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Bundesblatt

Bern, den 30.Januar 1970

122. Jahrgang

Bandi

Nr. 4 Erscheint wöchentlich. Preis: Inland Fr. 40.- im Jahr, Fr. 23.-im Halbjahr, Ausland Fr. 52.im Jahr, zuzüglich Nachnahme- und Postzustellungsgebühr. Inseratenverwaltung: Permedia Publicitas AG, Abteilung für Periodika, Hirschmattstrasse 36,6000 Luzern, Tel. 041/23 6666 10476 # S T #

Botschaft

des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Einführung des Frauenstimm- und -Wahlrechts in eidgenössischen Angelegenheiten (Vom 23. Dezember 1969) Herr Präsident, Hochgeehrte Herren, Wir beehren uns, Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Einführung des Frauenstimm- und -Wahlrechts in eidgenössischen Angelegenheiten vorzulegen. Wir geben damit der Motion Schmitt-Genf vom 30. November 1965 sowie der als Postulat angenommenen Motion Tanner vom 4. Juni 1968 Folge und erstatten zugleich Bericht über die am 22. Februar 1966 beschlossene Standesinitiative des Kantons Neuenburg. Vorgeschlagen wird im wesentlichen die von Ihnen am 13. Juni 1958 gutgeheissene, von Volk und Ständen jedoch abgelehnte Änderung von Artikel 74 der Bundesverfassung (vgl. BB1 19581 1165).

I. Einleitung

1. Der Bundesbeschluss vom 13. Juni 1958 über die Einführung des Frauenstimm- und -Wahlrechtes in eidgenössischen Angelegenheiten wurde am 1. Februar 1959 vom Volk mit 654 939 gegen 323 727 Stimmen sowie von allen Kantonen bis auf drei verworfen (BB1 79591 573).

Einige Zeit später war die Frage erneut Gegenstand verschiedener parlamentarischer Vorstösse. So befasste sich Herr Nationalrat Schmitt-Genf in seiner Kleinen Anfrage vom 1. März 1965 mit dem Problem, ob aus Rücksicht auf die Grundzüge der Charta des Europarates die Frage der politischen Gleichberechtigung der Frau auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene zusammen mit den konfessionellen Artikeln der Bundesverfassung neu zu überprüfen sei.

Seine vom Nationalrat am 23. Juni 1966 und vom Ständerat am 4. Oktober 1966 angenommene Motion lautet ffolgendermassen : Bundesblatt. 122. Jahrg. Bd. I

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«Alle Redner, die sich in der Septembersession 1965 an der aussenpolitischen Debatte beteiligt haben, äusserten sich zugunsten der Einführung des allgemeinen Stimm- und Wahlrechtes in unserem Lande.

Es sei daran erinnert, dass der Bundesbeschluss vom 22. Februar 1957 über die Einführung des Frauenstimm- und -Wahlrechts in eidg. Angelegenheiten im Anschluss an die Postulate der Herren Albert Picot und Grendelmeier ausgearbeitet wurde, Postulate, die beide bereits im Jahre 1952 begründet worden waren.

Die Volksabstimmung fand somit fast 7 Jahre nach Einreichung dieser Postulate statt. Seither haben drei Kantone das Frauenstimmrecht in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten eingeführt. Die gemachten Erfahrungen unterstützen die Schlussfolgerungen des Bundesrates in seiner Botschaft vom 22. Februar 1957, worin er vorschlug, den Schweizer Frauen auf dem Wege einer Verfassungsänderung dieselben politischen Rechte zuzugestehen wie den Männern.

Es sei ferner daran erinnert, dass in den letzten Jahren im Schosse zahlreicher kantonaler Parlamente Vorstösse zugunsten der politischen Gleichberechtigung der Bürger und Bürgerinnen auf kantonalem und kommunalem Boden unternommen wurden. Angesichts der Zeit, die seit dem ersten Antrage des Bundesrates verstrichen ist, und mit Rücksicht auf die inzwischen eingetretenen neuen Tatsachen, erscheint es als zweckmässig, dass sich der schweizerische Stimmbürger erneut über die verfassungsmässige Einführung des allgemeinen Stimm- und Wahlrechts in unserem Lande ausspreche.

Demzufolge wird der Bundesrat eingeladen, den eidg. Räten eine Verfassungsrevision, gerichtet auf die Einführung des Frauenstimm- und -Wahlrechtes, vorzuschlagen. » Daraus, dass die Motion an die bundesrätliche Vorlage von 1957 anknüpft und eine erneute Stellungnahme des Stimmbürgers befürwortet, ergibt ' sich, dass der Vorstoss nur das Stimm- und Wahlrecht in eidgenössischen Angelegenheiten im Auge hat.

Eine solche Vorlage ist offensichtlich auch das Ziel der am 5. März 1969 ' vom Nationalrat in Form eines Postulats angenommenen Motion Tanner vom 4. Juni 1968. Das Postulat erhielt folgenden Wortlaut: «Die Einführung des Frauenstimm- und Wahlrechts in Belangen der Gemeinde und des Kantons hat in den letzten Jahren erfreuliche Fortschritte gemacht. Von dieser Tatsache aus könnte es psychologisch
und taktisch als klug erachtet werden, noch einige Zeit die Entwicklung in der eingeschlagenen Richtung abzuwarten, bevor auf eidgenössischer Ebene die Wiederholung des Urnengangs vom 1. Februar 1959 vorgenommen wird.

Der Bundesrat wird deshalb eingeladen zu prüfen, ob nicht noch im laufenden Jahr, das zum Jahr der Menschenrechte erklärt wurde, eine neue Vorlage zur Einführung des Frauenstimm- und Wahlrechts vorzubereiten und die Abstimmung darüber ohne Verzug zu fixieren seien. » Zu erwähnen ist ferner die Motion, welche die Kommission des Nationalrates, die den bundesrätlichen Bericht über die Menschenrechtskonvention

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behandelt hatte, am 12. Juni 1969 einbrachte (Sten. Bull.NR 1969,320). Sie verlangt Vorschläge, «welche die Streichung der bei der Ratifikation der Konvention zum Schütze der Menschenrechte notwendigen Vorbehalte ermöglichen, insbesondere von Vorlagen zur Einführung des Frauenstimm- und -Wahlrechts und auf Ausmerzung der konfessionellen Ausnâhmeartikel.» Die am 17. Juni 1969 eingereichte Motion Arnold endlich möchte, dass durch Beschluss der Bundesversammlung Artikel 74 der Bundesverfassung, also der Stimmrechtsartikel so auszulegen ist, dass unter «Schweizer» Männer und Frauen zu verstehen sind.

Die vom Kanton Neuenburg am 25. Februar 1966 eingereichte Standesinitiative haben Sie uns am 7. März 1966 zur Berichterstattung überwiesen. Sie lautet: Faisant usage de son droit d'initiative, le Grand Conseil neuchâtelois demande aux Chambres fédérales de reviser la Constitution fédérale de manière à accorder aux femmes les droits politiques.

In einem gewissen Zusammenhang mit den erwähnten Vorstössen steht auch das am 2. Oktober 1968 eingereichte und am 25. Juni 1969 vom Nationalrat überwiesene Postulat Cevey. Es verlangt die Prüfung der Frage, ob in den Kantonen mit Frauenstimmrecht auch den Bürgerinnen die Teilnahme an Abstimmungen über Verfassungsrevisionen zu ermöglichen sei.

2. Entsprechend der Haltung, die den Bundesrat veranlasste, Ihnen mit Botschaft vom 22. Februar 1957 in eidgenössischen Angelegenheiten die Einführung des Frauenstimm- und -Wahlrechts (im folgenden Frauenstimmrecht) vorzuschlagen (vgl. BB11957 I 665 ff-.), lehnte er bereits in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage Schmitt-Genf vom 7. Mai 1965 eine neue Vorlage zugunsten des Frauenstimmrechts nicht ab, wollte aber Schritte in dieser Richtung solange nicht unternehmen, als nicht neben den Kantonen Waadt, Neuenburg und Genf noch einige weitere erfolgreich gewesen sein würden. Das Bestreben, dem zweiten Vorstoss das Schicksal des ersten möglichst zu ersparen, kam auch bei der Entgegennahme der Motion Schmitt-Genf sowie in den Richtlinien für die Regierungspolitik in der Legislaturperiode 1968-1971 (BB11968 I 1204) zum Ausdruck.

In seiner Antwort auf die Motion Tanner konnte der Bundesrat am 5. März 1969 darauf hinweisen, dass in den Kantonen zwar nicht alle, aber doch manche Abstimmungen dem Frauenstimmrecht günstig verlaufen seien.
Er hielt den Zeitpunkt nun für gekommen, das Problem wieder aufzugreifen, stellte eine neue Vorlage noch für dieses Jahr in Aussicht und löst jetzt sein Versprechen ein.

3. Den erwähnten parlamentarischen Vorstössen entsprechend beschränkt sich die neue Vorlage gleich wie die letzte auf die Frage der Gleichbehandlung von Mann und Frau bei der Zuerkennung des Stimmrechts. Wie gesagt versteht diese Botschaft darunter auch das (aktive und passive) Wahlrecht. Bereits diejenige von 1957 bezeichnete das Stimmrecht als Grundlage und Kern aller politischen Rechte des Volkes ; mit ihm ist z. B. das Recht der Initiative und des Referendums ohne weiteres gegeben.

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4. Der Bundesrat hat sich in seiner Botschaft von 1957 umfassend mit dem.

Fraiienstimmrecht auseinandergesetzt und sie bei der Entgegennahme der Motion Schmitt-Genf weiterhin als Grundlage für seine Haltung bezeichnet.

Daran hat sich nichts Grundsätzliches geändert. Es lag daher nahe, inhaltlich und der Form nach an diese Botschaft anzuknüpfen, aus ihr in der neuen das wesentlich Gebliebene zusammenzufassen und es zu ergänzen. Es folgen daher wieder die Abschnitte «Rechtsgeschichtliches und Rechtsvergleichendes», «Frauenstimm- und -Wahlrecht: Ja oder Nein?», «Gänzliche oder teilweise; Gleichbehandlung der Frauen» und «Der einzuschlagende Weg» sowie zusätzlich die Abschnitte «Die Frage der Änderung von Bundesgesetzen» und «Abschreibung von Interventionen». In ihnen wiederholen wir aus der Botschaft von 1957 inhaltlich deswegen vieles, weil es weiterhin seine Gültigkeit behalten hat.

Grossen Wert legte der Bundesrat darauf, mit den Kantonen und den politischen Parteien ins Gespräch zu kommen. Mit Rundschreiben vom.

23. Juni 1969 unterrichtete er sie über die Absicht, eine neue Botschaft vorzulegen. Er gab ihnen Gelegenheit, sich bis zum 12. September 1969 zu äussern.

Über die eingegangenen Antworten wird im folgenden berichtet werden. Das gilt auch für die Äusserungen, die von anderer Seite gemacht wurden.

In dieser Hinsicht seien zunächst die Eingaben des Schweizerischen Verbandes für Frauenstimmrecht vom 9. September 1969 und des Bundes der Schweizerinnen gegen das Frauenstimmrecht vom August 1969 erwähnt. Mit jener Organisation hat sich das Justiz- und Polizeidepartement bereits bei dei1 Ausarbeitung der Botschaft von 1957 in Verbindung gesetzt. Diese hatte ihm gegenüber den Wunsch ausgedrückt, Gelegenheit zur Stellungnahme zu erhalten. Das Departement schrieb den beiden Vereinigungen am 11. Juli 1969, sie seien dadurch, dass sich der Bundesrat mit seinem Rundschreiben nicht auch an die Verbände gewandt habe, nicht ausgeschlossen worden, sich zu äussern.

Ergänzendes Material beschafften auf Einladung hin auch die Staatskanzleien der Kantone. Durch Vermittlung des Politischen Departements war es möglich, Angaben über die Entwicklung im Ausland zu erhalten. Auch spontane Eingaben, die im Laufe der Zeit eingingen, enthielten wertvolle Hinweise.

H. Rechtsgeschichtliches und Rechtsvergleichendes

l. a. Es waren die stimm- und wahlberechtigten Männer, welche im Altertum die Selbstherrschaft des Volkes ausmachten. Auch die Französische Nationalversammlung schloss die Frauen nicht ein, als sie im August 1789 in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte sagte: «Alle Bürger haben das Recht, persönlich oder durch ihre Repräsentanten an der Schaffung des Gesetzes mitzuwirken. Sie sind alle in seinen Augen gleich ...». Es ist dieser hart erstrittene demokratische Männerstaat, welcher der Französischen Revolution seinen Siegeszug verdankte. Kampf für das allgemeine Stimm- und Wahlrecht war im letzten Jahrhundert gleichbedeutend mit Kampf für dieses Recht dei1 Männer (vgl. Bericht der Beratenden Versammlung des Europarates vom.

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13. September 1967 sur la situation politique, sociale et civique de la femme en Europe).

b. Als Erbe der germanischen Zeit galt in den Landsgemeindekantonen das gleiche und allgemeine Stimm- und Wahlrecht, lange bevor die Naturrechtslehre und die Französische Revolution es proklamierten. In den Kantonen Uri, Schwyz, Ob- und Nidwaiden, Appenzell Inner- und Ausserrhoden, Glarus und auch Zug befanden die waffenfähigen Bürger, also mit Ausnahme der «Ehrund Gewehrlosen» alle erwachsenen Männer, die das Landrecht besassen, über Krieg und Frieden, Bündnisse, Gesetze und die Wahl der Regierung; gewisse Einschränkungen trafen die «Beisassen», d. h. die nicht in ihrer Heimatgemeinde wohnhaften «Landleute». Ähnlich verhielt es sich in der Referendumsdemokratie Graubünden und in den autonomen Zehnten des Oberwalüs.

Diese Demokratie fehlte in den Kantonen, in denen die Stadt über eine untertänige Landschaft herrschte, die städtischen Räte politisch massgebend waren und die Zugehörigkeit dazu nicht allen Kreisen offenstand. Hierher gehörten die Zunftaristokratien Basel, Zürich, Schaffhausen und die zugewandte Stadt St. Gallen sowie die Patrizierstaaten Bern, Luzern, Freiburg und Solothurn.

Keine politischen Rechte hatten die Bewohner der Untertanenlandschaften.

Die von der französischen Regierung diktierte helvetische Verfassung brachte 1798 den Einheitsstaat und allen Schweizerbürgern, selbst den Untertanen, nach vollendetem 20. Altersjahr das aktive Bürgerrecht. Die Mediationsverfassung von 1803 liess in der wieder hergestellten Eidgenossenschaft zu, dass das Stimmrecht auf die Kantonsbürger beschränkt und an einen Zensus gebunden wurde. Nach ihrer Aufhebung im Jahre 1813 wurde in den Städtekantonen die Aristokratie ohne Mitwirkung des Volkes wieder eingeführt. In der politisch bewegten Regenerationszeit kam es in vielen Kantonen zu Abstimmungen über neue Verfassungen auf der Grundlage der repräsentativen Demokratie.

Die in den Kantonen gewachsene Erweiterung der Volksrechte fand ihren Niederschlag in der Bundesverfassung von 1848. Sie gab jedem Schweizer, der das 20. Altersjahr zurückgelegt hatte und nach der Gesetzgebung seines Wohnsitzkantons nicht vom aktiven Bürgerrecht ausgeschlossen war,"das Stimmund Wahlrecht in eidgenössischen Angelegenheiten. Es waren dies das aktive und passive Wahlrecht sowie
das Stimmrecht bei Verfassungsrevisionen. Überdies verlieh die Verfassung 50 000. stimmberechtigten Bürgern das Recht der Initiative auf Totalrevision der Bundesverfassung.

