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Bundesblatt

Bern, den 14. Oktober 1965

117. Jahrgang

Band II

Nr. 41 Erscheint wöchentlich. Preis Fr. 33.- im Jahr, Fr. 18.- ira Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postzuslellungsgebiihr

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bunde (Vom 24.September 1965)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren !

Wir beehren uns. Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf für ein Bundesgesetz betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die Bundesrechtspflege (Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bunde) zu unterbreiten.

L Gegenstand des Entwurfes Gegenstand des vorliegenden Entwurfes sind die Verwaltungsrechtspflege durch das Bundesgericht als Beschwerdeinstanz und als einzige Instanz sowie die Disziplinarrechtspflege durch das Bundesgericht. Die vorgeschlagenen Änderungen betreffen den Fünften und den Sechsten Titel des Bundesgesetzes über die Organisation der BundesrcchtspUege vom 16-Dezember 1943 (OG; BS 3, 531 ff.). Ausserdem sieht der Entwurf vereinzelte Anpassungen anderer Bundeserlasse vor.

Unberührt bleibt formell der Siebente Titel des OG (Staats- und Verwaltungsrechtspflege durch den Bundesrat). Die Bestimmungen dieses Titels sollen, soweit sie Verwaltungsrechtspflege zum Inhalt haben, in das Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren eingebaut werden. Allerdings wird der materielle Anwendungsbereich dieser Bestimmungen durch den vorliegenden Entwurf teilweise verändert.

Ebensowenig befasst sich der Entwurf mit der Organisation (Änderung oder Erweiterung) des Bundesgerichts.

Schliesslich lässt er auch die Erlasse über die Organisation und das Verfahren des Eidgenössischen Versicherungsgerichts, insbesondere den gleichlautenden Bundesbeschluss vom 28, März 1917 (OB; BS 3, 607 ff.) unverändert; dieser Bundesbeschluss befindet sich zur Zeit ebenfalls in Revision.

Der Ihnen gleichzeitig vorgelegte Entwurf für ein Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren ist in gewisser Beziehung als Unterbau des Entwurfs für den Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit anzusehen.

Bundsblatt. 117. Jahrg. Bd. II.

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1266 II. Begriff und Bedeutung der Verwaltungsgerichtsbarkeit 1. «Verwaltungsgericbtsbarkeit ist Gerichtsbarkeit über die Verwaltung; ihre Aufgabe besteht in einer richterlichen Überprüfung von Verwaltungsakten» (Fritz Heiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8, Aufl., 1928, S. 248). Diese einfache Umschreibung scheint uns den Begriff der Verwaltungsgerichtsbarkeit - trotz gewisser Bedenken, die in der Literatur dagegen erhoben worden sind - treffend wiederzugeben (vgl, auch Christian-Friedrich Mengcr, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1954, S. 58 ff.).

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit hat in erster Linie zum Zweck, dem Bürger, der durch eine Verwaltungsverfügung in seinen eigenen, von der Rechtsordnung anerkannten Interessen verletzt ist, Schutz zu gewähren. Ausserdem soll sie dazu beitragen, dass die Verwaltungsrechtsnormen richtig und vor allem einheitlich angewendet werden ; damit soll der Rechtssicherheit gedient werden. Schliesslich soll sie mithelfen, das Verwaltungsrecht auszubauen und fortzubilden (vgl.

W. Birchmeier, Handbuch des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, 1950, S.417/18; Max Imboden, Erfahrungen auf dem Gebiet der Verwaltungsrechtsprechung in den Kantonen und im Bund, Zeitschrift für Schweizerisches Recht = ZSR n.F. Bd.66, 1947, S.loff., S.7aff., S.7fl/8a; Hans Huber, Der Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bund und Kantonen, 1950, S. 14).

2. Der ausdrückliche Ruf nach einer Verwaltungskontrolle durch unabhängige Gerichte ist so alt wie die Forderung einer rechtsstaatlichen Gestaltung der Staatsorganisation. Ihre Wurzeln reichen indessen noch wesentlich weiter zurück (vgl. dazu neuerdings Martin Sellmann, Der Weg zur neuzeitlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit, ihre Vorstufen und dogmatischen Grundlagen, in: Staatsbürger und Staatsgewalt, Jubiläumsschrift zum hundertjährigen Bestehen der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit und zum zehnjährigen Bestehen des Bundesverwaltungsgerichts, 1963,1, S. 25 ff.). Das erste völlig unabhängige, besondere, lediglich für die Entscheidung öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten zuständige Gericht war der 1863 geschaffene badische Verwaltungsgerichtshof. Um diese Zeit hatte auch in der deutschen publizistischen Literatur der Gedanke der Verwaltungsrechtspflege durch besondere
Verwaltungsgerichte einen definitiven Sieg über das - ebenfalls rechtsstaatlich begründete - Postulat einer Verwaltungsrcchtspflege durch die ordentlichen Gerichte errungen. 1875 wurden das Preussische Oberverwaltungsgericht und der Österreichische Verwaltungsgerichtshof eingerichtet, die zur Konsolidierung des Gedankens einer besondern Verwaltungsgerichtsbarkeit Entscheidendes beitragen sollten.

In der Schweiz hatte die rechtsstaatliche Tendenz der Regenerationszeit zunächst zur Zuweisung der Verwaltungsrechtspflege an die Zivilgerichte geführt (vgl. dazu Max Imboden, Erfahrungen auf dem Gebiet der Verwaltungsrechtsprechung in den Kantonen und im Bund, a.a.O., S. 16a ff.). Während der folgenden Jahrzehnte, in denen das demokratische Konstitutionsprinzip erneut zur Vorherrschaft gelangte, wurde jedoch diese Art von Verwaltungsgerichtsbarkeit weitgehend durch die verwaltungsinterne Verwaltungsrechtspflege ab-

1267 gelöst (vgl. dazu Abschnitt III/8 der Botschaft). Parallel dazu übertrug die Bundesverfassung von 1848 auch die Beurteilung von Klagen wegen Verletzung der in der Bundesverfassung garantierten Rechte primär dein Bundesrat und der Bundesversammlung, nicht dem Bundesgericht. Gegen Ende des ^.Jahrhunderts mehrten sich indessen die Stimmen, die auch für die Schweiz die Einführung einer unabhängigen Verwaltungsgerichtsbarkeit verlangten ; der Schweizerische Juristenverein diskutierte über dieses Thema an seiner Jahrestagung von 1897. Der Bundesrat erörterte eine eidgenössische Verwaltungsgerichtsbarkeit zum erstenmal in seiner Botschaft an die Bundesversammlung vom 4. Juni 1894 (BB11894II766 S., 798) betreffend Organisation und Geschäftsgang des Bundesrates. In seiner Botschaft an die Bundesversammlung vom 20. Dezember 1911 betreffend die Revision der Bundesverfassung zur Errichtung eines eidgenössischen Verwaltungsgerichts (BB1191J V 322 ff.) schlug er u.a. die Aufnahme eines entsprechenden Artikels 114blB in die Bundesverfassung vor. Zur Begründung führte er vor allem aus : «Das Bedürfnis einer solchen (Verwaltungsgericbtsbarkeit) erscheint auch uns gegeben. Je mehr der moderne Wohlfahrtsstaat Gebiete privater Betätigung in den Kreis der staatlichen Funktionen einbezieht, je zahlreicher die öffentlichen Aufgaben sind, an deren Durchführung der Bund herantritt, je gewaltiger daher auch die Zahl der Staatsfunktionäre anschwillt, denen diese Aufgaben anvertraut werden, desto grösser ist die Gefahr eines Übergriffs der Staatsallmacht und Bcamtenautokratie gegenüber den Individualrechten des Bürgers und desto lebhafter sein instinktives Gefühl, er bedürfe eines kräftigen Schutzes gegen diese feindliche Macht.» (S.331).

Am 25. Oktober 1914 nahmen Volk und Stände mit grossem Mehr die Verfassungsvorlage an. Erst 1928 jedoch trat das Bundesgesetz über die eidgenössische Verwaltungs- und Disziplinarrechtspflege (VDG) in Kraft, das die eidgenössische Verwaltungsgerichtsbarkeit im einzelnen regelte. Die Bestimmungen dieses Gesetzes, insbesondere der Katalog der einzeln aufgezählten Kompetenzen des Bundesgerichts in Verwaltungssachen, wurden im wesentlichen in das neue Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (OG; ES 3, 531 ff.) übernommen.

3. Auch seit der Einführung einer eidgenössischen Verwaltungsgerichtsbarkeit ist die Diskussion über Wert und Unwert dieser Institution nicht verstummt.

Vor allem aus Kreisen der öffentlichen Verwaltung werden immer wieder Zweifel an ihrer dogmatischen Berechtigung und an ihrer Praktikabilität geäussert. Es rechtfertigt sich daher, die Idee der Verwaltungsgerichtsbarkeit nochmals kurz zu überdenken. Gegen die Verwaltungsrechtspflege durch Verwaltungsgerichte sind hauptsächlich folgende Argumente vorgebracht worden: a. Von verschiedenen Seiten wurde und wird argumentiert, die Verwaltungsgerichtsbarkeit widerspreche dem konstitutionellen Gewaltenteilungsprinzip ; die rechtsprechende Gewalt greife auf den Zuständigkeitsbereich der vollziehenden Gewalt über.

Dieses Argument hat in der Literatur eine einlässliche Behandlung erfahren.

Hier müssen wenige Sätze genügen: Das Gewaltenteilungsprinzip ist keine logisch-mathematisch durchkonstruierte oder durchkonstruierbare Doktrin, so wenig wie zwischen «Gewaltentrennung» und «Gewaltenverbindung» in der

1268 Lehre Montesquieus - des einflussreichsten unter den geistigen Vätern der Gewaltenteilungslehre - ein absoluter Gegensatz bestand. Schon darum schliesst die Gewaltenteilung eine gegenseitige Gewaltenkontrolle nicht notwendig aus.

Das Gewaltenteilungsdogma ist ein intensiv wertorientiertes staatliches Gestaltungsprinzip; Leitwert ist die Freiheit des Bürgers. Entsprechend kann eine Institution, die ihrerseits zum Schutz des Individuums vor unerträglichen staatlichen Übergriffen bestimmt ist, das Gewaltenteilungsprinzip nicht verletzen (vgl. dazu André Grisel, L'extension de la juridiction administrative du Tribunal fédéral, Schweizerische Juristenzeitung = SJZ Bd. 53, 1957, S. 33 ff., 35).

b. Teils staatstheoretischer, teils konkret staatsrechtlicher, teils verwaltungspragmatischer Natur ist der vor allem von Walther Burckhardt (Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Bd. 90, 1931, S.225 ff., 238, 248) vorgebrachte Einwand, die Verwaltungsgerichtsbarfceit verwische die Verantwortlichkeiten; die Verwaltungsinstanzen seien immer noch irgendwie, aber nicht mehr ausschliesslich und letztlich für ihre Akte verantwortlich.

Es lässt sich indessen im Rechtsstaat kaum begründen, warum die Verwaltung allein, unter Ausschluss aller ändern Behörden für die Rechtmässigkeit ihrer Akte verantwortlich sein soll. Was rechtens ist, beurteilt sich nach Kriterien, die grundsätzlich jedermann zugänglich und von jedermann anwendbar sind.

Aus diesem Grunde kann etwa der Bundesrat auch im Verhältnis zu den ihm unterstellten Verwaltungsinstanzen keine ausschliessliche Verantwortung für die Rechtmässigkeit des Verwaltungshandeius für sich beanspruchen; d.h. er könnte seine Untergebenen von ihrer entsprechenden Verantwortung nicht entbinden, indem er ümen Weisungen erteilte, die gegen Verfassung oder Gesetz verstossen. Denn im Rechtsstaat hat jedermann in seinem Wirkungsbereich an der Aufgabe teil, für die Beobachtung von Verfassung und Gesetzen besorgt zu sein.

Was hingegen nach der verfassungsmässigen Ordnung grundsätzlich nur die Verwaltung entscheiden soll und im Hinblick auf die benötigten Kenntnisse und Fähigkeiten sinnvollerweise in der Regel nur sie entscheiden kann, ist die Frage, was in der konkreten Situation, allgemein dort,
wo der Gesetzgeber eine Interessenabwägung nicht bis ins Detail durchgeführt hat oder durchführen kann, zweckmässig und angemessen ist. Darum müssen die «Regierungsakte» (vgl.

dazu Abschnitt Vt der Botschaft) der Verwaltungsgerichtsbarkeit entzogen sein; darum darf sich die Verwaltüngsgerichtsbarkeit grundsätzlich - mit gewissen Ausnahmen - nicht auf die Handhabung des Ermessens im Rahmen der verfassungsmässigen oder gesetzlichen Ermessensnorm erstrecken ; darum muss den Verwaltungsbehörden auch im Rahmen «unbestimmter Rechtsbegriffe» ein gewisser nicht zu überprüfender «Beurteilungsspielraum» (Bachof) verbleiben (vgl. dazu die Bemerkungen zu Art. 100, Buchstabe i des Entwurfs).

Ebensowenig wie der Satz von der Verwischung der Verantwortlichkeit dogmatisch überzeugt, hat sich seine Richtigkeit in der Praxis bestätigt. Verschiedene Verwaltungspraktiker, Verwaltungsrichter und Rechtswissenschafter haben festgestellt, dass die Verwaltung unter der bisherigen Verwaltungs-

1269 gerichtsbarkeit nicht gelitten hat (vgl, André Panchaud, Les garanties de la constitutionnalitéet delà légalité en droit fédéral, ZSRBd. 69,1950, S. 1 aiï., lOOa/ 101 a; Henri Zwahlen, Le fonctionnement de la justice administrative en droit fédéral et dans les cantons, ZSR Bd.66, 1947, S.95off., 147a; Oskar Bosshardt, Erste Ergebnisse der zürcherischen Verwaltungsgcrichtsbarkeit, Schweiz. Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung Bd. 64 (1963), S. 225 ff., S. 249 ff. ; Adolf Im Hof, Die Ergebnisse der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton Basel-Stadt, 1911, S.40), dass sie in der «Regierungs ver waltun g» nicht konkurrenziert wurde (vgl, Charles Halbeisen, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Monatsschrift für bernisches Verwaltungsrecht und Notariatswesen, Bd.48, 1950, S. 369ff., 417ff., 381), und dass auch ein allfälliger Formalismus und die befürchtete Langsamkeit des Verfahrens nicht zu Gefahren wurden (vgl. Henri Zwahlen, a.a.O., S.148ö). Prof.Irnboden hat auf der ändern Seite die positiven Aspekte der bundesgerichtlichen Verwaltungsrechtsprechung hervorgehoben : Man wird dieser Rechtsprechung als Ganzem «die Anerkennung nicht versagen können.

Sie ist getragen von einem starken rechtsstaatlichen Bemühen. Sie folgt einem sicheren Empfinden für Ausgewogenheit und praktische Vernunft» (Der Beitrag des Bundesgerichts zur Fortbildung des schweizerischen Verwaltungsrechts, ZSR Bd.78, 1959, S.59ff., S.86).

c, Prof. Burckhardt hat gegenüber der Verwaltungsgerichtsbarkeit ausserdem den Einwand erhoben, sie mache die Anwendung des dem öffentlichen Recht angehörenden und im Dienste öffentlicher Interessen stehenden Verwaltungsrechts zum Gegenstand eines weitgehend dem Zivilprozess angeglichenen Parteiverfahrens. Die Verwaltung nehme nicht die gleiche Stellung ein wie ein Subjekt des Privatrechts, das subjektive Rechte geltend machen, aber auch auf die Geltendmachung verzichten könne, das sich auf einen einseitigen Standpunkt stellen und willkürlich vorgehen dürfe. Die Verwaltung besitze keine eigenen Interessen, die anderen Interessen gegenüberstünden und die sie nach Belieben wahrnehmen oder nicht wahrnehmen dürfe. Die Verwaltung müsse, wenn sie ihre Aufgabe richtig erfasse, wie ein Gericht über den Interessen stehen, die Interessen objektiv werten und gegeneinander abwägen und ohne Rücksicht auf
ihre eigene Stellung denjenigen Interessen ihren Schutz angedeihen lassen, die sie nach bestem Wissen und Gewissen als schutzwürdig betrachte (Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der schweizerischen Eidgenossenschaft, a. a. O,, S. 246).

Prof. Burckhardt fügt indessen dieser Argumentation folgenden Satz an: «Die logische Geschlossenheit ist allerdings im Recht nicht allein und unbedingt zu erstreben ; wenn sich ein praktisch gutes Ziel nicht anders als um den Preis gewisser Widersprüche erreichen lässt, mag man diesen logischen Fehler in Kauf nehmen.» (S. 246).

Die Aufgabe der Verwaltung ist von Prof. Burckhardt richtig dargestellt worden. Sie wird von den Bundesbediensteten im allgemeinen auch durchaus so verstanden. Es würde jedoch eine Verkennung der Realitäten bedeuten, wenn man

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glaubte, das hohe Ideal der Verwaltungstätigkeit, wie es von Prof. Burckhardt dargestellt worden ist, werde in jedem einzelnen Fall erreicht. Der Bundesrat hat schon in seiner erwähnten Botschaft vom 20. Dezember 1911 in Sätzen, die auch heute Gültigkeit haben, ausgeführt : «Wir erachten es als selbstverständlich, dass auch die Verwaltungsbehörde, gleich wie der Richter, das Gesetz zur Richtschnur ihrer Entschliessungen zu nehmen hat. Und wir glauben auch nicht, dass die eidgenössischen Behörden in ihrer Verwaltungspraxis sich bewusst ausser das Gesetz gestellt hätten und dass sie geneigt waren, eher gegen das Publikum, als gegen die Verwaltung zu entscheiden. Dagegen ist gewiss nicht in Abrede zu stellen, dass Irrtümer begangen werden, vor allem aber, dass das Beschwerdeverfahren nicht mit den wunschbaren Garantien eines dem gerichtlichen Verfahren analogen kontradiktorischen Prozesses ausgestattet ist. Nun hat aber die Verwaltung selbst das lebendigste Interesse, diesen Schein der Willkür zu meiden und zur Wahrung ihres Ansehens die Entscheidung der Streitigkeiten einer von ihr völlig unabhängigen Behörde, in einem die Rechte des einzelnen sorgfältig wahrenden Verfahren, zu überlassen.» (S. 333/334).

4. Die rechtstheoretischen und die praktischen Vorzüge eines weiteren Ausbaues der Verwaltungsgerichtsbarkeit hat der Bundesrat gegen die verschiedenen Einwendungen abgewogen. Er sieht im Ausbau, wie er im vorliegenden Entwurf beantragt wird, überwiegend einen Fortschritt im Streben nach einer Verbesserung und Verfeinerung des Rechtsschutzes und nach einer Verstärkung der Rechtssicherheit, die in einer stets komplizierter werdenden Gesellschaftsordnung unumgänglich erscheinen. Die Erwartungen dürfen allerdings nicht zu hoch gestellt und die crziclbaren Verbesserungen für den Bürger nicht überschätzt werden. Doch will der Bundesrat nun aus eigener Überzeugung wie auch in Einlösung der mehrfach abgegebenen Zusicherungen und in Erfüllung des mit den Motionen Glasson von 1957 und der parlamentarischen Kommissionen zur Abklärung der Mirage-Angelegenheit vom 7. Oktober 1964 erteilten Auftrags den Schritt unternehmen, der eine unsern Verhältnissen angepasste Weiterentwicklung des in Artikel 114bls der Bundesverfassung aufgenommenen Gedankens verwirklicht.

DI. Der gegenwärtige Rechtszustand Nach dem geltenden Recht bilden acht verschiedene Rechtswege das System der Verwaltungsrechtspflege im Bund: 1. Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht; 2. verwaltungsgerichthche Klage vor dem Bundesgericht; 3. Beschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht; 4. Klage vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht; 5. verschiedene Rechtsmittel an eidgenössische Spezialrekurskommissionen; 6. Disziplinarbeschwcrde an das Bundesgericht.

7. staatsrechtliche Beschwerde an das Bundcsgericht und 8. verwaltungsinterne Rechtsmittel;

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Ausserdem übt das Bundesgericht als Kassationshof in beschränktem Masse Verwaltungsgerichtsbarkeit aus.

Die verschiedenen erwähnten Rechtswege stellen sich im einzelnen wie folgt dar: 1. Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgerlcht a. Nach geltendem Recht urteilt das Bundesgericht über Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegenüber bestimmten, einzeln aufgezählten Kategorien von Verwaltungsakten (Enumerationsmethode). Gemäss Artikel 97 ff. des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) vom 16. Dezember 1943 umfasst diese Jurisdiktion - in vereinfachter Darstellung Streitigkeiten betreffend: - bundesrechtliche Abgaben; - öffentlich-rechtliche Kautionen; - Patent-, Muster-, Modell- und Markensachen; - Handelsregister- und andere Registersachen; - den Umfang des Pulverregals; - den Entzug von Auswanderungsagentur- und Grundbuchgeometerpatenten; - den Entzug von Bewilligungen zur Fabrikation von Zündhölzchen ; - gewisse Stiftungssachen ; - Rechtsfragen im Zusammenhang mit Genossenschaften nach dem Bundesgesetz über die Nutzbarmachung von Wasserkräften ; - den bundesrechtlichen Begriff der Spielbanken und der Lotterien u. ä. ; - die Ausübung der Aufsicht über Privatversicherungen; - gewisse Zollsachen; - gewisse Angelegenheiten im Bereich der Fabrik- und der Gewerbegesetzgebung; - die Unterstellung unter die Unfallversicherung; - Ansprüche im Bereich der Postgesetzgebung, Dieser Kompetenzkatalog wurde anlässlich der Gesamtrevision des OG vom 16. Dezember 1943 aus dem Bundesgesetz über die Verwaltungs- und Disziplinarrechtspflege (VDG) vom 11. Juni 1928 nach Vornahme kleinerer Bereinigungen übernommen (vgl. dazu die Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines neuen Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 9. Februar 1943, BB11943, 97 ff., 141). Der damalige Verzicht auf eine Erweiterung des Kompetenzkatalogs wurde von massgebenden Juristen bedauert, die darin eine verpasste Gelegenheit zur Verbesserung der Verwaltungsrechtspflege im Bund sahen (vgl. Hans Huber, Die Staats- und Verwaltungsrechtspflege im neuen Organisationsgesetz, Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung, Bd. 45, 1944, S. 361). Immerhin lässt Artikel 100 OG weitere Kompetenzbestimmungen in Spezialgesetzen zu.

Der Bundesgesetzgeber hat von dieser
Möglichkeit jedoch nur spärlichen Gebrauch gemacht, so etwa im Bundesgesetz über die Förderung der Landwirtschaft und die Erhaltung des Bauernstandes vom 3. Oktober 1951, im Bundes-

1272 gesetz über die wirtschaftliche Kriegsvorsorge vom 30, September 1955, oder im Bundesgcsetz vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel.

Folgende statistische Übersicht mag den Unifang und die Korrekturwirkung der bundesgerichtlichen Verwaltungsrechtspflcge (unter Einschlüss der verwaltungsrechtlichen Klagen und der Disziplinarrechtspflege) illustrieren: Total erledigt davon Nichtcintretensentscheide abgeschrieben gutgeheissen (ganz oder teilweise) abgewiesen

1961

1962

1963

1964

148 13 41 29 65

112 11 28 18 55

134 19 26 26 63

99 17 20 11 51

b. Die Kompetenzklauseln der Artikel 97, 98 und 99 OG und der neueren Spezialgesetze eröffnen insgesamt den Verwaltungsrcchtsweg an das Bundesgericht nur in einem sehr beschränkten Umfang. Einzeln betrachtet haben sie zudem sehr unterschiedliches Gewicht; bedauerlicher ist jedoch die fehlende innere Geschlossenheit dieses Rechtswegsystems. Folgende Beispiele mögen das erläutern : - Entscheide über den Umfang des Pulverregals und Entscheide über die Konzessionspflicht \ on Versicherungsunternehmungcn (Art. 99 Ziffer II und Ziffer VII, Absatz 2,Buchstabe aOG) unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht; die zweifellos ebenso wichtigen, wenn nicht wichtigeren und ihrer Rechtsnatur nach ähnlichen Entscheide über Bestehen und Umfang der Konzcssionspflicht für die gewerbsmässige Luftbeförderung von Personen und Sachen nach Artikel 27 des Bundesgesetzes über die Luftfahrt vom 21. Dezember 1948 und über Bestehen und Umfang der Konzessionspnicht für die gewerbsmässige Reisendenbeförderung mit regclmassigen Fahrten nach Artikel 3 des Bundesgesetzes über den Postverkehr vom 21. Oktober 1924 sind jedoch an den Bundesrat weiterziehbar.

- Nach Artikel 99, Ziffer III OG sind Entscheide über den Entzug der Bewilligung zur Fabrikation von Zündhölzchen, und nach Artikel 99, Ziffer VII, Absatz 2, Buchstabe c Entscheide über den Entzug der Ermächtigung zum Betrieb eines privaten Versicherungsuntcrnehmens an das Bundesgericht weitcrziehbar.

Der Entzug von Bewilligungen nach Artikel 4ff. des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel vom S.Oktober 1951 und der Entzug der auf Grund des Bundesgesetzes über die Luftfahrt vom 21. Dezember 1948, insbesondere etwa nach Artikel 60, erteilten Bewilligungen können jedoch mit Beschwerde an den Bundesrat angefochten werden. Nach Artikel 107 des Bundesgesetzes über die Förderang der Landwirtschaft und die Erhaltung des Bauernstandes vom 3. Oktober 1951 ist auf der ändern Seite u. a. jede Verweigerung und jeder Entzug einer auf Grund dieses Gesetzes nachgesuchten oder erteilten Bewilligung mit Vcrwaltungsgerichtsbcschwerde beim Bundcsgericht anfechtbar, und nach Artikel 19 des Bundesbeschlusses über die schweizerische Uhrenindustrie vom 23. Juni 1961 können alle auf Grund dieses Erlasses gefällten Entscheide - mit

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wenigen Ausnahmen -, also vor allem die Verweigerung und der Entzug von Bewilligungen nach Artikel 7 und 10 über die Rekurskommission der Uhrenindustrie an das Bundesgericht weitergezogen werden.

Dem System der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Bundesgerichts als Beschwerdeinstanz haftet heute das Odium des Zufälligen und der Uneinheitlichkeit an.

2. Die verwaltungsrechtliche Klage vor dem Bundesgericht a. Nach Artikel llOff. OG übt das Bundesgericht als Verwaltungsgericht auch ursprüngliche, d. h. erst- und letztinstanzliche Verwaltungsrechtspflege aus.

Seine Kompetenzen sind hier durch eine Tcilgeneralklausel (Art. 110, Abs. l : in der Bundesgesetzgebung begründete streitige vermögensrechtliche Ansprüche des Bundes oder gegen den Bund aus öffentlichem Recht) und durch Spezialklauseln festgelegt. Solche Spezialklauscln sind ähnlich wie bei der verwaltungsgerichtlichen Beschwerde teils im OG selbst (Art. 111), teils in neueren Spezialgesetzenenthalten (so etwa im Eisenbahngcsetz vom 20. Dezember 1957). Artikel 111 OG unterstellt im wesentlichen folgende Anstände der verwaltungsrechtlichen Klage : - über eine bundesrechtlich vorgesehene Beschränkung oder Befreiung von kantonalen Abgaben; - zwischen Kantonen über Bundcssteuern; - aus Rechtsverhältnissen an Verbindungsgcleisen betreffend Vergütungen; - aus der Kostenverteilung im Zusammenhang mit elektrischen Anlagen ; ferner - Entschädigungsforderungen eines Patentinhabers wegen Expropriation seines Patents.

Die verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten, die nach der Bundesgesetzgebung vom Bundesgericht als einziger Instanz zu beurteilen sind, lassen sich grundsätzlich in zwei Kategorien einteilen: - Anstände zwischen Bund und Kantonen oder zwischen Kantonen (entsprechend den Streitigkeiten, die nach Artikel 83 OG durch staatsrechtliche Klage vor Bundesgericht zu bringen sind) ; und - vermögensrechtliche Ansprüche Privater gegen Bund und Kantone oder des Bundes und der Kantone gegen Private, die ihrem Wesen nach zivilrechtlichen Ansprüchen ähnlich sind und für die sich dementsprechend ein dem Zivilprozess ähnliches Verfahren eignet (vgl. dazu unten).

Der Kreis der Streitigkeiten, die für die Unterstell ung unter die Verwaltungsrechtspflege des Bundesgcrichts als einziger Instanz geeignet sind, ist somit naturgemäss begrenzt und lässt sich nicht beliebig
erweitern.

b. Die gegenwärtige Ordnung weist indessen einige ins Gewicht fallende Mängel auf.

- Ohne konkrete Bestimmung in einem Spezialgesetz kann das Bundesgericht nach geltendem Recht über nicht-vermögensrechtHche Ansprüche aus öffentlich-rechtlichen Verträgen nicht entscheiden. Das Bedürfnis nach einer solchen

1274 Zuständigkeit wächst indessen proportional zu der wachsenden Bedeutung und Verbreitung des öffentlich-rechtlichen Vertrags im schweizerischen - wie auch z. T. im ausländischen - Verwaltungsrecht.

- Nach Artikel 113, Buchstabe c OG sind Ansprüche auf Beiträge oder Zuwendungen des Bundes in irgendwelcher Form von der Beurteilung durch das Bundesgericht als einzige Instanz - wie auch sehr oft als Beschwerdeinstanz ausgeschlossen. Gerade in der neueren Gesetzgebung findet sich indessen eine beträchtliche Zahl von Bestimmungen, die Privaten eigentliche «Ansprüche» auf Ausrichtung von Bundesbeiträgen zuerkennen, und die Vorausetzungen für die Gewährung z.T. sehr detailliert und bestimmt umschreiben (vgl. z.B.

Art. 35 ff, des Bundesgesetzes betreffend die Änderung des Ersten Titels des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung vom 13. März 1964).Dic Eignung solcher öffentlich-rechtlicher Ansprüchefür die Beurteilung durch das Bundesgericht als einzige Instanz ist angesichts ihrer Ähnlichkeit mit zivilrechtlichen Ansprüchen offensichtlich. Die grundsätzliche Erwägung, die der bisherigen Regelung und der entsprechenden früheren Regelung im VDG zugrunde lag, dass nämlich «die Subventionserlasse gar nicht die Schaffung eines individuellen Anspruchs auf eine Leistung des Bundes bezwecken, sondern um der Förderung eines allgemeinen Staatszweckes willen die Gewährung von Bundesbsitragen in Aussicht nehmen» (Botschaft zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die eidgenössische Verwaltungs- und Disziplinarrechtspflege vom 27. März 1925, BB1 7925 II 181 ff., 204), hat heute, da die Leistungsverwaltung sich stark entwickelt und als mehr oder weniger gleichbedeutende Schwester neben die Eingriffs Verwaltung getreten ist, kaum mehr Berechtigung und ist auch durch die geschilderte gesetzestechnische Ausgestaltung der Bcitragsbestimmungen widerlegt worden.

- Unbefriedigend ist schlicsslich die Regelung des für die Verwaltungsprozesse nach Artikel llOff. OG zu befolgenden Verfahrens. Artikel 115 OG erklärt subsidiär die Artikel 91-96 OG für anwendbar, d.h. die Bestimmungen über das Verfahren im Bereich der staatsrechtlichen Beschwerde. Zwischen den beiden Prozessen bestehen aber ganz offensichtlich grundlegende Verschiedenheiten, wie auch oben bereits angetönt wurde ; die Rechtsprechung des Bundesgerichts
als Verwaltungsgericht erster und letzter Instanz ist eben ihrem Charakter nach durchaus dem Zivilprozess ähnlich. Dementsprechend erscheint es als gerechtfertigt, die Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Bundeszivilprozess sinngemäss Anwendung finden zu lassen.

