157 # S T #

Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

(Vom 19. Juli 1935.)

Der Bundesrat hat beschlossen, das am 31, Mai 1934 gegen Paraguay erlassene Ausfuhrverbot von Waffen, Kriegsmaterial, Luftfahrzeugen, Motoren von Luftfahrzeugen, unter Einschluss von Bestandteilen sowie von Munition, aufzuheben.

(Vom 26. Juli 1935.)

Der Bundesrat hat vom Abschluss einer Schiedsordnung betreffend den Fall Berthold Jacob Salomon, der Gegenstand eines Streitfalls zwischen der Schweiz und dem Deutschen Eeich ist, Kenntnis genommen. Diese Schiedsordnung hat folgenden Wortlaut: Der Schweizerische Bundesrat

und die Deutsche Regierung in Erwägung, dass sie sich über die Umstände, unter denen der ehemalige deutsche Staatsangehörige Berthold Jacob Salomon am 9. März 1935 von Basel nach Deutschland gelangt ist und über die rechtliche Tragweite dieser Umstände nicht zu einigen vermochten, sind in Anwendung des Schiedsgerichts- und Vergleichsvertrages zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Deutschen Reich vom 3. Dezember 1921, abgeändert durch das Protokoll vom 29. August 1928, übereingekommen, das Schiedsgerichtsverfahren einzuschlagen, um den Sachverhalt festzustellen und die sich daraus ergebenden Polgerungen zu bestimmen, und haben, in der Absicht, die im erwähnten Vertrage vorgesehene Schiedsordnung festzusetzen, zu diesem Zwecke zu Bevollmächtigten ernannt : der Schweizerische Bundesrat: den ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister der Schweizerischen Eidgenossenschaft in Berlin, Herrn Paul Dinichert, der Deutsche Reichskanzler : den Reichsminister des Auswärtigen, Herrn Konstantin Freiherrn von Neurath, die die folgenden Bestimmungen vereinbart haben: Artikel 1.

Es wird dem durch den nachstehenden Artikel 2 eingesetzten Schiedsgericht obliegen, die Umstände festzustellen, unter denen Berthold Jacob Salomon auf

158 schweizerisches Gebiet und von dort am 9. März 1935 in die Hände der deutschen Behörden gelangt ist, und zu entscheiden, ob dadurch die schweizerische Gebietshoheit in einer von der Deutschen Regierung zu vertretenden Weise verletzt worden ist oder nicht.

Wenn das Schiedsgericht zum Schlüsse kommt, dass durch diese Vorfälle die schweizerische Gebietshoheit in der angegebenen Weise verletzt worden ist, so hat es zu bestimmen, wie diese Gebietsverletzung wieder gutgemacht werden soll.

Artikel 2.

Das Schiedsgericht setzt sich wie folgt zusammen : Herr Dr. juris Rafaël Erich, Finnischer Gesandter in Stockholm, ehemaliger Professor des Staatsrechts und des Völkerrechts, ehemaliger Ministerpräsident, Hilfsrichter beim Ständigen Internationalen Gerichtshof, Mitglied des Institut de droit international, gemeinsam bezeichneter Obmann, Herr Michael Hansson, ehemaliger Präsident des Gemischten Appellationsgerichtshofes in Ägypten, Mitglied des rumänisch-ungarischen Schiedsgerichts, gemeinsam bezeichneter Schiedsrichter, Seine Exzellenz Herr Dr. Andreas Juhasz, Präsident der Königlich Ungarischen Kurie a. D., Mitglied des Ungarischen Oberhauses, gemeinsam bezeichneter Schiedsrichter, Herr Staatsrat Professor Dr. Freiherr von Freytagh-Loringhoven, Mitglied des Reichstags, deutscher Schiedsrichter, Herr Professor Dr. Max Huber, ehemaliger Präsident des Ständigen Internationalen Gerichtshofs, schweizerischer Schiedsrichter.

