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Bundesratsbeschluss über die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages für den Modistinnen-Beruf der Schweiz # S T #

(Vom 30. April 1969) Der Schweizerische Bundesrat, gestützt auf Artikel 7 Absatz l des Bundesgesetzes vom 28. September 19561* über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen, beschliesst:

Art. l Der in der Beilage wiedergegebene Gesamtarbeitsvertrag vom 28, Oktober 1968 für den Modistinnen-Beruf der Schweiz wird allgemeinverbindlich erklärt, mit Ausnahme der kursiv gedruckten Bestimmungen, Art. 2 Die Allgemeinverbindlicherklärung wird für die ganze Schweiz ausgesprochen.

2 Die allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages finden Anwendung auf die Dienstverhältnisse zwischen Inhabern von Damenhutgeschäften und ihren Arbeitnehmern. Ausgenommen sind : a, Damenhutabteilungen von Warenhäusern; b. Lehrtöchter im Sinne der Bundesgesetzgebung über die Berufsbildung, doch gelten für sie die Mindestlöhne gemäss Artikel 7 Absatz 5 des Gesamtarbeitsvertrages.

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Art. 3 , Dieser Beschluss tritt am 26. Mai 1969 in Kraft und gilt bis zum 31. Dezember 1973.

Bern, den 30. April 1969 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: L. von Moos Der Bundeskanzler: Huber *> AS 1956 1543

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Beilage

Gesamtarbeitsvertrag für den Modistinnen-Beruf der Schweiz abgeschlossen am 28. Oktober 1968 zwischen dem Schweizerischen Modistinnen-Verband, einerseits, und dem Verband der Bekleidungs-, Leder- und Ausrüstungs-Arbeitnehmer der Schweiz, dem Christlichen Chemie-Textil-Bekleidungs-Papier-Personalverband sowie dem Schweizerischen Verband evangelischer Arbeiter und Angestellter, anderseits.

L Geltungsbereich

Art. l 1

Dieser Gesamtarbeitsvertrag gilt für das ganze Gebiet der Schweiz.

3 Er findet Anwendung auf die Dienstverhältnisse zwischen Inhabern von Damenhutsalons und ihren Arbeitnehmern. Ausgenommen sind: a. Damenhutabteüungen von Warenhäusern; b. Lehrtöchter im Sinne der Bundesgesetzgebung über die Berufsbildung, doch gelten für sie die Mindestlöhne gemäss Artikel 7 Absatz 5 des Gesamtarbeitsvertrages.

3 Die nachstehenden Bestimmungen dieses Gesamtarbeitsvertrages sind als Mindestbestimmungen zu betrachten. Nicht berührt werden allfällige weitergehende, bestehende oder künftige Einzeldienstverträge oder Gesamtarbeitsverträge.

U. Arbeite- und Ruhezelt

Art. 2 Arbeitszeit

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Die wöchentliche Höchstarbeitszeit beträgt für alle Betriebe 44 Stunden.

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* Jede Woche ist ein freier Halbtag zu gewähren, welcher wenn möglich auf den Samstagnachmittag fallen soll.

Art. 3 Die Verlängerung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit über übeTM«-, 44 Stunden hinaus in der Zeit zwischen 6 Uhr und 20 Uhr gilt als j^^StUt Überzeitarbeit, Der Weg zum und vom Atelier sowie das Umkleiden gelten nicht als Überzeitarbeit.

2 Als Nachtarbeit gilt die Arbeit, die in der Zeit zwischen 20 Uhr und 6 Uhr geleistet wird.

3 Die Arbeit an Sonn- und Feiertagen zwischen 5 Uhr und 22 Uhr gilt als Sonntagsarbeit.

4 Überzeit-, Nacht- und Sonntagsarbeit ist nur in Ausnahmefällen zulässig. Es sind hiefür auf dem Stundenlohn folgende Zuschläge zu bezahlen : a. für Überzeitarbeit 25 Prozent b. für Nachtarbeit 50 Prozent c. für Sonntagsarbeit 100 Porzent 1

Art. 4

Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf 8 bezahlte Feiertage Feiertage pro Jahr, die zwischen Arbeitgeher und Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse anfangs jeden Jahres zu vereinbaren sind.

