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Bundesblatt

87. Jahrgang.

Bern, den 6, März 1935.

Band I.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgebühr : 50 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an Stämpfli & Oie. in Bern.

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Bericht des

Bundesrates ,an die Bundesversammlung über die fünfzehnte Völkerbundsversammlung.

(Vom 1. März 1935.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Der Bericht, den wir Ihnen über die Arbeiten der fünfzehnten Völkerbundsversammlung unterbreiten, entspricht in seinem allgemeinen Plane denen der früheren Jahre. Aus Erwägungen, die "wir im letzten Bericht1) wie auch im Geschäftsbericht2) des vergangenen Jahres dargelegt haben, scheint es uns kaum angezeigt, ihn auf neuer Basis aufzubauen. In seiner letztjährigen Form hatte er im grossen und ganzen Anklang gefunden.

I. Einleitung.

Selten dürfte einer Völkerbundsversammlung mit mehr Ungeduld und Interesse entgegengesehen worden sein. Nicht dass die auf der Tagesordnung stehenden Fragen an Wichtigkeit die in früheren Sessionen behandelten übertroffen hätten, sondern es war ein Ereignis eingetreten, das die öffentliche Meinung notwendig bewegen und sogar leidenschaftlich beschäftigen musste.

Man wusste nämlich, dass infolge eines Meinungsaustausches zwischen Moskau und andern Hauptstädten, besonders Paris, London und Born, die Union der russischen sozialistischen Sowjetrepubliken aller Wahrscheinlichkeit nach ihr Beitrittsgesuch in den Völkerbund stellen werde. Dieses Ereignis war bedeutsam. Ein Land, das bis zur Stunde als ein unversöhnlicher Gegner des Völkerbundes gegolten hatte, war im Begriff, in Genf FUSS zu fassen. Obwohl seine politischen, sozialen und religiösen Auffassungen, in einem Worte, seine ganze Ideologie mit derjenigen der Mehrzahl der Mitgliedstaaten unvereinbar *) Vgl. Beginn des Berichtes.

' 2) Vgl. Bericht über die Geschäftsführung 1933, S. 64 f.

Bundesblatt. 87. Jahrg. Bd. I.

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ist, wollte Sowjetrussland, ein Staat mit 170 Millionen Einwohnern, nicht nur in den Kreis der durch den Völkerbundspakt verbundenen Nationen eintreten, sondern in seiner Eigenschaft als Grossmacht sogar einen ständigen Sitz im Bäte erhalten und derart als Gleichberechtigter an den Verhandlungen einer Organisation teilnehmen, deren Beschlüsse sachlicher Art ausnahmslos einstimmig getroffen werden müssen. Sowjetrussland, das gestern den Methoden der Zusammenarbeit des Völkerbundes noch feindlich gegenüberstand, sollte heute zu allen Entscheidungen des Eates beigezogen werden und somit dessen ganze Tätigkeit überwachen können.

Was für eine Auswirkung würde dieser Beitritt auf den Völkerbund haben ?

Würde die Mitarbeit der Sowjets von Gutem oder von "Übel sein? Würde sie die allgemeinen Bichtlinien einer Institution, die zur Wahrung und Festigung des Friedens bestimmt ist, zu ändern vermögen? Oder bedeutete die Mitwirkung Busslands vielleicht eine Stärkung für einen Organismus, der nicht wenig erschüttert worden war durch aufsehenerregende Austritte und ernstliche Fehlschläge auf Gebieten wie dem der Abrüstung oder des wirtschaftlichen und finanziellen Wiederaufbaus. Könnte diese Zusammenarbeit nicht auch als Schwächung aufgefasst werden wegen der Gefahren, die ihr unvermeidlich anhaften ?

Einige glaubten, dass es vorzuziehen sei, Bussland neben sich im Völkerbund und an dessen vertragliche Verpflichtungen gebunden zu sehen, falls es durch seine Umsturzpropaganda die bestehende Ordnung in gewissen Staaten gefährden könnte; dadurch würde es möglich, seine timtriebe besser zu beobachten, seine Absichten leichter aufzudecken, seine Machenschaften zu unterbinden, in einem Wort, eine gewisse Kontrolle auszuüben/Auf der andern Seite fragte man sich, ob eine Begierung, die gewisse Grundsätze, auf denen unsere Zivilisation beruht, ausdrücklich verleugnet hat, die der Weltrevolution einen Artikel ihres Programms einräumt, die dem Völkerbundsvertrag gemäss kaum je «wirksame Gewähr ihrer redlichen Absicht» bot, «den internationalen Verpflichtungen nachzukommen», ob eine solche Begierung würdig sei, ohne zuerst eine Ehrenerklärung gegeben und gewisse ihrer politischen Grundsätze geändert zu haben, einer Institution beizutreten, die sowohl den Weltfrieden wahren als auch Gerechtigkeit walten lassen will und
des weitern «gerechte und menschenwürdige Arbeitsbedingungen für Männer, Frauen und Kinder» sichern möchte?

All diese Fragen und noch viele andere beschäftigten die öffentliche Meinung. Die internationale Presse bemächtigte sich ihrer. Grosse und kleine Zeitungen gaben ihrer Auffassung Ausdruck. Die Meinungen waren geteilt.

Während die einen von vornherein diesen neuen Schritt des Völkerbundes auf dem Wege zur Universalität begrüssten, fürchteten andere, dass die Sowjets mit ihren revolutionären Anschauungen die Genfer Institution den grössten Gefahren aussetzen würden. Die Aussprache zwischen Anhängern und Gegnern der Aufnahme wurde bald zu einer umfassenden Polemik, wo Behauptungen

155 und Gegellgründe heftig aufeina.nderstiessen. So näherte man sich in einer Gewitteratmosphäre dem Tage, an dem die Völkerbundsversammlung dem Konflikte dieser verschiedenen Auffassungen ein Ende zu bereiten hatte.

Dieser Meinungsstreit war in der Schweiz besonders lebhaft. Zweifelsohne wurde gerade bei uns der Kampf für oder gegen den Eintritt Eusslands in den Völkerbund mit dem grössten Nachdrucke geführt. Es entspricht dies der Natur der Dinge. Der Völkerbund hat seinen Sitz auf Schweizergebiet; er wohnt bei uns. In mehr als einer Hinsicht berührt uns die Zulassung eines Mitglieds näher als andere Länder. Die Bussen würden sich innerhalb unserer Mauern begeben; sie würden ihre Vertreter ungehindert auf unser Gebiet entsenden; es wäre ihnen möglich, eine ständige Delegation bei uns zu belassen und so die verderbliche Tätigkeit der Propagandisten der Dritten Internationale zu fördern. Das Problem stellte sich für uns anders als für die übrigen Staaten.

Wir fühlten uns bedroht und waren es in der Tat auch mehr als andere.

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Gleich nach Bekanntwerden der Möglichkeit eines Beitritts der Sowjetunion in den-Völkerbund löste sich eine rege Pressekampagne aus. Viele unserer Landsleute haben erhebliche Verluste in Eussland erlitten, und niemals wurde ihnen irgendeine Wiedergutmachung gewährt. Die religiösen Verfolgungen in diesem Lande haben unser tiefstes Empfinden verletzt. Andere Erinnerungen, die enge mit dem Versuch der Auslösung eines Generalstreiks verbunden sind, haften noch in unserm Gedächtnis. Als man von der Absicht der Grossmächte hörte, wurden denn auch allseitig Protestrufe laut. Die russische Kandidatur rief die grösste Entrüstung in den weitesten Kreisen hervor mit Ausnahme derer, welche der kommunistischen oder sozialistischen Partei nahestehen. Niemals hat wohl eine Erage der auswärtigen Politik bei uns eine solche Gegnerschaft heraufbeschworen. In seiner grossen. Mehrheit erhob sich .das Schweizervdlk gegen die Aufnahme der Sowjets.

.

Der Bundesrat konnte nicht umhin, einer solch nachdrücklichen Meinungsäusserung Gehör zu schenken. Dessen ungeachtet hat er die Lage mit aller nötigen Sachlichkeit und Euhe geprüft. Erst nach regem Meinungsaustausch und reiflicher Überlegung hat er die zu befolgenden Eichtlinien festgelegt.

Seine Delegation für auswärtige Angelegenheiten, welche
die Erage mit den Mitgliedern der schweizerischen Delegation für die Völkerbundsversammlung beraten hatte, schlug einmütig vor, gegen die Aufnahme zu stimmen. Dieser Antrag erhielt denn auch die einstimmige Genehmigung des Bundesrates.

Der Gedanke einer Stimmenthaltung war ebenfalls in Erwägung gezogen worden. Diese Möglichkeit hatte der Chef des Politischen Departements in der Junisession vor den Bäten berührt. In gewissen Kreisen neigte man um so mehr dieser anscheinend bequemeren Lösung zu, weil es nach gewissen Nachrichten, an deren Bichtigkeit man nicht mehr zweifeln konnte, bereits sicher war, dass Bussland die qualifizierte Stimmenmehrheit erhalte, die nach Artikel l des Paktes für die Aufnahme eines Staates in den Völkerbund nötig ist. Was nützt es, sagte man sich, dem Gesuch der bolschewistischen Eegierung entgegen-

156 zutreten? Unsere Gegnerschaft kann lediglich einen platonischen Charakter haben. Sie wird am Ergebnis nichts zu ändern vermögen.

Eine solche Haltung hätte sich in einem gewissen Masse rechtfertigen lassen. Doch standen Grundsätze und moralische Werte von solcher Bedeutung auf dem Spiel, dass der Bundesrat nach allseitiger Prüfung zum Schlüsse kam, es sei für die Schweiz würdiger, ein entschiedenes Nein einzulegen.

Wie dieser Auftrag ausgeführt wurde, wird sich aus den weitern Darlegungen ergeben.

II. Tagesordnung der Tersammlntig und Instruktionen der schweizerischen Delegation.

Die Delegation setzte sich gleich wie letztes Jahr zusammen; da sich die Zahl der Delegierten aber als ungenügend erwiesen hatte, war vom Bundesrat beschlossen worden, ihr in der Person des Herrn Nationalrat Albert Oeri einen weitern stellvertretenden Delegierten beizugeben. Es war übrigens gut, dass unsere beiden gesetzgebenden Räte von neuem in der Delegation vertreten waren. Letztere konnte diese Massnahme nur begrüssen 1).

Die Tagesordnung der Versammlung wich im wesentlichen nicht von den frühern ab. Die Mehrzahl der darauf stehenden Fragen bezog sich auf laufende Geschäfte, die in den ordentlichen Tätigkeitsbereich der technischen Organisationen des Völkerbundes fallen oder über die frühere Versammlungen schon ihre Ansicht geäussert oder Beschlüsse gefasst hatten. Einzig das Minderheitenproblem zeigte sich vielleicht in einem etwas neuen Lichte infolge der Initiative der polnischen Begierung, die auf «die Ausarbeitung eines allgemeinen Übereinkommens zum Schutze der Minderheiten durch eine internationale Konferenz» hinzielte.

Die Versammlung sollte sich indessen auch über das Aufnahmegesuch Sowjetrusslands auszusprechen haben. Obgleich dies anfänglich nicht auf *) Die schweizerische Delegation war somit folgendennassen bestellt: Delegierte : Herr Bundesrat Giuseppe Motta, Chef des Politischen Departements, Herr William Rappard, Direktor des Universitätsinstituts für höhere internationale Studien, Herr Walter StucM, bevollmächtigter Minister, Direktor der Handelsabteilung.

Stellvertretende Delegierte: Herr Ständerat Robert Schöpfer, Herr Nationalrat Albert Oeri, Chefredaktor der «Basier Nachrichten», Herr Legationsrat Camille Gorgé, Chef der Sektion für den Völkerbund beim Politischen Departement; Herr Gorgé amtete zugleich als Generalsekretär der Delegation.

Sekretär : Herr Philippe Zutter, juristischer Beamter beim Politischen Departement.

157 der Tagesordnung stand, vermochte diese Angelegenheit, wie man sah, nichtsdestoweniger die ganze Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Die Präge war für die Zukunft des Völkerbundes von solcher Bedeutung, dass sie sogar zum Merkmal der fünfzehnten, Versammlung wurde.

