der Rechtsprechung beziehen können, für die der Bundesrat die gleiche Unabhängigkeit beanspruchen muss wie die eidgenössischen Gerichte. Die rechtsprechende Tätigkeit des Bundesrates auf dem Gebiete des Staats- und des Verwaltungsrechts weist in der Tat denselben Charakter auf wie die Tätigkeit der eidgenössischen Gerichte. Wie diese, untersteht er einzig dem Gesetz. Seine Rechtspflegetätigkeit bleibt demnach der Überprüfung durch die Geschäftsprüfungskommissionen entzogen (Eichenberger, Die oberste Gewalt im Bunde, S. 112; Flemer-Giacometti, Bundesstaatsrecht, S. 533; Burckhardt, Kommentar, S. 696; Bosshart, Die parlamentarische Kontrolle nach schweizerischem Staatsrecht, S. 96). Eine Kontrolle liesse sich nur vertreten, soweit sie geeignet wäre, anfällige neue gesetzliche Massnahmen nahezulegen.

Was insbesondere die Rechtsprechung in Personalangelegenheiten anbelangt, so können Entscheide und Verfügungen, die in schwerwiegender Weise in die Rechtsstellung des Beamten eingreifen (vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnis, Versetzung ins Provisorium und disziplinarische Entlassung), schon nach geltendem Recht an das Bundesgericht weitergezogen werden. Nach dem neuesten Gesetzesentwurf über den Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit soll der bezügliche Katalog noch erweitert werden (Kürzung oder Einstellung der ordentlichen Besoldungserhöhung, Kürzung der Besoldung, strafweise Versetzung oder Rückversetzung). Es muss darauf geachtet werden, dass die Grenzen dieses Rechtsbereiches des Bundesrates und des Bundesgerichts nicht durch die Oberaufsicht verwischt werden.

5. Wir beantragen, die Absätze l und 3 zusammenzulegen und wie folgt zu formulieren: «Soweit die Geschäftsprüfungskommissionen
es zur Erfüllung ihrer Aufgabe als notwendig erachten, haben sie das Recht, jederzeit die Akten von Geschäften, die von der Verwaltung entschieden sind, einzusehen und den Bundesrat zur Auskunfterteilung über laufende Geschäfte einzuladen. Die Absätze 2 bis 4 des Artikels 47bls finden sinngeniäss Anwendung.» C. Artikel 54bis und folgende; Untersuchungskommissionen Der Entwurf führt eine für die Schweiz neue Institution in die Gesetzgebung ein : die parlamentarischen Untersuchungskommissionen.

Weil solche Untersuchungen der gesetzgebenden Behörde gestatten, in den Zuständigkeitsbereich der Regierungsgewalt einzugreifen (Verpflichtung der Beamten, die Kommissionen über Tatsachen im Zusammenhang mit ihrer AmtsBundeablatt. 117, Jahrg. Bd.n.

69

1046 tätigkeit zu unterrichten und Amtsakten vorzulegen), und weil ein solches Vorgehen dem Grundsatze der Gewaltentrennung widerspricht, findet sich die rechtliche Grundlage für diese Untersuchungen im allgemeinen in der Verfassung.

Dies ist u.a. der Fall bei folgenden Verfassungen: Deutschland: Artikel 44; Bayern: Artikel 25; Österreich: Artikel 53; Belgien: Artikel 40; Dänemark: Artikel 45 ; Italien : Artikel 82 ; Luxemburg : Artikel 64 ; Niederlande : Artikel 98.

Unsere Verfassung enthält keine derartige Bestimmung, Die Institution der Untersuchungskommission kann sich, was auch der Bericht der Kommission annimmt, höchstens auf Artikel 85, Ziffer 11 der Bundesverfassung berufen, der die beiden Räte mit der Oberaufsicht über die Verwaltung betraut. Anderseits hält der Bericht in seinem allgemeinen Teil (S. 1181, 5) fest: «Das Prinzip der Gewaltentrennung und die Verschiedenheit der Gewalten müssen auch bei der Kontrolle der Verwaltung zum Ausdruck kommen.» Eine Abweichung von diesem Grundsatz liesse sich demgemäss nur begründen, wenn dafür entweder eine besondere VerfassungsVorschrift angerufen werden könnte oder wenn man annähme, in der Oberaufsicht sei das Recht enthalten, in ausserordentlichen Fällen zu ausserordentlichen Untersuchungsmassnahmen Zuflucht zu nehmen, die allein zur Aufklärung umstrittener Tatbestände geeignet erscheinen. Der Finanzdelegation und, gemäss den Vorschlägen in den vorausgehenden Bestimmungen, den Kommissionen im allgemeinen und insbesondere den Geschäftsprüfungskommissionen stehen nun vervollständigte und verstärkte Mittel zur Ausübung der Oberaufsicht zur Verfügung. Unter diesen Gesichtspunkten muss die Frage aufgeworfen werden, ob sich die gesetzliche Verankerung der Untersuchungskommissionen mit stichhaltigen Gründen rechtfertigen lasse. Der Bundesrat möchte die Frage nicht bejahen. Sollten aber die Räte an der Institutionalisierung der Untersuchungskommissionen festhalten und die zu befürchtenden Erschwerungen der Regierungs- und Verwaltungstätigkeit in Kauf nehmen wollen, so erschiene es ihm jedenfalls als angezeigt, die Eröffnung und das Verfahren der Untersuchung von gewissen Bedingungen abhängig zu machen.

