Bericht des Bundesrates über die Aktivitäten der schweizerischen Migrationsaussenpolitik 2016 vom 16. Juni 2017

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen den Bericht über die Aktivitäten der schweizerischen Migrationsaussenpolitik 2016 und bitten Sie, davon Kenntnis zu nehmen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

16. Juni 2017

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Bericht 1

Zusammenfassung der Schwerpunkte im Jahr 2016

Das bilaterale Engagement bildete im Berichtsjahr einen zentralen Schwerpunkt der schweizerischen Migrationsaussenpolitik. Im Zentrum standen die Unterstützung der Erstaufnahme- und Transitstaaten am Horn von Afrika und im Mittleren Osten sowie der Aufbau der Migrationsstrukturen in Nord- und Westafrika und im Westbalkan. Angesichts des anhaltenden Konflikts in Syrien und der prekären Situation in den Nachbarstaaten Syriens sowie am Horn von Afrika war die Weiterführung der Protection in the Region-Programme zur Stärkung des Schutzes von Flüchtlingen sowie Migrantinnen und Migranten in ihren Herkunftsregionen von grosser Bedeutung. Die Schweiz setzte auch ihre Zusammenarbeit im Rahmen der Migrationspartnerschaften mit den Ländern des Westbalkans, Nigeria und Tunesien fort. Weiter befasste sich 2016 die Interdepartementale Struktur zur internationalen Migrationszusammenarbeit (IMZ-Struktur) mit den Empfehlungen der externen Evaluation der Migrationspartnerschaften von 2015, und sie prüfte die Möglichkeit des Abschlusses neuer Migrationspartnerschaften.

Ein weiterer Schwerpunkt der schweizerischen Migrationsaussenpolitik galt 2016 der Entwicklung der europäischen Migrationspolitik, welche infolge der Migrationsbewegungen im Jahr 2015 von politischen Diskussionen und Vorschlägen zur Anpassung der bestehenden Rechtsgrundlagen geprägt war. Die Schweiz unterstützte 2016 mit Italien und Griechenland wiederum zwei Länder, die besonders unter Druck standen. Ein spezielles Augenmerk galt ausserdem den Beziehungen zur Türkei aufgrund der EU-Türkei-Erklärung vom März 2016 einerseits und der politischen Entwicklung andererseits.

Auf multilateraler Ebene wurde am UNO-Gipfeltreffen zu Flucht und Migration am 19. September 2016 in New York die politische Deklaration verabschiedet, welche die Erarbeitung zweier Rahmenwerke ­ eines zu Flüchtlingen und eines zu Migration ­ festhält. Diese beiden Initiativen sollen der Prävention erzwungener Migration und Flucht dienen und den Schutz von Vertriebenen und vulnerablen Migrantinnen und Migranten stärken. Gleichzeitig sollen die wirtschaftliche und soziale Eigenständigkeit der Vertriebenen und Migrantinnen und Migranten gefördert werden mit dem Ziel, einen Beitrag an die nachhaltige Entwicklung zu leisten. Die Schweiz engagiert sich massgeblich an der Umsetzung der
Beschlüsse des UNO-Gipfeltreffens insbesondere bei der Ausarbeitung eines Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration, wobei die Schweiz mit ihrem UNO-Botschafter in New York diesen Prozess fazilitieren wird.

Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen rund um die neue Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit 2017­2020 (IZA Botschaft 2017­2020)1 lag der Fokus auf der Stärkung der Verbindung zwischen dem Engagement der Schweiz im Ausland und der schweizerischen Migrationspolitik. Im Anschluss an die Beratung der IZA Botschaft 2017­2020 hat das Parlament ausdrücklich festgehalten, dass die 1

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internationale Zusammenarbeit und die Migrationspolitik strategisch miteinander verknüpft werden sollen, wenn dies im Interesse der Schweiz ist. Ferner soll nach dem Willen des Parlaments der Abschluss von Abkommen und Partnerschaften im Migrationsbereich vorangetrieben werden.2 Die Umsetzung erfolgt innerhalb der IMZ-Struktur in enger Zusammenarbeit zwischen EDA (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, DEZA; Politische Direktion, PD), WBF (Staatssekretariat für Wirtschaft, SECO) und EJPD (Staatssekretariat für Migration, SEM).

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Kontext

2.1

Herausforderungen der aktuellen Migrationssituation

Flucht- und Migrationsbewegungen werden angesichts der weltpolitischen Lage, der grossen Anzahl bewaffneter Konflikte und anderer Fluchtgründe, genannt seien zum Beispiel die sich verstärkenden negativen Konsequenzen des Klimawandels, in den nächsten Jahren nicht abreissen. Gemäss den Schätzungen des UNHCR sind heute weltweit rund 65,3 Millionen Menschen auf der Flucht. Unter den Schutz der Flüchtlingskonvention von 19513 fallen davon allerdings nur 21,3 Millionen Menschen. Häufig sind diese Vertriebenen auf ähnlichen Routen unterwegs und damit den gleichen Gefahren ausgesetzt, z.B. der Gefahr, dass sie Opfer des Menschenhandels werden.

Eine nachhaltige Lösung der Flüchtlingskrise zeichnet sich aber nicht ab; die langfristige Tragfähigkeit des Deals zwischen Brüssel und Ankara bleibt ungewiss, und Europa tut sich nach wie vor schwer damit, gemeinsame Antworten auf die Herausforderungen von Flucht und Migration zu entwickeln. Zudem bleibt der Migrationsdruck trotz der teilweise blockierten Transitrouten hoch. Dies zeigt sich allein schon darin, dass 2016 die Anzahl Migrantinnen und Migranten, die über die zentrale Mittelmeerroute nach Italien gelangten, mit über 180 000 einen neuen Höchststand erreichte. Mit über 4400 Opfern erreichte auch die Anzahl von Menschen, die auf der Überfahrt ertranken, einen traurigen Höchststand.

Heute ist eine von 133 Personen weltweit asylsuchend, auf der Flucht oder intern vertrieben. Über 85 Prozent dieser Menschen leben in Entwicklungs- und Schwellenländern. Zu den wichtigsten Erstaufnahmeländern von Flüchtlingen gehören die Türkei, Pakistan, der Libanon und Jordanien; diese Länder haben bisher insgesamt 5,8 Millionen Flüchtlinge aufgenommen, was über 20 Prozent aller Flüchtlinge weltweit entspricht.4

2

3 4

Vgl. Art. 2 des Bundesbeschlusses vom 26. September 2016 über die Weiterführung der Finanzierung der technischen Zusammenarbeit und der Finanzhilfe zugunsten von Entwicklungsländern sowie über die Weiterführung der Finanzierung der internationalen humanitären Hilfe der Eidgenossenschaft in den Jahren 2017­2020 (BBl 2016 8097).

