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10652 Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Änderung des Eisenbahngesetzes (Vom 12. August 1970)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren !

Wir beehren uns, Ihnen mit dieser Botschaft einen Gesetzesentwurf über die Änderung des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957 (AS 1958 335, 1968 97) zu unterbreiten. Wir folgen damit der vom Nationalrat am 18. Dezember 1969 und vom Ständerat am 19. März 1970 angenommenen Motion von Herrn Nationalrat Broger für eine Sonderbehandhmg der appenzellischen Schmalspurbahnen. Gleichzeitig bietet sich die Gelegenheit, auch die Hilfeleistung an Strassentransportdienste, die frühere Bahnen ersetzen, sowie an konzessionierte Überlandautobus- und Trolleybuslinien gesetzlich neu zu regeln.

Weitere Bestimmungen des Eisenbahngesetzes werden zurzeit auf ihre Revisionsbedürftigkeit geprüft. Es betrifft dies insbesondere die Artikel 4 (Gerichtsstand), 5 (Erstellung und Erneuerung der Konzessionen), 18 (Plangenehmigungsverfahren ; Schaffung von Planungszonen für neue Bahnlinien gemäss Motion Kloter) sowie 45 (Postentschädigungen an Nebenbahnen, die sich noch auf das Bundesgesetz vom 21. Dez. 1899 über Bau und Betrieb der schweizerischen Nebenbahnen stützen). Die entsprechenden Vorarbeiten konnten aber noch nicht abgeschlossen werden.

Damit die eingangs erwähnten Anliegen keinen Aufschub erleiden, haben wir die weiteren Probleme für eine spätere Änderung des Eisenbahngesetzes zurückgestellt.

I. Finanzielle Beteiligung der Kantone an den Hilfeleistungsmassnahmen gemäss Eisenbahngesetz 1. Vollzug des Eisenbahngesetzes und Finanzausgleich

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Auf Grund des siebenten Abschnittes des Eisenbahngesetzes (EG) kann sich der Bund an den Kosten der technischen Verbesserungen (Art. 56) oder an den Kosten der Umstellung auf einen Strassentransportdienst (Art. 57) betei-

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ligen. Notleidende Bahnunternehmungen können in den Genuss der Betriebsdefizitdeckung (Art. 58) gelangen. Diese Massnahmen setzen die Mitwirkung der Kantone voraus. Die Globalentschädigung für die Abgeltung der gemeinwirtschaftlichen Leistungen (Art. 51 und 53) sowie Hilfeleistungen bei Naturschäden (Art. 59) übernimmt der Bund dagegen allein.

Gestützt auf den Bundesbeschluss vom 5. Juni 1959/27. September 1963 (AS 1959 801, 1964 785) über die Annäherung von Tarifen konzessionierter Bahnunternehmungen an jene der Schweizerischen Bundesbahnen übernimmt der Bund auch den Einnahmenausfall, der den betreffenden Bahnen aus dieser Massnahme entsteht.

Finanzielle Leistungen an öffentliche Werke, als welche immer auch die Eisenbahnen betrachtet wurden, setzten seit jeher ein Zusammenwirken von Bund und Kantonen voraus. In der Gesetzgebung über Hilfeleistungsmassnahrnen an Eisenbahnen wurde dieser Grundsatz schon 1918 im «Bundesbeschluss über Hilfeleistung an notleidende Transportunternehmungen» in Artikel 5 ausdrücklich festgelegt, im Elektrifikationsdarlehensgesetz von 1919 wiederholt und in den Hilfeleistungserlassen von 1933, 1937, 1939 und 1951 bestätigt.

Im Eisenbahngeserz wird die finanzielle Mitwirkung der Kantone bei Hilfeleistungen in Artikel 60 geregelt. An die Kosten der in Artikel 56 vorgesehenen Massnahmen hatten die beteiligten Kantone nach der ursprünglichen Fassung des in Frage stehenden Artikels «angemessen beizutragen», d. h. nach den Regeln über den Finanzausgleich je nach ihrer Finanzkraft Beiträge von 40, 50 oder 60 Prozent zu übernehmen. Für die in den Artikeln 57 und 58 vorgesehene Hilfe verlangte die gleiche Bestimmung von den Kantonen die Bereitstellung eines «in der Regel halb so hohen Betrages wie der Bund».

