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Bericht des Bundesrates an die erweiterte Kommission des Nationalrates für auswärtige Angelegenheiten über die Beschränkung und Herabsetzung des Bestandes an ausländischen Arbeitskräften (Vom 9. Februar 1965) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Am 4. November 1964 haben wir den Eidgenössischen Räten eine Botschaft betreffend die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Italien über die Auswanderung italienischer Arbeitskräfte nach der Schweiz unterbreitet. Die Kommission hat an der Sitzung vom 27. November 1964 ihre Beratungen ausgesetzt und den Bundesrat ersucht, «die Verhältnisse mit Bezug auf die Überforderung unserer Wirtschaft und die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte näher abzuklären und wirksame Massnahmen zur Sanierung des derzeitigen Zustandes zu ergreifen».

Wir beehren uns, Ihnen hiemit den gewünschten Bericht zu unterbreiten.

Dieser gibt zunächst einen Überblick über die bisherige Zulassungspolitik und die Entwicklung des Bestandes an ausländischen Arbeitskräften (Ziff.I) und orientiert über die Auswirkungen der bisherigen Massnahmen (Ziff. II). Anschliessend werden die Sofortmassnahmen des Bundesrates dargestellt (Ziff. III).

Der letzte Abschnitt befasst sich mit den auf längere Sicht zu ergreifenden Vorkehren zur Reduktion des Ausländerbestandes (Ziff. IV).

I. Die bisherige Zulassungspolitik und die Entwicklung des Bestandes an ausländischen Arbeitskräften

1. Das Ausländerproblem ist für die Schweiz nicht neu. Die Schweiz war während Jahrhunderten ein Auswanderungsland. Da der karge Boden unseres Landes die zunehmende Bevölkerung nicht zu ernähren vermochte, waren Zehntausende von Schweizern genötigt, in fremde Kriegsdienste zu ziehen.

Erst als nach 1800 die Fabrikindustrie in der Schweiz FUSS fasste, hörte diese Auswanderung auf. Mit der zunehmenden Industrialisierung und dem Eisenbahnbau setzte eine Einwanderung aus dem Ausland ein, die besonders in der Zeit von 1880 bis 1910 einen grossen Umfang annahm. Es gab damals noch

332 keine fremdenpolizeilichen Zulassungsbeschränkungen, und die Arbeitskräfte konnten sich ohne Pass frei über die Grenzen bewegen. Im Jahre 1910 zählte die Schweiz bei einer Einwohnerzahl von 3,7 Millionen 550000 Ausländer, was einem Anteil von 14,7 Prozent an der Wohnbevölkerung entsprach. Die Zahl der Ausländer sank dann als Folge des ersten Weltkrieges und der Wirtschaftskrise der Dreissiger-Jahre auf einen Tiefstand von 224000 im Jahre 194).

2. In der Nachkriegszeit hat eine neue stürmische Wachstumsperiode eingesetzt, die in der schweizerischen Wirtschaftsgeschichte einzig dasteht. Auch diesmal reichte das einheimische Arbeitskräftepotential nicht aus. Die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte nahm von Jahr zu Jahr zu. Ihr Bestand stieg von 106000 im Februar 1949 auf 546000 im Februar 1964 und von 271000 im August 1955 auf 721000 im August 1964. Nach den Augusterhebungen, die seit 1955 durchgeführt werden und die jeweils den Jahreshöchstbestand der Beschäftigung wiedergeben, hat sich die Zahl der Fremdarbeiter seit 1959 wie folgt entwickelt: Jahre

Anzahl

1959 1960 1961 1962 1963

364 778 435 476 548 312 644706 690013 720 901

1964

Zunahme gegenüber dem Vorjahr absolut in Prozent

70698 112836 96394 45307 30888

19,4 25,9 17,6 7,0 4,5

Eine Aufgliederung des Bestandes nach Geschlecht und Bewilligungskategorien ergibt folgendes Bild: Anzahl

Männer Frauen .

, . ..

Saisonarbeiter . . . .

Nichtsaisonarbeiter Grenzgänger

1959

1964

Zunahme absolut in Prozent

232 292 132 486 114056 215 809 34913

501 637 219 264 206 305 465 366 49230

+ 269 345 + 1160 + 86 778 + 65 5 + 92249 + 809 + 249 557 + 115 6 + 14317 + 41.0

Über die Verteilung der ausländischen Arbeitskräfte auf die wichtigsten Berufsgruppen orientiert die nachstehende Übersicht.

Bestand August 1959 1964

Bauberufe : 82662 50240 Metallbearbeitung ....

38637 Textil- und Bekleidungsarbeiter ...

60515 Gastgewerbliche Berufe Kaufmännische und technische Berufe . , . 13481 9612 Holz- und K.orkbearbeitung . ., Nahrungs- und Genussmittel 10225 31 513 Hausdienst 29647 Landwirtschaft Gärtnerei ....

38246 Übrige Berufsgrappen Total 364 778

186299 138132 81557 75909 42462 25593 25102 24730 17911 103 206 720 901

Veränderung absolut in Prozent

+ 103 637 + 87 892 + 42920 + 15394 + 28981 + 15981 + 14877 -- 6783 -- 11 736 + 64960 + 356123

+ 125 + 175 + 111 + 25 + 215 + 166 + 145 -- 22 -- 40 + 170 + 98

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Für Einzelheiten verweisen wir auf den Artikel «Zum Problem der ausländischen Arbeitskräfte», der in Heft 10 der «Volkswirtschaft» 1964 erschienen ist. Die starke Zunahme des Ausländerbestandes in den 1950er Jahren und speziell nach 1960 ist nichts anderes als das Spiegelbild der Hochkonjunktur.

3. Die Zulassungspolitik stützt sich auf Artikel 16, Absatz l des Bundesgesetzes vom 26. März 1931/8. Oktober 1948 (BS l, 121; AS 1949, 221) über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG), wonach die Bewilligungsbehörden bei ihren Entscheidungen die geistigen und wirtschaftlichen Interessen sowie den Grad der Überfremdung des Landes zu berücksichtigen haben. Sie war bis vor wenigen Jahren vorwiegend auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes ausgerichtet. Die Aufenthaltsbewilligung wurde im allgemeinen erteilt, wenn der Arbeitgeber ein Bedürfnis für zusätzliche Arbeitskräfte darlegte und nachweisen konnte, dass keine einheimischen Arbeitskräfte zu finden waren. Wie statistische Erhebungen aus den Jahren 1953, 1956 und 1959 ergaben, handelte es sich damals zum grossen Teil um Arbeitskräfte, die sich nur während weniger Jahre in unserem Lande aufhielten, so dass sich der Bestand ständig umschichtete und deshalb die Gefahr einer dauernden Festsetzung gering war.

Es ist heute leicht, die bisherige Zulassungspolitik zu kritisieren. Es darf aber nicht übersehen werden, dass nur die Heranziehung einer ständig wachsenden Zahl von Ausländern es der schweizerischen Wirtschaft ermöglicht hat, ihre Produktionsanlagen zu erweitern, die Absatzchancen auf dem Weltmarkt auszunützen und sich erfolgreich im internationalen Wettbewerb zu behaupten.

Das Heer von ausländischen Arbeitskräften hat zu einer raschen Steigerung des Volkseinkommens in der Nachkriegszeit und damit zur allgemeinen Wohlstandsvermehrung beigetragen. Die jahrelange fast unbeschränkte Möglichkeit der Beschaffung von Arbeitskräften hat es den Unternehmern ermöglicht, ihre Kapazität bis zum äussersten auszunützen, ihre Betriebe zu vergrössem und die neu geschaffenen Arbeitsplätze immer wieder zu besetzen.

Dank dem ständigen Zustrom von Ausländern blieb das Angebot auf dem Arbeitsmarkt hoch, so dass ein Wachstum der schweizerischen Wirtschaft bei relativer Stabilität von Löhnen und Preisen möglich erschien; der Preis der Überfremdung erschien in diesem
Zeitpunkt keinem Kritiker als drückend.

Sicherlich hat die Beschäftigung einer grossen Zahl von ausländischen Arbeitskräften, wenigstens in den ersten Jahren, auch auf den Preisanstieg verzögernd gewirkt und die Lohnerhöhungen zu realen werden lassen. Die Mitwirkung von Hunderttausenden von Ausländern hat das Volumen der produzierten Sachgüter und Dienstleistungen stärker ansteigen lassen als die Nachfrage nach Konsumgütcrn. Die Ausländer konsumieren einen grossen Teil ihres Einkommens nicht in der Schweiz, sondern überweisen es in ihre Heimat, Die Konjunkturbeobachtungskommission schätzt die Lohnsumme der Ausländer auf 4,7 Milliarden, von denen annähernd 1,5 Milliarden als Ersparnis ins Ausland überwiesen worden sind. Diese 1,5 Milliarden traten auf dem schweizerischen Markt nicht als Nachfrage auf, so dass sich eine relative Beschränkung der Nachfrage nach Konsumgütern ergab. Die liberale Zulassungspolitik wirkte

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wenigstens am Anfang, inflationistischen Tendenzen entgegen, indem sie keine grossen Spannungen auf dem Arbeitsmarkt aufkommen liess und damit einen überstürzten Lohn- und Preisauftrieb verhinderte. Die Steigerung des Reallohnes konnte in der Schweiz bis 1961 verhältnismässig inflationsfrei erzielt werden, wofür die starke Ausweitung der Beschäftigtenzahl durch den Zuzug von Ausländern mit ein Grund gewesen sein dürfte. Die ganze Volkswirtschaft, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, schien von dieser Lösung zu profitieren.

4. Andererseits darf nicht übersehen werden, dass zwischen dem starken Zustrom an ausländischen Arbeitskräften, wie er nach 1959 einsetzte, und dem Zufluss ausländischen Kapitals ein enger Zusammenhang besteht. Prof. Böhler hat darauf hingewiesen, dass die ausländischen Kapitalien, deren Nettoimport über 12 Milliarden Franken betragen haben dürfte, ohne Fremdarbeiter nicht real hätten investiert werden können und dass ohne solche reale Investitionen es auch nicht möglich gewesen wäre, eine solche Anzahl ausländischer Arbeitskräfte zu beschäftigen.