Wie üblich, wurden alle auf der Tagesordnung stehenden oder voraussichtlich darauf gehörenden Fragen vorgängig durch die Delegation für Aus. wärtiges des Bundesrates, unter Beiziehung der Delegation für die Völkerbundsversammlung, geprüft. Auf gemeinsamen Antrag der beiden Delegationen, der durch den Chef des Politischen Departements eingereicht wurde, beschloss der Bundesrat folgende Instruktionen zuhanden seiner Vertreter in Genf zu erlassen: 1. Allgemeine Haltung der Delegation. -- Die Delegation wird sich wie bisher an die allgemeinen Richtlinien unserer Politik im Völkerbunde halten, so wie sie sich aus den frühern Instruktionen des Bundesrates ergeben.

Sie wird besondere Instruktionen erhalten, falls sie grundsätzliche Prägen zu prüfen haben sollte, durch welche die bisher verfolgte Politik beeinträchtigt werden könnte; 2. Abänderung des Völkerbundsvertrages zum Zwecke der Anpassung an den Pariser Pakt. -- Der Bundesrat, der anfänglich einer Anpassung der beiden Verträge günstig gesinnt war, ist der Ansicht, dass es im Hinblick auf die gegenwärtigen politischen Verhältnisse von Vorteil wäre, die Frage auch dieses Jahr nochmals auf bessere Zeiten zu verschieben.

Diese Präge berührt übrigens das umfassendere Problem einer Gesamtrevision des Völkerbundsvertrages. Es scheint nicht, dass man der Versammlung konkrete Pläne für eine Erneuerung vorlegen wird. Dies ist ein Grund mehr für eine gewisse : Zurückhaltung.

3. Staatsangehörigkeit der Frau. -- Sollte diese Frage auf Verlangen eines Mitgliedstaates einer erneuten Prüfung unterzogen werden, wird sich die Delegation an die von der Völkerbundsversammlung im Jahre 1932 genehmigte Resolution halten, wonach der Rat eingeladen wurde, die Wandlungen der öffentlichen Meinung in dieser Sache zu verfolgen, «damit -er bestimmen kann, wann diese Wandlungen so weit fortgeschritten sind, dass auf internationalem Gebiet andere gemeinsame Massnahmen getroffen werden können»., .

' . · 4. Straf rechts- und Strafvolkugsfragen (Behandlung der Sträflinge). -- Die Delegation wird, nichts dagegen
einwenden, dass die Versammlung, auf Grund der durch die internationale Kommission für Straf rechts- und Gefängniswesen vorgenommenen Erhebung und der von den Regierungen eingelaufenen Antworten, die Mitgliedstaaten des Völkerbundes über die Zweokmässigkeit des Abschlusses eines internationalen Übereinkommens für die Behandlung der Sträflinge befrage. Weil aber das Zustandekommen der Vereinheitlichung des Strafrechts in der Schweiz stets noch ungewiss ist, wäre es für unser Land verfrüht, auf internationalem Boden die vertragliche Vereinheitlichung der Bestimmungen über den Strafvollzug anzuregen.

5. Unterstützung unbemittelter Ausländer. -- Der Entwurf zu einem Kollektivabkommen betreffend die Unterstützung unbemittelter- Ausländer, der im Dezember 1933 in Genf ausgearbeitet wurde, dürfte kaum annehmbar sein, weil er den Aufgaben und Verpflichtungen, die Ländern mit einer starken ausländischen Bevölkerung, wie der Schweiz, zufallen, nicht genügend Rechnung trägt. Fortschritte auf diesem Gebiete liessen sich übrigens leichter durch zweiseitige Verträge, wie das französisch-

158 schweizerische Abkommen vom 9. September 1931, als durch ein mehrseitiges Übereinkommen verwirklichen, da letzteres in seiner allgemeinen Fassung die für das Unterstützungswesen eines jeden Landes verschiedenen Verhältnisse nicht berücksichtigen kann.

6. Herabsetzung und Beschränkung der Rüstungen. -- Es ist nicht wahrscheinlich, dass diese Frage in der Versammlung in grundsätzlicher Weise erörtert werden wird.

Sollte,es die Versammlung aber wegen der Verzögerung und den Schwierigkeiten, denen die Abrüstungskonferenz begegnet, dennoch für nützlich erachten, die Notwendigkeit einer baldigen Durchführung des Artikels 8 des Völkerbundsvertrages zu betonen, so wird sich die Delegation jeder dahinlautenden Eesolution anschliessen.

7. Sklaverei. -- Die Delegation wird wie bisher jeden Vorschlag unterstützen, der die Durchführung des Abkommens vom 25. September 1926 in allen Ländern und Gebieten, wo die Sklaverei oder gewisse Formen der Zwangsarbeit noch nicht abgeschafft sind, zu sichern sucht.

8. Minderheiten. -- Der Bundesrat macht keine grundsätzlichen Einwendungen gegen den polnischen Vorschlag, der die Einberufung einer internationalen Konferenz zur Ausarbeitung eines allgemeinen Übereinkommens zum Schutze der Minderheiten bezweckt. Die Delegation wird somit dem Vorschlage Polens beipflichten.

9. Studienkommission für die europäische Union. -- Da die Kommission seit 1932 nicht mehr zusammengetreten ist, beschränkt sich der Bundesrat auf die Bestätigung seiner früheren Instruktionen über die allgemeine Haltung der Schweiz in Betreff der Massnahmen, die gemeinsam zur Lösung gewisser spezifisch europäischer Probleme in Aussicht genommen werden könnten.

10. Mitarbeit der Presse am Friedenswerk. -- Man hat allen Grund, über die Massnahmen erfreut zu sein, die schon getroffen wurden oder beabsichtigt sind zur Sicherung einer stets umfassenderen Mitarbeit der Presse an der Verbesserung der internationalen Beziehungen oder, ganz besonders, zur Unterdrückung der Verbreitung falscher Nachrichten durch geeignete technische und finanzielle Mittel.

Die Delegation kann alle Vorschläge unterstützen, welche die auf diesem Gebiete sich abzeichnende Bewegung -- der die Pressekonferenzen von Kopenhagen und Madiid den ersten Antrieb verliehen haben -- begünstigen sollen.

11. Technische Organisationen des
Völkerbundes. -- Die Delegation wird den Berichten über die Tätigkeit der technischen Organisationen des Völkerbundes ihr volles Interesse schenken.

Sie wird nötigenfalls um die Gutachten der zuständigen eidgenössischen Departemente über die in derartigen Spezialfragen einzunehmende Haltung nachsuchen.

12. Haiidel mit Betäubungsmitteln. -- Die Schweiz ist bereit, an allen neuen Massnahmen mitzuwirken, die im Benehmen mit der beratenden Kommission für den Opiumhandel ergriffen werden könnten, um eine straffe und allgemeine Anwendung des Abkommens über die Betäubungsmittel und insbesondere des Abkommens für die Beschränkung ihrer Herstellung, vom 13. Juli 1931, zu sichern. Sie wird den Bestrebungen zur Unterdrückung des Schleichhandels, der in gewissen Weltteilen wieder im Anwachsen zu sein scheint, ihren vollen Beistand leihen.

13. Rechnungsablegung und Voranschlag. -- Unter Vorbehalt der begründeten Bemerkungen, die der Versammlung vorgelegt werden könnten, wird die Delegation ermächtigt, die geprüften Abrechnungen für das fünfzehnte Rechnungsjahr (1933) zu genehmigen und dem Voranschlag für das nächste Rechnungsjahr, so wie er sich aus den Verhandlungen der Versammlung ergibt, zuzustimmen.

Da in dieser Zeit wirtschaftlichen Tiefstandes und finanzieller Krise keine Einsparungsmöglichkeit vernachlässigt werden darf, wird die Delegation jede durch die

159 Umstände berechtigt scheinende Herabsetzung der Ausgaben, die keine Einbusse für die wesentlichsten Arbeiten des Völkerbundes bedingt, befürworten.

14. Rückständige Beiträge.-- Sie belaufen sich zurzeit auf annähernd 30 Millionen Pranken. Es wäre zu wünschen, dass die Versammlung mit besonderer Aufmerksamkeit die Mittel und Wege prüfen -würde, um ein für allemal einem Zustande abzuhelfen, der, wie es der Rechnungsrevisor in seinem Berichte richtig hervorhebt, «nicht nur das finanzielle Gleichgewicht des Völkerbundes stört, indem er das Schatzamt in grosse Schwierigkeiten versetzt und dem Ansehen der ganzen Institution schadet, sondern auch eine wachsende Unzufriedenheit unter den ihre Beiträge regelmässig zahlenden Staaten verursacht, da deren Belastung durch die Tatsache, da.ss andere Staaten die gemeinsam übernommenen Verpflichtungen nicht erfüllen, indirekt erschwert wird». Die Delegation wird sich nach Möglichkeit dafür einsetzen, um für dieses Problem, das bis heute zu sehr vernachlässigt worden ist, eine Lösung zu finden.

15. Streitfall zwischen Bolivien und Paraguay. -- Da Bolivien verlangt hat, dass der Streitfall gemäss Artikel 15, Absatz 9, des Völkerbundsvertrages der Versammlung unterbreitet werde, und anderseits Paraguay über die juristische Möglichkeit der Anwendung des Verfahrens nach Artikel 15 unter den gegenwärtigen Umständen Vorbehalte gemacht hat, wird der Rat diese Frage in seiner Sitzung, die derjenigen der Versammlung unmittelbar vorausgeht, zu untersuchen haben. Sollte nach Prüfung durch den Rat die Versammlung beschliessen, dass sie sich des Streitfalles annehmen will, so wird die Delegation allen Massnahmen beipflichten, die geeignet sind, die Achtung vor den Bestimmungen des Völkerbundsvertrages zu sichern und die Einstellung der Feindseligkeiten herbeizuführen.

16. Aufnahme Sowjetrusslands in den Völkerbund. -- Sollte Sowjetrussland um seine Aufnahme in den Völkerbund nachsuchen, so wird sich die Delegation ablehnend aussprechen und gegebenenfalls diese Haltung begründen.

17. Ratswahlen. -- Die Delegation wird vor der Wahl der drei neuen, nichtständigen Ratsmitglieder um Weisungen einkommen.

III. Eröffnung der Yersammlung und allgemeine Aussprache.

Die Versammlung wurde am Montag, dun 10. September, durch den derzeitigen Ratspräsidenten, Herrn Bénès, eröffnet. Vier Mitgliedstaaten des Völkerbundes waren nicht vertreten : Deutschland und Japan aus Gründen, die bekannt sind, des weitern Honduras und Salvador. In seiner Eröffnungsrede kam der tschechoslowakische Aussenminister auf die Reihe von Misserfolgen.

zu sprechen -- Abrüstung, mandschurische Frage, Wirtschaftskonferenz in London, Ausscheiden von Japan und Deutschland, Chacokonflikt -- die allgemein der Untätigkeit des Völkerbundes zugeschrieben werden, wenn schon die Verantwortlichkeit anderswo zu suchen ist. Er bestreitet nicht, dass die jetzige.Krise mit «den grössten historischen Krisen» verglichen werden kann, die die Menschheit je gesehen hat: geistige, moralische und religiöse Krise, Krise .der Weltwirtschaft, der innerpolitischen und sozialen. Zustände und Regierungsforrnen, tief einschneidende Krise der internationalen Beziehungen, Kriegs-'und Revolutionsgefahr jeder A r t . . . » : aber er hebt hervor, «dass die Menschheit bereits zu verschiedenen Malen ähnliche Erfahrungen durchgemacht

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hat», und dass es deshalb nicht angezeigt ist, sich dem Pessimismus und der Entmutigung hinzugeben. Herr Bénès bewahrt seinen Glauben an den Völkerbund und dessen Tätigkeit. «In einzelnen Fällen», schliesst er, «verfügt er nicht über genügende Machtmittel, um Fehler und Unglück zu verhüten, doch bleibt er nichtsdestoweniger eine unzerstörbare Kraft und ein unüberwindliches . Hindernis für 'die Mächte der Finsternis».

Nachdem die Versammlung fast einstimmig Herrn Sandler, schwedischen Minister des Äussein, zu ihrem Vorsitzenden gewählt hatte, genehmigte sie die Tagesordnung, bildete die verschiedenen Kommissionen1) und setzte das Bureau 2) ein.

Nach Erledigung dieser Formalitäten konnte sie gemäss der stets befolgten Praxis die allgemeine Aussprache über die durch den Völkerbund geleistete Arbeit eröffnen. Zuerst hörte sie aber noch eine kurze Eede des Herrn Motta an, die dem Andenken des Kanzlers Dollfuss und Vittorio Scialojas -- der während vieler Jahre Italien mit ebensoviel Talent wie Auszeichnung im Völkerbund vertrat -- gewidmet war.