Diese sollen geeignet sein, jeder ungerechtfertigten Beeinträchtigung der Befugnisse und der Autorität der Regierung vorzubeugen. In dieser Absicht
schlagen wir einige Änderungen des Entwurfes vor.

Die Funktionen, welche die Untersuchungskommissionen auszuüben haben, sind somit eine Form der Funktion der Oberaufsicht. Sie unterscheiden sich von der gewöhnlichen Kontrolle durch die angewendeten Mittel. Sie können kerne anderen Zwecke haben als die Information und die kritische Prüfung der Handlungen der Verwaltung oder des Funktionierens eines Dienstes. Die Untersuchungskommissionen können keine Tätigkeit ausüben, welche in die ordnungsgemässe Zuständigkeit der Verwaltung fällt. «Dieser Vorschlag», so schreibt Duguit im Hinblick auf das französische Recht (Droit constitutionnel, IV, S. 394) «ist die direkte Folge davon, dass die Untersuchungsbefugnis sich aus dem Kontrollrecht ableitet Sie kann nicht weiter gehen als dieses». Das gleiche gilt für Grossbritannien. «Das englische Ministerium hat sich immer dagegen gewendet, dass diese Kommissionen Handlungen vornehmen, die in die Zuständigkeit der Beamten der Krone fallen, und hat dafür gesorgt, dass

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deren Rolle auf eine Art Inspektion eines öffentlichen Dienstes beschränkt bleibt» (a.a.O.,S. 393). Mit Bezug auf das Deutsche Recht schreibt U. Scheuner, es sei als Grundsatz anerkannt, dass die Institution parlamentarischer Untersuchungsausschüsse der Feststellung, Kontrolle und allgemeinen Meinungsbildung des Parlamentes dienen könne, nicht aber zu einer Verwischung der Grenzen zwischen den Befugnissen der Regierung und des Parlamentes führen dürfe (in Festschrift für Rudolf Smend, 1952, S. 286). Im schweizerischen Recht kann sowohl der Kontrolle der Untersuchungskommissionen als auch derjenigen der Geschäftsprüfungskommissionen lediglich der Charakter einer politischen Massnahme zukommen. Ausschliesslich politischer Natur sind denn auch die Verantwortlichkeiten, welche die Untersuchungskommissionen gemäss Artikel 54bla festzustellen haben.

Art. 54bls Wir schlagen drei Änderungen dieses Artikels vor. Die Eröffnung eines Untersuchungsverfahrens als Massnahme, die zur Oberaufsicht der Bundesversammlung gehört, rechtfertigt sich nur, wenn die Geschäftsprüfungskommissionen beider Räte mit ihren ordentlichen Kontrollmitteln wichtige Tatsachen nicht abklären konnten. Es erscheint deshalb als angezeigt, dass man diese Kommissionen beauftragt, den Räten die Einsetzung von Untersuchungskommissionen vorzuschlagen. Angesichts der Bedeutung des Entscheides, den die Räte zu fassen haben, scheint es uns sodann geboten, dass der Bundesrat auf Grund des Antrages der Geschäftsprüfungskommissionen der Bundesversammlung Bericht erstattet. Im Hinblick darauf, dass der einleitende Passus «in schwerwiegenden Fällen» ein Werturteil zum Ausdruck bringt, beantragen wir schliesslich, ihn durch die Formulierung «in Fällen von grosser Tragweite» zu ersetzen.

Art. 54ter Bei Absatz 4 beantragen wir eine bessere Anpassung des französischen Wortlautes an den deutschen Text.

An sich wäre es sehr zu begrüssen, wenn in Absatz 5 auch die Artikel 7 und 8 der Bundeszivilprozessordnung anwendbar erklärt würden. In der Annahme, dass die Untersuchungskommissionen insbesondere einer zuverlässigen Protokollführung ihre volle Aufmerksamkeit schenken werden, sehen wir von einem Ergänzungsantrag ab.