Die Möglichkeit, ohne grosse Schwierigkeiten immer mehr ausländische Arbeitskräfte zuziehen zu können, blieb aber auf die Dauer und in einem vorgerückteren Stadium nicht ohne nachteilige Folgen auf die Produktivität und die Wirtschaftsstruktur, die erst in den letzten Jahren deutlicher zutage getreten sind. Manche Unternehmer zogen es vor, die Produktion durch eine blosse Erweiterung des Betriebes und die Vermehrung des Personalbestandes zu steigern ; wäre die Knappheit an Arbeitskräften früher in Erscheinung getreten, so wären sie frühzeitiger genötigt gewesen, zu einer kapitalintensiveren Wirtschaftsweise überzugehen und ihre Betriebe stärker zu mechanisieren und zu rationalisieren. Der Produktionsapparat ist deshalb in der Schweiz in einzelnen Sparten vermutlich weniger oder langsamer modernisiert worden, als es ohne den Zuzug so zahlreicher Ausländer der Fall gewesen wäre. Neuerdings haben unter dem Druck der beiden obligatorischen Regelungen der Bundesratsbeschlüsse über den Belegschaftsstop glücklicherweise die Rationalisierungsinvestitionen gegenüber blossen Erweiterungsinvestitionen das Übergewicht bekommen. Es ist zu hoffen, dass diese Entwicklung anhält, denn nur so wird es möglich sein, den Bedarf an ausländischen Arbeitskräften
zu reduzieren und in ein angemessenes Verhältnis zu den einheimischen Arbeitskräften zu bringen.

Die Steigerang der Produktivität wurde auch dadurch ungünstig beeinflusst, dass die Leistungsfähigkeit der in den letzten Jahren zugezogenen ausländischen Arbeitskräfte im allgemeinen nicht mehr auf der gleichen Höhe steht wie früher. Die Qualifikation der neuen Arbeitskräfte lässt oft zu wünschen übrig, während gleichzeitig die Rekrutierungs-, Ausbildungs- und Betreuungskosten gestiegen sind.

Eine ebenfalls eher nachteilige Wirkung dürfte die Beschäftigung so zahlreicher Ausländer auf die Wirtschaftsstruktur ausgeübt haben. Branchen und Betriebe mit arbeitsintensiver Produktion, aber niedriger Produktivität konnten vermutlich nur deshalb weiter existieren, weil sie immer wieder scheinbar wohlfeilere Arbeitskräfte aus dem Ausland beziehen konnten, während sie sich ohne diese Möglichkeit entweder den neuen Marktverhältnissen und der neuen Tech-

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nik hätten anpassen müssen oder eingegangen wären. Wieweit notwendige Strukturbereinigungen aus diesem Grunde unterblieben sind und wieweit andere Ursachen dafür verantwortlich sind, lässt sich allerdings kaum mit Sicherheit feststellen.

In den letzten Jahren hat sich auch das Verhältnis zwischen Produktionsleistung und Verbrauch der Ausländer geändert. Auf der einen Seite ist die Arbeit gewisser Kategorien neu zugezogener Ausländer, wie bereits erwähnt, vielfach weniger ergiebig; auf der ändern Seite passen sie ihre Lebensgewohnheiten den unsrigen an und verbrauchen ihren Verdienst, statt ihn wie bisher nach Hause zu schicken, mehr und mehr in der Schweiz. Sie benötigen mehr Wohnraum und machen Anschaffungen, die über den blossen Existenzbedarf hinausgehen. Das bedeutet, dass nicht nur Spitäler, Schulen und Heime erweitert, Verkehrseinrichtungen und Versorgungsbetriebe ausgebaut werden müssen, sondern dass auch die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen steigt, was der Expansion und der Teuerung neuen Auftrieb gibt.

Die stürmische Entwicklung der Wirtschaft in den letzten drei Jahren hat uns in eine Situation gebracht, die nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden kann. Der Produktionsapparat ist in einem Masse ausgebaut worden, dass er ohne Hunderttausende von Ausländern überhaupt nicht in Gang gehalten werden kann. Gleichzeitig haben sich in der Nachkriegszeit tiefgreifende Wandlungen der Berufsstruktur vollzogen. Immer mehr Schweizer fanden Beschäftigung im tertiären Sektor und überliessen die schweren, unangenehmen, schmutzigen und weniger gut bezahlten Arbeiten den Ausländern. Für viele Arbeiten sind überhaupt keine Schweizer mehr zu gewinnen, so dass zahlreiche Betriebe so sehr auf Ausländer angewiesen sind, dass sie bei deren Wegfall lahmgelegt wären. Wir sind deshalb auf lange Zeit hinaus auf die Beschäftigung einer grossen Zahl von Ausländern angewiesen.

II. Die bisherigen Maßnahmen und ihre Auswirkungen

1. Angesichts dieser bedrohlichen Entwicklung haben die Spitzenverbände der Wirtschaft, wobei damals auch der Schweizerische Gewerbeverband mitmachte, im Einvernehmen mit dem Bundesrat im Januar 1962 in einer Erklärung zur Konjunkturlage auf die schwerwiegenden wirtschaftlichen und sozialen Nachteile sowie die staatspolitischen Gefahren der aussergewöhnlichen Expansion hingewiesen und eine autonome Anstrengung der Wirtschaft zur Dämpfung der Konjunktur als unumgänglich bezeichnet. Sie haben an die schweizerische Unternehmerschaft appelliert, die Gesamtzahl der Arbeitskräfte nicht wesentlich zu erhöhen, vorwiegend der Produktionsausdehnung dienende Vorhaben zurückzustellen und sich auf Investitionen zu konzentrieren, welche durch Einsparung von Arbeitskräften und ändern Kosten der Produktivitätssteigerung dienen. Leider haben diese Appelle nicht den erwünschten Erfolg gehabt.

Wir sahen uns daher veranlasst, von der bisherigen Zulassungspraxis, die vorwiegend auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse abstellte, abzugehen und den

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Zustrom der Ausländer zu begrenzen. Im Anschluss an die Selbstdisziplinierungsmassnahmen der Wirtschaft haben wir am I.März 1963 (AS 1963, 190) einen Beschluss gefasst über die Beschränkung der Zulassung ausländischer Arbeitskräfte. Nach einlässlicher Prüfung der Mittel, die der Fremdenpolizeigesetzgebung zur Verfügung stehen und raschestens wirksam eingesetzt werden können, wurde die Begrenzung des Gesamtpersonalbestandes der Betriebe eingeführt. Diese Massnahme, welche die Nachfrage nach Arbeitskräften dämpfen sollte, war auf ein Jahr befristet. Sie vermochte jedoch das weitere Anwachsen des Ausländerbestandes wohl eindrücklich zu bremsen, aber nicht zu verhindern, weshalb es sich als notwendig erwies, sie in verschärfter Form weiterzuführen. Um eine weitere Zunahme des Ausländerbestandes möglichst einzudämmen und um Spielraum für den Ersatz abwandernder Schweizer und für die unerlässlichen Ausnahmen zu erhalten, schrieb der Bundesratsbeschluss vom 21. Februar 1964 (AS 1964, 132) eine Herabsetzung des Gesamtpersonalbestandes auf 97 Prozent vor. Diese Massnahme führte jedoch wegen Mängeln bei der Durchführung und wegen der Schwierigkeiten der Kontrolle nicht völlig zum Ziel, abgesehen davon, dass für ihre Durchführung nur fünf Monate bis zur Augusterhebung 1964 zur Verfügung standen. Nach Bekanntwerden des Ergebnisses der Augustzâhlung machte das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement im Einvernehmen mit dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement von der durch Artikel 7 des Bundesratsbeschlusses erteilten Ermächtigung Gebrauch und ordnete durch Verfügung I vom 9. Oktober 1964 (AS 1964,923) die Herabsetzung der Gesamtpersonalbestände auf 95 Prozent an.

2. Diese Beschlüsse hatten wohl zur Folge, dass die Zunahme des Bestandes der kontrollpflichtigen ausländischen Arbeitskräfte jedes Jahr geringer wurde, doch vermochten sie nicht, die angestrebte Stabilisierung herbeizuführen.

Von 1960 auf 1961 - immer nach der Erhebung im August - hatte der Bestand noch um 113000 oder 26 Prozent zugenommen, von 1961 auf 1962, als sich die freiwilligen Beschränkungsmassnahmen auszuwirken begannen, noch um 96000 oder 17,6 Prozent, von 1962 auf 1963 um 7 Prozent und 1964 schliesslich bloss noch um 4,5 Prozent, nämlich von 690000 auf 721000. Über die Entwicklung in den Kantonen und den einzelnen
Wirtschaftszweigen geben die Tabellen I und II im Anhang Aufschluss.

Dass der Ausländerbestand nicht stabilisiert werden konnte, ist schon im System der bisherigen Regelung begründet. Sie begrenzt nur den Gesamtpersonalbestand eines Betriebes, nicht den Ausländerbestand. Betriebe, die keine Ausländer beschäftigen, können beliebig einheimische Arbeitskräfte an sich ziehen. Diese können in den Betrieben, aus denen sie ausgetreten sind, durch Ausländer ersetzt werden, bis der Personalbestand 97 Prozent, bzw. vom I.November 1964 an 95 Prozent des Ausgangsbestandes erreicht. Das Ausmass dieser Abwanderung von einheimischen Arbeitskräften vor allem aus Betrieben des Produktionssektors in solche des Dienstleistungssektors ist zum guten Teil darauf zurückzuführen, dass in Kantonen und Gemeinden mehr Personal für das Bauwesen, die Verkehrsbetriebe, für Polizei, Schulen, Gesundheitspflege und andere öffentliche Dienste benötigt worden war.

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Über das Ausmass dieser Abwanderung in den industriellen Betrieben für die übrigen Wirtschaftsgruppen liegen nur die Angaben der Volkszählung 1960 vor, die heute jedoch überholt sind - orientiert die nachfolgende Zusammenstellung.

Vom Fabrikgesetz erfasste Schweizer und Ausländer, 1960-1964 Jahre

Fabrikarbeiter im ganzen

1960 666 700 1961 716 600 1962 750 500 19631 760800 1964 ) 776 100 *) Provisorische Ergebnisse

Schweizer absolut in Prozent

506300 499300 491 800 485300 482100

Ausländer absolut in Prozent

160400 217300 258700 275 500 294000

76 70 66 64 62

24 30 34 36 38

Im Zeitraum von 1960 bis 1964 ist die Gesamtzahl der Fabrikarbeiter von 666700 auf 776100 angestiegen. Das entspricht einer Zunahme um 109400 oder um 16,4 Prozent. Bezeichnend für die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist, dass diese Zunahme ausschliesslich durch den Zuzug weiterer ausländischer Arbeitskräfte zustande kam. Während nämlich die Zahl der ausländischen Fabrikarbeiter um 133600 oder um 83,3 Prozent zugenommen hat, ist auf Seite der einheimischen Arbeitskräfte eine Abwanderung um 24200 oder um 4,8 Prozent festzustellen. Im September 1964 standen den noch verbleibenden 482100 Schweizerarbeitern 294000 Fremdarbeiter gegenüber. Der Anteil der Ausländer beträgt somit 38 Prozent, während er sich vor drei Jahren erst auf 24 Prozent bezifferte.