Die allgemeine Aussprache ermangelte nicht des Interesses. Zwölf Staaten nahmen daran teil, sei es, um ihre innerpolitische Lage darzulegen, sei es, um ihre Ansicht über die durch den Völkerbund behandelten oder zu behandelnden Probleme zu äussern.

Merkwürdigerweise wurde die russische Frage, die gewissermassen über der ganzen Versammlung lastete, abgesehen von einer Eede des ersten Delegierten Irlands bloss nebenbei erwähnt. Letzterer verhehlte nicht, dass er sich nur dann zugunsten der Aufnahme Busslands in den Völkerbund aussprechen werde, wenn dieses Land keine Vorzugsstellung gemesse und alle Verpflichtungen übernehme, die den Mitgliedern des Völkerbundes obliegen.

Zudem könne er nicht zulassen, dass Eussland allenfalls auf Umwegen in den Völkerbund eintrete. Herr de Vaierà, als ausgesprochener Gegner der «heim1 ) Die Versammlung verzichtete auch dieses Jahr auf die Bildung der dritten Kommission, da die Fragen über die Abrüstung auf der Tagesordnung der Konferenz zur Herabsetzung und Beschränkung der Rüstungen stehen. Die fünf andern Kommissionen wählten zu ihren Vorsitzenden: 1. Kommission (rechtliche Fragen) Herrn Raczynski (Polen); 2. Kommission (technische Organisation) Herrn Bennet (Kanada); 4. Kommission (Voranschlag) Herrn Carton de Wiart
(Belgien); 5. Kommission (soziale und humanitäre Fragen) Herrn Levillier (Argentinien); 6. Kommission (politische Fragen) Herrn de Madariaga (Spanien).

2 ) Das Bureau bestand wie gewöhnlich ausser dem Präsidenten der Versammlung und den fünf Kommissiorispräsidenten aus den Vertretern der sechs folgenden Staaten: Grossbritannien, Italien, Frankreich, Österreich, Indien und Jugoslawien, sowie dem Präsidenten der Tagesordnungskommission (Herr Lozoraitis, Litauen) und dem Präsidenten der Vollmachtenkontrollkommission (Herr Bado, Uruguay).

Ein Mitglied der schweizerischen Delegation (Herr Gorgé) wurde zu den Sitzungen der Tagesordnungskommission beigezogen.

161 liehen Beratungen im Hotelzimmer», verlangte, dass die Frage in aller Offenheit besprochen werde, da er es als unwürdig erachte, dass der Völkerbund durch Verfahrenskniffe einzelnen Staaten das Eecht nehme, ihre Bemerkungen und Einwendungen zu dieser Aufnahme vorzubringen. Er benützte die Gelegenheit, um der Hoffnung Ausdruck zu geben, dass «Bussland anlässlich Seines Eintritts in den Völkerbund die Garantien, die es den Vereinigten Staaten von Amerika bei der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit diesem Staate gegeben habe, verallgemeinern werde»., «Ich glaube die Zeiten sind vorbei,» erklärte der Vertreter Irlands, «wo Nationen, welche die Freiheit und den Frieden wünschen, und aufgeklärte Eegierungen, die dieses Ideal proklamieren, eine Begierungsmethode der Verfolgungen beibehalten oder die religiöse Freiheit unterbinden können». Der chinesische Delegierte, welcher ausführlich auf die Notwendigkeit hinwies, dass die Mitglieder des Völkerbundes die durch Japan in der Mandschurei geschaffene Lage nicht anerkennen sollen, gab seiner Genugtuung darüber Ausdruck, dass Bussland bald einen Sitz in Genf einnehmen werde, da «Bussland seiner Ansicht nach die Brücke ist, die Europa mit Asien verbindet». Der erste Delegierte der Türkei begrüsste ebenfalls den bevorstehenden Eintritt der Sowjetunion. .Damit war die russische Frage abgetan ; sie sollte einige Tage später in Aufsehen erregender Weise wieder aufleben 1).

Ein Problem, das in gewisser Beziehung mit der russischen Mitarbeit im.

Schosse des Völkerbundes im Zusammenhang steht, nämlich die Frage der Minderheiten, wurde in einer etwas ungewöhnlichen Form durch den ersten polnischen Delegierten zur Sprache gebracht. Herr Beck erinnerte an alle Anstrengungen, die Polen vergeblich gemacht hatte, um den Minderheitenschutz zu verallgemeinern und so dem heute in Kraft stehenden System der unterschiedlichen Behandlung ein Ende zu bereiten. Er behauptete einmal mehr, «dass das Bestehen von staatsvertr'aglichen Verpflichtungen gegenüber den Minderheiten oder das Fehlen derartiger Verpflichtungen weder in der tatsächlichen Lage der Minderheiten in den Mitgliedstaaten des Völkerbundes noch in der internationalen Stellung oder in der Zivilisationsstufe dieser Staaten eine begründete Berechtigung findet». Von der Ansicht ausgehend, dass dieser
Zustand nicht weiter andauern könne, «ohne in nicht wieder gut zu machender Weise die moralischen Grundlagen, auf denen der Völkerbund im Jahre 1919 aufgebaut wurde, zu gefährden», erinnerte der polnische Aussenminister daran, dass seine Begierung der Versammlung vorgeschlagen habe, sich über zwei Fragen zu äussern: «erstens, die sofortige Anerkennung der Notwendigkeit eines; allgemeinen Übereinkommens zum Schutze der Minderheiten; zweitens, die Einberufung einer internationalen Konferenz zu diesem Zwecke». Oberst Beck schloss seine Ausführungen mit dem Bemerken, dass bis zum Inkrafttreten eines allgemeinen und gleichartigen Systems des Minderheitenschutzes sich seine Begierung veranlasst sehe, «von !) Vgl. unten, .S. 203 f.

162 heute an jede Mitarbeit an den internationalen Organen abzulehnen, welche die Kontrolle über die Anwendung des Systems des Minderheitenschutzes durch Polen ausüben».

Diese Erklärung rief eine gewisse Überraschung im Schosse der Versammlung hervor. Da es sich um nichts weniger als um eine einseitige Aufhebung eines Vertrages handelte, der von Polen in dem Augenblicke rechtmässig abgeschlossen worden war, wo diese Nation wieder zu politischem Leben erwachte, konnten die vertragschliessenden Staaten, wie Frankreich, Grossbritannien und Italien, eine derartige Erklärung kaum ohne weiteres zu Protokoll nehmen. Im Namen der britischen Eegierung erklärte Sir John Simon unumwunden, dass kein Staat sich einseitig von seinen internationalen Verpflichtungen befreien könne. Im Namen der französischen Eegierung sprach Herr Barthou in gleichem Sinne. Was Italien anbetrifft, führte es durch seinen ersten Delegierten aus, «dass die bestehenden Verpflichtungen eingehalten werden müssen bis zu dem Augenblicke, wo sie durch neue Bestimmungen ersetzt werden». «Mein Land», erklärte Baron Aloisi, «hat als erstes dem Gedanken Ausdruck verliehen, dass Verträge den wechselnden Forderungen der Zeiten angepasst werden müssen, da auf diese Weise der Friede am besten gewahrt wird ; aber wir haben immer betont, dass diese Anpassung auf gesetzmässigem Wege zu erfolgen habe *) ».

Die österreichische Frage wurde in der allgemeinen Aussprache ebenfalls ausgiebig erörtert. Zwei österreichische Delegierte, nämlich der neue Kanzler Schuschnigg und Herr Berger-Waldenegg bestiegen die Eednertribüne, um die derzeitige Lage Österreichs, seine innerpolitischen Verhältnisse und den Stand seiner internationalen Beziehungen darzulegen. Auf die Frage, ob Österreich aus eigener Kraft weiterbestehen könne, versicherte der Nachfolger des verstorbenen Herrn Dollfuss mit Nachdruck: «Österreich ist lebensfähig unter der Bedingung, dass man ihm erlaubt, zu leben. Österreich ist in'der Lage, aus eigener Kraft und durch eigene Arbeit sogar Zeiten des Tiefstandes zu überwinden, vorausgesetzt, dass man ihm gestattet, seine Kräfte frei zu entfalten und dass man dem österreichischen Volke und seiner Eegierung die Möglichkeit gibt, im Frieden zu arbeiten.» Was die Eedner anbetrifft, die sich mehr mit der allgemeinen Tätigkeit des Völkerbundes befassten,
hinterliessen deren Ausführungen, wie zum Beispiel die des Herrn Bénès, einen eher ermutigenden Eindruck. Zweifellos hat der Völkerbund ernstliche Misserfolge zu verzeichnen. Aber können sie nicht wieder gut gemacht werden ? Der Fehler lag übrigens nicht am Völkerbund als solchem.

Es sind seine Mitglieder, die sich noch .zu keiner genügend hohen Auffassung ihrer internationalen Pflichten aufschwingen konnten. .Doch der Weg des Fortschrittes ist nicht versperrt. Trotz Hindernissen und unvermeidlichen 1 ) Über die dem doppelten Vorschlage Polens gegebene Folge vgl. unten, Arbeiten der sechsten Kommission, S. 214 f.

163 Unterbrechungen darf man an der internationalen Zusammenarbeit, deren vollkommenste Form der Völkerbund darstellt, nicht verzweifeln. Diese optimistische Auffassung, die beinahe in allen Eeden vorherrschte, trug dazu bei, das allgemeine Unbehagen zu mildern, das beim Beginn der Arbeiten auf der Versammlung lastete. Man merkte dies der ganzen Atmosphäre in Genf deutlich an. Das Vertrauen in die Zukunft des Völkerbundes liess in den Augen der Delegierten bereits verlorenes Terrain wieder zurückgewonnen erscheinen. Obschon Herr Cantilo, der erste Delegierte Argentiniens, zugab, «dass das Erreichte unzulänglich sei, so glaubte er doch die Auffassung vertreten zu dürfen, dass der Völkerbund, selbst wenn er versage, dennoch von grossem Nutzen sei und dass sich durch das stetige Wiederaufnehmen der schwierigen Arbeit and dank des Kontaktes von Menschen, Ideen oder gar Leidenschaften eine gewisse Eeibung ergebe, die ohne Stösse allmählich die Kanten der eckigsten Probleme abschleift».

Der Vertreter Kolumbiens begrüsste «die so glückliche Intervention des Völkerbundes in der Frage von Leticia». Er bemerkte, «dass diejenigen, welche behaupteten, Artikel 21 des Paktes und die Monroe Doktrin verhinderten eine Aktion des Bundes in Amerika, im Irrtum seien». Hingegen bedauerte er, dass der Völkerbund und die panamerikanische Union «weiterhin aneinander vorbeigehen». Der Mangel an Fühlung zwischen diesen beiden grossen Einrichtungen scheint ihm für den Frieden schädlich zu sein. Er verlangt-, dass dieser unbefriedigende Zustand möglichst bald aufhöre. Ein Grund zur Herbeiführung der Zusammenarbeit wäre nach der Ansicht dés Herrn Yépes schon der Umstand, dass beide Institutionen die Kodifizierung des Völkerrechts in ihr. Programm aufgenommen haben. Währenddem die panamerikanische Union auf diesem Gebiet rege tätig ist, hat der Völkerbund seit dem Scheitern der Haager Konferenz von 1930 hierin nichts mehr unternommen. Nach Ansicht des Vertreters Kolumbiens.ist es bedauerlich, «dass diese gewaltige Arbeit der Kodifizierung des Völkerrechts ausserhalb des Völkerbundes erfolgt, der hier Mittelpunkt und Ansporn sein sollte». Der Völkerbund darf gegenüber diesen juristischen Bestrebungen, die das ganze internationale Leben gestalten können, nicht länger in seiner passiven Haltung verharren, wenn er nicht eine seiner
wichtigsten Aufgaben vernachlässigen-will.

Der Delegierte Haitis, Herr Mayard, erinnerte an den von seiner Regierung letztes Jahr eingereichten Entwurf, der die vertragliche Sicherung «des internationalen Schutzes der Menschen- und Bürgerrechte» bezweckt. Er verlangte, dass eine internationale Konferenz sich mit der Prüfung der,Frage befasse.