3. Die Beschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht Durch den Bundesbeschluss betreffend die Organisation und das Verfahren des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 28. März 1917 (OB) wurde unabhängig vom Bundesgcricht ein selbständiges Verwaltungsgericht mit Sitz in Luzern geschaffen. Seine Kompetenzen waren zunächst eng begrenzt, wurden aber im Laufe der Jahre erweitert. Heute unterstehen seiner Jurisdiktion Streitigkeiten aus folgenden Gebieten: Kranken- und Unfallversicherung, Militär-

1275 Versicherung, Erwerbsersatzordnung, Alters- und Hinterlassenenversicherung, Invalidenversicherung, Arbeitslosenversicherung sowie Streitigkeiten auf Grund des Bundesgesetzes über die Familienzulagen für landwirtschaftliche Arbeitnehmer und Kleinbauern vom 20.Juni 1952, Das hauptsächliche Rechtsmittel ist die Beschwerde.

Folgende Zahlen geben einen Überblick über den Umfang und die Korrekturwirkung der Rechtspflege durch das Eidgenössische Versicherungsgericht (unter Einschluss der «versicherungsgerichtlichen Klagen»): Total erledigt davon Nichteintretensentscheide abgeschrieben gutgeheissen (ganz oder teilweise) abgewiesen

1961

1962

1963

1964

607 18 61 209 319

733 14 66 265 388

786 11 47 286 442

737 18 50 275 394

Der OB befindet sich gegenwärtig in Revision ; auf seine Mängel einzugehen, besteht daher hier keine Veranlassung. Es sei lediglich darauf hingewiesen, dass für vier Sozialversicherungszweige - Militärversicherung, Alters- und Hinterlassenenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Krankenversicherung besondere Verordnungen über Organisation und Verfahren des Eidgenössischen Versicherungsgerichts in Kraft stehen. Eine solche Regelung ist naturgemäss unübersichtlich.

Hier von Bedeutung ist hingegen, dass bisher die Kompetenzausscheidung zwischen Bundesgericht und Eidgenössischem Versicherungsgericht nicht konsequent durchgeführt worden ist. In seiner heutigen Ausgestaltung hat dieses die Funktion eines allgemeinen Bundes-SozialVersicherungsgerichts gewonnen.

Trotzdem sind nach geltendem Recht einzelne Anstände aus dem Sozialversicherungsrecht durch das Bundcsgericht zu beurteilen (so z.B. Anstände aus Entscheiden über Kautionen nach Art. 55 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung vom 20. Dezember 1946 in Verbindung mit Art. 98 OG). Diese Kompetenz-Aufspaltung innerhalb desselben Rechtsgebiets ist unbefriedigend.

4, Die Klage vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht Die Klage vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht entspricht der verwaltungsrechtlichen Klage vor dem Bundesgericht, und das oben unter 2 über das Wesen dieser Gerichtsbarkeit Gesagte gilt grundsätzlich auch hier. Die Klage ist im OB vorgesehen (Art. 12, Abs. 2); jedoch sind die beiden in dieser Bestimmung angeführten Zuständigkeiten heute nicht mehr gültig. Hingegen ist das Eidgenössische Versicherungsgericht im Bundesgesetz über die Militärversicherung vom 20. September 1949 (Art. 52, Abs. 3) als einzige Instanz zur Beurteilung von Streitigkeiten zwischen der Suva und der Militärversicherung aus gemeinsamer Leistungspflicht eingesetzt worden.

Wird entsprechend dem oben unter 3 dargelegten Postulat das Eidgenössische Versicherungsgericht zu einem umfassenden eidgenössischen Sozialver-

1276 sicherungsgericht ausgebaut, so ist eine Erweiterung der Kompetenzen dieses Gerichts als einziger Instanz unumgänglich. Mit der «versicherungsgerichtlichen Klage» werden dann alle Streitigkeiten vor das Eidgenössische Versicherungsgericht zu bringen sein, die ihrem Charakter nach zivilrechtlichen Streitigkeiten ähnlich sind, insbesondere über Kostenverteilung, gemeinsame Leistungspflicht und Beiträge, sowie über Anstände aus öffentlich-rechtlichen Verträgen im Bereich des Sozialversicherungsrechts.

5. Rechtsmittel an Spezialrekurskommissionen a. Als am l. Oktober 1925 ein neues Bundesgesetz über das Zollwesen erlassen wurde, schuf der Gesetzgeber für die letztinstanzh'che Beurteilung von angefochtenen Zollfestsetzungen, d.h. von sogenannten Zolltarifstreitigkeiten, ein besonderes Rechtsprechungsorgan, die Zollrckurskommission. Der Bundesrat begründete diese Neuerung in seiner Botschaft betreffend die Revision des Bundesgesetzes über das Zollwesen, vom 4. Januar 1924 (BB11924 I 21 ff., 55), mit folgendem Satz : « Mit Rücksicht auf die teils rein technischen, teils ausgesprochen wirtschaftlichen Fragen, welche bei derartigen Streitigkeiten die Hauptrolle spielen, konnte ihre Zuweisung an ein gewöhnliches richterliches Kollegium nicht tunlich erscheinen.» Schon vorher hatte es in einzelnen Kantonen Spezialverwaltungsgerichte gegeben, so vor allem im Gebiet des Steuerrechts (Steuerrekurskommissionen), Im Bund aber war die Zollrekurskommission das erste Spczialverwaltungsgericht.

Der Gedanke machte indessen Schule. Bis heute wurden im Bund folgende Spezialverwaltungsgerichte geschaffen : - Rekursstelle für deutsche Vermögenswerte (aufgehoben) ; - Bewertungsstelle für deutsche Vermögenswerte (aufgehoben); - Rekurskommission für Nationalisierungsentschädigungen; - Rekurskommission für kriegsgeschädigte Auslandschweizer und Ruckwanderer; - Filmrekurskommission ; - Rekurskommissionfür die Linthebenenmelioration; - Rekurskommission für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland; - Militärrekurskommission; - Zivilschutzrekurskommission ; - Zollrekurskommission; - Alkoholrekurskommission; - Rekurskommission der Schweizerischen Ausgleichskasse; - Schiedsgericht der Alters- und Hinterlassencnvcrsicherungskommission ; - Beschwerdeabtcihmgcn des Amtes für geistiges Eigentum; - Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten; - Getreidekommission; - Rekurskommission der Uhrenindustrie;

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Mietzinsrekurskomrnission; Pachtzinskommission; Rekurskommission für Arbeitsbeschaffungsrcserven ; Clearingkommission; Schiedskommission für Pflichtlager; die Kommission gemäss Artikel 13 des Rohrleitungsgesetzes.

Ein Teil dieser Spezialverwaltungsgerichte hat den Charakter von Schiedsgerichten, die erstinstanzlich über Streitigkeiten aus öffentlichem Recht, insbesondere aus öffentlich-rechtlichen Vertragen (wie die Schiedskommission für Pflichtlager) oder aus körperschaftlichen oder körperschaftsähnlichen Verhältnissen (wie das Schiedsgericht der AHV-Kommission) urteilen.

Hinter der Schaffung der eigentlichen Rekurskommissionen stand das hauptsächliche Motiv, eine möglichst unabhängige Verwaltungsrechtspflege mit möglichst intensivem Fachwissen der Rechtsprechenden zu verbinden. Dies bedingte zum vorneherein eine Beschränkung der Kompetenzen auf eng umrissene Sachgebiete. Ausserdem ermöglichte die Dezentralisation und die pragmatische Organisation der Spezialverwaltungsgerichte die Ausbildung einfacher und unformalistischer Verfahrensregeln.

Funktionen stehen die Spezialverwaltungsgerichte zwischen eigentlichen Verwaltungsgerichten und der mit Rechtspflege befassten Verwaltung, was etwa auch daraus hervorgeht, dass sie die ihnen vorgelegten Entscheide regelmässig auch auf Unangemessenheit hin überprüfen können.

Sehr unterschiedlich ist die praktische Bedeutung der einzelnen Spezialverwaltungsgerichte.

b. Den Vorteilen der Spezialrekurskommissionen stehen indessen gewichtige Nachteile gegenüber.

Einmal entbehrt heute das System der eidgenössischen Spezialverwaltungsgerichte einer einheitlichen Ordnung. Es ist schwierig geworden, übereinstimmende Kriterien zu finden, nach denen in bestimmten Rechtsgebieten besondere Rekurskommissionen geschaffen worden sind und in ändern nicht.

Uneinheitlich ist die organisatorische und verfahrensmässige Ausgestaltung der einzelnen Rekurskommissionen. Die meisten unter ihnen urteilen nach geltendem Recht endgültig; gegen die Entscheide einzelner (Getreidekommission, Rekurskommission der Uhrenindustrie, Schiedskommission für Pflichtlager) ist aber - teilweise oder durchwegs - die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig; gewisse Entscheide der Clearingkommission sind an den Bundesrat weiterziehbar, und gegen Entscheide des Schiedsgerichts der AHVKommission ist die Beschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht zulässig (vgl. dazu Max Imboden, Ideal und Wirklichkeit der schweizerischen Administrativjustiz, Schweizerische Juristen-Zeitung, Bd.53,
1957, S.49ff., S. 50).

Die Aufteilung eines grossen Bereichs der Verwaltungsrechtspflege unter zahlreiche Spezialvcrwaltungsgerichte erschwert eine einheitliche Verwaltungsrechtsprechung und damit die Ausbildung allgemeiner Grundsätze des Verwal-

1278 tungsrechts und des Verwaltungsprozessrechts sowie allgemein eine Fortbildung des Verwaltungsreclits, wie sie angesichts der mangelhaften grundsätzlichen Durchnormierung dieses Rechtsgebiets in der Schweiz notwendig wäre (vgl.

Henri Zwahlen, a.a.O., S. 137a). Die in den Spezialverwaltungsgerichten urteilenden Richter üben ihre Funktionen zum Teil nebenamtlich aus und haben damit in der Regel von den übrigen Bereichen des Verwaltungsrechts keine umfassende Kenntnis. Ausserdem bringt es ein solches System mit sich, dass die Sekretariate der einzelnen Spezialverwaltungsgerichte eine unverhältnismässig grosse Bedeutung erlangen. - Diese Erkenntnis leitet über zum gewichtigsten Nachteil der Spezialverwaltungsgerichte : Sie sind nur bedingt unabhängig (vgl.

dazu Max Imboden, Ideal und Wirklichkeit der schweizerischen Administrativjustiz, a. a. O., S. 49 ; Henri Zwahlen, a. a. O., S. 133 äff., 136a; Kurt Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960, S. 192).

Dies hat folgende Gründe: - Ein übermässiges Gewicht der Sekretariate kann den Einfluss der Verwaltung zu gross werden lassen.

- Die Mitglieder der Spezialverwaltungsgerichte werden in der Regel nur für kurze Dauer gewählt, oft auf die gleiche wie Bundesbeamte. Damit fehlt eine wesentliche institutionelle Garantie für die Unabhängigkeit von Gerichtsbehörden.

Die Erfahrung zeigt, dass die aufgezählten Nachteile insgesamt gegenüber den Vorteilen überwiegen, jedenfalls bei der Mehrzahl der Spezialverwaltungsgerichte. Trotzdem sind ihre Vorteile und die Bedeutung ihrer Rechtsprechung nicht zu verkennen. Infolgedessen kann es sich nicht darum handeln, alle Spezialrekurskommissionen abzuschaffen. Vielmehr gilt es, durch organisatorische und verfahrensmässige Korrekturen den Mängeln zu begegnen.

6. Die Disziplinarbeschwerde an das Bundesgericht Nach Artikel 117 OG ist gegen zwei Arten von Disziplinarstrafen gegenüber Bundesbeamten die Beschwerde an das Bundesgericht zulässig: gegen disziplinarische Entlassung und gegen disziplinarische Versetzung ins provisorische Dienstverhältnis, Diese Regelung erscheint heute zu eng. Andere Disziplinarstrafen, wie Lohnkürzungen oder strafweise Versetzungen im Dienst, können sich ebenfalls sehr gravierend für die Betroffenen auswirken und rechtfertigen eine gerichtliche Überprüfung.

7. Die staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht

Das Rechtsmittel der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte nach Artikel 113, Absatz l, Ziffer 3 der Bundesverfassung und nach Artikel 84ff. OG gehört zwar grundsätzlich in den Bereich der Verfassungsgerichtsbarkeit, hat jedoch bisher bis zu einem gewissen Grad das System des Verwaltungsrechtsschutzes in der Schweiz ergänzen können (vgl. dazu Walther Burckhardt, a.a.O., S.228). Sieht man die auf Grund staatsrechtlicher

1279 Beschwerden (vor allem wegen Verletzung von Art. 4 der Bundesverfassung) ergangenen Entscheide des Bundesgerichts durch, so stellt sich dieses Rechtsmittel in manchen Fällen tatsächlich als Ersatz für eine fehlende Verwaltungsgerichtsbeschwerde dar. Indessen ist der Wirkungsbereich der staatsrechtlichen Beschwerde als Verwaltungsrechtsmittel in verschiedener Hinsicht eingeschränkt.

Hier von Bedeutung ist vor allem, dass sie nur gegen kantonale Erlasse und Verfügungen zulässig ist. Sie kann deshalb eine ungenügende Verwaltungsrechtspflege im Bund nicht wettmachen (vgl. Henri Zwahlen, a. a. O., S. t62a), S. Die verwaltungsinternen Rechtsmittel a. Nach Artikel 124 OG ist die Beschwerde an den Bundesrat zulässig gegen Departementsentscheide - sofern sie nicht nach besonderer gesetzlicher Vorschrift endgültig sind-, gegen Entscheide der Generaldirektion der SBB - sofern der Weiterzug ausdrücklich vorgesehen ist - und gegen Entscheide von ausserhalb der Bundesverwaltung stehenden, nicht endgültig urteilenden eidgenössischen Instanzen. Ausserdem können nach Artikel 125 OG letztinstanzliche kantonale Erlasse und Verfügungen wegen Verletzung gewisser Bestimmungen der Bundesverfassung (Staatsrechtspflege des Bundesrats) sowie wegen Verletzung «anderer als privatrechtlicher oder strafrechtlicher Bundesgesetze» - unter Vorbehalt abweichender Bestimmungen -und wegen Verletzung derjenigen Bestimmungen der Staatsverträge mit dem Ausland, welche sich auf Handels- und Zollverhältnisse, Patentgebühren, Freizügigkeit und Niederlassung beziehen, an den Bundesrat weitergezogen werden. Diese Bestimmungen werden ergänzt durch Artikel 23, Absatz 3 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesverwaltung, wonach Entscheide von Mittelinstanzen der Bundesverwaltung in Sachen, die ihnen zur selbständigen Erledigung übertragen sind, auf dem hierarchischen Beschwerdeweg bis an den Bundesrat weitergezogen werden können.

Solche Entscheide können auch auf ihre Angemessenheit hin überprüft werden (Art. 127 OG).

Nachstehende statistische Übersicht mag den Umfang und die korrigierende Wirkung der bundesrätlichen Verwaltungsrechtspflege aufzeigen : Total erledigt davon Nichtemtretensentscheide abgeschrieben gutgeheissen (ganz oder teilweise) abgewiesen

1961

1962

142 10 9 123

108 19 15 74

1963

97 15 18 64

1964

96 21 2 7 66

Aus dieser Übersicht und aus den vorstehenden Ausführungen geht hervor, dass die bundesrätliche Verwaltungsrechtsprechung umfaugmässig bedeutender ist als die bundesgerichtliche Jurisdiktion in Verwaltungssachen.

b. Der Hauptgrund für die dominierende Stellung des Bundesrats als Verwaltungsrechtspflegebehörde ist - wie bereits erwähnt - in der intensiv demokratischen Ausgestaltung zu sehen, die die Staatsorganisation im Bund und in den

1280 Kantonen während des späteren 19. Jahrhunderts erfahren hat (worauf vor allem Fritz Fleiner, Beamtenstaat und Volksstaat, abgedruckt in den Ausgewählten Schriften und Reden, 1941, S. 159 und Max Imboden, Erfahrungen auf dem Gebiet der Verwaltungsrechtsprechung in den Kantonen und im Bund, a.a.O., S. 33 äff., hingewiesen haben). Den (direkt oder indirekt) vom Volk gewählten Behörden wurden Rechtmässigkeit und Zweckmässigkeit des Verwaltungshandelns zum Schütze anbefohlen, während die in der Regencrationszeit bedeutsame Verwaltungskontrolle durch die ordentlichen Gerichte weitgehend wieder abgebaut wurde. «An die Stelle der institutionellen Garantie, des unabhängigen Richters, war in verstärktem Masse eine politische Garantie getreten» (Max Imboden, Erfahrungen auf dem Gebiet der Verwaltungsrechtsprechung in den Kantonen und im Bund, a.a. O., S. 33a).

Das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren hat eine Reihe von unverkennbaren Vorteilen.

- Die Wirksamkeit des verwaltungsmässigen Handelns ist damit wohl optimal gewährleistet; der Bundesrat als oberste Verwaltungsbehörde enthält sich einer abstrakten, von den praktischen Bedürfnissen absehenden Jurisdiktion.

- Das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren erlaubt sodann eine Überprüfung der Ermcssenshandhabung unterer Verwaltungsinstanzen (des Bundes) durch eine der drei obersten Bundesbehörden, was grundsätzlich für ein Gericht nicht in Fi âge kommt (vgl. oben Abschnitt 1/3).

- Ausserdem bat vor allem Walther Burckhardt (a.a.O., S. 238) daraufhingewiesen, das bei diesem Verfahren die Verantwortung für recht- und zweckmässiges Verwaltungshandeln eindeutig und ausschliesslich bei den Verwaltungsbehörden hegt.

- Schliesslich ermöglicht die Doppelstellung des Bundesrats als «Gerichtsinstanz» und als oberste, hierarchisch vorgesetzte Verwaltungsbehörde ein einfaches und verhältnismässig unkompliziertes, wenn auch keineswegs ein völlig formloses Verfahren.

c. Auf der ändern Seite wohnt dem verwaltungsinternen Beschwerdeverfahren eine gewisse Problematik inné, deren Erkenntnis den Anstoss zur Ausarbeitung der hier unterbreiteten Vorlage gab. Diese Problematik ist mit der bedeutenden Erweiterung der Verwaltungsaufgaben und damit mit der Erweiterung des Verwaltungsapparats manifest geworden. Sie äussert sich vor allem in zwei Richtungen: - Die Überwachung
des Verwaltungshandehis auf seine Rechtmässigkeit hin durch die politischen (direkt oder indirekt) vom Volk gewählten Behörden erscheint nur dann wirksam und gerechtfertigt, wenn die Wähler selbst und das Parlament einen gewissen minimalen Überblick über das Verwaltungsgeschehen haben können, m. a. W. wenn die politische Verantwortlichkeit jener Behörden unmittelbar greifbar und gehaltvoll ist, also vorwiegend in kleinen und übersichtlichen Verhältnissen. Wo aber der Verwaltungsapparat wächst, wo die politische «Überwachung der Wächter», d.h. der obersten Verwaltungsbehörde, immer schwieriger wird, da wird auch die Berechtigung der verwal-

1281 tungsinternen Rechtskontrolle fragwürdig; es fehlen dann die Garantien für deren Wirksamkeit. Dann erst kann das vielgebrauchte Argument zum Vorwurf werden, im System der verwaltungsinternen Rechtspflege entscheide der Bundesrat «in eigener Sache» (vgl. Fritz Gygi, Aktuelle Probleme des Rechtsschutzes in Verwaltungssach.cn, Zeitschrift des Bemischen Juristenvereins, Bd.92,1956, S.425ff., S.428; Charles Halbeisen, a.a.O., S.373; Willi Geiger, Verfassungsrechtliche Probleme der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in Zukunftsaufgaben in Wirtschaft und Gesellschaft, Festschrift zur Einweihung der neuen Gebäude der Hochschule Sankt Gallen für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 1963, S.297ff., S. 300; Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 20.Dezember 1911 betreffend die Revision der Bundesverfassung zur Errichtung eines eidgenössischen Verwaltungsgerichts, BEI 1911 V 333/34; Weisung des Zürcher Regierungsrates vom 10. Oktober 1957 zum Entwurf für ein Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, S. 30).

Dies gilt aber nur für die verwaltungsinterne Rechtskontrolle; der Entscheid über die Zweckmässigkeit eines Verwaltungsakts in Bereichen, wo der Gesetzgeber eine Interessenabwägung nicht zu Ende geführt hat, ist eigentliche Verwaltungsaufgabe, und eine Überprüfung dieser Frage durch Gerichte würde von Sonderfällen abgesehen - dem System der Gewaltenteilung zuwiderlaufen, wie schon oben ausgeführt wurde.

- Der zweite Hauptmangel des verwaltungsinternen Rechtsschutzes, der ebenfalls mit der bedeutenden Erweiterung der Vcrwaltungstätigkeit offenbar geworden ist, ist die Zeitnot der grundsätzlich letztinstanzlich entscheidenden Bundesbehörde, des Bundesrats (vgl. dazu Andre Grisel, a.a.O., S.34; André Panchaud, a.a.O., S.HOö/llla; Henri Zwahlcn, a.a.O., S. 119«). Dies hat der Bundesrat schon in seiner soeben angeführten Botschaft vom 20. Dezember 1911 betont (S. 332). Angemessene Rechtspflege erfordert Zeit. Heute sieht sich jedoch der Bundesrat vielfach ausserstande, sich so ausführlich mit einem Beschwerdefall zu beschäftigen, wie es die Sache verlangen würde. Auf der ändern Seite beschneidet die Beurteilung von Beschwerden die Zeit des Bundesrats für die Behandlung anderer Fragen. Mit Annahme der Motion vom 7. Oktober 1964 haben Sie es denn auch als vordringlich bezeichnet, den Bundesrat
für seine eigentliche Regicrungstätigkeit zu entlasten, eine Forderung, deren Berechtigung der Bundesrat anerkennt.

Diese Nachteile überwiegen die Vorteile des verwaltungsinternen Rechtsschutzes. Der Bundesrat hält es deshalb für richtig, die bisher ihm zufallende Verwaltungsrechtspflegc insoweit an andere Behörden zu übertragen, als sich die einzelnen Gegenstände für eine Rechtskontrolle eignen.

IV. Rechtsvergleichende Übersicht Die Vorarbeiten für den gegenwärtigen Entwurf haben Untersuchungen über die verschiedenen Regelungen eingeschlossen, die die Verwaltungsrechtsprechung in den Kantonen und in unsern Nachbarländern erfahren hat. Da der Bundesblatt. 117. Jahrg. Bd.H.

86

1282 Entwurf die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bund nicht bloss erweitern, sondern durch Einführung der Generalklausel gesetzestechnisch anders aufbauen will, dürfte es von Interesse sein, hier eine kurze Darstellung der untersuchten kantonalen und ausländischen Ordnungen einzuschalten.

A. Die Verwaltungsrechtspflege in den Kantonen

Die kantonalen Rechtsordnungen präsentieren eine verwirrende Vielfalt von Rechtsschutzsystemen in Verwaltungssachen. Wir müssen uns darauf beschränken, ihre Grundzüge darzustellen.

1. Kantonale Verwaltungsgerichte Eigentliche Verwaltungsgerichte gibt es heute in den Kantonen Wallis, Bern, Basel-Stadt, Basel-Land, Zürich, Solothurn und St. Gallen (in der chronologischen Reihenfolge ihrer Einführung), Ältestes kantonales Verwaltungsgericht ist dasjenige des Kantons Wallis (Gesetz vom I.Dezember 1877 betreffend Organisation und Amtsbefugnis des Gerichtes über Verwaltungsstreitigkeiten). Seine Kompetenzen waren allerdings sehr beschränkt ; im grossen und ganzen war es nicht als Rekursbehörde, sondern als Verwaltungsgericht erster und letzter Instanz konzipiert. Als nächster Kanton richtete Bern ein Verwaltungsgericht ein (Gesetz vom 30. Oktober 1909 betreffend die Verwaltungsrechtspflege, heute ersetzt durch das Gesetz vom 22. Oktober 1961 über die Verwaltungsrechtspflege). Nach Artikel 40 der kantonalen Verfassung konnte es lediglich neben der ordentlichen Verwaltungsjustizbehörde, d.h. dem Regierungsrat, tätig werden; seine Kompetenzen waren deshalb notwendigerweise eng begrenzt. Schöpfer des Gesetzesentwurfes war einer der verdientesten Exponenten des Verwaltungsrechts in der Schweiz, Professor Ernst Blumenstcin. 1928 folgte der Kanton Basel-Stadt (Gesetz vom 14. Juni 1928 über die Verwaltungsrechtspflege); als bedeutsame Neuerungfür die Verwaltungsrechtspflege in der Schweiz führte dieser Erlass die Gencralklausel ein.

In der jüngsten Vergangenheit haben schliesslich eine Reihe weiterer Kantone allgemeine Verwaltungsgerichte geschaffen : so Zürich (Gesetz vom 24. Mai 1959 über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen), Basel-Landschaft (Gesetz vom 22. Juni 1959 über die Verwaltungsrechtspflege) ; Solothurn (Gesetz vom 5. März 1961 über die Gerichtsorganisation) und schliesslich St. Gallen (Gesetz vom S.Februar 1965 über die Verwaltungsrechtspflege). In weiteren Kantonen (so etwa in Nidwaiden, Aargau und Graubünden) steht die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Diskussion.

Nur die Verwaltungsgerichte von Bern, Zürich, Basel-Landschaft und St. Gallen sind selbständige Behörden. In Basel ist das Appellationsgericht zusätzlich zum Verwaltungsgericht erklärt worden, in Solothurn bestellt der
Kantonsrat das Verwaltungsgericht aus den Mitgliedern des Obergerichts, und im Kanton Wajlis wählt das Kantonsgericht das Verwaltungsgericht aus seinen eigenen Mitgliedern.

1283 Umschreibung und Umfang der verwaltungsgerichtlichen Kompetenzen sind wiederum sehr vielfältig. Die Verwaltungsrechtspflegegesetze von BaselStadt und Basel-Landschaft haben das System der Generalklausel gewählt und mit einer negativen Enumeration (d.h. einer Aufzählung der einzelnen Gegenstände, die nicht unter die Verwaltungsgerichtsbarkeit fallen sollen) verbunden, während die Kompetenzen der übrigen Verwaltungsgerichte einzeln aufgezählt sind; der Umfang dieser Kompetenzkataloge ist z. T. recht eng (etwa im Kanton Solothurn, §§ 50/51, und im Kanton Wallis, Art.7), z.T. auch sehr ansehnlich (etwa nach dem Zürcher Gesetz über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen, §§ 42ff., 72, 81/82).

Hauptrechtsmittel vor den kantonalen Verwaltungsgerichten (mit Ausnahme desjenigen des Kantons Wallis) ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Damit kann regelmässig bloss Rechtswidrigkeit, nicht aber Unangemessenheit gerügt werden; eine Ausnahme sehen etwa das Solothurner Gerichtsorganisationsgesetz für die Beurteilung von Entscheiden der kantonalen Schätzungskommission in Enteignungs- und in Beitragssachen (§ 53, Abs. 2 in Verbindung mit § 50, Ziff. II. 1.) und das Verwaltungsrechtspflegegesetz von Basel-Stadt für Verfügungen vor, die eine Strafe verhängen (§ 8, Abs. 4, unter Vorbehalt weiterer gesetzlicher Vorschriften). Mit Ausnahme des Solothurner Gerichtsorganisationsgesetzes verleihen alle Verwaltungsrechtspflegegesetze den Verwaltungsgerichten ausdrücklich die Befugnis, den Tatbestand zu überprüfen. Durchwegs sind die Verwaltungsgerichte überdies zur Prüfung der Rüge von Ermessensfehlern (Ermessensüberschreitung und Ermesscnsmissbrauch) zuständig. Bemerkenswert sind schliesslich zwei Sonderkompetenzen: Nach § 8, Absatz l des baselstädtischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes ist das Verwaltungsgericht auch zur Prüfung zuständig, ob die belangte Behörde den Erlass einer ihr obliegenden Verfügung grundlos verzögert hat; das basellandschaftliche Verwaltungsgericht hat nach § 10 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes dieselbe Kompetenz, wobei allerdings die Rüge mittels verwaltungsrechtlicher Klage geltend zu machen ist. Und nach der ausdrücklichen Vorschrift von § 11 desselben Verwaltungsrechtspflegegesetzes kann mit der Beschwerde ans Verwaltungsgericht auch die Verletzung eines allgemein anerkannten
Rechtsgrundsatzes gerügt werden.

Sämtliche Verwaltungsrechtspflegegesetze - mit Ausnahme des baselstädtischen, das zwischen der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts als einziger und als Beschwerdeinstanz nicht formell unterscheidet -, setzen die Verwaltungsgerichte auch als einzige Instanz ein zur Beurteilung von Streitigkeiten, die den in Artikeln 111/112 unseres Entwurfs aufgezählten mehr oder weniger ähnlich sind, so von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen verschiedenen Gebietskörperschaften, von Entschädigungsansprüchen Privater gegenüber einer Gebietskörperschaft, allgemein von vermögensrechtlichen Streitigkeiten zwischen Privaten (einschliesslich der Beamten) und Kanton oder Gemeinden - mit Ausnahmen -, von Streitigkeiten aus öffentlich-rechtlichen Verträgen, an denen der Kanton beteiligt ist (vgl. das Berner Verwaltungsrechtspflegegesetz, Art. 17, z. T.

auch das Walliser Gesetz über Organisation und Amtsbefugnis des Gerichts über Verwaltungsstreitigkeiten, Art. 7).

1284 2, Verwaltungsgerichtsähnliche Institutionen

Im Kanton Tessin ging die Jurisdiktion über Rekurse in Verwaltungssachen vom Parlament auf eine besondere Kommission desselben, die Commissione dell'amministrativo, über (Legge del 13 giugno 1927 sulla Commissione deiramministrativo). Sie urteilt über Entscheide des Consiglio di Stato, und ihre Kompetenzen sind durch eine Gencralklausel umschrieben (Art. l in Verbindung mit Art. l und Art. 15 der Legge del 5 maggio 1904 sulla procedura per le cause d'amministrativo semplice). Eine beträchtliche Zahl von Verwaltungsstreitigkeiten, die in den unter l genannten Kantonen üblicherweise durch das Verwaltungsgericht in einziger Instanz beurteilt werden, sind auf Grund der Legge del 12 maggio 1872 sul contenzioso amministrativo den ordentlichen Zivilgerichten zugewiesen.

Im Kanton Aargau wurde im Rahmen der zivilgerichtlichen Verwaltungsrechtspflege ein Sonderverfahren für eine beschränkte Zahl von verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten ausgebildet und deren Beurteilung generell dem kantonalen Obergericht übertragen (Gesetz vom 25. Juni 1841 über das Prozessverfahren bei Verwaltungsstreitigkeiten). Damit unterscheidet sich die aargauische Verwaltungsrechtspflege organisatorisch kaum von derjenigen der Kantone Basel-Stadt, Solothurn und Wallis. In ähnlichem Sinne weist im Kanton Uri das Organisationsgesetz vom 26. Januar 1958 für die urnerischcn Gerichtsbehörden (Art. 64, Abs. 1) dem Obergericht alle vermögensrechtlichen Ansprüche aus dem Öffentlichen Recht gegen den Kanton und gegen andere öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten zur Beurteilung zu.

3. Spezialverwaltungsgerichte

a. Kantonalrechtlich vorgesehene Spezialverwaltungsgerichte Für einzelne Rechtsgebiete sind in vielen Kantonen Spezialverwaltungsgerichte mit eng begrenzten Kompetenzen geschaffen worden. So hat die Mehrzahl der Kantone für die Beurteilung von Streitigkeiten aus dem kantonalen Steuerrecht besondeie Steuerrekurskommissionen gebildet; einzelne Kantone lassen Steuerrekurse an das kantonale Obergericht gehen. Von den Kantonen schliesslich, die ein allgemeines Verwaltungsgericht eingeführt haben, haben einzelne dieses auch mit Steuergerichtsbarkeit betraut (vgl. das Zürcher Gesetz über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen, § 72ff., und das Berner Gesetz vom 29. Oktober 1944 über die direkten Staats- undGemeindesteuern, Art. 149ff.)