SR 0.142.30 Türkei: 2,5 Millionen, Pakistan: 1,6 Millionen, Libanon: 1,1 Millionen, Äthiopien: über 730 000, Jordanien: über 660 000 Flüchtlinge; Zahlen UNHCR 2015.

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2.2

Umfeld und Rahmenbedingungen für die Schweiz

Die anhaltenden Instabilitäten, vorab in den Krisenregionen von Nahost bis zum Sahel, haben wie schon 2015 auch im Berichtsjahr manifeste Auswirkungen auf Europa und damit die Schweiz gezeitigt. Die Fluchtbewegungen nach Europa haben zwar insgesamt abgenommen, was vor allem auf die Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei und die Schliessung der Balkanroute zurückzuführen ist. Mit 27 207 Asylanträgen im Jahr 2016 (39 523 im Jahr 2015) war die Zahl der Asylgesuche in der Schweiz rückläufig. Der Anteil der Schweiz an allen in Europa gestellten Asylgesuchen nahm erneut ab und liegt bei rund zwei Prozent.5 Die Schweiz verfolgt nach wie vor die Migrationspolitik der Europäischen Union (EU) aufmerksam und arbeitet mit der EU und deren Mitgliedsstaaten zusammen.

Die Schweiz beteiligt sich zum Beispiel aktiv am EU-Nothilfe-Treuhandfonds für Afrika, welcher zum Ziel hat, Ursachen der Migration in Afrika zu bekämpfen (vgl.

Ziff. 4.3).

Im September fand ein UN-Gipfel für Flüchtlinge und Migranten statt, an dem die Mitgliedstaaten die Herausforderungen und Antworten der internationalen Gemeinschaft auf die grossen Flüchtlings- und Migrationsbewegungen gemeinsam diskutieren konnten. Am Beschluss des UNO-Gipfeltreffens zu Flucht und Migration am 19. September 2016 in New York sowie an der Integration des Themas Migration in die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung hat die Schweiz massgeblich mitgearbeitet, und sie setzt sich für dessen Umsetzung ein (vgl. Ziff. 5).

Trotz vielfältiger Bemühungen bleiben die Antworten der internationalen Gemeinschaft nach wie vor unzureichend. Es mangelt an hinreichender Finanzierung, an vorausschauender Planung im Umgang mit Vertreibungssituationen und deren Prävention sowie an effizienter Unterstützung der am stärksten betroffenen Erstaufnahmegesellschaften. Es fehlt zudem an der nötigen internationalen Zusammenarbeit und Verantwortungsteilung, denn einzelne Staaten können diesen Herausforderungen alleine nicht begegnen.

3

Die strategische Ausrichtung

3.1

Migrationsaussenpolitische Strategie der Schweiz und Instrumente der Migrationsaussenpolitik

Die Migrationsaussenpolitik der Schweiz steht somit vor zahlreichen Herausforderungen. Die Instrumente der Migrationsaussenpolitik basieren auf drei Prinzipien: Zum einen verfolgt die Schweiz in Bezug auf die Migration einen umfassenden Ansatz, bei dem sowohl die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Chancen der Migration als auch deren Herausforderungen beachtet werden. Zweitens fördert die Schweiz die enge partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Herkunfts-, Transit- und Zielländern. Drittens stellt die Schweiz eine enge interde5

Dieser tiefe Wert ist allerdings wenig aussagekräftig, da er auch darauf zurückzuführen ist, dass Deutschland einen grossen Teil der 2015 eingereisten Personen erst 2016 formell als Personen, die ein Asylgesuch stellen, registrierte.

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partementale Zusammenarbeit sicher, um eine kohärente Migrationspolitik zu gewährleisten und die entwickelten Instrumente angemessen anzuwenden.

Internationaler und regionaler Migrationsdialog 2016 wurde von einem vertieften Engagement der Schweiz sowohl auf multilateraler (UN-Gipfel für Flüchtlinge und Migranten) als auch auf regionaler Ebene geprägt.

Im August bestätigte z.B. der Bundesrat die Beteiligung der Schweiz am EU-Nothilfe-Treuhandfonds zur Unterstützung der Stabilität und zur Bekämpfung der Ursachen von irregulärer Migration in Afrika mit einem Beitrag von 4,1 Millionen Euro. Im Dezember 2016 ist zudem die Schweiz als Vollmitglied im KhartumProzess aufgenommen worden; vorher hat die Schweiz als Beobachterin am Prozess teilgenommen. Dieser Prozess dient insbesondere der Umsetzung des Aktionsplans, der anlässlich des Migrationsgipfels zwischen der EU und afrikanischen Staaten im November 2015 in Valletta verabschiedet wurde.

Bilaterale Abkommen im Migrationsbereich Mit 62 Rückübernahmeabkommen gehört die Schweiz zu den Ländern, die weltweit am meisten solcher Verträge geschlossen haben. 2016 schloss die Schweiz ein Migrationsabkommen mit Sri Lanka und ein Rückübernahmeabkommen mit Kuwait ab, sowie eine Technische Vereinbarung mit Indien. Zudem konnten am 13. Dezember 2016 entsprechende Verhandlungen mit der Türkei finalisiert werden. Die Türkei wird das Inkrafttreten des bilateralen Abkommens allerdings von der Visaliberalisierung durch die EU zugunsten türkischer Bürgerinnen und Bürger abhängig machen. Im Berichtsjahr wurden ausserdem Verhandlungen über ein Rückübernahmeabkommen mit Bahrain sowie erste Sondierungsgespräche für ein Migrationsabkommen mit Mali und ein Rückübernahmeabkommen mit der Mongolei aufgenommen.

Evaluation neuer Migrationspartnerschaften Die Schweiz engagiert sich insbesondere im Bereich der Migration auf bilateraler Ebene im Rahmen der Migrationspartnerschaften. Entsprechende Partnerschaften bestehen mit Serbien, dem Kosovo, Bosnien-Herzegowina, Nigeria und Tunesien.

Die Aufnahme von Verhandlungen für weitere Migrationspartnerschaften wurde geprüft.