Der portugiesische Vertreter, Minister des Aussern Caeiro da Mata, wies auf die Anstrengungen seines Landes zur Wiederherstellung der Finanzen hin und gab seinem Vertrauen in.das Werk des Völkerbundes Ausdruck. Er legte dar, dass er kernen Gegensatz sehe zwischen einem richtig verstandenen Nationalismus, der «organisierend, aufbauend, geordnet und friedliebend» sei, und dem Internationalismus, von welchem sich der Völkerbund notwendigerweise. leiten

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lasse. « Jedes Land,» erklärte er, «das die Krise zu überwinden und die Ordnung, den Frieden und das soziale Gleichgewicht zu sichern vermag, trägt zum allgemeinen Wiederaufbau bei. Es wird fähig, durch seine Mitarbeit die Verwirklichung der gemeinsamen Ziele des Völkerbundes zu fördern.» Nach Beendigung der allgemeinen Aussprache konnte die Versammlung die Arbeit in den verschiedenen Kommissionen beginnen. Wir werden später (Kapitel V) auf die Beschlüsse und Eesolutionen zurückkommen, die sie entweder von sich aus oder auf Grund der Berichte der Kommissionen gefasst hat1).

IV. Tätigkeit der Kommissionen2).

A. Studienkommission für die Europäische Union.

Die Kommission hat seit zwei Jahren nicht mehr getagt. Wird sie aus ihrem Schlummer je wieder erwachen ? Die Völkerbundsversammlung scheint damit zu rechnen, obwohl die Aussichten gering sind, den Kontinent in eine Art Föderativverband zusammenzufassen. Auf Antrag des Bureaus hat die Versammlung eine Eesolution genehmigt, worin nach Feststellung, «dass die Umstände ein Zusammentreten dieser Kommission seit der letzten Tagung verunmöglicht haben», das Mandat für das nächste Jahr erneuert worden ist 3).

B. Rechtliche Fragen.

Keine Frage rechtlicher Natur stand dieses Jahr auf der Tagesordnung.

Die erste Kommission wäre somit nicht in Tätigkeit getreten, wenn im Laufe der Session nicht verschiedene Probleme aufgerollt worden wären. Es wurden ihr nämlich die drei folgenden Fragen vorgelegt: Anwendung des Artikels 15 des Völkerbundspaktes auf den Streitfall zwischen Bolivien und Paraguay; Sperre von Waffen- und Munitionslieferungen nach diesen beiden Ländern; Bedingungen, denen die Vollmachten der Delegierten zur Völkerbunds ver Sammlung zu genügen haben.

!) Vgl. S. 221 f.

2 ) Die Schweiz war in den Kommissionen der Versammlung folgendermassen vertreten : 1. Kommission Herr Gorgé (Stellvertreter: Herr Schöpfer), 2.

» » Stuchi (Stellvertreter: Herr Rappard), » Oeri, 4.

» » Rappard (Stellvertreter: Herr Gorgé), 5.

» » Schöpfer (Stellvertreter: Herr Zutter), '6.

» » Motta (Stellvertreter: Herr Oeri).

3 ) Die Frage der Zusammensetzung des Kommissionsbureaus ist nicht aufgeworfen worden, so dass Herr Herriot (Frankreich) den Vorsitz beibehält, mit den Herren Motta und Politis (Griechenland) als Vizepräsidenten.

165 1. Anwendung des Artikels 15 des Völkerbundsvertrages auf den Streitfall zwischen Bolivien und Paraguay. Seit mehr als zwei Jahren wütet der Krieg zwischen Bolivien und Paraguay. Der Völkerbund hat mit Hilfe südamerikanischer Staaten vergeblich;versucht, den Feindseligkeiten ein Ende zu bereiten.

Seine an Ort und Stelle entsandte Untersuchungskommission hat nichts erreicht.

Sein Vermittlungsvorschlag, der die Wiederherstellung des Friedens in diesem beunruhigten Gebiete herbeifuhren sollte, fand bei den Kriegführenden keine Gnade. Der Völkerbundsrat, der zuerst gemäss Artikel 4, Absatz 4, des Vertrages gehandelt hatte, nahm sich des Streitfalles auf Antrag eines besonderen und in seinem Schosse gebildeten «Dreierausschusses» schliesslich kraft des Artikels 11 des Paktes an, worin erklärt wird, «dass jeder Krieg und jede Kriegsdrohung, mag ein Mitglied des Völkerbundes dadurch unmittelbar berührt werden oder nicht, den ganzen Völkerbund angeht, und dass dieser die erforderlichen Massnahmen ergreifen soll, die als geeignet' und wirksam erscheinen, um den Völkerfrieden aufrechtzuerhalten». Alle seine Vermittlungsbemühungen blieben jedoch erfolglos.

Da der Krieg seinen Fortgang nahm, beschloss Bolivien am 31. Mai, vergangenen Jahres, die Anwendung des Artikels 15 des Völkerbundsvertrages zu verlangen, in welchem bekanntlich ein besonderes Verfahren für die Beilegung von Streitfällen vorgesehen ist. Der Eat nahm diesen Schritt zur Kenntnis, wobei es als selbstverständlich galt, dass die Anwendung des Artikels 15 durch die Versammlung ihn nicht daran hindern werde, weitere Vermittlungsversuche im Eahmen von Artikel 11 zu unternehmen. Einige Tage darauf ging der Vertreter Boliviens den Eat darum an, den Streitfall gemäss Artikel 15, Absatz 9, der Versammlung zu unterbreiten.

Paraguay hatte sogleich Vorbehalte gegen die Anwendung von Artikel 15 gemacht, aber dessen ungeachtet beschloss der Eat in seiner Sitzung vom 7. September, den Zwist vor die Völkerbundsversammlung zu bringen, welch letztere die Frage drei : Tage später auf ihre Tagesordnung setzte und der sechsten Kommission zur Prüfung überwies.

Da der Vorbehalt Paraguays sich auf juristische Erwägungen stützte, ersuchte die sechste Kommission die erste um Prüfung der Sachlage.

Herr Caballero, der Delegierte von Paraguay, setzte der Kommission
die Gründe auseinander, kraft derer sich die Versammlung seines Erachtens als nicht zuständig erklären sollte. Er gab letzten Endes zu, dass sie das Vermittlungsverfahren nach Artikel 15 einleiten könne, aber sah keine Möglichkeit für die Anwendung des Empfehlungsverfahrens. Paraguay trat der «Gesamtanwendung» des Artikels 15 -- wie es sich ausdrückte -- entgegen, indem es besonders hervorhob, :dass dieser Artikel gemäss dem Texte des Vertrages selbst nur für «Streitfälle Geltung habe, die zu einem eigentlichen Bruche führen könnten». Im vorliegenden Falle stehe aber ein Bruch nicht mehr bevor, sondern sei seit langem eingetreten.

166

Die erste Kommission lehnte die paraguayische These einstimmig ab. Die Delegierten Grossbritanniens, Bumäniens, Frankreichs, der Schweiz, Griechenlands, Irlands, Schwedens, Chiles und der Niederlande machten einer nach dem andern geltend, dass, wenn das Verfahren nach Artikel 15 auf Konflikte anwendbar sei, die einen Bruch herbeifuhren könnten, es um so mehr in Kraft zu treten habe bei Streitfällen ernsterer Natur, das heisst bei solchen, die bereits in offene Feindseligkeiten ausgeartet sind.

Herr Gorgé, unser Vertreter in der Kommission, ging wegen der grossen prinzipiellen Bedeutung in einer längern Ausführung auf diese Frage ein. Er gab zu, dass den Argumenten Paraguays im Lichte einer wörtlichen Auslegung des Textes eine gewisse Berechtigung kaum abzusprechen sei, hob jedoch sofort hervor, dass, wenn eine exegetische und eine logische Auslegung miteinander in Widerspruch stehen, die letztere massgebend zu sein habe. Das, was man .tun kann, wenn der Friede gefährdet ist, kann man es nicht auch tun, wenn er bereits gebrochen und der Krieg entbrannt ist ? Wenn das Ergreifen der Waffen genügte, um Artikel 15 auszuschalten, wäre es einem Staate leicht, sich den Unannehmlichkeiten des in diesem Artikel vorgesehenen Verfahrens zu entziehen: er hätte lediglich einen Krieg heraufzubeschwören.

Artikel 15 erwiese sich somit in eigenartiger Verdrehung der Dinge als eine Aufmunterung zur Gewalt. Dies ist selbstverständlich nicht annehmbar. Der schweizerische Delegierte wies sodann auf die wirklichen Vorteile hin, die sich aus der Anwendung des Verfahrens nach Artikel 15 auf diesen besonderen Fall ergeben.- Artikel 11 genügt nicht, die Parteien im Frieden zu halten; Artikel 13 gestattet es seinerseits nicht, die Vermittlungsverfahren anzuwenden.

Die Annahme, dass Artikel 16 unter den obwaltenden Umständen angerufen werden könne, fällt dahin, weil dafür zuerst der Angreifer festgestellt werden müsste. Hat man aber zu bestimmen, von welcher Seite der Angriff ausgegangen ist, warum sollte für diese Untersuchung nicht ein Verfahren wie das nach Artikel 15 angewandt werden, um so mehr, als dasselbe erlaubt, ohne direkte Herbeiziehung der Parteien ein positives Eesultat zu zeitigen. Herr Gorgé unterstrich des weitern, dass den Lücken, die der Pakt allenfalls aufweise, nicht allzu grosse Beachtung geschenkt
werden sollte; vielmehr müsse man das ganze Werk im Auge behalten und, im vorliegenden Fall, dem Blutvergiessen Einhalt gebieten. «Dieser Krieg», erklärte er, «ist wie alle Kriege eine Herausforderung der menschlichen Vernunft, und man verlangt von der Völkerbundsversammlung, ihm ein Ende zu bereiten... Sie ist verpflichtet, es zu tun.

Wird sie sich dieser gebieterischen Aufgabe entziehen? Wird sie der beunruhigten Menschheit antworten: Wir sind unfähig zu handeln; Artikel 15 des Vertrages enthält eine Bestimmung, die nur die Konflikte in Betracht zieht, welche zu einem Bruch führen könnten; so will es der Eechtsstandpunkt, Friede hin oder her?» Die erste Kommission teilte diese Auffassung ebenfalls nicht. Einstimmig nahm sie ein Gutachten an, das der sechsten Kommission übergeben wurde

167 und worin besonders hervorgehoben wird, dass, «wenn das Verfahren nach Artikel 15 formell nur für einen drohenden Friedensbruch vorgesehen ist, es mit um so grösserem Becht bei einem bereits erfolgten Bruche und insbesondere im Falle eines Krieges angewandt werden muss x) ».

2. Sperre der Waffen-, und Munitionslieferungen nach Bolivien und Paraguay. -- Da sich der Krieg zwischen diesen beiden Ländern endlos dahinzog, trotz der ununterbrochenen Bemühungen des Völkerbundes, der in seinem Friedenswerke von verschiedenen lateinamerikanischen Staaten unterstützt wurde, erachteten es schon letztes Jahr gewisse Staaten, die im Völkerbundsrate vertreten sind, für angezeigt, hinsichtlich der Waffeneinfuhr nach Bolivien und Paraguay einschränkende Massnahmen zu ergreifen, um den Feindseligkeiten auf diese Weise ein Ende zu bereiten. Vom Völkerbundsrat eingeladen, sich dieses Problems anzunehmen, hatte das Dreierkomitee die Mitgliedsta,aten darüber befragt, ob für sie die Möglichkeit bestehe, sich allfälligen Sperrmassnahmen, die von andern Ländern eingeleitet würden, anzuschliessen. Eine gewisse Anzahl von Staaten verpflichtete sich sogleich dazu, die Ausfuhr von Waffen nach den beiden kriegführenden Staaten zu verbieten ; andere übernahmen dieselbe Verpflichtung unter gewissen Bedingungen (Beitritt besonders bezeichneter anderer Regierungen, Aufrechterhaltung der laufenden Lieferungsverträge, Widerrufung des getroffenen Entscheides bei Enthaltung gewisser Staaten usw.).

Infolge neuer Schritte des Dreierausschusses (vorn 25. Juli) erklärten sich siebeiiundzwanzig von den fünfunddreissig angegangenen Staaten bereit, die vorgesehenen Sperrmassnahmen zu ergreifen. Da die Grossmächte, wie Grossbritannien, Frankreich, Italien, Deutschland und selbst die Vereinigten Staaten von Amerika, dieser Kollektivaktion beitraten, kam der gegen die Kriegführenden beschlossenen Sperre eine sozusagen allgemeine Bedexitung zu.