(vgl. dazu Leo Fromer, Der Schutz des Steuerpflichtigen nach schweizerischem Recht, Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung, Bd. 57,1956, S. 433 ff.).

In gewissen Kantonen hat ausserdem der Erziehungsrat Verwaltungsrechtsprechungskompetenzen (vgl. etwa § 2 des Gesetzes vom 18. Juli 1951 über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Schwyz), und bisweilen sind für die Beurteilung von Baupolizei- (vgl. etwa Kanton Waadt, loi du 5 février 1941 sur la police des constructions, Art. 10, in der Fassung der Revision vom 7. September 1955) und von Expropriationsstreitigkeiten (vgl. unten Ziff. 4) besondere Organe geschaffen worden (vgl. auch die interessante Verwaltungsrekurskommission nach Art. 32, Buchst, b, 33 und 41 des St. Galler Verwaltungsrechtspflegegesetzes).

1285 Die kantonalen Spezialverwaltungsgerichte weisen im grossen und ganzen dieselben Vor- und Nachteile auf wie diejenigen des Bundes (vgl. oben).

b. Bundesrechtlich vorgeschriebene Spezialverwaltungsgerichte In einzelnen Bereichen hat der Bundesgesetzgeber die Kantone verpflichtet, Spezialverwaltungsgerichte zu schaffen; so insbesondere im Steuerrecht (vgl.

Art. 69 des Bundesratsbeschlusses vom 9. Dezember 1940 über die Erhebung einer Wehrsteuer, wo die Kantone zur Einrichtung kantonaler Rekurskommissionen verpflichtet werden) und im Sozialversicherungsrecht (vgl. Art. 30MS des Bundesgesetzes vom 13. März 1964 betreffend die Änderung des Ersten Titels über die Kranken- und Unfallversicherung, Art. 85 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, Art. 55 des Bundesgesetzes vom 20. September 1949 über die Militärversicherung, Art. 24 des Bundesgesetzes vom 25. September 1952 über die Erwerbsausfallentschädigungen an Wehrpflichtige, Art. 69 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung, wonach die Kantone kantonale Versicherungsgerichte bzw. Rekurskommissionen in Sozialvcrsicherungssachen zu schaffen haben).

Diese Sonder Verwaltungsgerichte kraft Bundesrechtsurteilen nicht endgültig; ihre Entscheide sind grundsätzlich an das Bundesgericht bzw. an das Eidgenössische Versicherungsgcricht weiterziehbar.

4. Zivilgerichtliche Verwaltungsrechtsprechung Von den weiten Kompetenzen, die den Zivilgerichten zur Regenerationszeit in Verwaltungssachen zustanden, sind heute nur noch wenige übrig geblieben.

Sie lassen sich zur Hauptsache in drei Kategorien zusammenfassen (vgl. dazu Max Imboden, Die Verwaltungsrechtsprechung in der Schweiz, Staatsbürger und Staatsgewalt, Jubiläurasschrift zum hundertjährigenBestehen der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit und zum zehnjährigen Bestehen des Bundesverwaltungsgerichtes, 1963, Bd.I, S.307 ff., S.309 ff.): - Ansprüche gegen Kanton oder Gemeinden und gegen deren Bedienstete aus Amtshaftung; - Ansprüche aus Enteignungen und aus enteignungsähnlichen Tatbeständen; - vermögensrechtliche Ansprüche aus dem öffentlichen Dienstverhältnis.

In einzelnen Kantonen kommen dazu weitere Sachgruppen; eine grössere Bedeutung haben die Zivilgerichte als Verwaltungsrechtspflegebehörden heute noch im Kanton Tessin
(vgl. oben). Wo allgemeine Verwaltungsgerichte bestehen, sind ihnen die aufgezählten Kategorien zum Teil, aber nicht durchwegs übertragen worden (so werden etwa nach § 4 des baselstädtischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes Amtshaftungsansprüche von den Zivilgerichtcn beurteilt).

Für Ansprüche aus Enteignungen sind z. T. auch besondere Organe geschaffen worden, so nach §§ 206 ff. der Basler Zivilprozessordnung vom S.Februar 1875, rtach §§ 231-237 des Solothurner Gerichtsorganisationsgesetzes u.a.

Bei diesen Ansprüchen handelt es sich durchwegs um Forderungen, die zivilrechtsähnlichen Charakter haben und die sich daher für ein zivilprozessuales Verfahren eignen.

1286 5. StrafgerichtHche

Verwaltungsrechtsprechung

Im Sinne der Errichtung eines «régime judiciaire» hat man zu Beginn dieses Jahrhunderts einen Teil der Verwaltungskontrolle den Strafgerichten anvertrauen wollen. In einem gewissen Umfang üben heute die kantonalen Strafgerichte - wie auch die eidgenössischen mit Strafgerichtsbarkeit befassten Instanzen - in der Tat Verwaltungskontrolle aus. Dies geschieht in folgenden Formen (vgl. dazu Max Iniboden, Strafgerichtliche Verwaltungskontrolle, Stellung und Aufgabe des Richters im modernen Strafrecht, Mélanges Oskar Adolf Germann, 1959, S. 139 ff.): - in gewissem Umfang sind administrative Sanktionen von einem strafgerichtlichen Erkenntnis abhängig; - in bestimmten Kantonen werden verwaltungsrechtliche Sanktionen sogar ausdrücklich den Strafgerichten übertragen (vgl. das Polizeistrafgesetz für den Kanton Basel-Stadt vom 23.September 1872, §§ 80, Abs.2; 93, Abs.2); - in vielen Fällen werden Übertretungen von allgemeinen Verwaltungsvorschriften unter Strafe gestellt; - schliesslich werden gewisse Verfügungen mit einer speziellen Strafandrohung für den Ungehorsamsfall versehen (insbesondere nach Art, 292 des Schweizerischen Strafgesetzbuches).

Die Wirksamkeit aller dieser Formen von Verwaltungskontrolle durch den Strafrichter hangt davon ab, wie weit dieser zur Überprüfung der Verwaltungsverfügungen befugt ist. Die kantonalen Gerichte haben in der Regel diese Befugnis in weitem Umfang anerkannt (vgl. Obergericht Aargau, Entscheid vom 11. April 1947, Schweizerische Juristen-Zeitung, Bd. 43, 1947, S. 383/384; Obergericht Solothurn, Entscheid vom 2. Oktober 1953, SJZ, Bd. 50, 1954, S. 226/227) im Gegensatz zum Bundesgericht, das dem Strafrichter bloss die Kompetenz einräumt, zu prüfen, ob die nicht befolgte Verwaltungsverfügung von der zuständigen Verwaltungsbehörde ausgegangen ist (vgl. BGE 73IV 256).

Abgesehen davon ist aber die strafgerichtliche Verwaltungskontrolle deshalb nur ein unbefriedigender und ungenügender Ersatz für eine ausgebaute Verwaltungsjustiz, weil sie erst zum Spielen kommt, wenn es der betroffene Private auf eine Zuwiderhandlung ankommen lässt.

6. Verwaltungsinterne Rechtspflege Die Mehrzahl der Kantone kennen bis heute grundsätzlich allein eine verwaltungsinterne Verwaltungsrechtsprechung, mit gewissen Einschränkungen zugunsten der Zivil-und der Strafgerichte sowie von Spezialverwaltungsgerichten.
Aber auch in den Kantonen, die eine allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit eingef uh rt haben, verbleiben bedeutendeGebiete der verwaltungsinternenRechtspflege. Für eine Wertung dieses Systems sind grundsätzlich dieselben Gesichtspunkte massgebend wie für eine Bewertung der verwaltungsinternen Rechtspflege im Bund; es darf hier auf die oben angestellten Überlegungen verwiesen werden (vgl. dazu insbesondere Hans Huber, a.a.O. S.9 ff.). Eine wesentliche

1287 institutionelle Sicherung der verwaltungsinternen Rechtspflege liegt in der sorgfältigen Durchnormierung des Verwaltungsverfahrens, in erster Instanz und vor den Rekursbehörden. In dieser Hinsicht verdienen - unter den Kantonen ohne Verwaltungsgerichtsbarkeit - die Kantone Schwyz (Gesetz vom 18. Juli 1951 über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Schwyz) und Graubünden (Verordnung vom I.Dezember 1942 über das Verfahren in Verwaltungsstreitsachen vor dem Kleinen Rat) Erwähnung. Von den Kantonen mit Verwaltungsgerichten haben verschiedene das Verwaltungsverfahren oder zum mindesten das Verfahren vor den administrativen Rechtspflegeorganen geregelt: Zürich, Gesetz über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen, § l ff. ; Basel-Landschaft, Gesetz vom 28. April 1958 über die Organisation der Staats- und Bezirksverwaltung und das Verfahren vor den Verwaltungsbehörden des Kantons und der Bezirke, § 52 ff. ; St.Gallen, Gesetz vom 29. Dezember 1947 über die Organisation und Verwaltung der Gemeinden und Bezirke und das Verfahren vor den Verwaltungsbehörden, Art.185ff.; Tessin, Legge sulla procedura per le cause d'amministrazione semplice; Wallis, Beschluss vom 13. Juni 1942 betreffend das verwaltungsrechtliche Verfahren vor dem Staatsrat und seinen Departementen.

7, Verwaltungsrechtspflege in kantonalen Angelegenheiten durch das Bundesgericht Nach Artikel 114bu, Absatz 4 der Bundesverfassung sind die Kantone mit Genehmigung der Bundesversammlung befugt, Administrativstreitigkeiten, die in ihren Bereich fallen, dem Eidgenössischen Verwaltungsgericht (d.h. dem Bundesgericht als Verwaltungsgericht) zuzuweisen. Mit dieser Bestimmung sollte insbesondere kleineren Kantonen, für die die Einrichtung eigener Verwaltungsgerichte nicht in Frage käme, eine unabhängige Gerichtsbehörde zur Beurteilung von Streitigkeiten zur Verfügung gestellt werden, in denen sie als Partei beteiligt seien (vgl. Botschaft des Bundesrates vorn S.März 1962 über die Genehmigung von Art. 71 des Organisationsgesetzes für die urnerischen Gerichtsbehörden, BEI 7952 I 581 ff.).

Von dieser Möglichkeit haben die Kantone nur spärlichen Gebrauch gemacht. Noch vor Erlass von Artikel 114bls, d. h. unter der Herrschaft des Bundesgesetzes von 1893 über die Organisation der Bundesrechtspflege (Art. 52, Ziff. 2), hatte der Kanton Bern Streitigkeiten
über Leistungen und Entschädigungen aus dem Rückzug einer Wasserkraftkonzession oder dem Rückkauf einer Wasserwerksanlage auf Grund des bernischen Gesetzes von 1907 betreffend die Nutzbarmachung der Wasserkräfte dem Bundesgericht zugewiesen und dafür die Genehmigung der Bundesversammlung erhalten (Bundesbeschluss vom 18.Dezember 1907, BS 3, 578). Sodann wurde eine allgemeinere Kompetenzzuweisung im Bündner Verantwortlichkeitsgesetz von 1944 durch Bundesbeschluss vom 27. März 1945 (BS 3. 579) genehmigt. Schliesslich gestatteten die eidgenössischen Räte eine Kompetenzzuweisung im Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Schwyz durch Bundesbeschluss vom 16. Dezember 1952 (BEI 1952III901 f.); danach wurden Verwaltungsstreitfälle, bei denen der

1288 Kanton als Partei beteiligt ist, mit Ausnahme von Steuersachen und Expropriationssachen dem Bundesgericht zur Beurteilung überwiesen.

Über den Sinn von Artikel 114bls, Absatz 4 äusserte sich der Bundesrat bei Gelegenheit wie folgt: «Es kann ... nicht der Sinn dieser Verfassungsbestimmung sein, dass die Kantone ihre sämtlichen Verwaltungsstreitigkeiten, ohne Rücksicht auf deren Art und Bedeutung und auf die eigene Veiwaltungsrechtspflegeordnung dem Entscheid des Bundesgerichtes als des Eidgenossischen Verwaltungsgerichts unterstellen können. Andernfalls entstünde für das Bundesgericht eine untragbare Mehrbelastung. Insbesondere hat Artikel 114bis, Absatz 4 der Bundesverfassung nicht die Meinung, dass das Bundesgericht als Verwaltungsgencht zur Beschwerdeinstanz über die kantonalen Verwaltungsgerichtsbehörden gemacht werde. Diese Bestimmung der Bundesverfassung ist von jeher in einem engern Sinne ausgelegt worden ...» (Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vorn 5. März 1962 über die Genehmigung von Artikel 71 des Organisationsgesetzes für die urnerischen Gerichtsbehörden, BEI 1962 I 581 ff., 583).

8. Verwaltungsrechtspflege in kantonalen Angelegenheiten mittels staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht Über die Ersatzfunktion, die die staatsrechtliche Beschwerde angesichts einer lückenhaften Verwaltungsgerichtsbarkcit ausüben kann, wurde bereits oben gesprochen. Hier sind folgende Feststellungen von Bedeutung: Da die staatsrechtliche Beschwerde nur gegen kantonale Erlasse und Verfügungen ergriffen werden kann, ermöglicht sie vornehmlich die Beurteilung von Streitigkeiten, die auf Grund des kantonalen Rechts entstehen; jedoch nicht ausschliesshch, da auch kantonale Anwendungsakte bundesrechtlicher Vorschriften anfechtbar sind. Die Anwendung kantonalen Rechts durch die kantonalen Behörden überprüft das Bundesgericht jedoch in konstanter Praxis grundsätzlich nur auf Willkür hin, und sogar von der Interpretation kantonalen Vcrfassungsrechts durch kantonale Instanzen weicht es nicht ohne Not ab; eine Ausnahme macht es nach neuester Praxis bloss für die Anwendung der in den kantonalen Verfassungen enthaltenen Grundrechte (vgl. BGE 90 I 239; vgl. dazu Claude Bonnard, Problèmes relatifs au recours de droit public, Referat vor dem Schweizerischen Juristentag 1961, ZSR, n.F. Bd.80II, S.489ff. ; Hans Marti, Probleme der staatsrechtlichen Beschwerde, Referat vor dem Schweizerischen Juristentag 3961, ZSR, n. F. Bd. SO II, S. 120ff.). Ausserdero legt sich das Bundesgericht oft grosse Beschränkung bei der Überprüfung des Tatbestandes auf (vgl. Hans Marti, a. a. O., S. 118 ff.). Daraus ergibt sich, dass die staatsrechtliche Beschwerde auch im Bereich des kantonalen Rechts nur ein unvollkommener Ersatz für eine fehlende Verwaltungsgerichtsbarkeit ist.

B. Die Verwaltungsrechtspflege im Ausland 1. Bundesrepublik Deutschland

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland enthält in Artikel 19, Absatz 4 eine umfassende und uneingeschränkte Generalklausel für die gerichtliche Überprüfung von Staatsakten:

1289 «·" Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. »

Bei dieser subsidiären Kompetenzzuweisung an den ordentlichen Richter ist indessen die Gesetzgebung nicht stehen geblieben, sondern die Verwaltungsgerichtsordnung vom 2T. Januar 1960 bestimmt in § 40: Ä1 Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem ändern Gericht ausdrücklich zugewiesen sind, öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiete des Landesrechts können einem ändern Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

1 Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadenersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Die besonderen Vorschriften des Beamlenrechtes bleiben unberührt.»

Mit dieser Regelung ist der Rechtsschutz in Verwaltungssachen durch unabhängige Gerichte, mit dem Schwergewicht auf besondern Verwaltungsgerichten, umfassend verwirklicht worden. Freilich ging es eine gewisse Zeit, bis sich das Rechtsschutzsystem in Verwaltungssachen einspielte und bis Verwaltungsgerichtsbarkeit und Verwaltung einen modus vivendi fanden, der eine Erkrankung der Verwaltung an «Asthma» - wie es Robert Nebinger befürchtete -, d.h. eine ungebührliche Bevormundung der Verwaltung durch die Richter ausschloss (vgl. dazu Carl Hermann Ule, Verwaltungsprozessrecht, 3. Aufl., 1963, S. 8 ff.).

Grundsätzlich können die Verwaltungsgerichte die angefochtenen Akte nur auf ihre Rechtmässigkeit, nicht auch auf ihre Angemessenheit hin überprüfen, was aus §§ 40, 42, 43 und 113 der Verwaltungsgerichtsordnung hervorgeht. Ermessensentscheidungen können grundsätzlich nur wegen Ermessensfehlern angefochten werden, wie das g 114 der Verwaltungsgerichtsordnung vorsieht: «Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck dee Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.»

Inhaltlich entspricht diese Vorschrift im grossen und ganzen Artikel 103, Buchstabe a unseres Entwurfs.

In der Praxis der Verwaltungsgerichte hat die Kompetenzabgrenzung zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichten insbesondere zu zwei Schwierigkeiten geführt: Einmal stellte sich die Frage, ob und wieweit durch sogenannte «unbestimmte Rechtsbegriffe» Ermessen gewährt werden kann, d.h. ob und wieweit sich die Anwendung solcher unbestimmter Rechtsbegriifc durch die Verwaltungsbehörden der Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte entziehe.

Auf diese Frage wird unten, in den Bemerkungen zu Artikel 100, Buchstabe i des Entwurfs, näher einzugehen sein.

Sodann bereitete der Lehre und der Praxis in Deutschland wie in Frankreich, Italien und in ändern Ländern die Frage Mühe, ob einzelne Kategorien

1290 von Verwaltungsakten kraft ihrer besonderen Natur der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung ganz entzogen werden müssten, ob gerichtsfreie Verwaltungsakte auszuscheiden seien. So wurden von den deutschen Verwaltungsgerichten eigentliche Gnadenakte als nicht anfechtbar bezeichnet (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom S.März 1962, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, BVerwGE, Bd. 14, S, 73 ff.). Noch nicht ausgesprochen haben sich die deutschen Verwaltungsgerichte zur Frage, ob auch die sogenannten «Regierungsakte» ausserhalb des Bereichs verwaltungsgerichtlicher Anfechtbarkeit ständen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. März 1955, BVerwGE Bd. 2, S, 36 ff., wo die Frage unentschieden blieb), wobei unter Regierungsakten Handlungen im Bereich der eigentlichen Regierungstätigkeit, Entscheidungen der Regierung über eigentliche «politische Fragen» verstanden werden (vgl. Helmut Rumpf, Regierungsakte im Rechtsstaat, 1955, S.28). In der Lehre gehen die Ansichten auseinander. Prüfungsentscheide und verwandte Akte wurden von den Verwaltungsgerichten dagegen als anfechtbar erklärt, wobei der richterlichen Überprüfung allerdings enge Grenzen gezogen wurden (vgl. insbesondere Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. April 1959, BVerwGE Bd.8, S.272 ff.); ebenso wurde die verwaltungsgerichtliche Anfechtung negativer Einbürgerungsentscheide zugelassen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.September 1958, BVerwGE Bd.7, S.237 ff.; zum ganzen Problem der unanfechtbaren Staatsakte vgl. Erich Eyermann-Ludwig Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, 1960, N. 11 zu § 42).

Der Aufbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland ist grundsätzlich dreistufig: Gegen Endurteile und gegen gewisse Zwischenurteile der Verwaltungsgcrichte steht den Beteiligten - mit gewissen Ausnahmen die Berufung an das Oberverwaltungsgericht (je eines in den einzelnen Bundesländern, ein gemeinsames für die Bundesländer Niedersachsen und SchleswigHolstein) zu (g 124 der Verwaltungsgerichtsordnung); mit der Berufung kann die Überprüfung des Sachverhalts wie der Rechtsfrage verlangt werden (§ 128 der Verwaltungsgerichtsordnung). Das Urteil eines Oberverwaltungsgerichts kann sodann beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden, sofern - mit Ausnahmen - die Rechtssache grundsätzliche
Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (§ 132/133 der Verwaltungsgerichtsordnung), Mit diesem Rechtsmittel (Revision) können bloss Rechtsverletzungen, und zwar Verletzungen von Bundesrecht (im Gegensatz zu den niederen Verwaltungsgerichten, von denen auch die Verletzung von Landesrecht geltend gemacht werden kann) gerügt werden.

2. Österreich Auch Österreich kennt eine umfassende Verwaltungsgerichtsbarkeit, Deren Grundsätze sind im Bundesverfassungsgesetz vom lO.November 1920/27.Dezember 1929 festgelegt:

1291 Art. 129 «Zur Sicherung der Gesetzmässigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung ist der Verwaltungsgerichtshof in Wien berufen. »

Art. 130 « Der Verwaltungsgerichtshof erkennt über Beschwerden, womit Rechtswidrigkeit von Bescheiden der Verwaltungsbehörden oder Verletzung der Entscheidungspflicht der Verwaltungsbehörden behauptet wird.

a Rechtswidrigkeit liegt nicht vor, soweit die Gesetzgebung von einer bindenden Regelung des Verhaltens der Verwaltungsbehörde absieht und die Bestimmung dieses Verhaltens der Behörde selbst überlässt, die Behörde aber von diesem freien Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat.» x

1.

2.

3.

4.

Art. 133 «Ausgeschlossen von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs sind: die Angelegenheiten, die zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs gehören; die Disziplmarangelegenheiten der Angestellten des Bundes, der Länder, der Bezirke und der Gemeinden; die Angelegenheiten des Patentwesens; die Angelegenheiten, über die in oberster Instanz die Entscheidung einer Kollegialbehörde zusteht, wenn nach dem die Einrichtung dieser Behörde regelnden Bundesoder Landesgesetz unter den Mitgliedern sich wenigstens ein Richter befindet, auch die übrigen Mitglieder in Ausübung dieses Amtes an keine Weisungen gebunden sind, die Bescheide der Behörde nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg unterliegen und nicht, ungeachtet des Zutreffens dieser Bedingungen, die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ausdrücklich für zulässig erklärt ist.»

Ebenso regelt das Bundesverfassungsgesetz die Beschwerdelegitimation sowie in den Grundzügen die Organisation des Verwaltungsgerichtshofs; Organisation und Verfahren wurden dann näher im Verwaltungsgerichtshofgesetz von 1952 geordnet.

Die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Verwaltungsgerichtshof und Verwaltung bietet der Österreichischen Praxis weniger Schwierigkeiten als der deutschen, da in Artikel 130 des Bundesverfassungsgesetzes die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofs präzis umschrieben ist. Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann danach nur Rechtswidrigkeit geltend gemacht werden ; wo den Verwaltungsbehörden Ermessen zusteht, kann der Verwaltungsgerichtshof die angefochtenen Akte nur auf Ermessensfehler hin überprüfen (vgl. Kurt Ringhofer, Der Verwaltungsgerichtshof, 1955, S. 123). Besonders bemerkenswert erscheint bei der Regel des Artikels 130, Absatz 2, dass sie eine Unterscheidung zwischen Ermessen und unbestimmten Rechtsbegriffen überflüssig macht. Der Verwaltungsgerichtshof hat denn auch entschieden, dass bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe die Verwaltungsbehörde innerhalb bestimmter Grenzen freien Spielraum habe und dass er selbst in diesem Bereich eine Wertung der Verwaltungsbehörde nicht durch seine eigene ersetzen könne (Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs, NF Nr. 544 A).

Mangelnde Justiziabilität von Hoheitsakten infolge ihrer besondern Natur scheint der Verwaltungsgerichtshof ausserhalb des Katalogs von Artikel 133 des Bundesverfassungsgesetzes nicht anzunehmen ; lediglich die Abweisung einer

1292 Gnadenbitte hat er nicht als der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterliegenden «Bescheid» anerkannt (vgl. Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes, NF Nr. 1052 A). Zu den Ausnahmen nach Artikel 133 des Bundesverfassungsgesetzes ist folgendes zu bemerken: Disziplinarangelegenheiten werden nach österreichischem Recht in der Regel von endgültig entscheidenden «Disziplinarkommissionen» beurteilt; in Patentsachen können gewisse Entscheide der Behörden an einen besondern Patentgerichtshof weitergezogen werden. Gerichtsähnlich organisierte Kollegialbehördcn schliesslich sind u.a. die Landesagrarsenate und der Oberste Agrarsenat, die Mictkommissionen, die Hauptwahlbehörde u. a. (vgl. Kurt Ringhofer, a.a.O., S. 148 ff.).

Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist nur gegen letztinstanzliche Verwaltungs«bescheide» zulässig (Art. 131 des Bundesverfassungsgesetzes). Unter dem Verwaltungsgerichtshof gibt es keine allgemeinen Verwaltungsgerichte; dem Bürger steht bloss das verwaltungsinterne Rechtsmittelverfahren zur Verfügung. Dieses richtet sich nach dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz von 1950. Hauptrechtsmitte) ist hier die Berufung, mit der nicht nur Rechtswidrigkeit, sondern auch Unangemessenheit des Berufungs«bescbeids» gerügt werden kann (vgl. Ludwig Adamovich, Handbuch des österreichischen Verwaltungsrechts, Bd.I, 5.A., 1954, S. 19). Sie ist Rechtsmittel im eigentlichen Sinn, d.h. die Berufungsbehörde muss entscheiden.

3. Frankreich In Frankreich besteht eine lange und berühmt gewordene verwaltungs« gerichtliche» Tradition. Kennzeichnend für sie ist, dass das System des Verwaltungsrechtsschutzes in wichtigen Punkten von der Praxis und nicht vom Gesetzgeber fortentwickelt worden ist, Die klassische in Frankreich mit Verwaltungsgerichtsbarkeit befasste Behörde ist der Conseil d'Etat. Er führt seine heutigen Funktionen in den Grundzügen auf die Gesetzgebung Napoleon Bonapartes zurück. Unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung ist er kein eigentliches Gericht; er ist vielmehr der Regierung angegliedert. Präsident ist de iure der Ministerpräsident, während de facto die Präsidialfunktionen vom Vizepräsidenten ausgeübt werden. Der Conseil d'Etat hat legislative, administrative und Jurisdiktionelle Aufgaben. Er prüft grundsätzlich in seiner assemblée générale - die Gesetzes- und eine
bedeutende Zahl von Verordnungsentwürfen und schlägt Verbesserungen vor; er verfasst Gutachten für die Verwaltung zu besondern Verwaltungsfragcn (in vier Sektionen) ; und schliesslich ist er - mit seiner wesentlich grösseren fünften Sektion, der section du contentieux - Verwaltungsgericht. Diese Sektion kann sich heute durch die hohe Qualität ihre r Rechtsprechung der Autorität und der Unabhängigkeit eines eigentlichen Gerichts rühmen und scheut sich auch nicht, der Exekutive mit aller Deutlichkeit entgegenzutreten (so etwa im berühmten Entscheid in Sachen Canal und Mitbeteiligte vom 19. Oktober 1962; vgl. dazu Frédéric S.Burin, Machtausübung und Rechtsstaatlichkeit in der V. Französischen Republik, Politische Vierteljahresschrift, 1964, S.390 ff.; zu Geschichte, Or-

1293 ganisation und Funktionen des Conseil d'Etat allgemein vgl. etwa Maxime Letourneur'et Jean Méric, Conseil d'Etat et Juridictions administratives, 1955).

Bis 1953 beurteilte der Conseil d'Etat als alleiniges Verwaltungsgericht ira französischen Mutterland - neben einzelnen Spezialverwaltungsgerichten - in erster und letzter Instanz Beschwerden gegen Verwaltungsakte. Das Décret 53-934 vom 30. September 1953 änderte jedoch die Organisation der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Frankreich grundlegend, da der Conseil d'Etat die Zahl der Beschwerden nicht mehr bewältigen konnte. Heute ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Frankreich wie folgt organisiert : Vierundzwanzig Tribunaux administratifs beurteilen im französischen Mutterland die Verwaltungsgerichtsbeschwerden in erster Instanz (Art. 2, Abs. l des Décret 53-934). Gegen die Entscheide dieser Tribunaux administratifs ist die Appellation an den Conseil d'Etat zulässig, der endgültig entscheidet (vgl.

Christian Desforges, La compétence juridictionnelle du Conseil d'Etat et des tribunaux administratifs, 1961, S. 39 ff.). Gegen Urteile der Spezialverwaltungsgerichte, deren Entscheidungen nach besonderer Vorschrift als endgültig bezeichnet sind (wie etwa der Cour des Comptes, des Conseil supérieur de l'Education nationale, der Commission de Contrôle des Banques u.a.), ist stets der Recours de cassation zulässig, mit dem allerdings - im Gegensatz zum erstinstanzlichen Recours pour excès de pouvoir (vgl. unten) und zu den Appels keine Tatfragen, nicht einmal ein détournement de pouvoir (vgl. unten), sondern nur Rechtsfragen vorgebracht werden können (vgl. Denis Jacquemart, Le Conseil d'Etat, Juge de Cassation, 1957, S. 182 ff.). Schliesslich verbleibt dem Conseil d'Etat ein schmaler Bereich, m dem er als erste und einzige Instanz zuständig ist : so bei Beschwerden gegen Décrets und gegen Verwaltungsakte, deren Anwendungsbereich sich über den Zuständigkeitsbereich eines Tribunal administratif hinaus erstreckt sowie in Streitigkeiten aus dem Bereich des öffentlichen Dienstes u.a. (Art,2 des Décret 53-1169 vom 28.November 1953).

Vor den ordentlichen Verwaltungsgerichten erster Instanz ist das hauptsächliche Rechtsmittel der Recours pour excès de pouvoir; damit können gerügt werden: Unzuständigkeit, Formmängel, Verletzung von Rechtsnormen oder von
allgemeinen Rechtsgrundsätzen und der sogenannte détournement de pouvoir (vgl, Letourneur-Meric, Conseil d'Etat et Juridictions Administratives, S. 102ff.). Ermessensfragen können somit grundsätzlich nicht vor die Verwaltungsgerichte gebracht werden, sofern kein Erniessensfehler (Ermessensüberschreitung oder Ermessensmissbrauch im Sinne des détournement de pouvoir) gerügt werden kann. Zu bemerken ist hier noch, dass Gesetze nach französischem Recht für den Conseil d'Etat unangreifbar sind.

Grundsätzlich sind alle Verwaltungsakte anfechtbar. Im Unterschied zum deutschen und zum österreichischen Recht können indessen neben eigentlichen Verwaltungsakten in gewissem Rahmen auch die sogenannten «décrets» mit der Verwaltungsgerichtsbeschwewle angefochten werden (vjrt M Waline, Droit Administratif, 8e éd., 1959, S.466). Ausgeschlossen von der Verwaltungsgerichtsbarkeit sind dagegen die «actes de gouvernement», d.h. nach der Praxis gewisse Kriegshandlungen, gewisse diplomatische Akte, Beschlüsse, die

1294 die Beziehungen zwischen Regierung und Volksvertretung betreffen, gewisse Handlungen im Zusammenhang mit den internationalen Beziehungen Frankreichs (vgl. Helmut Rumpf, a. a. O., S. 40/41) ; neuerdings auch Anwendungsakte «non détachables» internationaler Verträge oder Vereinbarungen (vgl. Entscheid des Conseil d'Etat i. S. Villa, Revue de Droit Public, 1957, S. 123).

Neben der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist schliesslich stets auch die Verwaltungsbeschwerde zulässig («recours administratif» oder «recours hiérarchique»); mit diesem Rechtsmittel kann auch Unangemessenheit gerügt werden. Hingegen besteht für die Rekursinstanz keinerlei Verpflichtung, auf den Rekurs einzutreten. Der Bürger hat zwischen Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Wahl; oft wird indessen die vorgängige Ergreifung der Verwaltungsbeschwerde gesetzlich verlangt (vgl. M.Waline, a.a.O., S. 170 ff.).