In seinem Bericht6 in Erfüllung des Postulats Amarelle (12.3858; Migrationspartnerschaften. Kontrolle und Evaluationen) hat der Bundesrat den Mehrwert der Migrationspartnerschaften im Vergleich zu anderen Formen
der Zusammenarbeit im Bereich Migration bestätigt und eine Prüfung möglicher neuer Migrationspartnerschaften in Aussicht gestellt. Gleichzeitig hat der Bundesrat darauf hingewiesen, dass das Instrument der Migrationspartnerschaft über einen längeren Zeitraum beträchtliche finanzielle und personelle Ressourcen innerhalb der Bundesverwaltung bindet und deswegen als privilegiertes Instrument zurückhaltend eingesetzt werden 6

Migrationspartnerschaften. Kontrolle und Evaluationen. Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats 12.3858, Juni 2015 (www.sem.admin.ch > de > aktuell > news > Migrationspartnerschaften bringen Mehrwert).

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soll um auch den Erwartungen der Partnerstaaten entsprechen zu können. Vor diesem Hintergrund hat sich der IMZ-Ausschuss im Berichtsjahr vertieft mit der Frage nach dem Abschluss neuer Migrationspartnerschaften auseinandergesetzt (vgl.

Ziff. 4.4).

Protection in the region Protection in the Region (PiR) zielt darauf ab, Flüchtlingen und vulnerablen Migrantinnen und Migranten schnellstmöglich wirksamen Schutz vor Ort zukommen zu lassen und die Erstaufnahmeländer dabei zu unterstützen, ihnen Schutz gemäss internationalen Verpflichtungen zu gewähren. So werden Erstaufnahmeländer zum Beispiel beim Aufbau eines fairen und effizienten Asylsystems unterstützt sowie in ihren Bemühungen, die Lebensbedingungen Schutzsuchender zu verbessern oder dauerhafte Lösungen für sie zu finden. Entsprechende Programme werden aktuell im Horn von Afrika sowie im Mittleren Osten umgesetzt.

Länderliste Rückkehr Bereits 2012 hatte der Bundesrat das EJPD beauftragt, eine Liste der prioritären Länder aus Perspektive der Rückkehr von Migrantinnen und Migranten zu erstellen (IMZ-Länderliste) und den übrigen Departementen zur Kenntnis zu bringen. Ziel dieser Liste ist es, unter Berücksichtigung der aussenpolitischen Gesamtinteressen der Schweiz, Möglichkeiten zu prüfen, das Rückkehrdossier mit weiteren aussenund aussenwirtschaftspolitischen Dossiers zu verknüpfen. Auf diese Weise soll der Verhandlungsspielraum gegenüber jenen Staaten vergrössert werden, mit denen die Schweiz anhaltende Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit im Rückkehrbereich hat. Seit August 2013 finden sich Algerien, Äthiopien, Iran, Marokko und die Mongolei auf der Liste. Diese wird halbjährlich vom SEM überprüft, gegebenenfalls angepasst und dem IMZ-Ausschuss zur Kenntnis unterbreitet. 2016 hat der IMZAusschuss eine Reihe von Massnahmen beschlossen, die zu einer verbesserten Umsetzung des Instruments der Länderliste Rückkehr führen sollen (vgl. Ziff. 4.4).

3.2

Stärkere Verbindung der Migrationspolitik mit der internationalen Zusammenarbeit

Im Rahmen der Beratungen IZA-Botschaft 2017­2020 des Bundes hat das Parlament beschlossen, die Verbindung zwischen dem Engagement der Schweiz im Ausland und der Migrationspolitik der Schweiz weiter zu verstärken. Ziel der Verknüpfung ist es, an den längerfristigen Ursachen der Migration zu arbeiten, um Migrationsbewegungen sicherer zu machen und Menschen, welche sich zur Migration gezwungen sehen, eine Perspektive im eigenen Land zu geben.

Die Verknüpfung soll sowohl den entwicklungspolitischen, menschenrechts- und friedenspolitischen als auch den migrationspolitischen Interessen der Schweiz Rechnung tragen.

In einer gemeinsamen Analyse wird geprüft, in welchen Situationen die Voraussetzungen für eine Verknüpfung vorhanden sind. Ausschlaggebend ist insbesondere eine tatsächliche oder voraussichtliche Zunahme der irregulären Zuwanderung in die 4834

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Schweiz bzw. nach Europa. Es kommen aber auch Situationen als verknüpfungsrelevant in Betracht, die das Potenzial für Flucht und Vertreibung in sich tragen. Die Umsetzung kann in der Verstärkung eines bereits bestehenden bilateralen oder multilateralen Engagements der Schweiz bestehen, in einer Partnerschaft mit multilateralen Organisationen oder in neuen Aktivitäten.

Das Engagement der Schweiz im Rahmen der Migrationspartnerschaften sowie die Beiträge der Schweiz in wichtigen Herkunfts- und Transitländern von Asylsuchenden und Vertriebenen erachtet der Bundesrat als solche Verbindung zwischen der Innen- und Aussenpolitik. Dieses Engagement und insbesondere die Zusammenarbeit des EDA und des SECO mit dem SEM soll in den kommenden Jahren weiter gestärkt und ausgebaut werden. Vorschläge zur Umsetzung dieses Auftrags werden im Rahmen der IMZ-Struktur 2017 entwickelt und verabschiedet.

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Die Aktivitäten der schweizerischen Migrationsaussenpolitik 2016

4.1

Unterstützung der Erstaufnahme- und Transitstaaten

Unterstützung der Erstaufnahmestaaten in Bezug auf die syrische Flüchtlingskrise Das Engagement der Schweiz im Mittleren Osten richtet sich nach einer in einem Gesamtregierungsansatz erarbeiteten Strategie für 2015­2018 und setzt drei Prioritäten: Grundbedürfnisse und Grunddienstleistungen, Schutz von Flüchtlingen und Bedürftigen sowie nachhaltiges Wassermanagement.

Die Schweiz hat am 4. Februar 2016 anlässlich der vierten Geberkonferenz zur Syrienkrise in London einen Beitrag von mindestens 50 Millionen Franken für 2016 gesprochen. Damit steigt die Schweizer Hilfe auf über 250 Millionen Franken seit dem Ausbruch der Krise im Jahr 2011. Mit den zusätzlichen Mitteln wurde insbesondere das Schweizer Engagement im Bereich Protection in the Region gestärkt. In diesem Rahmen hat die Schweiz 2016 über Projekte des UNHCR die türkischen und jordanischen Behörden bei der Registrierung von syrischen Flüchtlingen und der Erbringung von Hilfeleistungen an besonders vulnerable Flüchtlinge unterstützt.