Art. 5 Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf bezahlte Urlaubstage : Bezahlte ura. bei Todesfall des Ehegatten oder eigener Kinder ... 2 Tage laubstase b. bei Todesfall von Eltern, Schwiegereltern oder Geschwistern l Tag c. bei persönlicher Verheiratung 2 Tage Art. 6 1

Der erwachsene Arbeitnehmer hat Anspruch auf bezahlte Ferien Ferien, und zwar a. im 1. Anstellungsjabr 2 Wochen b. vom 2. Anstellungsjahr an 3 Wochen c. vom 5. Anstellungsjahr an 4 Wochen 2 Bei Auflösung des Anstellungsverhältnisses wird der Anspruch pro rata temporis berechnet. Bruchteile von weniger als einem halben Ferientag werden nicht berücksichtigt. Wird das

1010 Anstellungsverhältnis nicht länger als ein Jahr unterbrochen, so wird die frühere Anstellungszeit im gleichen Betrieb angerechnet.

Aussetzen infolge Arbeitsmangels gilt nicht als Unterbruch der Anstellungszeit.

3 Der Ferienantritt wird zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer vereinbart. Es ist dabei auf die Dringlichkeit der laufenden Arbeiten Rücksicht zu nehmen.

4 Der Ersatz von Ferien durch andere Vergünstigungen oder durch Barentschädigung ist nicht gestattet, 5 Der bis zum Ferienbeginn aufgelaufene Ferienlohn ist dem Arbeitnehmer vor Ferienantritt auszuzahlen.

HI. Entlöhnung

Art. 7 1

Der Arbeitslohn richtet sich nach der Leistung und wird spätestens nach einer Probezeit von 2 Wochen festgesetzt.

2 Als Mindestlöhne, inbegriffen Teuerungszulagen, gelten folgende Ansätze: a. Städtische Verhältnisse: Franken Anfangsarbeitermnen im l. Halbjahr nach beendeter im Monat Lehrzeit 540 Anfangsarbeiterinnen im 2. Halbjahr nach beendeter Lehrzeit 630 HilfsVerkäuferinnen sowie Arbeiterinnen vom 2. Jahr an nach beendeter Lehrzeit 740 Verkäuferinnen und Spezialistinnen 800 b. Alle übrigen Orte: Anfangsarbeitermnen im l. Halbjahr nach beendeter Lehrzeit 520 Anfangsarbeiterinnen im 2. Halbjahr nach beendeter Lehrzeit 610 HilfsVerkäuferinnen sowie Arbeiterinnen vom 2. Jahr an nach beendeter Lehrzeit 700 Verkäuferinnen und Spezialistinnen 760 3 Die Einteilung der Orte in städtische Verhältnisse richtet sich nach dem Ortschaftenverzeichnis, das für die Übergangsrenten der Alters- und Hinterlassenenversicherung massgebend war.

4 Die Löhne von Minderleistungsfähigen sind auf Grund einzeldienstvertraglicher Abmachungen festzulegen. Der paritätischen Kommission bleibt das Recht auf Überprüfung vorbehalten.

1011 f Der Lohn fiir Lehrtochter muss mindestens be- Franken tragen; im Monat a. im 1. Lehrjahr 70 b. im 2. Lehrjahr 100 c. im letzten Halbjahr 150

Art. 8 1

Die Lohnzahlung hat monatlich innerhalb der normalen Lohnzahlujig Arbeitszeit zu erfolgen.

3 Wiederholter Verzug in der Lohnzahlung berechtigt den Arbeitnehmer zur fristlosen Auflosung des Dienstverhaltnisses aus wichtigen Grunden.

Art. 9 1

Fiir jedes Kind bis zum vollendeten 16. Altersjahr ist eine Kinderzulagen Kinderzulage von 30 Franken pro Monat auszurichten, sofern nicht die kantonale Gesetzgebung eine hohere Zulage vorschreibt.

a Fiir das gleiche Kind wird nur eine Zulage ausgerichtet.

Anspruchsberechtigt ist der Familienvorstand beziehungsweise diejenige Person, welche allein oder in iiberwiegendem Masse fur das Kind sorgt.

IV. Versicherungen

Art. 10 1

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, alle Arbeitnehmer auf Unfallvaslcheseine Kosten gegen Betriebsunfall zu versichern. Dadurch ist die rung ihm gemass Artikel 335 des Obligationenrechts obliegende Lohnzahlungspflicht bei Arbeitsverhinderung infolge Betriebsunfalls des Arbeitnehmers abgegolten.