In den einzelnen wichtigen Industriezweigen haben sich die Anteile der Ausländer von 1960 bis 1963 - entsprechende Angaben für 1964 liegen noch nicht vor - wie folgt entwickelt : Industriezweige

Nahrungs- und Genussmittel Textilindustrie Bekleidungsindustrie Holzindustrie Papierindustrie Graphisches Gewerbe Chemische Industrie Industrie der Erden und Steine Metall- und Maschinenindustrie Uhrenindustrie

.

Anteil der Ausländer in Prozent aller Fabrikarbeiter 1960

1963

19 36 42 24 18 13 10 37 24 7

35 48 57 37 34 22 18 50 36 19

Bemerkenswert ist namentlich die Entwicklung in der Textilindustrie, in welcher der Anteil der Ausländer innert dreier Jahre von 36 Prozent auf 48 Prozent stieg, obschon die Gesamtzahl der Beschäftigten praktisch stabil blieb. Der Personalbestand konnte somit in diesem Zeitraum nur durch Zuzug von Fremdarbeitern aufrechterhalten werden. Dieser belief sich auf 8100 Ausländer, dem eine Abwanderung von 7400 Schweizern gegenübersteht.

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Für die Betriebe des Gewerbes liegen nur Angaben über die Zahl der kontrollpflichtigen ausländischen Arbeitskräfte vor. Immerhin ergibt eine Schätzung, dass sich im Baugewerbe der Anteil der Ausländer im Sommer auf rund 60 Prozent und im Gastgewerbe auf rund 50 Prozent bezifferte.

3. Ein weiterer Grund für die Zunahme liegt in der Ausnahmeregelung, die zwar bedeutend restriktiver war als diejenige im Beschluss vom I.März 1963, aber doch die Berücksichtigung einer Reihe von Ausnahmegründen vorsah. Ausnahmebewilligungen konnten gestützt auf Artikel 3, Absatz l, erteilt werden, wenn sie durch besondere Verhältnisse gesamtwirtschaftlicher, regionaler oder betrieblicher Art gerechtfertigt waren. In den Weisungen des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes wurden diese Bestimmungen dahin präzisiert, dass solche Bewilligungen erteilt werden können, wenn sie zur Erfüllung besonders dringender Öffentlicher Aufgaben notwendig sind oder wenn die Ablehnung zu erheblichen wirtschaftlichen Störungen führen würde, wenn sie der Forschung dienen oder wenn die Ablehnung die wirtschaftliche Existenz des Arbeitgebers gefährden würde. Ferner bestand auf Grund von Artikel 3, Absatz 2, Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung, wenn ein Betrieb vor dem Inkrafttreten des Beschlusses erhebliche Aufwendungen für die Erweiterung oder Umstellung gemacht hatte und die Ablehnung dem Betriebsinhaber einen grossen Schaden zugefügt hätte.

Gesuche gemäss Artikel 3, Absatz l, für eine Erhöhung des Gesamtpersonalbestandes um mehr als 10 und Gesuche gemäss Artikel 3, Absatz 2, für eine Erhöhung um mehr als 20 Arbeitskräfte waren dem Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit zu unterbreiten. Der grössere Teil der vom Bund behandelten Ausnahmebewilligungen musste erteilt werden, weil schon vor dem Inkrafttreten des Beschlusses erhebliche Aufwendungen für die Erweiterung oder Umstellung eines Betriebes gemacht worden waren. Die Ausnahmebewilligungen aus gesamtwirtschaftlichen Gründen kamen vor allem den öffentlichen Bauten zugute. Trotz zurückhaltender Praxis wurden vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit vom 1. März bis Ende August 1964 in rund 400 Fällen 8150 zusätzliche ausländische Arbeitskräfte bewilligt. Die Kantone, welche die zahlenmässig weniger bedeutenden Gesuche behandelten, dürften im gleichen Zeitraum
Ausnahmebewilligungen für rund 7000 Arbeitskräfte erteilt haben.

4. Die Durchführung der Beschränkungsmassnahmen, die grösstenteils den Kantonen oblag, vermochte nicht in allen Teilen zu befriedigen. Nur in fünf kleineren Kantonen ist der Ausländerbestand praktisch stabil geblieben. Die übrigen Kantone zeigten sehr verschiedene Zunahmen (vgl. Tabelle I im Anhang). Insbesondere stiess die Durchführung im Baugewerbe auf grosse Schwierigkeiten.

Offenbar konnten die kantonalen Ämter, insbesondere bei grossen öffentlichen Bauten, die Bewilligungen für die benötigten ausländischen Arbeitskräfte nicht verweigern.

Ferner ist zu beachten, dass die Behörden für die Ermittlung des Gesamtpersonalbestandes auf die Erklärungen der Arbeitgeber angewiesen sind, die jedoch schwierig zu überprüfen sind, zumal die Kantone nicht über das notwen-

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III. Die Sofortmassnahmen des Bundesrates 1. Allgemeines Der Bundesratsbeschluss vom 21. Februar 1964 war nicht befristet, doch wurde bereits bei seinem Erlass das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement beauftragt, sobald als möglich eine wirksamere und wirtschaftskonformere Regelung vorzubereiten. Die Vorarbeiten wurden im Verlaufe des Sommers 1964 aufgenommen. Die Veröffentlichung der Ergebnisse der Augusterhebung über den Bestand der kontrollpfüchtigen Ausländer, die ein weiteres Ansteigen der Ausländerzahl ergaben, und die Bekanntgabe des Einwanderungsabkommens mit Italien lösten eine grosse Bewegung im Schweizervolk aus, die sich in einer allgemeinen Misstimmung äusserte und gelegentlich sogar zu Ausbrüchen des Fremdenhasses führte. Nachdem sich breiteste Volkskreise der Gefahr der Überfremdung bewusst wurden, sollte angenommen werden dürfen, dass auch die Bereitschaft besteht, die mit einem Abbau des Ausländerbestandes verbundenen Opfer und Nachteile in Kauf zu nehmen. Unter demographischen und staatspolitischen Gesichtspunkten ist es notwendig, die Zahl der Ausländer nicht nur zu stabilisieren, sondern zu vermindern.

Wie der Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements bei der Behandlung des Emwanderungsabkommens mit Italien am 8. Dezember 1964 im Ständerat bekanntgab, hat sich der Bundesrat entschlossen, schärfere Massnahmen zu ergreifen. Diese Massnahmen beruhen auf folgenden Grundsätzen: a. Das bisherige System der betriebsweisen Begrenzung des Gesamtpersonalbestandes (Schweizer und Ausländer) wird durch die betriebsweise Begrenzung des Ausländerbestandes ergänzt, wobei die Betriebe verpflichtet werden, den Ausländerbestand bis zum 30. Juni 1965 um 5 Prozent herabzusetzen. Für die Zeit bis zum 30. Juni 1966 ist eine weitere Herabsetzung um bis zu 5 Prozent in Aussicht genommen, doch wird deren Ausmass erst im Anschluss an die Augusterhebung 1965 nach Massgabe der Wirksamkeit und der wirtschaftlichen Auswirkungen der für das Jahr 1965 getroffenen Massnahmen definitiv beschlossen werden.

b. Die betriebsweise Begrenzung des Gesamtpersonalbestandes wird
beibehalten, weil sie bis zu einem gewissen Grad die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt dämpft und einer inflationistischen Lohnwelle vorbeugt.

c. Die Ausnahmeregelung wird wesentlich eingeschränkt. Ausnahmen werden nur noch zulässig sein in ausgesprochenen Notständen und zur Aufrechterhaltung der wissenschaftlichen Forschung.

d. Im Zusammenhang mit der Begrenzung des Ausländerbestandes wird auch der Stellenwechsel eingeschränkt.

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e. Um für eine gleichmâssigere Anwendung der Vorschriften zu sorgen, wird die Behandlung der Ausnahmegesuche dem Bund übertragen und gleichzeitig die Kontrolle ausgebaut.

/. Ausländische Arbeitskräfte, die von der Visumspflicht befreit sind, dürfen in der Schweiz zum Stellenantritt nur einreisen, wenn sie eine Zusicherung der Aufenthaltsbewüligung besitzen.

Über die Einführung der Zusicherung der Aufenthaltsbewüligung zum Stellenantritt (AS 1965, 58) haben wir bereits am 19.Januar 1965 ßeschluss gefasst. Dieser Beschluss, der am 15. Februar 1965 in Kraft tritt, musste vorweg erlassen werden, damit die neue Massnahme rechtzeitig im In- und Ausland bekanntgegeben werden kann.

Über die Beschränkung und Herabsetzung des Bestandes an ausländischen Arbeitskräften liegt ein Beschlussesentwurf vor. Der Entwurf wurde mit den Spitzenverbänden der Arbeitgeber und Arbeitnehmer einlässlich besprochen.

Die Sozialpartner stimmten der vorgesehenen Regelung zu, wobei insbesondere eine Einigung über die im laufenden und im kommenden Jahr vorzunehmende Reduktion des Ausländerbestandes pro Betrieb erzielt werden konnte. Auch die Kantone sind mit der Zielsetzung grundsätzlich einverstanden, meldeten aber eine Reihe von Bedenken und Ausnahmewünschen an. Wir werden den Beschluss, der auf den l. März 1965 in Kraft treten soll, demnächst verabschieden, das heisst sobald die Vernehmlassungen der Kantone, die sich noch schriftlich zu äussern wünschten, eingegangen sind.

Zu den beiden Erlassen geben wir folgende Erläuterungen.