Die Verfassungsrevision von 1874 brachte überdies das fakultative Gesetzesreferendum, das 1921 auf langfristige Staatsverträge ausgedehnt wurde. Die Verfassungsinitiative ist seit 1891 auch auf Teilrevisionen anwendbar. Abgelehnt worden sind das obligatorische Gesetzesreferendum, die Gesetzesinitiative und die Wahl des Bundesrates durch das Volk.

2. a. Knüpft man für die Entstehung der politischen Rechte der Frau an das Matriarchat an, muss man feststellen, dass eine Herrschaft der Mutter im

66 Gemeinwesen, galt sie überhaupt je, bereits in längst verflossenen Zeiten dem Männerstaat gewichen ist. Hand in Hand mit der Ausdehnung des Wahlrechts der Männer wurde im 19. Jahrhundert dasjenige der Frauen - es bestand damals da und dort in beschränktem Umfange - abgeschafft.

Die aufkommende Frauenbewegung forderte die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Sie konnte an die von der Französischen Revolution verkündete Freiheit und Gleichheit aller Menschen anknüpfen. So verlangte die Französin Olympe de Gouges bereits 1789 in ihrer Erklärung der Frauenrechte die; Gleichstellung auf politischem Gebiet (Wahlrecht und Zulassung zu den.

öffentlichen Ämtern). Aber erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, durften die Frauen in einigen wenigen Staaten an kommunalen Wahlen teilnehmen. Das allgemeine politische Wahlrecht erhielten sie fast ausnahmslos erst im jetzigen Jahrhundert, vor allem im Zusammenhang mit den beiden Weltkriegen.

Die Botschaft von 1957 erwähnte 15 Staaten, in denen die Frauen im Gegensatz zu den Männern kein Stimmrecht hatten. Ein (nicht alle Staaten umfassender) Bericht des Generalsekretärs der UNO vom 14. November 1968 über die politischen Rechte der Frauen zählt noch Jemen, Jordanien, Kuwait, Liechtenstein, Nigeria (Nordregion), Saudiarabien und die Schweiz (abgesehen von einzelnen Kantonen) als Staaten ohne Frauenstimmrecht auf; ein gegenüber dem Mann eingeschränktes Wahlrecht hat die Frau in Portugal, San Marino und Syrien. Gleichberechtigt sind Mann und Frau in über 100 Staaten (die Botschaft von 1957 zählte deren 83 auf), nämlich in: Afghanistan Ecuador Albanien Elfenbeinküste Algerien El Salvador Argentinien Finnland Äthiopien Frankreich Australien Gabun Barbados Gambia Belgien Ghana Bolivien Griechenland Botswana Grossbritannien Brasilien .

Guatemala Bulgarien Guayana Burma Guinea Burundi Haiti Ceylon Honduras Chile Indien China (Taiwan) Indonesien Costa Rica Irak Dahome Iran Dänemark Irland Bundesrepublik Deutschland Island Dominikanische Republik Israel

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Italien Österreich Pakistan Jamaika Japan Panama Jugoslawien Paraguay Peru Kambodscha Philippinen Kamerun Polen Kanada Rumänien Kenia Rwanda Kolumbien Kongo (Brazzaville) Sambia Schweden Kongo (Kinshasa) Korea (Republik) (Süd) Senegal Kuba Sierra Leone Singapur Laos Libanon Somalia Sowjetunion Liberia Libyen Spanien Südafrika Luxemburg Sudan Madagaskar Malawi Tansania Malaysia Thailand Togo Malediven Trinidad und Tobago Mali Malta Tschad Tschechoslowakei Marokko Mauretanien Tunesien Türkei Mexiko Uganda Monaco Mongolei Ungarn Nepal Uruguay Venezuela Neuseeland Vereinigte Arabische Republik Nicaragua Vereinigte Staaten von Amerika Niederlande Niger Vietnam (Republik) (Süd) Nigeria (Ost- und Westregion) Westsamoa Zentralafrikanische Republik Norwegen Zypern Obervolta Man muss beifügen, dass «die politischen Rechte» der Frau nicht in allen Staaten das gleiche bedeutet.

b. In der Schweiz wurde seit Ende des 18. Jahrhunderts die politische Gleichberechtigung der Frau immer etwa wieder erörtert und ihr Fehlen zunächst nur als mit Überlegungen der Zweckmässigkeit begründbar erklärt. Als bekannte Namen sind in diesem Zusammenhang etwa zu erwähnen Bodmer, der Staatsrechtler und spätere Bundesrat Jakob Dubs, Professor Carl Hilty,

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Bundesrichter Virgile Rössel und der Kulturphilosoph Auguste Forel (vgl. für Einzelheiten Verena Marty, Die politische Gleichberechtigung von Mann und Frau nach deutschem und schweizerischem Recht, 7967, S. 53 ff.).

Die gegen Ende des letzten Jahrhunderts gegründeten Frauenvereinigungen befassten sich zunächst mit gemeinnützigen Aufgaben. Die 1884 entstandene «Union für Frauenbestrebungen in Zürich ».wollte von Anfang an das Frauenstimmrecht fördern. Sie und gleiche Gründungen in andern Städten schlössen sich 1909 zum parteipolitisch unabhängigen «Schweizerischen Verband für Frauenstimmrecht» zusammen. Er strebt die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens an. Von den Frauenvereinigungen haben namentlich er und der «Bund schweizerischer Frauenvereine» sich in Petitionen, Eingaben und auf andere Weise für das Frauenstimmrecht eingesetzt. Dieser politisch und konfessionell neutrale Bund, 1900 entstanden durch Zusammenschluss verschiedener Vereinigungen, umfasst als Dachverband die meisten Frauenverbände.

Einen seinem Namen entsprechenden, andern Standpunkt verficht der «Bund der Schweizerinnen gegen das Frauenstimmrecht». Das «Schweizerische Frauenkomitee» gründete diesen Verein im Jahre 1959.

Nach dem bernischen Gemeindegesetz von 1833 hatten die Frauen das gleiche Stimmrecht wie die Männer, mussten es jedoch an der Gemeindeversammlung durch diese ausüben lassen. Es handelte sich dabei aber um eine Einzelerscheinung ; sie dauerte bis 1887. Beeinflusst von den Umwälzungen infolge der beiden Weltkriege kam es auf kantonalem Boden zu parlamentarischen Vorstössen zugunsten des Frauenstimmrechts. In den Volksabstimmungen wurde es früher stets verworfen. Die nachfolgende Tabelle - sie lehnt sich an eine des Schweizerischen Verbandes für Frauenstimmrecht an und wurde den Kantonen unterbreitet - gibt Auskunft über das Ergebnis der kantonalen Urnengänge. Sie führt gleichzeitig die Ergebnisse der Abstimmung vom 1. Februar 1959 auf; Abstimmungen über das Stimmrecht in kirchlichen Angelegenheiten und über die Wählbarkeit der Frau berücksichtigt sie nicht. Beigefügt sei noch, dass nach den erhaltenen Auskünften in vielen Kantonen Vorstösse zugunsten des Frauenstimmrechts hängig sind, so etwa laufende oder eingereichte Initiativen in den Kantonen Schwyz, Luzern und
Appenzell A. Rh., eine eingereichte Einzelinitiative im Kanton Appenzell I. Rh., anhängig gemachte und teilweise bereits erheblich erklärte Motionen in Bern, Luzern, Zug, Solothurn und St. Gallen sowie dem Parlament unterbreitete oder schon abstimmungsbereite Erlasse in den Kantonen Aargau und Wallis.

Parallel mit den Vorstössen in den Kantonen liefen gleichartige Bestrebungen auf eidgenössischer Ebene. Es seien in dieser Hinsicht stichwortartig erwähnt der bei den Vorarbeiten zur Verfassungsrevision von 1874 gemachte Antrag, Mann und Frau politisch gleichzustellen, die 1913 von Nationalrat Johannes Huber eingereichte Motion, welche die in den Frauen liegenden Kräfte dem öffentlichen Leben dienstbar machen wollte, die vom Oltener Aktionskomitee im Generalstreik von 1918 erhobene Forderung nach Einfüh-

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rung des Frauenstimmrechts, die dasselbe verlangenden Motionen Scherrer-Füllemann, Göttisheim und Greulich ebenfalls aus dem Jahre 1918, die Petitionen von 1919 und 1929, die erste davon durch 158 Frauenverbände, die zweite von 170 397 Frauen und 78 840 Männern unterzeichnet, das von 38 Frauenverbänden unterstützte Postulat Oprecht von 1944. Im Jahre 1949 schlug das schweizerische Aktionskomitee für Frauenstimmrecht dem Bundesrat zuhanden des Parlamentes vor, den Frauen nur das Stimm-, nicht aber das Wahlrecht zu geben, und wollte das Postulat von Roten Auskunft «über den Weg, auf dem die politischen Rechte der Schweizerfrauen ausgedehnt werden können. » Der Bundesrat erstattete am 2. Februar 1951 den verlangten Bericht (BEI 1951 I 341). Er gab darin eine .Übersicht über das Schicksal des Frauenstimmrechts in den Kantonen, bezeichnete die Revision der Bundesverfassung als den richtigen Weg zur Einführung des in Frage stehenden Rechtes und lehnte das Vorgehen ab, das ihm der Schweizerische Verband für Frauenstimmrecht 1950 vorgeschlagen hatte. Danach wäre in Artikel 10 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse an die Worte «Stimmberechtigt ist jeder Schweizer...» anzufügen gewesen «ob Mann oder Frau». Die Räte nahmen von diesem Bericht 1951 zustimmend Kenntnis. Die dabei von der nationalrätlichen Kommission vorgeschlagene Motion auf Einführung des Frauenstimmrechts durch Verfassungsrevision wurde nur vom Nationalrat angenommen; eine auf Einführung durch Revision des erwähnten Gesetzes von 1874 zielende Motion von Roten von 1951 lehnte der Rat ab. Die unbestrittenen und vom Bundesrat entgegengenommenen Postulate Picot vom 17. September 1952 und Grendelmeier vom 5. Dezember 1952 führten dann zur erwähnten Vorlage von 1957. Über die seitherigen parlamentarischen Vorstösse wurde bereits berichtet.

Es wurden auch Gegenstimmen laut. Die «Schweizerische Liga gegen das politische Frauenstimmrecht» beispielsweise sprach sich 1931 in einer Eingabe an den Bundesrat gegen die Verpolitisierung der Schweizerfrauen aus, hielt die politische Gleichstellung der beiden Geschlechter bei uns weder für notwendig noch für einen Akt der Gerechtigkeit. Verlangt wurde ein vermehrtes Mitsprache- und Mitberatungsrecht bei Verfassungs- und Gesetzesvorlagen.

Wo die
Frau das allgemeine Stimmrecht nicht besitzt, haben ihr Sondervorschriften oft beschränkte politische Rechte eingeräumt. Diese Entwicklung hat sich seit unserer Botschaft von 1957 fortgesetzt. So können die Frauen in den Kirchgemeinden vieler Kantone stimmen und wählen; sie sind vielfach auch wählbar. In manchen Kantonen steht ihnen der Zugang zum Richteramt und zum Amt des Gerichtsschreibers offen. Alle Kantone haben die Mitarbeit der Frau in Kommissionen zugelassen ; besonders nahe liegen ihr naturgemäss Probleme der Erziehung und der Fürsorge. Der Bund beruft die Frau ebenfalls in Kommissionen. Sie arbeitet in fast 40 ständigen Fachkommissionen mit, namentlich in denjenigen für Volksernährung, Lebensmittelgesetzgebung und -kontrolle, für Strahlenschutz, für die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, für Preis-, Kosten- und Strukturfragen, für Konsumentenfragen, Arbeitsmarktfragen, für Krisenbekämpfung und Arbeitsbeschaffung; sie ist Mit-

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Abstimmungen über die Einführung des Frauenstimmrechts Kanton

Datum

Vorlagen

Zürich

1920 8. 2.

Stimm-und Wahlrecht in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten Wahlrecht und Wählbarkeit für Bezirks- und Gemeindebehörden Stimm-und Wahlrecht in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten Wahlrecht und Wählbarkeit für Bezirks- und Gemeindebehörden Stimm-und Wahlrecht in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten Stimm-und Wahlrecht in eidgeHessischen Angelegenheiten Stimm-und Wahlrecht in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten Fakultative Einführung des Stimm- und Wahlrechts in den Gemeinden

1923 18. 2.

194730.11.

194730.11.

1954 5.12.

1959 1. 2.

196620.11.

196914. 9.

Bern

1956 4. 3.

Fakultative Einführung des Stimm- und Wahlrechts in den Gemeinden

StimmAbgegebene beteiliStimmbe- Stimmen im gung rechtigte ganzen %

Ja

Nein

Leer, ungültig

Ja %

Nein %

21631

88595

2757

135751

112983

83,2

19,6

80,4

28615

76413

4541

140636

109569

77,9

27,2

72,8

39018

134599

3867 '

228564

177484

77,7

22,5

77,5

61360

112176

3948

228564

177484

77,7

35,4

64,6

48143

119543

10031

248043

177717

71,6

28,7

71,3

71859

126670

2008

260027

200537

77,1

36,2

63,8

93372

107773

2576

275185

203721

74

46,4

53,6

92402

67192

4453

283182

164047

57,9

57,9

42,1

52927

63051

3109

250485

119087

47,5

45,6

54,4

1959 1. 2.

55786 55786

101543 101 543

943

254 582

158272

62,2

35,5

64,5

54 102

58844

1838

273 193

124784

45,7

52,1

47,9

10294 0294

37934

252

69388

48480

69,9

21,2

78,8

1960 4. 12.

Stimm-und Wahlrecht in eidgenössischen Angelegenheiten Ermächtigung der Gemeinden zur Einführung des Stimm- und Wahlrechts oder partieller Frauenrechte

9103

28028

482

69448

37613

54,2

24,5

75,5

Uri

1959 1. 2.

Stimm-und Wahlrecht in eidgenössischen Angelegenheiten

885

5183

136

8717

6204

71,2

14,6

85,4

Schwyz

1959 1. 2.

Stimm- und Wahlrecht in eidgenössischen Angelegenheiten

1968

11860

32

21 136

13860

65,6

14,1

85,9

Obwalden

1959 1. 2.

Stimm-und Wahlrecht in eidgenössischen Angelegenheiten Neue Verfassung. Wählbarkeit und Ermächtigung zur Einführung politischer Frauenrechte durch Gesetz, in den Gemeinden durch Gemeindebeschluss

565

3376

5

6299

3946

62,6

14

86

2388

645

87

6669

3120

46,8

78,7

21,3

Stimm- und Wahlrecht in eidge807 3331 30 5809 nössischen Angelegenheiten Neue Verfassung. ErmächtiVon der Landsgemeinde angenommen gung, die politischen Frauenrechte durch Gesetz zu regeln

4168

71,7

19,5

80,5

1968 18. 2.

Luzern

1959 1. 2.

1968 19. 5.

Nidwaiden

1959 1. 2.

1965 10. 10.

71

Stimm-und Wahlrecht in eidgenössischen Angelegenheiten Fakultative Einführung des Stimm- und Wahlrechts in den Gemeinden

72

Kanton

Datum

Glarus

1921

Vorlagen

1. 5.

1959 1. 2.

1961 7. 5.

1967 7. 5.