Die Schweiz ist nicht beiseite gestanden. Im Bestreben, sich der Solidaritätsverpflichtung nicht zu entziehen, die sich aus dem Völkerbundspakt und besonders aus Artikel 11 ergibt, und vom Wunsche geleitet, aktiv mitzuwirken, um eine der Quellen des Verderbnis bringenden und schon zu lange dauernden Krieges versiegen zu lassen, verbot der Bundesrat mit Beschluss vom 81. Mai, gestützt auf Artikel 102,
Absatz 8, der Bundesverfassung, den Export von Waffen und Munition nach Bolivien und Paraguay. Diese Massnahme ganz ausserordentlicher Natur drängte, sich deshalb auf, weil ein Krieg zwischen Mitgliedstaaten des Völkerbundes in Frage stand und somit letzterer die gebieterische Pflicht hatte, die Feindseligkeiten mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zu unterbinden2).

1

) Vgl. die Resolution der sechsten Kommission im Anhang, S. 236 f.

) Der Bundesrat hat in der Folge die DurcMührung eines Kontraktes be-willigt, welcher vor dem 31. Mai 1934 rechtmässig abgeschlossen worden war. Es handelte sich um eine verhältnismässig kleine Bestellung (10 halbautomatische Gewehre).

Dies ist die einzige Ausnahme, welche hinsichtlich des Ausfuhrverbotes gemacht worden ist; sie wurde den Mitgliedern des Völkerbundes bekanntgegeben.

2

168

Obwohl Italien seinen Beistand zur Unterbindung der Waffenlieferungen an die beiden Kriegführenden nicht versagte, gab es einigen Bedenken über die Gesetzmässigkeit der getroffenen Massnahmen Ausdruck. Wie sein Vertreter im Eate dargetan hatte, erachtete es, dass «im Prinzip das Verbot, Kriegsmaterial an Kriegführende zu liefern, nicht als Massnahme betrachtet werden dürfe, die ausserhalb des durch den Völkerbundsvertrag vorgesehenen Verfahrens zur Beilegung von Konflikten angewandt werden könne, und ohne dass vorher der Staat oder die Staaten, welche für den Streit verantwortlich sind, festgestellt worden seien». Die sechste Kommission, die mit der Behandlung des Chacoproblems in seiner Gesamtheit betraut worden war, bat auf Ersuchen der italienischen Delegation die erste Kommission, den Fall auch vom juristischen Standpunkt aus zu prüfen. Ein näheres Studium erwies sich um so unerlässlicher, als Bolivien die Sperre auf das nachdrücklichste beanstandete, indem es erachtete, dass es infolge seiner geographischen Lage durch die beschlossenen Massnahmen schwerer getroffen würde als Paraguay.

Der italienische Delegierte vertrat den Standpunkt seiner Begierung in der ersten Kommission. Er hob hervor, dass nach seiner Ansicht die Sperre ebenso wirksam sein müsse wie eine Blockade, und dass ihr deshalb alle Länder, die Waffen herstellten, beizutreten hätten. Er fragte sich anderseits, «ob eine Sperre zugelassen werden könne, ohne zunächst die Verantwortlichkeit der kriegführenden Staaten festgelegt zu haben»; wenn nämlich die Sperre auf beide Kriegführenden angewandt würde, bevor die Verantwortlichkeit festgestellt ist, läuft man dann nicht Gefahr, «dass dadurch Folgen heraufbeschworen werden, die dem internationalen Bechtsempfinden widersprechen ?» Es erschien ihm zweifelhaft, ob Artikel 11 des Völkerbundspaktes «eine Zwangsmassnahme solch schwerwiegender Natur wie eine Sperre» rechtfertige. Er schloss seine Ausführungen mit dem Begehren, dass diese Frage für die Zukunft gebührend geprüft werde.

In ihrer Gesamtheit teilte die Kommission die Bedenken der italienischen Delegation nicht. Grossbritannien hob u. a. hervor, dass die Sperre «bezwecke, die Feindseligkeiten abzubrechen oder zu verkürzen», und dass «dieses Ziel gewiss den Grundprinzipien des Völkerbundsvertrages entspricht». Andere Delegierte
vertraten Auffassungen ähnlicher Art. Herr Undén, der Vertreter Schwedens, bemerkte übrigens, dass es sich unter den obwaltenden Umständen um individuelle Massnahmen der Staaten handle und dass der Völkerbundspakt derartige Schritte, die den Frieden so schnell als möglich wieder herstellen sollen, nicht ausschliesse. Französischerseits wurde hervorgehoben, dass die Sperre deshalb auf die Kriegführenden angewandt werde, weil es sich um einen Krieg handle, den jedermann als durchaus «vernunftwidrig» erachte.

Herr Basdevant erklärte, dass es offensichtlich besser gewesen wäre, zunächst den Angreifer festzustellen, aber da dies bis zur Stunde nicht erreicht werden konnte, sei nichts anderes übrig geblieben, als den Versuch zu machen, die weitere Entwicklung des Waffenkonfliktes zu verhindern.

'

-

169

Unser Vertreter in der Kommission äusserte sich dahin, dass der Bundesrat nicht gezögert habe, sich .zur Mitarbeit bereit zu erklären, weil er erachtete, ·dass Artikel 11 des Völkerbundspaktes die in Aussicht genommenen Massnahmen rechtfertige. Dieser Artikel verpflichtet den Völkerbund, «Massnahmen zu .ergreifen,, die geeignet sind, den Frieden zwischen den Völkern zu sichern».

Es leuchtet nicht ein. weshalb eine Sperre im Interesse des Friedens nicht verfügt werden sollte. Zwar ist die Gesetzmässigkeit eines solchen Schlittes .durch Bolivien tatsächlich bestritten worden, aber ist es denn unbedingt und immer notwendig, dass die im Eahmen des Artikels 11 getroffenen Verfügungen von den Kriegführenden angenommen werden? Wohl setzt dieser Artikel allgemein die Einstimmigkeit voraus, doch scheint es, dass Ausnahmen gemacht werden können, besonders wenn es sich um Massnahmen handelt, 'bei welchen die Mitwirkung der Parteien nicht verlangt ist. Herr Gorgé hob .hervor, dass Artikel 11 den Grossteil seines Inhalts verlieren würde, wenn mau ,es zum Grundsatz erheben wollte, dass die darin vorgesehenen Massnahmen zur Aufrechterhaltung des Friedens in jedem einzelnen Falle von den Parteien genehmigt werden müssen. Diese Erwägung wurde auch von andern Delegierten ··unterstützt, besonders von demjenigen Griechenlands (Herr Politis), der in der Sperre weniger eine Straf Verfügung als eine sichernde Massnahme erblickte.

, Nach Anhörung des bolivianischen Delegieiten, welcher die für die beiden .Kriegführenden wesentlich verschiedenen Auswirkungen der Sperre hervorhob, da Bolivien «ein ausgesprochenes und besonders schwer zugängliches Binnenland ist», wogegen Paraguay «durch grosse Flussläufe, wie den Eio Paraguay, den Eio Parana und den Eio de la Piata, einen sehr breiten Zutritt zum Meere hat», genehmigte die Kommission ein Gutachten, das sich auf die folgenden ^beiden Punkte erstreckt: 1. Die Mitglieder des Völkerbundes, welche die Sperrmassnahmen verfügt haben, konnten dieselben ausserhalb des Eahmens des Völkerbundsvertrages treffen und ohne sich auf irgendeinen seiner Artikel zu stützen 1).

2. Das Verbot ; ist von den Mitgliedstaaten gesetzmässig verfügt worden, kraft ihrer souveränen Eechte und ohne gegen irgendeine Anordnung des Völkerbundsvertrages zu verstossen.

Was die Frage des Verbotes von Waffen-
und Munitionslieferungen im .Hahmen .des Völkerbundsvertrages anbetrifft, schloss sich die Kommission ,der Auffassung der .italienischen Delegation an, .gemäss welcher diese Frage ·einem vom Völkerbundsrat bestellten besondern Ausschusse zur Prüfung über.geben werden sollte. Auf Vorschlag unseres Vertreters wurde immerhin deutlich festgelegt, dass die Schlussfolgerungen des Ausschusses hernach der Völkeribundsversammlung zu unterbreiten seien, die als letzte Instanz darüber zu .entscheiden habe a ).

.

' 1

) Es ist dies gleichbedeutend damit, dass sie sich ebenfalls auf den Pakt hätten ;.stützeri können.

2 ) Vgl. die Resolution der sechsten Kommission im Anhang, S. 238.

Bundesblatt, 87. Jahrg. Bd. I.

15

170 3. Vollmachten der Völkerbundsdelegierten. -- Artikel 5 der Geschäftsordnung der VölkerbundsVersammlung schreibt vor, dass «jeder Vertreter sobald tunlich... seine Vollmacht dem Generalsekretär» zuzustellen hat. In Wirklichkeit haben diese Vollmachten die verschiedensten Formen angenommen; sie gehen von der regelrechten Vollmacht bis zum gewöhnlichen TelegrammGewisse Delegierte haben sogar sich selbst beglaubigt. Andere Hessen sich wieder durch die Sekretäre ihrer eigenen Delegation akkreditieren. Man darf wohl sagen, dass der diesbezügliche Zustand geradezu anarchisch geworden ist.

Leicht kann man sich ein Bild über die Verlegenheit machen, in der sich die Prüfungskommission dieser Vollmachten befindet, die sich über deren Gültigkeit auszusprechen hat.

Da Artikel 5 der Geschäftsordnung es kaum erlaubt, diesen Missständen, die auf die Länge unhaltbar würden, zu begegnen, ersuchte die Vollmachtenprüfungskommission die erste Kommission, durch Vermittlung des Bureaus der Völkerbundsversammlung Mittel und Wege zu finden, wodurch diesem Sachverhalt abgeholfen werden könnte.

Die allgemeine Diskussion im Schosse der ersten Kommission war nicht sehr erschöpfend. Nur zwei Delegierte ergriffen das Wort, der unsrige und der von Nikaragua, welche sich übrigens in sehr verschiedenem. Sinn aussprachen.

Der schweizerische Vertreter erklärte, dass seiner Ansicht nach die Völkerbundsversammlung den Charakter einer diplomatischen Konferenz habe, und dass die daran teilnehmenden Delegierten ihren Staat bindend vertreten und deshalb, gemäss dem hergebrachten diplomatischen Eecht, die Vollmachten der Delegierten vom. Staatsoberhaupt ausgestellt werden sollten. Höchstenskönnte man, da allzu radikale Lösungen dem Völkerbund kaum genehm sind, dieser grundsätzlichen Auffassung etwas Spielraum lassen. Was den. Delegierten Nikaraguas anbetrifft, bezweckten seine Ausführungen eine noch freiere Auslegung der bereits zu liberalen Gepflogenheiten. Er schlug vor,, dass eine Vollmacht, die für eine bestimmte Tagung der Völkerbundsversammhing ausgestellt worden war, ohne weiteres auch für die kommenden Sessionen gültig sein sollte.

Die ganze Frage wurde an eine Subkommission verwiesen, in der auch die* Schweiz vertreten war. Nach gründlicher Prüfung, an welcher unser Vertreter tätig mitwirkte, wurde von der Subkommission
ein Bericht ausgearbeitet,, in dem u. a. der Meinung Ausdruck gegeben wurde, dass man sich, grundsätzlich nicht zu weit von den Gepflogenheiten, die für diplomatische Konferenzen Geltung haben, entfernen sollte. Man beantragte, die Geschäftsordnung der' Völkerbundsversammlung insbesondere in dem Sinn abzuändern, dass die Vollmachten der Delegierten (in der Geschäftsordnung unrichtigerweise «Akkreditivschreiben» genannt) in Zukunft entweder durch das Staatsoberhaupt oder durch den Aussenminister auszustellen sind. Diese Anträge wurden nach einer kürzeren Debatte vor der Kommission angenommen. Der neue Text des.

171

Artikels o der Geschäftsordnung der Völkerbund s Versammlung ist in der Anlage aufgeführt ^ , , ·

C. Technische Fragen.

Diese Fragen betreffen die Tätigkeit der vier technischen Organisationen des Völkerbundes: Wirtschafts- und Einanzorganisation, Organisation für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr, Hygieneorganisation und Organisation für geistige Zusammenarbeit. Sie wurden von der zweiten Kommission behandelt, mit Ausnahme der Eragen über die geistige Zusammenarbeit, welche, wie in den vorigen Jahren, in der sechsten Kommission zur Sprache kamen.

Da das Problem der Mitarbeit der Presse am Friedenswerk gleichfalls in der zweiten · Kommission behandelt wurde, werden wir auch hierüber unter dem Titel «Technische Eragen» berichten.

1. Wirtschaïts- und Finanzorganisation.

a. Wirtschaftsfragen. Seit der letzten Versammlung hat das Wirtschaftskomitee zweimal getagt.