Die Konzeption des französischen Conseil d'Etat ist von verschiedenen ändern Ländern mit grösseren oder geringeren Modifikationen übernommen worden, so von den Niederlanden, Belgien, Luxemburg sowie von verschiedenen afrikanischen Staaten, die früher unter französischer Herrschaft gestanden haben (vgl. dazu Maxime Letourneur, Die Staatsräte, Conseils d'Etat, als Organe der Verwaltungsrechtsprechung, Staatsbürger und Staatsgewalt, Jubiläumsschrift zum hundertjährigen Bestehen der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit und zum zehnjährigen Bestehen des Bundesverwaltungsgerichts, Bd.1,1963, S. 360 ff.).

4. Italien Auch Italien hat die Verwaltungsgerichtsbarkeit umfassend eingeführt.

Ähnlich wie in Frankreich ist der Consiglio di Stato die zentrale verwaltungsgerichtliche Behörde; indessen ist die Verwaltungsrechtsprechung in Italien in weiterem Umfang durchnormiert als in Frankreich.

Wie in Österreich, enthält die Verfassung selbst (Costituzione della Repubblica Italiana vom 22. Dezember 1947) eine Generalklausel für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Art. 113): «l Contro gli atti della pubblica amministrazione è sempre ammessa la tutela giurisdizionale dei diritti e degli interessi leggitimi dinanzi agli organi di giurisdizione ordinaria o amministrativa.

2 Tale tutela giurisdizionale non può essere esclusa o limitata a particolari mezzi di impugnazione o per determinate categorie di atti.»

Einziges Verwaltungsgericht ist in der Regel der - dem Ministerpräsidium angegliederte - Consiglio di Stato (mit drei von sechs Sektionen). Die Verfassung setzt ihn in Artikel 100, Absatz l wie folgt ein: « l II Consiglio di Stato è organo di consulenza gmridico-amministrativa e di tutela della giustizia nell'amministrazione.» Darin könnt die Doppelfunktion des Consiglio di Stato, wie sie auch der französische Conseil d'Etat aufweist - beratendes Organ in Gesetzgebungs- und Verwaltungssachen und Verwaltungsgericht - zum Ausdruck. Daneben gibt es

1295 in den einzelnen Provinzen die Giunte provinciali amministrative in sede giurisdizionale als erstinstanzliche Verwaltungsgerichte mit beschränkten, im Testo Unico vom 26. Juni 1924, n. 1058, Artikel l und 4 enumerierten Kompetenzen; für die autonomen Regionen sind spezielle regionale Verwaltungsgerichte eingesetzt, die zum Teil auf gleicher Stufe wie der Consiglio di Stato stehen (so der Consiglio di giustizia amministrativa della Regione siciliana), zum Teil jenem als erstiustanzliche Gerichte unterstellt sind (so die Giunta giurisdizionale amministrativa della Valle d'Aosta). Schliesslich sind einzelne Spezialverwaltungsgerichte wie die Corte dei Conti zu erwähnen.

Die in der Verfassung vorgesehene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ermöglicht grundsätzlich nur die Rüge der mangelnden Zuständigkeit, der Rechtswidrigkeit oder des «eccesso» im Sinne von «sviamento di potere» - im wesentlichen entsprechend dem französischen Recours pour excès de pouvoir. Unangemessenheit kann bloss geltend gemacht werden, wo ein Gesetz das besonders vorsieht (Katalog in Art. 27 des Testo Unico delle leggi sul Consiglio di Stato vom 26. Juni 1924, n. 1054; vgl. Giovanni Salerai, La giustizia amministrativa, 4aed., 1954, S.159ff.).

Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde können auch Regolamenti amministrativi angefochten werden, sofern sie - ausnahmsweise - mit ihrem Inkrafttreten unmittelbar berechtigte Interessen der Bürger verletzen können (vgl.

Giovanni Salerai, a.a.O., S. 164). Ausgenommen von der Verwaltungsgerichtsbarkeit sind auf der ändern Seite, wie der Testo Unico sul Consiglio di Stato ausdrücklich bestimmt, die «atti emanati dal governo nell'esercizio del potere politico» (Art.31), auch kurz «atti politici» genannt.

Eine ganz andere Bedeutung als nach französischem Recht kommt in Italien den Verwaltungsbeschwerden (ricorsi amministrativi) zu. Sie sind ordentliche Rechtsmittel; die belangte Behörde muss darauf eintreten (vgl. Guido LandiGiuseppe Potenza, Manuale di Diritto Amministrativo, 1960, S. 589 ff.). Unter den verschiedenen Ricorsi amministrativi sind die wichtigsten die «ricorsi gerarchici». Nach Artikel 34 des Testo Unico sul Consiglio di Stato kann auf der ändern Seite die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an den Consiglio di Stato in der Regel erst ergriffen werden, wenn der verwaltungsinterne
Rechtszug erschöpft ist. Neben der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist gegenüber letztinstanzlichen Verwaltungsakten auch die ausserordentliche Beschwerde an den Staatspräsidenten zulässig (vgl, Guido Landi-GiuseppePotenza, a.a.O., S. 614 ff, ; Testo Unico sul Consiglio di Stato, Art. 34).

Zwei Besonderheiten des italienischen Rechts verdienen hier noch Erwähnung: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde steht nur dem zur Verfügung, der die Verletzung eines «interesse leggi timo» behauptet. Wer dagegen die Verletzung eines «diritto soggetivo» geltend macht, hat sich hiefür an die ordentlichen Gerichte zu wenden. Dabei spielt es keine Rolle, ob das angeblich verletzte subjektive Recht dem privaten oder dem öffentlichen Recht angehört (vgl. Guido Laudi-Giuseppe Potenza, a.a.O., S.557 ff.). Schliesslich kann eine Entscheidung des Consiglio di Stato mittels eines Ricorso di Cassazione an die

1296

Sezioni Unite della Corte di Cassazione wegen Verstosses gegen Zuständigkeitsvorschriften - insbesondere wegen Übergriffs auf die gesetzgebende oder die administrative Gewalt - weitergezogen werden (Art. 48 des Testo Unico sul Consiglio di Stato).

V. Vorgeschichte des Entwurfes Schon bald nach der diskussionslosen parlamentarischen Verabschiedung von Artikel 97ff. OG (Stcn.Bull. Ständerat 1943, S.128ff.; Nationalrat 1943, S. 102) und nach ihrem Inkrafttreten am l, Januar 1945 regte sich Kritik daran, dass Artikel 97ff. OG sich in der Wahrung des Status quo erschöpften. Das Unbehagen darüber äusserte sich zunächst in den Referaten Imbodcn und Zwahlen für den Juristentag 1947 über die Verwaltungsrechtspflege in Bund und Kantonen (Verh.1947 = ZSR Bd.66, S.4aff., 96aff.) und noch deutlicher in den Referaten Panchaud und Nef für den Juristentag 1950 über die Verfassungs- und Verwaltungsrechtspflege des Bundes (Verh. 1950 = ZSR Bd. 69, S. l a (f., 133 äff.) ; der Juristentag 1950 beschloss denn auch einhellig eine Resolution, deren Ziffer 3 dahin lautete, «das Recht des Bürgers, Verfügungen der Bundesverwaltung bei einem unabhängigen Gericht anzufechten, erheblich zu erweitern» (S. 443a).

Diese Resolution bildete den Ausgangspunkt der Revisionsbestrebungen. In gleichem Sinne lauteten Eingaben des Anwaltsverbandes von 1950, der Vereinigung Rechtsstaat und des Verbandes des Personals öffentlicher Dienste von 1951.

Die Revisionsbestrebungen fanden ein parlamentarisches Echo in den Interpellationen Obrecht von 1950 und Schmid-Zürich von 1951, beide beantwortet 1951, die den Bundesrat um Auskunft über seine Absichten ersuchten. Der Chef des Justiz- und Polizeidepartcmentes erklärte in seiner Antwort die Bereitschaft des Bundesratcs, den Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit als vordringliche und - im Unterschied zu der eventuellen Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit - ohne Verfassungsrcvision realisierbare Aufgabe in die Wege zu leiten, und orientierte über die zu diesem Zwecke schon 1950 eingeleiteten Schritte.

Diese bestanden einerseits in der Aufforderung an die anderen Dcpartemente, die Möglichkeiten eines Ausbaues der Verwaltungsgerichtsbarkeit in ihrem Amtsbereich zu prüfen und darüber dem Justiz- und Polizeidepartcment kurzfristig Bericht zu erstatten; anderseits im Auftrag an Prof.Max Imbodcn
und Prof.

Marcel Bridel, darüber und ganz allgemein über den Ausbau der Bundesverwaltungsrechtspflege - auch über Organisation und Verfahren der verwaltungsinternen Verwaltungsrechtspflege - Gutachten zu erstatten. Nachdem diese Berichte und Gutachten 1951 vorlagen, erhielt Prof. Max Imboden den Auftrag, formulierte Vorentwürfe im Sinne seines Gutachtens auszuarbeiten ; und zwar einerseits einen Vorentwurf für die Revision von Artikel 97 ff. OG über die VerwaltungsgerichtsbarkeJt des Bundesgerichts, anderseits einen Vorentwurf für ein Bundcsgesetz über das Verwaltungsverfahren, welches das Recht des streitigen Verwaltungsverfahrens oder Verwaltungsbeschwerdeverfahrcns und des nicht streitigen Verwaltungsverfahrens oder Verwaltungsverfahrens erster Instanz kodifizieren sollte.

Der Vorentwurf für diese Kodifikation des Verwaltungsverfahrengrechtes lag schon 1952 vor. Aus dessen Bearbeitung, die das Justiz- und Polizeidepartement zunächst in Angriff nahm, ging der Entwurf für ein Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren hervor, den wir Ihnen mit separater Botschaft unterbreiten. Für die Revision von Artikel 97 ff. OG lag erst 1956 ein Vorentwurf vor, dessen Bearbeitung seither parallel zum Vorentwurf für die Kodifikation des Verwaltungsverfahrensrechtes erfolgte. Auf eine Beschleunigung dieser Vorarbeiten drängten Kleine Anfragen Grendelmeier von 1953, beantwortet 1954, und von 1956, beantwortet 1956, sowie eine 1956 eingereichte, 1957 angenommene Motion Glasson; Nationalrat Glasson kam 1961 und 1962 in Kleinen Anfragen auf seine Motion zurück, und Nationalrat Grendelmeier wiederholte seine Kleinen Anfragen 1958,1960 und 1963.

Der Vorentwurf 1956 versuchte eine möglichst erschöpfende Aufzählung der sich für die Verwaltungsgerichtsbarkeit des Bundesgerichts eignenden Beschwerdematerien in Form von Teilgeneralklauseln, wie sie bereits in Artikel 97 und 98 OG für die öffentlichen Abgaben und Kautionen figurieren; insofern knüpfte er an das traditionelle System an. Das Justiz- und Polizeidepartement räumte den anderen Departementen und dem Bundesgericht Gelegenheit ein, sich zunächst schriftlich zu dem Vorentwurf 1956 za äussern. Diese Meinungsäusserungen bewogen Prof. Max Imboden, seinen Vorentwurf etwas umzuarbeiten; der umgearbeitete Vorentwurf lag 1957 vor. Die Bereinigung dieses Vorentwurfes 1956/1957 erfolgte 1958 und 1959 in drei teilweise mehrtägigen Konferenzen mit den Vertretern der Bundesverwaltung und des Bundesgerichts, im Beisein von Prof. Max Imboden und unter dem Vorsitze des Chefs des Justiz- und Polizeidepartements. In den damals offen gebliebenen Punkten liess sich 1960 und 1961 eine Einigung erzielen. Aus diesen mühsamen Beratungen ging ein umgearbeiteter Vorentwurf 1962 hervor. Das Justiz- und Polizeidepartement brachte ihn 1962 dem Bundesgericht, den Kantonsregierungen, den Spitzenverbänden des Rechtslebens - Juristenverein, Anwaltsverband und Vereinigung Rechtsstaat und auf besonderen Wunsch dem Vorort des Handels- und Industrievereins mit der Einladung zur Kenntnis, sich dazu vernehmen zu lassen; keine Vernehmlassungen erstatteten die Regierungen
der Kantone Schwyz, Appenzell I.Rh., Thurgau, Tessin und Wallis. Die Auswertung der Vernehmlassungen zeigte, dass der Vorentwurf 1962 besonders seitens der Verbände nicht auf ungeteilte Zustimmung stiess. In erster Linie weckte die als materiell zu .bescheiden und formell als zu kompliziert empfundene Aufzählung der Beschwerdematerien einige Enttäuschung.

Das Justiz- und Polizeidepartement entschloss sich daher 1963, zur Überarbeitung des Vorentwurfs 1962 eine verwaltungsunabhängige Expertenkommission einzuberufen, die sich unter dem Vorsitz von Prof. Max Imboden aus folgenden Persönlichkeiten zusammensetzte: Bundesrichter Theodor Abrecht, Verwaltungsgerichtspräsident Oskar Bosshardt (Zürich), Fürsprecher Max Brand (Bern), Prof. Mai cel Biidcl (Lausanne), Bundesrichter André Grisel, Staatsrat René Helg (Genf), Staatsschreiber, heute Bundesrichter Paul Reichlin, Nationalrat und Oberrichter Leo Schürmann (Solothurn). Die ExperBuadcsblatt. 117. Jahrg. Bd. n.

87

1298 tenkommission entledigte sich ihres Auftrages in 6 Sitzungen, denen Vertreter der Justizabteilung beiwohnten. Was die umstrittene und schwierigste Frage, nämlich den Kompetenzkatalog des Bundesgerichts als Beschwerdeinstanz anbelangt, so prüfte die Expertenkommission drei Möglichkeiten: - erstens Erweiterung und Vereinfachung der traditionellen Enumeration in Anlehnung an den Vorentwurf 1962; - zweitens Verzicht auf eine positive Enumeration zugunsten der sogenannten Generalklausel nach dem Muster der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft und der Nachbarstaaten, entweder mit negativer Enumeration der Beschwerdematerien, die sich nicht für die Verwaltungsgerichtsbarkeit des Bundesgerichts eignen, dies in Anlehnung an den IV. Vorentwurf Fleiner von 1919, der damals Bundesgericht, Bundesrat, Bundesverwaltung und in der Folge auch der Bundesversammlung nicht beliebt hatte (dazu BEI 1925 II 184ff., 190ff.; Sten.Bull. Ständerat 1926, S.lff.; Nationalrat 1927, S.255ff.)

und auch 1943 mit keinem Worte zur Diskussion stand (BEI 1943, 97ff., 141 ; Sten.Bull. Standerat 1943, S.91ff., 128; Nationalrat 1943, S.75ff., 102); - oder drittens mit sogenannter Gabelung des Beschwerdeweges, kraft welcher ein Beschwerdeführer gegen eine Verfügung alternativ entweder das Bundesgericht anrufen kann, wenn sich der Streit um die Rechtmässigkeit der Verfügung dreht, oder den Bundesrat, wenn sich der Streit um die Angemessenheit der Verfügung dreht (dazu Eggenschwiler, ZSRBd.81,1962,1,8.477 ff. ; Bridel, Droit et opportunité dans la procédure du contentieux administratif, in Recueil de travaux de la Faculté de droit de Lausanne, 1958, S.121ff.; Grisel, L'extension de la juridiction administrative, SJZ Ed. 53, 1957, S. 38; Referat Nef, ZSR Bd.69, 1950, S.328«; BGE 88 I 307; 871423; 85 1174).

Die Mehrheit der Expertenkommission zog die zweite Möglichkeit - Generalklausel mit negativer Enumeration - als die zweckmässigste und einfachste vor. Der auf dieser Konzeption beruhende Vorentwurf 1965, mit dem sich unser Entwurf bis auf einen Punkt im wesentlichen deckt, unterscheidet sich auch sonst vom Vorentwurf 1962; wir kommen darauf unter Abschnitt VI zurück.

Folgende Anregungen aus ihrem Schosse oder von aussen berücksichtigte die Expertenkommission nicht oder nicht in vollem Umfang: a. Zulassung einer ausserordentlichen
Beschwerde an das Bundesgericht gegen endgültige, d. h. letztinstanzliche Verfügungen des Bundesrates und anderer Bundesbehörden wegen qualifizierter Rechtsverletzung, besonders Verfassungsverletzung; b. Reorganisation der letztinstanzlichen Verwaltungsgerichtsbarkcit durch deren Konzentration entweder in der Hand des zum Bundesverwaltungsgericht aufrückenden und die verwaltungsrechtliche Kammei des Bundesgerichts absorbierenden Eidgenössischen Versicherungsgerichts, wie es ein Postulat Muheim vom 23. September 1964 anregt;

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oder in der Hand eines die verwaltungsrechtliche Kammer des Bundesgerichts absorbierenden Bundesverwaltungsgerichts neben dem Eidgenössischen Versicherungsgericht ; oder in der Hand des Bundesgerichts, mit dem Versicherungsgericht als Sozialversicherungskammer des Bundesgerichts; und je im Zusammenhang damit Aufhebung der eidgenössischen Rekurskommissionen, oder wenigstens Aufhebung der Endgültigkeit ihrer Entscheide durch Zulassung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen diese Entscheide, und insofern Unterstellung der Eidgenössischen Rekurskommissionen unter das Bundesgericht; c. Vereinheitlichung von Organisation und Verfahren der eidgenössischen Rekurskommissionen, die eventuell nach Buchstaben b in fine als erstinstanzliche Spezialverwaltungsgerichte verbleiben ; d. Zulassung der Disziplinarbeschwerde an das Bundesgericht gegen alle über Bundesbedienstete - auch über nicht beamtetes Bundespersonal - verhängten schwereren Disziplinarstrafen, wie es der Föderativverband des Personals öffentlicher Verwaltungen und Betriebe in einer Eingabe vom 9, Dezember 1959 anregt; e. Umwandlung der nach Artikel 4 der einschlägigen Verordnung vom 4. Oktober 1930 (BS l, 768) rein konsultativen Disziplinarkommissionen in unabhängige Disziplinargerichte erster und - für die leichtesten Disziplinarstrafen einziger Instanz, unter Ausschaltung der administrativen Beschwerdeinstanzen, wie-es ebenfalls der Föderativverband anregt; /. Zulassung der Beschwerde an das Bundesgericht gegen folgenschwere nicht disziplinarische beamtenrechtliche Verfügungen, besonders gegen die Auflösung des Dienstverhältnisses aus wichtigen Gründen und die Nichtwiederwahl nach Artikel 55 und 57 des Beamtengesetzes, wie es der Verband der Gewerkschaften des christlichen Verkehrs- und Staatspersonals in einer Eingabe vom 4.Februar 1964 anregt; im übrigen lauten die Anregungen dieses Verbandes im Sinne von Buchstabe d.

Die Expertenkommission berücksichtigte teilweise die Anregungen b und d, indem sie in ihrem Vorentwurf 1965 die Unterstellung der vier wichtigsten bisher endgültig entscheidenden eidgenössischen Rekurskommissionen unter das Bundesgericht, die Aufhebung zweier endgültig entscheidender eidgenössischer Rekurskomrnissionen und die Zulassung der Disziplinarbeschwerde an das Bundesgericht gegen die über Bundesbeamte - im Sinne von
Artikel l des Beamtengesetzes - verhängten schwereren Disziplinarstrafen befürwortete. Im übrigen lehnte sie die Anregungen b und
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giger Revision von Artikel 113, Absatz l, Ziffer 3 der Bundesverfassung - zu gehören, und weil die Anregung c sich im Hinblick auf Artikel l, Absatz 2, Buchstabe d und Artikel 2, Buchstabe b, Ziffer 2 des Entwurfes für ein Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren zu erübrigen schien, wonach die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes über das verwaltungsinterne Beschwerdevcrfahren auf das Verfahren der eidgenössischen Rekurskommissionen Anwendung finden sollen. Ganz allgemein trachtete sie darnach, die ohnehin zeitraubende und heikle Umgestaltung des Vorentwurfes 1962, die der Vorentwurf 1965 mit sich brachte, nicht zu überladen oder zu verzögern.

Auch so benötigte ihr Vorhaben geraume Zeit. Es erheischte u.a. neue Erhebungen im Schosse der Bundesverwaltung; die auf einer anderen Konzeption beruhenden Materialien aus den früheren Jahren leisteten nur noch beschränkte Dienste. Als Nationalrat König-Zürich am 24. September 1964 seine mit dem Vorentwurf 1962 identische Gesetzesinitiative einreichte und die mit der Abklärung der Mirage-Angelegenheit betrauten parlamentarischen Kommissionen in ihrer Motion vom T.Oktober 1964 den Bundesrat verpflichteten, binnen Jahresfrist der Bundesverwaltung eine Vorlage über den Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkcit im Bunde zu unterbreiten (Sten. Bull. Nationalrat 1964, S.491 ; Ständerat 1964, S.242; BEI 1964II 348), stand die Expertenkommission mitten in ihren Beratungen. Die damit dem Bundesrat auferlegte Verpflichtung erlaubte es dem Justiz- und Polizeidepartement leider nicht, zum bereinigten Vorentwurf 1965 die Vernehmlassungen des Bundesgerichts, des Eidgenössischen Versicherungsgerichts, der Kantonsregierungen, der Spitzenverbände des Rechtslebens und - im Hinblick auf die Disziplinargerichtsbarkeit - der paritätischen Kommission für Personalangelegenheiten einzuholen, so sehr wir dies im Interesse der Sache begrüsst hätten.

VI. Grundzüge des Entwurfes Unser Entwurf bringt gegenüber Artikel 97 ff. OG und dem Vorentwurf 1962 im wesentlichen folgende materielle Neuerungen, die wir hier stichwortartig vorausschicken : a, in Abschnitt I, Artikel 97 und 98, die Generalklausel zugunsten der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen alle denkbaren Verfügungen aller denkbaren Vorinstanzen, nach Artikel 98, Buchstabe d auch gegen Beschwerdeentscheide eidgenössischer
Rekurskommissionen, mit negativer Enumeration nach Materien in Artikel 99 und 100, nach anderen Kriterien in Artikel 101 ; b, dank Unterstellung der eidgenössischen Rekurskommissionen in Artikel 98, Buchstabe d- immerhin unter Vorbehalt von Artikel 101, Buchstabe c und d und Artikel 104, Absatz 2 - und Aufhebung zweier eidgenössischer Rekurskommissionen in Abschnitt III/l und 2 eine Konzentration der Bundesverwaltungsgerichtsbarkeit in der Hand des Bundesgerichts; c, die Unangemessenheit als Beschwerdegrundfür die Verwaltungsgerichlsbeschwerde gegen Verfügungen nicht richterlicher Bundesbehörden über die Festsetzung von Abgaben in Artikel 103, Buchstabe c;

1301

d. eine Erleichterung der Formerfordernisse für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Artikel 107, Absatz 3 ; e. die Generalklausel zugunsten der verwaltungsrechtlichen Klage auch für nicht vermögensrechtliche Ansprüche und die Einbeziehung der Ansprüche auf Bewilligung oder Rückerstattung von Subventionen in die Generalklausel zugunsten der verwaltungsrechtlichen Klage für vermögensrechtliche Ansprüche in Artikel 111, Ingress und Absatz l, Buchstabe e; f. die Anwendbarkeit des Bundeszivilprozesses als Verfahren für die verwaltungsrechtliche Klage in Artikel 115; g. eine Ausdehnung der Disziplinargerichtsbarkeit des Bundesgerichts in Artikeln?, Absatz l ; h. den konsequenten Verzicht auf Anpassung abweichender Rechtsschutzbestimmungen des Spezialverwaltungsrechts in Abschnitt IV.

In einem wesentlichen Punkte leisten wir, wie schon oben in Abschnitt V beiläufig bemerkt, den Empfehlungen der Expertenkommission keine Folge.

Die Expertenkommission hatte folgende, zwischen Artikel 101 und 102 einzuschiebende Bestimmung empfohlen, die wir ausschieden : 1 Der Bundesrat überweist eine Beschwerdesache, deren Beurteilung m seine Zuständigkeit fiele, aber überwiegend Rechtsfragen aufwirft, dem Bundesgericht zur Beurteilung.

* Rügt der Beschwerdeführer die Unangemessenheit der angefochtenen Verfügung, so entscheidet darüber der Bundesrat.

8 Artikel 96 findet sinngemäss Anwendung.

Der Bundesrat sollte darnach eine ihm eingereichte, überwiegend Rechtsfragen aufwerfende Beschwerde in einer Materie, in der nach Artikel 99-101 die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig und die Beschwerde an den Bundesrat zulässig wäre, trotzdem von Amtes wegen dem Bundesgericht überweisen. Diese prozessual ungewöhnliche Überweisung von einer zuständigen an eine andere zuständige Beschwerdeinstanz, nicht zu verwechseln mit der Überweisung von der unzuständigen an die zuständige Beschwerdeinstanz nach Artikel 106 des Entwurfes und Artikel 96 OG, liefe auf ein Surrogat für die von der Mehrheit der Expertenkommission abgelehnte sogenannte Gabelung des Beschwerdeweges hinaus und weckt dieselben Bedenken, d.h. mit den Worten eines Mitgliedes der Expertenkommission: «prolongation inévitable des procédures, notamment à la suite des nombreux échanges de vues ; distinction difficile entre l'opportunité et le droit; utilité pratique réduite, le Conseil fédéral se bornant en fait à redresser l'abus ou l'excès de pouvoir, de sorte qu'il exerce le même contrôle de l'opportunité qu'exercé le Tribunal fédéral qui assimile l'abus ou l'excès de pouvoir à la violation du droit». Der Präzedenzfall einer ähnlichen Überweisung an das Bundesgericht in Artikel 105 der Bundesverfassung 1848 (= Art. 47, Abs. l OG 1849) erschüttert unsere Bedenken nicht. Diese Bestimmungen erlaubten zwar der Bundesveisammhmg, staatsrechtliche Beschwerden, die sie damals nach Artikel 74, Ziffer 15 in letzter und der Bundesrat nach Artikel 90, Ziffer 2 B V 1848 in erster Instanz beurteilte, dem Bundesgericht zu überweisen; aber diese Überweisung blieb toter Buchstabe,

1302

da die Bundesversammlung sich ihrer nur einmal bediente (Burckhardt, Kommentar, 3. A. 1933, S.772 oben).

Obwohl der verwaltungsrechtlichen Kammer des Bundesgerichts aus den Neuerungen a bis e und g zweifellos eine Mehrbelastung erwachsen wird, verzichten wir darauf, Ihnen heute schon eine Vermehrung der Zahl der Bundesrichter - zurzeit 26 - im Rahmen von Artikel l, Absatz l OG oder über diesen Rahmen hinaus zu beantragen. Dies wäre heute noch verfrüht ; der Zeitpunkt dafür kommt, wenn nach dem Inkrafttreten der Neuerungen die Mehrbelastung überblickbar ist. Vorher ist diese auch nicht annähernd sicher zu schätzen. Wir können dazu nur soviel sagen, dass unter der Hypothese, jene Neuerungen wären schon 1964 in Kraft gewesen, von 96 der damals durch den Bundesrat beurteilten Beschwerden schätzungsweise 16 (1963: 26, 1962: 24) durch das Bundesgericht zu beurteilen gewesen wären, und dass 20 von 69 Beschwerdeentscheiden der oben unter Buchstabe b erwähnten eidgenössischen Rekurskommissionen mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weiterziehbar gewesen wären.

Umgekehrt ist eine gewisse Entlastung des Bundesgerichts dank dem kodifizierten Verwaltungsverfahrensrecht zu erwarten, das es dem Bundesgericht erleichtert, seine Geschäftslast zu bewältigen, wie wir in Abschnitt III unserer Botschaft zu dem Entwurf für ein Verwaltungsverfahrensgesetz dartun. Dieses erleichtert übrigens auch dem rechtsuchenden Beschwerdeführer, sich in den Neuerungen zurecht zu finden, indem es in Artikel 33 die Vorinstanzen verpflichtet, ihre anfechtbaren Verfügungen mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen; insofern fällt die Mühe, sich zurecht zu finden, in erster Linie den Vorinstanzen, nicht dem Beschwerdeführer zur Last. Aus einer unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung darf dein Beschwerdeführer nach Artikel 34 jenes Entwurfes für ein Verwaltungsverfahrensgesetz kein Nachteil erwachsen; das heisst beispielsweise, dass nach Artikel 96 OG und Artikel 106 des vorliegenden Entwurfes die Beschwerde von Amtes wegen zu überweisen ist, wenn ein Beschwerdeführer im Vertrauen auf eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung eine unzuständige Bcschwerdeinstanz angerufen hat. Eine zutreffende Rechtsmittelbelehrung mag anfänglich den Vorinstanzen da und dort, beispielsweise im Zusammenhang mit Artikel 100, Buchstabe i,
unseres Entwurfes, etwas Schwierigkeiten bereiten; diese unvermeidlichen Schwierigkeiten dürfen jedoch nicht überschätzt werden. Jede Verschiebung der Gewichte zugunsten der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die differenziert und nicht einfach die reine Generalklausel nach dem Muster der Nachbarstaaten mit sich bringt, begegnet naturgemäss Anfangsschwierigkeiten, die verschwinden werden, sobald sich eine feste Praxis herausbildet.

VTL Verfassungsrechtliche Grundlage Unser Entwurf stützt sich wie Artikel 97 ff. OG auf die Artikel 114blB und 103, Absatz 3 der Bundesverfassung. Über die in Artikel 114MB gesteckten Grenzen geht er in keinem Punkte hinaus. Ob er darüber hinausginge, wenn er in

1303 Artikel 98, Buchstabe/, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur gegen kantonale Beschwerdeentscheide zuliesse und den Kantonen eine, eventuell zwei kantonale Beschwerdeinstanzen als Vorinstanzen des Bundesgerichts vorschriebe, glauben wir nicht näher erörtern zu müssen; wir verzichten darauf, die Mehrstufigkeit der Verwaltungsrechtspflege zwingend und allgemein vorzusehen und verweisen dafür auf unsere Bemerkungen zu Artikel 98.

VIII. Erläuterung des Entwurfes Abschnitt I Art. 97

Diese Bestimmung verankert den Grundsatz der Generalklausel zugunsten der Verwaltungsgcrichtsbeschwerde an das Bundesgericht, behält die negative Enumeration der sich nicht für die Verwaltungsgerichtsbarkeit des Bundesgerichts eignenden Verfügungen in Artikel 99-101 vor und verpflichtet das Bundesgericht auf den Begriff der Verfügung nach Artikel 4 des Entwurfes für ein Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren ; wir dürfen darauf und auf unsere Bemerkungen dazu verweisen. Hier bemerken wir nur so viel, dass gegen Feststcllungsverf ügungen, die nach Artikel 22 jenes Entwurfes immer einen Rechtsstreit erledigen und u. a. auf Antrag zu treffen sind, sobald der Antragsteller ein schutzwürdiges Interesse daran hat, die Vcrwaltungsgerichtsbeschwerde auch in den Materien von Artikel 99, Buchstaben e, /und k und - stillschweigend - von Artikel 100, Buchstaben h und / des vorliegenden Entwurfes zulässig ist, in denen sie sonst unzulässig ist. Umgekehrt ist sie in Materien, in denen sie unzulässig ist, nach Artikel 100, Buchstaben a und b auch unzulässig gegen Zwischenverfügungen und gegen Verfügungen über die Festsetzung von Verfahrenskosten. Wir kommen darauf im Zusammenhang mit diesen beiden Bestimmungen zurück.