Art. 54«uater

Angesichts des im Zusammenhang mit Artikel 47biB, Absatz 3 dargelegten Grundsatzes können die Beamten von der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit nur durch den Bundesrat entbunden werden. Wir schlagen vor, Absatz l dahingehend zu ergänzen, dass der Bundesrat zuständig sein soll, die Herausgabe von Amtsakten zu bewilligen.

Der Entwurf sieht vor, dass die Beamten im Falle einer parlamentarischen Untersuchung automatisch von der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit entbunden

1048 werden und gehalten sind, die Amtsakten, die den Gegenstand der Befragung betreffen, auszuliefern oder zu nennen. Die Anwendung dieser Bestimmung könnte wichtige Interessen gefährden. Wie wir ausgeführt haben, ist der Bundesrat die Behörde, die zuständig ist, zu beurteilen, in welchem Ausmass das öffentliche Interesse die Offenbarung von Amtsgeheimnissen und des Inhaltes von Amtsakten gestattet. Deshalb beantragen wir, dass der Bundesrat über die Entbindung von der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit und die Herausgabe von unter das Amtsgeheimnis fallenden Amtsakten angehört werden muss (Abs. 1).

Es scheint überdies nötig, vorzusehen, dass es bei Meinungsverschiedenheiten mit dem Bundesrat eines übereinstimmenden Beschlusses der beiden Kommissionen bedarf (Abs. 1).

Mit der Neufassung des ersten Absatzes im Sinne unserer Vorschläge werden die Absätze 2 und 3 sowie der Schluss des vierten Absatzes des Entwurfes hinfällig.

Wir beantragen, Absatz 5, wonach den Beamten aus ihrer wahrheitsgemässen Aussage keinerlei Nachteile erwachsen dürfen, zu streichen. Diese Bestimmung beinhaltet eine blosse Selbstverständlichkeit und bekundet ein gewisses Misstrauen. Da sie überdies ohne rechtliche Folgen bliebe, eignet sie sich kaum zur Aufnahme ins Gesetz.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 27. August 1965.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Tschudi Der Vizekanzler: F.Weber

1049

Anderungsantrage des Bundesrates (Geschaftsverkehrsgesetz) Art.42*>18 Streichen Art.47bls

i

2 Sie konnen ferner zur Abklarung besonders schwieriger Verhaltnisse Beamte sowie sachkundige Personen ausserhalb der Verwaltung in die Sitzung einladen und befragen.

3 Die Befragung von Beamten bedarf der Zustimmung des Bundesrates, der sie notigenf alls von der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit entbindet und zurHerausgabe von Amtsakten ermachtigt.

4 5

Art. 47 quater 1

Soweit die Geschaftsprufungskommissionen es zur Erfullung ihrer Aufgabe als notwendig erachten, haben sie das Recht, jederzeit die Akten von Geschaften, die von der Verwaltung entschieden sind, einzusehen und den Bundesrat zur Auskunfterteilung liber laufende Geschafte einzuladen. Die Absatze 2 bis 4 des Artikels 47 bis finden sinngemass Anwendung.

2

3

Streichen.

4 6 6

7

Die Oberaufsicht iiber die Rechtspflege erfolgt nach den Vorschriften iiber die Organisation der eidgenossischen Gerichte.

Art.54bls 1

In Fallen von grosser Tragweite konnen zur Ermittlung bestimmter Tatsachen, zur Abklarung einzelner Vorkommnisse in der Bundesverwaltung sowie zur Feststellung der Verantwortlichkeiten auf Antrag der Geschaftsprufungskommissionen und nach Einhohmg eines Berichts der Bundesrates durch iibcreinstimmenden Verfahrensbeschluss der beiden Rate parlamentarische Untersuchungskommissionen eingesetzt werden.

2

1050 i a

Art.54ter

3

4

(Betrifft nur den franzosischen Wortlaut.)

A

e

Art. 54 quater Miissen Beamte iiber dem Amtsgeheimnis unterliegende Tatsachen befragt werden, so 1st der Bundesrat iiber die Entbindung von der Pflicht zur Amisverschwiegenheit und die Herausgabe entsprechender Amtsakten anzuhoren.

Bei Memungsverschiedenheiten bedarf es eines iibereinstimmenden Beschlusses der beiden Kommissionen.

2 Streichen, 3 Streichen.

4 Die befragten Beamten sind verpflichtet, der Kommission jede Auskunft iiber Wahrnehmungen, die sie kraft ihres Amtes oder in Austibung ihres Dienstes gemacht haben und die sich auf ihre dienstlichen Obliegenheiten beziehen, wahrheitsgemass zu erteilen.

6 Streichen.

e 1

7

8425

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Gesetzesentwurf der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates betreffend den Ausbau der Verwaltungskontrolle (Vom 27. August 1965)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1965

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

36

Cahier Numero Geschäftsnummer

9194

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

09.09.1965

Date Data Seite

1025-1050

Page Pagina Ref. No

10 043 007

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