Die Sitzung vom November 1933, unter dem Vorsitz von Herrn Minister Stucki, war fast ausschliesslich den Fragen gewidmet, die dem Komitee durch die Londoner Währungs- und Wirtschaftskonferenz überwiesen worden waren.

Diese hatte insbesondere die Einberufung einer Konferenz zur Prüfung der drei Entwürfe von Veterinärabkommen verlangt 2). Das Komitee hielt es für angezeigt, zuerst die Vertreter derjenigen Länder, deren Mitwirkung für den Erfolg dieser Abkommensentwürfe nötig ist, zu versammeln. Anderseits hat es die Frage der Kontrolle der Ein- und Ausfuhr von pflanzlichen Erzeugnissen und diejenige der Zollformalitäten untersucht. Auf letzterem Gebiete wurde den Eegierungen ein Vorentwurf zu einem Abkommen über Handelspropaganda und ein Entwurf von internationalen Bestimmungen über den Gewichtsbegriff unterbreitet. Dank dieser Befragung konnte festgestellt werden, dass voraussichtlich der Abschluss endgültiger Verträge möglich sein wird. Das Komitee erachtete es ebenfalls für nötig, das Übereinkommen zur Vereinfachung der Zollformalitäten zu revidieren, sobald die Handelsbeziehungen wieder ausgeglichener sein werden. Es beschäftigte sich endlich damit, Erzeugung und Absatz gewisser Produkte (Getreide, Milchprodukte, Zucker, Wein, Holz, Kohle, Kupfer) miteinander in Einklang zu bringen, nausste aber feststellen, dass die heutige Lage ,,für Bestrebungen dieser Art kaum ermutigend ist.

· Im Laufe der zweiten Sitzung (Juli 1934) fand zwischen den Mitgliedern des Komitees ein Meinungsaustausch über die allgemeine Wirtschaftslage statt.

Man nahm insbesondere Kenntnis von einem durch das Sekretariat vorbereitex 2

) Vgl. die Resolution im Anhang, S. 226.

) Vgl. unsern Bericht über die XIII. Völkerbundsversammlung, Bundesbl. 1938,

I, 148.

172 ten Bericht über die Entwicklung der Handelspolitik. Darin wurde vor allem auf die zunehmende Verbreitung des wirtschaftlichen Nationalismus hingewiesen und festgestellt, dass der Grundsatz einer gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit der Staaten heilte schwer gefährdet ist. Mit Nachdruck wurde hervorgehoben, «dass es nutzlos ist, mit einer empfindlichen Änderung der Handelspolitik zu rechnen, solange die Staaten glauben, gewissen politischen Grundinteressen wie der Autarkie und der eigenen Sicherheit nachleben zu müssen». Der Bericht untersuchte des weitern die Frage eines allmählichen Verzichtes der Eegierungen auf die bedingungslose, und uneingeschränkte Meistbegünstigung zugunsten des Prinzips der Eeziprozität und eines gegenseitigen Gleichgewichts der Handelsbilanz.

' In derselben Sitzung schrieb das .Komitee die Frage des Eeiseverkehrs als internationaler Wirtschaftsfaktor auf seine Tagesordnung. Es sollen Studien eingeleitet werden über die Verbesserung und Vereinheitlichung der Methoden zur Aufstellung von Verkehrsstatistiken, über die Beseitigung nutzloser oder übertriebener, auf die Verkehrsentwicklung hemmend wirkender Formalitäten und über die Ausarbeitung eines gemeinsamen Verkehrsprogramms zwischen gewissen Ländern.

Die Verhandlungen der zweiten Kommission über die Wirtschaftsffagen wurden durch einen bemerkenswerten Bericht des Herrn Bianchini eröffnet.

Der Vertreter Italiens stellte im Hinblick auf die allgemeine Lage vor allem fest, dass die wachsende Wichtigkeit des Innenmarktes den Aussenhandel an zweite Stelle verdrängt hat, und dass in mehreren Ländern die Organisation des Handels eine Obliegenheit des Staates geworden ist. Er hob ebenfalls hervor, dass die Erhöhung der Zollschranken, der Schutz der Landwirtschaft in den Industrieländern, die Industrialisierung der Agrarländer, die Kontingentierungen und die · Massnahmen in bezug auf die Währung den Umfang des internationalen Warenaustausches stets mehr vermindert und den Übergang zur Autarkie und zum wirtschaftlichen Nationalismus beschleunigt haben. Nach Ansicht des italienischen Delegierten «sind diese Massnahmen lauter Verletzungen der wichtigsten Grundsätze, auf denen der internationale Händel aufgebaut ist, und stellen eine der Hauptursachen für die Verlängerung der Krise dar». Man muss deshalb «auf die bewährte
Politik der auf gegenseitigen Zollkonzessionen aufgebauten Handelsverträge» zurückkommen. Ausserdem ist die Stabilität der Währung zu sichern, denn die Devisenbeschränkungen üben eine unheilvolle Wirkung auf die Wirtschaftslage aus. Herr Bianchini bekräftigte bei dieser Gelegenheit das Vertrauen seines Landes in die Goldwährung und erklärte, dass die italienische Regierung «weder an einen dehnbaren Meter, noch an eine manipulierte Währung» glaube. Er beendigte seine Ausführungen mit einer Analyse der Clearing-Verträge, die er als eine zeitlich beschränkte Einrichtung betrachtete, welche sobald als möglich wieder durch das Prinzip der Verkehrsfreiheit ersetzt werden muss.

Herr Lamoureux unterbreitete sodann im Namen der französischen Delegation einen Vorschlag, der darauf hinausging, die technischen Organe des

173 Völkerbundes mit einer Untersuchung über die Fragen der Kompensationspraxis zu betrauen. Diese: Untersuchung sollte sich besonders auf die bereits abgeschlossenen Verträge und die Arbeitsweise der zu ihrer Durchführung geschaffenen Organismen erstrecken, sowie die bei der Anwendung begegneten Schwierigkeiten und die erzielten Ergebnisse beleuchten. Sie würde den Regierungen, erlauben, ihre Übereinkommen oder ihre mit der Kompensation betrauten Dienstzweige gemäss clen: erhaltenen Auskünften umzubauen und gegebenenfalls ihre Handelspolitikj den ausserordentlichen Verhältnissen der Krise anzupassen. «Die Kompensationspolitik», erklärte der Vertreter Frankreichs, «erweist sich zufolge ihrer Verallgemeinerung und ihrer Mannigfaltigkeit als ein stets bedeutsamerer Bestandteil der internationalen Warenaustauschpolitik. Deshalb ist es unmöglich, sie zu verkennen oder zu vernachlässigen, welche Einstellung man ihr gegenüber auch haben möge. Die französische Regierung ist deshalb der Ansicht, dass es wünschenswert wäre, die Wirtschafts- und Finanzsektion des Völkerbundes mit dem Studium des zwischenstaatlichen Kompensationsproblems zu beauftragen. Diese Untersuchung würde sodann jedem Staate erlauben, wenn, nötig seine eigene Handelspolitik nach den Methoden und den Erfahrungen anderer Länder umzustellen.» Der Antrag der französischen Regierung wurde günstig aufgenommen.

Er führte zu einer Diskussion, in deren Verlaufe den Vertretern zahlreicher Länder die Gelegenheit geboten : wurde, die Gründe auseinanderzusetzen, welche ihre Regierungen ganz gegen den eigenen Willen dazu geführt hatten, die Korupensations- und Clearingpolitik in Anwendung zu bringen. Man war im aligemeinen darüber einig, dass dieser Zustand nicht normal sei und dass man sich bestreben müsse, aus ihm herauszukommen. Der italienische Delegierte hatte schon betont, dass dies viel Geduld und Ausdauer erheischen würde.

Herr Munch (Dänemark) ging weiter, indem er erklärte, dass seiner Meinung nach «weder die menschliche Intelligenz noch der gute Wille der Menschen dieser Aufgabe gewachsen seien». Der einzige Ausweg schien ihm darin zu bestehen, dass «man stuf enweise, je nach den Verhältnissen, durch zwei- oder mehrseitige Übereinkommen, ; zu einer grösseren Freiheit, einer den Lehren der Nationalökonomen besser angepassten Wirtschaftspolitik
zurückkehre».

Eine gewisse Anzähl von Rednern beschränkte sich übrigens nicht darauf, ihre Ansicht über den französischen Antrag bekanntzugeben, sondern bemühte sich, die eineioder die andere Seite der Krise zu beleuchten. Nach Ansicht des Herrn Landschot (Niederlande) bilden die Währungsschwankungen das Haupthindernis für ein Wiederaufleben der Geschäfte. «Solange diese Währungsunsicherheit andauert», bemerkte er, «wird es keine gesunde Grundlage geben, auf der, die Weltwirtschaft sich erholen könnte.» «Nun gibt es aber», schloss er, «nur ein System, das die Stabilität sichern könnte, nämlich die Goldwährung.» Herr Bruce (Australien) griff den von gewissen Industrieländern eingeführten Schutz der Landwirtschaft an, der «nicht nur für den Welthandel

174 schädlich ist, sondern... im Widerspruch mit den Interessen der Industrieländer selber steht». Nach Ansicht des australischen Delegierten ist das Ergebnis dieses Schutzes eine Erhöhung der Lehenskosten und eine Verminderung des Existenzniveaus. Was Herrn Sierra, den Vertreter Spaniens, anbelangt, erblickte er den tiefsten Grund der Krise in der übertriebenen Industrialisierung der Welt, die ein Sinken der Preise und die Arbeitslosigkeit zur Folge hatte.

Herr Christiani (Dänemark) bemerkte, dass im internationalen Warenaustausch das Gold praktisch seine Bedeutung verloren hat und dass Deutschlands Beispiel «klar beweist..., dass es jedem Lande möglich ist, seine Währung sogar ohne Golddeckung auf jedem beliebigen internationalen Niveau zu halten, vorausgesetzt, dass die Ein- und Ausfuhr sowie die unsichtbaren Ein- und Ausgänge sich ausgleichen, und dass des weitern das betreffende Land bereit ist, seinem Wirtschaftsleben, insbesondere seinen Exportindustrien und seinen Arbeitslosen, die Bedingungen aufzuerlegen, welche sich jeweils aus dem festgesetzten oder aufrechterhaltenen Währungsniveau ergeben». Der dänische Delegierte war unter den obwaltenden Umständen der Meinung, dass man ohne Nachteil auf einige Zeit die Konvertierung in Gold einstellen und ein bestimmtes Wertverhältnis zwischen den Währungen aller Länder bestimmen könnte.

Man müsste alsdann an der Wiederherstellung des Vertrauens und der politischen Sicherheit arbeiten und, wenn der Warenaustausch wieder norma] geworden wäre, aber nur dann, die Goldwährung wieder einführen, die, wie der Vertreter der Niederlande schon erwähnt hatte, durch nichts anderes ersetzt werden kann.

Herr Stucki gab im Namen der schweizerischen Delegation der Genugtuung darüber Ausdruck, dass die Verhandlungen sich auf den genau umschriebenen Antrag Frankreichs'konzentriert hätten. «Es ist unleugbar», erklärte er,«dassman seit einem oder zwei Jahren im internationalen Leben einer ganz neuen Sachlage gegenübersteht. Die Politik der Kompensation, der Beziprozität, ist die Verneinung der ganzen Handelspolitik, wie sie vor und nach dem Krieg von allen Ländern hochgehalten wurde. Und diese neue Politik ist bis heute weder systematisch noch gründlich untersucht worden. Der beste Beweis dafür ist, dass sogar hinsichtlich der Terminologie dieser Erscheinung die
grösste Verwirrung herrscht und dass man noch jetzt Kompensations- und Clearingabkommen miteinander verwechselt.» Herr Stucki schloss sich deshalb dem französischen Antrag an, legte aber Wert darauf, zu betonen, dass es nicht genügen werde, die Methoden des Austausches, des Clearings, der Eeziprozität, der Kompensation usw. zu kritisieren, sondern dass es angezeigt sei, zu untersuchen, welches die Lage des Weltaussenhandels wäre, wenn es keine solchen Abkommen gäbe. Anderseits bestritt er die Nützlichkeit einer neuen Materialsammlung über die Ursachen der Krise.

Nach dieser ausgiebigen Aussprache nahm die Kommission den französischen Antrag einstimmig an. Auf Vorschlag Grossbritanniens, der Von verschiedenen Delegationen unterstützt wurde, beschloss man jedoch, den

175 Bereich der Untersuchung in dem Sinne zu erweitern, dass nicht nur die ^Compensations- und Clearingabkommen als solche, sondern auch die Gründe, welche die Staaten zum Abschluss solcher Verträge bewogen haben, einbezogen würden.