Art. 98 Diese Bestimmung präzisiert Artikel 102 OG, indem sie die in Frage kommenden Vorinstanzen des Bundesgerichts erschöpfend aufzählt. Verfügen diese und fallen ihre Verfügungen nicht unter die Artikel 99-101, so ist gegen ihre Verfügungen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig, gegen Verfügungen einschliesslich Einsprache- und Beschwerdeentscheide der Vorinstanzen im Sinne von Artikel 98, Buchstaben a und d und gegen Einsprache- und Beschwerdeentscheide der Vorinstanzen im Sinne von Buchstabe b unbedingt. Gegen Verfügungen der Vorinstanzen im Sinne von Buchstaben c und/ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in der Regel zulässig und ausnahmsweise dann unzulässig, wenn das Bundesrecht abweichend von der Regel zunächst die Beschwerde an eine andere Vorinstanz zulässt. Gegen eistiustau/liche Verfügungen der Vurinstanzen im Sinne von Buchstabe b und gegen Verfügungen der Vorinstanzen im Sinne von Buchstabe e und g ist sie in der Regel unzulässig und ausnahmsweise dann zulässig, wenn das Bundesrecht abweichend von der Regel unmittelbar die

1304 Verwaltungsgericbtsbeschwerde anstatt zunächst die Beschwerde an eine andere Vorinstanz zulässt. Diese Bedingungen der Zulässigkeit bilden das Gegenstück zu den Bedingungen der Unzulässigkeit nach Artikel 101, Buchstabe a, wonach die Verwaltungsgerichtsbeschwerde u.a. unzulässig ist, wenn das Bundesrecht zunächst die Beschwerde an eine Bundesbehörde im Sinne von Artikel 98, Buchstaben a, b, d oder e zulässt.

Die Abweichungen von der Regel beruhen ausser im Falle von Buchstabe # auf den organisatorischen Bestimmungen des Spezialverwaltungsrechts und den entsprechenden Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Organisation der BundesverwaJtung und der Delegationsverordnung (BS l, 261 ff., 289ff.), und diese gehorchen ihrerseits Erwägungen der administrativen Zweckmässigkeit.

Sie verbieten es, aus der Regel eine absolute Vorschrift zu machen oder darüber hinaus zwingend und allgemein zwei oder drei Vorinstanzen vorzuschreiben, mit anderen Worten dem Bundesgericht eine oder zwei Beschwerdeinstanzen vorzuschalten, so viel die Zweistufigkeit der Verwaltungsrechtspflege in der Regel für sich hat. Diese Regel findet ihren Niederschlag in Buchstabe b und in Rechtspflegebestimmungen des Spezialverwaltungsrechts, hier auch für kantonale Verfügungen, beispielsweise in Artikel 53 des Berufsbildungsgesetzes (AS 1965, 338), Artikel 56 und 57 des Arbeitsgesetzes (BB11964 l 573), Artikel 19 des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (BS l, ITI), Artikel 24 des Strassenverkehrsgesetzes (AS 1959, 687). Eine zwingende Verallgemeinerung der Zweistufigkeit, mit ihren Konsequenzen für die Verwaltungsorganisation des Bundes und der Kantone, schiene uns jedenfalls den Rahmen einer Revision von Artikel 97 ff. OG zu sprengen, weshalb wir im Einklang mit der Expertenkommission darauf verzichtet haben.

Zu den Dienstabteilungen im Sinne von Buchstabe b, die auf Einsprache entscheiden, gehörtin erster Linie die EidgenÖssischeSteuerverwaltung,beispielsweise nach Artikel 6, Absatz 3 des Warenumsatzsteuerbeschlusses (AS 1958,471).

Zu den Dienstabteilungen, die auf Beschwerde entscheiden, gehören beispielsweise das Bundesamt für Sozialversicherung gegenüber Verfügungen der SUVA nach den Artikeln 60*«, 65 und 65»Ie KUVG (= Abschnitt II/7 des Entwurfes) und die Abteilung für Landwirtschaft gegenüber
Verfügungen der Organisationen der Milchwirtschaft nach Artikel 36 des Milchstatuts (AS 1953, 1123); das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit gehört nach Artikel 55 des Arbeitsgesetzcs (BB1 1964 I 573) zu den Dienstabteilungen, gegen deren Verfügungen teilweise unmittelbar die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist. Zu den Anstalten oder Betrieben im Sinne von Buchstabe b gehören beispielsweise die nach Artikel l des PTT-Organisationsgesetzes (AS 1961,17) dem Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement unterstellten PTT-Betriebe, im Unterschied zu SBB (dazu Art. 99, Buchst, k), ETH und SUVA, die zu den autonomen Betrieben oder Anstalten im Sinne von Buchstabe c gehören; die SUVA mit dem Bundesamt für Sozialversicherung als erster Beschwerdemstanz, welche Ausnahme von der Regel wir bereits erwähnt haben.

Die eidgenössischen Rekurs- oder Schiedskommissionen im Sinne von Buchstabe d sind Spezialverwaltungsgerichte des Bundes ausserhalb des Eid-

1305 genössischen Versicherungsgerichts und unterscheiden sich von den Kommissionen im Sinne von Buchstabe e, nämlich kollegialen Verwaltungsorganen, beispielsweise der Bankenkommission; gegen Verfügungen der letzteren ist nach Artikel 24 des Bankengesetzes (BS 10. 347/348) ausnahmsweise unmittelbar die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig, während beispielsweise gegen Verfügungen des Leitenden Ausschusses für die Medizinalprüfungen nach Artikel 41 des Medizinalprüfungsreglementes (AS 1964,1318) zunächst die Beschwerde an das Departement des Innern und gegen dessen Beschwerdeentscheide die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist, soweit es sich nicht nach Artikel 100, Buchstabe/um die Feststellung eines Prüfungsergebnisses oder nach Artikel 100, Buchstabe i um Ermessensachen handelt.

In Artikel 98, Buchstabe /halten wir die Möglichkeit offen, dass das Bundesrecht gegen Verfügungen letzter kantonaler Instanzen zunächst die Beschwerde an Vorinstanzen des Bundes zulässt, beispielsweise an das Justiz- und Polizeidepartement nach Artikel 24, Absatz l und Artikel 89, Absatz 3 des Strassenverkehrsgesetzes (AS 7959, 687) oder nach Artikel 20, Absatz l des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (AS 19491224); an das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement nach Artikel 31, Absatz l des Kriegsvorsorgegesetzes (AS 1956, 95), an die Abteilung für Landwirtschaft nach Artikel 38, Absatz l des Milchbeschlusses (AS 1953,1124).

Beispiele für Selbstverwaltungsorganisationen im Sinne von Artikel 98, Buchstabe g bilden die bereits erwähnten Organisationen der Milchwirtschaft, mit der Abteilung für Landwirtschaft als erster Beschwerdeinstanz. Obwohl das Bundesrecht zurzeit noch keine Bestimmung kennt, welche die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unmittelbar gegen Verfügungen dieser Organisationen zuh'esse, glauben wir, diese Möglichkeit im Interesse der Verfahrensökonomie offen halten zu sollen.

Die eidgenössischen Vorinstanzen im Sinne von Buchstaben a, b, c und e heissen auch Mittelinstanzen.

, Diesen Mittelinstanzen, im Zweifel den Departementen, sind nach Artikel 23, Absatz 2 des Verwaltungsorganisationsgesctzes (BS l, 265/266) in den Materien, in denen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist, die Verfügungen des Bundesrates als einziger Instanz automatisch delegierrund
unterliegen dann der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Diese automatische Delegation rührt bekanntlich davon her, dass der Bundesrat prinzipiell nicht Vorinstanz des Bundesgerichts und insofern diesem untergeordnet sein soll; Bundesrat und Bundesgericht stehen in dieser Hinsicht gleichgeordnet nebeneinander. Dieses den Artikeln 103 und 114bls BV zugrundeliegende ungeschriebene Prinzip (BEI 1911 V 350 ff) drängt sich übrigens auch zur Entlastung des Bundesrates auf und war denn auch nie ernsthaft umstritten (BEI 7925 II 207 ff; Sten. Bull. Ständerat 1926, S.l ff; Nationalrat 1927, S.255 ff; Eggenschwiler, ZSR Bd.81, 1962, T, S. 474 ff). Es erleidet höchstens einen Einbrach, indem der Bundesrat die nach Artikel 117 des Entwurfes mit Diziplinarbeschwerde an das Bundesgericht anfechtbaren Disziplinarstrafen nach Artikel 33, Absatz l des Beamtengesetzes (BS l, 499) an Mittelinstanzen delegieren kann, aber nicht muss; solche Verfügungen können daher auch vom Bundesrat ausgehen (BGE 831296).

1306 Art. 99 Artikel 99 schliesst Verfügungen von der Verwaltungsgerichtsbarkeit aus, die im Hinblick auf die Rechtsgebiete, auf denen sie ergehen, für eine gerichtliche Überprüfung nicht geeignet sind. Artikel 100 erklärt dagegen die Verwaltungsgerichtsbcschwerde für unzulässig gegen Verfügungen, die - unabhängig vom Rechtsgebiet - ihrem besondern Inhalt nach für eine gerichtliche Überprüfung nicht in Frage kommen.

Mit dem Ingress von Artikel 99 wird klargestellt, dass auch in den von Artikel 99 aufgezählten Rechtsgebieten die Verwaltungsgerichtsbeschwerde überall dort erhalten bleiben soll, wo sie nach bisherigem Recht bereits zulässig war; so bleibt beispielsweise trotz Artikel 99, Buchstabe g und h die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig gegen die Verweigerung der Ermächtigung zur Strafverfolgung nach Artikel 15, Absatz 5 des Verantwortlichkeitsgesetzes (AS 1958, 1417). Wo in Artikel 99 von vermögensrechtlichen Ansprüchen die Rede ist, sind damit Ansprüche im Sinne des bisherigen Artikel 110 OG gerneint (vgl. dazu Birchmeier, a.a.O., S.450).

Buchstabe a: Verfügungen zur Wahrung der innern oder äussern Sicherheit des Landes oder zur Wahrung der Neutralität sowie solche im Bereich der völkerrechtlichen Beziehungen sind regelmässig «actes de gouvernement», Regierungsakte. Sie sind etwa auch nach französischer Praxis von der Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgenommen; die deutschen Gerichte hatten sich hiczu noch nicht zu äussern (vgl. die rechtsvergleichende Übersicht, oben Abschnitt IV/B). In diesem Bereich rnuss die Verantwortung für die getroffenen Verfügungen ausschliesslich bei der Regierung liegen. Massnahmen zum Schutz des staatlichen Bestands und der verfassungsmässigen Ordnung und zur Wahrung guter und korrekter völkerrechtlicher Beziehungen zum Ausland gehören zu ihren wesentlichsten Aufgaben (vgl. Art. 102, Ziff. 8, 9 und 10 BV). Ausserdem sind Verfügungen in diesen Bereichen regelmässig ins Ermessen der Behörden gestellt (soweit keine staatsvertraglichen oder völkergewohnheitsrechtlichen Bindungen bestehen; die Verletzung von Staatsverträgen kann jedoch nach Artikel 113, Absatz l, Ziffer 3 BV mit staatsrechtlicher Beschwerde gerügt werden). Als Beispiele für Verfügungen zur Wahrung der äussern Sicherheit und der Neutralität sowie der innern Sicherheit seien genannt die Verfügungen,
die auf Grund des Bundesratsbeschlusses betreffend politische Reden von Ausländern (AS 1948,119 ff) oder auf Grund des Bundesratsbeschlusses betreffend staatsgefährliches Propagandamaterial (AS 1948,1282ff.) erlassen werden; freilich sind dies keine Regierungsakte im eigentlichen Sinn. Verfügungen, die den diplomatischen Schutz zum Gegenstand haben, gelten in der Völkerrechtslehre grundsätzlich ebenfalls als Ermessensakte und entziehen sich daher der gerichtlichen Überprüfung.

Buchstabe b: Verfügungen über die Asylgewährung und über die Internierung sind ähnlich wie die unter Buchstabe a fallenden Verfügungen politischer Natur und daher von der Verwaltungsgerichtsbarkeit auszunehmen. Die übrigen Verfügungen im Bereich der Fremdenpolizei haben oft ebenfalls politischen Charakter, sind aber jedenfalls regelmässig ins Ermessen der Behörden gestellt. Dies trifft allerdings nicht zu für Feststellungsverfügungen, etwa über

1307

das Erlöschen einer Aufenthalts-, einer Niederlassungs- oder einer Toleranzbewilligung nach Artikel 9, Absatz l, 3 und 5 des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG, BS l, 123/124, AS J949,I, 222/223), für Verfügungen, mit denen eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung nach Artikel 9, Absatz 2 oder 4 ANAG widerrufen wird, oder für Ausweisungsverfügungen nach Artikel 10 und 11 ANAG (wohl aber für solche nach Art. 70 BV); in diesen Fällen steht den Behörden nur ein eingeschränktes Ermessen zu (vgl. zu diesem Begriff die Bemerkungen zu Art. 100, Buchstabe /'), und eine Ausnahme von der Verwaltungsgerichtsbarkeit würde sich nicht rechtfertigen. Aus dem gleichen Grund unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde Verfügungen über die Verweigerung oder die Erteilung der Niederlassungsbewilligung, sofern darauf nach den mit verschiedenen ausländischen Staaten abgeschlossenen Niederlassungsverträgen und sonstigen Vereinbarungen ein Anspruch besteht. Die Expertenkommission wollte sogar noch weiter gehen und jede Verweigerung einer Niederlassungsbewilligung der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterstellen. Dies hätte sich aber nicht gerechtfertigt, da solche Verfügungen - wo kein völkervertragsrechtlicher Anspruch darauf besteht - ins Ermessen der zuständigen Behörde gestellt ist. Damit wird Artikel 125, Absatz l, Buchstabe c OG (= Art. 69, Abs. l, Buchst, c des Entwurfes für das Verwaltungsverfahren) insoweit hinfällig, als darin die staatsrechtliche Beschwerde an den Bundesrat wegen der Verletzung derjenigen Bestimmungen in Staatsverträgen, die sich auf die Niederlassung beziehen, vorgesehen ist.

Buchstabe c: Einbürgerungen, Wiedereinbürgerungen und erleichterte Einbürgerungen nach den Artikeln 12ff, 18 ff und 26 ff des Bundesgesetzes über Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts (AS 1952, 1090 ff) sind Ermessensakte und haben daneben oft politischen Charakter. Bei den ändern Verfügungen, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen werden, steht den Behörden jedoch kein oder nur ein sehr beschränktes Ermessen zu, weshalb eine Ausnahme von der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht begründet wäre. Damit wird im wesentlichen der Rechtszustand gewahrt, wie er bisher auf Grund der Artikel 50 und 51 des Bürgerrechtsgesetzes gegolten hat.

Buchstabe d: Verfügungen im Zusammenhang mit
eidgenössischen Wahlen, Volksbegehren und Abstimmungen haben politischen Charakter und eignen sich daher nicht für eine gerichtliche Überprüfung, wie neuestens auch in Artikel 7, Absatz 2 des Bundesgesctzes vom 25. Juni 1965 über die Einführung von Erleichterungen der Stimmabgabe an eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen (BEI 1965 II 351) bestätigt wird.

Buchstabe e: Es besteht keine Ursache, am bisher geltenden Rechtsmittelsystem in militärischen Angelegenheiten Grundsätzliches zu ändern. Die wichtigste Neuerung besteht darin, dass nach Artikel 98, Buchstabe d Entscheid der Militärrekurskommission, sofern die Streitwertgrenze des Artikel 101, Buchstabe d erreicht ist, mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden können.

In den Bereichen der militärischen Organisation, der persönlichen Wehrpflicht, der militärischen Kommando- und Disziplinargewalt (besonderes Ge-

1308 waltverhältnis, vgl. Bemerkungen zu Buchstabe g) und der übrigen Militärverwaltung steht den Behörden ein weiter Handlungsspielraum zu. Die in diesen Bereichen erlassenen Verfügungen sind infolgedessen für eine gerichtliche Überprüfung wenig geeignet. Nach Artikel 126, Buchstabe c OG (Art. 69, Buchst, a des Entwurfs eines Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren) ist sogar die Beschwerde an den Bundcsrat gegen Entscheide, die das Militärdepartement im Bereiche seiner Kommandogewalt oder als Beschwerdeinstanz im Bereiche seiner militärischen Disziplinargewalt erlässt, unzulässig.

Anders verhält es sich mit Feststellungsverfügungen und Verfügungen betreffend Festsetzung, Sicherstellung oder Rückerstattung von Abgaben, vor allem etwa von Militärpüichtersatzleistungen oder von Abgaben im Bereich des Pulverregals. Hier wie auch bei den ändern in Buchstabe e, Absatz 2 ausgenommenen Verfügungen stellen sich hauptsächlich oder ausschliesslich Rechtsfragen. Was im besonderen die Abgaben angeht, so ist darauf hinzuweisen, dass nach der Grundkonzeption des bisherigen OG und des vorliegenden Entwurfs grundsätzlich jede bundesrechtliche Abgabe gerichtlich überprüfbar sein soll (mit Ausnahme von Art. 100, Buchstabe b und c; vgl, unsere Bemerkungen dort). Feststellungs- und Abgabeverfügungen sind daher grundsätzlich mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar. - Ansprüche aus Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen (unter Einschluss der Kadetten, Pfadfinder und ändern nicht wehrpflichtigen Freiwilligen gemäss Art. 19 des Beschlusses der Bundesversammlung über die Verwaltung der Armee, BVA; AS 1949 II1097/1098; vgl. 1954, 1330 ff.; 7957, 1029 ff.) sowie damit in Verbindung stehenden Sachschäden sind wie schon bisher mit verwaltungsrechtlicher Klage geltendzumachen. Gegenüber Verfügungen der Eidgenössischen Militärversicherung bleibt nach Artikel 101, Buchstabe a die Klage an die kantonalen Versicherungsgerichte und gegen deren Entscheide die Berufung an das Eidgenössische Versicherungsgericht zulässig (Art. 55 ff, des Bundesgesetzes über die Militärversicherung, AS 1949 H 1690 ff. ; 1959,305). Entsprechend ist gegen Entscheide der Ausgleichskassen betreffend Erwerbsausfallentschädigung die Beschwerde an die kantonalen AHV-Rekursbehörden und von da an das Eidgenössische Versicherungsgericht zulässig
(Art. 24 der Erwerbsersatzordnung, AS 7952, 1028).

Im Bereiche der Organisation und der Aufsicht über diesen Zweig der Sozialversicherung ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach Artikel 99, Buchstabe o unzulässig. - Gegen Verfügungen über andere vermögensrechtliche Ansprüche, ausgenommen Schadenersatzansprüche unter 1000 Franken für Land- oder Sachschaden und Einschätzungen gemieteter oder requirierter Sachen (Bagatellfälle, Notwendigkeit eines raschen Verfahrens) kann gemäss Artikel 129 S.

BVA an die Rekurskommission der Eidgenössischen Militärverwaltung (Militärrekurskommission) gelangt werden; Beschwerdeentscheide sowie erstinstanzliche Entscheide dieser Rekurskommission gemäss Artikel 40 und 131 BVA können nach Artikel 98, Buchstabe d und im Rahmen von Artikel 101, Buchstabe d durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht weitergezogen werden.

1309

Buchstabe f: Für Verfügungen im Bereich des Zivilschutzes gelten grundsätzlich dieselben Erwägungen wie für Verfügungen gemäss Buchstabe e, Verfügungen über vermögensrechtliche Ansprüche können an die eidgenössische Rekurskommission in Zivilschützangelegenheiten (Art. 79 und 83 des Bundesgesetzes über den Zivilschutz, AS 1962, 1106/1108) und von dort - gemäss Artikel 98, Buchstabe d und im Rahmen von Artikel 101, Buchstabe d - ans Bundesgericht weitergezogen werden.

Buchstabe g: Am geltenden Rechtsmittelsystem in Angelegenheiten des Öffentlichen Dienstes oder seiner Versicherungseinrichtungen etwas zu ändern, besteht kern Anlass. Lediglich der Katalog der mit Disziplinarbeschwerde ans Bundesgericht anfechtbaren Disziplinarstrafen ist zu erweitern (Art. 117 des Entwurfs). Im besondern Gewaltverhältnis steht den Vorgesetzten in der Verwaltungshierarchie regelmässig in weitem Umfang Ermessen zu. Verfügungen im Bereich des öffentlichen Dienstes oder seiner Versicherungseinrichtungen eignen sich daher in der Regel nicht für eine gerichtliche Überprüfung. Auszunehmen hievon sind Disziplinarverfügungen wegen der Schwere ihres Eingriffs in die Rechtsstellung der Beamten und vermögensrechtliche Ansprüche der Beamten oder des Dienstherrn gegen die Beamten, die in der Regel rechtssatzmässig festgelegt sind. Über solche vermögensrechtliche Ansprüche des Bundes oder gegen den Bund aus dem öffentlichen Dienstverhältnis und aus seinen Versicherungseinrichtungen ist nicht durch Verfügung zu entscheiden (vgl. Art. 60 des Beamtengesetzes, BS l, 510); sie sind vielmehr mit verwaltungsrechtlicher Klage nach Artikel 111, Absatz l, Buchstabe a geltend zu machen.

Buchstabe h: Verschiedene Erwägungen haben zum Ausschluss von Verfügungen im Bereich des Strafrechts, des Strafverfahrens und der Auslieferung von der Verwaltungsgerichtsbarkeit geführt.

Verfügungen im Bereich des Strafrechts: Darunter sind Verfügungen zu verstehen, die sich stützen auf - Vorschriften der in Artikel 29 des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege (BS 3, 310) aufgezählten Bundesgesetze und Ausführungserlasse. Strafverfügungen, die auf Grund dieser Bestimmungen erlassen werden, können mittels Einsprache dem zuständigen Strafgericht zur Beurteilung überwiesen werden (Art. 298, 300 ff. BStP); - andere Vorschriften in Spezialgesetzen,
durch die für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Bestimmungen der betreffenden Erlasse Strafen im Sinne des Strafgesetzbuches (vgl. insbesondere Art. 35 ff., Art. 333 StGB) angedroht werden; solche Strafen werden jetzt schon von den Strafgerichten ausgefällt oder durch Artikel 79 des Entwurfs zu einem Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht gerichtlicher Überprüfung erschlossen.

- Vorschriften über Ordnungsstrafen.

Da in den beiden ersten Fällen die gerichtliche Beurteilung (fakultativ oder obligatorisch) gegeben ist und da die Ausfällung von Ordnungsstrafen regelmässig ins Ermessen gestellt ist, erübrigt es sich, in diesem Bereich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zuzulassen.

1310

Besondere Erwähnung verdienen die Verfügungen, die mit einer Strafandrohung gemäss Artikel 292 StGB verbunden werden. Die Verfügungen selbst unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach den allgemeinen Grundsätzen des Entwurfs ; die Strafandrohung kann jedoch für sich allein schon darum nicht mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden, weil sie ins Ermessen der Verwaltungsbehörden gestellt ist (vgl. Art. 100, Buchstabe / des Entwurfs).

Die von den Verwaltungsbehörden zu treffenden «Verwaltungsstrafverfügungen», d.h. Ahndungen irgendwelcher Verstösse gegen verwaltungsrechtliche Normen durch andere Massnahmen als durch Strafen im Sinne des Strafgesetzbuches, wie zum Beispiel die strafweise Verweigerung von Kontingentserhöhungen, fallen nicht unter die Ausnahme des Buchstaben h. Dasselbe gilt für Massnahmen des unmittelbaren Verwaltungszwangs wie etwa Ersatzvornahmen ; gegen solche Verfügungen wird indessen - infolge ihres Vollstreckungscharakters - die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in der Regel nach Artikel 100, Buchstabe b unzulässig sein.

Verfügungen im Bereich des Strafverfahrens, vor allem Anordnungen im Zusammenhang mit den Ermittlungen der gerichtlichen Polizei gemäss Artikel 100 ff. des Bundesstrafprozesses, die vom Bundesanwalt geleitet werden, haben sehr oft politischen Charakter und eignen sich daher nicht für eine gerichtliche Überprüfung.

Auslieferungsverfügungen sind Ermessensakte (vgl. Art. l des Bundesgesetzes betreffend die Auslieferung gegenüber dem Auslande, BS 3, 509) und können ausserdem hochpolitische Bedeutung haben, womit sie sich für eine gerichtliche Überprüfung nicht eignen. Vorbehalten bleibt die staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht wegen Verletzung von Auslieferungsbestimmungen in Staatsverträgen gemäss Artikel 84, Absatz l, Buchstabe c OG.

Verfügungen letzter kantonaler Instanzen im Bereich des Strafvollzugs konnten nach bisheriger Regelung an den Bundesrat weitergezogen werden, jedoch gemäss Artikel 127, Absatz l lediglich wegen Verletzung von Bundesrecht oder wegen unrichtiger oder unvollständiger Feststellung des Sachverhalts.

Beim Erlass solcher Verfügungen stellen sich in einem beträchtlichen Umfang Rechtsfragen. Daher rechtfertigt es sich, sie der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu unterstellen.

Buchstabe i; Beim Erlass von
Verfügungen in Enteignungssachen, wie bei der Erteilung des Enteignungsrechts, der Bewilligung des abgekürzten Verfahrens nach Artikel 33 des Enteignungsgesetzes (BS 4, 1141), der vorzeitigen Besitzeinweisung nach Artikel 76 des Enteignungsgesetzes, steht den Behörden ein sehr weiter Handlungs- und Beurteilungsspielraum zu. Aus diesem Grund eignen sich solche Verfügungen nicht für eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung. Hingegen soll der bisherige Rechtsweg gegenüber Entscheidungen der Schätzungskommissionen erhalten bleiben. Über unerledigte Einsprachen gegen die Enteignung wird weiterhin der Bundesrat entscheiden (Art. 50 des Enteignungsgesetzes).

1311 Buchstabe k: Verfügungen im Bereich der Nationalstrassen, des StrassenVerkehrs, der Luftfahrt, der Eisenbahnen und anderer konzessionierter oder der Bundesaufsicht unterstellter Transportmittel beruhen weitgehend auf Erwägungen technischer Natur; eine gerichtliche Überprüfung erscheint für sie nicht als richtig. Bei Feststellungsverfügungen, etwa über Bestehen und Umfang einer Bewilligungspflicht, und bei Verfügungen über vermögensrechtliche Ansprüche stellen sich indessen mehrheitlich Rechtsfragen, so dass es sich nicht rechtfertigen würde, sie von der Verwaltungsgerichtsbarkeit auszunehmen; es liesse sich vor allem nicht begründen, warum die Verwaltungsgerichtsbarkeit in diesem Bereich weniger weitgehend zuzulassen sei als im militärischen Bereich (vgl. die Bemerkungen zu Art. 99, Buchstabe e). Was die Abgabeverfügungen angeht, verweisen wir auf die Bemerkungen zu Artikel 99, Buchstabe e und hinsichtlich des Widerrufs von Konzessionen, Bewilligungen und Genehmigungen auf Artikel 100, Buchstabe h. Nach dieser Bestimmung unterliegt der Widerruf einer Konzession, einer Bewilligung oder eines Kontingentes grundsätzlich der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Es würde sich nicht rechtfertigen, von dieser Regel etwa für den Entzug von Führerausweisen eine Ausnahme zu machen. Gemäss Artikel 98, Buchstabe / des Entwurfs in Verbindung mit Artikel 24, Absatz 2 des Bundesgesetzes über den Strassenverkehr vom 19. Dezember 1958 (AS 1959, 687) ist ein Führerausweisentzug allerdings zunächst an das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement weiterziehbar. Auf Grund des Ingresses zu Artikel 99 bleibt auch die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegenüber Verfügungen gemäss Artikel 49 des Bundesgesetzes über die Luftfahrt vorbehalten (AS 1950, 480), Die in Artikel 99, Buchstabe k zuletzt genannten Leistungen an die Bundesbahnen sind zivilrechtlicher Natur und waren schon nach bisheriger Regelung (Art. 101, Buchstabe c OG) von der Verwaltungsgerichtsbarkcit ausgenommen.

Buchstabe l: Die hier aufgezählten Verfügungen sind überwiegend technischer Natur und deshalb nicht für eine gerichtliche Überprüfung geeignet.

Auf Grund des Ingresses zu Artikel 99 bleiben aber letztinstanzliche kantonale Entscheide über einen Einspruch gegen einen Kaufvertrag (Art. 45 des Bundesgesetzes über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes,
AS 1952, 416) und die Verweigerung der Bewilligung zur Aufhebung oder Änderung eines Zerstückelungsverbotes (Art. 46, Abs. 3 des Bundcsgesetzes über Investitionskredite und Betriebshilfe in der Landwirtschaft, AS 1962,1291) der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterworfen; in diesen Fällen besteht kein Grund, von der bisherigen Regelung abzuweichen. Verfügungen auf Grund des Bundesgesetzes über den Unterhalt der Melioration der Linthebene in den Kantonen Schwyz und St. Gallen (AS 1964,681 ff.) können nach Artikel 11 dieses Gesetzes wohl an eine Rekurskommission weitergezogen werden; diese Kommission entscheidet jedoch, angesichts des technischen Charakters der ihr unterbreiteten Verfügungen endgültig. Dasselbe gilt für die Rekurskommission für landwirtschaftliche Pachtzinse (Art. 6 des Bundesgesetzes über die Kontrolle der landwirtschaftlichen Pachtzinse, AS 1961, 277) und für die Verfügungen letzter kantonaler Instanzen in der Materie der .Bodenverbesserungen (Art. 108, Abs. l des Landwirtschaftsgesetzes, AS 1953, 1102), Im Zusammenhang mit dieser Materie des

1312 Bodenrechts nehmen wir auch Verfügungen zugunsten des Natur- und Heimatschutzes, die sich auf das in Vorbereitung befindliche Ausführungsgesetz zu Artikel 24sexle» der Bundesverfassung stützen, von der Verwaltungsgerichtsbarkeit aus.

Buchstabe m: Verfügungen auf Grund des Bundesgesetzes über die Bildung von Arbeitsbeschaffungsreserven (AS 1952, 13 ff.) sind wirtschaftspolitischer Natur und kommen daher für eine gerichtliche Überprüfung nicht in Frage.

Aus diesem Grund entscheidet die gemäss Artikel 12 eingesetzte Rekurskommission endgültig.

Buchstabe n: Die amtliche Vorprüfung der Anmeldung von Erfmdungspatenten nach Artikel 87 ff. des Bundesgesetzes über die Erfindungspatente (AS 1955, 894 ff.) ist technischer Natur und daher für eine gerichtliche Überprüfung ebenfalls ungeeignet; die Entscheide der Beschwerdeabteilungen des Amtes für geistiges Eigentum sind infolgedessen endgültig.

Buchstabe o: Wir verweisen hier auf unsere Bemerkungen zu Abschnitt HI/3 ff. des Entwurfes und zu Artikel 99, Buchstabe e in fine.

Buchstabe p: Gegenüber Verfügungen im Rahmen der Aufsicht über die Vormundschaftsbehörden ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kein geeignetes Rechtsmittel ; denn sie haben regelmässig zivilrechtliche Rechtsverhältnisse zum Gegenstand (vgl. Art. 421/422 ZGB). Angemessenes Rechtsmittel wäre eher die zivilrechtliche Berufung gemäss Artikel 43 ff. OG, Beim Erlass des OG hat man indessen mit einer einzigen Ausnahme von der Unterstellung solcher Verfügungen unter die zivilrechtlichc Berufung ans Bundesgericht bewusst abgesehen (vgl.

Art. 44, Buchst, a OG). Ob sich heute eine Erweiterung dieses Rechtsweges aufdrängt, braucht hier nicht untersucht zu werden.

Art. 100 Wie der Ingress zu Artikel 99, stellt auch jener zu Artikel 100 klar, dass mit der negativen Enurneration in diesem Artikel die Verwaltungsgerichtsbeschwerde dort nicht ausgeschlossen werden soll, wo sie nach bisherigem Recht bereits zulässig war.

Buchstabe a: Wo sich der Ausschluss der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen eine Endverftgung rechtfertigt, d. h. wo sich eine Endverfügung für eine gerichtliche Überprüfung ihrer Natur nach nicht eignet, fehlt diese Eignung logischerweise auch den entsprechenden Zwischenverfügungen.

Buchstabe b: Hier gilt die gleiche Überlegung. Gegenüber dem bisherigen Rechtszustand ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit in diesem Bereich insofern erweitert worden, als bisher Entscheide über Verfahrenskosten, über Parteientschädigungen oder über die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege allgemein nur in Verbindung mit der Hauptsache angefochten werden konnten. Nach Artikel 100, Buchstabe b ist dagegen eine selbständige Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen solche Verfügungen zulässig, wenn sie auch in der Hauptsache ergriffen werden könnte. Dies erscheint darum wichtig, weil die Verfahrens-

1313 kosten und die Anwaltsforderungen (vgl, Art. 56 ff. des Verwaltungsverfahrensgesetzes) beträchtliche Beträge ausmachen können.