Zudem wurde die Unterstützung des türkischen Directorate General for Migration Management durch ein Projekt zur Erarbeitung einer Integrationspolitik für Flüchtlinge in der Türkei ergänzt. Im Libanon wurde ein Projekt im Bereich der integrierten Grenzverwaltung lanciert mit dem Ziel, die Thematiken Vulnerabilität und Rechte von Migrantinnen und Migranten in die Grenzkontrollstrategie der libanesischen Behörden zu integrieren. Auf regionaler Ebene lancierte die Schweiz eine Plattform mit dem Ziel, politisch relevante Analysen zu den mixed migration movements zu erstellen und eine nachhaltige Politikentwicklung auf diesem Gebiet zu fördern. Dieser umfassende Ansatz der Schweiz trägt zum Schutz aller vulnerablen Gruppen in der Region bei.

Eine weitere Massnahme bildet die dauerhafte Aufnahme besonders verletzlicher Personen in die Schweiz. Der Bundesrat hatte am 6. März 2015 entschieden, ein 4835

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Flüchtlingskontingent von 3000 Flüchtlingen aus der Krisenregion Syrien in der Schweiz aufzunehmen. Seit dem 18. August 2015 sind im Rahmen des UNHCRProgramms zur Neuansiedlung (Resettlement) 969 Personen7 in 34 Gruppen eingereist. Mit Beschluss des Bundesrates vom 18. September 2015 wurde die Hälfte des Kontingents von 3000 Plätzen für das EU-Relocation Programm reserviert. Am 9. Dezember 2016 hat der Bundesrat beschlossen, in den nächsten zwei Jahren weitere 2000 besonders verletzliche Personen aus der Krisenregion Syrien aufzunehmen. Für 2017 ist die Einreise von rund 600 Personen mittels Resettlement geplant.

Schliesslich hat der Bundesrat im Berichtsjahr beschlossen, die Bemühungen der Schweiz in der Migrationspolitik in der Region mit der Ernennung eines Sonderbeauftragten für Migrationsfragen im Mittleren Osten weiter zu verstärken.

Unterstützung der Erstaufnahme- und Transitstaaten am Horn von Afrika Gemäss der interdepartementalen Schweizer Kooperationsstrategie für das Horn von Afrika 2013­2017 werden der Schutz von Vertriebenen und vulnerablen Migrantinnen und Migranten und die Unterstützung des regionalen Dialogs zu Migration als strategische Ziele verfolgt. Um den Schutz zu stärken, wurden im Rahmen des Protection in the Region-Programms zusätzliche Mittel für das UNHCR in Kenia, Äthiopien und dem Sudan gesprochen. In Somalia finanziert die Schweiz ein NGOKonsortium, das sich für die Rechte und den besseren Schutz der rund 1,1 Millionen intern Vertriebenen einsetzt. Im Sudan unterstützt die Schweiz seit 2012 die Strategie von UNHCR und IOM gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel. Auf regionaler Ebene unterstützt die Schweiz das Regional Mixed Migration Secretariat, welches durch die Analyse der gemischten Migrationsbewegungen massgeblich zur Entwicklung von umfassenden Schutzpolitiken in der Region beiträgt. Im Rahmen der Unterstützung des regionalen Dialogs zu Migrationsfragen konnte das von der Schweiz finanzierte Projekt mit der Intergovernmental Authority on Development (IGAD) im Jahr 2016 dank der Durchführung von zwei Regional Consultative Processes und der Etablierung der Nationalen Koordinationsmechanismen in den IGAD-Mitgliedstaaten die Migrationsgouvernanz auf regionaler und nationaler Ebene weiter stärken.

Der Bundesrat hat das EDA und das EJPD am 18. September 2015
beauftragt, den Dialog mit Eritrea in Zusammenarbeit mit interessierten Staaten zu intensivieren.

Darüber hinaus hat der Bundesrat angesichts der weiterhin sehr hohen Asylgesuchszahlen aus Eritrea und in Beantwortung des Postulats Pfister 15.3954 «Endlich klare Informationen zu Eritrea» vom 24. September 2015 in einem umfassenden Bericht 8 die politischen Ansätze sowie das mittelfristig vorgesehene Schweizer Engagement in Eritrea skizziert. Demzufolge wird die Schweiz in Eritrea zukünftig auf drei Ebenen aktiv sein: Erstens wird sich die Schweiz vor Ort engagieren, um die Agenturen und Programme der UNO sowie gezielte Projekte zu unterstützen mit dem Ziel, die operationelle Kapazität und die Kooperationsbereitschaft der eritreischen 7 8

857 syrische Staatsangehörige aus dem Libanon und 112 Iraker und Palästinenser aus Syrien.

Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats Pfister 15.3954 «Endlich klare Informationen zu Eritrea» vom 24.09.2015.

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Regierung zu prüfen. Neben einem seit Ende 2015 bestehenden Pilotprojekt werden die Möglichkeiten für eine weitere Zusammenarbeit mit Eritrea geprüft. In einer ersten Phase sollen mit einem begrenzten Budget (2 Mio. Franken/Jahr) Projekte im Bereich der Berufsbildung und Schaffung von Arbeitsplätzen unterstützt werden.

Zweitens wird der Dialog mit der eritreischen Regierung weitergeführt mit dem Ziel, einen Austausch zu Migrationsfragen, der Menschenrechtslage, Rechtsstaatlichkeit und weiteren Aspekten der Entwicklung im Land zu führen. Drittens wird die Schweiz den Dialog mit Eritrea sowie das Engagement vor Ort auf internationaler Ebene, insbesondere mit gleichgesinnten europäischen Staaten, koordinieren. Im eritreischen Kontext braucht es insbesondere Verbesserungen bei der Menschenrechtslage sowie bei der Rechtsstaatlichkeit. Ausserdem sind sozioökonomische Reformen notwendig. Inwiefern die eritreische Regierung bereit ist, mit der Schweiz einen Dialog einzugehen, der zur Verbesserung der oben genannten Faktoren beiträgt, muss sich erst noch zeigen. In den vergangenen Jahren liess die Regierung in Asmara gewisse Zeichen einer Annäherung an die internationale Gemeinschaft erkennen, die sich vor allem in der Bereitschaft zu hochrangigen Treffen äusserte.

Die Schweiz hat positiv auf diese Zeichen reagiert. Ob diesen Diskussionen greifbare Handlungen, die auf tatsächliche Reformen schliessen lassen, folgen werden, ist nun zu prüfen.

4.2

Aufbau der Migrationsstrukturen in Nord- und Westafrika

Aufbau staatlicher Migrationsstrukturen in Nordafrika Die Zusammenarbeit mit den Ländern südlich des Mittelmeers war als Teil des Schweizer Kooperationsprogramms in Nordafrika 2011­2016 im Berichtsjahr eine weitere Priorität. Die Länder der Region unterliegen einem starken Migrationsdruck von Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlingen, die nach Europa reisen möchten und sich längere Zeit in den nordafrikanischen Küstenstaaten aufhalten.