Ja

Nein

Leer, ungültig

StimmAbgegebene beteiligung Stimmbe- Stimmen im rechtigte ganzen

Stimm-und Wahlrecht in Kan- Von der Landsgemeinde verworfen tons- und Gemeindeangelegenheiten Stimm-und Wahlrecht in eidge1455 6159 38 10817 nössischen Angelegenheiten Fakultative Einführung eines Von der Landsgemeinde verworfen partiellen Stimm-undWahlrechts (Kirche, Schule, Armenpflege) Stimm- und Wahlrecht in Kir- Von der Landsgemeinde angenommen chen-, Schul- und Fürsorgegemeinden

Ja

Nein

7652

70,7

19

81

Zug

1959 1. 2.

Stimm- und Wahlrecht in eidgenössischen Angelegenheiten

2046

6387

19

12997

8452

65

24,3

75,7

Freiburg

1959 1. 2.

Stimm- und Wahlrecht in eidgenössischen Angelegenheiten Ermächtigung zur Einführung des Stimm- und Wahlrechts in Angelegenheiten des Kantons, der Gemeinden und Pfarreien

7985

18780

101

45 749

26 866

58,7

29,8

70,2

19038

7772

253

50 770

27 063

53,3

71

29

9353

9 535

l 427

50378

20315

40,3

49,5

50,5

11447

26692

593

55146

38732

70,2

30

70

1969 16. 11.

Solothurn

1948 14. 11.

1959 1. 2.

Stimm-und Wahlrecht in Gemeindeangelegenheiten Stimm-und Wahlrecht in eidgenössischen Angelegenheiten

1968 18. 2.

1968 18. 2.

Basel-Stadt

1920 8. 2.

1927 15. 5.

1946 16.. 6.

1954 5. 12.

1957 3. 11.

1959 1. 2.

1966 26. 6.

Basel-Land

1926 11. 7.

1946 7. 7.

Stimm- und Wahlrecht in Kantonsangelegenheiten Stimm- und Wahlrecht in Gemeindeangelegenheiten Stimm- und Wahlrecht in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten Stimm- und Wahlrecht in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten Stimm- und Wahlrecht in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten Stimm- und Wahlrecht in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten Ermächtigung zur Einführung des Stimm- und Wahlrechts in den Bürgergemeinden Stimm- und Wahlrecht in eidgenössischen Angelegenheiten Stimm- und Wahlrecht in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten

20 303

878

58790

36169

61,5

42,5

57,5

16 683

18 597

889

58790

36169

61,5

47,3

52,7

6711

12 455

226

29119

19392

66,6

35

65

6152

14917

214

35855

21283

59,4

29,2

70,8

11709

19892

194

53568.

31795

59,4

37,1

62,9

17321

21123

255

62361

38699

62,1

45,1

54,9

12667

8568

192

30528

21427

70,2

59,7

40,3

17013

19 372

66

67067

36451

54,3

46,8

53,2

13713

9141

79

66462

22933

34,5

60

40

3 164

3 332

780

22788

7276

31,9

48,7

51,3

3784

10480

204

30249

14468

47,8

26,5

73,5 73

Stimm- und Wahlrecht in Schulund Armensachen Stimm-und Wahlrecht in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten

14 988

74

Kanton

Ja

Nein

5496

7070

316

35282

12882

8896

14969

160

38050

8321

6210

110

8506

4810

9374

Stimm- und Wahlrecht in eidgenössischen Angelegenheiten Stimm- und Wahlrecht in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten Stimm- und Wahlrecht in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten Stimm-und Wahlrecht in eidgenössischen Angelegenheiten

Datum

Vorlagen

1955 15. 5.

Stufenweise Einführung des Stimm- und Wahlrechts Stimm- und Wahlrecht in eidgenössischen Angelegenheiten Verfassungsrevision zur stufenweisen Einführung politischer Frauenrechte auf dem Wege der Gesetzgebung Ergänzung der Staatsverfassung zur Einführung des Stimm- und Wahlrechts auf dem Wege der Gesetzgebung Stimm- und Wahlrecht in kantonalen Angelegenheiten durch Gesetzesrevision

1959 1. 2.

1966 13. 3.

1967 4. 6.

1968 26. 6.

Schaffhausen 1959 1. 2.

1967 28. 5.

1969 14. 9.

Appènzell AR1959

1. 2.

StimmAbgegebene beteiliStimmbe- Stimmen im gung rechügte ganzen %

Leer, ungültig

Ja %

Nein %

36,5

43,7

56,3

24025

63,1

37,3

62,7

45452

14641

32,2

57,3

42,7

158

47185

13474

28,5

63,9

36,1

4396

203

48871

13973

28,6

68,1

31,9

4782

10212

391

17759

15385

86,6

31,9

68,1

6849

8399

339

18565

15587

84

45

55

6698

7480

593

18713 . 14771

78,9

47,2

52,8

1517

8284

162

13583

73,3

15,5

84,5

9963

Appenzell IR 1959 1. 2.

Stimm-und Wahlrecht in eidgerussischen Angelegenheiten

105

2050

16

3600

2171

60,3

4,9

95,1

St.Gallen

Stimm- und Wahlrecht in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten Stimm-und Wahlrecht in eidgenössischen Angelegenheiten

12114

26166

5652

66629

43932

65,9

31,6

68,4

12436

51912

734

86796

65082

75

19,3

80,7

5633

19562

354

37669

25549

67,8

22,4

77,6

8540

5939

1712

37986

16191

42,6

59

41

8615

13523

479

40859

22617

55,4

39

61

1921 4. 9.

1959 1. 2.

Graubünden 1959 1. 2.

1962 7.10.

196820.10.

Stimm-und Wahlrecht in eidgenössischen Angelegenheiten Ermächtigung der Gemeinden, das Stimm- und Wahlrecht einzuführen Stimm-und Wahlrecht in Kanton, Kreisen und Gemeinden

Aargau

-1959 1. 2.

Stimm-und Wahlrecht in eidgenössischen Angelegenheiten

17919

60825

1246

94208

79990'

84,9

22,7

77,3

Thurgau

1959 1. 2.

Stimm-und Wahlrecht in eidgenössischen Angelegenheiten Stimm-und Wahlrecht in Schulangelegenheiten

6721

26986

479

43478

34186

78,6'

19,8

80,2

13568

13164

565

45346

27297

60,2

50,8

49,2

4174

14093

901

50905

19168

37,7

22,8

77,2

10738

18218

244

51396

29200

56,8

37,1

62,9

196926. 1.

Tessiri

1946 8.11.

1959 1. 2.

Stimm-und Wahlrecht in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten Stimm-und Wahlrecht in eidgenössischen Angelegenheiten

75

76

Kanton

Datum

Vorlagen

1962 29. 1.

Stimm-und Wahlrecht in den Patriziati (Bürgergemeinden)

1966 24. 4.

1969 10. 10.

Waadt

1951 25. 2.

1959 1. 2.

1959

1. 2.

Ja

Nein

Leer.

ungültig

StimmAbgegebene beteiliStimmbe- Stimmen im gung rechtigte ganzen %

Beschluss des Grossen Rates: 33 Ja, 5 Nein; Gesetzesrevision, gegen die das Referendum nicht ergriffen wurde.

(Als Haushaltsvorstand hatte die Frau das Stimm- und Wahlrecht schon seit 1918.)

Stimm-und Wahlrecht in Kan15961 17155 310 57780 33426 57,8 48,3 51,7 tons- und Gemeindeangelegenheiten Stimm-und Wahlrecht in Kan20038 11751 269 59650 32058 53,7 63 37 tons- und Gemeindeangelegenheiten Fakultatives Stimm-und Wahlrecht in Gemeindeangelegenheiten Stimm-und Wahlrecht in eidgenössischen Angelegenheiten Stimm-und Wahlrecht in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten

23127

35890

436

113927

59453

52,2

39,2

60,8

32929

31254

258

118485

64441

54,4

51,3

48,7

33648

30293

525

118400

64466

54,4

52,6

47,4

Wallis

1959 1. 2.

Stimm- und Wahlrecht in eidgenössischen Angelegenheiten

8242

18759

154

48986

27155

55,4

30,5

69,5

Neuenburg

1919 29. 6.

Stimm-und Wahlrecht in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten

5365

12058

182

33893

17605

51,9

30,8

69,2

I 'Pff -SaqEr 'ZZI 'llEiqrapuna

1941 9.11.

1948 14. 3.

1959

1. 2.

195927. 9.

Genf

1921 16.10.

Stimm-und Wahlrecht in Gèmeindeangelegenheiten Stimm- und Wahlrecht in Gèmeindeangelegenheiten Stimm- und Wahlrecht in eidgenössischen Angelegenheiten Stimm-und Wahlrecht in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten

Stimm-und Wahlrecht in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten 1940 1. 12. Stimm-und Wahlrecht in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten 194629. 9. Stimm-und Wahlrecht in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten 195330.11; Stimm-und Wahlrecht in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten 1959 1. 2. Stimm-und Wahlrecht in eidgenössischen Angelegenheiten 1960 6. 3. Stimm-und Wahlrecht in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten

5589

17068

540

36836

23197

63

24,7 75,3

7316

14982

144

39827

22442

56,3 32,8 67,2

13938

12775

184

41757

26897

64,4

52,2

11251

9730

139

41391

21120

51

53,6 46,4

6634

14169

209

38437

21012

54,7

31,9 68,1

8439

17894

951

50883

27284

53,6

32

10930

14076

224

54783

25230

46,1

43,7 56,3

13419

17967

783

61303

32169

52,5 42,8

57,2

17761

11846

572

67054

30179

45

60

40

18119

14624

315

67310

33058

49,1

55,4 44,6

47,8

68

77

78

glied der Eidgenössischen Kunstkommission, der Eidgenössischen Filmkommission, der Stiftung Pro Helvetia, des Landesverteidigungsrates usw. Weder der Bund noch die Kantone schliessen die Frau als Beamtin aus.

III. Frauenstimm- und -Wahlrecht: Ja oder Nein?

Der Bundesrat hat sich in der Botschaft von 1957 für das Ja entschieden und diese Antwort seither stets für richtig gehalten. Viele teilen seine Ansicht, viele weiterhin nicht. In beiden Lagern stehen Frauen und Männer, die für ihre Überzeugung ernsthafte Gründe vorbringen. Deswegen und weil die auf dem Spiele stehende Reorganisation der Stimmbürgerschaft von grosser Tragweite ist, drängt es sich auf nachzuprüfen, ob die Gründe für das Frauenstimmrecht alles in allem ihr grösseres Gewicht behalten haben : 1. Die weltweite Anerkennung des Frauenstimmrechts und sein weitgehendes Fehlen in der Schweiz rufen begreiflicherweise immer wieder Erörterungen, auch in der ausländischen Presse. Nicht alle Äusserungen lassen einen genügenden Einblick in unsere Verhältnisse erkennen; man stösst manchmal auf unrichtige Vergleiche und auf Kritik. ' a. Zunächst ist weiterhin festzuhalten, dass das allgemeine Völkerrecht zur Einführung des Frauenstimmrechts nicht verpflichtet.

Der am 31. März 1953 in New York zur Unterzeichnung aufgelegten Konvention über die politischen Rechte der Frau - sie legt den in den Satzungen der UNO mitenthaltenen Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau im einzelnen fest - ist die Schweiz nicht beigetreten.

Mit dem vorbehaltlosen Beitritt zu der am 3. September 1953 in Kraft getretenen Konvention zum Schütze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 sowie zu ihren Protokollen allerdings entstände die völkerrechtliche Pflicht zur Einhaltung auch von Artikel 3 des ersten Zusatzprotokolls, also dazu, «in angemessenen Zeitabständen freie und geheime Wahlen unter Bedingungen abzuhalten, die die freie Äusserung der Meinung des Volkes bei der Wahl der gesetzgebenden Organe gewährleisten.» Zusammen jedenfalls mit der in Artikel 14 der Konvention untersagten Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts ergibt das wohl die Verpflichtung, den Frauen mindestens ein Artikel 3 entsprechendes Wahlrecht zu geben. Der einschlägige Bericht (BB11968 II1057 ff.) hat darauf hingewiesen und es abgelehnt, dieses Wahlrecht staatsvertraglich durch vorbehaltlosen Beitritt zur Konvention einzuführen.

b. Der oft gezogene Vergleich mit dem Ausland hinkt. Wo dort das Frauenstimmrecht nicht durch revolutionären Akt eingeführt wurde, bedurfte es meist bloss eines parlamentarischen
Mehrheitsbeschlusses (so z. B. in Deutschland, Österreich, Italien, Grossbritannien und den nordischen Staaten). Einen solchen haben auch Sie am 13. Juni 1958 gefasst. Bereits dem Verfassungsge-

79

setzgeber von 1848 aber genügte ein derartiger Beschluss allein nicht. In Erweiterung der Selbstherrschaft des Volkes verlangte er zusätzlich ein qualifiziertes Stimmbürgermehr. Diese schwierige demokratische Hürde gab es in anderen Ländern bei der Einführung des Frauenstimm- und -Wahlrechts nicht zu überwinden.

Der Vergleich mit dem Ausland ist auch deswegen wenig schlüssig, weil es sich dort meist um ein Wahlrecht handelt, bei uns aber zudem um ein Stimmrecht. In manchen andern Staaten hat der Stimmbürger nur etwa alle 3-4 Jahre Gelegenheit, an einer Wahl teilzunehmen. Bei uns kommt zu den Wahlen, an denen der Stimmbürger in Bund, Kanton und Gemeinde teilnehmen kann, auf allen drei Ebenen das Stimmrecht, das Recht, in Sachfragen mitzuentscheiden.

Es ist im kantonalen und ganz besonders im kommunalen Bereich umfassender als beim Bund und findet eine eindrückliche Ausprägung in den Landsgemeinden sowie, den Gemeindeversammlungen. Das politische Gewicht des Stimmrechts und die Beanspruchung seines Inhabers sind entsprechend höher als im Ausland.

2. Seit 1848 heisst es in Artikel 4 der Bundesverfassung: «Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich. Es gibt in der Schweiz keine Untertanenverhältnisse, keine Vorrechte des Orts, der Geburt, der Familien oder Personen.».

Der Verfassungsgesetzgeber wollte damals damit nicht ausschliesslich, aber doch «in erster Linie die politische Rechtsstellung der Bürger bestimmen» und «die Gleichheit vor allem im Gegensatz zu den früheren politischen Ungleichheiten» proklamieren (Burckhardt, Kommentar, S. 24 f., und gleich unter Hinweis auf weiteres Schrifttum das Gutachten von Professor Kägi, Der Anspruch der Schweizerfrau auf politische Gleichberechtigung, S. 16 f.). «Der .Männerstaat' sollte auf der Grundlage der Gleichheit als Demokratie gefestigt... werden. Die Frau blieb nach dem klaren Willen des Verfassungsgesetzgebers von 1848 von der politischen Gleichberechtigung ausgeschlossen», schreibt Kägi (S. 17) mit Recht, unter Verweis auch auf die gleich gemeinten damaligen Artikel 63 und 64 der Bundesverfassung. Nach jener Vorschrift ist jeder «Schweizer» stimmberechtigt, nach dieser jeder «stimmberechtigte Schweizerbürger» in den Nationalrat wählbar. Artikel 63, 64 sowie 4 der Bundesverfassung standen inhaltlich im Einklang und entsprachen wie gesagt der damals
im In- und Ausland bestehenden Ansicht : Mann und Frau sind beim Stimmrecht ungleich zu behandeln, weil in dieser Hinsicht die naturgegebene Ungleichheit zwischen ihnen erheblich ist. Drängen die geänderten Verhältnisse und Wertungen heute einen andern Schluss auf? Kommt man bei Anwendung der Grundsätze, die nach heutiger Ansicht in Artikel 4 der Bundesverfassung enthalten sind, zu einer bejahenden Antwort, ergibt sich ein innerer Widerspruch zu den 1874 an die Stelle der Artikel 63 und 64 der Bundesverfassung getretenen, das Frauenstimrrirecht ebenfalls nicht gewährenden Artikeln 74 und 75 der Bundesverfassung (gleich Kägi aaO. S. 8 und 52 f.).