Die vom Bundesrat für die allgemeine Überprüfung der Bundessubventionen eingesetzte Expertengruppe empfahl 1966 einen Abbau der Hilfeleistungen an konzessionierte Bahnunternehmungen. Aus der Überlegung, dass dies gesamtschweizerisch betrachtet keine Einsparung an öffentlichen Mitteln, sondern lediglich eine Lastenverschiebung vom Bund auf die Kantone bedeutet hätte, wurde dieser Antrag indessen vom Bundesrat nicht übernommen. Verwirklicht wurde dagegen die Anregung der Experten, beim Vollzug des Eisenbahngesetzes den Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen zu verstärken.
Nach dem neuen, rückwirkend auf den 1. Januar 1968 in Kraft getretenen Artikel 60 des Eisenbahngesetzes haben die beteiligten Kantone Beiträge von wenigstens 30 Prozent und höchstens 70 Prozent an die in den Artikeln 56 und 58 vorgesehenen Hilfen und in der Regel einen Beitrag von 30 Prozent an die in Artikel 57 vorgesehene Hilfe zu leisten. Die Abstufung der Beiträge der Kantone hat dabei nach ihrer Finanzkraft und ihren Lasten aus bundesrechtlich geregelter Hilfe an konzessionierte Bahnunternehmungen (Bahnlasten) zu erfolgen. Eine Bestimmung, die erlauben würde, über die erwähnten Ansätze in Ausnahmefällen hinauszugehen, enthält der revidierte Artikel 60 dagegen nicht.

514 Der Einbezug des Kriteriums der Eisenbahnlasten für die Bemessung der Kantonsanteile hat zur Folge, dass der bereits nach der Finanzkraft der Kantone (finanzschwach, finanzmittelstark und finanzstark) abgestufte Ansatz je nach den Eisenbahnlasten im Einzelfall nach oben oder unten korrigiert wird.

Somit haben finanzschwache Kantone mit grossen Eisenbahnlasten ein Minimum von 30 Prozent und finanzstarke Kantone mit kleinen Eisenbahnlasten ein Maximum von 70 Prozent an die Hilfe beizutragen. Auf Grund der vom Bundesrat am 24. Juni 1968 erlassenen Verordnung über den Vollzug des erwähnten Artikels wurden fünf Beitragsgruppen mit Kantonsleistungen zwischen 30 und 70 Prozent festgelegt. Massgebend für die Bewertung der Finanzkraft ist zurzeit das Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über den Finanzausgleich unter den Kantonen (AS 1959 931, 1967 1521). Die Mitwirkung der Kantone richtet sich nach getrennten Beteiligungsschlüsseln, nämlich nach einem Schlüssel für die Artikel 56 und 57 und einem für Artikel 58. Getrennte Schlüssel sind notwendig, um die Bahnlasten der Kantone für Investitions- und Umstellungshilfen (die in unregelmässigen Abständen von Fall zu Fall gewährt werden) und für die Defizitdeckung (die eine stets wiederkehrende Belastung darstellt) gerechter erfassen und gewichten zu können. Damit wird ein gewisser Ausgleich zwischen Kantonen mit einem grossen und solchen mit einem kleinen Privatbahnnetz erreicht.

