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Bundesblatt

87. Jahrgang.

Bern, den 29. Mai 1935.

Band I.

Erscheint wöchentlich. Preis SO Franken im Jalir, IO Franken im Halbjahr, gusüglich Nachnahme- lind Postbestellnngsgeblthr.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Vertrag betreffend Abänderung des schweizerisch-portugiesischen Auslieferungsvertrages.

(Vom 24. Mai 1935.)

Herr Präsident!

t Hochgeachtete Herren!

Der schweizerisch-portugiesische Auslieferungsvertrag vom 30. Oktober 1873, einer unserer ältesten Verträge dieser Art, enthält in seinem Artikel 3 eine sehr beschränkte Zahl von zur Auslieferung führenden Tatbeständen.

Der Betrug befindet sich zum Beispiel nicht darunter, obschon er eines der am häufigsten vorkommenden Delikte darstellt. Gerade wegen eines solchen Tatbestandes kamen wir im Jahr 1933 in die Lage, bei Portugal die Auslieferung beantragen zu müssen. Der Fall hätte an sich durch den Austausch einer Gegenrechtserklärung geregelt werden können. Allein hiedurch wäre die sonstige Lückenhaftigkeit des Deliktsverzeichnisses nicht behoben worden.

Wir glaubten daher, die Gelegenheit ergreifen zu sollen, um die Auslieferungsmöglichkeiten zu erweitern und den heutigen Erfordernissen anzupa sen. Da dies nur durch den Abschluss eines zusätzlichen Vertrages erreicht werden konnte, Hessen wir, anfangs 1934, der portugiesischen Eegierung einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten, auf den diese, da sie unserer Auffassung beipflichtete, ohne Bedenken eintrat. Die Verhandlungen gingen reibungslos vonstatten, so dass der Vertrag am 7. November 1934 in Lissabon durch den schweizerischen Gesandten für Portugal und den portugiesischen Minister des Aussern unterzeichnet werden konnte.

Der Vertrag enthält zwei Artikel, von denen der erste bestimmt, dass Artikel 3 des Auslieferungsvertrages vom 30. Oktober 1873 durch Art. I des neuen Vertrages ersetzt sein soll. Dieser enthält 21 Delikte und Deliktsgruppen, während bisher nur deren 14 vorhanden waren. Als neue Delikte sind hinzugekommen : Kuppelei, Blutschande, Frauen- und Kinderhandel, Menschenraub, widerrechtliche Zurückhaltung von Personen, Aussetzen von Kindern, verschiedene Beamtendelikte, Meineid, Betrug, Sprengstoffvergehen und BauschgiftBundesblatt. 87. Jahrg. Bd. I.

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vergehen. Sodann haben auch die Fälschungsdelikte und die bisher schon aufgeführten Vermögensdelikte eine Erweiterung erfahren. Jedoch ist die Hehlerei auf Verlangen Portugals nicht unter die Auslieferungsdelikte aufgenommen worden, weil dieser Tatbestand der portugiesischen Gesetzgebung fremd ist. Die Beschränkung der Auslieferung auf die Verbrechenstatbestände gemäss dem Wortlaut des früheren Art. 3 wurde fallengelassen: die Auslieferung soll für die aufgeführten Delitte stattfinden, ob es sich um kriminelle oder bloss korrektionelle Tatbestände handelt. Wegen Versuchs und Teilnahme hat die Auslieferung ebenfalls stattzufinden. Der bereits in der früheren Fassung von Art. 3 des Vertrages enthalten gewesene Vorbehalt der Umwandlung der Todesstrafe wurde beibehalten.

Der Art. II -enthält die üblichen Bestimmungen über Inkrafttreten und Batifizierung des Vertrages. Der Austausch der Eatifikationsurkunden soll in Bern stattfinden.

Wir sind davon überzeugt, dass der neue Vertrag bei der Verbrechensverfolgung gute Dienste leisten wird. Deshalb beantragen wir Ihnen, ihm durch Annahme des mitfolgenden Beschlussesentwurfes die Genehmigung zu erteilen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeachtete Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 24. Mai 1935.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : R. Minger.

Der Bundeskanzler: G. BoTet.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss über

den Vertrag betreffend Abänderung des schweizerisch-portugiesischen Auslieferungsvertrages.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht einer Botschaft des Bundebrates vom 24. Mai 1935, beschliesst :

Art. 1.

Der am 7. November 1934 abgeschlossene Vertrag betreffend Abänderung des schweizerisch-portugiesischen Auslieferungsvertrages vom 30. Oktober 1873 wird genehmigt.

Art. 2.

Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

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/

Übersetzung.

Vertrag zwischen

der Schweiz und der Portugiesischen Republik über die Abänderung von Art. 3 des Auslieferungsvertrages vom 30. Oktober 1873.