80

Der als lex specialis neben Artikel 4 der Bundesverfassung geltende, grundlegende Artikel 74 lautet : 1 Stimmberechtigt bei Wahlen und Abstimmungen ist jeder Schweizer, der das 20. Altersjahr zurückgelegt hat und im übrigen nach der Gesetzgebung des Kantons, in welchem er seinen Wohnsitz hat, nicht vom Aktivbürgerrechte ausgeschlossen ist.

2 Es bleibt jedoch der Gesetzgebung des Bundes vorbehalten, über diese Stimmberechtigung einheitliche Vorschriften aufzustellen.

Es ist folgerichtig, eine verlorengegangene Übereinstimmung zwischen Artikel 4 und 74 der Bundesverfassung herzustellen, und gerecht, wenn dabei Artikel 74 dem angepasst wird, was die Rechtsgleichheit verlangt. Sie verlangt die Einführung des Frauenstimmrechts, wenn der Geschlechtsunterschied auf dem Gebiete der politischen Rechte nicht mehr erheblich ist. Es ist also zu prüfen, ob die Argumente gegen das Frauenstimmrecht die Erheblichkeit dieses Unterschieds für den erwähnten Bereich darzutun vermögen. Zu diesen Argumenten, die zum Teil in etwas überspitzten Wendungen vorgebracht werden, nehmen wir im folgenden Stellung.

a. Wer die Ansicht vertritt, die Frau gehöre ins Haus, wird den heutigen, veränderten Verhältnissen nicht gerecht.Noch 1890 besass ein damals geborenes Mädchen die Aussicht, bloss 48 Jahre alt zu werden und, wenn es sich verheiratet hatte, zu sterben, bevor das letzte seiner fünf Kinder aus der Schule gekommen war. Im Jahre 1960 dagegen konnte ein Mädchen erwarten, 74 Jahre alt zu werden und 46jährig zu sein, wenn das jüngste seiner drei Kinder die Schule verlassen würde (vgl. zum Teil Die Schweiz, ein nationales Jahrbuch, 1958, S. 8 f.). Für die Mutter ist somit ein neuer, langer Lebensabschnitt entstanden, in dem die Betreuung von Kindern sie nicht oder nur wenig beansprucht. Man muss hinzufügen, dass anlässlich der Volkszählung von 1960 von l 199 000 Ehefrauen 261 000 kinderlos waren. Gezählt wurden ferner 445 000 ledige erwachsene, 57 000 geschiedene Frauen sowie 235 000 Witwen.

Die Hausfrau wird durch die Technik zunehmend entlastet, nicht nur durch neue arbeitssparende Geräte und Einrichtungen, sondern auch dadurch, dass ihr immer mehr Produkte konsumfertig angeboten werden; die früher nicht nur auf dem Bauernhof weit verbreitete, mehr oder minder ausgeprägte Selbstversorgung ist ausserhalb der Landwirtschaft
weitgehend verschwunden.

Die Hausfrau ist zu einer volkswirtschaftlich wichtigen Käuferin geworden.

Die von ihren Pflichten als Mutter und Hausfrau teilweise entlastete Frau mag im Familienbetrieb vermehrt mitarbeiten. Gerade bei den zahlenmässig wohl ausschlaggebenden bäuerlichen Betrieben ist aber ein starker Rückgang zu verzeichnen. So gehörte 1850 die Hälfte der Bevölkerung sowie der Berufstätigen der Landwirtschaft an und lebten in den 8 Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern nur insgesamt 154 000 Personen oder 6,4 Prozent der Gesamtbevölkerung (BB1 19511 161). Im Jahre 1960 waren von fast 2 800 000 Berufstätigen bloss 253 410 in der Landwirtschaft tätig; die entsprechenden Zahlen für die Wohnbevölkerung lauten: rund 620000 auf 5429000 Personen (Statistisches Jahrbuch der Schweiz 1968, S. 28).

81

Auch die Entwicklung zum Sozial- und Wohlfahrtsstaat hat der Familie manche Aufgabe mehr oder weniger abgenommen, etwa auf dem Gebiete der Vormundschaft, der Erziehung und der Fürsorge. Diesem Umstand ist Rechnung zu tragen, selbst wenn wir die sittliche und gesellschaftspolitische Bedeutung der Familie nach wie vor überzeugt unterstreichen (vgl. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren «Für die Familie», vom 10. Oktober 1944 - BB11944 865).

Nicht zu übersehen ist, dass die Bindung ans Haus bei den Frauen, die einen Haushalt besorgen und daneben noch selbständig beruflich tätig sind, lokkerer ist und vielen ledigen, verwitweten und geschiedenen Frauen überhaupt fehlt. Von den ledigen Frauen von 15 Jahren und mehr übten 1960 73 Prozent einen Beruf aus, während von den verheirateten Frauen nur 16 Prozent berufstätig waren. Von den Prozentzahlen nicht erfasst sind die 144 762 Hausfrauen, die I960 nicht hauptberuflich tätig waren, sondern bloss Teilzeitarbeit verrichteten (vgl. Frauenarbeit in Beruf und Haushalt, anfangs 1969 herausgegeben vom Statistischen Amt der Stadt Zürich, S. 18).

Die berufstätige Frau kommt mit manchem Problem des öffentlichen Lebens in Berührung. Als sie infolge der Industrialisierung und Proletarisierung in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts in grösserem Masse auf dem Arbeitsmarkt erschien, konnte der Gedanke des Frauenstimmrechts FUSS zu fassen beginnen. Im Jahre 1888 waren in der Schweiz etwa halb soviel Frauen wie Männer berufstätig (33,3 % gegen 66,7 %), 1910 und auch noch 1920 etwas mehr, seither im Vergleich zu 1888 immer weniger (1950: 29,7%, 1960: 30,1 %). Beim Mann ist der Anteil an der berufstätigen Bevölkerung von 1888-1960 stärker gewachsen als sein Anteil an der Wohnbevölkerung, bei der Frau schwächer. Von 1950-1960 allerdings war die Zunahme bei der Frau grösser. Ihr Anteil an der berufstätigen Bevölkerung wuchs um 18 Prozent, derjenige an der Wohnbevölkerung dagegen um nur 13 Prozent. Beim Mann jedoch erhöhte sich die Zahl der Berufstätigen lediglich um 16 Prozent, die männliche Wohnbevölkerung hingegen stieg um 17 Prozent. Darüber und über Einzelheiten der Erwerbstätigkeit geben die beiden folgenden Tabellen nähere Auskunft.

Die zweite Tabelle zeigt eine deutliche relative Zunahme der berufstätigen Frauen in der Spalte
Handel, Banken, Verkehr und eine Abnahme in der Rubrik Industrie und Handwerk. In dieser Richtung hat sich die Frauenarbeit ausserhalb der Landwirtschaft seit der Jahrhundertwende gewandelt. Damals standen die Fabrikarbeiterin der Textilbetriebe, die Schneiderin und die Hausangestellte im Vordergrund. Im Jahr 1960 waren von den 756 418 berufstätigen Frauen allein 118 021 kaufmännische Angestellte (einschliesslich Verwaltungsangestellte) und 74 887 Verkäuferinnen. Dazwischen lagen an zweiter Stelle die Hausangestellten; an vierter Stelle folgten mit grossem Abstand die Schneiderinnen (24734 Personen) (Die Schweiz, S. 14; Frauenarbeit in Beruf und Haushalt, S. 33). Diese Verschiebung von der landwirtschaftlichen, industriellen und gewerblichen Produktion weg zu den Dienstleistungsberufen hin wird durch den stark gesunkenen Anteil der Frauenarbeit in den Fabriken

82 Wohnbevölkerung und berufstätige Bevölkerung 1888-1960 Wohnbevölkerung

Jahr

Männlich

Weiblich

Berufstätige Bevölkerung Total

Weiblich

Total

870 389 1 057 534 1 178 782 1 236 281 1 331 358 1 422 272 1515232 1 755 993

434445 497 713 604413 635444 611 268 570215 640 424 756418

1 304 834 1 555 247 1 783 195 1 871 725 1 942 626 1 992 487 2155656 2512411

100 122 135 142 153 163 174 202

100 115 139 146 141 131 147 174

100 119 137 143 149 153 165 193

Männlich

Absolute Zahlen

1888

1900 1910 1920 1930 1941 1950 1960

1 500180 1 627 025 1688418 1 845 529 1 907 764 1 871 123 2009 197 1 958 349 2 108 051 2 060 399 " 2 205 304 2 272 025 2 442 967 2 663 432 2 765 629 1 417 574

2917754 3315443 3 753 293 3 880 320 4 066 400 4 265 703 4714992 5 429 061

Index (1888 = 100)

1888

1900 1910 .

1920 1930 1941 1950 1960

100 115 130 132 138 145 160 188

100 113 127 134 141 147 163 184

100 114 129 133 139 146 162 186

(1888: 46%; 1965: 29%) bestätigt. Es ist eine Verschiebung zu Berufen, die, alles in allem, mehr Ausbildung verlangen. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass das 1890 geborene Mädchen damit rechnen konnte, mit unge-, fähr 14 Jahren seine Ausbildung zu beenden und mit der Berufsarbeit zu beginnen; für das 1960 geborene erstreckt sich die Ausbildung auf ein Alter von gut 18 Jahren. Neben der zur Selbstverständlichkeit gewordenen Erlernung eines Berufes fällt bezüglich der Ausbildungsdauer auch das in einzelnen Kantonen obligatorische Haushaltlehrjahr in Betracht.

Die Frau soll zweifellos ihrer Berufung und ihren besonderen Fähigkeiten entsprechend möglichst in der Familie und damit im Hause walten. Aber diese Bindung hat sich gelockert und fehlt in vielen Fällen. Der Hinweis ist überdies nicht schlüssig, weil nicht zu belegen ist, dass die Frau ihre Pflichten als Mutter und Hausfrau vernachlässige, wenn sie stimmen kann. Sie dürfte heute im allgemeinen ungefähr gleich in .der Lage sein, diese Pflichten neben der Ausübung des Stimmrechts zu erfüllen wie der Mann seine beruflichen Obliegenheiten.

Berufstätige Männer und Frauen nach Erwerbsgruppen 1941

1930 Erwerbsgruppen Männer

Land-, Forstwirtschaft davon Landwirtschaft .

Industrie und Handwerk .

...

Baugewerbe Handel, Banken, Verkehr Gastgewerbe Übrige (ohne Hauswirtschaft)

Frauen

%

Frauen

Männer

Frauen

I960

1950

%

Frauen

Männer

Frauen

% Frauen

Männer

Frauen

%

Frauen

362 041 51295 336 949 50078 466 123 214 029

12,4 12,9 31,5

384 799 30137 350 824 28927 495 542 198 531

7,3 7,6 28,6

325 321 30106 298 263 28666 579 265 224 379

8,5 8,8 27,9

257304 22887 232 667 20743 725744 273 811

8,2 8,2 27,4

145 984 206 520

1 189 78546

0,8 27,6

142428 205 384

1 308 81027

0,9 28,3

2300 165 341 252 877 111 905

1,4 30,7

234 332 5 122 315969 165 324

2,1 34,3

31 103 118907

64012 87599

67,3 42,4

26442 167411

60160 97412

69,5 36,8

29775 63713 162395 108 780

68,2 40,1

40930 72626 180 832 134 958

64,0 42,7

26,3 1 755 111 674 728 99,7 882 81 690

27,8 98,9

29,7

30,1

Zusammen Hauswirtschaft

1 330 678 496 670 680 114598

27,2 1 422 006 468 575 99,4 266 101 640

Total

1 331 358 611 268

31,5

1 422 272 570215

24,8 1 514974 541 183 99,7 258 99241 28,6

1 515 232 640 424

1 755 993 756418

83

84

Um das Bild abzurunden, machen wir mit der anschliessenden Tabelle noch Angaben über die Erwerbstätigkeit von Mann und Frau in verschiedenen Staaten.

Die Erwerbstätigen unter der Gesamtbevölkerung in einigen Staaten (Quelle: Yearbook of Labor Statistics, BIT, 1968) Von je 100 der

Land

Zähljahr

männlichen

weiblichen

Gesamt-

Bevölkerung waren erwerbstätig

Schweiz Österreich Belgien Bulgarien Tschechoslowakei .

Dänemark Spanien Finnland Frankreich Deutschland (Bundesrepublik) . . .

Deutschland (DDR) Griechenland Italien Holland Polen . .

Rumänien Schweden Grossbritannien . . .

Jugoslawien USSR Kanada USA

I960 1961 1961 1965 1961 1960 1960 1960 1962 1961 1964 1961 1961 1960

I960

1956 1965 1966 1961 1959 1961 1960

Männer

Frauen

überhaupt

65,9 61,0 57,4 58,1 57,0 63,7.

64,2 57,5 58,4

27,4 36,0 19,9 45,7 37,8 27,9 13,5 34,8 27,9

46,3 47,6 38,2 51,9 47,2 45,7 38,1 45,7 42,7

64,0 60,1 59,7 61,1 56,8 55,1 67,4 59,0 63,0 59,6 55,8 51,3 53,7

33,2 39,8 ' 27,8 19,5 16,1 40,1 52,7 29,8 32,6 31,1 49,3 19,7 24,6

.

47,7 49,1 43,4 39,8 36,4 47,3 59,8 44,4 47,3 45,0 52,2 35,7 39,0

b. Die Auffassung, der Frau fehle es an Verständnis für die Politik oder die öffentlichen Aufgaben, lässt sich anhand keiner Erfahrungen begründen.

Es ist nicht bekannt, dass dort, wo die Frau stimmen kann, ihr stärker als beim Mann vom Gefühl und Gemüt geprägtes Verhalten sich nachteilig ausge. wirkt hat und auswirkt. Diese Art und ihre mehr auf das Praktische und Konkrete gerichtete Klugheit vermögen gerade im heutigen Sozial- und Wohlfahrtsstaat das oft abstraktere, logischere und sachlichere Denken des Mannes nützlich zu ergänzen.

Dass die Frau im Urteil unsicher, unselbständig und als Folge davon in Gefahr sei, der Suggestivkraft starker Persönlichkeiten zu erliegen, extreme Parteien zu begünstigen und kritiklos ideale Zwecke mit untauglichen Mitteln verfolgen zu helfen, mag als Ausnahme richtig sein ; die Regel ist es nach den Erfahrungen nicht. Nach der Botschaft von 1957 (BB1 7957 I 756 ff.) stimmten

85

im untersuchten Ausland die verheirateten Frauen im allgemeinen für die gleiche Partei wie die Ehemänner und die Frauen insgesamt eher rechtsgerichteter als die Männer. Sie Hessen sich von neuen Parteien, Führerpersönlichkeiten und Schlagworten nicht in höherem Masse beeindrucken. Die Botschaft übernahm das Zitat: «Die Frauen sind in der Bezauberung durch den Nationalsozialismus den Männern nicht vorangegangen, sondern gefolgt. »Es ist nichts bekannt geworden, das heute zu andern Schlüssen nötigte. Die Andersartigkeit der Frau kann unter diesen Umständen nicht einer Ungleichheit, die den Ausschluss vom Stimmrecht rechtfertigt, gleichgesetzt werden.