Buchstabe c: Erlass und Stundung von Abgaben sind keine Vollstreckungsverfügungen, sondern stellen sich als Verzicht oder als Aufschub der Vollstreckung dar. In der Regel steht dabei den Verwaltungsbehörden Ermessen oder zum mindesten ein sehr weiter Beurteilungsspielraum zu, und damit sind solche Verfügungen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht zu unterstellen. Ausgenommen, also der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterworfen, sind etwa Erlassverfügungen nach Artikel 127 des Zollgesetzes (BS 6,508 ; vgl. Abschnitt II/3 des Entwurfes, Änderung von Art. 111 des Zollgesetzes). Zu verweisen ist auch auf die Bemerkungen zu Artikel 103, Buchstabe c des Entwurfs, insbesondere hinsichtlich anderer Abgabeverfügungen.

Buchstabe d: Vollstreckungsverfügungen ändern an der Rechtsstellung des Verfügungsadressaten grundsätzlich nichts mehr. Eine Zulassung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Vollstreckungsverfügungen würde deshalb nur bedeuten, dass die aus irgend einem Grund unterlassene oder bereits rechtskräftig abgewiesene Beschwerde gegen die Verwaltungsverfügung in einem späteren Zeitpunkt nachgeholt bzw. wiederholt werden könnte; daran aber besteht kein schutzwürdiges Interesse. Entsprechend ist das Bundesgericht auf staatsrechtliche Beschwerden gegen Vollstreckungsverfügungen nie eingetreten, ausser wenn die Verletzung eines sogenannten unverzichtbaren und unverjährbaren Rechts gerügt wurde (vgl. W. Birchmeier, a. a. O., S. 319).

Sicherstellungsverfügungen sind keine eigentlichen Vollstreckungsverfügungen im Sinne von Artikel 36 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren. Sie sind in der Regel auch nicht ins ausschliessliche Ermessen der Verwaltungsbehörden gestellt und unterliegen daher regelmässig der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Buchstabe e: Die Genehmigung von technischen Projekten oder von Tarifen ist grundsätzlich nicht ins Ermessen der Verwaltungsbehörden gestellt; allenfalls steht diesen beim Erlass solcher Verfügungen ein grösserer oder kleinerer Beurteüungsspielraum zu (zu den Begriffen des Ermessens und des Beurteilungsspielraums vgl. die Bemerkungen zu Art. 100, Buchst. /'). Hingegen wird diese Genehmigung an die Erfüllung überwiegend technischer
Voraussetzungen gebunden und eignet sich aus diesem Grund nicht für eine gerichtliche Überprüfung. Als Beispiele seien genannt die Genehmigung von Starkstromanlagen gemäss Artikel 15 des Elektrizitätsgesetzes (BS 4, 769) in Verbindung mit der Starkstromverordnung (BS 4, 798 ff.) und die Genehmigung von Verträgen zwischen Ärzten und Krankenkassen betreffend die Taxen für die Leistungen der Ärzte gemäss Artikel 22 des Bundesgesetzes betreffend die Änderung des Ersten Titels des KUVG (AS 1964, 974).

Die Genehmigung von Prämientarifen privater Versicherungsunternehmungen ist hievon darum ausgenommen, weil sie schon bisher nach Artikel 99, Ziffer VII OG der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterlag und kein Anlass besteht, diese Unterstellung aufzuheben.

Sammlung der eidgenössischen Gesetze 1965

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1314

Feststellungsverf ügungen, insbesondere über das Bestehen oder den Umfang einer Genehmigungspflicht, sind von der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht ausgenommen, da sich bei ihrem Erlass durchwegs Rechtsfragen stellen (vgl. auch die Bemerkungen zu Art. 97).

Buchstabe f: Auch hier handelt es sich nicht um Ermessensverfügungen.

Den Examinatoren und Experten steht indessen ein sehr breiter Beurteilungsspielraum zu. Die Hochschulautonomie gebietet, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde für Disziplinarstrafen gegen Studierende der Eidgenössischen Technischen Hochschule anszuschliessen. Dagegen ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig gegen Verfügungen betreffend die Zulassung zu einer Prüfung, sofern eine solche Verfügung nicht ausnahmsweise ins Ermessen der Verwaltungsbehörden gestellt ist und dann unter Buchstabe i fällt.

Buchstabe g: Ein Anspruch auf Gewährung eines Beitrags besteht dann, wenn der Beitrag nach gesetzlicher Vorschrift unter bestimmten Bedingungen gewährt werden muss oder nur unter bestimmten Bedingungen verweigert werden darf. Besteht kein Anspruch, so liegt die Verfügung im (gänzlichen oder eingeschränkten) Ermessen der Verwaltungsbehörde. Verfügungen auf Grund von Artikel 100, Buchstabe,? und h stellen eine besonders wichtige Kategorie von Ermessensverfügungen dar. Im Unterschied zu Artikel 100, Buchstabe / sind indessen nach Buchstabe g und h auch Verfügungen von der Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgenommen, bei deren Erlass den Verwaltungsbehörden bloss ein beschränktes Ermessen (vgl. dazu die Bemerkungen zu Art. 100, Buchst, i) zusteht. Denn bei Beiträgen (sowie bei Bewilligungen, Konzessionen und Kontingenten) besteht ein besonderes Bedürfnis danach, dass die Ermessenshandhabung von einer obersten Bundesbehörde in vollem Umfang überprüft werden kann. Dies wird dadurch erreicht, dass gegebenenfalls nach Massgabe der Artikel 124 ff. OG, in der Fassung des Bundesgesetzes über das VerwaltungsverfahrcD, die Beschwerde an den Bundesrat zulässig ist.

Wo ein Anspruch besteht, ist nicht etwa die Vcrwaltungsgerichtsbeschwerde, sondern die verwaltungsrechtliche Klage nach Artikel 111, Absatz l, Buchstabe e zulässig.

Buchslabe h: Hier gilt sinngemäss das zu Buchstabe^ Gesagte. Der Widerruf (= Entzug) von Bewilligungen, Konzessionen oder Kontingenten ist von der Verwaltungsgerichtsbarkeit
auch dann grundsätzlich nicht ausgenommen, wenn auf ihre Erteilung kein Anspruch besteht, da der Widerruf der ursprünglichen Verfügung die Privaten hier besonders hart trifft. Ausserdem ist der Entzug von Bewilligungen usw. in den massgebenden Erlassen regelmässig an strengere Bedingungen geknüpft als deren Verweigerung (vgl. auch Art. 99, Buchstabe 6).

Was hier oder an ändern Stellen des Entwurfs oder der Botschaft über den Widerruf bestimmter Verwaltungsakte gesagt wird, gilt sinngemäss auch für die Abänderung dieser Verwaltungsakte zu Lasten des Betroffenen. Für Feststellungsverfügungen über Bestehen und Umfang der Bewilligungspflicht usw. ist auf das in den Bemerkungen zu Artikel 100, Buchstabe e Gesagte zu vei weisen.

Buchstabe i: Diese Bestimmung hat den Charakter einer negativen TeilGeneralklausel. Nach ihr ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde allgemein unzu-

1315 lässig gegen Verfügungen, die das Bundesrecht in das Ermessen legt oder die es überwiegend an unbestimmte oder technische Voraussetzungen knüpft. Einzelne Kategorien von Verfügungen, die an sich - wenigstens teilweise - darunterfallen müssten, jedoch besonders wichtig oder in der Praxis schwer zu qualifizieren sind, werden jedoch in den Artikeln 99 und 100, etwa in Artikel 99, Buchstabe b, c, e, /, g, h (Auslieferung), / und Artikel 100, Buchstabe c, e, f, g und h noch gesondert aufgeführt. Neben diesen Spczialbestimmungen fallen unter Artikel 100, Buchstabe i hauptsächlich noch Weisungen (Gebote und Verbote).

Ermessensakte im Sinne des Buchstaben i sind lediglich Verfügungen, die gänzlich ins Ermessen der Verwaltungsbehörden gestellt sind. Ohne eine solche Einschränkung käme das Bundesgericht nie in die Lage, gemäss Artikel 103, Buchstabe a über Ermessensfehlcr zu urteilen, ausser in gewissen, vom Ingress zu Artikel 100 vorbchaltenen Ausnahmcf allen und dort, wo ihm nach Artikel 103, Buchstabe c ohnehin eine unbeschränkte Ermessenskontrolle zusteht. Dies würde einen Rückschritt gegenüber der bestehenden Ordnung bedeuten, der sich nicht rechtfertigen Hesse. Auch beim Erlass gänzlich ins Ermessen gestellter Verfügungen sind indessen die Verwaltungsbehörden nicht völlig frei. Sie haben vielmehr ihr Ermessen pflichtgemäss auszuüben und zudem die zwingenden Gebote des Rechtsstaates zu beachten.

Ermessen im dargelegten Sinn steht den Verwaltungsbehörden dann zu, wenn «die Verwaltungsbehörde an einen festgestellten Tatbestand die hiefür in der Rechtsordnung vorgesehene Rechtsfolge nicht anknüpfen muss oder daran verschiedene Rechtsfolgen anknüpfen darf» (Zaccaria Giacometti, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, /, 1960, S.71). Dies sind die Fälle des sogenannten Rechtsfolge- oder Handlungs- oder Verhaltensermessens.

Typische Beispiele sind Bestimmungen, die den Erlass einer Verfügung ausdrücklich ins Ermessen oder ins «freie Ermessen» der Behörden stellen (vgl. etwa Art. l, Abs.2 der WO I zum Filmgesetz [AS 1962, 1715] oder Art.4 ANAG).

Weitere Beispiele sind grundsätzlich die sogenannten «Kann-Vorschriften», d.h.

die Bestimmungen, nach denen die Behörde z.B. ein Verbot aussprechen kann, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Hier sind aber zwei Vorbehalte anzubringen:
Einmal sind gelegentlich Kann-Vorschriften entsprechend ihrer ratio in der schweizerischen wie in der ausländischen Rechtsprechung in MussVorschriften umgedeutet worden: im schweizerischen Recht etwa Artikel 41 des Strafgesetzbuches (BGE 68 IV 74 ff.), in gewissem Sinn auch Artikel 51 des Obligationenrechts von 1881 in Verbindung mit Artikel 44, Absatz 2 des Obligationenrechts von 1911 (BGE 38 II 478); schliesslich auch Artikel 11 des Bundesgesetzes über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte (VEB 1946, Nr. 17).

Das sind aber AusnahmefäUe. Wichtiger ist der zweite Vorbehalt : Wo das durch eine Kann-Vorschrift eingeräumte Ermessen durch Bedingungen eingeschränkt ist und diese Bedingungen nicht ihrerseits wiederum überwiegend unbestimmt sind, steht den Verwaltungsbehörden bloss ein beschränkter Handlungsspielräum zu, womit auch die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach den vorstehenden Erörterungen nicht ausgeschlossen ist (unter Vorbehalt der übrigen Bestimmungen der Art, 99 und 100). Ins ausschliessliche Ermessen der Verwaltungs«

1316 behörden sind ausserdem, auch ohne besondere Hinweise, regelmässig verschiedene Kategorien von Verfügungen gestellt, deren Gegenstand sich in der Regel einer gesetzlichen Durchnormierung entzieht, wie etwa Verfügungen im Bereich der administrativen Hilfstätigkeit.

Der Begriff der «unbestimmten Voraussetzungen» lehnt sich an den der «unbestimmten Rechtsbegriffe» (besser: Gesetzesbegriffe) an. Unbestimmte Gesetzesbegriffe charakterisieren sich dadurch, «dass der rechtsanwendenden Behörde zwar die Subsumtion unter einen gesetzlich normierten Sachverhalt aufgegeben ist, diese Subsumtion aber angesichts der Unbestimmtheit des in der Norm-verwendeten Begriffs ein Urteil wertender Art erfordert...» (Otto Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht, 1963,S. 231 ). Unbestimmte Gesetzesbegriffe eröffnen den Verwaltungsbehörden einen mehr oder weniger breiten Beurteilungsspielraum (Beispiele: «zur Erhaltung eines schönen Landschaftsbildes», «zur Förderung des Fremdenverkehrs», die Voraussetzung des «guten Leumunds» usw.). Wo die Voraussetzungen für den Erlass einer Verfügung überwiegend unbestimmt sind, finden die Verwaltungsbehörden in der anzuwendenden Rechtsnorm praktisch ebensowenig konkret fassbare Richtlinien für ihr Handeln wie dort, wo der Erlass in ihr Ermessen gestellt ist. Überwiegend unbestimmt sind die Voraussetzungen etwa dann, wenn sie in der Mehrzahl unbestimmt sind oder wenn ausnahmsweise eine einzige Voraussetzung so völlig unbestimmt ist, dass sie allein schon der Verwaltungsbehörde einen praktisch unbegrenzten Beurteilungsspielraum einräumt (Beispiele: «wenn es das öffentliche Interesse erheischt», «soweit erforderlich» usw.).

Was unter technischen Voraussetzungen zu verstehen ist, gibt am besten Dudens bekannte Definition der Technik wieder: «IrjgemeurwTSsenschaftcn, die durch Kenntnis der Naturgesetze und deren Anwendung Stoffe und Kräfte nutzbar machen. »

Würde die Bestimmung des Buchstaben i fehlen, so könnte das Bundesgericht auf Beschwerden gegen Verfügungen, bei denen den Verwaltungsbehörden Ermessen oder ein sehr weiter Beurteilungsspielraum zusteht, unter Vorbehalt der Artikel 99, 100 und 101 zwar eintreten, wäre aber in ihrer materiellen Überprüfung ausserordentlich eingeschränkt. Es könnte die angefochtenen Verfügungen praktisch bloss auf einen anfälligen Ermessensmissbrauch oder allenfalls auf eine Verletzung zwingender Gebote des Rechtsstaats hin beurteilen.

Sogar eine Prüfung auf Überschreitung (im engern Sinn) des Handlungs- oder des Beurteilungsspielraums käme nur noch in sehr engem Rahmen in Frage, da der Spielraum in solchen Fällen ex definitone durch Gesetzes- oder Verordnungsbestimmungen kaum noch eingeschränkt ist. Wo eine Verfügung überwiegend von technischen Voraussetzungen abhängt, ist ein Gericht in der Regel mangels der nötigen Fachkenntnisse zur materiellen Beurteilung nicht selbst in der Lage ; deshalb sind solche Verfügungen für eine gerichtliche Überprüfung an sich nicht geeignet. Durch die Bestimmung von Artikel 100, Buchstabe i ist hingegen der Weg für ihren Weiterzug an den Bundesrat nach Massgabe von Artikel 124 ff. OG, in der Fassung des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverf&hren, geöffnet.

1317 Besondere Erwähnung verdienen in diesem Zusammenhang die Abgabeverfügungen: Die Festsetzung von Abgaben ist in der Regel weder ins Ermessen der Behörden gestellt noch überwiegend an unbestimmte oder technische Voraussetzungen geknüpft und unterliegt daher der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, sofern nicht andere Gerichtsinstanzen zu ihrer Beurteilung zuständig sind (vgl.

dazu die Bemerkungen zu Art. 103, Buchst, c).

Zum Vorbehalt von Buchstabe i in fine vgl. die Bemerkungen zu Abschnitt III/7 des Entwurfs.

Art. 101 Artikel 101 enthält zwei Gruppen von Ausschlussgründen: (absolute und relati ve) Subsidiarität derVerwaltungsgerichtsbeschwerde und Endgültigkeit von Verfügungen. Die verschiedenen Rechtswege gegenüber Verwaltungsverfügungen, die auf Bundesrecht beruhen, stehen nach dieser Bestimmung in folgendem Verhältnis zueinander : Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nur zulässig, wenn a. nicht vorher noch die Beschwerde an eine Bundesbehörde im Sinne von Artikel 98, Buchstabe a, b, d oder e offen steht (Ausschluss nichtletztinstanzlicher Verfügungen dieser Bundesbehörden von der Verwaltungsgerichtsbarkeit : Grundsatz der relativen Subsidiarität der Verwaltungsgerichtsbeschwerde) ; und b. die Verfügung, die angefochten werden soll, nicht nach Abschnitt II dieses Entwurfs oder nach Bestimmungen späterer Bundesgesetze endgültig ist; und c. die Streitwertvoraussetzung gemäss Artikel 101, Buchstabe d erfüllt ist; zu bemerken ist hier, dass diese Bedingung logischerweise stets wegfällt, wenn ein Streitwert weder bestimmt noch bestimmbar ist Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so tritt die Verwaltungsgerichtsbebeschwerde trotzdem zurück (Grundsatz der absoluten Subsidiarität der Verwaltungsgerichtsbeschwerde) a. hinter ändern Rechtswegen ans Bundesgericht oder ans eidgenössische Versicherungsgericht, mit Ausnahme der staatsrechtlichen Beschwerde. Von solchen ändern Rechtswegen, die hier überhaupt praktisch in Betracht kommen können, verdienen Erwähnung die Beschwerden in Schuldbetreibungs- und Konkurs-Sachen nach Artikel 19 SchKG, die Disziplinarbeschwerde gemäss Artikel 117ff. OG (in der Fassung des Entwurfs), die verwaltungsrechtliche Klage gemäss Artikel 111 ff. OG (in der Fassung des Entwurfs) sowie die Rechtsmittel ans Eidgenössische Versicherungsgericht; und b, hinter der Beschwerde an den Bundesrat, wo sie auf Grund von Abschnitt II/3 und III/3-6 des Entwurfs oder von Artikel 68, Absatz l, Buchstabe a des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren (sog. staatsrechtliche Beschwerde an den Bundesrat) oder nach einem späteren Bundesgesetz ausdrücklich vorgesehen ist, und hinter der Vollzugsbeschwerde an den Bundesrat gemäss Artikel 39 OG.

1318 In den Fällen schliesslich, in denen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss Artikel 99 oder 100 dieses Entwurfs ausgeschlossen ist, kommt sub-subsidiär die Beschwerde an den Bundesrat nach Massgabe von Artikel 124 ff. OG, in der Fassung von Artikel 67 ff. des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren, in Betracht.

Art. 102 In wesentlichen Punkten neugestaltet erscheint die Regelung der Beschwerdelegitimation.

Buchstabe a'. Der entsprechende Artikel 103, Absatz l des bisherigen OG lautete : «Zur Erhebung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist berechtigt, wer in dem angefochtenen Entscheid als Partei beteiligt war oder durch ihn in seinen Rechten veretzt worden ist, »

Diese Formulierung wies verschiedene Nachteile auf (vgl. dazu insbesondere Emil Kirchhofer. Die Verwaltungsrechtspflege beim Bundesgericht, ZSR n. F.

Bd.49 (1930), S. l ff., S.32ff.; Fritz Gygi a.a.O., S.430ff.; derselbe, Ein gesetzgeberischer Versuch zur Lösung des Problems des Klagerechtes im verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsprozess, Archiv des öffentlichen Rechts, Bd. 88 (1963), S. 411 ff.): a. Ob jemand in seinen «Rechten», d.h. in seinen subjektiven Berechtigungen verletzt oder bloss in seinen Interessen beeinträchtigt worden ist, lässt sich in der Praxis oft nicht leicht entscheiden. Ganz allgemein kann aber wohl die Fragestellung nicht zum Ziele führen. In der Formulierung von Artikel 103, Absatz l OG stecken zwei Gedanken: einmal die richtige Erwägung, der Beschwerdeführer müsse in besonders enger Beziehung zur angefochtenen Verfügung stehen, um beschwerdelegitimiert zu sein (Ausschluss der Popularbeschwerde); dieser Gedanke lässt sich aber einfacher und direkter, als es hier geschehen ist, in die Gesetzessprache übersetzen. Problematisch ist aber der andere in der zitierten Bestimmung enthaltene Gedanke, nämlich die Vorstellung, der Private sei nur dort beschwerdclcgitimiert, wo die Verwaltungsrechtsordnung die entschiedene Prävalenz besonderer privater Interessen anerkenne; in diesem Bereich räume sie den Privaten sinnvoUerweise geschützte und zu ihrer Disposition gestellte Rechtspositionen ein. Dem Bürger fehle jedoch die Legitimation in ändern Gebieten, wo das öffentliche Interesse an der objektiven Verwirklichung von Verwaltungsaufgaben ausschliessliche Beachtung fordere und der Private deshalb höchstens von Reflexwirkungen des im öffentlichen Interesse Angeordneten nutzniessen könne. Diese kategorische Differenzierung verträgt sich mit dem Wesen des modernen Verwaltungsrechts nicht, ausser etwa in gewissen Restbereichen aus früheren Rechtsstrukturen. Jede Verwaltungsrechtsnorm betrifft und berücksichtigt in der Regel öffentliche und private Interessen, und es lassen sich bloss quantitativ verschiedene Ausschläge in-der einen oder in der ändern Richtung feststellen. Ausserdem liegt die Wahrung schutzwürdiger privater Interessen auch stets im öffentlichen Interesse.

1319 b. Die Formulierung des bisherigen Artikel 103, Absatz l lässt darauf schliessen, dass für die Legitimation zwei Alternativvoraussetzungen zur Verfügung stehen. Das Bundesgericht hat aber regelmässig (mit Ausnahmen: vgl.

BGE 76 I 237) verlangt, dass neben der sog. «formellen Legitimation» (Beteiligung als Partei) auch die sog. «Legitimation zur Sache» oder «Sacblegitimalion» (Verletzung in den Rechten) gegeben sei. Formelle und Sachlegitimation fallen dann auseinander, «wenn durch den angefochtenen Entscheid das Begehren einer Person (materiell) abgewiesen wird, die sachlich nicht legitimiert ist» (BGE 871 433). Auf der ändern Seite genügt nach der bundesgerichtlichen Praxis die Sachlegitimation allein; die formelle Legitimation muss nicht unbedingt gegeben sein (vgl. BGE 9J I 65, 66I278).

c. Es ist eine alte Sireitfrage, ob die Verneinung der «Sachlegitimation» zu einem Nichteintretens- oder zu einem Abweisungsentscheid führen soll. Das Bundesgericht wies regelmässig Beschwerden «sans plus ample examen» ab, wenn die formelle, nicht aber die Sachlegitimation gegeben war (BGE 87I 476; vgl. 75 I 382); fehlte jedoch auch die formelle Legitimation, so traf es auf die Beschwerde nicht ein (vgl. BGE 751 380 ff). Diese Unterscheidung erscheint als unbefriedigend. Für eine richtige Lösung der Frage kommt indessen viel auf eine möglichst korrekte Formulierung der Legitimationsvoraussetzungen an. Nach dem Wortlaut von Artikel 103, Absatz l OG musste das Bundesgericht - bei wörtlicher Auslegung - tatsächlich prüfen, ob eine Verletzung subjektiver Rechte nicht nut behauptet oder glaubhaft gemacht wurde, sondern ob sie zum mindesten tatsächlich vorliegen würde, wenn sich der angefochtene Akt als rechtswidrig herausstellen sollte. Damit kam die Prüfung der Legitimation indessen bisweilen einer Prüfung der Begründetheit der Beschwerde nahe. Die Formel, mangels Sachlegitimation sei die Beschwerde «sans plus ample examen» abzuweisen, ändert nichts daran. Im Entscheid BGE 87 I 433 findet sich der bezeichnende Satz : «Ob er (der Beschwerdeführer) auch die Legitimation zur Sache besitze, ist bei der materiellen Beurteilung der Beschwerde zu prüfen. »

Damit wurde aber der Unterschied zwischen Legitimationsfrage und Sachfrage verwischt) und das Bundesgericht konnte nicht einfach mehr vorweg prüfen, ob die Beschwerde überhaupt zuzulassen sei, bevor es die materielle Prüfung an die Hand nahm (vgl. BGE 911 74). Dies allein würde jedoch dem Sinn der Beschwerdevoraussetzungen entsprechen ~ und als solche ist die Legitimation anzusehen. Dementsprechend ist indessen der Begriff der «Sachlegitimation» an sich fragwürdig.

In zwei neuesten Entscheiden hat das Bundesgericht allerdings die Sachlegitimation bereits dann als gegeben erachtet, wenn der Beschwerdeführer auch nur die Verletzung von Bundesrecht geltend machte (BGE 91 I 65, 74). Damit hat es sich in erheblichem Mass vom Wortlaut von Artikel 103 OG entfernt.

Das Vcrwaltungsgericht des Kantons Zürich umgeht die Schwierigkeiten einer verwandten Umschreibung der (Sach-) Legitimation in § 21 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes auf ähnliche Weise (vgl. Blätter für Zürcher Rechtsprechung, Bd. 61, 1962, Nr. 120). Es ist indessen Sache des Gesetzgebers, die

1320 Legitimationsvoraussetzungen präzis und vernünftig festzulegen. Es sei hier auf § 42, Absatz 2 der deutschen Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. Januar 1961 verwiesen : «Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. » Der deutsche Gesetzgeber hat am Erfordernis der Verletzung (subjektiver) Rechte festgehalten. Nach herrschender deutscher Lehre ist indessen für die Legitimation bloss die Verletzung rechtlich geschützter Interessen geltend zu machen (siehe Eyermann-FrÖhler, a.a.O., N.97 zu § 42; vgl. auch ChristianFriedrich Menger, a.a.O., S.117).

d. Die Formel, der Beschwerdeführer müsse in seinen Rechten verletzt sein, erschwert auch die Beantwortung der Frage, ob und wie weit Dritte, d.h.

Nichtadressaten der angefochtenen Verfügung, zur Beschwerde berechtigt seien.

Der bisherige Artikel 103 schliesst zwar die Legitimation Dritter nicht aus. Bei der Beschwerde eines Dritten ist es aber noch heikler zu entscheiden, ob eine Rechtsverletzung oder bloss eine Beeinträchtigung der Reflexwirkung objektiven Rechts geltend gemacht werde, abgesehen von den oben geäusserten prinzipiellen Bedenken gegen die Formulierung des Artikel 103, Absatz l (vgl. die Übersicht über die bundesgerichtliche Praxis bei W. Birchmeier, a. a. O. S. 434 f ; zur ähnlichen Problematik bei der staatsrechtlichen Beschwerde vgl. BGE 89 l 517 ff; 881179 ff).

e. Schliesslich enthält der bisherige Artikel 103 eine Legitimationsvoraussetzung nicht, deren Erfüllung trotzdem mit Recht vom Bundesgericht stets verlangt worden ist : nämlich die Bedingung eines aktuellen Interesses des Beschwerdeführers an der Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Verfügung (vgl. BGE 871 479).

Geht man von diesen Überlegungen aus, so erscheinen folgende drei Momente für die Beschwerdelegitimation Privater als Voraussetzungen notwendig: - Der Beschwerdeführer muss in einem besonders nahen Verhältnis zur angefochtenen Verfügung stehen ; es besteht nach wie vor keine Ursache, im Verwaltungsrecht eine Popularbeschwerde zuzulassen. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn der Beschwerdeführer von der angefochtenen Verfügung «berührt » ist; verdeutlicht ist sie durch das (inhaltlich im «Berührtsein»
aufgehende) Erfordernis, der Beschwerdeführer müsse ein «eigenes» Interesse an der Aufhebung oder Änderung haben. Zur Frage, wie der Bereich des «Berührtseins» im Einzelfall abzugrenzen sei, vgl. die bundesgerichtliche Praxis zu Artikel 88 OG, etwa BGE 86 I 284 ff und die bereits erwähnten Entscheide 89 I 517 ff und 88 1179 ff.

- Der Beschwerdeführer muss durch die angefochtene Verfügung belastet sein und infolgedessen ein aktuelles Interesse an der Aufhebung oder Abänderung der Verfügung haben.

- Schliesslich muss er ein Interesse behaupten, das vom geltenden Recht geschützt oder im Lichte der dominierenden Grundsätze unserer Rechtsord-

1321 nung Schützens wert ist. In Artikel 102, Buchstabe a ist diese Bedingung etwas verkürzt aufgenommen worden.

Auf Grund der neuen Formulierung des Artikels 102, Buchstabe a wird auch das Problem der Legitimation Dritter einfacher zu lösen sein.

Der Beschwerdeführer muss die Erfüllung dieser drei Voraussetzungen in verschieden intensiver Weise dartun: - Er muss nicht nur behaupten, sondern nachweisen, dass er durch die Verfügung berührt ist. Denn dies ist reine Beschwerdevoraussetzung und erscheint im Sachurteil in keiner Weise mehr.

- Aus demselben Grund muss der Beschwerdeführer nachweisen, dass er überhaupt ein aktuelles Interesse an der Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Verfügung hat. Im Gegensatz etwa zu zivilrechtlichen Schadenersatzklagen, wo der vom Kläger nachgewiesene Schaden eine Voraussetzung für die Gestaltung des Sachurteils ist, ist die Belastung im Verwaltungsprozess regelmässig reine Beschwerdcvoraussetzung. Dies kommt zwar in der Formulierung des Artikels 102, Buchstabe a aus gesetzestechnischen Gründen nicht expressis verbis zum Ausdruck.

- Hingegen muss der Beschwerdeführer lediglich behaupten, er habe ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Abänderung der Verfügung; sonst würden sich Prüfung der Beschwerdelegitimation und materielle Beurteilung der Beschwerde wiederum verwischen.

Buchstabe b entspricht grundsätzlich dem bisherigen Artikel 103, Absatz 2 OG. Neu ist im wesentlichen nur, dass nicht mehr der Bundesrat, sondern unmittelbar die zuständige Verwaltungsbehörde des Bundes beschwerdelegitimiert ist, womit einfach der Gesetzestext dem bisher - infolge von Delegationen - geltenden Zustand angepasst worden ist. Ausserdem ist die Beschwerdelegitimation der Bundesbehörden auf Entscheide der eidgenössischen Rekurs- und Schiedskommissionen erstreckt worden, was sich angesichts des mindestens teilweise unabhängigen Charakters dieser Kommissionen aufdrängte. Schliesslich wird die Verpflichtung dieser Behörden und,der letzten kantonalen Instanzen zur Mitteilung anfechtbarer Entscheide nunmehr bereits im Gesetz festgelegt.

Buchstabe c: Mit dieser Bestimmung soll der bisherige Rechtszustand erhalten werden. Beispielsweise sei auf Artikel 19, Absatz 3 und Artikel 20, Absatz 2 des Bundesbeschlusses über die schweizerische Uhrenindustrie (Uhrenstatut; AS 1961,
1093) hingewiesen, wonach zur Erhebung der Beschwerde an die Rekurskommission der Uhrenindustrie und zum Weiterzug deren Entscheidungen ans Bundesgericht auch die Schweizerische Uhrenkammer legitimiert ist.

Art. 103 Die Vorschrift des Artikels 103 über die Beschwerdegründe ist im wesentlichen aus dem bisherigen OG (Art. 104) übernommen. Immerhin sind einige kleinere Änderungen angebracht worden.

1322 Buchstabe a: Schon nach bisheriger Praxis wurden Ermessensfehler als Rechtsverletzungen behandelt (vgl. BGE 89 I 340, 87 I 438/439); Artikel 103, Buchstabe a des Entwurfs bestätigt lediglich diese Praxis. Die Bestimmung ist nicht etwa deshalb überflüssig, weil Ermessensvcrfügungen nach Artikel 100, Buchstabe i grundsätzlich von der Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgeschlossen sind. Es wurde in den Bemerkungen zu dieser Bestimmung ausgeführt, dass Verfügungen, bei deren Erlass der Verwaltungsbehörde ein beschränktes Ermessen zusteht, nicht unter die genannte Ausschlussvorschrift fallen.

Die Verdeutlichung in Absatz l, Satz 2 und 3 des bisherigen Artikels 104 wurde weggelassen, weil sie überflüssig erschien.