Der Bericht der Kommission an die Völkerbundsversammlung wurde durch Herrn- Munters (Lettland) unterbreitet. Er enthielt eine Einleitung über die heutige Wirtschaftslage, sodann eine Analyse der Verhandlungen der Kommission und berührte in seinem letzten Teil einige im Verlauf der allgemeinen Aussprache durch gewisse Delegationen aufgeworfene Spezialfragen.

Unter letzteren ist besonders das Inkrafttreten der sechs Abkommen über die Vereinheitlichung des Wechsel- und Checkrechtes1), die Anhandnahme der Prüfung von Keiseverkehrsfragen und die verschiedenen Arbeiten des Wirtschaftskomitees, von denen wir oben gesprochen haben, hervorzuheben.

b. Finanzfragen. Das Finanzkomitee befasste sich wie letztes Jahr hauptsächlich mit der Finanzlage Österreichs, Ungarns, Bulgariens, Griechenlands und Rumäniens.

In bezug auf Österreich betonte das Komitee, dass dieses Land den Beweis der Erholungsfähigkeit erbracht habe, obwohl es stark durch politische Schwierigkeiten gehindert war. Die Stabilität der Währung wurde nicht in Frage gestellt, und die Reserven der österreichischen Nationalbank vergrösserten sich andauernd. Die Goldvorräte und, diejenigen an fremden Devisen stiegen von 257 Millionen Schilling bei Jahresende 1933 auf 286 Millionen zu Ende August 1934. Die Spareinlagen nahmen in der gleichen Zeitspanne um ungefähr 50 Millionen Schilling zu. Der Zinsen dienst der Staatsanleihen erfolgte ordnungsgemäss. Die kurzfristige Schuld, die bei der Verlängerung vertraglich gesperrt worden war, ist derart vermindert worden, dass sie kein ernsthaftes Problern mehr darstellt. Die Aufsicht der Eegierung über die Finanzverwaltung ·der Lokalbehörden und über deren Befugnisse zur Anleihenaufnahme wurde verschärft.

Die Budgetlage ist,weniger befriedigend, da die normalen Einnahmen die .Ausgaben nicht decken. Man schätzt, dass das Enddefizit für 1934 sich auf rund 140 Millionen Schilling belaufen wird. Von dieser Summe sind 82 Millionen kassamässig bereits gedeckt. Nächstes Jahr wird dies nicht mehr möglich :sein, und es ist deshalb zu befürchten, dass sich, ernsthafte Probleme in bezug
auf den Voranschlag ergeben werden. Das beste Mittel, um den Schwierigkeiten vorzubeugen, scheint eindeutig die Konversion eines- Teils der öffentlichen Schuld zu sein. Das Finanzkornitee erfuhr deshalb mit Befriedigung, dass der Ausschuss der Garantiestaaten die österreichische Eegierung ermächtigt habe, die Konversion der österreichischen Anleihe von 1923 vorzunehmen. Der Völkerbundsrat nahm während der Versammlung von dieser Absicht Kenntnis x ) Diese Abkommen sind am 1. Januar 1934 in Kraft getreten, mit Ausnahme des Abkommens hinsichtlich der Checkstempelgebühren, das am 29. November 1933 .rechtsgültig wurde.

176 und erklärte sich gemäss einem Antrag des Finanzkomitees und nach Fühlungnahme seines Präsidenten mit den Vorsitzenden des Ausschusses der Garantiestaaten und des Finanzkomitees dazu bereit, die «Trustées» für die Konversionsanleihe zu ernennen. ' In Ungarn konnte das Komitee ebenfalls Symptome einer Besserung wahrnehmen. Die ausserordentlich günstige Ernte von 1933 hat zweifellos zu diesem Aufschwung beigetragen. Die industrielle Erzeugung nahm zu, und die Arbeitslosigkeit verminderte sich. Dagegen ist ein bedauerlicher Stillstand hinsichtlich der Spareinlagen und der Kontokorrentgelder zu verzeichnen. Das Problem aber, das heute die schwerste Besorgnis hervorruft, ist die Versorgung der ungarischen Nationalbank mit freien fremden Devisen, welche für den Ankauf unentbehrlicher Eohstoffe, für die Auslandsausgaben des Staates und für die Überweisung der Zinszahlungen auf ausländische Schulden nötig sind. Im Einvernehmen mit der ungarischen Eegierung fährt das Finanzkomitee fort, Mittel und Wege zu suchen, um die Finanz- und Wirtschaftslage des Landes zu sanieren.

In bezug auf Bulgarien stellte das Finanzkomitee eine gewisse Entspännung fest, die, um aufrecht erhalten zu werden, ununterbrochener Anstrengungen bedarf. Diese Besserung kann der teilweisen- Durchführung der' Eatschläge zugeschrieben werden, welche das Finanzkomitee im Einverständnis, mit der bulgarischen Eegierung im Mai 1933 *) erteilt hatte. Das Komitee konnte feststellen, dass neben andern Massnahmen Gehaltsverminderungen,.

Beamtenentlassungen und administrative Eeformen vorgenommen worden waren. Es ist nichtsdestoweniger der Ansicht, dass einzig eine enge Zusammenarbeit mit der bulgarischen Eegierung die Durchführung eines rationellen Sparprogramms und die Aufstellung des Voranschlages für 1935 auf einer gesunden Grundlage ermöglichen wird.

Für die Prüfung der Lage in Griechenland konnte sich das Komitee eines Berichtes seines Vertrauensmannes bei der Bank von Griechenland bedienen. Die Angaben dieses Berichtes gestatten, eine gewisse Tendenz zur Besserung anzunehmen.

Im Mai 1933 hatte Eumänien ein Abkommen ratifiziert über eine durch den Völkerbund zu schaffende Organisation, die eine beratende und technischeZusammenarbeit mit der rumänischen Eegierung zur Aufstellung und Durchführung eines finanziellen und wirtschaftlichen
Wiederaufbauprogrammes bezwecken sollte. Am 18. Mai 1934 teilten die rumänischen Behörden dem Völkerbundsrate mit. dass die Verhältnisse sich seit einem Jahr so stark verändert hätten, dass sie keine Möglichkeit zur Verwirklichung dieses Programmes mehr sähen. Sie behielten sich indessen das Eecht vor, ein neues Gesuch um finanztechnische Zusammenarbeit einzureichen, wenn deren Notwendigkeit sich später fühlbar, machen sollte.

*) Vgl. unsern letztjährigen Bericht, Bundesbl. 1934, I, 252.

177

Die zweite Kommission widmete den Finanzfragen keine besondere Aussprache. Verschiedene Delegierte warfen jedoch in ihren Ausserungen zur Wirtschaftslage Probleme dieser Art auf, wie beispielsweise das der Stabilität der Währungen, der Eolie des Goldes,in der heutigen Wirtschaft oder der Eückkehr zur Goldwährung.

2. Organisation für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr.

Im Laufe des vergangenen Jahres hat sich die Organisation für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr vor allem bemüht, das Belegmaterial über gewisse Fragen zu vervollständigen, um so die Wiederaufnahme internationaler Verhandlungen zu erleichtern, sobald die 'Umstände es wieder gestatten werden. Sie hat in diesem Zusammenhang einen Bericht über die Wirtschaftlichkeit des Luftverkehrs in Europa verfasst. Ferner nahm sie: auf Grund, eines Beschlusses der letzten Völkerbundsversammlung eine Untersuchung über die durchgeführten oder in Durchführung begriffenen öffentlichen Arbeiten in den einzelnen Ländern vor. Zwar sind alle Antworten der Eegierungen noch nicht eingetroffen ^l, aber nach den bereits erhaltenen Bescheiden kann angenommen werden, dass diese Angelegenheit eine besonders interessant« Entwicklung nehmen wird. Hinsichtlich, des. Strassenverkehrs hat die Organisation ihre Arbeiten über die Eegelung der Signalisierung bei Bahnübergängen fortgesetzt. Auf dem Gebiete des Eisenbahnverkehrs werden die Studien weitergeführt, um Musterabkommen vorzubereiten, die den Abschluss- von gegenseitigen Abmachungen über die Grenzstationen erleichtern sollen. Li bezug auf die Luftschiffahrt stellen die unternommenen Arbeiten den Abschluss einer internationalen Übereinkunft in Aussicht, welche die Zollfreiheit für Brennstoffe vorsieht. Was die Seeschiffahrt anbelangt, hat das Sekretariat des Völkerbundes die Antworten der meisten Eegierungen zu den Vorschlägen über die Vereinheitlichung der Fahrwasserbezeichnung längs der Küsten erhalten.

Eine neue Frage betreffend die internationale Eegelung des Seeverkehrswurde der Organisation für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr von der britischen Begierang; unterbreitet. Es handelt sich um die Verunreinigung der Küstengewässer durch Petroleum. Dies ist eigentlich das einzige Problem, dem die zweite Kommission dieses Jahr besondere Aufmerksamkeit schenkte.

Der Delegierte Grossbritanniens setzte die Gründe auseinander, welche diesen Vorschlag veranlagst hatten, und wies dabei vor allem auf die Beschwerden der am Fischfang beteiligten Kreise hin ; diese Beschwerden werden durch Gutachten, die Fachmänner über den durch Öl- und Petroleumrückstände der Seetierwelt zugefügten Schaden abgegeben haben, bekräftigt.

Die Kommission nahm mit Genugtuung von der
Initiative der Kommission: für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr Kenntnis, die einen besonderen Bericht über die Tätigkeit der radioelektrischen Station des Völkerbundes abgefass't hat.

J

) Die Schweiz hat am 16. August 1934 geantwortet.

178 3. Hygieneorganisation.

Diese Organisation hat seit der letzten Völkerbundsversammlung ihre ständigen Arbeiten, das heisst die allgemeinen wissenschaftlichen Forschungen, sowie ihre zeitweiligen Arbeiten, nämlich die Zusammenarbeit mit verschiedenen Ländern zwecks Verbesserung der allgemeinen gesundheitlichen Bedingungen, fortgesetzt. Wir würden den Eahmen dieses Berichtes überschreiten, wenn wir die von ihr unternommenen wissenschaftlichen Forschungen in den Einzelheiten auseinandersetzen wollten. Es genüge zu bemerken, dass sie ihre Aufgabe betreffend die biologische Standardisation fortsetzte und sich bemüht hat, die Bekämpfung der verheerendsten Epidemien, wie des Sumpffiebers und der Malaria, zu organisieren. Die Sumpffieberkommission hat im besondern nach einem Fiebermittel geforscht, das gleich wirksam, aber weniger teuer als ·Chinin wäre. In bezug auf das Bureau in Singapore kann gesagt werden, dass es zu einem unentbehrlichen und geschätzten Faktor der gesundheitlichen Aktion im Orient geworden ist.

Auf dem Gebiete der internationalen Zusammenarbeit hat die Organisation ihre Mitwirkung weiterhin verschiedenen Ländern gewährt, vor allem China, wohin sich der Direktor der Hygienesektion des Völkerbundes persönlich begab, um die Bedingungen zu prüfen, unter denen sich die Zusammenarbeit der Behörden mit den technischen Organen des Völkerbundes am besten durchführen liesse. Auch andern Ländern, wie Griechenland, Bumänien und Chile wurde der Beistand der Hygieneorganisation zuteil.

Im Schosse der zweiten Kommission wiesen verschiedene Delegierte auf die engen Beziehungen hin, die zwischen Hygiene und Volkswirtschaft bestehen.

Der Vertreter Italiens erinnerte an die Bemühungen des Völkerbundes zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch Förderung der Anhandnahme grosser öffentlicher Arbeiten und wies dabei darauf hin, wie nützlich es wäre, den Arbeiten der öffentlichen Hygiene den Vorrang zu geben. Der Delegierte Mexikos entwickelte diesen Gedanken weiter und begrüsste die Bestrebungen der Hygieneorganisation zum Studium der Beziehungen zwischen Gesundheit und Krise. Er regte ferner die Einberufung nach Genf eines internationalen Kongresses für Arbeiten der öffentlichen Hygiene an. Diese Veranstaltung soll die unverzügliche und tatsächliche Verwirklichung der Besolutionen der internationalen Arbeitskonferenz und der
Völkerbundsversammlung bezwecken.

Naehdem mehrere Delegationen noch die Massnahmen ihrer Länder auf gesundheitlichem Gebiete dargelegt hatten, wurde die Tätigkeit der Hygieneorganisatioxi seitens der Kommission gebilligt x ).

