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10389 Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Behandlung des Volksbegehrens vom 27. Oktober 1967 für den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung (Vom 6. Oktober 1969)

Herr Präsident !

Hochgeachtete Herren!

Am 27. Oktober 1967 wurde ein Volksbegehren für den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung eingereicht. Die unterzeichneten Stimmbürger verlangten darin, dass Artikel 24quater der Bundesverfassung aufgehoben und durch folgenden neuen Artikel 24quater ersetzt werde : «Der Bund erlässt gesetzliche Bestimmungen, um die ober- und unterirdischen Gewässer wirksam und dauernd vor jedem schädigenden Einfluss mengen- und gütemässig zu schützen. Er ergreift insbesondere alle geeigneten Massnahmen um die Herstellung, Einfuhr und Verwendung von Produkten zu verbieten oder einzuschränken, welche die Reinheit der Gewässer gefährden.

Der Vollzug der vom Bund festgelegten Bestimmungen obliegt den Kantonen unter der Aufsicht des Bundes und unter Vorbehalt der eidgenössischen Kontrolle über die Einfuhr wasserschädigender Erzeugnisse in die Schweiz. Bei Säumnis der Kantone trifft der Bund an deren Stelle und auf deren Kosten alle geeigneten Massnahmen.

Der Bund erleichtert die Durchführung der dem Gewässerschutz dienenden Massnahmen wie folgt: a. Er gewährt langfristige, niedrigverzinsliche Darlehen für die Verlegung von Sammelkanälen und den Bau von Gewässerschutzanlagen, insbesondere von Abwasserreinigungs- und Abfallbeseitigungsanlagen. Der Zins für solche Darlehen darf in keinem Fall 3,5% im Jahr übersteigen.

b. Er gewährt für die gleichen Zwecke einen Beitrag von 60% der Gesamtkosten; für finanziell mittelstarke oder finanzstarke Kantone und Gemeinden kann der Beitragssatz ermässigt werden, darf jedoch nicht unter 20% fallen.

c. Er fördert durch eigene Arbeiten und durch Unterstützung der Tätigkeit Dritter die Forschung und die Versuche auf dem Gebiete des Gewässerschutzes sowie die systematische Untersuchung von ober- und unterirdischen Gewässern.» Das Volksbegehren forderte ausserdem die Erweiterung der Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung durch einen Artikel 9 mit nachstehendem Wortlaut:

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«Den Kantonen wird eine Frist von zehn Jahren nach Inkrafttreten dieser Bestimmung eingeräumt, um im Rahmen der eidgenössischen Gesetzgebung und unter Aufsicht des Bundes die notwendigen Massnahmen für einen wirksamen Schutz aller ober- und unterirdischen Gewässer gegen Verunreinigung und andere Beeinträchtigungen zu ergreifen.

Die Bundesbeiträge werden für jedes seit Ende des fünften Jahres nach Inkrafttreten dieser Bestimmung bis zur Inbetriebnahme einer bestimmten Gewässerschutzanlage verflossene volle Jahr um 5 % des gemäss dem neuen Artikel 24quater berechneten Bundesbeitrages gekürzt.

Dieser Artikel ist sinngemäss auf Anlagen anwendbar, die zur Befriedigung neuer Bedürfnisse gebaut werden. Die auf Grund des neuen Artikels 24quater erlassenen Bestimmungen sind auf alle seit dem 1. Januar 1957 in Betrieb genommenen Gewässerschutzanlagen anwendbar.»

Das Volksbegehren enthält eine Rückzugsklauselfür den Fall, dass die Bundesversammlung Verfassungs- oder Gesetzes vorlagen annehmen sollte, die den in der Initiative zum Ausdruck gebrachten Wünschen entsprechen. - Mit Beschluss vom 15. Dezember 1967 hielt der Bundesrat fest, dass das Volksbegehren 67 419 gültige Unterschriften aufweise und formell zustandegekommen sei.

Die Notwendigkeit einer sinnvollen Neugestaltung des eidgenössischen Gewässerschutzrechtes ist von den zuständigen Bundesstellen bereits vor einigen Jahren erkannt worden. Das Departement des Innern setzte im Juni 1967 eine ausserparlamentarische Expertenkommission ein und beauftragte sie, das geltende Bundesgesetz vom 16. März 1955 einer kritischen Prüfung zu unterziehen und einen entsprechenden Revisionsentwurf vorzubereiten. Die Expertenkommission hat ihre Tätigkeit nach zweijähriger Arbeit am 27. August 1969 abgeschlossen. Der von ihr vorgeschlagene Gesetzesentwurf wird noch im Herbst dieses Jahres den Kantonen und den interessierten Kreisen zur Vernehmlassung zugestellt werden.