Unter Bundesrecht ist auch das ßundesverfassungsrecht zu verstehen, wie das schon die bisherige Praxis festgestellt hat (vgl. BGE 881 307, 861192 f und dortige Verweisungen1). Infolge der Subsidiarität der staatsrechtlichen Beschwerde ist eine Verletzung der Bundesverfassung mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu rügen, sofern die Voraussetzungen dieser Beschwerde erfüllt sind. «In Rechtsgebieten, in denen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen kantonale Entscheide zulässig ist, übernimmt diese insoweit, als Verletzungen solcher verfassungsmässiger Rechte behauptet werden, allgemein die Funktion des staatsrechtlichen Rekurses . . . » (BGE 86I193). Im übrigen sei hier wiederholt, was bereits in den Bemerkungen zu Artikel 100, Buchstabe i erwähnt wurde : Auch im Ermessensbereich ist die Verwaltung an die zwingenden Gebote des Rechtsstaates, z.B. an das Rechtsgleichheitsgebot, gebunden. Es ist demnach auch im Ermessensbereich auf die Rüge einer Verletzung dieser Gebote einzutreten (im Gegensatz zu BGE 89 I 62ff.).

Buchstabe b : Die Bestimmung des neuen Buchstabens è entspricht in Verbindung mit Artikel 104, Absatz l des Entwurfs dem bisherigen Artikel 105 OG.

Ein Vorbehalt ist in Artikel 104, Absatz 2 des Entwurfs angebracht worden (vgl. Bemerkungen dazu).

Buchstabe c bestätigt in erster Linie die Bestimmungen des Spezialverwaltungsrechts, welche die Verwaltungsgerichtsbeschwcrde mit der Rüge der Unangcmessenhcit zulassen und in Buchstabe c ihr notwendiges Korrelat besitzen, beispielsweise Artikel 17 und 20 des Fikngesetzes (= Abschnitt III/1 des Entwurfes), Artikel 14 des Gewässerschutzgesctzes
(AS 1956, 1537) und Artikel 15, Absatz 5 des Verantwortlichkeitsgesetzes (AS 1958,1417). Es handelt sich dabei entweder um reine Ermessenssachen, in denen die nach Artikel 100, Buchstabe i unzulässige Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach dem Ingress von Artikel 100 trotzdem zulässig bleibt; oder um Verfügungen in Ausübung beschränkten Ermessens, gegen die nach Artikel 100, Buchstabe i die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist, und zwar kraft jener Bestimmungen des Spezialverwaltungsrcchts auch mit der Rüge der Unangemessenheit anstatt nach Artikel 103, Buchstabe a nur mit der Rüge der Ermessensüberschreitung oder des Ermessemmi'ï'îhraiichs Die Festsetzung, d. h. die Veranlagung oder Forderung von Steuern, Gebühren, Ersatz- oder anderen Abgaben, nicht zu verwechseln mit Sicherstellung, Erlass oder Stundung geschuldeter oder Rückerstattung bezahlter Abgaben, ist

1323 auch dort, wo das Abgabrecht, beispielsweise ein Rahmentarif für Gebühren oder das Institut der sogenannten Ermessenseinschätzung für Steuern, der Verwaltung einen Spielraum zubilligt, keine reine Ermessenssache im Sinne von Artikel 100, Buchstabe f. Sie unterliegt daher, wie schon nach Artikel 97 OG, zusammen mit Sicherstellung und Rückerstattung - im Unterschied zu Erlass und Stundung nach Artikel 100, Buchstabe c des Entwurfes - der Verwaltungsgerichtsbeschwerde; und zwar nach Artikel 99, Buchstabe e und k auch in Materien, in denen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sonst unzulässig ist, und nach Artikel 100, Buchstabe b auch für Verfahrenskosten, wenn in der Hauptsache die Verwaltungsgerichtsbcschwerde zulässig ist. Und nach Artikel 103, Buchstabe c des Entwurfes soll dem Beschwerdeführer die Rüge der Unangcmessenheit zustehen und damit dem Bundesgericht die Verpflichtung obliegen, diese Rüge zu überprüfen, wenn andere, eidgenössische Vorinstanzen des Bundesgerichts als eidgenössische Rekurskommissionen die Abgaben festsetzen.

Die Rüge der Unangemessenheit erübrigt sich unseres Erachtens für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Festsetzung von Abgaben durch eidgenössische Rekurskommissionen und letzte kantonale Instanzen, im wesentlichen kantonale Wehrsteuer-, Verrechnungssteucr- und Militärpflichtersatzrekurskommissionen. Diese unteren Spezialverwaltungsgerichte können Abgabeforderungen voll überprüfen und bieten Gewähr für eine Überprüfung auch der Angemessenheit, sobald der Abgabepflichtige Unangemessenheit rügt. Andere eidgenössische Vorinstanzen gelangen dazu, diese Rüge zu überprüfen, soweit sie als Einsprache- oder Beschwerdeinstanzen entscheiden; diese Überprüfung stösst in der interessierten Öffentlichkeit auf Misstrauen. Misstrauen wcckken vielleicht nicht so sehr die Beschwerdeentschcide, als vielmehr die Einspracheentscheide, in denen die Vorinstanzen selbst ihre Verfügungen überprüfen ; und zwar entscheiden sie darin über die Angemessenheit endgültig, solange dem Abgabepflichtigen, der gegen den Einspracheentscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde führt, nicht die Rüge der Unangemessenheit zusteht. Das gilt besonders für die unmittelbar, aber zurzeit ohne Rüge der Unangcmessenheit mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbaren und daher auf Angemessenheit unüberprüfbaren
Einspracheentscheide der Eidgenössischen Steuer ver waltung in der Veranlagung beispielsweise der Warenumsatz-, Stempel- und Verrechnungssteuer.

Die Unüberprüf barkeit ihrer Einspracheentscheide in diesem Punkte durch eine verwaltungsunabhängige Beschwerdeinstanz bildet einen alten Stein des Anstosses; zumal die Auffassung, dass Artikel 104, Absatz 2 OG erlaube, in Steuerveranlagungssachen wenigstens eine offensichtliche Unangemessenhcit mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu rügen, heute als überwunden oder als erschüttert gelten darf (dazu Eggenschwiler. Die Ermessenskontrollc im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht, ZSR Bd. 81,1962, T, S. 465 ff). Um diesen Stein des Anstosses zu beseitigen, hatte schon ein 1947 angenommenes und 1951 unerledigt abgeschriebenes Postulat Dietschi-Basel angeregt, zwischen Eidgenössischer Steuerverwaltung und Bundesgericht eine erste verwaltungsunabhängige Beschwerdeinstanz in Form einer dem Bundes-

1324 gericht unterstellten eidgenössischen Steuerrekurskommission zur Überprüfung jener Einspracheentscheide auch auf ihre Angemessenheit zu schaffen. Wir vermochten uns mit dieser organisatorisch und prozessual problematischen Anregung nicht zu befreunden. Schon damals und später in Artikel 124 des Vorentwurfes 1954 für ein Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Bundessteuerrechts - das nicht über diesen Vorentwurf hinaus gedieh - schwebte uns als Lösung vor, was wir nun in Artikel 103, Buchstabe c des vorliegenden Entwurfes verwirklichen; nur dass sich nach Buchstabe c die Ermessensüberprüfung auf die Festsetzung aller Abgaben, nicht nur von Steuern erstreckt. Der unklare, kontroverse und im Hinblick auf Artikel 104 des vorliegenden Entwurfes überflüssige Artikel 104, Absatz 2 OG kann dann ohne Not gestrichen werden.

Wir verhehlen die Bedenken nicht, die wir (trotz Eggenschwiler, ZSR Bd. 81, 1962,1, S. 484 ff) vor dieser Lösung mit einer Minderheit der Expertenkommission empfinden. Diese Lösung läuft leider auf einen Einbruch in das gesunde Prinzip hinaus, dass das Bundesgericht als Verwaltungsgericht nicht in die Niederungen der blossen Ermessenstreitigkeiten hinabsteigen und insofern Verwaltung ausüben soll; seine Ermessenkontrolle als Beschwerdeinstanz in den Materien von Film, Gcwasserschutz und Verantwortlichkeit, als einzige Instanz im Streite um einen vage umschriebenen Anspruch (BGE 88155/56) oder als Disziplinarbeschwerdeinstanz (BGE 711469) durchbricht das Prinzip allerdings schon jetzt. Anderseits erscheint eine, was die Kognition anbelangt, totale Verwaltungsgerichtsbarkeit des Bundesgerichts für die Festsetzung von Abgaben noch am ehesten vertretbar. Hier herrscht traditionell eine besonders intensive Spannung zwischen öffentlichen und privaten Interessen. Die Alternative einer eidgenössischen Steuerrekurskommission als neuer erster Beschwerdeinstanz mitvoller Kognition lehnen wir als un tunlich ab. Sie würde übrigens schlecht mit unserer Politik harmonieren, die Zahl der eidgenössischen Rekurskommissionen nicht noch mehr aufzublähen. Die Aufhebung der Filmrekurskommission und der Rekurskommission für den Erwerb von Grundstücken (in Abschnitt III/I und 2 des Entwurfes) entspringt letzterer Überlegung.

Art. 104 Es bestand kein Grund, vom Untersuchungsgrundsatz bei der Behandlung von Verwaltungsgerichtsbeschwerden abzugehen. Mit der Formulierung, wonach das Bundesgericht den Sachverhalt von Amtes wegen überprüfen kann, soll lediglich gesagt sein, dass das Gericht den Sachverhalt nur so weit zu erforschen hat, als dies für die Entscheidung des Rechtsstreits nötig ist. Dies ist auch die Praxis zu § 86, Absatz l der deutschen Verwaltungsgerichtsordnung, wo der Untersuchungsgrundsatz nicht fakultativ formuliert ist.

Ähnlich wie bei der Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof, soll das Bundcsgcricht in Zukunft an die tatsächlichen Feststellungen von gerichtlichen oder gerichtsähnlichen Vorinstanzen gebunden sein. Damit soll das Bundesgericht wenigstens teilweise vor Ermittlungen verschont werden, die erfahrungsgemäss besonders zeitraubend sind. Dies ist allerdings nur dort gerechtfertigt,

1325 WO die erstinstanzlichen Sachverhaltsermittlungen bereits durch ein Gericht oder durch eine gerichtsähnliche Instanz vollständig überprüft werden können, und somit dann nicht, wenn eine SachverhaltsfeststeUung offensichtlich unrichtig oder unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestünmungen zustande gekommen ist.

Art. 105 Bei Zwischenverfügungen, ist die Frist für die Einreichung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Interesse einer raschen Abwicklung des Verwaltungsverfahrens verkürzt worden. Für den Begriff der «Eröffnung» verweisen wir auf Artikel 31 ff des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren. Reicht ein Dritter Beschwerde ein, dem die Verfügung nicht eröffnet worden ist, so ist die Frist vom Augenblick an zu berechnen, da er von der Verfügung Kenntnis erhalten hat oder bei Anwendung der üblichen Sorgfalt erhalten konnte.

Art. 106 Diese neue Bestimmung ist eine Ergänzung zu Artikel 96, Absatz l OG, Sie ist notwendig geworden im Hinblick auf die Anfangsschwierigkeiten, denen die Verwaltungsbehörden bei der Handhabung des Entwurfs, vor allem bei der Abfassung von Rechtsmittelbelehrungen begegnen werden, und im Hinblick auf die immer umfangreicher werdende kantonale Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Art. 107 In der neuen Bestimmung des Artikels 107 sind die Vorschriften über die Form der Beschwerde, über die beizulegenden Dokumente und über das Vernehmlassungsrecht der zuständigen Instanzen der Bundesverwaltung (bisher Art. 90 und Art. 108 OG) zusammengefasst, angepasst und ergänzt.

Absatz 2 entspricht grundsätzlich dem bisherigen Artikel 107, Satz 2 in Verbindung mit Artikel 90 OG, wobei allerdings die Formvorschriften den Besonderheiten der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und ihre Formulierung derjenigen des Artikels 47, Absatz l und 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes angepasst worden sind.

Mit der Bestimmung von Absatz 3 wird dem Beschwerdef ührer die Möglichkeit gegeben, unklare Beschwerdevorbringen nachträglich auf Aufforderung des Bundesgerichts hin zu präzisieren, jedoch nur, wenn die Formvorschriften des Absatz 2 grundsätzlich erfüllt sind, d.h. wenn überhaupt Anträge und überhaupt eine Begründung in der Beschwerdeschrift enthalten sind. Keinesfalls soll mit dieser Bestimmung dem Beschwerdeführer gestattet werden, fristgemäss einen Beschwerdeantrag zu stellen und die Begründung für einen späteren Zeitpunkt aufzusparen.

Art. 110 Die Bestimmung des Artikels 110 wiederholt in Absatz l und 2 mit einigen geringfügigen Anpassungen den bisherigen Artikel 109 OG.

1326 Absatz 3 ist neben Absatz l ein weiterer Ausfluss des Grundsatzes, dass in Abgabestreitigkeiten der Prozess der Verfügungsbefugnis des Beschwerdeführers weitgehend entzogen ist. Das öffentliche Interesse an der richtigen Anwendung der Steuerrechtsnorrnen ist besonders gross. Eine «Offìzialisierung» des Beschwerdeverfahrens in Abgabesachen kann übrigens auch im Interesse des Abgabepflichtigen liegen. Das Bundesgericht hat auf Grund von Artikel 110, Absätze l und 3 des Entwurfs die Möglichkeit, rechtswidrige Abgabeverfügungen aufzuheben und damit dem Abgabepflichtigen das (finanziell viel gravierendere) Risiko eines Abgabestrafverfahrens zu ersparen.

Art.lll und 112 Diese Bestimmungen ersetzen die Artikel 110,111 und 113 OG. Nach dem Jngress von Artikel 111, Absatz l des Entwurfes sind alle nicht durch Verfügung zu erledigenden streitigen Ansprüche aus Öffentlichem Recht des Bundes, gleichgültig wessen oder gegen wen, ob vermögensrechtliche oder nicht vermögensrechtliche, ausser den als privalrechtliche geltenden nach Absatz 2 (= Art. 113, Buchstabe b OG), auf dem Wege der verwaltungsrechtlichen Klage zu verfolgen; zu den verrnögensrechtlichen gehören nach Absatz l, Buchstabe e - abweichend von Artikel 113, Buchstabe c OG - auch Subventionsansprüche. Die Aufzählung in Buchstaben a-k umfasst die wichtigsten Klagefälle und ist nicht erschöpfend. Die vcrwaltungsrechtliche Klage ist auch für andere Ansprüche zulässig, soweit das Spezialverwaltungsrecht die verwaltungsrechtliche Klage ausdrücklich zulässt oder das Bundesgericht als einzige Instanz vorschreibt und damit einen Anspruch als nicht durch Verfügung zu erledigend bezeichnet.

Schweigt es sich darüber aus und bezeichnet es weder ausdrücklich noch konkludcnt einen Anspruch als durch Verfügung zu erledigend, so ist die verwaltungsrechtliche Klage oder, wie diese mangels einer verfügenden Vorinstanz gemeinhin hcisst, der direkte verwaltungsrechtliche Prozess ebenfalls zulässig.

Umgekehrt ist die verwaltungsrechtliche Klage unzulässig, soweit ein Anspruch durch Verfügung zu erledigen ist, gleichgültig ob gegen die Verfügung die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig oder nach Artikel 99 ff unzulässig ist; die Vorinstanzen im Sinne von Artikel 98, der Bundesrat als einzige oder Beschwerdeinstanz oder die Bundesversammlung als Beschwerdeinstanz
treffen Verfügungen. Der hier verwendete Begriff der Verfügung deckt sich mit demjenigen in Artikel 97, der seinerseits auf Artikel 4 des Entwurfes für ein Verwaltungsverfahrensgesetz verweist. Nach dessen Absatz 3 gelten Stellungnahmen nach Artikel 114 des vorliegenden Entwurfes und andere Erklärungen der Verwaltung im Zusammenhang mit einer verwaltungsrechtlichen Klage nicht als Verfügungen.

Auch das Eidgenössische Versicherungsgericht beurteilt als einzige Instanz, beispielsweise nach revidiertem Artikel 86MB, Absatz 3 AHVG, Art. 69, Absatz 2 Invalidengesetz, Artikel 24, Absatz 3 der Erwerbscrsatzordnung (= Ziff.IlI/3-5 des Entwurfes) und Artikel 52, Absatz 3 des Militärversichcrungsgesetzes (AS 1949 H 1689), verwaltungsrechtliche Klagen über nicht durch Verfügung zu er-

1327 ledigende Ansprüche; die verwaUungsrechtliche Klage beim Bundesgericht ist dann nach Artikel 112 des Entwurfes unzulässig. Unzulässig ist sie nach Artikel 112 auch, soweit nach Artikel 83 OG die staatsrechtliche Klage oder nach Spezialverwaltungsrecht die Klage bei einer eidgenössischen Schiedskommission oder beikantonalen Gerichten zulässig ist. Die Zivilklage nach Artikel 41, Buchstabe a und b OG, d. h. der direkte Zivilprozess kommt für Ansprüche aus öffentlichem Bundesrecht zum vornherein nicht mehr in Frage (Birchmeier, Handbuch, S. 59), während die Klage bei kantonalen Gerichten für Ansprüche aus öffentlichem Bundesrecht beispielsweise nach Artikel 30bls und 120 KU VG und, wenn man die Ansprüche aus der PTT-Haftpflicht als solche aus öffentlichem Recht betrachtet (BGE 74 l 221), nach Artikel 3, Absatz 3, Buchstabe b des PTTOrganisationsgesetzes in Frage kommt. Insofern ist die verwaUungsrechtliche Klage subsidiär; diese Subsidiarität findet in der Subsidiarität der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach Artikel 101, Buchstabe a des Entwurfes ihre Parallele.

Die Gcneralklausel zugunsten der verwaltungsrechtlichen Klage, die über Artikel 110,111 und 113 OG hinausgeht, bildet das Gegenstück zu der Generalklausel zugunsten der Verwaltungsgerichtsbeschwerdc in Artikel 97,

Art. 113 Diese Bestimmung übernimmt unverändert Artikel 112 OG.

Art. 114 Die uns im bisherigen Artikel 114 OG eingeräumte Möglichkeit, den Kläger zu verpflichten, vor Einreichung einer Klage gegen den Bund die Stellungnahme der zuständigen Bundesbehörde einzuholen, befriedigt nicht. Schwierigkeiten ergeben sich für beide Parteien einmal daraus, dass die Einholung der Stellungnahme vor Ablauf einer eventuellen Klagefrist geschehen muss, wenn diese sich als Verwirkungsfrist qualifiziert (Birchmeier, Handbuch, S. 464). Auch herrscht keine genügende Klarheit über die Sanktion für einen zwar vor Ablauf dieser Klagefrist klagenden, aber jene Verpflichtung nicht erfüllenden Kläger: Nichteintreten (BGE 73 I 176) oder Sistierung der Klage (Birchmeier, Handbuch, S. 464) ? Nicht zuletzt im Hinblick darauf machen wir von der Ermächtigung in Artikel 114 OG keinen konsequenten Gebrauch. Einen konsequenten Gebrauch haben wir davon nur im Beamtenrecht gemacht, beispielsweise in Artikel 73 der Beamtenordnung l (AS 7959, 1742) und Artikel 64 der Beamtenordnung II (AS 1959, 1178). In Artikel 10, Absatz 2 des Verantwortlichkeitsgesctzes (AS 1958, 1416) steht eine ähnliche Bestimmung. Die diesen Bestimmungen derogierende neue Formel in Artikel 114 des Entwurfes bestätigt jene Verpflichtung, schwächt sie ab«r zu einer mittelbaren ab und vermeidet damit die geschilderten Schwierigkeiten.

Art. 115 Der bisherige Artikel 115, Absatz 2 OG befriedigt nicht, indem darnach in Verbindung mit Artikel 40 OG der direkte verwaltungsrechtliche Prozess sich

1328 primär nach Artikel 91-96 OG über das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde anstatt nach Bundeszivilprozess abwickeln soll. Dieser Parallelismus zwischen Beschwerdeverfahren und direktem verwaltungsrechtlichen Prozess erscheint heute problematisch. Der moderne und einfache Bundeszivilprozess von 1947 (AS 1948,485) mit seiner minimalen Formenstrenge passt auch für den direkten verwaltungsrechthchen Prozess, weshalb wir für diesen in Artikel 115, Absatz 3 den Bundeszivilprozess als Verfahren vorsehen. Um den Kläger im direkten verwaltungsrechthchen Prozess nicht schlechter zu stellen als den Beschwerdeführer im verwaltungsrechtlichen Beschwerdeverfahren, sehen wir jedoch in Absatz l vor, dass das Bundesgericht den Sachverhalt auch von Amtes wegen überprüfen kann, und befürworten insofern die Offiziahnaxime. Der Bundeszivilprozess selbst zieht in Artikel 36 die Offiziahnaxime in Betracht und nähert sich ihr in Artikel 37, wie er denn auch in den Artikeln 3 und 19 die gegenteilige Verhandlungs- und Eventualmaxime nicht absolut statuiert. In diesem Umfange erscheint uns eine Parallele zwischen direktem verwaltungsrechtlichem Prozess und Beschwerdeverfahren vertretbar. Artikel 115, Absatz l des Entwurfes bildet dann die Parallele zu Artikel 104, Absatz l. Eine andere erwünschte Parallele besteht zwischen Artikel 107, Absatz 3 des Entwurfes und Artikel 3, Absatz 2 des Bundeszivilprozesses.

Art. 117, Abs. l und Art. 123, Abs. 2 Wir verweisen hier auf unsere Ausführungen zur Vorgeschichte (lll.)und zu den Grundzügen des Entwurfs (IV.). Von den in Artikel 31 des Beamtengesetzes vorgesehenen Disziplinarstrafen gegen Beamte sind nach dem Entwurf nur noch die leichtesten (Verweis, Busse bis auf hundert Franken und Entzug von Fahrbegünstigungen) durch Disziplinarbeschwerde an den Bundesrat, bzw. an die Generaldirektion der SBB weiterziehbar.

Abschnitt II Ziffern \-4 bestätigen, gestützt auf Artikel 101, Buchstabe c und abweichend von Artikel 98, Buchstabe d die Endgültigkeit von Beschwerdcentscheiden der Rekurskommissionen für Nationalisierungsentschädigungcn und für kriegsgeschädigte Auslandschweizer, der Mietzinsrekurskommission und - soweit sich der Streit um die Zolltanflerung dreht - der Zollrekurskommission. Diese engen und, abgesehen von der Zolltariflerung, temporären Spezialmaterien mit technischem oder politischem Einschlag und, im Mieterschutz, vielen Bagatellen eignen sich nicht für die Verwaltungsgerichtsbarkeit des Bundesgerichts, aber auch nicht für die negative Enumeration in Artikel 99 und 100. Die negative Enumeration der Materien in Artikel 99, Buchstaben /, n uud o und in Artikel 100, Buchstabe e bewirkt, dass ausserdem die Entscheide folgender Rekursoder Schiedskommissionen endgültig bleiben: Rekurskommission der Linthebenemelioration nach Artikel 11, Ingress des Bundesgesetzes über die Melioration der Linthebene (AS 1964, 684); Pachtzinskommission nach Artikel 6, Absatz l, Satz 3 des Bundesgesetzes über die Kontrolle der landwirtschaftlichen

1329 Pachtzinse (AS 1961,277) ; Rekurskommission für Arbeitsbeschaffungsreserven nach Artikel 12, Absatz l des Bundesgesetzes über die Bildung von Arbeitsbeschaffungsreserven in der privaten Wirtschaft (AS 1952, 17); Beschwerdeabteilungen des Amtes für geistiges Eigentum nach Artikel 92, Absatz 3 des Patentgesetzes (AS 1955, 896) ; Schiedsgericht der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherungskommission nach Artikel 54, Absatz 3, Satz 2 AHVG (BS 8, 465) und Art. 65 des Invalidenversicherungsgesetzes (AS 1959, 844/845); Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten nach Artikel 4 des Urheberrechtsverwertungsgesetzes (BS2,835), soweit sich derStreit nicht um die Genehmigung eines Tarifes im Sinne von Artikel 4, Absatz 2 dreht. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht ist demnach, im Einklang mit Artikel 98, Buchstabe d und im Rahmen von Artikel 101, Buchstabe d des Entwurfes zulässig : neu gegen die Militärrekurskommission (auch im Einklang mit Artikel 99, Buchstabe e), die Zivilschutzrekurskommission (auch im Einklang mit Artikel 99, Buchstabe/), die Zollrekurskommission (soweit sich der Streit nicht um die Zolltarifierung dreht), die Alkoholrekurskornmission (mit der Reorganisation in Abschnitt KI, Ziffern 7 und 8 des Entwurfes), die Schiedskommission für die Transportpflicht nach Artikel 13, Absatz 2 des Rohrleitungsgesetzes (AS 1964, 103); und wie bisher gegen die Getreidekommission, die Rekurskommission der Uhrenindustrie, die Clearingkommission, die Schiedskommissionen für Pflichtlager und für die Verwertung von Urheberrechten (soweit sich der Streit um die Genehmigung eines Tarifes im Sinne von Artikel 4, Absatz 2 des Urheberrechtsverwertungsgesetzes dreht). Gegen die Rekurskommission der Schweizerischen Ausgleichskasse nach Artikel 84, Absatz 2 AHVG (AS 1954, 217) bleibt die Beschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht zulässig, und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht ist dann nach Artikel 101, Buchstabe a des Entwurfes unzulässig.

Abschnitt III Ziffer l und 2 heben die Filmrekurskommission und die Rekurskommission für den Erwerb von Grundstücken auf und übertragen deren Aufgaben dem Bundesgericht, das sie gerade so gut erfüllen kann wie die Berufsrichter, aus denen sich diese Rekurskommissionen zusammensetzen. Von den heute 2l
Rekurs- oder Schiedskommissionen verbleiben also noch 19, von denen nach Artikel 99, Buchstaben /, n und o, Artikel 100, Buchstabe e und Abschnitt II, Ziffer 1-4, des Entwurfes acht ausschliesslich und zwei teilweise endgültig, und zehn nach Artikel 98, Buchstabe d, und Artikel 101, Buchstabe d als Vorinstanzen des Bundesgerichtes entscheiden ; als Vorinstanz des Eidgenössischen Versicherungsgerichtes entscheidet die Rekurskommission der Schweizerischen Ausgleichskasse. Die Unterstellung von zehn anstatt heute fünf eidgenössischen Rekursoder Schiedskommissionen unter das Bundesgericht fördert die Konzentration der letztinstanzlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Hand dei Bundesgerichts und bannt die Gefahr der Rechtszersplitterung, welche die Zersplitterung der letztinstanzlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Hand endgültig entscheidender Rekurskommissionen in sich birgt.

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1330 Ziffern 3-7 hängen mit Artikel 99, Buchstabe o zusammen. Darnach ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig in der Materie von Organisation und Aufsicht über den Betrieb der Sozialversicherung. Diese Materie eignet sich - mit zwei Ausnahmen, auf die wir unter Ziffer 7 zurückkommen - nicht für die Verwaltungsgerichtsbarkeit des Bundesgerichts, aber auch nicht restlos für die Verwaltungsgerichtsbarkeit des mit der Sozialversicherung vertrauten Eidgenössischen Versicherungsgerichts. Das Eidgenössische Versicherungsgericht übt in der Sozialversicherung schon die letztinstanzliche Verwaltungsgerichtsbarkeit aus, soweit sich der Streit um die Leistungspflicht dreht und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht nach Artikel 101, Buchstabe a unzulässig ist. In den Ziffern 3-7 dehnen wir nun diese Verwaltungsgerichtsbarkeit auf das Gebiet der Organisation und Aufsicht über den Betrieb der Sozialversicherung aus. In den vereinzelten Resten dieser Materie, die sich auch für die Verwaltungsgerichtsbarkeit des Eidgenössischen Versicherungsgerichtes nicht eignen, soll der Bundesrat nach Ziffern 3-7 letzte Beschwerdeinstanz bleiben. Es handelt sich dabei im wesentlichen um die Errichtung und Auflösung von Ausgleichskassen nach Artikel 56 und 60 AHVG, die Genehmigung von Kassenstatuten nach Artikel 57 AHVG und Artikel 4 KUVG, die Genehmigung von Leitsätzen der gemeinnützigen Institutionen nach Artikel 15, Absatz 2 des AHVund IV-Ergänzungsleistungsgesetzes, die Anerkennung von Revisionsstellen nach Artikel 68 AHVG, die Anerkennung von Rückversicberungsverbänden und die Bewilligung für den Betrieb der Rückversicherung nach Artikel 27 KUVG, die Anerkennung von Präverttorien nach Artikel 19bis, Absatz 6 KUVG, die Genehmigung von Tarifverträgen nach Artikel 22, Absatz 3 KUVG (gegen welche die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch nach Art. 100, Buchstabe e des Entwurfes unzulässig ist, während sie gegen die Festsetzung von Einkommensgrenzen nach Art. 22, Abs. 2 und von Tarifen nach Art.22bl8 und 224uater schon deshalb unzulässig ist, weil es sich um kantonale Erlasse, nicht um Verfügungen im Sinne \on Art.97 handelt); ferner um individuelle Weisungen zur Sicherstellung der Behandlung nach Artikel 22ter KUVG sowie um individuelle Weisungen an Kassen und administrative Sanktionen nach Artikel 72 AHVG,
Artikel 33, Absätze l und 2 und Artikel 51 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AS 1951, 1180).

Ziffer 7 lässt abweichend von Artikel 99, Buchstabe o des Entwurfes im revidierten Artikel 60ter, Absatz 2 KUVG (= Art. 99, Ziff.X OG) die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Beschwerdeentscheide des Bundesamtes für Sozialversicherung über die Unterstellung unter die obligatorische Unfallversicherung zu. Die Gelegenheit wird benützt, um im revidierten Artikel 65, Absatz 2 und Artikel 65bls, Absatz 4 KUVG (= Art. 100, Buchstabe / des Entwurfes) die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Beschwerdeentscheide des Bundesamtes für Sozialversicherung über technische oder medizinische Weisungen in der Unfall- oder Krankheitsverhütung, und in den neuen Artikeln 68, Absatz 4, Artikel 95, Absatz 2 blB und Artikel 104, Absatz 3 KUVG die Endgültigkeit von Verfügungen der SUVA über freiwillige Leistungen, den Rentenauskauf und die Einteilung unterstellter Betriebe in die Tarif klassen des

1331 Prämientarifes zu bestätigen. Der Erlass des Prämientarifes durch den Verwaltungsrat der SUVA nach Artikel 44, Absatz l, Buchstabe dKUVG ist als sogenannte autonome Satzung zum vornherein keine beschwerdefähige Verfügung im Sinne von Artikel 97 des Entwurfes. Die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die ähnlichen Verfügungen des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit nach Artikel 5ff. des Arbeitsgesetzes (BEI 19641558) ergibt sich aus Artikel 100, ïngress und Buchstabe i des Entwurfes und Artikel 55, Absatz l des Arbeitsgesetzes, wenn man die Unterstellungsverfügungen als überwiegend technische und nicht als Feststellungsverfügungen betrachtet, gegen welche die Verwaltungsgerichtsbeschwerde stillschweigend zulässig ist. Nachdem die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen diese Unterstellungsverfügungen trotz ihres technischen Einschlages zulässig ist, sehen wir keinen Grund, sie nicht auch gegen die technischen oder medizinischen Weisungen von SUVA und BIGA zuzulassen.