Politische Unerfahrenheit als Folge mangelnder politischer Betätigung hängt nicht mit dem fraulichen Wesen zusammen. Sie lässt sich mit der Einführung des Frauenstimmrechts beseitigen. Die bessere Bildung der Frau, ihre grössere Berührung mit Fragen der Allgemeinheit, die ganz anders als früher an sie durch Radio, Zeitungen, Fernsehen usw. herangetragene Information werden dabei nützlich sein. Man erinnere sich auch an die seinerzeitigen Befürchtungen, der einfache Mann werde das ihm zur Abstimmung Unterbreitete zu wenig verstehen und daher seine politischen Rechte zum Nachteil der Allgemeinheit ausüben.

Man muss der Gerechtigkeit willen beifügen, dass ein vom Nachweis politischer Reife abhängiges Stimmrecht nicht jedem Mann erteilt werden .und nicht jeder Frau vorenthalten bleiben könnte \md dass, abgesehen vom Geschlecht, die heutigen gesetzlichen Gründe für den Ausschluss vom Stimmrecht bei der Frau kaum häufiger zutreffen als beim Mann.

c. Der Hinweis, die Frau leiste keinen Militärdienst, dürfte besonders eng mit der seinerzeit den Tatsachen entsprechenden Vorstellung vom Männerstaat zusammenhangen. Daran, dass man früher das Stimmrecht dem Prinzip nach als Gegenstück zur Wehrpflicht ansah, erinnert auch heute noch die Tatsache, dass in den beiden Appenzell nur Bürger mit dem Schwert oder einer als gleichwertig anerkannten andern Waffe zum Landsgemeindering zugelassen werden. Beim Bund waren Wehrpflicht und Stimmrecht nie derart gekoppelt.

Das Stimmrecht setzt hier die Wehrpflicht nicht voraus. Richtigerweise muss man die Lasten, welche die Frauen zugunsten der Gemeinschaft tatsächlich tragen, mit denjenigen der Militärdienst leistenden Männer
vergleichen. Die Botschaft von 1957 hat den von den Frauen freiwillig geleisteten Militärdienst ins Feld geführt, ferner den (freiwillig gebliebenen) Zivilschutz, die Pflichten, welche die Frau z.B. als Mutter und Hausfrau der Gemeinschaft gegenüber erfüllt, und schliesslich auch die Tendenz zum totalen Krieg mit der damit .verbundenen Gefahr, stärker ins Kriegsgeschehen einbezogen zu werden. Dass sich diese Tendenz verschärft hat, lässt sich besonders deutlich der Botschaft entnehmen, die der Bundesrat am 30. Oktober 1968 zu einem Bundesgesetz über die Leitungsorganisation und den Rat für Gesamtverteidigung an Sie gerichtet hat (BB11968 II 641). Sie beginnt wie erinnerlich mit den Worten: Die Bedrohung in einem künftigen Krieg richtet sich nicht allein gegen die bewaffneten Streitkräfte, sondern ebenso gegen die Zivilbevölkerung. Sie ist ihrer Natur nach

86 total und umfasst alle Bereiche des staatlichen und menschlichen Lebens. Dementsprechend kann die Landesverteidigung nicht mehr ausschliesslich Sache der Armee sein. Sie muss zu einer Gesamt verteidigung erweitert werden, welche auch die zivilen Bereiche des staatlichen Lebens einschliesst. In Zeiten der Gefahr wird sie zur alles umfassenden, wichtigsten Aufgabe des Bundes und der in diesem zusammengeschlossenen Gemeinwesen.

Die Botschaft (BB1 1968 II 651 ff.) erwähnt beim Zivilschutz auch die «Freiwilligen (hauptsächlich Frauen)» und bei der geistigen Landesverteidigung, einer der «grossen Aufgaben von nationaler Bedeutung», als Träger neben den Männern die Frauen. Sie bezeichnet die wirtschaftliche Landesverteidigung als Teil der Gesamtverteidigung und lässt daran denken, dass die Frau hier wiederum den Mann in weitem Masse wird ersetzen müssen.

Aber bereits heute spielt die Frau in der Armee eine wichtige Rolle. So zählt der FHD zur Zeit rund 3600 Angehörige. Etwa 6500 Frauen sind in Rotkreuzformationen eingeteilt. Der FHD umfasst folgende Gattungen : Fliegerbeobachtungs- und Meldedienst, Übermittlungsdienst, administrativer Dienst, Brieftaubendienst, Reparatur- und Material- sowie Motorwagen-, Küchenund Fürsorgedienste. Der Rotkreuzdienst wird in einem totalen Sanitätsdienst erhöhtes Gewicht bekommen. Im Rahmen einer Gesamtverteidigung werden sich weitere Einsatzmöglichkeiten für die Frau ergeben.

In welchem Masse man auf die Frau im Zivilschutz zählt und wie wichtig dieser Teil der Landesverteidigung ist, hat die Botschaft zum Bundesgesetz vom 23. März 1962 über den Zivilschutz gezeigt (BB11961II 704 f.). Nach ihr werden als Vorgesetzte und Spezialisten bei den Hauswehren, dem Betriebsschutz und den örtlichen Schutzorganisationen insgesamt 80 000 Frauen benötigt. Der Bedarf steigt auf 155 000, wenn die Mannschaften dieser Schutzorganisationen und des Betriebsschutzes eingeteilt und ausgebildet sind, und auf 480000 Frauen, wenn auch noch die Mannschaften der Hauswehren dazukommen. Die Botschaft erinnert daran, dass der erste Weltkrieg 500 000 Menschenleben von der Zivilbevölkerung gefordert hat (9 200 000 beim Militär), der zweite aber fast gleichviel wie an Soldaten (24 800 000 gegen 26 800 000).

Diese Zahlen und die Aussicht, dass ein neuer Krieg die Zivilbevölkerung noch härter treffen wird, lassen das Interesse daran ermessen, dass genügend Frauen die der Wehrpflicht nachgebildete Schutzdienstpflicht freiwillig übernehmen.

Die Frau trägt ihrer Andersartigkeit entsprechend nicht genau dieselben Lasten wie der Mann. Entscheidend ist, dass das ihr zufallende Mass im wesentlichen gleichwertig ist mit dem, das dem Mann zugemessen wird. Mit einer solchen Gleichwertigkeit verträgt sich das Vorenthalten des
Stimmrechts nicht.

d. Es wird etwa gesagt, das Frauenstimmrecht entspreche keinem Bedürfnis, weil die Frau die Politik über den Gatten, den Bruder, den Sohn beeinflussen könne und damit bei uns nicht schlecht gefahren sei ; zudem führe es bloss zu einer - kostspieligen - Verdoppelung der Stimmen.

Die Frauen pflegen nach den gemachten Erfahrungen zwar nicht gleich aber ähnlich wie die Männer zu stimmen. Dass sie das Ergebnis beeinflussen

87

ist somit nicht ausgeschlossen. Aber diese Betrachtungsweise ist an sich unstichhaltig, weil gerade sie eine für das Vorenthalten des Stimmrechts erhebliche Ungleichheit der Frau nicht aufzeigt.

Das tut auch der eingewendete indirekte Einfluss der Frau nicht. Es besteht ohnehin keine Gewähr, dass sie von ihrem Mann genügend konsultiert wird, und zudem hat nicht jede Frau einen Stimmbürger «an der Hand». Unwesentlich in diesem Zusammenhang also, aber doch richtig ist es, dass die Rechtsstellung der Frau bei uns, alles in allem, den Vergleich mit derjenigen ihren wählenden Schwestern im Ausland weiterhin sehr wohl aushält. Das Schweizerbürgerrecht steht bei den Ausländerinnen immer noch hoch im Kurs.

Die Botschaft von 1957 (BB1 7957 I 706 ff.) hat die Rechtsstellung der Frau analysiert, vor allem in den Bereichen Wehrpflicht, Sozialversicherung, Arbeitnehmerschutz, Strafrecht, Freiheitsrechte, Bildungsmöglichkeiten, Gewerbeausübung, Staatsangehörigkeit, Beamtenfähigkeit, Lohnverhältnisse und Zivilrecht. Wir begnügen uns hier damit zu skizzieren, wie sich das Männerstimmrecht bei der Sozialversicherung und dem Arbeitnehmerschutz für die Frau ausgewirkt hat. Bei der Alters- und Hinterbliebenenversicherung zahlt die Frau alles in allem weniger Beiträge als der Mann (niedrigeres Einkommen, Befreiung von Beiträgen), erhält aber in grösserem Umfange Leistungen; ihr Rentenanspruch beginnt früher und dauert im allgemeinen entsprechend ihrer grösseren Lebenserwartung länger. Dass die AHV-Rente bei kleineren Einkommen verhältnismässig höher ist, begünstigt die Frauen in ausgeprägtem Masse. Die Alleinstehenden unter ihnen sind die grossie Gruppe der Rentenbezüger. Das Gesagte gilt im allgemeinen auch für die Invalidenversicherung.

Bei der obligatorischen Unfallversicherung zahlen die Frauen für Nichtbetriebsunfälle niedrigere Beiträge als die Männer. Der Witwer einer verunfallten Versicherten hat einen Rentenanspruch nur, wenn er dauernd erwerbsunfähig ist; der Rentenanspruch der Frau dagegen ist an eine solche Voraussetzung nicht gebunden. Die Frauen müssen von den Krankenkassen zu den gleichen Bedingungen aufgenommen werden wie die Männer. Sie haben zwar bis zu 10 Prozent höhere Beiträge zu zahlen, aber als Folge vor allem ihrer grösseren Morbidität (im Jahre 1967 46,2% mehr Krankheitsfälle als bei den
Männern) wird ihnen an Arzt- und Arzneikosten insgesamt mehr ausgerichtet als den Männern. An diese Kosten leistet der Bund durchschnittlich Beiträge von 35 Prozent für Frauen gegenüber 10 Prozent bei Männern. Ohne Erhöhung der Beiträge ist das Wochenbett einer versicherten Krankheit gleichgestellt und wird bezüglich Arzt- und Arzneikosten teilweise sogar günstiger behandelt ; die Leistungen werden 10 Wochen lang erbracht, davon mindestens während 6 Wochen nach der Niederkunft.

' Bei der Arbeitslosenversicherung ist die Frau dem Mann gleichgestellt, beim Arbeitnehmerschutz bleibt sie begünstigt. In dieser Hinsicht sei bloss an das Arbeitsgesetz vom 13. März 1964 erinnert. Zu erwähnen sind daraus namentlich die Vorschriften über einen Sonderschutz der weiblichen Arbeitnehmer (Art. 33-36). Er befasst sich mit der Tages-, der Nacht-und Sonntagsarbeit, dem Schutz der Schwängeren, der Wöchnerinnen und stillenden Mütter

88

sowie mit den weiblichen Arbeitnehmern, die einen Haushalt besorgen, und verlangt vom Arbeitgeber ganz allgemein, dass er auf die Gesundheit der weiblichen Arbeitnehmer Rücksicht nehme und für die Wahrung der Sittlichkeit sorge.

e. Selbst dem Frauenstimmrecht zugetane Männer halten seine Einführung für nicht angezeigt, da die Mehrheit der Schweizerinnen es gar nicht wünsche, Ob diese Schweizerinnen die Mehrheit ausmachen, wäre mindestens deswegen interessant zu wissen, weil mancher Mann seinen Entscheid von der Haltung der Frauen abhängig macht. Zuverlässige Anhaltspunkte fehlen aber.

Auf eine Anfrage des Bundesrates vom 28. Juli 1950 hin hatten bloss die Kantone Waadt, Uri, Schwyz sowie Basel-Landschaft eine Probeabstimmung unter den Schweizerfrauen befürwortet. Der ablehnenden Haltung vieler Kantone lag die Erwartung zugrunde, ein grosser Teil der gegen das Stimmrecht eingestellten Frauen würde an der Abstimmung nicht teilnehmen und so eine zuverlässige Auswertung des Ergebnisses verunmöglichen. Der Bundesrat sah daher von einer derartigen statistischen Erhebung ab (vgl. BB119511 343). Parlamentarische Vorstösse zugunsten einer Probeabstimmung blieben erfolglos, so ein Postulat Picot vom 18. September 1951 und eine Motion Nicole vom 1. Dezember 1952. Anfangs 1953 sprachen sich bekannte Anhängerinnen des Frauenstimmrechts in der Presse ebenfalls gegen solche Erhebungen aus. Bekannt geworden sind die Befragungen in den Kantonen Genf, Basel-Stadt und Appenzell IR sowie in der Stadt Zürich (vgl. die nachfolgende Tabelle) und die knapp ablehnenden Ergebnisse der Gemeinden Kappelen (bei Aarberg BE) und Höri (Zürich). .

Aber auch wenn bloss eine Minderheit der Frauen das Stimmrecht nicht wünschte, müsste man dann auf sie hören, wenn ihr Wunsch sachlich begründet wäre und für das zur Diskussion stehende Gebiet entscheidend ins Gewicht fiele.

Nach der sich auf zahlreiche in- und ausländische Publikationen berufenden Eingabe des Bundes der Schweizerinnen gegen das Frauenstimmrecht ist die Andersartigkeit der Frau hinsichtlich der politischen Rechte erheblich. Sie beruhe auf andern Interessen der Frau und der Inanspruchnahme durch natürliche Lebensaufgaben. Sie lasse die seit langem angestrebte vollkommene Gleichberechtigung von Mann und Frau immer wieder scheitern; die gesellschaftlichen Vorurteile
seien dafür nicht die Ursache, sondern bloss der Ausdruck. Begebe sich nämlich die Frau auf den gleichen Weg wie der Mann, sei sie nicht voll konkurrenzfähig, sondern auf beruflicher und politischer Ebene unterlegen. Das wirke sich u. a. auf das Selbstbewusstsein der Frauen und ihr Zusammenhalten ungünstig aus. In diesem Zusammenhang sei es bezeichnend, dass die Frau in den Parlamenten sowie den Regierungen stark untervertreten sei und ihr politisches Interesse in unserem Kulturkreis abnehme. Es fehle vor allem der berufstätigen Familienmutter auch Zeit und Kraft, sich mit politischen Fragen auseinanderzusetzen. Sie, die Bäuerin, die Geschäftsfrau im harten Konkurrenzkampf, die alleinstehende, erfahrungsgemäss weniger stimmfreudige Frau und auch jene, die eine ihr gemässe Wirksamkeit in einem sozialen oder kulturellen Bereich der politischen Tätigkeit vorziehe, würden politisch nicht das ihnen zustehende Gewicht

1955

1954

1952

1969

25. Aug.

21. Febr.

30. Nov.

12. Okt.

abgegebene Stimmen nein ja

Stimm- Neinbeteili- Stimmen gung

Datum

Stimmberechtigte

im ganzen

157800

132800

52865

25655

1662

84,2

32,7

25. Aug. 1955

157 800

132800

52 722

25655

1662

84,2

32,7

25. Aug. 1955

Kanton Basel-Stadt Volles Stimm- und Wahlrecht

76701

45593

33166

12 327 .

100

59,4

27,1

21. Febr. 1954

Kanton Genf Volles Stimm- und Wahlrecht

72516

42865

35972

6436

457

59,1

15,0

30. Nov. 1952

3906

2468

1093

1359

16

63,2

55,4

12. Okt. 1969

Stadt Zürich Volles Stimm- und Wahlrecht.