2. Die Einführung der Zusicherung der Aufenthaltsbewilligung zum Stellenantritt

In den vergangenen Jahren ist die Zulassung von Arbeitskräften, vor allem aus unseren Nachbarstaaten, gestattet worden, auch ohne dass diese Arbeitskräfte sich vor der Einreise in die Schweiz eine Zusicherung der Aufenthaltsbewilligung zum Stellenantritt beschafft haben. Mit dem starken Anwachsen der jährlichen Zuwachsrate, vor allem seit 1960, wie auch aus dem Umstand, dass zahlreiche dieser Arbeitskräfte qualitativ immer mehr zu wünschen übrig lassen und in geringerem Masse fähig sind, sich an unsere Verhältnisse anzupassen, haben sich die Nachteile aus der unkontrollierten Einreise solcher Ausländer in immer stärkerem Masse bemerkbar gemacht. Die spontan eingewanderten Stellensuchenden waren vielfach mittellos und fielen der öffentlichen oder privaten Wohltätigkeit zur Last. Da sich diese Entwicklung angesichts der Lage der italienischen Wirtschaft noch zu verschärfen droht, sind neue fremdenpolizeiliche Massnahtnen notwendig, die die unkontrollierte Einreise von Arbeitskräften mit allen daraus resultierenden Nachteilen verhindern. Auch die für den Arbeitsmarkt zuständigen Behörden haben auf die Schwierigkeiten, die sich aus der spontanen Einwanderung ergeben, hingewiesen und mit allem Nachdruck die Einführung der Zusicherung für alle Arbeitskräfte gefordert. Desgleichen ist auch von zahlreichen Fürsorgeinstitutionen und Organisationen, die sich mit der

341 Betreuung der ausländischen Arbeitskräfte befassen, auf die Notlage hingewiesen worden, in der sich manche Spontaneinwanderer befinden. Sie begrüssen vor allem aus menschlichen Gründen die Einführung der Zusicherung, Nach dem Bundesratsbeschluss vom 19. Januar 1965 über die Zusicherung der Aufenthaltsbewilligung zum Stellenantritt, der sich auf Artikel 25, Absatz l, des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer stützt, dürfen auslandische Arbeitskräfte, soweit sie nicht ohnehin auch heute noch zum Stellenantritt eines Visums bedürfen, nur noch in die Schweiz einreisen, wenn sie eine Zusicherung der Aufenthaltsbewilligung besitzen. Die Vorlage einer Anstellungsbestätigung des Arbeitgebers oder eines Arbeitsvertrages genügt für die Einreise nicht. Die Grenzkontrollorgane werden angewiesen, Arbeitskräfte, die sich ohne Zusicherung an der Grenze einfinden, unverzüglich zurückzuweisen.

Die Fremdenpolizeibehörden dürfen ausländischen Arbeitskräften, denen es gelungen ist, unter Missachtung der neuen Bestimmungen in die Schweiz einzureisen, keine Aufenthaltsbewilligungen zum Stellenantritt erteilen. Die kantonalen Behörden sind angewiesen, solche Personen aus der Schweiz wegzuweisen.

Ausserdem werden Gesuche von oder zugunsten von Arbeitskräften, die ohne Zusicherung eingereist sind, erst einen Monat nach der erfolgten Ausreise aus der Schweiz in Prüfung genommen.

Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement bestimmt, welche Ausnahmen gemacht werden können. Eine Ausnahmeregelung ist auf Grund staatsvertraglicher Vereinbarungen für liechtensteinische und französische Staatsangehörige vorgesehen sowie auch in bestimmten Fällen, in denen besondere humanitäre Gründe dies rechtfertigen.

Die Verfahrensvorschriften zur Erlangung einer Zusicherung der Aufenthaltsbewilligung zum Stellenantritt haben gegenüber der heutigen Regelung keinerlei Änderung erfahren. Hingegen haben wir die Gebührenordnung zum Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 30. Dezember 1955 abgeändert und die Höchstgebühr für die Erteilung einer Zusicherung auf 7 Franken erhöht.

3. Die Beschränkung und Herabsetzung des Bestandes an ausländischen Arbeitskräften Der Entwurf sieht im einzelnen folgendes vor : a. Der Bundesratsbeschluss soll auf alle privaten und öffentlichen Betriebe
anwendbar sein. Ausgenommen sind wie bisher land- und forstwirtschaftliche Betriebe, private Haushaltungen, Spitäler, Heime und Anstalten, die der Erziehung, Ausbildung, Pflege oder Unterbringung von Kindern oder Erwachsenen dienen, da hier die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte von selbst zurückgeht (Art.l).

b. Die wichtigste Neuerung ist, wie erwähnt, die Einführung der betriebsweisen Begrenzung des Ausländerbestandes. Sie wird verhindern, dass der Ersatz der aus den Produktionsbetrieben in den Dienstleistungssektor abwandernden Schweizer durch Ausländer zu einer Erhöhung des Ausländerbestandes führt.

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Sie ist zudem leichter zu kontrollieren als die betriebsweise Begrenzung des Gesamtpersonalbestandes. Um die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte herabzusetzen und Spielraum für die Bewilligung der nötigen Ausnahmen zu schaffen, muss der Ausländerbestand pro Betrieb auf 95 Prozent herabgesetzt werden. Der Abbau hat bis Ende Juni 1965 zu erfolgen. Ausgangsbestand (100 %) ist die Zahl der am 1. März 1965 beschäftigten kontrollpflichtigen Ausländer. Wurden unter der bisherigen Regelung Saisonschwankungen berücksichtigt oder war der durchschnittliche Ausländerbestand 1964 höher, so kann auf diese höheren Bestände abgestellt werden (Art. 2 und 4).

Ergibt die Herabsetzung um 5 Prozent einen Bruchteil von mehr als einer halben Arbeitskraft, so ist der Ausländerbestand um eine Einheit zu reduzieren.

Betriebe, die mehr als 10 aber weniger als 16 Ausländer beschäftigen, haben den Ausländerbestand bis zum 30. Juni 1965 um eine Person herabzusetzen (Art. 3).

Da mit dieser Massnahme das Ziel nicht erreicht werden kann, wird für die Zeit bis zum 30. Juni 1966 eine weitere Herabsetzung um bis zu 5 Prozent in Aussicht genommen, doch wird das definitive Ausmass erst im Anschluss an die Augusterhebung 1965 nach Massgabe der Wirksamkeit und der wirtschaftlichen Auswirkungen der für 1965 getroffenen Massnahmen festgelegt werden.

c. Die Begrenzung des Gesamtpersonalbestandes wird vorläufig beibehalten, weil sie bis zu einem gewissen Grad geeignet ist, die Nachfrage nach Arbeitskräften zu dämpfen und einer hektischen Entwicklung auf dem Lohnsektor vorzubeugen.

Zum Gesamtpersonalbestand gehören wie schon bisher alle vom Betrieb regelmässig beschäftigten Personen (Schweizer und Ausländer, einschliesslich Grenzgänger). Der auf Grund des geltenden Bundesratsbeschlusses festgelegte, gegenüber dem Ausgangsbestand von 1964 um 5 Prozent herabgesetzte Gesamtpersonalbestand darf nicht erhöht werden (Art. 5). Die bisher bewilligten und ausgenützten Bestandeserhöhungen werden nicht rückgängig gemacht. Dagegen werden die nicht ausgenützten Ausnahmebewilligungen mit Inkrafttreten des neuen Beschlusses verfallen.

Man muss sich allerdings bewusst sein, dass es ausgeschlossen ist, die Gesamtpersonalplafonierung für längere Zeit unverändert beizubehalten, weil sonst eine Erstarrung des Arbeitsmarktes Platz greifen würde, die nicht
zu verantworten wäre. Wir werden auf diese Frage noch zurückkommen.

d. Auf die Erteilung von Ausnahmebewilligungen wird auch in Zukunft nicht ganz verzichtet werden können, doch ist die Ausnahmeregelung aufs Äusserste eingeschränkt worden (Art. 6 bis 11). Ausnahmen werden nur noch in ausgesprochenen Notfällen sowie zur Aufrechterhaltung der wissenschaftlichen Forschung bewilligt werden. Um für eine gleichmässige Anwendung der Vorschriften zu sorgen, wird die Behandlung von Ausnahmegesuchen dem Bund übertragen. Da durch eine materielle Umschreibung die Ausnahmen nicht genügend stark eingeschränkt werden können, ist eine zahlenmässige Begrenzung notwendig. Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit darf pro Jahr Erhöhungen des Ausländerbestandes um insgesamt höchstens 5000 Arbeitskräfte

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und des Gesamtpersonalbestandes um höchstens 12000 einheimische Arbeitskräfte bewilligen. In diesem Rahmen sollen auch neue Betriebe berücksichtigt werden, damit diese weniger gezwungen sind, den bestehenden Betrieben Arbeitskräfte abzuwerben. Wegen der quantitativen Beschränkung werden aber Neugründungen in arbeitsintensiven Wirtschaftszweigen keine ausländischen Arbeitskräfte erhalten können. Arbeitgeber, die erhebliche Aufwendungen für Rationalisierungsmassnahmen machten und infolgedessen ihren Gesamtpersonalbestand seit I.März 1963 um mindestens 10 Prozent verringerten, können von der Herabsetzung des Ausländerbestandes ganz oder teilweise befreit werden.

e. Im Zusammenhang mit der Begrenzung des Ausländerbestandes drängt sich auch eine Regelung des Stellenwechsels auf, der von den Kantonen bisher in sehr unterschiedlicher Weise behandelt wurde. Besonders zu Béguin des Aufenthaltes ist ein häufiger Stellenwechsel unerwünscht. Die Anwerbung und Anlernung von ausländischen Arbeitskräften ist mit Umtrieben und Kosten verbunden, weshalb der Arbeitgeber mit Recht erwarten darf, dass der Arbeitsplatz nicht schon nach wenigen Wochen oder Monaten verlassen wird. Im ersten Aufenthaltsjahr soll deshalb in der Regel kein Stellenwechsel bewilligt werden (Art. 12).

/. Für das Baugewerbe mit seinen rasch wechselnden und nur schwer zu überblickenden Verhältnissen genügen die vorgesehenen Massnahmen nicht. An Stelle der Begrenzung und Herabsetzung des Ausländerbestandes pro Betrieb soll deshalb die Gesamtzahl der Saisonarbeitskräfte auf 145000 festgesetzt werden. Diese Zahl ist indessen noch nicht endgültig und bedarf einer nochmaligen Überprüfung. Verschiedene Kantone haben nämlich im Hinblick auf ihre Aufgaben im Sektor des Wohnungsbaues und der Infrastruktur gegenüber einer Reduktion auf 145 000 grösste Bedenken geäussert. Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit hat vorsorglich bereits im vergangenen Herbst die Zahl der Zusicherungen zur Wiedereinreise, die üblicherweise am Saisonende erteilt werden, um 10 Prozent gekürzt. Es wird im Frühling den Zeitpunkt festsetzen, von dem an keine Ersatzzusicherungen für nicht ausgenützte Zusicherungen mehr erteilt werden dürfen. Sobald ungefähr 135000 Saisonbewilligungen erteilt worden sind, was voraussichtlich im Juni der Fall sein wird, verhängt das
Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement für die ganze Schweiz die Zuzugssperre. Da die Statistik der erstmaligen Bewilligungen den tatsächlichen Verhaltnissen stets etwas nachhinkt, ist schon deshalb ein gewisser Spielraum nötig. Zudem muss den Behörden eine Reserve zur Verfügung stehen, die besonders für Bauten in Berggegenden verwendet werden soll. Nach Erlass der Zuzugssperre dürfen keine Bewilligungen für neu aus dem Ausland angeworbene Arbeitskräfte des Baugewerbes erteilt werden. Da die Saisonarbeiter des Baugewerbes schon Anfang August abzureisen beginnen, wird die Zuzugssperre jeweils schon im September wieder aufgehoben werden können (Art. 13 bis 16).

g. Auf Grund der bisherigen Erfahrungen wurde die Durchführung einlässlicher geordnet. Entsprechend der verfassungsmässigen und gesetzlichen Teilung der fremdenpolizeilichen Aufgaben zwischen Bund und Kantonen ist der Bund

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auch für den Vollzug der neuen Regelung weitgehend auf die Kantone und Gemeinden angewiesen. Die Massnahmen werden deshalb nur erfolgreich sein, wenn jeder Kanton auf seinem Gebiet zum Rechten sieht und dafür die Verantwortung übernimmt. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Aufbau einer auf die neuen Vorschriften zugeschnittenen Kontrolle zu, die in den meisten Kantonen noch fehlt. Dafür mussten von Bundes wegen die nötigen Vorschriften aufgestellt werden.