Die Aktionslinien der Schweiz verfolgen eine Stärkung der Strukturen vor Ort mit Fokus auf den Schutz der Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten sowie die Migrationspolitik. Im Rahmen der Migrationspartnerschaft mit Tunesien liegt der Fokus auf der Stärkung der Kompetenzen der Migrationsbehörden, und zwar mittels integrierter Grenzverwaltung, der Entwicklung der rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen im Asylbereich und der Arbeitsmigration, mittels Rettungsaktionen auf See sowie der Verbesserung des Identitätsnachweises anhand des Fingerabdruckverfahrens. Ausserdem unterstützt die Schweiz die Verbesserung der Rahmenbedingungen für ein nachhaltiges Engagement der tunesischen Diaspora in Bezug auf die Entwicklungen ihrer Heimat. In Marokko liegt der Fokus des Schweizer Engagements auf der Verbesserung des Schutzes von Flüchtlingen und vulnerablen Migrantinnen und Migranten, der Förderung ihrer Menschenrechte und ihrer Integration.

In Algerien und Libyen unterstützte die Schweiz zwei Projekte, welche gestrandeten Migrantinnen und Migranten die freiwillige Rückkehr in ihr Herkunftsland ermög-

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lichten. Ende 2016 konnte zudem ein Projekt zur Stärkung der libyschen Küstenwache für ihre Rettungseinsätze im Meer initiiert werden.

Aufbau von Migrationsstrukturen in Westafrika 2016 verfolgte die Schweiz das Ziel, mit der Unterstützung der Regierungen in Westafrika eine kohärente Migrationspolitik in der Region zu etablieren. Auf regionaler Ebene spiegelt sich der Beitrag der Schweiz in der technischen Unterstützung der regionalen Organisation Economic Community Of West African States (ECOWAS) wider. Unter anderem gewann die ECOWAS an Eigenverantwortung bei der Organisation der jährlichen Konferenz zu Migration Dialogue for West Africa. Des Weiteren trägt das Projekt Netzwerk Westafrika, welches die Vorbeugung der risikobehafteten Migration von Minderjährigen zum Ziel hat, zu einem besseren Verständnis der Migration in Westafrika bei.

Auf nationaler Ebene unterstützt die Schweiz in Benin, Burkina Faso und Nigeria weiterhin den Aufbau nationaler Institutionen im Migrationsbereich mittels Forschung, Informationsaustausch und Unterstützung eines nationalen Migrationsdialoges. Im Rahmen der Migrationspartnerschaft mit Nigeria werden die Grenzkontrollbehörden bei der Identitätsüberprüfung an den Grenzübergängen sowie allgemein beim Ausbau ihrer fachlichen Kompetenzen unterstützt. Zudem engagiert sich die Schweiz für die Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen zum Schutz von intern Vertriebenen. Beim Kampf gegen den Menschenhandel unterstützt die Schweiz ein Projekt zur Wiedereingliederung von Opfern, mit dem auch deren Zugang zum Rechtsschutz erleichtert werden soll. Während des Berichtsjahres gab es zwei Besuche der nigerianischen Behörde zur Bekämpfung von Menschenhandel in der Schweiz, wobei der Austausch über die Situation und Herausforderungen in beiden Ländern sowie Verbesserungsmöglichkeiten in der Zusammenarbeit im Zentrum standen.

In Niger engagiert sich die Schweiz in einem Forschungs- und Dialogprozess, um die Herausforderungen der Migration sowie die Auswirkungen auf die Entwicklung des Landes besser verstehen zu können. Migrationsfragen sollen bei Entwicklungsprogrammen miteinbezogen werden und zur Entwicklung einer Migrationsstrategie für Niger beitragen.

4.3

Die Zusammenarbeit mit der Europäischen Union im Bereich der Migration und die Unterstützung der Staaten Südeuropas

Auf europäischer Ebene war das Jahr 2016 von politischen Diskussionen und Vorschlägen zur Anpassung bestehender Rechtsgrundlagen geprägt, die auch als Antwort auf die Flüchtlingsbewegungen von 2015 zu verstehen sind. Die Diskussionen konzentrierten sich auf eine Reform des gemeinsamen Europäischen Asylsystems, insbesondere auf den Vorschlag der Europäischen Kommission, das Dublin-System zu reformieren, das EURODAC-System zu stärken und das Mandat des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) zu überarbeiten. Aufgrund der Teilnahme der Schweiz an der Dubliner Zusammenarbeit ist die Schweiz von eini4838

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gen der vorgeschlagenen Reformen ebenfalls betroffen, und sie hat regelmässig an den Diskussionen in der EU dazu teilgenommen. Da das Ziel einer gerechten Verteilung Schutzsuchender in Europa auch im schweizerischen Interesse ist, nimmt die Schweiz freiwillig an den Relocation-Programmen der EU teil. So nahm die Schweiz bis am 31. Dezember 2016 340 Asylsuchende aus Italien sowie 28 Asylsuchende aus Griechenland auf; es ist vorgesehen, dass bis September 2017 insgesamt 900 Personen aus Italien und 600 Personen aus Griechenland aufgenommen werden. Ebenso unterstützt die Schweiz die Arbeit von EASO durch die Entsendung von Expertinnen und Experten des SEM in die Registrierungszentren für Migrantinnen und Migranten in Italien und Griechenland. Im November 2016 beschloss das SEM, diese Zusammenarbeit noch auszubauen. Um die Verwaltung der SchengenAussengrenzen zu stärken und die Effizienz der Rückkehrmassnahmen zu steigern, wurde die FRONTEX-Agentur im Herbst 2016 durch eine neue Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache abgelöst. Die Schweiz beteiligt sich ebenfalls an dieser neuen Agentur und stellt zusätzlich zu den normalen Einsätzen zur Unterstützung der Agentur an den Schengen-Aussengrenzen 16 Grenzbeamte bereit, die bei Bedarf dem neuen Soforteinsatzpool zur Verfügung stehen. 9 Daneben stehen auch eine Reihe von Schweizer Expertinnen und Experten für gemeinsame Rückkehroperationen zur Verfügung. Komplementär zu den Rettungsaktionen der neuen Europäischen Grenz- und Küstenwache unterstützt die Schweiz im zentralen Mittelmeer eine NGO, welche Migrantinnen und Migranten aus Seenot rettet und anschliessend den zuständigen Behörden der Staaten der Schengen-Aussengrenzen auf dem Festland übergibt. Schliesslich trägt die Schweiz an den Treuhandfonds der Europäischen Union für Afrika zur Stärkung der Zusammenarbeit mit Drittstaaten im Bereich der Migration bei.