2. Die Motion Broger Die am 9. Juni 1969 von Herrn Nationalrat Broger eingereichte, vom Nationalrat am 18. Dezember 1969 und vom Ständerat am 19. März 1970 angenommene Motion (10307) hat folgenden Wortlaut: «Die ausgesprochen periphere Lage der beiden appenzellischen Halbkantone und nicht zuletzt das Fehlen einer günstigen Normalspurbahnverbindung hat in beiden Halbkantonen die Ansiedelung neuer bzw. den Ausbau bestehender Industrien beträchtlich erschwert. Das führte zu einem Bevölkerungsrückgang, der in krassem Widerspruch zum Bevölkerungszuwachs in verkehrspolitisch günstiger gelegenen Kantonen steht. Für beide Halbstände ist eineÜbrealterung der Bevölkerung sowie eine überdurchschnittliche Abwanderung typisch. In Innerrhoden ist die Bevölkerungsziffer seit 1910 in einem ständigen Rückgang. Ohne eine Verbesserung der Verkehrsbedingungen wird für die appenzellische Region das Nachhinken
in der wirtschaftlichen Prosperität ein Dauerzustand bleiben. Da beide Halbkantone weder vom Nationalstrassennoch vom SBB-Netz berührt werden, drängt sich der Ausbau besonderer Verkehrsmöglichkeiten, nicht zuletzt der beiden grösseren Schmalspurbahnen (Appenzellerbahn, AB, und St. Gallen-Gais-Appenzell-Altstätten-Bahn, SGA) auf. Obwohl Innerrhoden schon heute pro Kopf der Bevölkerung die höchsten Eisenbahnlasten zu tragen hat, zeigt sich sowohl bei der AB wie bei der SGA nebst dem grossen Nachholbedarf ein künftiger massiver Investitionsaufwand als ein dringendes Bedürfnis.

515 Beim Vorliegen besonderer Verhältnisse, wie etwa bei der Furka-OberalpBahn, der Luzern-Stans-Engelberg-Bahn und verschiedentlich bei der Rhätischen Bahn hat der Bund finanzielle Leistungen beschlossen, die über die eisenbahngesetzlichen Bestimmungen hinausgingen. Bei den appenzellischen Schmalspurbahnen und Verkehrsverhaltnissen dürfte es sich nicht nur um einen Sonderfall, sondern um den «Sonderfall der Sonderfälle» handeln.

Der Bundesrat wird daher eingeladen, den eidgenössischen Räten Bericht und Antrag für eine Sonderbehandlung der beiden appenzellischen Schmalspurbahnen AB und SGA zu erstatten.» Der Bundesrat hat gegen eine Erheblicherklärung der Motion nicht opponiert. Die gewünschte Besserstellung gegenüber den eisenbahngesetzlichen Normen kann sich aber nicht auf die vom Motionär erwähnten Bahnen (Kantone) beschränken, sondern muss generell für alle ähnlichen Fälle geregelt werden. Da die geltenden gesetzlichen Bestimmungen keine Ausnahmen zulassen, ist eine Ergänzung von Artikel 60 des Eisenbahngesetzes unerlässlich.

3. Ergänzung von Artikel 60 des Eisenbahngesetzes durch eine Ausnahmebestimmung Aus den vorhergehenden Ausführungen geht hervor, dass in den letzten Jahren bedeutende Anstrengungen unternommen wurden, um die Privatbahnlasten der Kantone zu verkleinern und besser auszugleichen. Durch die Änderung von Artikel 60 des Eisenbahngesetzes wurde insbesondere der Finanzausgleich erheblich verstärkt und dem in der Motion Broger enthaltenen Begehren bereits in weitgehendem Masse Rechnung getragen.

Zwar ist nach wie vor eine unterschiedliche Belastung der einzelnen Kantone festzustellen. Dieser Tatbestand ist jedoch keine Besonderheit der Privatbahnlasten. Er lässt sich auch in anderen Bereichen der öffentlichen Tätigkeit feststellen. Gewisse Kantone haben Aufgaben zu erfüllen, mit denen andere Kantone nicht oder nicht in gleichem Umfang belastet sind. Es sei hier nur etwa an Hochschulen, an Flughäfen und an Lawinenverbauungen erinnert.

Eine isolierte Betrachtung der Bahnlasten ist somit kaum angängig. Sie müssen im Zusammenhang mit den übrigen Verkehrs- und Gesamtaufgaben sowie den Leistungen des Bundes unter dem Titel des Finanzausgleichs gewürdigt werden.

In wenigen Ausnahmefällen erscheint es indessen als gerechtfertigt, für die in Frage stehenden Hilfeleistungen gemäss den
Artikeln 56 und 58 des Eisenbahngesetzes über die in Artikel 60 enthaltenen Höchstansätze hinauszugehen.