Die Expertenkommission des Departementes des Innern hat sich bemüht, den Forderungen des Volksbegehrens durch eine zweckmässige Neuordnung und Erweiterung des eidgenössischen Gewässerschutzrechtes auf der Gesetzesstufe Rechnung zu tragen. So soll das künftige Bundesgesetz insbesondere klare Bestimmungen enthalten über - die wirksamere Aufsicht und Kontrolle des Bundes über die Gewässerschutzmassnahmen der Kantone; - die Herstellung und die Einfuhr von Erzeugnissen, die nach der Art ihrer Verwendung ins Abwasser gelangen und für die Abwasseranlagen und die Gewässer schädliche Wirkungen zeitigen können; - die stärkere Finanzierung der Gewässerschutzmassnahmen durch den Bund; - die planmässige und rasche Verwirklichung sowie die sinnvolle Koordination der kantonalen Massnahmen.

Es scheint uns auf der Hand zu liegen, dass die Frage, ob für die Ausgestaltung des eidgenössischen Gewässerschutzrechtes gemäss den im Volksbegehren enthaltenen Wünschen eine Änderung der Bundesverfassung erforderlich sei oder nicht, erst im Lichte des Entwurfes zum neuen Bundesgesetz

1155 beantwortet werden kann. Dieser Entwurf muss die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens berücksichtigen. Die Kantone und die interessierten Kreise haben Anspruch darauf, zu dieser wichtigen Vorlage angehört zu werden; ihre Vorschläge und Bemerkungen verdienen sorgfältige Prüfung. Der Bundesrat kann erst nach Vorliegen des bereinigten Gesetzesentwurfes über seinen Antrag auf Annahme oder Verwerfung des Volksbegehrens Beschluss fassen. Wir beabsichtigen, Ihnen in den ersten Monaten des nächsten Jahres eine Botschaft über die Totalrevision des Gewässerschutzgesetzes zu unterbreiten. Gleichzeitig werden wir Ihnen zum Volksbegehren Bericht erstatten. Dieses Vorgehen ermöglicht den eidgenössischen Räten, die beiden Vorlagen, die dieselbe Materie betreffen, zusammen zu behandeln. Es dient auch den Initianten, da sie die Möglichkeit erhalten, die Initiative zurückzuziehen, sofern das neue Gewässerschutzgesetz sie im wesentlichen befriedigt.

Da das Volksbegehren in der Form eines ausgearbeiteten Entwurfes gestellt ist, müsste es nach Artikel 27 Absatz l des Geschäftsverkehrsgesetzes vom 23. März 1962 (AS 1962 773) innerhalb von drei Jahren von der Bundesversammlung behandelt werden. Dabei hätte der Bundesrat der Bundesversammlung spätestens ein Jahr vor Ablauf dieser Frist Bericht und Antrag zu unterbreiten. Sofern nun aber der Bundesrat infolge besonderer Verhältnisse dazu nicht in der Lage ist, hat er die Bundesversammlung hierüber zu benachrichtigen; diese kann sodann die dreijährige Frist zur Behandlung des Volksbegehrens gegebenenfalls um ein weiteres Jahr verlängern (Art. 29 des Geschäftsverkehrsgesetzes) .

Wie aus den vorstehenden Ausführungen hervorgeht, ist der Bundesrat der Auffassung, dass er der Bundesversammlung seinen Antrag zum Volksbegehren für den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung nicht innert der am 27. Oktober 1969 ablaufenden Frist vorlegen kann. Die dreijährige Frist zur Beschlussfassung in den eidgenössischen Räten dürfte im vorliegenden Falle ebenfalls zu kurz bemessen sein, da die Gesetzesvorlage am 27. Oktober 1970 unter Umständen noch nicht durchberaten sein wird.

Wir beehren uns daher, Ihnen zu beantragen, die am 27. Oktober 1970 ablaufende Frist zur Beschlussfassung über das Volksbegehren vom 27. Oktober 1967 für den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung in
Anwendung von Artikel 29 Absatz 3 des Geschäftsverkehrsgesetzes vom 23. März 1962 um ein Jahr zu verlängern.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 6. Oktober 1969

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Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: L. von Moos Der Bundeskanzler: Huber

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Behandlung des Volksbegehrens vom 27. Oktober 1967 für den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung (Vom 6. Oktober 1969)

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Jahr

1969

Année Anno Band

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43

Cahier Numero Geschäftsnummer

10389

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

31.10.1969

Date Data Seite

1153-1155

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