Eine richtige Kontrolle des Ausländerbestandes ist nur möglich, wenn aus einem Register die Zahl und die Personalien der in jedem Betrieb beschäftigten kontrollpflichtigen Ausländer sowie der zulässige Ausländerbestand ersichtlich sind. Das Register wird aufgebaut aus einer Stammkarte für jeden Betrieb und aus Doppeln der Zusicherungen, der Aufenthaltsbewilligungen und der neu einzuführenden Meldekarten, mit denen der Arbeitgeber dem Arbeitsamt den Stellenantritt und die Beendigung des Dienstverhältnisses der ausländischen Arbeitskräfte zu melden hat. Dieses System hat sich im Kanton Waadt bereits bewährt. Es wird nicht nur zur Kontrolle, sondern später auch als Grundlage für die Bestandeserhebungen verwendet werden können. Der Aufbau der Betriebsregister erfordert jedoch einen beträchtlichen Aufwand und Umstellungen bei den Arbeitsämtern, die den neuen Massnahmen skeptisch gegenüberstehen. Auch wird es geraume Zeit erfordern, bis sich die Arbeitgeber an das Meldesystem gewöhnt haben. Es wird deshalb nicht möglich sein, schon die nächste Bestandeserhebung auf dieses Register aufzubauen (Art. 19, 20).

Die Festsetzung des Gesamtpersonalbestandes und des Ausländerbestandes der Betriebe wird den Arbeitsämtern übertragen. Das Rekursverfahren bestimmt sich nach kantonalem Recht (Art. 20). Für die Kontrolle des Gesamtpersonalbestandes werden die zuständigen Behörden nach wie vor auf die Angaben der Arbeitgeber abstellen müssen. Der Arbeitgeber ist auf Grund des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931 verpflichtet, alle Angaben zu liefern, die zur Ermittlung des Gesamtpersonalbestandes und des Ausländerbestandes notwendig sind. Die Behörden werden gegebenenfalls Belege verlangen und die Angaben stichprobeweise überprüfen (Art. 17, 18).

Die Behandlung von Ausnahmegesuchen wird dem Bundesamt für Industrie, Gewerbe
und Arbeit übertragen. Dessen Entscheide können an das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement und schliesslich an den Bundesrat weitergezogen werden (Art. 22, 23).

Bisher ist es gelegentlich vorgekommen, dass kantonale Fremdenpolizeibehörden gegen den Antrag der Arbeitsmarktbehörden Aufenthaltsbewilligungen erteilten. Um möglichst zu verhindern, dass auf diese Weise die zulässigen Ausländerbestände überschritten werden, sollen künftig Aufenthaltsbewilligungen, die entgegen einem Entscheid des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit erteilt wurden, dem Zustimmungsverfahren der Eidgenössischen Fremdenpolizei unterstellt werden. Dasselbe gilt für Aufenthaltsbewilligungen, die gegen den Antrag der Arbeitsämter durch die kantonalen Fremdenpolizeibehörden erteilt wurden (Art. 24).

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Die notwendigen Ausführungsvorschriften werden vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdcpartement und vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement erlassen. Dabei können einheitliche Formulare und Mindestanforderungen für die Durchführung statistischer Erhebungen vorgeschrieben werden (Art. 27).

4. Die Auswirkungen der neuen Massnahmen Die Wiedereinf ührung der Zusicherung wird, wie bereits dargelegt, die unkontrollierten Einreisen mit all ihren Nachteilen verhindern. Sie soü verhindern, dass Arbeitskräfte gleichsam von der Strasse weg eingestellt werden. Die Gewinnung zusätzlicher Arbeitskräfte wird dadurch erschwert, so dass sich eine gewisse Bremswirkung ergeben wird. Diese wird sich allerdings mit der Zeit abschwächen, wenn sich die Arbeitgeber auf das neue Verfahren eingestellt haben. Dabei darf nicht übersehen werden, dass es sich um eine Ordnungsvorschrift handelt, die keine materiellen Kriterien für die Zulassung ausländischer Arbeitskräfte aufstellt. Soweit sich die Zusicherungsgesuche im Rahmen des nach dem neuen Beschluss zulässigen Ausländerbestandes halten, werden sie in der Regel bewilligt.

Hinsichtlich der Auswirkungen des Beschlusses über die Begrenzung und Herabsetzung der ausländischen Arbeitskräfte möchten wir auf folgendes hinweisen. Seit der letzten Augusterhebung musste der Bundesratsbeschluss vom 21. Februar 1964 weiterhin angewendet werden. Die Abwanderung von Schweizern und ihr Ersatz durch Ausländer hat in der Zwischenzeit ihren Fortgang genommen. Es muss deshalb damit gerechnet werden, dass die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte, vor allem die Zahl der Nicht-Saisonniers, schon beim Inkrafttreten der neuen Massnanmen am I.März 1965 den Augustbestand 1964 überschreiten wird und deshalb nicht nur ein Zuwachs von 31000, sondern von schätzungsweise 40000 bis 45000 abgebaut werden muss.

Auf dem Augustbestand 1964 von 720000 kontrollpflichtigen Ausländern berechnet, würde ein Abbau von 5 Prozent eine Reduktion um etwa 36000 Arbeitskräfte bedeuten. Der effektive Abbau wird jedoch geringer ausfallen, da Betriebe mit nicht mehr als 10 Ausländern, bei denen der Abbau weniger als eine halbe Arbeitskraft ausmacht, von der Herabsetzung nicht betroffen werden (vgl, Art. 3, Abs.2, des Entwurfes).

Der Anteil der Fremdarbeiter an der Gesamtzahl der Beschäftigten macht durchschnittlich
etwa 25 Prozent aus. Überschlagsweise darf deshalb angenommen werden, dass Betriebe mit 10 ausländischen Arbeitskräften im Durchschnitt eine Gesamtbelegschaft von 40 Beschäftigen haben. Nach der Betriebszählung 1955 entfallen etwa zwei Fünftel aller Beschäftigten auf Betriebe mit bis zu 40 Beschäftigten. Unter der Annahme, dass die ausländischen Arbeitskräfte gleichmassig auf die verschiedenen Betriebsgrossen verteilt sind, würden zwei Fünftel der Fremdarbeiter nicht vom Abbau erfasst. Da für die insgesamt 190000 Bauarbeiter eine Sonderregelung vorgesehen ist, sind sie von der Gesamtzahl von 720000 auszuklammern, so dass 530000 Arbeitskräfte verbleiben, von denen indessen zwei Fünftel oder 210000 vom Abbau nicht erfasst werden. Der Abbau von 5 Prozent würde sich somit bei höchstens 320000 Ausländern auswirken, Bundesblau. 117. Jahrg. Bd.I.

26

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also nicht mehr als 16000 betragen. Dazu käme die für das Baugewerbe vorgesehene Reduktion von 13000 ausländischen Arbeitskräften, so dass sich der gesamte Abbau auf schätzungsweise 29000 belaufen würde. Davon abzurechnen wären die Ausnahmebewilligungen des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit, die bis zum August auf 2000-3000 veranschlagt werden können.

Sollte der Bestand an ausländischen Arbeitskräften vom August 1963 bis Februar 1965 um 40000 bis 45000 gestiegen sein, so wird ein betriebsweiser fünfprozentiger Abbau nicht ausreichen, um diesen Zuwachs bis zum August 1965 zu beseitigen. Da vom Inkrafttreten der neuen Massnahme am l. März bis zur Augusterhebung nur fünf Monate verbleiben, ist es fraglich, ob der Abbau die Zahl von 29000 Arbeitskräften erreichen wird. Es wurde deshalb erwogen, ob nicht schon für 1965 eine Herabsetzung um 10 Prozent vorgesehen werden müsste.

Ein derartiger, innert weniger Monate durchzuführender Abbau wäre aber eine äusserst einschneidende Massnahme gewesen. Die Wirtschaft hätte, verglichen mit dem Jahr 1964, nicht nur auf einen Zuwachs von 31000 ausländischen Arbeitskräften verzichten, sondern einen Abbau von schätzungsweise 50000 auf sich nehmen müssen. Innert Jahresfrist wäre sie also einer Veränderung in der Grössenordnung von 80000 Arbeitskräften gegenübergestanden. Dies hätte zur Stillegung von Betrieben oder Betriebsteilen führen, die wirtschaftlichen Interessen zahlreicher Kantone und Gemeinden schwer beeinträchtigen und auch schweizerische Arbeitnehmer in Mitleidenschaft ziehen können. Ausserdem hätten die Arbeitgeber versucht, die ausfallenden Ausländer durch Mehranstellung von Schweizern zu ersetzen, was eine vermehrte Abwanderung aus benachteiligten Landesgegenden und einen stärkeren Lohnkostenauftrieb mit allen seinen nachteiligen Folgen bewirkt hätte.

Aus diesen Gründen entschlossen wir uns, den vom Standpunkt der Überfremdung aus sich aufdrängenden Abbau von mindestens 10 Prozent nicht auf einmal vorzunehmen und vorerst für das Jahr 1965 einen Abbau von 5 Prozent vorzuschreiben. Doch nehmen wir für das Jahr 1966 einen weiteren Abbau bis zu 5 Prozent in Aussicht. Über die definitive Festlegung werden wir im Anschluss an die Augusterhebung nach Massgabe der Wirksamkeit und der wirtschaftlichen Auswirkungen der für das Jahr 1965 getroffenen
Massnahmen Beschluss fassen.

Die Sozialpartner sind mit diesem Abbaurhythmus einverstanden. Zahlreiche Kantone haben indessen gegen dieses Vorgehen grosse Bedenken angemeldet. Insbesondere wurde dem Entwurf ein gewisser Schematismus vorgeworfen, der den sehr unterschiedlichen Verhältnissen zu wenig Rechnung trage.