Da die geltenden gesetzlichen Bestimmungen keine Ausnahmen vorsehen, ist Absatz 2 des in Frage stehenden Artikels dahin zu ergänzen, dass in begründeten Ausnahmefällen die Beiträge finanziell besonders schwer belasteter Kantone vom bisherigen Minimum von 30 Prozent bis auf 15 Prozent herabgesetzt werden können. Das Ausmass der Besserstellung gegenüber der Norm des Eisenbahngesetzes ist von Fall zu Fall festzusetzen. Es ist deshalb auch nicht

516 möglich, die dem Bund aus dieser Gesetzesänderung erwachsenden Mehraufwendungen zu beziffern.

II. Anwendung der Eisenbahngesetzgebung auf andere Unternehmungen

1. Heutige Regelung der Defizitdeckung bei konzessionierten Strassentransportdiensten Artikel 95 des Eisenbahngesetzes legt fest, welche Bestimmungen dieses Gesetzes auf andere öffentlichen Verkehrsunternehmungen anwendbar sind.

Im Absatz l werden jene Artikel genannt, die sinngemäss auf die vom Bund konzessionierten Schiffahrtsunternehmungen Anwendung finden. Nach Absatz 2 findet Artkel 58 (Hilfe zur Aufrechterhaltung des Betriebes) noch während 10 Jahren auf Strassentransportdienste Anwendung, die Bahnen des allgemeinen Verkehrs ersetzen. Gegenwärtig werden unter diesem Titel nur an den Autobusbetrieb Schaffhausen-Schleitheim (am 1. Oktober 1964 aus der Umstellung des Bahnbetriebes hervorgegangen) Defizitdeckungsbeiträge ausgerichtet.

Am 21. Juni 1962 hat Herr Ständerat Dr.W.Rohner ein Postulat eingereicht, in dem er den Bundesrat eingeladen hatte zu prüfen, ob der Bund nach den für die Privatbahnhilfe massgebenden Gesichtspunkten auch den konzessionierten Automobil- und Trolleybusunternehmungen des Überlandverkehrs -Hilfe gewähren könne.

Mit der vom Bundesrat am 15. Oktober 1965 erlassenen und auf 1. Januar 1966 in Kraft gesetzten Verordnung über die Defizitdeckung bei konzessionierten Automobilunternehmungen (VDKA) (AS 1965 897) wurde indessen dem Postulat nur bezüglich Deckung der Betriebsfehlbeträge für Überland-Automobillinien Rechnung getragen. Die VDKA stützt sich auf die Artikel l und 3 des Bundesgesetzes über den Postverkehr (Postverkehrsgesetz) (BS 7 754) sowie Artikel 14 des PTT-Organisationsgesetzes vom 6. Oktober 1960 (AS 1961 17) und macht die Bundesbeiträge wie das Eisenbahngesetz von der Beteiligung der Kantone, Gemeinden oder anderer Interessenten abhängig. Mit dem Erlass auf Verordnungsstufe konnte allerdings kein direkter Beteiligungszwang gegenüber den Kantonen statuiert werden, was sich in gewissen Fällen nachteilig ausgewirkt hat. Die um Bundeshilfe nachsuchende Unternehmung muss sich selber darum bemühen, dass der Kanton, die Gemeinden oder ändern Interessenten die Übernahme des Drittelsanteils am Betriebsfehlbetrag zusichern. Bis Ende 1969 oblag der Vollzug der Defizitdeckung konzessionierter Automobilunternehmungen den PTT-Betrieben.