Stimm- und Wahlrecht in Angelegenheiten der Schule, Kirche und Fürsorge

Kanton Appenzell IR Fakultative Einführung des Frauenstimmrechts in Schul- und Kirchgemeinden

leer/ungültig

89

90

haben, also durch die Gleichberechtigung benachteiligt werden. Die gute traditionelle schweizerische Lösung, nämlich dass die Männer die Frauen vertreten und die Verantwortung auch für Witwen und Waisen, für das Volksganze übernehmen, sollte man nicht in Frage stellen, indem man den Mann immer als rückständigen Diktator anprangere und so sein Verantwortungsbewusstsein zum Erlahmen bringe. Die Lebens- und Arbeitssituation der Schweizerin sei, alles in allem, besser als diejenige jeder andern gleichberechtigten Frau. Die mit dem Frauenstimmrecht angestrebte privatrechtliche Gleichberechtigung mit. dem Mann müsse in die Diskussion einbezogen werden ; ein Überdenken der kulturpolitischen Zielsetzungen unserer Gesellschaft sei überfällig.

Nach dem bereits genannten Bericht der Beratenden Versammlung des Europarates (S. 12 ff.) ist die Frau als berufliche Konkurrentin des Mannes im allgemeinen tatsächlich schlechter gestellt als dieser. Der Bericht erwähnt im Zusammenhang damit vor allem die meist weniger gute berufliche Schulung, die Benachteiligung dank dem der Frau an sich zu Recht eingeräumten Schutz, den Unterbruch der Arbeit bei der Geburt von Kindern, die Wiederaufnahme der Arbeit mit einem inzwischen in Rückstand geratenen Wissen und Können. Viele Frauen, sind zur Berufstätigkeit gezwungen. Ihre Andersartigkeit bringt sie dabei teilweise zwangsläufig in eine vom Mann verschiedene' Lage. Es ist legitim, wenn viele von ihnen diese Lage auch auf dem Wege des eigenen Stimmrechts beeinflussen möchten. Es war denn auch wie gesagt die Berufstätigkeit der Frau, die den Gedanken des Frauenstimmrechts seinerzeit Wurzeln schlagen liess. Die Befürchtung, nach Einführung des Frauenstimmrechts werde der Mann bei uns die Interessen der Frau, seiner Gattin, Mutter, Tochter vernachlässigen, ist doch wohl zu gross.

Die Frau interessiert sich im allgemeinen in der Tat weniger für die Politik als der Mann. Der erwähnte Bericht der Beratenden Versammlung des Europarates (S. 29) bestätigt, dass die Frau politisch (und gewerkschaftlich) schwächer organisiert ist, und fragt sich, inwiefern man dies auf das geringere Interesse an Fragen der Allgemeinheit, auf eine Überlastung mit andern Pflichten oder eine negative Haltung der Umwelt zurückführen müsse. Er fügt hinzu, es verwundere nicht, wenn die berufstätige Hausfrau
als Folge ihrer Überlastung sich kaum politisch, sozial, gewerkschaftlich und kulturell betätige (S. 17).

Es ist aber auch zu bemerken, dass die Frau sich politisch oft für Gebiete interessiert, die dem Mann ferner liegen. Zwar stimmt die Frau in der Schweiz, soweit erkennbar, weniger fleissig als der Mann. Dasselbe gilt für das Ausland (vgl. den genannten Bericht S. 24). Aber der Unterschied ist doch zu klein, um aus ihm auf eine erhebliche Ungleichheit von Mann und Frau zu schliessen. (Er ist aber immerhin - nebenbei gesagt - gross genug, um eine Majorisierung des Mannes zu verhindern. Eine solche ist bei uns ähnlich wie im Ausland dank dem grösseren Anteil der Frauen an der Gesamtbevölkerung an sich möglich. Dieser Anteil betrug in der Schweiz anfangs 1968 53,5 Prozent gegen 52,4 Prozent im Jahre 1950.) Wenn es z. B. für die berufstätige Hausfrau und die Bäuerin oft schwieriger sein mag, von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen, muss man danach trachten, hier Hindernisse abzubauen.

91

Der Wunsch mancher Frau, das Stimmrecht nicht zu erhalten, mag darauf zurückzuführen sein, dass sie sich nicht in den «schmutzigen Kampf der Politik» ziehen lassen will. Der Frau liegt der Ausgleich im allgemeinen mehr als der Kampf. Es ist nicht nur vom Bund der Schweizerinnen gegen das Frauenstimmrecht daraufhingewiesen worden, dass sie in der politischen Arena vielfach unterliege und Gefahr laufe, als «zweitklassiger Mann» betrachtet zu werden. Jedenfalls steht fest, dass Frauen als politische Führerinnen sehr selten geblieben sind und dass sie kaum je selbständige Parteien gegründet haben, teilweise allerdings wohl auch deswegen nicht, weil ihre allfälligen besonderen Interessen denen der Männer nicht schroff entgegenstehen. Fest steht ferner, dass sie auch im Ausland in Parlament, Regierung, Verwaltung und Justiz in einem Masse vertreten sind, das unter ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung bleibt. Das ist in nicht kommunistischen Staaten sehr ausgeprägt geblieben (vgl. den erwähnten Bericht der UNO vom 14. November 1968). Der zitierte Bericht der Beratenden Versammlung des Europarates weist sogar darauf hin, dass in vielen Ländern nach verflogener «période d'.enthousiasme' initial» die Vertretung der Frauen im Parlament zurückgegangen sei, so z. B. in der Türkei, in Schweden, in Frankreich (Rückgang von 38 Deputierten 1946 auf Binden Jahren 1959 und 1962), in der Bundesrepublik Deutschland (Anstieg auf 48 Vertreterinnen 1957, Rückgang auf 36 im Jahre 1965 und - laut zusätzlicher Auskunft - auf 34 im Jahre 1969). Wir entnehmen diesem Bericht auszugsweise folgende Angaben über den Anteil der Frauen in Parlamenten : Zahl der Frauen in der «untern» Kammer

Österreich Belgien Zypern Dänemark Frankreich Bundesrepublik Deutschland Griechenland Island Irland Italien Luxemburg Malta Niederlande Norwegen Schweden Türkei Grossbritannien 2 ) 3 ) 4

Zahl der Frauen in der «oberen» Kammer

9 auf 165 7 auf 21 2 . . auf 50 17 auf 179 11 auf 488

7 auf 54 2 auf 179 2 ) 2 ) 5 auf 274

36 auf 51 8 4 auf 300 1 auf 60 4 auf 144 23 auf 630 1 auf 56 2 auf 50 15 auf 150 17 auf 150 31 auf 233 6 auf 450 26 auf 630

4 ) 2 ).

2

) 4 auf Sauf 2 ) 2 ) 4 auf 2 ) 16 auf 2 auf 33 auf

1 auf 12 1 auf 14 ) 1 auf 10 0 auf 36 3

' 60 319 75 152 186 1019

Weibliche Mitglieder der Beratenden Versammlung des Europarates (Stand April 1967)

4 auf 35 ) Oauf 6 1 auf 8 0 auf 29 Oauf 6 Oauf 6 1 auf 13 1 auf 10 2 auf 12 Oauf 18 2 auf 35 3

Staaten mit Einkammersystem In der Beratenden Versammlung zur Zeit nicht vertretene Staaten ) Der «Bundesrat» setzt sich aus Vertretern der «Länder» zusammen; sie gelten nicht als Parlamentarier

92

Wenn die Frau aber ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung auch nicht annähernd entsprechend gewählt wird, ginge es zu weit, ihr deswegen das Stimmrecht überhaupt zu verweigern und sie gegenüber den vielen Männern zu benachteiligen, die sich dem politischen Kampf ebenfalls weitgehend dadurch fernhalten, dass sie bloss stimmen und wählen gehen. Ein solches Fernbleiben ist in eidgenössischen Angelegenheiten leichter als z. B. in solchen, die an einer Gemeindeversammlung entschieden werden. Das Stimmrecht der Frau führt nicht zwangsläufig zu Regelungen, welche ihre Andersartigkeit missachten. Wir zweifeln nicht daran, dass der Bund der Schweizerinnen gegen das Frauenstimmrecht mithelfen wird, derartige Regelungen zu verhindern.

Die auf Ausgleich bedachte Frau mag auch etwa den gefährdeten Pramilienfrieden einwenden. Da die Ehefrau wie gesagt meist gleich stimmt wie der Mann (wohl teilweise, weil sie derselben sozialen Schicht angehört) und nicht jede Frau in einer Familie lebt, kann man diesem Argument weiterhin keine wesentliche Bedeutung beimessen.

Sollte es Frauen geben, die sich nicht in das staatliche Organ der Stimmbürgerschaft einreihen lassen wollen und so auf eine Teilhabe an der Staatsgewalt verzichten, weil sie sich mit dem Stimmrecht verbundene Pflichten und Verantwortungen nicht aufbürden lassen möchten, "wäre dies kein stichhaltiges Motiv.

Richtig ist, dass der Stimmbürger wie jedes staatliche Organ die ihm verliehenen Kompetenzen pflichtgemäss ausüben muss. Sanktionen hat er allerdings nicht zu befürchten, ausser da, wo er den bestehenden Stimm- und Amtszwang verletzt.

Wenn vom Stimmrecht der Ausländerin, die durch Heirat Schweizerin geworden ist, ein unerwünschter Einfluss auszugehen droht, kann es eingeschränkt werden. Mit der Andersartigkeit der Frau hat dieser Einwand nichts zu tun, ebensowenig der vorangehende.

3. Die Gleichberechtigung der Frau beim Stimmrecht führte zu einem Ausbau der in der Bundesverfassung verankerten Demokratie. Sie wäre ein grosser Schritt zum Leitbild dieser Staatsform hin: zur möglichsten Identität von Regierenden und Regierten. Dieses Postulat ist heute deswegen gewichtiger als früher, weil der gegenwärtige Sozial- und Wohlfahrtsstaat immer mehr regelt, was auch die Frau unmittelbar betrifft, z. B. in bezug auf die Sozialversicherung. Aber ein Ausbau
der Demokratie darf sich nicht ungünstig auswirken ; die Stimmbürgerschaft muss wie jedes andere staatliche Organ so organisiert sein, dass sie gut funktionieren kann. Dem steht nicht im Wege, dass nach den Erfahrungen das Frauenstimmrecht dann und wann ein Wahl- oder Abstimmungsergebnis zu ändern vermag.

Der Bund der Schweizerinnen gegen das Frauenstimmrecht erwartet bereits von der vom Frauenstimmrecht bewirkten Vermehrung der Stimmberechtigten nachteilige Folgen. Er bezweifelt nicht die Fähigkeit der Schweizerfrau, vom Stimmrecht einen sinnvollen Gebrauch zu machen, wohl aber ihren Willen dazu. Übe ein Grossteil der Bevölkerung das Stimmrecht nicht auf Grund selbständiger Urteilsbildung aus, sei die direkte Demokratie Fehlentwicklungen ausgesetzt. Es stelle sich dann die auch von anderer Seite aufgeworfene

93

Frage nach dem Abbau der direkten Demokratie zugunsten der repräsentativen. Das Frauenstimmrecht werde früher oder später eine bejahende Antwort notwendig machen.

Es ist berechtigt, ebenfalls auf diese Seite des Frauenstimmrechts hinzuweisen, und schwierig, eine sichere Prognose zu stellen. Man muss davon ausgehen, dass das Frauenstimmrecht im Ausland und, soweit es eingeführt ist, auch in der, Schweiz an den Entscheidungen der Stimmbürgerschaft inhaltlich wenig oder nichts geändert hat. Eine schädliche Überforderung der Demokratie ist nicht sichtbar geworden.

Bei der Einführung des Frauenstimmrechts wächst die Zahl der Stimmberechtigten gut um das Doppelte. Werden für das Referendum und die Volksinitiative entsprechend mehr Stimmen verlangt, wird zwar das Beibringen einer solchen grösseren Zahl von Unterschriften kostspieliger. Es handelt sich hier aber um ein Problem, das mit. der Einführung des Frauenstimmrechts nicht in einem zwangsläufigen Zusammenhang steht und daher hier nicht weiter verfolgt wird.

4. Zusammenfassend halten wir auch heute die Einführung des Frauenstimmrechts für richtig. Mit der Verweigerung dieses Rechts hat der Verfassungsgesetzgeber von 1874 den damaligen Ansichten entsprechend der Verschiedenheit von Mann und Frau Rechnung getragen. Die seitherigen Umwälzungen, vor allem diejenigen im Gefolge der beiden Weltkriege, haben auch bei uns eine wesentlich andere Lage entstehen lassen. Soweit die Frauen in der Schweiz bereits stimmen und wählen, sind - erwartungsgemäss - keine Nachteile bekannt geworden. Gerechterweise muss daher auch beim Bund der Gesetzgeber die wesentlich veränderten Verhältnisse berücksichtigen. Er sollte der andern Hälfte der erwachsenen Bevölkerung ebenfalls das Recht gewähren, verantwortlich teilzunehmen an der Führung der Geschäfte des Staates, dem sie angehören und dessen Lasten sie mitzutragen haben. Die mit dem Frauenstimmrecht verbundene Erweiterung der Aktivbürgerschaft entspricht dem bei uns seit altersher hochgehaltenen demokratischen Gedanken.

IV. Gänzliche oder teilweise Gleichbehandlung der Frauen

In bezug auf die Frage, ob Gründe dafür bestehen, die Frau hinsichtlich der Zubilligung des Stimm- und Wahlrechts anders zu bebändern als den Mann, ob ihr gegenüber das Stimmrecht an erschwerte Voraussetzungen zu knüpfen oder ob es ihr nur in beschränktem Umfang einzuräumen sei, verweisen wir auf die Botschaft vom 22. Februar 1957. Damals haben wir diese Frage verneint. Weder hinsichtlich des Bildungsgrades noch allenfalls des festzusetzenden Mindestalters sei eine solche Ausnahme zu rechtfertigen. Es bestehen keine Gründe, heute anders Stellung zu beziehen.

Eingehender zu prüfen ist die Frage, ob der nächste Schritt nur in der Einräumung des (aktiven und passiven) Wahlrechts bestehen und von der Einführung auch des Stimmrechts der Schweizer Frau zunächst Umgang genommen Bundesblatt. 122. Jahrg. Bd. I

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werden soll. Eine derartige Beschränkung befreite die Frau davon, sich in Abstimmungsvorlagen vertiefen zu müssen. Es wäre mit ihr der Menschenrechtskonvention wie gesagt Genüge getan, da diese nur das Wahlrecht verlangt.

Entscheidend ist, dass sich eine solche Beschränkung sachlich nicht begründen lässt. Es ist nicht einzusehen, dass der Geschlechtsunterschied in bezug auf das Wahlrecht heute nicht mehr erheblich sei, wohl aber weiterhin hinsichtlich des Stimmrechts. Der Bundesrat kommt daher gleich wie bisher zum Schluss, dass der Frau schon heute auch das Stimmrecht zu gewähren ist.

Bei der ehemaligen Ausländerin besteht das Problem, ob sie ohne Wartefrist, also mit dem Erwerb des Schweizerbürgerrechts soll stimmen können.