Der Schweizerische Bundesrat und Der Präsident der Portugiesischen Republik,

vom Wunsche geleitet, den zwischen der Schweiz und Portugal bestehenden Auslieferungsvertrag vom 30. Oktober 1873 auf noch nicht vorgesehene Auslieferungsdelikte auszudehnen, haben sich zum Abschluss eines Zusatzvertrages entschlossen und zu ihren Bevollmächtigten ernannt, Der Schweizerische Bundesrat

Herrn Dr. Karl Egger, ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei der Eegierung der Portugiesischen Eepublik, Der Präsident der Portugiesischen Republik,

ihre Exzellenz, Herrn Dr. José Caeiro da Matta, Minister der Auswärtigen Angelegenheiten, welche, nach Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten, folgende Bestimmungen vereinbart haben: Artikel I.

Der Artikel 3 des Auslieferungsvertrages zwischen der Schweiz und der Portugiesischen Eepublik vom 30. Oktober 1873 wird durch folgende Bestimmungen ersetzt:

897 Die Auslieferung findet statt hinsichtlich der Personen, die als Urheber oder Mitschuldige wegen der nachgenannten Verbrechen oder Vergehen verfolgt oder verurteilt sind: 1. Tötung, umfassend Mord, Totschlag, Elternmord, Kinclsmord, Vergiftung; 2. vorsätzliche Abtreibung der Leibesfrucht; 3. absichtliche Korperverletzung, welche den Tod, einen bleibenden Nachteil oder eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als 20 Tagen nach sich gezogen hat ; 4. Notzucht, gewalttätiger Angriff auf die Schamhaftigkeit, gewerbsmässige Kuppelei, Frauen- und Kinderhandel; 5. mit oder ohne Gewalt verübter Angriff auf die Schamhaftigkeit von Kindern beider Geschlechter unter 14 Jahren; 6. Doppelehe, Blutschande; 7. Menschenraub und widerrechtliches Gefangenhalten von Personen, Unterdrückung des Personenstandes, Unterschiebung von Kindern; 8. Aussetzung und böswilliges Verlassen von Kindern oder hilflosen Personen, Entführung von Minderjährigen; 9. Fälschung oder Verfälschung von Münzen oder Papiergeld, von Banknoten oder andern Kreditpapieren mit gesetzlichem Kurs, von Aktien und andern Wertpapieren, die der Staat, Körperschaften, Gesellschaften oder Einzelpersonen ausgegeben haben; Fälschung oder Verfälschung von Postwertzeichen, Stempeln, Marken oder Siegeln des Staates oder öffentlicher Stellen; betrügerischer Gebrauch der gefälschten oder verfälschten Gegenstände der genannten Art; Einführung, Ausgabe oder Inverkehrbringen derselben in betrügerischer Absicht; betrügerischer Gebrauch oder Missbrauch von Siegeln, Stempeln, Marken; 10. Fälschung von öffentlichen oder privaten Urkunden, Verfälschung von amtlichen Urkunden oder aller Art Handelspapieren; betrügerischer Gebrauch solcher gefälschter Urkunden; Unterschlagung von Urkunden; 11. falsches Zeugnis, Verleitung von Zeugen zu falscher Aussage, Meineid in Zivil- und Strafsachen; 12. Bestechung von öffentlichen Beamten; 13. Veruntreuung im Amt oder Unterschlagung öffentlicher Gelder, Erpressung, verübt durch Beamte oder Verwalter; 14. vorsätzliche Brandstiftung; Missbrauch von Sprengstoffen; 15. vorsätzliche Handlungen, welche die Zerstörung oder Beschädigung von Eisenbahnen, Dampfschiffen, Postwagen, elektrischen Apparaten oder Leitungen (Telegraphen oder Telephone) und die Gefährdung ihres Betriebes bewirken können; 16. Eaub, Erpressung, Diebstahl;

898 17. Seeräuberei, vorsätzliche Handlungen, welche das Sinken, die Strandung, die Zerstörung, Unbrauehbarmachung oder Beschädigung eines Schiffes bewirken, sofern dabei eine Gefahr für andere Menschen entstehen kann; 18. Betrug; 19. Veruntreuung und Unterschlagung; 20. betrügerischer Bankerott; 21. vorsätzliche Zuwiderhandlung gegen Vorschriften betreffend Betäubungsmittel.

In den vorstehenden Begriffsbezeichnungen ist der Versuch von jeder Handlung Inbegriffen, die durch die Gesetzgebung beider Länder als Verbrechen oder Vergehen strafbar sind.

Die Personen, die wegen Verbrechen verfolgt oder verurteilt sind, auf welche nach der Gesetzgebung des ersuchenden Staates die Todesstrafe anwendbar ist, werden nur unter der Bedingung der Umwandlung dieser Strafe ausgeliefert.

Artikel II.

Dieser Vertrag wird ratifiziert und die Eatifikationsurkunden werden sobald als möglich in Bern ausgetauscht werden. Er tritt einen Monat nach Austausch der Eatifikationsurkunden in Kraft.

Der Vertrag wird in französischer und portugiesischer Sprache ausgefertigt ; beide Texte sind gleichbedeutend.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten den gegenwärtigen Vertrag unterzeichnet und ihn mit ihren Siegeln versehen.

Also geschehen in Lissabon, den 7. November tausendneunhundertvierunddreissig.

(L S) (gez.) Egger.

(L S) (gez.) José Caeiro da Matta.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Vertrag betreffend Abänderung des schweizerisch-portugiesischen Auslieferungsvertrages. (Vom 24. Mai 1935.)

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