Auf Grund des Bundesratsbeschlusses vom 8. Dezember 1969 über die Änderung der Geschäftsverteilung zwischen dem Generalsekretariat des
Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartements und dem Eidgenössischen Amt für Verkehr (AS 1969 1258) muss u. a. die Vorbereitung und der Vollzug der Gesetzgebung über die konzessionierten Automobilunternehmungen (AS 1965 897) insofern geändert werden, als die aus dieser Massnahme entstehenden Aufwendungen nicht mehr den PTT-Betrieben zu belasten, sondern aus allgemeinen Mitteln zu decken sind. In diesem Zusammenhang

517 drängt es sich auf, die Bundeshilfe an konzessionierte Automobilunternehmungen, wie sie gestützt auf die Verordnung des Bundesrates vom 15. Oktober 1965 zur Aufrechterhaltung des Betriebes an unentbehrliche Überland-Automobillinien gewährt wird, auch auf die dem gleichen Zwecke dienenden Überland-Trolleybuslinien auszudehnen. Für letztere fehlte bisher die entsprechende gesetzliche Grundlage.

2. Anwendung der Eisenbahngesetzgebung auf konzessionierte Automobil- und Trolleybuslinien im Überlandverkehr Die so erweiterte Hilfe kann nicht mehr auf das Postverkehrsgesetz und das PTT-Organisationsgesetz abgestützt werden. Da bereits beim Erlass der Verordnung über Defizitdeckung bei konzessionierten Automobilunternehmungen rechtliche Bedenken gegen die Einführung einer Defizitdeckung auf Grund eines Bundesratsbeschlusses geltend gemacht wurden, erachten wir den Zeitpunkt als gekommen, auch die Hilfeleistung an Strassenverkehrsbetriebe, die frühere Bahnen ersetzen, sowie an konzessionierte Automobil- und Trolleybuslinien im Überlandverkehr gesetzlich neu zu regeln. Dies kann durch eine entsprechende Neufassung und inhaltliche Ausweitung von Artikel 95 Absatz 2 des Eisenbahngesetzes verwirklicht werden. Unter unverändertem Randtitel «Anwendung der Eisenbahngesetzgebung auf andere Unternehmungen» schlagen wir folgenden Text vor: Die Artikel 56, 58, 60 und 61 sowie der elfte Abschnitt dieses Gesetzes finden sinngemäss Anwendung auf Strassentransportdienste, welche aus der Umstellung von Bahnen hervorgegangen sind, sowie auf solche konzessionierte Automobil- und Trolleybuslinien, welche eine den Bahnen des allgemeinen Verkehrs vergleichbare Verkehrsbedienung gewährleisten.» Damit kann die bisherige Zehnjahresfrist für die Hilfe an umgestellte Bahnunternehmungen fallen gelassen und im Sinne einer Gleichbehandlung aller Strassentransportdienste eine Bundeshilfe an konzessionierte Automobilund Trolleybuslinien einheitlich auf das Eisenbahngesetz abgestützt und auf technische Verbesserungen ausgedehnt werden (gleich wie für die Hilfe an Schiffahrtsunternehmungen; vgl. Art. 95 Abs. l des Eisenbahngesetzes). Einzelheiten wären anstelle der einleitend erwähnten Verordnung vom 15. Oktober 1965 auf dem Verordnungswege zu regeln. Die verfassungsrechtliche Grundlage bilden die im Ingress des Eisenbahngesetzes
zitierten Artikel 23, 26 und 36 BV. Ein ähnlicher Vorschlag ist allerdings bei der Beratung des Eisenbahngesetzes im Jahre 1957 mit verfassungsrechtlichen Bedenken bekämpft worden. Die Begutachtung der aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen durch die Eidgenössische Justizabteilung hat ergeben, dass die damals geäusserten Bedenken nicht begründet sind. Es ist nicht einzusehen, weshalb die finanzielle Hilfe des Bundes nach dem siebenten Abschnitt des Eisenbahngesetzes nicht allen gestützt auf das Postregal konzessionierten Verkehrsdiensten zukommen sollte, da schon bisher Artikel 95 des Eisenbahngesetzes Hilfeleistungen für die gestützt auf das Postregal konzessionierten Schiffahrtsunter-

518 nehmungen und während einer bestimmten Übergangsfrist für Strassentransportdienste, die Bahnen ersetzen, vorsieht.