Jedenfalls wenn sie Schweizerin durch Heirat oder als Folge der Naturalisation ihres Ehemannes geworden ist, muss man sich fragen, ob und gegebenenfalls inwieweit ihr Stimmrecht von einer genügenden Assimilierung abhängig gemacht werden soll. Es ist in diesem Zusammenhang interessant festzustellen, dass früher offenbar allzu leicht ausgesprochene Naturalisationen seinerzeit dazu führten, naturalisierte Schweizer erst nach 5 Jahren in den Nationalrat wählbar zu erklären (Art. 64 der Bundesverfassung von 1848). Artikel 75 der Bundesverfassung nahm diese Vorschrift nicht mehr auf, weil die neue Verfassung den Bund ermächtigte, die Bedingungen für die Erteilung des Schweizerbürgerrechts gesetzlich zu regeln. Dies stellte der Bundesrat in seiner Botschaft vom 9. November 1920 betreffend Revision des Artikels 44 der Bundesverfassung (Massnahmen gegen die Überfremdung) fest. Er schlug damals ohne Erfolg vor, auf Artikel 64 der Bundesverfassung von 1848 zurückzukommen und in Artikel 44 Absatz 3 der Bundesverfassung zu bestimmen, dass die Eingebürgerten nach Erwerb des Schweizerbürgerrechts 5 Jahre lang «in die gesetzlichen und vollziehenden Behörden der Eidgenossenschaft und der Kantone nicht wählbar» seien (BB1 7920 V l ff.). Die Räte hielten eine solche Regelung höchstens in bezug auf die Wählbarkeit in den Nationalrat für erwägbar, sahen aber davon ab. Die Frage der Assimilation wurde dann mit Zustimmung des Bundesrates für die politischen Rechte nicht geregelt (Sten. Bull. StR 1923, S. 136, 145). Soll die Verfassung oder gestützt auf sie die eidgenössische oder die kantonale
Gesetzgebung Wartefristen für die erwähnte ehemalige Ausländerin vorsehen? Wir glauben, dass man der Vielschichtigkeit des Problems auf diese Weise nicht gerecht würde. Zudem ist daran zu denken, dass in bezug auf das aktive Wahlrecht eine relativ kleine Zahl von Frauen in Frage steht und dass erfahrungsgemäss unverhältnismässig wenig Frauen gewählt werden.

V. Der einzuschlagende Weg

1. Die Botschaft von 1957 hat die rechtliche Möglichkeit, auch gerade da?

Stimmrecht in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten einzuführen, als solche bejaht, sie aber als Lösung abgelehnt. Dem Vorteil, eine einfache und einheitliche Ordnung zu erhalten, stehe als entscheidender Nachteil die Unvereinbarkeit mit einem fundamentalen Prinzip gegenüber, dem der föderativen Struktur unseres Staates. Der Bundesrat vertritt diese Ansicht weiterhin mit

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Nachdruck. Er will nicht ohne zwingende Gründe - solche fehlen - in die althergebrachte Organisationsautonomie der Kantone eingreifen; sie sollen über ihr wichtigstes Organ, die Stimmbürgerschaft, selbst befinden können. Der Bund will das Stimmrecht in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten weder selbst vorsehen noch die Kantone zu seiner Einführung verpflichten. Die Sorge um den Föderalismus kam seinerzeit auch in den parlamentarischen Beratungen deutlich zum Ausdruck (vgl. Sten. Bull. 1957 StR, S. 397, 399, 401-^03, 1958 NR, S. 255, 258, 261, 278 und 282). Die Räte haben diesen Bedenken Rechnung getragen und in Absatz 4 des von ihnen beschlossenen Artikels 74 der Bundesverfassung ausdrücklich folgendes festgelegt (BB1 1958 I 1165): In Angelegenheiten eines Kantons oder einer Gemeinde beurteilt sich die Stimmund Wahlfähigkeit nach dem Rechte des Wohnsitzes. Die Einführung des Frauenstimmund -Wahlrechts in solchen Angelegenheiten bleibt den Kantonen weiterhin freigestellt.

Wir schlagen für diesen Absatz folgenden Text vor: In Angelegenheiten eines Kantons oder einer Gemeinde beurteilt sich die Stimmund Wahlfäbigkeit nach kantonalem Recht.

Wir weichen damit nur redaktionell von Ihrer Fassung ab; deren letzter Satz dürfte keine selbständige rechtliche Bedeutung besitzen. Von den erhaltenen Antworten der Kantone sprechen sich nur zwei ausdrücklich und eindeutig dafür aus, dass der Bund das Frauenstimmrecht jetzt auch im Kantonsund Gemeindebereich einführe. Die übrigen Stellungnahmen lehnen einen derartigen Eingriff ab, vereinzelt allerdings nur aus taktischen Gründen. Sie wenden meist den Föderalismus, das gefährdete Abstimmungsergebnis oder beides ein und weisen zum Teil auf die dem Frauenstimmrecht abträglichen Wirkungen eines verwerfenden Urnenganges hin. Die von den Parteien eingegangenen Antworten befürworten eine Vorlage, die sich auch mit dem Stimmrecht auf kantonaler oder kommunaler Ebene befasst, ebenfalls nicht. Um einen Vorstoss nicht scheitern zu lassen, möchte auch der Schweizerische Verband für Frauenstimmrecht ihn auf den eidgenössischen Bereich beschränkt sehen.

Wenn wir nur das Frauenstimmrecht in eidgenössischen Angelegenheiten vorschlagen, setzen wir uns mit unserem Bericht über die Konvention zum Schütze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 9. Dezember 1968 nicht in Widerspruch. Einer der Vorbehalte, die der Bundesrat bezüglich der Unterzeichnung der Menschenrechtskonvention vorschlug, stand wie erinnerlich im Zusammenhang damit, dass die Frau an den Wahlen in die gesetzgebenden Behörden des Bundes und der meisten Kantone nicht teilnehmen kann. Der Bundesrat unterstrich, dass er alles in seiner Macht Liegende tun werde, um die den Vorbehalten zugrundeliegende Situation auszumerzen (BB1 1968 II 1142 f.). Eine Vorlage, die in der erwähnten, von verschiedenen Seiten mit Recht abgelehnten Weise die föderalistische Struktur antastete, hätte wohl keine Erfolgsaussicht. Andererseits dürfte der Schritt auf Bundesebene die in Frage kommenden Kantone anspornen, sich in ihrem Bereich ebenfalls mit der Einführung des Frauenstimmrechts zu befassen.

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2. Die Frage, ob dieses Stimmrecht durch Auslegung von Artikel 74 der Bundesverfassung eingeführt werden dürfe, hat der Bundesrat verneint, zuerst im erwähnten Bericht von 1951 (BB1 1951 l 341 ff.) und nachher mit Verweis darauf in der Botschaft von 1957. Darin schlug er eine Revision der erwähnten Bestimmung vor und konnte sich dafür auf die eindeutige Praxis berufen, so auf ein nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtes vom 14. September 1923, den Kommentar Burckhardt (S. 40), das erwähnte Gutachten von Professor Kägi (S. 64 a), eine Rektoratsrede von Professor Liver (Der Wille des Gesetzes, S. 23), Professor Battelli (Recueil de Travaux publié par la faculté de droit de Genève, S. 20), auf die vier Dissertationen von E.Köpfli, H. G. Lüchinger, E. Neumayer und H. Zängerle sowie auf Fleiner/Giacometti (Schweizerisches Bundesstaatsrecht, S. 433 : «Ausgeschlossen wäre aber die Einführung des Frauenstimmrechts lediglich auf Grund einer andern Auslegung von Verfassung und Gesetz»).

Dieser Standpunkt veranlasste den Bundesrat ferner, Ende 1957 einen Stimmregisterrekurs von Frauen abzuweisen. Ihnen zufolge waren sie nicht ins Stimmregister eingetragen worden, obschon Artikel 74 der Bundesverfassung heute nach richtiger Auslegung mit dem Ausdruck «Schweizer» auch die Frau umfasse (Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden 1957, Nr. 11). Der Bundesrat schloss sich damit dem Bundesgericht an (BGE 83 I 173). Vor diesem war geltend gemacht worden, die von der waadtländischen Verfassung mit «tout suisse» umschriebene Stimmberechtigung schliesse die Frau nicht aus.

Diesen Ausdruck historisch auszulegen und nur den Mann umfassen zu lassen, trage den veränderten Verhältnissen nicht Rechnung und verstosse gegen Artikel 4 der Bundesverfassung. Nach dem Bundesgericht verweigerte der Verfassungsgesetzgeber von 1885 mit der genannten Wendung der damaligen Zeit entsprechend der Frau das Stimmrecht. Der klare Sinn sei dank einer ihn stets respektierenden, sehr langjährigen Praxis klar geblieben und verbindlich geworden. Die Übereinstimmung dieses Sinnes mit Artikel 4 der Bundesverfassung zu prüfen, stehe ihm nicht zu, da die Kantonsverfassung die Gewährleistung gemäss Artikel 6 der Bundesverfassung erhalten habe. Die am Urteil geübte Kritik bezieht sich auch auf die Auslegung von «tout suisse»; sie richtet sich
aber meist nicht gegen die Ablehnung der verlangten Auslegung, sondern gegen die in der Begründung enthaltenen, als unrichtig erachteten Ausführungen über die Auslegungsmethode (so Hans Huber in Zeitschrift des bernischen Juristenvereins 1958, S. 465 ff., Giacornetti, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, 1960, S. 218, Imboden, Normkontrolle und Normintepretation in der Festschrift für Hans Huber 1961, S. 133 ff., Yung, La volonté du législateur in Bastions de Genève, 1960, S. 31 ff., Germann, Neuere Judikatur des Schweizerischen Bundesgerichts zur Frage der Gesetzesauslegung nach den Vorarbeiten in Zeitschrift für Schweizerisches Recht 19621 207 ff., derselbe, Probleme und Methoden der Rechtsfmdung, 1967, S. 68 f.).

Auch Artikel 74 der Bundesverfassung wollte wie gesagt die Frau vom Stimmrecht ausschliessen und hat diesen klaren Sinn behalten. So haben die

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eidgenössischen Räte ebenfalls eine Revision dieser Vorschrift für nötig erachtet (Sten. Bull. StR 1957, 406 ff., NR 1958, 303 ff., StR 1958, 164 f.). Der Bundesrat hat diese Ansicht in einem 1965 entschiedenen Stimmregisterrekurs sowie in der Antwort auf die Kleine Anfrage Schmitt-Genf vom 1. März 1965 und auf die Motion Tanner vom 5. März 1969 erneut bekräftigt. Sie wird neuerdings auch von Ruck (Schweizerisches Staatsrecht, 1957, S. 90), ferner offenbar von Favre (Droit constitutionnel suisse, 1966, S. 147 f.), von Aubert (Traité de droit constitutionnel suisse, 1967, S. 405) und Verena Marty (aaO, S. 115 ff.) geteilt, kurz von einer «doctrine quasi unanime», wie Bridel feststellt (Précis de droit constitutionnel et public suisse, Bd. 2 [1957], S. 30 f.).

Die gegenteilige Auffassung (vgl. etwa Iris von 'Roten, Frauenstimmrechtsbrevier, S. 49 ff., Gertrud Heinzelmann, Schweizerfrau - Dein Recht!, 1960, S. 11 ff., 19 ff.) beruft sich teilweise auf die neue Lage, die durch die Einführung des Frauenstimmrechts in einigen Kantonen entstanden ist. Wenn ein Kanton aber die Stimmbürgerschaft für seine Angelegenheiten reorganisiert, vermag er damit die beim Bund in bezug auf das Stimmrecht bestehende Rechtslage nicht zu ändern. Die nach kantonalem Recht in den Ständerat gewählte Frau übt dort ihre Befugnisse nach Massgabe des eidgenössischen Rechts aus und besitzt nach diesem Recht wie die übrigen Frauen bei eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen kein Stimmrecht.

Die Frau, die im Wohnsitzkanton nicht mehr vom Stimmrecht ausgeschlossen ist, wird deswegen trotzdem nicht von Artikel 74 der Bundesverfassung einbezogen; denn der entsprechende Hinweis in dieser Vorschrift erklärt kantonales Recht bloss für den Ausschluss vom Stimmrecht, so wie dieses nach eidgenössischem Recht besteht, massgebend.

Was bisher über den Auslegungsweg gesagt wurde, bezieht sich nicht auf die sogenannte authentische Interpretation von Artikel 74 der Bundesverfassung. Eine solche strebt offensichtlich die Motion Arnold an, verlangt sie doch vom Bundesrat einen Antrag, wonach dieser Artikel «durch Beschluss der Bundesversammlung ... so zu interpretieren ist, dass unter dem Begriff ,,Schweizer" ... Männer und Frauen zu verstehen sind».

Will das Parlament den zweifelhaften Sinn eines Gesetzes verdeutlichen und soll diese Auslegung
nicht bloss die Autorität der gewöhnlichen Auslegung besitzen, sondern authentisch, d. h. mit Gesetzeskraft ausgerüstet sein, muss es nach Burckhardt (Kommentar =S. 668) das Gesetz formell abändern, und zwar mangels besonderer Vorschriften auf dem Gesetzgebungswege. Eine solche Abänderung eines Gesetzes ist Abänderung seines Wortlautes. Eine authentische Interpretation, verstanden als eine ohne Änderung des Gesetzeswortlautes, bezeichnet Burckhardt daher als unzulässig. Im gleichen Sinne stellt Germann (Probleme und Methoden der Rechtsfindung, S. 57) unter Verweis auf die langjährige bundesgerichtliche Praxis fest, wer ein Gesetz erlassen habe, könne es mangels entsprechender Vorschriften nicht authentisch, «verbindlich .interpretieren', sondern nur wiederum neues Recht schaffen», nach Massgabe der dannzumal geltenden Normen über Zuständigkeit und VerfahBundesblatt. 122. Jahrg. Bd. I

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ren (in gleichem Sinne Imboden, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung 1968, S. 130 f.). Im Hinblick darauf, dass die Vorschriften des Bundes für die authentische Interpretation keinen besondern Rechtsetzungsweg kennen, hat die Botschaft von 1957 mit Recht festgestellt, eine solche Auslegung von Artikel 74 der Bundesverfassung bedürfte der Zustimmung von Volk und Ständen (BB11957 l 786). Somit gelten für die Änderung von gesetztem Recht und die authentische Interpretation die gleichen Vorschriften. Es ist daher unwesentlich, ob man die Ansicht vertritt, die authentische Interpretation sei unbekannt (so die Botschaft von 1957), oder ob man die besagte Interpretation gleich wie das Bundesgericht als «Feststellung des Inhaltes eines Rechtssatzes in der für dessen Aufstellung zu beachtenden Form» umschreibt (BGE 46 l 171) und für den Bund (wie das Bundesgericht für die Kantone) feststellt, selbst ohne Erwähnung in den Vorschriften müsse eine Behörde, die einen Rechtssatz aufstellen, abändern und aufheben dürfe, auch befugt sein, ihn authentisch zu interpretieren und auf diese Weise Recht zu setzen (BGE 41113 sowie 7018 f.).

Selbst' wenn eine authentische Interpretation an sich zulässig wäre, müssten wir sie im vorliegenden Fall nach wie vor ablehnen. Da für sie dasselbe wie für eine Änderung von Artikel 74 gälte, wäre es nicht nötig zu prüfen, ob die Grenzen möglicher Auslegung eingehalten sind, ob also nicht eine Verfassungsänderung vorliegt (vgl. BGE 911 126). Auch die authentische Auslegung ist Auslegung, Feststellung des zweifelhaften Sinnes einer Vorschrift. Dass in Artikel 74 das Wort «Schweizer» nur den Mann meint, ist jedoch wie dargelegt unzweifelhaft und lässt sich nicht durch Auslegung (authentische oder gewöhnliche) umdeuten.