Neben der oben erwähnten Teilnahme an den europäischen Initiativen unterstützt die Schweiz auf bilateraler Ebene die Anstrengungen Griechenlands bei der Bewältigung der Migrationsbewegungen. Die Schweiz unterstützt die Aktivitäten des UNOFlüchtlingshilfswerks (UNHCR) in Griechenland durch einen finanziellen Beitrag und stellt Expertinnen und Experten zur Verfügung.

Das Berichtsjahr 2016 war massgeblich von der Schliessung der so genannten
Balkanroute geprägt. Im Jahr 2015 war dies die Hauptroute für Menschen, die in Westund Nordeuropa internationalen Schutz suchten. Anfang März 2016 haben die Länder Südosteuropas ihre Grenzen nacheinander geschlossen. Aufgrund dieser Massnahmen waren Tausende von Asylsuchenden in den Ländern entlang der Balkanroute gestrandet und nicht mehr in der Lage, ihren Weg nach West- und Nordeuropa fortzusetzen. Am 18. März 2016 verabschiedeten die EU und die Türkei schliesslich eine gemeinsame Erklärung mit dem Ziel, die irreguläre Migration nach Griechenland zu begrenzen. So wurde der Migration auf der Balkanroute faktisch ein Ende gesetzt.

9

Der Schweiz wurde die neue EU-Verordnung 2016/1624 über die Europäische Grenzund Küstenwache am 22. September 2016 als Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands notifiziert. Für die Übernahme der Verordnung hat die Schweiz über eine Frist von zwei Jahren.

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Gemäss der interdepartementalen Strategie Migrationspartnerschaften Schweiz ­ Westbalkan 2016­2019, die am 1. Januar 2016 in Kraft trat, verfolgt die Schweiz den Ansatz, die Länder der Region weiterhin zu unterstützen, insbesondere beim Aufbau eines effektiven Asylsystems nach internationalem Standard.

Im Rahmen der Migrationspartnerschaft mit Serbien wird insbesondere die Professionalisierung der nationalen Asyl- und Migrationsstrukturen weiter systematisiert, um effektiver gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel vorzugehen.

Im Kosovo konnte ebenfalls ein Projekt zur institutionellen Stärkung der Migrationsbehörden initiiert werden. In Bosnien und Herzegowina unterstützt die Schweiz die Schaffung und Festigung einer Plattform, welche den Austausch von Diasporamitgliedern und Akteuren im Herkunftsland fördert. Die i-platform für die Diaspora in der Schweiz (www.i-platform.ch) hat im Berichtsjahr wichtige Schritte zur institutionellen Formalisierung sowie im Netzwerkaufbau gemacht. Als besonders förderlich haben sich dabei Synergien zwischen der bestehenden Migrationspartnerschaft Schweiz-Bosnien und Herzegowina und den migrations- und entwicklungsrelevanten Aktivitäten des bilateralen Programms der Schweiz in diesem Land erwiesen.

Auf regionaler Ebene organisierte das SEM 2016 in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich einen Kurs im Bereich des Projektmanagements für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Migrationsbehörden Kosovos, Serbiens sowie Bosnien und Herzegowinas. Mit dem Kurs sollen die Fähigkeiten der Partnerbehörden gestärkt werden, ihre konkreten Bedürfnisse und Anliegen in einen strukturierten Projektplanungsprozess einfliessen zu lassen, um die Zusammenarbeit im Rahmen der Migrationspartnerschaften effizienter zu gestalten.

4.4

Weitere Themen der Migrationsaussenpolitik

Perspektive neuer Migrationspartnerschaften Die Voraussetzungen für die Realisierung einer Migrationspartnerschaft sind, neben einer gegenseitigen Bereitschaft zur Intensivierung der Zusammenarbeit im Migrationsbereich, substanzielle migrationspolitische Interessen der Schweiz, eine erhebliche Beziehungsdichte zwischen der Schweiz und dem Partnerland sowie die Erfüllung minimaler rechtsstaatlicher Kriterien im Partnerland. Auf der Basis dieser Kriterien sowie unter Einbezug der verfügbaren finanziellen und personellen Ressourcen hat der IMZ-Ausschuss 2016 mögliche neue Partnerländer für weitere Migrationspartnerschaften geprüft.

Erste Schritte wurden dabei im Hinblick auf eine allfällige Migrationspartnerschaft mit Sri Lanka eingeleitet. Anlässlich des Besuchs von Bundesrätin Simonetta Sommaruga in Sri Lanka im Oktober 2016 wurde mit den srilankischen Behörden ein Migrationsabkommen unterzeichnet. Das Migrationsabkommen enthält neben Massnahmen zur Unterstützung der Behörden im Migrationsbereich Rückübernahmebestimmungen und Bestimmungen zur freiwilligen Rückkehr. Für die korrekte Umsetzung und Anwendung des Abkommens ­ namentlich auch die sichere Rückführung und die menschenrechtskonforme Behandlung der Rückkehrenden ­ sind regelmäs4840

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sige Expertentreffen vorgesehen. Die Möglichkeit, das Abkommen zu einer umfassenderen Migrationspartnerschaft auszubauen, wird 2017 in Rahmen der IMZStruktur diskutiert.

Länderliste Rückkehr In der Umsetzung des Auftrages des Bundesrats von 2012 zur Liste der prioritären Länder aus Perspektive der Rückkehr (IMZ-Länderliste) sind unterschiedliche Entwicklungen zu verzeichnen. Mit der Mongolei konnten in der Zusammenarbeit im Rückkehrbereich Fortschritte erzielt werden, sodass 2017 formelle Verhandlungen über ein Rückübernahmeabkommen aufgenommen werden können. Die Zusammenarbeit mit Algerien ist nach wie vor schwierig, auch wenn bei der Identifikation von Algerierinnen und Algeriern mit rechtskräftiger Wegweisung weitere Fortschritte erzielt werden konnten. Mit Marokko konnten im Jahr 2016, wenn auch nur in wenigen Einzelfällen, erstmals Lösungen im Bereich der zwangsweisen Rückführungen erwirkt werden. Mit gewissen Staaten ist die Zusammenarbeit beim Vollzug der Wegweisungen aber nach wie vor schwierig. So blieb die Rückkehrzusammenarbeit mit Äthiopien und dem Iran im Berichtsjahr weiterhin nahezu blockiert.