* Die Betriebsunfallversicherung hat folgende Mindestleistungen vorzusehen: a. zeitlich unbegrenzte Deckung der Heilungskosten bis 3000 Franken und der Tagestaxe bis zu drei Vierteln bei Spitalaufenthalt; b. Ersatz der Kosten bis 300 Franken fur den Transport vom Unfallort zum Arzt oder ins nachste Spital; c. Gewahrung eines Taggeldes von 80 Prozeat des Lohnes und zwar wShrend eines Jahres vom Unfalltag an; d. Todesfallentsch&digung von 20 000 Franken; e. EntschSdigung bei Ganzinvaliditat von 30 000 Franken oder einen entsprechenden Betrag bei Teilinvaliditat.

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Der Arbeitgeber hat die Arbeitnehmer auf deren Verlangen auch gegen Nichtbetriebsunfälle nach Massgabe von Absatz 2 zu versichern. Die Prämie der Nichtbetriebsunfallversicherung geht zu Lasten der Arbeitnehmer; sie kann vom Lohn abgezogen werden.

4 Die Nichtbetriebsunfallversicherung hat sich auch auf Unfälle zu erstrecken, die sich in der Zeit zwischen der Beendigung und dem Abschluss von Dienstverhältnissen, längstens jedoch während 14 Tagen ereignen, wobei für ausländische Arbeitskräfte der Versicherungsschutz mit dem Verlassen der Schweiz erlischt.

5 Bei einer allfälligen Kürzung der Leistungen durch die Versicherungsgesellschaft hat der Arbeitnehmer, sofern die Ursachen bei ihm liegen, gegenüber dem Arbeitgeber keinen Anspruch auf Ersatz des Betrages, der ihm durch die Kürzung entgangen ist.

Krankcntaggdaversjche-

Art. 11 Der versicherungsfähige Arbeitnehmer muss einer Krankengeldversicherung angehören. Die Wahl des Versicherungsträgers ist Sache der direkten Verständigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

2 Die Krankengeldversicherung hat ein tägliches Krankengeld im Ausmass von 60 Prozent des Tagesverdienstes vorzusehen. Die Genüssberechtigung muss 720 Tage innerhalb von 900 aufeinanderfolgenden Tagen und bei Erkrankung an Tuberkulose 1800 Tage innerhalb von 7 aufeinanderfolgenden Jahren vorsehen. Die Karenzzeit darf nicht länger als 3 Monate und die Wartefrist nicht länger als 2 Tage dauern.

3 Für die Prämien dieser Krankengeldversicherung hat der Arbeitgeber aufzukommen. Dadurch ist die ihm gemäss Artikel 335 des Obligationenrechts obliegende Lohnzahlungspflicht im Krankheitsfalle des Arbeitnehmers abgelöst. Soweit der Arbeitnehmer infolge Krankheitsanlagen bei Versicherungsemtritt von der Rrankengeldversicberung ausgeschlossen wurde, gilt im Krankheitsfalle Artikel 335 des Obligationenrechts.

1 Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, zu seinen Lasten die Krankengeldversicherung gemäss Absatz 2 auf 80 Prozent des Tagesverdienstes zu erhöhen.

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V. Schwarzarbeit

Art, 12 1

Der Arbeitnehmer darf während der Ferien und in der Freizeit keine Berufsarbeit auf eigene Rechnung oder im Auftrag

1013 Dritter ausführen. Ebenso ist es dem Arbeitnehmer untersagt, Modelle des Ateliers für sich oder Drittpersonen zu kopieren.

* Die Nichteinhaltung dieser Verbote gilt als wichtiger Grund zur fristlosen Entlassung des Arbeitnehmers. Ausserdem geht der Arbeitnehmer des Ferienlohns verlustig, falls er während der Ferien Schwarzarbeit leistet, VI. Kündigung

Art. 13 1

Während der Probezeit, das heisst in den ersten 2 Wochen, Kündigung kann das Dienstverhältnis gegenseitig jederzeit aufgelöst werden.

2 Nach Ablauf der Probezeit beträgt die Kündigungsfrist für Anfangsarbeiterinnen l Monat, für alle übrigen Arbeitnehmer 2 Monate, und zwar kann beidseitig nur auf den 31. Dezember, 31. Januar, 30. Juni oder 31. Juli gekündigt werden.

3 Bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder eines Unfalles darf erst nach Ablauf von 30 Tagen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit gekündigt werden.