3. Finanzielle Auswirkungen Die finanziellen Auswirkungen dieser Massnahmen auf Unternehmungen mit defizitärem Linienverkehr sind wie folgt zu beurteilen: Auf Grund der heute geltenden Verordnung vom 15. Oktober 1965 über Defizitdeckung bei konzessionierten Automobilunternehmungen wird für 1971 mit einer Belastung des Bundes von 2,5 Millionen Franken gerechnet Diese Berechnung basiert auf der Übernahme von zwei Dritteln der Fehlbeträge von 64 Automobilunternehmungen unter Einschluss der Verzinsung des investierten Anlagekapitals.

Die Anwendung der Artikel 56 und 58 des Eisenbahngesetzes auf konzessionierte Überland-Strassentransportdienste (Autobus- und Trolleybusunternehmungen) setzt die Mitwirkung der Kantone gestützt auf Artikel 60 dieses Gesetzes voraus. Die Beiträge der Kantone werden deshalb nicht mehr generell auf einen Drittel der Hilfe festgesetzt, sondern nach ihrer Finanzkraft und den Lasten aus bundesrechtlich geregelter Hilfe an konzessionierte Bahnunternehmungen abgestuft. Weil der bisherige Absatz l und der neue Absatz 2 von Artikel 95 des Eisenbahngesetzes den Artikel 60 auch für konzessionierte Schiffahrtsunternehmungen und Strassentransportdienste anwendbar erklären, sind für die Berechnung der sogenannten Bahnlasten inskünftig auch die Lasten aus bundesrechtlich geregelter Hilfe an konzessionierte Schiffahrts- und Strassentransportunternehmungen mitzuberücksichtigen. An die in den Artikeln 56 und 58 vorgesehene Hilfe haben die beteiligten Kantone Beiträge von in der Regel wenigstens 30 Prozent und höchstens 70 Prozent zu leisten.

Rechnet man mit einer künftigen mittleren Belastung des Bundes und der Kantone von je 50 Prozent, statt 2/3 Bund und 1/3 Kantone bei Anwendung der Hilfe zur Aufrechterhaltung des Betriebes gemäss Artikel 58 EG, so ergibt sich eine Entlastung des Bundes um 600000 Franken. Anderseits sind für zwei defizitäre Überland-Trolleybuslinien Beiträge von 100000 Franken vorzusehen.

Wir rechnen für die Investitionshilfe gemäss Artikel 56 EG mit einer durchschnittlichen Jahresbelastung des Bundes von l Million Franken. Anderseits fällt im Rahmen der Defizitdeckung gestützt auf Artikel 58 Eisenbahngesetz die Verzinsung des investierten Kapitals
weg. Aus dieser Neuordnung entsteht indessen keine Mehrbelastung des Bundes, lediglich eine Verschiebung innerhalb der Hilfeleistungsartikel.

Schwieriger zu beurteilen sind die generellen Auswirkungen des Entscheides des Bundesgerichts vom 20. Februar 1970 bezüglich Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Zugerland Verkehrsbetriebe (ZVB) gegen den Entscheid der Generaldirektion PTT vom 6. August 1968 i.S. Ausschluss der Bundeshilfe von drei Vorortslinien im Räume Zug gestützt auf Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung über Defizitdeckung bei konzessionierten Automobilunternehmungen

519 (VDKA). Bei den Automobilbetrieben wurden die Linien des Vorortsverkehrs wie folgt definiert: «Linien des Vorortsverkehrs im Sinne der Defizitdeckung sind Linien, deren Anfangs- und Endpunkt innerhalb der gleichen Agglomeration liegen.

Massgebend sind die vom Eidgenössischen Statistischen Amt anlässlich der Volkszählung festgestellten Agglomerationen.» Da der Begriff des Vororts- oder Agglomerationsverkehrs in der Eisenbahngesetzgebung nicht existiert, hat das Bundesgericht die vorstehende Définition von Linien des Vorortsverkehrs nicht anerkannt. Es entschied in Anlehnung an den Begriff der Bahnen des allgemeinen Verkehrs, dass Linien, die vorwiegend dem Ortsverkehr dienen, von der Bundeshilfe ausgeschlossen werden. Zwei Linien der ZVB sind deshalb als hilfewürdig anerkannt und eine dem Ortsverkehr dienende abgelehnt worden.