Von Seiten der Gebirgskantone sind vor allem Bedenken bezüglich der Saisonhôtellerie und der Auswirkungen auf den weiteren Ausbau der Infrastruktur geäussert worden. Kantone, die relativ spät von der Industrialisierung erfasst wurden, möchten gerne vom Abbau des Ausländerbestandes ausgenommen werden, um wirtschaftlich aufholen zu können. Kantone mit grossen städtischen Agglomerationen haben auf ihre besonderen Probleme beim Ausbau der Infrastruktur und der Beschaffung genügenden Wohnraumes für die zuströmende Bevölkerung hingewiesen. Obwohl alle Regierungssprecher Verständnis

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für die staatspolitische und wirtschaftliche Notwendigkeit einer Stabilisierung und nachfolgenden etappenweisen Reduktion des Fremdarbeiterbestandes zeigten, wiesen doch die meisten auf ihre besonderen Verhältnisse hin, so dass wir, wenn wir allen geäusserten Wünschen Rechnung tragen wollten, ebensoviele Sonderregelungen aufstellen müssten.

Wir sind durchaus der Auffassung, dass für die zweite Etappe differenzierte Lösungen gesucht werden müssen, um wenigstens in einem gewissen Masse den geäusserten Bedenken Rechnung zu tragen. Der Entwurf beauftragt denn auch das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement und das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement, anstelle eines allgemeinen prozentualen Abbaues andere, ähnlich wirksame Abbaumethoden für das Jahr 1966 zu prüfen. Für das laufende Jahr müssen wir es aber bei einer generellen Lösung im Sinne einer fünfprozentigen Reduktion des Ausländerbestandes pro Betrieb bewenden lassen. Das Gebot der Stunde erheischt eine gemeinsame Anstrengung, um einen Umschwung herbeizuführen. Diese Reduktion um 5 Prozent sollte für die Wirtschaft tragbar sein. Die Betriebe werden bei dieser Gelegenheit in erster Linie die leistungsmässig schwächeren Arbeitskräfte abbauen, was zu einer Steigerung der Arbeitsdisziplin führen wird. Wie gross die Opfer der Wirtschaft sein werden, wird von der Entwicklung der allgemeinen Wirtschaftslage und der Konjunkturpolitik des Bundes abhängen. Es wird aber nicht zu vermeiden sein, dass einzelne Unternehmen in Schwierigkeiten geraten, dass die Öffentliche und private Bautätigkeit nicht mehr alle gesteckten Ziele erreichen kann und dass möglicherweise auch der Konsument auf gewisse Dienstleistungen wird verzichten müssen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass auch aus Kreisen der Industrie und des Gewerbes Bedenken gegen die neuen Massnahmen laut geworden sind, besonders aus der Textilindustrie und dem Gastgewerbe. Gegenüber gewissen Bedenken, insbesondere des Gewerbes, sei an dieser Stelle noch einmal auf das Rechenbeispiel am Anfang der Ziffer 4 hingewiesen, wonach im schweizerischen Durchschnitt Betriebe mit einer Gesamtbelegschaft von 40 Arbeitskräften praktisch von der Reduktion des Ausländerbestandes ausgenommen sind, es sei denn, sie weisen eine überdurchschnittliche Fremdarbeiterzahl auf.

Alle Härten werden sich jedoch
nicht vermeiden lassen. Wenn das angestrebte Ziel erreicht und die von der Öffentlichen Meinung mit Nachdruck verlangte Herabsetzung des Ausländerbestandes verwirklicht werden sollen, müssen solche Nachteile in Kauf genommen werden.

TV. Massnahmen auf längere Sicht zur Reduktion des Ausländerbestandes 1. Der neue Bundesratsbeschluss stellt nur einen ersten Schritt in der Richtung einer Reduktion des Ausländerbestandes dar. Weitere Massnahmen müssen folgen, um den Ausländerbestand auf ein für die Schweiz tragbares Mass zu reduzieren. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass es sich um eine langfristige Aufgabe handelt. Eine Entwicklung, die sich im Verlaufe der letzten

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Jahre vollzogen hat, kann nicht sofort rückgängig gemacht werden, ohne der Wirtschaft schwersten Schaden zuzufügen.

Wie bereits dargelegt wurde, ist der Produktionsapparat in einem Masse ausgebaut worden, dass er ohne Hunderttausende von Ausländern überhaupt nicht in Gang gehalten werden kann. Sogar die SBB und die PTT beschäftigen heute Ausländer. Gleichzeitig haben sich wie bereits erwähnt in der Nachkriegszeit tiefgreifende Wandlungen der Berufsstruktur vollzogen. Für viele Arbeiten sind überhaupt keine Schweizer mehr zu gewinnen, so dass zahlreiche Betriebe so sehr auf Ausländer angewiesen sind, dass sie bei deren Wegfall lahmgelegt wären.

Die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte kann nur herabgesetzt werden, wenn die Wirtschaft sich umstellt. Soweit dies überhaupt möglich ist, muss versucht werden, durch vermehrte Mechanisierung, Rationalisierung und Automation mit weniger Arbeitskräften auszukommen. Des weitern muss man sich fragen, ob es vernünftig ist, gewisse arbeitsintensive Produktionszweige weiter zu führen, die nur existieren können, wenn sie immer wieder Arbeitskräfte aus dem Ausland nachziehen können. Wir müssen uns mehr und mehr auf solche Produktionsarten umstellen, die ein Minimum an Arbeitskräften erfordern.

Dies setzt eine teilweise Umstrukturierung der Wirtschaft voraus, die auch die Nachfrage nach Arbeitskräften verändern und deshalb nicht ohne Einfluss auf den Arbeitsmarkt und die Berufsstruktur sein wird. Nicht alle Arbeit, die von un- oder angelernten Ausländern verrichtet wird, kann durch Maschinen ersetzt werden. Falls wir auf diese Tätigkeiten nicht verzi chten können, müssen Schweizer dafür gewonnen werden, was nur möglich sein wird, wenn sie entsprechend bezahlt werden. Für gewisse weniger angenehme oder sozial weniger angesehene Arbeiten ist deshalb eine neue Arbeitsbewertung unerlässlich. Auch muss die Nachwuchspolitik in vermehrtem Masse auf die neuen Verhältnisse, die durch den Abbau der Ausländer entstehen, ausgerichtet werden.

Für die notwendigen Umstellungen muss der Wirtschaft eine angemessene Zeit eingeräumt werden, wenn nicht schwere volkswirtschaftliche Störungen entstehen sollen. Ein übereilter Abbau könnte, wie wir bereits erwähnt haben, für viele Betriebe äusserst schwerwiegende Folgen haben. Da die ausländischen Arbeitskräfte nicht gleichmässig über
die Wirtschaft und die Betriebe verteilt, sondern zu einem guten Teil in bestimmten, von Schweizern gemiedenen Tätigkeiten konzentriert sind, nehmen sie in vielen Fällen gewissermassen Schlüsselpositionen ein. Durch überstürzte Eingriffe können sich sehr grosse Folgen ergeben, die weit über den unmittelbar betroffenen Wirtschaftszweig hinausgehen.

Sehr stark überfremdet sind z.B. die Konservenindustrie, die während der Saison praktisch ausschliesslich auf Ausländerinnen angewiesen ist, sowie die Verpackungsmittelindustrie. Wieder andere Industriezweige sind auf einen bestimmten Produktionsumfang oder Produktionsrhythmus und damit auf eine bestimmte Mindcstzahl von Arbeitskräften angewiesen. Würde z.B. der stark mit ausländischen Arbeitskräften durchsetzten Textilindustrie ein plötzlicher Abbau von 10 Prozent zugemutet werden, so würde der mehrschichtige Betrieb und damit die Lebensfähigkeit in Frage gestellt. Ein Hotel kann ebenfalls nur

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mit einer bestimmten Anzahl Arbeitskräfte geführt werden. Es kann den Betrieb nicht ohne weiteres reduzieren, sondern muss ihn stillegen, wenn ihm das nötige Personal oder bestimmte Personalkategorien nicht zur Verfügung stehen.

Einzelne Betriebseinstellungen würden in industriereichen Gegenden vielleicht nicht stark ins Gewicht fallen. In ländlichen Gegenden, die auf bestimmte Betriebe angewiesen sind, wären die Folgen schwerwiegend. Gerade die Betriebe in abgelegenen Gegenden sind wegen der Abwanderung der Schweizer besonders auf Ausländer angewiesen und hätten unter überstürzten Abbaumassnahmen in erster Linie zu leiden. Sie bieten aber oft wertvolle Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Schweizer und bilden nicht selten als einzige namhafte Steuerquelle die finanzielle Grundlage eines Gemeinwesens. Durch Betriebseinstellungen würden aber auch schweizerische Arbeitnehmer erwerbslos. Das gilt vor allem für ältere oder wenig leistungsfähige Kräfte, die kaum versetzbar sind und deshalb, falls sie entlassen werden, nur sehr schwer wieder Arbeit finden.

Wie rasch die notwendigen Umstellungen vorgenommen werden können, und wie gross die Opfer sein werden, hängt von verschiedenen Umständen ab, die zum voraus nicht sicher beurteilt werden können. So besteht vor allem ein enger Zusammenhang zwischen der Verminderung der Fremdarbeiterzahl und den Massnahmen zur Konjunkturdämpfung. Eine Herabsetzung der Zahl der Arbeitskräfte ist ohne erhebliche Schäden nur möglich, wenn die Gesamtnachfrage nach Gütern und Dienstleistungen zurückgeht. Zu diesem Zweck müssen die Massnahmen gegen die Überexpansion fortgesetzt werden. Auch unter diesem Gesichtspunkt kommt der Abstimmung vom 28. Februar 1965 über die beiden dringlichen Bundesbeschlüsse zur Bekämpfung der Teuerung entscheidende Bedeutung zu.

Aus diesen Gründen halten wir es nicht für zweckmässig, über die im Beschlussesentwoirf vorgesehenen beiden Etappen hinaus heute schon bestimmte Fristen für einen weiteren Abbau festzulegen.

2. Es ist nicht möglich, im Sinne eines Endzieles den Umfang der Herabsetzung eindeutig zu bestimmen und heute schon eine Höchstzahl von ausländischen Arbeitskräften zu fixieren, die nicht überschritten werden darf. Zwar sollten nach den Berechnungen der Studienkommission für das Problem der ausländischen Arbeitskräfte
500 000 Ausländer genügen, um unserer Volkswirtschaft ein befriedigendes Wachstum zu sichern, falls das reale Nettosozialprodukt bis zum Jahre 1970 um jährlich 4 Prozent und die Produktivität um 3 Prozent zunehmen.