Der Ort der Sitzungen des Schiedsgerichts wird für die erste Sitzung vom Obmann, für die weiteren Sitzungen vom Schiedsgericht selbst bestimmt.

Der Obmann des Schiedsgerichts kann einen Sekretär und das notwendige Kanzleipersonal berufen.

Artikel 3.

Die Parteien verpflichten sich, die Arbeiten des Schiedsgerichts in jeder Hinsicht zu fördern und ihm insbesondere durch die zuständigen Behörden jede Rechtshilfe zu gewähren.

Jede der Parteien verpflichtet sich, dem Schiedsgericht zur Feststellung der dem Streite zugrunde liegenden Umstände und Tatsachen zu ermöglichen, in ihrem Gebiete nach Massgabe der dort den Gerichten zustehenden Befugnisse Zeugen und Sachverständige zu vernehmen und Augenscheine einzunehmen. Dabei bleibt es jeder Partei unbenommen, Zeugen und Sachverständige, die sich in ihrem Gebiet

159 aufhalten, gegebenenfalls zu veranlassen, dass sie sich zum Zweck der Vernehmung durch das Schiedsgericht in das Gebiet der anderen Partei begeben. Für diesen Fall sichert die andere Partei den Zeugen und Sachverständigen freies Geleit zu.

Das Schiedsgericht kann die Beweise entweder in vollständiger Besetzung oder durch einen oder mehrere der gemeinsam berufenen Kichter erheben.

Die Vorladung und gegebenenfalls die Beeidigung der Zeugen und Sachverständigen erfolgt auf Ersuchen des Schiedsgerichts durch die zustandigen Behörden der Parteien.

Das Beweisverfahren soll nach Möglichkeit kontradiktorisch durchgeführt werden.

Artikel 4.

Die Schweizerische Regierung wird binnen zwanzig Tagen vom heutigen Tage an ihren Schriftsatz über die in Artikel l dieser Schiedsgerichtsordnung formulierten Fragen nebst beglaubigten Abschriften der dem Beweise dienenden Aktenstucke und Urkunden in 6 Abdrucken dem Obmann des Schiedsgerichts und in 4 Abdrucken der Deutschen Regierung übermitteln.

Die Deutsche Regierung wird binnen dreissig Tagen vom Empfang des vorerwähnten Schriftsatzes an ihren Gegenschriftsatz nebst beglaubigten Abschriften aller dem Beweise dienenden Aktenstücke und Urkunden in 6 Abdrucken dem Obmann des Schiedsgerichts und in 4 Abdrucken der Schweizerischen Regierung übermitteln.

Die Schweizerische Regierung kann in der gleichen Weise binnen weitern dreissig Tagen dem Obmann und der Deutschen Regierung eine Gegenàusserung übermitteln.

In diesem Falle kann die Deutsche Regierung binnen dreissig Tagen in der gleichen Weise auf die Gegenàusserung antworten.

Nach Prüfung der vorbezeichneten Schriftstücke entscheidet das Schiedsgericht, über welche Punkte und in welcher Weise das Verfahren ergänzt werden soll, bevor die mundlichen Vortrage stattfinden.

Artikel 5.

Jede der Parteien wird binnen dreissig Tagen vom heutigen ,Tage an dem Schiedsgericht zu Händen seines Obmanns in der von diesem zu bestimmenden Wahrung den Betrag von 10,000 RM. oder 12,500 SFr. als Kostenvorachuss zur Verfügung stellen.

Artikel 6.

Das Verfahren findet in deutscher Sprache statt.

Artikel 7.

Diese Schiedsordnung tritt sofort in Kraft.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten diese Schiedsordnung unterzeichnet.

Geschehen in doppelter Urschrift in Berlin am 26. Juli 1935.

(gez.) Paul Dinichert.

(gez.) Freiherr von Neurath.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1935

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

32

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

07.08.1935

Date Data Seite

157-159

Page Pagina Ref. No

10 032 724

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.