5

Die globale und regionale Migrationssteuerung

Erforderlich sind neben nationalen insbesondere auch kollektive Antworten der Staatengemeinschaft, welche die Ursachen von Migration und Vertreibung konkret angehen sowie den unmittelbaren und längerfristigen Bedürfnissen von zwangsvertriebenen Personen gerecht werden und ihnen den notwendigen Schutz und die Wahrung ihrer Menschenrechte gewähren.

Vor diesem Hintergrund hat der UNO-Generalsekretär am 19. September 2016 zum Auftakt der 71. UNO-Generalversammlung ein Gipfeltreffen zu Flucht und Migration einberufen (UN High Level Plenary Meeting on Addressing Large Movements of Refugees and Migrants). Im Rahmen dieses Treffens haben die 193 UNO-Mitgliedstaaten eine politische Deklaration verabschiedet, die ein breites Spektrum an Massnahmen im Bereich des Schutzes von Flüchtlingen sowie Migrantinnen und Migranten, der Prävention erzwungener Migration und Flucht, der wirtschaftlichen und sozialen Eigenständigkeit und der Stärkung des Beitrages der Migration an die nachhaltige Entwicklung beinhaltet. Schliesslich wird anerkannt, dass dieses Gipfeltreffen ein Meilenstein in einem langen Prozess ist, der weitergehen muss. Einerseits soll das Comprehensive Refugee Response Framework verabschiedet werden, welches Hilfsmassnahmen in Fällen grosser Fluchtbewegungen vorsieht. Andererseits sollen bis 2018 zwei globale Rahmenwerke (Global Compacts) erarbeitet und verabschiedet werden, eines zum Thema Migration und eines zum Thema Flüchtlinge.

Der Global Compact für Flüchtlinge soll die Bedeutung der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 inklusive des Zusatzprotokolls von 1967 sowie des NonRefoulement-Prinzips hervorheben und bekräftigen. Mit dem Global Compact für Migration soll erreicht werden, dass Migration sicher, geregelt und unter Wahrung der Menschenrechte erfolgen kann. Weiter soll damit das globale Steuerungssystem 4841

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gestärkt werden, wobei die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung ein wichtiger Referenzrahmen sein wird. Mit der beschlossenen Integration der IOM ins UNOSystem wurde ein erster Schritt in Richtung verstärkte Kohärenz und übergreifende internationale Kooperation eingeleitet. Die Schweiz wird sich weiterhin für die Förderung der Kohärenz der internationalen Zusammenarbeit und der engeren Koordination der verschiedenen Akteure in diesem Bereich einsetzen. Der Schweizer UNO-Botschafter in New York und sein mexikanischer Homologe haben erfolgreich die Verhandlungen zu den Modalitäten des Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration geleitet. Die beiden Botschafter wurden nach der Annahme der Modalitäten aufgrund ihrer hervorragenden Arbeit vom Präsidenten der UNOGeneralversammlung beauftragt, auch die Verhandlungen zu den inhaltlichen Aspekten des Rahmenwerks zu koordinieren.

Für die Weiterentwicklung thematischer Lösungsansätze im Migrationsbereich hat das Global Forum on Migration and Development (GFMD) dank seines informellen Charakters weiterhin eine zentrale Rolle gespielt. Mit Bangladeschs Vorsitz wurde im Berichtsjahr ein spezieller Fokus auf die Umsetzung der in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung festgelegten Migrationsziele gelegt. Ebenso konnte am Gipfeltreffen in Dhaka im Dezember 2016 der Mechanismus zum stärkeren Einbezug des Privatsektors (GFMD Business Mechanism), der im Jahr 2015 auf Initiative der Schweiz und der Türkei als Pilotphase lanciert wurde, als permanente Plattform bestätigt werden.

An Relevanz gewonnen hat die Migrationsthematik im Jahr 2016 auch im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Die Arbeit der von der Schweiz geleiteten informellen Arbeitsgruppe (Informal Working Group Focusing on the Issue of Migration and Refugee Flows) hat es erlaubt, einen Überblick über bestehende Aktivitäten der OSZE und ihrer Institutionen im Bereich Flucht und Migration zu gewinnen sowie künftige Empfehlungen zur besseren Nutzung der komparativen Vorteile zu formulieren. Am OSZE-Ministerrat im Dezember in Hamburg konnte zudem ein Beschluss zur Rolle der OSZE in der Migrationsgouvernanz (Decision on the OSCE's role in the governance of large movements of migrants and refugees) getroffen werden. Auch im Bereich der Bekämpfung des
Menschenhandels wurde die Zusammenarbeit mit der OSZE weitergeführt. Zum Beispiel organisierte das EDA zusammen mit der OSZE, dem Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces und verschiedenen UNOOrganisationen im Herbst 2016 eine Konferenz zum Thema «Menschenhandel zwecks Arbeitsausbeutung entlang der Migrationsrouten», und es unterstützte den Kapazitätsaufbau der ukrainischen Behörden im Kampf gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel.

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Die interdepartementale Migrationszusammenarbeit

6.1

Interdepartementale Struktur zur internationalen Migrationszusammenarbeit

Gemäss dem Bericht vom Februar 2011 erfolgt die Koordination der schweizerischen Migrationsaussenpolitik IMZ-Struktur. Hauptakteure sind das SEM, die DEZA sowie die Abteilung Menschliche Sicherheit AMS und die geografischen Abteilungen der Politischen Direktion PD des EDA, das SECO, das Bundesamt für Polizei (fedpol), das Grenzwachtkorps (GWK) und das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Dieser Gesamtregierungsansatz ermöglicht es, die Interessen der Migrationspolitik zu wahren und kohärent zu agieren.

6.2

Finanzierung

Verschiedene Kredite des EDA, des WBF und des EJPD tragen zur Finanzierung der schweizerischen Migrationsaussenpolitik bei, auch wenn eine detaillierte Auflistung der seitens EDA und WBF für die Migrationsaussenpolitik eingesetzten Ressourcen sich als schwierig erweist, da einige Finanzierungen einen indirekten Beitrag leisten.