Sobald die Urteilsbegründung des Bundesgerichts vorliegt, werden die gleichartigen Fälle von Amtes wegen zu überprüfen sein. Die neue Begriffsdefinition der Bahnen des allgemeinen Verkehrs gestützt auf Artikel l des Bundesratsbeschlusses betreffend Änderung der Verordnung über den Vollzug des sechsten und siebenten Abschnittes des Eisenbahngesetzes (Antrag des Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartements vom 22. Juni 1970) lässt sich auch für die Abgrenzung der defizitberechtigten Automobil- und Trolleybuslinien anwenden.

Die daraus resultierende finanzielle Mehrbelastung hätte der Bund auch im Falle des Weiterbestehens der VDKA übernehmen müssen. Eine genaue Bezifferung des durch Einbezug weiterer Linien in die Hilfe zur Aufrechterhaltung des Betriebes resultierenden Mehrbetrages ist derzeit nicht möglich.

4. Unterstellung der Personalhilfskassen unter die Bestimmungen des Eisenbahngesetzes Mit der Übertragung der Aufsicht der konzessionierten Automobilunternehmungen von den PTT-Betrieben an das Eidgenössische Amt für Verkehr auf I.Januar 1970 sind die Voraussetzungen geschaffen worden, um die Bestimmungen des elften Abschnittes über die Personalhilfskassen, «die kraft Vorschrift der Konzession errichtet sind oder an welche das Personal Beiträge entrichtet» (Art. 80 EG), auf die konzessionierten Automobilunternehmungen auszudehnen. Mit der Unterstellung unter dieses Gesetz wird eine weitere Ungleichheit beseitigt, indem inskünftig auch die konzessionierten Automobilbetriebe ihr Personal in gleicher Weise gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität und Tod genügend zu versichern und die Pensionskasse nach anerkannten versicherungstechnischen Grundsätzen zu verwalten haben wie die konzessionierten Eisenbahnunternehmungen, die Schiffahrts- und Trolleybusunternehmungen sowie die Eigentümer der vom Bund konzessionierten Aufzüge, Luftseilbahnen, Sesselbahnen und Schlittenseilbahnen.

520 III. Antrag

Mit diesen Ausführungen beehren wir uns, Ihnen den dieser Botschaft beigegebenen Gesetzesentwurf zur Annahme zu empfehlen. Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die Motion von Herrn Nationalrat Broger Nr. 10307 vom 9. Juni 1969 abzuschreiben.

Was die verfassungsmässigen Grundlagen betrifft, können wir uns auf die Feststellung beschränken, dass sich unsere Anträge innerhalb des Rahmens des Eisenbahngesetzes bewegen ; wir verweisen auf Abschnitt II, 2 der vorliegenden Botschaft.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

Bern, den 12. August 1970 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Tschudi

Der Bundeskanzler: Huber

521 (Entwurf)

Bundesgesetz über die Änderung des Eisenbahngesetzes Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 12. August 19701', beschliesst:

I Das Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 19572> wird wie folgt geändert: Art. 60 Abs. 2 2

An die in den Artikeln 56 und 58 vorgesehene Hilfe haben die beteiligten Kantone Beiträge von wenigstens 30 Prozent und höchstens 70 Prozent zu leisten. In Ausnahmefallen können die Beiträge finanziell besonders schwer belasteter Kantone bis auf 15 Prozent herabgesetzt werden.

Art. 95 Abs. 2 2

Die Artikel 56, 58, 60 und 61 sowie der elfte Abschnitt dieses Gesetzes finden sinngemäss Anwendung auf Strassentransportdienste, welche aus der Umstellung von Bahnen hervorgegangen sind, sowie auf solche konzessionierte Automobil- und Trolleybuslinien, welche eine denBahnen des allgemeinen Verkehrs vergleichbare Verkehrsbedienung gewährleisten.

II Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes.

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V ml 1970 512 ') AS 1958 335, 1968 97 Bundesblatt. 122. Jahrg. Bd. n

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