1 Vorbehalten bleibt in jedem Falle die Auflösung des Dienstverhältnisses aus wichtigen Gründen gemäss Artikel 352 des Obligationenrechtes.

Vn. Einhaltung und Durchführung des Gesamtarbeitsvertrages

Art, 14 Der Gesamtarbeitsvertrag oder dessen allgemeinverbindlich Bekanntgabe erklärter Text ist jedem Arbeitnehmer bei Abschluss des Dienst- j^STM^" Verhältnisses gegen Kostenvergütung auszuhändigen und in jedem Betrieb aufzulegen.

Art. 15 1

Es wird eine paritätische Berufskommission gebildet, beste- Berufskommissi011 hend aus 6 bis 8 Mitgliedern.

2 Die Berufskommission konstituiert sich selbst. Sie stellt über ihre Obliegenheiten und ihren Geschäftsgang ein Reglement auf.

3 Die den Kommissionsmitgliedern durch Sitzungen usw. entstehenden Kosten sind von den betreffenden Verbänden zu tragen.

* Der Berufskommission obliegen folgende Aufgaben: a. Durchführung von Kontrollen gemäss Artikel 16 über die Einhaltung der Vertragsbestimmungen;

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b. Besprechung der sich aus dem Gesamtarbeitsvertrag ergebenden Fragen; c. Lösung weiterer beruflicher und wirtschaftlicher Aufgaben; d. Bekämpfung1 der Schmutzkonkurrenz und Preisschleuderei.

Kontrolle und Sanktionen

Schiedsgericht

Frtedexspfilcht

Art. 16 Die Berufskornmission hat Kontrollen über die Einhaltung des Gesamtarbeitsvertrages durchzuführen.

2 Bei festgestellter Nichterfüllung vertraglich geschuldeter Leistungen hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmern diese sofort in vollem Umfange nachzuzahlen oder nachzugewähren. Überdies hat er 25 Prozent der geschuldeten geldlichen Leistungen an die zentrale paritätische Kommission zu entrichten.

3 Zum Inkasso und, wenn nötig, zur rechtlichen Geltendntachung des vorerwähnten Betrages von 25 Prozent sind die vertragschliessenden Verbände berechtigt.

4 Die eingehenden Beträge sind zur Deckung der Kosten des Vertragsvollzuges zu verwenden.

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Art. 17 Zur Schlichtung von Streitigkeiten, die aus der Auslegung dieses Vertrages oder aus ändern Gründen zwischen den vertragschliessenden Verbänden entstehen, -wird ein Schiedsgericht bestellt.

z Das Schiedsgericht setzt sich zusammen aus je einem Vertreter der vertragschliessenden Verbände und einem vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit zu bezeichnenden neutralen Vorsitzenden.

3 Jeder Verband trägt die durch das Schiedsgerichtsverfahren entstehenden Kosten selbst. Die Kosten für den Vorsitzenden werden zu gleichen Teilen auf die vertragschliessenden Verbände verteilt.

4 Die Beschlüsse des Schiedsgerichtes werden den Parteien schriftlich mitgeteilt. Sie erwachsen mit der Zustellung in Rechtskraft.

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Art. 18 Während der Dauer dieses Gesamtarbeitsvertrages enthalten sich die Vertragsverbände und deren Mitglieder jeglicher Kampfmassnahmen.

s Bei Nichteinhaltung dieser Bestimmung verfallen die betreffenden Verbände, Arbeitgeber und Arbeitnehmer in eine vom Schiedsgericht (Art. 17) festzusetzende Busse.

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1015 Vlll, Schlussbestinunangen

Art. 19 1

Der Gesamtarbeitsvertrag tritt am 1. Januar 1969 in Kraft.

2 Er dauert bis zum 31. Dezember 1971. Wird er nicht seeks Monate vor Ablaufdieser Frist durch eingeschriebenen Brief gekiindigt, so bleibt er bei gteicher Kundigungsfrist ein weiteres Jahr in Kraft.

3 Lohnverhandlungen konnen jederzeit ohne Kiindigung des Gesamtarbeitsvertrages aufgenommen werden. Deren Resultat bildet einen Bestandtett dieses Vertrages.

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Bundesratsbeschluss über die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages für den Modistinnen-Beruf der Schweiz (Vom 30. April 1969)

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Jahr

1969

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20

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

23.05.1969

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1007-1015

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