Ziffern 8 und 9 ordnen neu die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bereich des Alkoholmonopols. Sie dehnen die Verwaltungsgerichtsbarkeit der Alkoholrekurskommission, die nach Artikel 98, Buchstabe d des Entwurfes Vorinstanz des Bundesgerichts ist, im revidierten Artikel 47, Absatz l des Alkoholgesetzes (AlkG) auf die Materien aus, in denen nach alt Artikel 49 AlkG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unmittelbar gegen die Alkoholverwaltung zulässig ist, ferner auf die kantonalen Kleinhandelsbewilligungen, gegen die nach alt Artikel 50, Absatz l, Buchstaben b und c AlkG die Beschwerde an das Finanz- und Zolldepartement und in letzter Instanz an den Bundesrat zulässig ist; gegen Sicherstellungsverfügungen der Alkoholverwaltung ist jedoch nach revidiertem Artikel 49 AlkG zunächst die Beschwerde an das Finanz- und Zolldepartement und zuletzt nach revidiertem Artikel 50, Absatz l AlkG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig, was auch für alle anderen Beschwerdeentscheide des Finanz- und Zolldepartements gilt, soweit sie nicht unter die negative Enumeration von Artikel 100 des Entwurfes fallen.

Abschnitt IV Die im Interesse der Rechtssicherheit wünschbare Anpassung der zahllosen im Spezialverwaltungsrecht verstreuten Rechtsschutzbestimmungen an unseren Entwurf beschränkt sich in Abschnitt II und l II des Entwurfes auf
das unbedingt Notwendige. Zur Begründung dieser Beschränkung und der Feststellung, dass einem Beschwerdeführer daraus kein Nachteil erwächst, dürfen wir Abschnitt VI a, E. unserer allgemeinen Vorbemerkungen in Erinnerung rufen. Im übrigen sind nach Abschnitt IV des Entwurfes die Rechtsschutzbestimmungen im Rahmen einer nächsten Revision des betreffenden Spezialverwaltungsrechts dem neuen Recht anzupassen. Um dies zu vereinfachen und möglichen Divergenzen zu Artikel 97 ff. einen Riegel zu schieben, schreibt Abschnitt IV dafür eine blosse Verweisung auf Artikel 97 ff. vor ; ein Muster dafür kann Artikel 50 des Alkoholgesetzes in Abschnitt III, Ziffer 8 des Entwurfes bieten.

1332

Abschnitt V Das hier verankerte Prinzip der Nichtrückwirkung bedarf keiner näheren Erörterung.

Wir beantragen Ihnen, auf die Beratung des Entwurfes einzutreten und ihn zum Beschluss zu erheben, ferner die Motion Glasson, Nr.7100 vom T.Juni 1957, und die Motion der Arbeitsgemeinschaft für die Abklärung der MirageAngelegenheit, Nr. 8947 vom 7. Oktober 1964, als erledigt abzuschreiben. Die Gesetzesinitiative König-Zürich, Nr. 9073 vom 24. September 1964, dürfte dank unserm Entwurf als gegenstandslos zu betrachten sein.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, den Ausdruck unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 24. September 1965.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Tschudi Der Bundeskanzler : Ch. Oser

1333 (Entwurf)

Bundesgesetz iiber die Anderung des Bundesgesetzes iiber die Organisation der Bundesrechtspflege Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 24. September 1965, beschliesst:

Das Bundesgesetz vom l6.Dezember 19431) iiber die Organisation der Bundesrechtspflege wird wie folgt geandert:

Fiinfter Titel Verwaltungsrechtspflege durch das Bimdesgericht Erster Abschnitt Das Bundesgericht ah Besdnverdeinstanz

Art. 97 Das Bundesgericht beurteilt unter Vorbehalt der Artikel 99 bis 101 Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen die sich auf offentliches Recht des Bundes stiitzenden Verfiigungen im Sinne von Artikel 4 des Bundesgesetzes vom uber das Verwaltungsverfahren.

I. Grundsatz

Art. 98 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist zulassig gegen Verfiigungen: «. der eidgenossischen Departemente und der Bundeskanzlei; b. der den Departementen untcrstcllten Dienstabteilungea, Anstalten oder Betriebe der Bundesverwaltung, die als Beschwer1) BS 3,531; AS 1955, 871; 1958, 360; 1959,902; 1963, 819.

II. Vorinstanzen

1334

c.

d.

e.

/.

g.

III. Unzulässigfceit der Verwalcungsgerichtsbeschwerde l.Nach Rechtsgebieten

de- oder Einspracheinstanzen entscheiden; verfügen sie als erste Instanzen, so ist unmittelbar die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig, soweit das Bundesrecht es vorsieht; autonomer eidgenössischer Anstalten oder Betriebe, soweit nicht das Bundesrecht gegen ihre Verfügungen zunächst die Beschwerde an eine Vorinstanz im Sinne von Buchstabe a oder è vorsieht; eidgenössischer Rekurs- oder Schiedskommissionen ; anderer eidgenössischer Kommissionen, soweit das Bundesrecht unmittelbar gegen ihre Verfügungen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorsieht; letzter Instanzen der Kantone, soweit nicht das Bundesrecht gegen ihre Verfügungen zunächst die Beschwerde an eine Vorinstanz im Sinne von Buchstaben a bis e vorsieht; anderer Körperschaften, Anstalten oder Organisationen ausserhalb der Bundesverwaltung, soweit sie in Ausübung ihnen übertragener öffentlichrechtlicher Aufgaben des Bundes verfügen und soweit das Bundesrecht unmittelbar gegen diese Verfügungen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorsieht.

Art. 99 Soweit das Bundesrecht nichts Abweichendes vorsieht, ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig gegen Verfügungen auf Grund von Bestimmungen über: a. die innere oder äussere Sicherheit des Landes, die Wahrung der Neutralität, die völkerrechtlichen Beziehungen einschliesslich des diplomatischen Schutzes ; b. das Asylrecht, die Internierung und die übrige Fremdenpolizei, ausgenommen Feststellungsverfügungen, Verweigerung oder Erteilung von Niederlassungsbewilligungen, auf die das Bundesrecht einen Anspruch einräumt, der Widerruf von Bewilligungen und die Ausweisung, die sich nicht auf Artikel 70 der Bundesverfassung stützt; c. die Einbürgerung, ausgenommen deren Nichtigerklärung, andere Feststellungsverfügungen, die Entlassung aus dem Bürgerrecht oder dessen Entzug; d. die eidgenössischen Wahlen, Volksbegehren und Abstimmungen; e. die Erfüllung der persönlichen Wehrpflicht, die militärische Organisation, die militärische Kommando- und Disziplinargewalt, den Schutz militärischer Objekte, die Landestopographie, den Verkehr mit Kriegsmaterial, das Pulverregal und die übrige Militärverwaltung,

1335

/.

g.

h.

/.

k,

/.

m.

ausgertommen Feststellungsverfügungen, Festsetzung, Sicherstellung oder Rückerstattung von Abgaben und Verfügungen über andere vermögensrechtliche Ansprüche, soweit es sich nicht um Schadenersatzansprüche unter 1000 Franken für Land- oder Sachschaden oder um die Einschätzung gemieteter oder requirierter Sachen handelt, unter Vorbehalt der verwaltungsrechtlichen Klage nach Artikel 111, Absatz l, Buchstabe c für Ansprüche aus Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen und der Berufung an das Eidgenössische Versicherungsgericht nach Artikel 57 des Bundesgesetzes vom 20. September 19491) über die Militärversicherung; den Zivilschutz, ausgenommen Feststellungsverfügungen und Verfügungen über vermögensrechtliche Ansprüche; das Dienstverhältnis des Bundespersonals einschliesslich der Personalversicherung, unter Vorbehalt der verwaltungsrechtlichen Klage für vermögensrechtliche Ansprüche nach Artikel 111, Absatz l, Buchstabe a, und der Beschwerde gegen Disziplinarverfügungen nach Artikel 117 ff ; das Strafrecht, das Strafverfahren oder die Auslieferung; die Enteignung, unter Vorbehalt der Weiterziehung von Verfügungen der Schätzungskommissionen an das Bundesgericht nach Artikel 77 ff des Bundesgesetzes vom 20. Juni 19302) über die Enteignung; die Nationalstrassen, den Strassenverkehr, die Luftfahrt, die Eisenbahnen oder andere konzessionierte oder der Bundesaufsicht unterstellte Transportmittel, ausgenommen Feststellungsverfügungen, Widerruf von Konzessionen, Bewilligungen oder Genehmigungen, Festsetzung, Sicherstellung oder Rückerstattung von Abgaben und Verfügungen über andere vermögensrechtliche Ansprüche, soweit es sich nicht um Ansprüche aus dem Tarif-, Tax-, Gebühren- und Transportwesen der Bundesbahnen handelt ; den Natur- und Heimatschutz, die Bodenverbesserungen einschliesslich der Melioration der Linthebene, die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes, die Investitionskredite und die ßetriebshilfe in der Landwirtschaft, die Kontrolle der landwirtschaftlichen Pachtzinse; die Arbeitsbeschaffungsreserven der privaten Wirtschaft; 4 AS 1949,1671.

)BS4,1133.

2

1336 n. die amtliche Vorprüfung der Anmeldung von Erfindungspatenten; o. die Organisation und die Aufsicht über den Betrieb der Sozialversicherung; p. die Aufsicht über die Vormundschaftsbehörden.

Art. 100 2, Nach dem angefochtenen Verfügungen

Soweit das Bundesrecht nichts Abweichendes vorsieht, ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausserdem unzulässig gegen: ^ Zwischenverfügungen, wenn gegen die Endverfügungen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig ist; b. die Festsetzung von Verfahrenskosten, von Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege oder von Parteientschädigungen, wenn gegen die Verfügungen in der Hauptsache die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig ist; c. Erlass oder Stundung von Abgaben; d. Verfügungen über die Vollstreckung von Verfügungen ; e. die Verweigerung der Genehmigung oder die Genehmigung von technischen Projekten oder von Tarifen, ausgenommen von Prämientarifen privater Versicherungsunternehmungen ; /. die Feststellung, ob oder mit welchem Erfolg jemand eine Prüfung bestanden hat, und Disziplinarstrafen gegen Studierende der Eidgenössischen Technischen Hochschule; g. die Verweigerung oder Bewilligung von Beiträgen oder anderen Zuwendungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt; unter Vorbehalt der verwaltungsrechtlichen Klage für Ansprüche nach Artikel 111, Absatz l, Buchstabe e; h. die Verweigerung, Erteilung oder Übertragung von Bewilligungen, Konzessionen oder Kontingenten, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt ; f. andere Verfügungen, die das Bundesrecht in das Ermessen legt oder überwiegend an unbestimmte oder technische Voraussetzungen knüpft, ausgenommen Weisungen an Betriebe auf dem Gebiete der technischen oder medizinischen Unfall- oder Krankheitsverhütung.

Art. 101 3. im übrigen

Im übrigen ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig gegen Verfügungen :

1337 a. gegen die das Bundesrecht ein anderes Rechtsmittel an das Bundesgericht ausser der staatsrechtlichen Beschwerde, ein Rechtsmittel an das Eidgenössische Versicherungsgericht oder zunächst die Beschwerde an eine Vorinstanz im Sinne von Artikel 98, Buchstaben a, b, d oder e zulässt; b. gegen die Artikel 67 ff. des Bundesgesetzes vom über das Verwaltungsverfahren oder ein späteres Bundesgesetz die Beschwerde an den Bundesrat zulassen; c. die Ziffer II dieses Gesetzes oder ein späteres Bundesgesetz als endgültig erklärt; d. eidgenössischer Rekurs- oder Schiedskommissionen, wenn der Streitwert 8000 Franken nicht erreicht; vorbehalten bleiben Bestimmungen des Bundesrechts, welche die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde von einem niedrigeren Streitwert abhängig machen.

Art. 102 Zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind berechtigt : a. wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges eigenes Interesse an deren Aufhebung oder Änderung geltend macht ; b. die vom Bundesrat zu bezeichnenden eidgenössischen Verwaltungsbehörden gegen Verfügungen letzter kantonaler Instanzen oder von Vorinstanzen im Sinne von Artikel 98, Buchstaben d und g, die alle ihre mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbaren Verfügungen sofort und unentgeltlich den zuständigen eidgenössischen. Verwaltungsbehörden mitzuteilen haben ; c. andere Behörden, Organisationen oder Personen, die das Bundesrecht zur Beschwerde berechtigt.

W. Verfahren 1. Beschwerdelegitunation

Art. 103 Der Beschwerdeführer kann mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde rügen: a. Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens ; b. unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts, unter Vorbehalt von Artikel 104, Absatz 2; c. Unangemesscnheit, soweit sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung einer Vorinstanz im Sinne von Artikel 98, Buchstaben « bis c, e und g über die Festsetzung einer Abgabe richtet oder soweit das Bundesrecht die Rüge der Unangemessenheit sonst vorsieht.

2. Beschwerdegrunde

1338 Art. 104 3, Tatsüchcnfcststellung

4. Beschwerdefnst a. Im allgemeinen

1

Das Bundesgericht kann die Feststellung des Sachverhaltes auch von Amtes wegen überprüfen.

2 Richtet sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung einer eidgenössischen Rekurs- oder Schiedskommission, eines kantonalen Gerichts oder einer kantonalen Rekurskommission, so ist deren Feststellung des Sachverhaltes für das Bundesgericht verbindlich, wenn sie nicht offensichtlich unrichtig oder unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen zustande gekommen ist.

Art. 105 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist dem Bundesgericht innert 30 Tagen, gegen Zwischenverfügungen innert 10 Tagen seit Eröffnung der Verfügungen einzureichen.

Art. 106

6. Im Falle irrtümlicher Anrufung einer kantonalen Behörde

5 tìcschwcrdeschrift

Führt jemand gegen eine kantonale Verfügung, die keine Rechtsmittelbelehrung enthält oder deren Rechtsmittelbelehrung die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht nennt, Beschwerde an eine unzuständige kantonale Behörde anstatt Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht, so findet Artikel 96 sinngemäss Anwendung.

Art. 107 1 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist dem Bundesgericht mindestens im Doppel oder, wenn sie sich gegen die Verfügung einer letzten kantonalen Instanz richtet, in dreifacher Ausfertigung einzureichen.

2 Sie hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten. Eine Ausfertigung der angefochtenen Verfügung und die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit der Beschwerdeführer sie in Händen hat.

3 Fehlen die Beilagen oder lassen die Begehren des Beschwerdeführers oder die Begründung der Beschwerde die nötige Klarheit vermissen und stellt sich die Beschwerde nicht als offensichtlich unzulässig heraus, so ist dem Beschwerdeführer eine kurze Nachfrist zur Behebung des Mangels anzusetzen, mit Androhen des Nichteintrctens.

4 Stellt sich eine Beschwerde gegen die Verfügung einer letzten kantonalen Instanz nicht als offensichtlich unzulässig oder ungerechtfertigt heraus, so ist auch die Vernehmlassung der eidgenössischen Verwaltungsbehörde einzuholen, die zur Beschwerde berechtigt gewesen wäre; das Urteil ist ihr mitzuteilen.

1339 Art. 108 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung, soweit diese nicht auf Begehren des Beschwerdeführers vom Präsidenten der urteilenden Kammer des Bundesgerichts vorsorglich verfügt wird; vorbehalten bleiben abweichende Bestimmungen des Bundesrechts.

6. Aufschiebende Wirkung

Art. 109 Auf das Verfahren finden im übrigen Artikel 91 bis 96 sinn- ?- verfahren im ubn8 gemäss Anwendung.

TM

Art. 110 1

Das Bundesgericht darf nicht über die Begehren der Parteien s. Urteil hinausgehen, ausser in Streitigkeiten über Abgaben; an die Begründung der Begehren ist es nicht gebunden.

2 Hebt das Bundesgericht die angefochtene Verfügung auf, so entscheidet es selbst in der Sache oder weist diese zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück.

3 In Streitigkeiten über die Festsetzung von Abgaben ist das Beschwerdeverfahren trotz Rückzug der Beschwerde fortzusetzen, wenn hinlängliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verfügung Bundesrecht verletzt.

Zweiter Abschnitt Das Bundesgericht als einzige Instanz

Art. 111 1

Das Bundesgericht beurteilt als einzige Instanz verwaltungs- i. Grundsatz rechtliche Klagen über streitige Ansprüche aus öffentlichem Recht des Bundes, die nicht durch Verfügung im Sinne von Artikel 97 zu erledigen sind, insbesondere Ansprüche : a. aus dem Dienstverhältnis des Bundespersonals einschliesslich der Personalversicherung; b. aus öffentlichrechtlichen Verträgen ; c. auf Schadenersatz; d. auf Herausgabe unrechtmässig erworbener Vermögensvorteile ; e. auf Beiträge oder andere Zuwendungen der öffentlichen Hand oder auf Rückerstattung von Zuwendungen; /. auf die oder aus der Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne von Artikel 98, Buchstabe g;

1340 g. aus der Verteilung von Abgabeerträgen oder Kosten zwischen Bund und Kantonen oder zwischen Kantonen; h. aus der Verteilung anderer Kosten, wenn mehrere eine Verpflichtung gemeinsam zu erfüllen haben oder wenn einer aus Anlagen oder sonstigen Vorkehren des anderen einen Vorteil zieht; i. auf ganze oder teilweise Befreiung von kantonalen Abgaben; k. gegen Kartelle oder ähnliche Organisationen aus Artikel 22 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 19621).

2 Ansprüche aus dem Tarif-, Tax-, Gebühren- und Transportwesen der Bundesbahnen gelten nicht als Ansprüche im Sinne von Absatz 1.

Art. 112 IL UnzulässigwEdtungsrecntHohen Kiügc

Die verwaltungsrechtliche Klage ist unzulässig, soweit die Beurteilung des Streites dem Bundesgericht nach Artikel 83, dem Eidgenössischen Versicherungsgericht, einer eidgenössischen Schiedskommission oder einem kantonalen Gericht zusteht.

m. Prorogation

Das Bundesgericht ist verpflichtet, als einzige Instanz die Beurteilung anderer Streitigkeiten verwaltungsrechtlicher Natur zu übernehmen, wenn es von beiden Parteien angerufen wird und der Streitwert in Streitigkeiten vermögensrechtlicher Natur wenigstens 20000 Franken beträgt.

Art. 113

Art. 114 IV. Verfahren 1. Vorverfahren

Reicht jemand eine verwaltungsrechtliche Klage gegen den Bund ein, ohne vorher um die Stellungnahme der vom Bundesrat zu bezeichnenden Bundesbehörde nachzusuchen, und anerkennt diese in der Folge den eingeklagten Anspruch, so findet Artikel 156, Absatz 6 sinngemäss Anwendung.

Art. 115 2. Im übrigen

1

Das Bundesgericht kann den Sachverhalt auch von Amtes wegen feststellen.

3 Es darf nicht über die Rechtsbegehren der Parteien hinausgehen ; an deren Begründung ist es nicht gebunden.

3 Im übrigen findet das Bundesgesetz vom 4. Dezember 19472) über den Bundcszivilprozess sinngemäss Anwendung.

*) AS 1964, 53.

) AS 1948, 485.

2

1341 Dritter Abschnitt

Kantonale verwaltungsrechtliche Streitigkeiten Art. 116 unverändert.

Sechster Titel .

Disziplinarrechtspflege durch das Bundesgericht Art. 117, Abs. l Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zulässig gegen fol- Zuständigkeit gende über Bundesbeamte verhängte Disziplinarstrafen : a. disziplinarische Entlassung; b. Versetzung in das provisorische Dienstverhältnis; c. Kürzung oder Einstellung der ordentlichen Besoldungserhöhung; d. Herabsetzung der Besoldung im Rahmen der für das Amt massgebenden Ansätze; e. strafweise Versetzung im Dienste oder Rückversetzung im Amte mit gleicher oder geringerer Besoldung, gegebenenfalls unter Kürzung oder Entzug der Umzugskosten; /. vorübergehende EinsteEung im Amte mit Kürzung oder Entzug der Besoldung.

1

Art. 123, Abs. 2 Hält das Bundesgericht eine Disziplinarstrafe im Sinne von Artikel 117, Absatz l, Buchstaben b bis/für nicht gerechtfertigt, so hebt es sie auf.

a

II Folgende Bestimmungen zugunsten der Endgültigkeit von Verfügungen bleiben nach Artikel 101, Buchstabe c vorbehalten: 1. Bundesbeschluss vom 21.Dezember 19501) über die Bestellung einer Kommission und einer Rekurskommission für Nationalisierungsentschädigungen : Art. 4, Abs. l (unverändert).

2. Bundesbeschluss vom 13. Juni 19572) über eine ausserordentliche Hilfe an Auslandschweizer und Rückwanderer, die infolge des Krieges von 1939 bis 1945 Schäden erlitten haben: Art, 7, Abs. 2 (unverändert).

*) AS 1951, 365.

) AS 1957, 967.

2

1342 3. Bundesgesetz vom I.Oktober 19251) über das Zollwesen: Art. 111 mit folgender Änderung und Ergänzung: Über Beschwerden gegen Verfügungen einer ihr nachgeordneten Stelle oder eines ihr unterstellten Beamten entscheidet die Zollkreisdirektion, über Beschwerden gegen Verfügungen der ZoHkreisdirektion die Oberzolldirektion. Über Beschwerden gegen Verfügungen der Oberzolldirektion entscheidet: a. die Rekurskommission, wenn es sich um die Festsetzung des Zollbetrages handelt, unter Vorbehalt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Rekurskommission an das Bundesgericht, wenn der Streitwert wenigstens 8000 Franken beträgt; das Bundesgericht ist an den Entscheid der Rekurskommission über die Tarifierung gebunden ; b. das Bundesgericht, soweit es sich um andere Verfügungen handelt, ausgenommen Strafen oder Ordnungsbussen; c. das Finanz- und Zolldepartement, unter Vorbehalt der Beschwerde gegen seinen Entscheid an den Bundesrat, soweit es sich um Strafen oder Ordnungsbussen handelt und soweit die Beschwerde nach Artikel 87 ff zulässig ist.

4. Bundesbeschluss vom 21.Dezember I9602) über Mietzinse für Immobilien und die Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte.

Art. 20, Abs. 3, zweiter Satz (unverändert).

III Folgende Bestimmungen werden geändert, ergänzt oder aufgehoben: 1. Bundesgesetz vom 28. September 19623) über das Filmwesen: Art. 16, Abs. 2: aufgehoben.

Art. 17 1 Verfügungen des Eidgenössischen Departements des Innern über Kontingente und Einfuhrbewilligungen können auf dem Wege der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden.

2 Für das Verfahren gelten die Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit der Abweichung, dass die angefochtenen Verfügungen auch auf ihre Angemessenheit überprüfbar und dass die Berufsverbände des Filmwesens ebenfalls zur Beschwerde berechtigt sind.

') BS 6,465.

2 ) AS 1961,284.

3 ) AS 1962,1706.

1343 Art. 20, Abs. 2 2 Letztinstanzliche kantonale Entscheide können auf dem Wege der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden. Für das Verfahren gelten die Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit der Abweichung, dass die angefochtenen Entscheide auch auf ihre Angemessenheit überprüfbar und dass die Berufsverbände des Filmwesens ebenfalls zur Beschwerde berechtigt sind.

2. Bundesbeschluss vom 23. März 196l1) über die Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland:

Art. 8, Abs. l 1 Letztinstanzliche kantonale Entscheide können innert 30 Tagen auf dem Wege der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden; vorbehalten bleibt Absatz 6.

Art. 8, Abs. 2, 3 und 4: aufgehoben.

3. Bundesgesetz vom 20.Dezember 1946") über die Altersund Hinterlassenenversicherung : Art. 86MB (neu) 1 Der Bundesrat beurteilt in letzter Instanz, unter Vorbehalt im übrigen von Absatz 2 und 3, Beschwerden gegen Verfügungen der Aufsichtsbehörden, die sich auf den ersten Teil dieses Gesetzes stützen.

2 Das Eidgenössische Versicherungsgericht beurteilt Beschwerden gegen Verfügungen des Bundesamtes für Sozialversicherung, die sich auf Artikel 50, 55 und 64 dieses Gesetzes stützen, 3 Es beurteilt ausserdem als einzige Instanz verwaltungsrechtliche Klagen über Ansprüche aus dem ersten Teil dieses Gesetzes, unter Vorbehalt der Zuständigkeit des Bundesgerichtes nach Artikel 94, Absatz 3.

4 Artikel 86, Absatz 2 dieses Gesetzes findet sinngemäss Anwendung.

Art. 70, Abs. 2, zweiter Satz: aufgehoben.

4. Bundesgesetz vom 19. Juni 19593) über die Invalidenversicherung :

Art. 69, Abs. 2 und 3 (neu) 2 Auf andere verwaltungsrechtliche Streitigkeiten aus der Anwendung des ersten und zweiten Teils dieses Gesetzes findet *) AS 1961, 203.

*) BS 8,447.

3 ) AS 1959, 827.

1344 Artikel So*13 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung sinngemäss Anwendung.

3 Die Beschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht ist auch gegen Verfügungen des Bundesamtes für Sozialversicherung und der kantonalen Schiedsgerichte in Anwendung von Artikel 26 sowie gegen Verfügungen des Bundesamtes für Sozialversicherung über die Zuständigkeit der InvalidenversicherungsKommissionen und der Regionalstellen zulässig.

5. Bundesgesetz vom 19. März 19651) über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung : Art. 14, Abs. 4 und 5 (neu) 4 Der Bundesrat beurteilt in letzter Instanz, unter Vorbehalt von Absatz 5, Beschwerden gegen Verfügungen der Aufsichtsbehörden, die sich auf dieses Gesetz stützen.

6 Das Eidgenössische Versicherungsgericht beurteilt als einzige Instanz verwaltungsrechtliche Klagen über Ansprüche aus diesem Gesetz, soweit es darüber nicht als Beschwerdeinstanz nach Artikel 8 urteilt.

6. Bundesgesetz vom 25. September 19522) über die Erwerbsausfallentschädigungen an Wehrpflichtige:

Art. 24, Abs. 3 (neu) 3 Auf andere verwaltungsrechtliche Streitigkeiten aus der Anwendung dieses Gesetzes findet Artikel 86bls des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung sinngemäss Anwendung.

7. Bundesgesetz vom IS.Juni 191P) über die Kranken- und Unfallversicherung :

im übrigen

Art. 30"uiuer (neu) l Der Bundesrat beurteilt in letzter Instanz, unter Vorbehalt von Absatz 2, Beschwerden gegen Verfügungen der eidgenössischen Aufsichtsbehörden und Beschwerden gegen letztinstanzliche kantonale Verfügungen, die sich auf dieses Gesetz stützen und nicht von den kantonalen Schiedsgerichten oder Versicherungsgerichten ausgehen.

2 Das Eidgenössische Versicherungsgericht beurteilt Beschwerden gegen folgende Verfügungen der eidgenössischen Aufsichtsbehörden : *) AS 1965, 537.

2 ) AS 1952,1021; 1959, 567.

3 ) BS 8, 281 ; AS 1948, 329.

1345 a. Anerkennung von Krankenkassen und Entzug dieser Anerkennung, Sperre und Aberkennung von Bundesbeiträgen nach Artikel 3,4 und 33 ; b. Genehmigung von Erlassen der Kantone und Gemeinden über die obligatorische Krankenversicherung nach Artikel 2, Absatz 3; c. Anerkennung der kantonalen Befähigungsausweise für Chiropraktoren nach Artikel 21, Absatz 4.

3 Artikel 30ter, Absatz 3 findet sinngemäss Anwendung.

Art. 60ter, Abs. 2 2 Gegen Verfügungen der Anstalt über die Unterstellung unter die obligatorische Unfallversicherung ist die Beschwerde an das Bundesamt für Sozialversicherung, gegen dessen Beschwerdeentscheide die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig. Die Anstalt ist ebenfalls zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt und geniesst die Rechte einer Partei.

Art. 65, Abs. 2 2 Die Anstalt erlässt nach, Anhörung der Beteiligten entsprechende Weisungen; gegen diese Verfügungen ist die Beschwerde an das Bundesamt für Sozialversicherung und gegen dessen Beschwerdeentscheide die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig. Die Anstalt ist ebenfalls zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt und geniesst die Rechte einer Partei.

Art. 65»19, Abs. 4 4 Die Anstalt besorgt den Vollzug der auf Grund von Absatz l bis 3 ergangenen Verordnungen. Sie erlässt ihre Weisungen nach Anhörung der Beteiligten ; gegen diese Verfügungen ist die Beschwerde an das Bundesamt für Sozialversicherung und gegen dessen Beschwerdeentscheide die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig. Die Anstalt ist ebenfalls zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt und geniesst die Rechte einer Partei.

Art. 68, Abs. 4 (neu) Soweit die Anstalt für Härtefälle freiwillige Leistungen vorsieht, verfügt sie über deren Gewährung endgültig.

4

Art. 95, Abs. 2Ws (neu) 2bls Verfügungen der Anstalt nach Absätzen l und 2 sind endgültig.

Bundesblstt. 117. Jahrg. Bd.n,

90

1346 Art. 104, Abs. 3 (neu) 3 Der Verwaltungsrat entscheidet endgültig.

8. Bundesgesetz vom 21. Juni 19321) über die gebrannten Wasser : I. Beschwerde an die Alkoholrekutskommission 1. Zuständigkeit

II. Verwaltungsbeschwerde

III. Verwaltungsgetichtsbesehwerde

Art. 47, Abs. l 1 Die eidgenössische Alkoholrekurskommission beurteilt Beschwerden gegen die Verfügungen, welche die Alkoholverwaltung als erste oder als Beschwerdeinstanz erlässt, betreffend: a. Umfang des Alkoholmonopols ; b. Erteilung, Verweigerung, Entzug und Nichterneuerung von Konzessionen sowie des Rechtes zur Erteilung von Brennaufträgen; c. Verweigerung und Entzug von Handelsbewilligungen ; d. Verwendung von verbilligtem Sprit und Industriesprit; e. Übernahme und Abgabe gebrannter Wasser durch die Alkoholvcrwaltung; /. Erhebung und Rückervergütung der Steuer auf Spezialitätenbranntwein und der Selbstverkaufsabgabe auf Kernobstbranntwein, sowie Festsetzung der Ersatzleistung für fiskalische Ausfälle und des Schadenersatzes; · g. Erhebung und Rückervergütung der Monopol-, Zuschlagsund Ausgleichsgebühren; h. Nach- und Rückforderung von Abgaben, Art. 49 1 Gegen andere als die in Artikel 47 genannten Verfügungen der Alkoholverwaltung ist die Beschwerde an das Finanz- und Zolldepartement zulässig.

3 Gegen Verfügungen, die von Zollorganen in Anwendung der Alkoholgesetzgebung getroffen werden, ist die Beschwerde an die Alkoholverwaltung zulässig; ausgenommen sind Strafverfügungen der Zollverwaltung auf Grund von Artikel 60, Absatz l, aufweiche das Beschwerdeverfahren der Zollgesetzgebung Anwendung findet.

Art. 50 1 Entscheide der Alkoholrekurskommission und des Finanzund Zolldepartementes unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht, soweit diese nach Artikel 97 ff des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege zulässig ist.

2 Entscheide des Finanz- und Zolldepartements, gegen welche die Verwaltungsgerichtsbcschwerde unzulässig ist, unterliegen der Beschwerde an den Bundesrat.

l

)BS6, 857; AS1950, 72.

1347 Art. 6, Abs. 4, Art. 40, Abs. 7, Art. 64, Abs. 3, letzter Satz und Art. 67, Abs. 3 letzter Satz: aufgehoben.

9. Bundesgesetz vom 23. Juni 19441) über die Konzessionierung der Hausbrennerei : Art. 11 : aufgehoben.

IV Alle diesem Gesetz widersprechenden Bestimmungen sind aufgehoben.

2 Die ganz oder teilweise aufgehobenen Bestimmungen sind bei sich bietender Gelegenheit durch einen einheitlichen Hinweis auf dieses Gesetz zu ersetzen.

1

V Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes.

2 Dieses Gesetz findet Anwendung auf die Beschwerdefälle, in denen die Beschwerdefrist nach diesem Zeitpunkt zu laufen beginnt ; die Zuständigkeit für die Beurteilung von Beschwerden gegen vorher eröffnete Entscheide bestimmt sich nach dem bisher geltenden Recht.

1

!) BS 6, 944.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bunde (Vom 24. September 1965)

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