Die AMS (EDA) wendet im Durchschnitt jährlich 3 Millionen Franken für Projekte und politische Initiativen auf, die darauf abzielen die Rahmenbedingungen zum Schutz von Zwangsvertriebenen sowie Migrantinnen und Migranten zu verbessern und sie zu befähigen ihre Rechte wahrzunehmen. Des Weiteren tragen die Aktivitäten der AMS in der humanitären Politik und der Friedenspolitik und das Engagement für die Menschenrechte zur Prävention von Zwangsvertreibung und der Suche nach dauerhaften Lösungen bei. Dieses Engagement beläuft sich auf insgesamt rund 55 Millionen Franken pro Jahr. Die DEZA hat im Berichtsjahr rund 93 Millionen Franken für Projekte im Migrationsbereich ausgegeben. Hinzu kommen Beiträge für bilaterale Projekte und an internationale Organisationen, welche indirekt auf den Bereich Migration entfallen. Das Engagement des EDA wird in der Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit 2017­2020 bekräftigt und verstärkt. Rund 20 Prozent der vorgesehenen Ausgaben der internationalen Zusammenarbeit für die Jahre 2017­2020 haben einen direkten oder indirekten Einfluss auf die Migration. Das SECO engagiert sich im Bereich Migration im Rahmen der in der IZA-Botschaft 2017­20 dargelegten globalen Themen. In dieser Perspektive wird in verschiedenen Projekten der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit des SECO dem Aspekt der Migration Rechnung getragen. Die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit des SECO arbeitet indirekt an den Fluchtursachen, indem durch die Schaffung von Arbeitsplätzen und der Förderung des Privatsektors die Lebensbedingungen vor Ort verbessert werden. Darüber hinaus hat das SECO im Berichtsjahr eine Beteiligung an den Migrationspartnerschaften Schweiz ­ Westbalkan 2016­2019 in der Höhe von 2 Millionen Franken bewilligt. Ein weiterer Teil der Tätigkeiten der schweizerischen Migrationsaussenpolitik wird durch den vom SEM verwalteten Verpflichtungskredit für die internationale Migrationszusammenarbeit von insgesamt 110 Millionen Franken für die Dauer von 2012­2018 abgedeckt. Für das Jahr 2016 standen aus diesem Kredit insgesamt 14 Millionen Franken zur Verfügung.

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6.3

Evaluation der interdepartementalen Migrationszusammenarbeit

Die interdepartementale Zusammenarbeit zur Schweizer Migrationsaussenpolitik besteht schon seit über einem Jahrzehnt in institutionalisierter Form. Im Jahr 2011 wurde die Struktur für die interdepartementale Zusammenarbeit gestützt auf den Bericht über die internationale Migrationszusammenarbeit (IMZ-Bericht 2011) angepasst. Nach rund fünf Jahren Erfahrung mit der Zusammenarbeit in der aktuellen Form haben die Departementsvorstehenden des EDA und des EJPD ein externes Unternehmen mit einer Evaluation der IMZ-Struktur und ihrer strategischen Ausrichtung beauftragt. Die Ergebnisse zeigen, dass die bestehende Struktur insgesamt zweckmässig und im europäischen Vergleich fortschrittlich ist. Gleichzeitig zeigt die Analyse auf, dass auf strategischer Ebene Verbesserungsmöglichkeiten bestehen.

Auf der Basis der Empfehlungen der externen Evaluation haben die Departementsvorstehenden des EDA und des EJPD in einer Zusammenarbeitsvereinbarung (6. April 2017) gewisse Anpassungen der IMZ-Struktur beschlossen. Diese sollen die Stellung des interdepartementalen Leitungsgremiums (IAM-Plenum) stärken, für welches Staatssekretärin Pascale Baeriswyl (EDA) und Staatssekretär Mario Gattiker (SEM) den Vorsitz haben und dem auch Direktor Manuel Sager (DEZA) sowie Staatssekretärin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch (SECO) angehören. Des Weiteren soll die internationale Zusammenarbeit vermehrt mit den migrationspolitischen Anliegen verknüpft werden. Die primär im multilateralen Bereich angesiedelten Aufgaben des Ende März 2017 in den Ruhestand getretenen Sonderbotschafters für die internationale Migrationszusammenarbeit, Eduard Gnesa, werden zwischen dem EJPD und dem EDA aufgeteilt. Im EDA wird eine Stelle einer Botschafterin oder eines Botschafters für Entwicklung, Flucht und Migration geschaffen.

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Ausblick 2017

2017 wird ein wichtiges Jahr für die IMZ-Struktur sein. Die Zusammenarbeitsvereinbarung der Departementsvorstehenden des EDA und des EJPD, welche per 1. Juni 2017 in Kraft getreten ist, passt die IMZ-Struktur an und stärkt ihre strategische Ausrichtung. Ziel der Anpassungen ist es, auch die Verbindung zwischen der Migrationspolitik und der internationalen Zusammenarbeit zu stärken, indem Konflikt- und Migrationsursachen bearbeitet werden. Die Umsetzung der Verbindung wird in enger Zusammenarbeit zwischen dem EDA (DEZA, PD), EJPD (SEM) und dem WBF (SECO) innerhalb der IMZ-Struktur verfolgt.

Die Möglichkeit, das Migrationsabkommen mit Sri Lanka zu einer umfassenderen Migrationspartnerschaft auszubauen, wird 2017 in der IMZ-Struktur erneut diskutiert. Entscheidend für die Beurteilung wird die Frage sein, in welche Richtung sich Sri Lanka nach Beendigung des 25-jährigen Bürgerkriegs weiter entwickelt. Im Hinblick auf eine verstärkte Zusammenarbeit werden die Entwicklungen am Horn von Afrika, im Mittleren Osten und Nord- und Westafrika weiterhin analysiert. Die Implementierung der der in der Antwort des des Bundesrates zum Postulat Pfister

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15.3954 «Endlich klare Informationen zu Eritrea» angekündigten Massnahmen wird weiterverfolgt.

2017­2018 werden im Rahmen der UNO zwei wichtige neue Rahmenwerke für die Migrations- und Flüchtlingssteuerung entwickelt: Der Global Compact on Safe, Regular and Orderly Migration und der Global Compact on Refugees. Ersterer wird in einem zwischenstaatlichen Prozess verhandelt, in welchem die Schweiz eine aktive Rolle einnehmen wird und mit ihrem UNO-Botschafter in New York mitleiten wird. Drei Phasen kennzeichnen den Weg zum Global Compact on Safe, Regular and Orderly Migration: Zwischen April und November 2017 werden Beiträge und Erfahrungen der Staaten zum Thema Migration gesammelt. Eine zentrale Rolle werden dafür die UNO Sitze New York, Genf und Wien spielen. Von November 2017 bis Januar 2018 erfolgt die Bestandsaufnahme der gesammelten Inhalte. Anschliessend wird ein erster Entwurf des Rahmenwerks erarbeitet und mit der Staatengemeinschaft konsultiert. Nach Abschluss der Verhandlungen soll den Staatsund Regierungschefs der 193 UNO-Staaten im September 2018 ein Text zur Verabschiedung vorgelegt werden.

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