Die Kommission brachte aber den Vorbehalt an, dass bei einer derartigen Begrenzung des Arbeitskraftpotentials eine merkliche Verlangsamung des Wachstums des Volkswohlstandes eintreten würde. Sie nahm ferner ihre Schätzungen und Berechnungen in den Jahren 1961 und 1962 vor, stellte also auf den damaligen Stand der Entwicklung unserer Wirtschaft und der Fremdarbeiterzahl ab, die im Jahre 1961 548000 im August und 349000 im Februar, und im Jahre 1962 645000 im August und 446000 im Februar betrug. Seither aber hat sich unsere Wirtschaft, unter Rückgriff auf ausländische Kapitalien und Arbeitskräfte, strukturell und quantitativ wesentlich anders entwickelt, als damals unter der

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Voraussetzung eines Abbaues des Fremdarbeiterbestandes angenommen werden konnte. Diese Entwicklung kann nicht mehr ohne schwerwiegende Folgen ' für einzelne Unternehmungen, Branchen und Regionen sowie auch für die einheimischen Arbeitskräfte im ganzen Umfang rückgängig gemacht werden. Von der heutigen Situation aus betrachtet, ist der Mindestbedarf unserer Wirtschaft an Fremdarbeitern zweifellos höher als 1961/62, wenn das damals anvisierte Wachstum noch realisiert werden soll. Wo dieses Minimum liegen dürfte, wird sich erst im Verlaufe des nunmehr eingeleiteten Abbaues des Fremdarbeiterbestandes beurteilen lassen.

Die Schlussfolgerungen der genannten Studienkommission werden für uns aber gleichwohl wegleitend sein. Der Abbau des Fremdarbeiterbestandes muss indessen in einer Weise durchgeführt werden, dass nicht ein Schrampfungsprozess eingeleitet wird, der in seinen Wirkungen einer Deflationspolitik gleich käme.

Vielmehr gilt es, unserer Wirtschaft auch in Zukunft ein gesundes Wachstum zu ermöglichen, was auch das Ziel der beiden Beschlüsse zur Konjunkturdämpfung ist.

3. Der unumgängliche Abbau sollte nicht auf mehr oder weniger willkürlich angesetzten Prozentzahlen beruhen, sondern soweit als möglich auf einer organischen, in der Entwicklung der Bevölkerung und der Struktur unserer Wirtschaft liegenden Grundlage. Dabei ist von folgenden Überlegungen auszugehen.

Gegenwärtig werden alljährlich etwa 13000 Niederlassungsbewilligungen erteilt, von denen rund 7000 auf unselbständigerwerbende Ausländer entfallen.

Diese Zahl dürfte sich in den nächsten Jahren bis auf schätzungsweise 10000 erhöhen. Die erwerbstätigen Ausländer mit Niederlassungsbewilligung scheiden aus der Statistik der kontroUpflichtigen ausländischen Arbeitskräfte aus, stehen aber der Wirtschaft gleichwohl zur Verfügung.

Ausserdem hat in den letzten Jahren die Zahl der neu ins Erwerbsleben eintretenden 15jährigen, dank der geburtenreichen Jahrgänge von 1940 bis 1945, zugenommen und damit das Arbeitskräftepotential der Schweiz erhöht. Die Zahl der 15jährigen, die 1955 etwa 60000 betrug, erhöhte sich auf 86200 im Jahre 1960 (Volkszählung) und wird sich nach den Schätzungen des Eidgenössischen Statistischen Amtes in den nächsten fünf Jahren (ohne Berücksichtigung der Wanderungsbewegungen) auf 82000-84000 belaufen.

Man kann also
davon ausgehen, dass verglichen mit 1955 jedes Jahr zusätzlich etwa 20000-24000 Jugendliche aus der obligatorischen Schulpflicht entlassen werden, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass die meisten von ihnen (etwa 85 %) nicht sofort ins Erwerbsleben eintreten, sondern eine Lehre absolvieren oder weiterhin Schulen besuchen. Es darf aber angenommen werden, dass mindestens von 1965 an eine entsprechende Anzahl zusätzlicher 20jähriger Arbeitskräfte mit voller Leistungsfähigkeit der Wirtschaft zur Verfügung steht.

Es darf deshalb von der Wirtschaft erwartet werden, dass sie in Zukunft im Umfang der erteilten Niederlassungsbewilligungen und des jährlichen Mehrzuwachses an neu ins Erwerbsleben eintretenden Jugendlichen auf den Zuzug von kontroUpflichtigen ausländischen Arbeitskräften verzichtet.

351 Anderseits hat auch die Zahl der 65jährigen, die normalerweise aus dem Erwerbsleben ausscheiden, im selben Zeitraum um 10000 jährlich zugenommen.

Ferner muss berücksichtigt werden, dass auch niedergelassene Ausländer die Schweiz wieder verlassen. Der jährliche Nettozuwachs gegenüber den fünfziger Jahren erfährt dadurch eine Reduktion und kann für die nächsten Jahre auf 15000-20000 Arbeitskräfte veranschlagt werden. Um den Bestand an ausländischen Arbeitskräften im Laufe der kommenden Jahre auf ein Mass zu senken, das vom Standpunkt der Überfremdung aus für die Schweiz tragbar ist, wird der Wirtschaft zugemutet werden müssen, in den nächsten Jahren auf je 30000 kontrollpflichtige ausländische Arbeitskräfte zu verzichten.

4. Die vorstehenden Ausführungen gingen von der Zahl von 720000 Fremdarbeitern aus. Man muss sich indessen bewusst sein, dass diese Zahl nur die der fremdenpolizeilichen Kontrolle unterstehenden ausländischen Arbeitskräfte umfasst. Die Gesamtzahl der berufstätigen Ausländer erhöht sich um die Zahl der berufstätigen Ausländer mit Niederlassungsbewilligung, die auf rund 100000 geschätzt werden kann. Vom Überfremdungsstandpunkt aus müssen aber auch die nicht beruflich tätigen kontrollpflichtigen Ausländer (vor allem Hausfrauen und Kinder), die Flüchtlinge sowie die Angehörigen der Niedergelassenen mitberücksichtigt werden. Unter Einbezug aller dieser Kategorien belief sich der Gesamtbestand der Ausländer zu Ende August 1964 schätzungsweise auf rund eine Million. Diese Zahl setzt sich wie folgt zusammen: Gesamter Ausländerbestand Ende August 1964 Total

Kontrollpflichtige .

850 9001 190 OOO1 Niedergelassene Internationale Beamte und deren Angehörige . .

15000 Flüchtlinge 4000 Total 1 059 900 davon Grenzgänger 49200 Gesamte ausländische Wohnbevölkerung 1 010 700 1

Davon berufstätig

nictu berufstätig

720900 100 OOO1 8000 2500

130 OOO1 90 OOO1 7000 1500

831400 49200

228 500

782200

228 500

geschätzt

Bei der Beurteilung der vorstehenden Zahlen muss in Betracht gezogen werden, dass die Beschäftigung in der Regel ihren Höchststand im Monat August erreicht. Wird für die kontrollpflichtigen ausländischen Arbeitskräfte auf den Februarbestand 1964 abgestellt, so reduziert sich die Gesamtzahl der ausländischen Wohnbevölkerung auf 836 000. Bezogen auf die gesamte Wohnbevölkerung von 5,7 Millionen zu Beginn des Jahres 1964 ergibt sich für den August 1964 ein Ausländeranteil von 17,7 Prozent und für den Februar 1964 von 14,6 Prozent, was ungefähr dem Überfremdungsgrad des Jahres 1910 entspricht.

5. Die für 1965 vorgesehene Begrenzung des Ausländerbestandes und des Gesamtpersonalbestandes ist als Übergangslösung zu betrachten. Die Doppel-

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plafonierung würde nicht nur die Weiterentwicklung der Wirtschaft hemmen, sondern auch zu einer Erstarrung unserer Wirtschaft führen, die auf die Dauer nicht zu verantworten wäre. Die notwendigen strukturellen Anpassungen der Wirtschaft würden unterbleiben und die produktivsten Betriebe könnten nicht mehr weiter wachsen. Deshalb muss die Verteilung der Arbeitskräfte auf die Wirtschaftszweige und Betriebe wieder vermehrt den Marktkräften überlassen werden. Als erster Schritt in dieser Richtung wird schon 1966 die betriebsweise Begrenzung der Gesarntpersonalbcstände gelockert werden (vgl.Art.5, Abs. 3, des Entwurfes).

Der lineare Abbau der kontrollpflichtigen Ausländer trägt dem Umstand nicht Rechnung, dass die verschiedenen Kategorien ausländischer Arbeitskräfte (Grenzgänger, Saisonarbeiter, Daueraufenthalter) nicht in gleichem Mass zur Überfremdungsgefahr beitragen. Auch die Kantonsregierungen haben mit Recht auf diesen Punkt hingewiesen. Nach dem Entwurf werden deshalb das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement und das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement beauftragt, anstelle eines allgemeinen prozentualen Abbaues andere, ähnlich wirksame Abbaumethoden für das Jahr 1966 zu prüfen (vgl.Art.2, Abs. l, des Entwurfes).

Zur Überfremdung tragen in erster Linie die Arbeitskräfte mit dauerndem Aufenthalt bei, die den Hauptanteil der Ausländer stellen. Der Bestand an 720000 kontrollpflichtigen ausländischen Arbeitskräften im August 1964 setzte sich wie folgt zusammen: 465000 Nicht-Saisonarbeiter 206000 Saisonarbeiter 49000 Grenzgänger.

Zwar begründet auch die Beschäftigung von Grenzgängern und Saisonarbeitern eine gewisse Abhängigkeit vom Ausland. Dagegen belasten Grenzgänger und Saisonarbeiter, besonders auf abgelegenen Baustellen und in der Saisonhotellerie, die sich nur während weniger Monate ohne ihre Familien bei uns aufhalten, unsere Infrastruktur kaum und spielen auch überfremdungsmässig nicht die gleiche Rolle wie die Nichtsaisonarbeiter. Dasselbe gilt auch für Monteure ausländischer Firmen, die während kurzer Zeit Arbeiten in der Schweiz ausführen. Die künftigen Abbaumassnahmen werden auf diese Verhältnisse Rücksicht nehmen müssen. Die Grenzgänger, die in der Schweiz keinen Wohnsitz haben, werden nicht nur von künftigen Abbaumassnahmen ausgenommen, sondern auch statistisch
ausgeklammert werden müssen. Damit hätte sich der für die Überfremdung in Betracht fallende Bestand an kontrollpflichtigen ausländischen Arbeitskräften im August 1964 auf 670000 belaufen.

Wie der Abbau auf die Saison- und Nicht-Saisonarbeiter zu verteilen ist, kann heute noch nicht festgelegt werden. Auf diese Weise sollte es möglich sein, den Bestand an kontrollpflichtigen ausländischen Arbeitskräften im Laufe der nächsten Jahre auf das vom Standpunkt der Überfremdung aus tragbare Mass zu reduzieren.