3. Nach dem Schweizerischen Verband für Frauenstimmrecht sollte dieses Recht gestützt auf Artikel 74 Absatz 2 der Bundesverfassung durch Gesetz eingeführt werden. Wir halten das nicht für zulässig. In Absatz l dieses Artikels legt die Verfassung selbst die sogenannten positiven Erfordernisse des Stimmrechts fest (Schweizerbürgerrecht, männliches Geschlecht und zurückgelegtes 20. Altersjahr) und verweist dann für die Ausschlussgründe auf die kantonale Gesetzgebung. Wenn Absatz 2 von Artikel 74 anschliessend es der Bundesgesetzgebung vorbehält, «über diese
Stimmberechtigung einheitliche Vorschriften aufzustellen », sollte damit nicht ermöglicht werden, die erwähnten, verfassungsmässig geregelten positiven Erfordernisse durch Gesetz zu ändern, sondern die kantonalen Ausschlussgründe bundesgesetzlich zu vereinheitlichen (vgl. in diesem Sinne z. B.

Burckhardt, Kommentar, S. 649, Fleiner/Giacometti, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, S. 430 ff., Aubert, Traité de droit constitutionnel suisse, S. 408).

Die Tatsache, dass Artikel 74 der Bundesverfassung das Stimmrecht in eidgenössischen Angelegenheiten nur dem Manne gibt, schliesst es ganz allgemein aus, das Frauenstimmrecht durch blosse Auslegung oder Änderung der einschlägigen Ausführungsgesetze einzuführen. Wo diese sich auf den Träger politischer Rechte beziehen und dabei Ausdrücke wie «Bürger», «Unterzeichner», «stimmberechtigter Schweizerbürger», «Schweizer», verwenden, meinen sie damit wie Artikel 74 der Bundesverfassung nur den Mann. Das ist besonders eindeutig für

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die aus der damaligen Zeit stammenden Bundesgesetze vom 19. Juli 1872 betreffend die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen (BS /, 157) und vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse (BS l, 173). Artikel 2 jenes Gesetzes und Artikel 10 dieses Erlasses definieren den Träger des Stimmrechts denn auch gleich wie Artikel 74 der Bundesverfassung.

4. In der Botschaft von 1957 (BB119571 789 ff.) hat der Bundesrat die Abänderung der grundsätzlichen Vorschrift über das Stimm- und Wahlrecht, nämlich des Artikels 74, Absatz l, unter Anpassung weiterer Artikel

vorgeschlagen. Anzupassen waren nach ihm alle Bestimmungen, «die von Schweizern» oder «Schweizerbürgern» sprechen und ihnen politische Rechte einräumen. Zwischen Abänderung und Anpassung zu unterscheiden, ergab sich aus dem verschiedenen Inhalt der in Frage stehenden Artikel. Artikel 74 steht zwar im Abschnitt über den Nationalrat. Er handelt aber von der Stimmberechtigung «bei Wahlen und Abstimmungen». Er will also nicht nur bestimmen, wem das Recht zur Wahl des Nationalrates zusteht. Angesichts der allgemeinen Bedeutung der Bestimmung sieht die Verfassung davon ab, in den anderen Bestimmungen, die dem Volke politische Rechte einräumen, den Träger dieser Rechte näher zu bezeichnen (vgl. für das Referendums- und Abstimmungsrecht Art. 89 Abs. 2 und 4, Art. 89 bis Abs. 2 und 3, Art. 120 Abs. 2, Art. 121 Abs. 5 sowie-Art. 123 Abs. l, für das Initiativrecht Art. 120 Abs. l und Art. 121 Abs. 2 sowie für die Wählbarkeit Art. 75 [Nationalrat], Art. 96 Abs. l [Bundesrat] und Art. 108 Abs. l [Bundesgericht]; siehe ferner die von der Botschaft von 1957 angeführten Art. 43 und 66 BV). Da die Verfassung vorsieht, dass bei ihrer Revision und bei der Gesetzgebung das Volk mitwirkt, stellt sich notwendigerweise die Frage, wer zum Volk als dem zuständigen Organ gehört. Es ist ohne weiteres gegeben, die Antwort dem Artikel 74 der Bundesverfassung zu entnehmen ; es gilt durchwegs, was sich aus Artikel 74 ergibt. Dieser verweisende Sinn wurde durch die in der Botschaft von 1957 vorgeschlagenen Anpassungen verdeutlicht. Er ergibt sich aber auch ohne sie durch Auslegung klar. Deshalb hat der Vertreter des Bundesrates zugestimmt, als die Räte sich auf die Änderung von Artikel 74 beschränkten (Sten. Bull.

StR 1957, S. 406 f., NR 1958, S. 303 ff., StR 1958, S. 164 f.). Seither hat sich nichts Entscheidendes geändert. Daher schlägt der Bundesrat, mit Ausnahme einer Änderung in Absatz 4, den von Ihnen seinerzeit beschlossenen Artikel 74 (BB1 1958 I 1165) zur Aufnahme in die Bundesverfassung vor. Der geltende und der vorgeschlagene Text lauten : Bisheriger Text: «1 Stimmberechtigt bei Wahlen und Abstimmungen ist jeder Schweizer, der das 20. Altersjahr zurückgelegt hat und im übrigen nach der Gesetzgebung des Kantons, in welchem er seinen Wohnsitz hat, nicht vom Aktivbürgerrechte ausgeschlossen ist.

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Es bleibt jedoch der Gesetzgebung des Bundes vorbehalten, über diesei Stimmberechtigung einheitliche Vorschriften aufzustellen.» Neuer Text: 1 Bei eidgenössischen Abstimmungen und Wahlen haben Schweizer und Schweizerinnen die gleichen politischen Rechte und Pflichten.

2 Stimm- und wahlberechtigt bei solchen Abstimmungen und Wahlen sind alle Schweizer und Schweizerinnen, die das 20. Altersjahr zurückgelegt haben und weder nach eidgenössischem Recht noch nach dem Recht des Wohnsitzkantons in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt sind.

3 Der Bund kann auf dem Wege der Gesetzgebung über die Stimm- und Wahlberechtigung in eidgenössischen Angelegenheiten einheitliche Bestimmungen aufstellen.

1 In Angelegenheiten eines Kantons oder einer Gemeinde beurteilt sich die Stimmund Wahlfähigkeit nach kantonalem Recht.

Wenn wir Absatz 4 etwas anders fassen als Sie seinerzeit, soll damit das von Ihnen 1958 Beschlossene inhaltlich nicht geändert werden. Dass ein Schweizerbürger unter gewissen Voraussetzungen auch ausserhalb seines Heimatkantons und -orts seine politischen Rechte ausüben kann, gewährleistet ihm bereits Artikel 43 der Bundesverfassung. In teilweiser Anknüpfung an das, was Ihrerseits bei der Behandlung der letzten Vorlage gesagt wurde, fügen wir noch folgendes bei: Absatz l lässt es nicht zu, der Frau beispielsweise nur das Recht (streng genommen: die pflichtgemäss auszuübenden Kompetenz) zu geben, den Nationalrat mitzuwählen.

Absatz 2 übernimmt mit der Wendung «in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit einstellen» den Ausdruck, welchen vor allem das Strafgesetzbuch (vgl.

z. B. Art. 52, 171 und 284) sowie das Militärstrafgesetz (Art. 28, 29 und 39) verwenden. Auch bei unserer Fassung von Absatz 4 ist es klar, dass z. B. eine in Bern wohnende Genferin sich hier nicht auf das im Kanton Genf eingeführte Frauenstimmrecht berufen kann. Diese Fassung lässt auch nicht erwarten, dass das Bundesgericht seine teilweise kritisierte, aber von ihm bestätigte Praxis änderte: das Gericht lehnt es ab, von Ihnen gewährleistete kantonale Verfassungen (Art. 6 und 85 Ziff. 7 BV) und gestützt auf sie getroffene Entscheide auf die Übereinstimmung mit der Bundesverfassung zu prüfen, also z. B. darüber zu befinden, ob das Fehlen des Frauenstimmrechts Artikel 4 der Bundesverfassung verletzt (BGE 83 l 181 ff.). Im Zusammenhang mit der erwähnten Motion Arnold und der Gewährleistung gemäss Artikel 6 der Bundesverfassung erwähnt die Stellungnahme des Schweizerischen Verbandes für Frauenstimmrecht das Männerstimmrecht als Artikel 4 der Bundesverfassung widersprechendes Vorrecht «der ... Personen». Sobald die zuständigen Stellen den Geschlechtsunterschied bezüglich der politischen Rechte nicht mehr als erheblich im Sinne von Artikel 4 der Bundesverfassung betrachten, stellt sich die Frage, welche Haltung gegenüber kantonalen Verfassungen einzunehmen ist, die das Frauenstimmrecht nicht kennen. Sie werden die Gewährleistung nach unserem Dafürhalten auch weiterhin nicht verweigern oder entziehen.

101 VI. Die Frage der Änderung von Bundesgesetzen

Die Botschaft von 1957 (BEI 79571 787 795) hielt es für notwendig, einer Änderung von Artikel 74 der Bundesverfassung eine solche der massgebenden Bundesgesetze folgen zu lassen, liess aber offen, «wie das geschehen soll».

Man kann sehr wohl die Ansicht vertreten, die in Frage stehenden Bestimmungen seien unmittelbare oder mittelbare Verweise auf Artikel 74 der Bundesverfassung, die höchstens besagen, es solle der Inhalt dieses Artikels gelten; dank solchen Verweisen blieben die einschlägigen Gesetze auch ohne formelle Änderung im Einklang mit Artikel 74. In diese Richtung weist vor allem die Entstehungsgeschichte des Bundesgesetzes vom 23. März 1962 über das Verfahren bei Volksbegehren auf Revision der Bundesverfassung (Initiativengesetz) (AS 1962 789). Seinem Titel sowie seinen Abschnittsüberschriften zufolge will es entsprechend dem im Ingress angerufenen Artikel 122 der Bundesverfassung (Kompetenz, «das Verfahren» bei Verfassungsinitiativen durch Bundesgesetz zu ordnen) nicht die Initiativberechtigung regeln. In diesem Zusammenhang heisst es in der Botschaft (BEI 1960 11433): Dass auf dem Wege des Volksbegehrens jederzeit die Revision der Bundesverfassung verlangt werden kann und dass ein solches Begehren von mindestens 50000 stimmberechtigten Schweizerbürgern unterzeichnet sein muss, ist geltendes Verfassungsrecht und braucht im Gesetz nicht wiederholt zu werden ; ein Hinweis auf die betreffenden Artikel der Bundesverfassung genügt. Der Artikel l und ein Teil von Artikel 2 des bisherigen Gesetzes finden sich daher in der Vorlage nicht mehr.

Der Bundesrat schlug in Artikel l folgenden von den Räten wörtlich übernommenen Text vor : «Begehren um Total- oder Partialrevision der Bundesverfassung (Art. 118, 120 und 121 der Bundesverfassung) sind schriftlich beim Bundesrat zuhanden der Bundesversammlung einzureichen; in der Eingabe ist der Gegenstand des Begehrens bestimmt zu bezeichnen. » Der weggefallene Artikel 2 des nun aufgehobenen Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung (BS l 169) lautete: Will von diesem Rechte Gebrauch gemacht werden, so ist an den Bundesrat zuhanden der Bundesversammlung eine schriftliche, von mindestens fünfzigtausend stimmberechtigten Schweizerbürgern unterzeichnete, Eingabe zu richten, in welcher der Gegenstand des Begehrens bestimmt bezeichnet wird.

Der Hinweis der erwähnten Botschaft auf das geltende Verfassungsrecht, das nicht wiederholt zu werden brauche, bezieht sich u. a. auf Artikel 121 Absatz 2 der Bundesverfassung : Die Volksanregung umfasst das von fünfzigtausend stimmberechtigten Schweizerbürgern gestellte Begehren auf Erlass, Aufhebung oder Abänderung bestimmter Artikel der Bundesverfassung.

Das Initiativengesetz verweist danach mit den Ausdrücken «Bürger», «Unterzeichner» und «Mitunterzeichner» auf Artikel 121 der Bundesverfas-

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sung und damit für die Umschreibung der Initiativberechtigten im erwähnten.

Sinne auf Artikel 74 der Bundesverfassung. Kommt dieses Recht dank einer Änderung von Artikel 74 auch der Frau zu, liegt eine entsprechende Auslegung der zitierten Worte auf der Hand. Will man ausdrücklich auch von der «Bürgerin», «Unterzeichnerin» und «Mitunterzeichnerin» sprechen, kann eine solche Gesetzesänderung später, gelegentlich erfolgen.

Die gleichen Gründe machen ferner eine Änderung des Geschäftsverkehrsgesetzes vom 23. März 1962 (AS 7962 773) dort entbehrlich, wo es von den stimmberechtigten Schweizerbürgern spricht.

Einen Verweis auf Artikel 63 der Bundesverfassung (heute Art. 74 BV) enthält auch Artikel 2 des Bundesgesetzes vom 19. Juli 1872 betreffend die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen (BS l 57). Bereits der Gesetzgeber von 1872 bezeichnete diesen wörtlich mit Artikel 63 der Bundesverfassung von 1848 übereinstimmenden Artikel für die Wahl des Nationalrates als anwendbares Verfassungsrecht (BB1 1872 II 755 und 762). Der Verfassungsgesetzgeber von 1874 hat in die Wendung «Stimmberechtigt ist jeder Schweizer» noch die Worte «bei Wahlen und Abstimmungen» eingeschoben. Artikel 4 des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege (BS 3 303) hat die Anwendbarkeit von Artikel 74 bestätigt ; nach ihm ist als Geschworener wählbar «jeder nach Artikel 74 der Bundesverfassung stimmberechtigte Schweizerbürger». Ist Artikel 74 der Bundesverfassung anwendbares Verfassungsrecht, braucht der bloss auf ihn hinweisende, zitierte Artikel 2 ebenfalls nicht geändert zu werden, wenn Artikel 74 auch die Frau erfasst. Dasselbe gilt von den Bestimmungen des Gesetzes, die Ausdrücke wie «Schweizerbürger», «Stimmfähiger» verwenden.

Nicht abänderungsbedürftig sind aus den gleichen Gründen ferner das Bundesgesetz vom 25. Juni 1965 über die Einführung von Erleichterungen der Stimmabgabe an eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen (AS 1966 849), das Bundesgesetz vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse (BS l 173) sowie das Bundesgesetz vom 14. Februar 1919 betreffend die Wahl des Nationalrates (BS l 180). Dasjenige vom 8. März 1963 über die Verteilung der Abgeordneten des Nationalrates unter die Kantone (AS 1963 419) erwähnt die Stimmberechtigung nicht; es ist daher unverändert zu lassen.

VII. Abschreibung von Interventionen

Wir geben mit dieser Vorlage der Motion Schmitt-Genf vom 30. November 1965 sowie der als Postulat angenommenen Motion Tanner vom 4. Juni 1968 Folge. Wir beantragen Ihnen daher, beide Vorstösse abzuschreiben.

Den gleichen Antrag stellen wir für die Standesinitiative des Kantons Neuenburg vom 22. Februar 1966, und zwar auch insoweit, als sie vorn Bund die Einführung des Frauenstimmrechts in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten verlangen sollte.

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Auf Grund des Dargelegten empfehlen wir Ihnen, den beiliegenden Bundesbeschluss anzunehmen und ihn Volk und Ständen zur Abstimmung zu unterbreiten.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Bern, den 23. Dezember 1969

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Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: L. von Moos Der Bundeskanzler : Huber

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts in eidgenössischen Angelegenheiten (Vom 23. Dezember 1969)

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