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V. Schlussfolgerungen Aus den vorstehenden Ausführungen ergeben sich folgende Schlussfolgerungen : 1. Als Sofortmassnahme wird das bisherige System der betriebsweisen Begrenzung des Gesamtpersonalbestandes durch die betriebsweise Begrenzung des Ausländerbestandes ergänzt, wobei dieser bis zum 30. Juni 1965 auf 95 Prozent herabzusetzen ist. Für das Baugewerbe wird eine Sonderregelung getroffen, wobei in Aussicht genommen ist, die Zahl der Saisonbauarbeiter auf 145000 zu begrenzen.

Für die Zeit bis zum 30. Juni 1966 ist eine weitere Herabsetzung um bis zu 5 Prozent in Aussicht genommen, doch wird deren Ausmass erst im Anschluss an die Augusterhebung 1965 nach Massgabe der Wirksamkeit und der wirtschaftlichen Auswirkungen der für 1965 getroffenen Massnahmen festgelegt.

Die Ausnahmeregelung wird wesentlich eingeschränkt und ihre Handhabung dem Bund übertragen. Die Kontrolle wird verschärft. Im Zusammenhang mit den neuen Massnahmen wird auch der Stellenwechsel eingeschränkt.

Um die unkontrollierten Einreisen ausländischer Arbeitskräfte zu verhindern, dürfen diese zum Stellenantritt nur dann in die Schweiz einreisen, wenn sie im Besitz einer Zusicherung der Aufenthaltsbewüligung sind.

2. Bei diesen Sofortmassnahmen kann es aber nicht sein Bewenden haben.

Indessen bedingt ein weiterer Abbau Umstellungen in der Wirtschaft, wofür die notwendige Zeit eingeräumt werden muss. Andernfalls wären schwerwiegende Nachteile für zahlreiche Betriebe und ganze Wirtschaftszweige und Landesgegenden zu befürchten, die auch einheimische Arbeitnehmer treffen würden.

3. Künftig wird der Abbau differenzierter vorgenommen werden müssen, da die Grenzgänger und teilweise auch die Saisonarbeitnehmer (Saisonhotellerie und abgelegene Baustellen) unsere Infrastruktur kaum belasten und auch vom Standpunkt der Überfremdung nicht die gleiche Rolle spielen wie die Nicht-Saisonarbeiter. In Zukunft sind deshalb die Grenzgänger vom Abbau auszunehmen und auch aus der Statistik auszuklammern. Ferner ist die Zahl der Nicht-Saisonarbeitskräfte stärker zu reduzieren als diejenige der Saisonarbeitskräfte.

Das System der Doppelplafonierung führt zu einer derartigen Erstarrung der Wirtschaft, dass es nur als vorübergehende Massnahme tragbar ist. In Zukunft wird die Verteilung der Arbeitskräfte auf die Wirtschaftszweige und Betriebe wieder
mehr den Marktkräften überlassen werden müssen. Als erster Schritt in dieser Richtung soll 1966 die Begrenzung des Gesamtpersonalbestandes gelockert werden.

4. Das Endziel des Abbaues lässt sich heute noch nicht zahlenmässig umschreiben. Fest steht jedoch, dass die Zahl der kontrollpflichtigen ausländischen Arbeitskräfte auf ein vom Übcrfremdungsstandpunkt aus tragbares Mass reduziert werden muss. Von der Festlegung bestimmter Fristen für den Abbau nach 1966 sollte abgesehen werden, da die Auswirkungen von verschiedenen,

354

nicht zum voraus bestimmbaren Umständen abhängen. Der Abbau soll jedoch so weit als möglich auf die Bevölkerungsentwicklung abgestimmt werden (Berücksichtigung des Nettozuwachses an einheimischen Arbeitskräften und der die Niederlassung erlangenden kontrollpflichtigen ausländischen Arbeitskräfte).

5. Die Verminderung der Fremdarbeiterzahl steht in engstem Zusammenhang mit den Massnahmen zur Konjunkturdämpfung. Eine Herabsetzung der Zahl der kontrollpflichtigen ausländischen Arbeitskräfte ist ohne erheblichen Schaden nur möglich, wenn die Gesamtnachfrage nach Gütern und Dienstleistungen zurückgeht. Zu diesem Zwecke müssen die Massnahmen gegen die Uberexpansion fortgesetzt werden. Auch unter diesem Gesichtspunkt kommt der Volksabstimmung vom 28. Februar 1965 über die beiden dringlichen Bundesbeschlüsse zur Bekämpfung der Teuerung entscheidende Bedeutung zu.

Mit den vorstehenden Ausführungen glauben wir, den gewünschten Ergänzungsbericht erstattet zu haben.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 9. Februar 1965 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident : Tschudi

8158

Der Bundeskanzler: Ch. Oser

355

Tabelle I /. Zunahme des Bestandes der kontrollpflichtigen ausländischen Arbeitskräfte nach Kantonen, August 1963 bis August 1964 Zunahme insgesamt Kantone absolut

Zürich Bern Luzern Uri Schwyz . . . .

Obwalden Nidwaiden .

Glarus Zug Freiburg Solothum Basel-Stadt Basel-Land Schaffhausen Appenzell A.-Rh. . . .

Appenzell I.-Rh St, Gallen .

Graubünden Aargati Thurgau Tessin . . . .

Waadt Wallis Neuenburg Genf Total 1

in Prozent

Zunahme ohne Abgänge aus der Land- und Forstwirtschaft und dem Hausdienst absolut

8921 1988 687 212 370 396 318 423 289 1216 246 1678 511 719 11 32 1 104 2163 1708 402 1857 979 439 1391 5552

+ 6,8 + 2,8 + 3,6 + 11,5 + 5,7 --20,5 + 11,9 - 6,7 + 4,6 + 18,8 + 1,1 + 5,6 -- 1,7 + 6,9 + 0,2 - 3,3 + 3,0 + 8,0 + 3,4 + 1,8 + 3,4 + 1,8 + 1,9 + 8,5 + 10,8

+ + + + + -- + -- + + + + -- + + -- + + + + + + + + +

+ 30 888

+ 4,5

+ 35308

+ + + + + -- + -- + + + + -- + + -- + + + + + + + + +

9478 3064 929 212 415 323 296 424 312 1347 140 1421 387 691 25 39 1253 2233 2035 579 2343 1213 538 1451 6506

in Prozent

+ 7,7 + 4,6 + 5,2 + 11,7 + 6,6 -- 17,9 + 11,4 -- 6,9 + 5,1 + 23,3 + 0,7 + 5,3 -- 1,4 + 6,9 + 0,6 -- 4,2 + 3,5 + 8,9 + 4,2 + 2,8 + 4,7 + 2,5 T + 2,6 + 9,3 + 14,0 + 5,5

Bei Korrektur der "Verschiebungeri in den Grupp en Erden und Steine, Baugewerbe, Verkehr u nd Gastgewerbe betrug die Z unahrae im Kanton Waadt 2144 oder 8,8 %.

356 Tabelle II //. Zunahme des Bestandes der kontrollpflichtigen ausländischen Arbeitskräfte nach Berufsgruppen, August 1963 bis August 1964 Relative Zunahme

Absolute Zunahme Bauberufe Metallbearbeitung Kaufmännische und Büroberufe Gastgewerbliche Berufe Bekleidungsindustrie Nahrungs- und Genussmittel ..

Textilberufe Uhrmacherei Verkehrsdienst Technische Berufe Chemische Industrie Graphische Berufe Gesundheits- und Körperpflege Leder und Gummi Geistes- und Kunstleben Papierrndustrie Holz- und Korkbearbeitung ...

Übrige Berufsarten Erden, Steine, Glas Bergbau Forstwirtschaft, Fischerei Landwirtschaft, Gärtnerei Hausdienst

11 173 4 640 3 977 3 114 2 185 l 712 l 356 l 233 l 276 l 024 842 763 638 618 366 316 251 8 -- 72 -- 162 -- 382 --l 712 --2 326

Verkehrsdienst Kaufmännische u. Büroberufe Leder und Gummi Uhrmacherei Graphische Berufe Chemische Industrie Geistes-und Kunstleben Technische Berufe Nahrungs- und Genussmittel .

Bauberufe Gesundheits-und Körperpflege Bekleidung Gastgewerbliche Berufe Textilberufe Papierindustrie Metallbearbeitung Holz- und Korkbcarbeitung . .

Übrige Berufsarten Erden, Steine, Glas Hausdienst Landwirtschaft, Gärtnerei ...

Bergbau Forstwirtschaft, Fischerei

30,1 % 16,4% 14,4% 13,5 % 11,2 % 10,1 % 8,4% 7,7 % 7,3 % 6,4% 5,7% 5,1 % 4,3 % 3,9% 3,9 % 3,5 % 1,0 % 0,0 % -- 0,5 % -- 8,6% -- 8,7% 12,0% --17,5%

357

Berichtigung I. Bericht des Buiidesrates an die Bundesversammlung über den Stand der Beschaffung von Kampfflugzeugen Mirage TTT (BEI 1965,1, 282) Seite 285, zehnte Zeile statt: I.September 1964 für 57 Flugzeuge in Rechnung gestellt ist.

muss es heissen: I.September 1964 für 50 Flugzeuge in Rechnung gestellt ist.

Bern, den 24,Februar 1965.

7908 Bundeskanzlei

# S T #

Bekanntmachungen von Departementen und ändern

Verwaltungsstellen des Bundes Änderungen im diplomatischen Korps vom S. bis 14, Februar 1965

Amtsaufnahme Südafrika Herr Nicolaas J. Kellerman, Attaché.

Beendigung der dienstlichen Tätigkeit Tunesien Herr Abdelwahab Krit, Zweiter Sekretär.

7908

Änderungen bei den ausländischen Konsularvertretungen in der Schweiz

Dominikanische Republik Durch den kürzlich erfolgten Hinschied von Herrn Generalkonsul F. A.

M. Noelting ist das Generalkonsulat der Dominikanischen Republik in Genf vakant geworden.

Nepal Das Generalkonsulat von Nepal in Bern ist geschlossen. Die konsularischen Amtsgeschäfte für die ganze Schweiz besorgt die Königliche Botschaft von Nepal in der Schweiz mit Sitz in Rom (Via Cassia 901 A; Tel. 3072621).

7908

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die erweiterte Kommission des Nationalrates für auswärtige Angelegenheiten über die Beschränkung und Herabsetzung des Bestandes an ausländischen Arbeitskräften (Vom 9. Februar 1965)

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Jahr

1965

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

08

Cahier Numero Geschäftsnummer

9104

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

26.02.1965

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331-357

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