4. Organisation für geistige Zusammenarbeit.

Die internationale Kommission hat wie gewohnt im Juli ihre Plenarsitzung in Genf abgehalten und die vielgestaltige Tätigkeit der Organisation, von der hier nur ein unvollkommenes Bild gegeben werden kann, einer Betrachtung *) Vgl. die Eesolution im Anhang, S. 226 f.

179

unterzogen. Der ständige Atisschuss für Literatur und Kunst veranstaltete in Venedig anlässlich der alle zwei Jahre wiederkehrenden Ausstellung moderner Kunst erneute «Gespräche». Die beiden Themata dieser Gespräche waren das Problem der Wirklichkeitsdarstellung in der modernen Kunst und dasjenige der Beziehungen zwischen Kunst und Staat. Eine weitere Zusammenkunft fand in Paris unter der Ägide des Institutes für geistige Zusammenarbeit, der französischen Nationalkommission und eines Ausschusses für europäische Zusammenarbeit statt. Zur Diskussion stand die Frage der Zukunft des europäischen Geisteslebens. Sie war Gegenstand eines interessanten Meinungsaustausches, der in einem besonderen Bande niedergelegt wurde.

Nachdem sich die ständige Konferenz für höhere internationale Studien während der vergangenen Jahre mit Arbeiten über den Staat und das Wirtschaftsleben befasst hatte, beschloss sie, an das Studium der gemeinschaftlichen Sicherheit heranzutreten. Eine vorbereitende Zusammenkunft fand im Hinblick auf die Generalkonferenz des Jahres 1985, die das Problem eingehend bebandeln wird, im Mai in Paris statt.

Auf Anregung des amerikanischen Professors Shotwell nahm die internationale Kommission die Bearbeitung eines dem Aufgabenkreis der Konferenz für höhere internationale Studien benachbarten Gebietes in Angriff, nämlich die internationale Zusammenarbeit auf sozial- und staatswissenschaftlichem Boden. Das ausgearbeitete Programm umfasst sine Zusammenstellung der in Betracht kommenden Einrichtungen und Organisationen, der Forschungen über die Grundsätze und die Methoden der Sozial- und Staatswissenschaft, der Arbeiten über bestimmte Probleme, wie der Einfluss der Maschine auf das moderne Leben.

Im Bereiche des Unterrichtswesens wird die zwischen den Leitern des höheren Unterrichts gewisser Länder angebahnte Zusammenarbeit fortgesetzt, und das gleiche gilt von den Arbeiten des beratenden Ausschusses zur Aufklärung der Jugend über die Ziele und die Tätigkeit des Völkerbundes. In zweiunddreissig Ländern sind Zentralstellen pädagogischer Forschungsergebnisse geschaffen worden, und das Institut hat die Absicht, im Jahre 1935 eine Konferenz dieser Zentralstellen zu veranstalten. Die Kommission fasst im Hinblick auf die Bevision der Lehrbücher die Möglichkeit der Ausarbeitung eines,allgemein gültigen
Entwurfes für gegenseitige Abkommen ins Auge, welch letztere ein Ausschalten von Unstimmigkeiten, die sich aus der Auslegung gewisser geschichtlicher Ereignisse ergeben, herbeizuführen hätten.

Es sei erwähnt, dass sich die Organisation rnit'Erfolg an den Arbeiten der Konferenz beteiligte, die sich in London mit der Abänderung des Pariser Abkommens über das gewerbliche Eigentum befasste. Sie setzt auch die Studien für die Konferenz in Brüssel fort, deren Aufgabe es sein wird, eine Erneuerung des Berner Abkommens über den Schutz des literarischen und künstlerischen Eigentums herbeizuführen, und sie bemüht sich auch weiterhin, die Abkommen von Bern und Havanna miteinander in Einklang zu bringen.

180 Die Versammlung hatte die Organisation im Jahre 1931 mit dem Studium der Gesamtheit der aus der Benützung des Eundfunks sich ergebenden Probleme beauftragt. Ein Vorentwurf zu einem diesbezüglichen Abkommen ist ausgearbeitet und in der Folge den Eegierungen zur Prüfung unterbreitet worden.

Dieser Vorentwurf soll unter Berücksichtigung der eingegangenen Antworten von einem Sachverständigenausschuss durchgesehen werden. Unser Land hat den Gedanken, der dem Entwurf zugrunde liegt, gebilligt, aber mit dem Vorbehalt, die einzelnen Bestimmungen zu gegebener Zeit des nähern zu erörtern.

Was die Bibliotheken anbelangt, ist eine Untersuchung über die Ausbildung der Bibliothekare eingeleitet worden. Die Zusammenarbeit zwischen den Archivaren hat in der Vorbereitung eines «Internationalen Archiv-Handbuches» ihren Ausdruck gefunden.

Das internationale Amt für Museumswesen hat wie in den früheren Jahren wiederum eine rege Tätigkeit entfaltet. Es befasste sich besonders mit der Verwirklichung der Anregungen, die es im vergangenen Jahre -1) der Versammlung zur Genehmigung unterbreitet hatte. Eine internationale Kommission für historische Denkmäler ist ins Leben gerufen worden, und wir erklärten uns bereit, in derselben vertreten zu sein. Die Eegierungen sind ausserdern über ihre. Stellungnahme zum Vorentwurf eines Abkommens über den gesetzlichen Schutz des künstlerischen und wissenschaftlichen Nationalgutes befragt worden ; auf Grund der Antworten wird durch das Amt ein endgültiger Entwurf ausgearbeitet werden 2). Das Amt hat sich überdies mit der Vorbereitung einer Konferenz für das Studium der Probleme der allgemeinen Museumskunde befasst. Diese Konferenz hat im Oktober 1934 in Madrid stattgefunden.

Unter den wissenschaftlichen Fragen, mit denen sich die Organisation befasste, sind der Ausbau der Zusammenarbeit der wissenschaftlichen Museen, die Vereinheitlichung wissenschaftliche!1 Ausdrücke, die Veröffentlichung jährlicher Tabellen konstanter Grossen und zahlenmässiger Angaben zu erwähnen.

Die Tätigkeit des Lehrfilminstitutes entwickelte sich hauptsächlich im Eahrnen des Kongresses, der in Eom vom 19. bis 25. April abgehalten wurde.

Dem Kongresse wohnten Vertreter von etwa vierzig Ländern 3) und von internationalen sowie nationalen Organisationen bei, die sich für den Lehrfilm interessieren; auch
zahlreiche Privatpersonen nahmen am Kongresse teil. Es handelte sich in gewissem Sinne darum, nach fünf Jahren vorbereitender Arbeit die unternommenen Studien synthetisch zusammenzufassen und ein.

Aktionsprogramm für die Zukunft vorzubereiten. Der Kongress war in der Lage festzustellen, dass eine beträchtliche Anzahl von Fragen nunmehr sprach*) Vgl. unsern letztjährigen Bericht, Bundesbl. 1934, I, S. 256.

2 ) Es dürfte schwer halten, uns an einem Abkommen dieser Art zu beteiligen, da eine Bundesgesetzgebung auf dem genannten Gebiete nicht besteht.

3 ) Die Schweiz war offiziell durch Herrn G. Imhof, Direktor der Schweizerischen Lehriilmkamiaer in Basel, vertreten.

181

reif geworden ist und dass es in bezug auf dieselben möglich sein wird, ohne weiteres von der Theorie zur Praxis überzugehen. Dies ist insbesondere der Fall hinsichtlich der Lehrfilme und der Filme für soziale Propaganda.

Anderseits stellte es sich heraus, dass das römische Institut noch grosse Aufgaben zu bewältigen hat, die sich aus internationalen Fragen ergeben, welche, wie die geistige Annäherung, das wechselseitige Verständnis unter den Völkern, die Hebung des intellektuellen und moralischen Standes der Lichtspielproduktion, mit dem Gebrauch des Films im Zusammenhange stehen.

Es wird Sache des Institutes sein, in enger Zusammenarbeit mit der Pariser Organisation zu prüfen., was in dieser Hinsicht erreicht werden kann.

Die Verhandlungen der sechsten Kommission, welcher die Fragen der geistigen Zusammenarbeit überwiesen worden waren, gestalteten sich sehr lebhaft. Gewisse nicht europäische Staaten -- und dies ist vielleicht das wichtigste Ergebnis der Diskussion -- bekundeten ein besonders reges Interesse für das Werk der geistigen Zusammenarbeit. Gemeinsam ersuchten nämlich verschiedene Delegierte Lateinamerikas die Organisation, sich einerseits mit dem wissenschaftlichen und methodischen Studium des Ursprunges der amerikanischen Zivilisation zu befassen und anderseits eine Sondermission nach Südamerika zu entsenden. Die Vertreter von Südafrika und Neuseeland trugen ebenfalls in positiver Weise zur Aussprache bei, und Herr Quo Tai-Chi (China) legte Wert darauf,: der Organisation seinen Dank, für den nützlichen Beistand auszusprechen, den sie auch weiterhin seinem Lande angedeihen lässt,.

Immerhin war im allseitig geäusserten Lob ein gewisser Misston zu vernehmen. Der ungarische Delegierte, Herr von Eckhardt, warf den Staaten der 'Kleinen Entente vor, die freie Verbreitung ungarischer wissenschaftlicher Bücher auf ihrem Gebiete zu verhindern. Die Behauptung rief den Protest der in Frage kommenden Länder hervor und zeitigte eine ziemlich lebhafte Aussprache im Schosse der Kommission. Da der eingereichte Besolutionsentwurf zu keiner Einstimmigkeit führte, behielt sich die ungarische Delegation vor, auf diese Frage später zurückzukommen.

Die schweizerische Delegation hat an der Diskussion nur im Hinblick auf einen bestimmten Punkt teilgenommen. Von der Befürchtung ausgehend, dass die Tätigkeit
einer Konferenz der Zentralstellen, welche sich mit pädagogischer Materialsammlung befassen, den Konferenzen des internationalen Erziehungsbureaus, dessen Mitglied unser Land ist und das seinen Sitz in Genf hat, Abbruch tun könnte, verlieh Herr Motta dem Wunsche Ausdruck, es möchte auf dem Gebiete des Unterrichts die Zusammenarbeit zwischen dem Pariser Institut und dem internationalen Erziehungsbureau erreicht werden. Die Delegierten Spaniens und Kolumbiens schlössen sich Herrn Motta an und zollten der vom Bureau geleisteten .Arbeit ihre Anerkennung.

Für die Eesolutionen. die von der Versammlung hinsichtlich der geistigen Zusammenarbeit genehmigt wurden, verweisen wir auf den Anhang 1).

1

) Vgl. die Resolution im Anhang, S. 239 f.

182 5. Mitarbeit der Presse am Friedenswerk.

"Wie wir in unserm letzten Bericht *) angekündigt haben, ist im November 1933 auf Einladung der spanischen Eegierung eine neue Pressekonferenz in Madrid zusammengetreten. Teilnehmer waren die Vertreter der Begierungspresseämter von dreiunddreissig Ländern 2), die Vertreter von Nachrichtenagenturen, Delegierte internationaler Journalistenverbände und nationaler Gruppen von Zeitungsherausgebern.

Die Konferenz setzte die in Kopenhagen in Angriff genommenen Arbeiten fort. Sie unterzog die Ergebnisse der vom Völkerbundssekretariat gemachten Erhebungen über Mittel und Wege zur Verhütung der Verbreitung falscher Nachrichten einer eingehenden Prüfung 3). Sie liess es sich angelegen sein, gewisse Grundsätze, wie die Pressefreiheit und die Notwendigkeit einer raschen Übermittlung authentischer Nachrichten an die Presse, neuerdings zu betonen.

Mit Genugtuung nahm man von den Fortschritten Kenntnis, die seit der Konferenz in Kopenhagen erzielt worden sind (Gründung eines internationalen Verbandes der Vereine von Zeitungsdirektoren und Herausgebern, Schaffung von Pressedienstzweigen bei den Delegationen zu internationalen Konferenzen usw.). Die Konferenz nahm ferner verschiedene Resolutionen an, in denen das Programm der künftigen Arbeiten vorgezeichnet ist. So sprach sie sich zugunsten periodisch wiederkehrender Konferenzen aus und ernannte zu diesem Zwecke einen Organisationsausschuss. Das Institut für geistige Zusammenarbeit wurde eingeladen, seine Studien über die Aufgabe der Presse weiterzuführen.

Es war sodann von Fragen beruflicher Art, wie der Rechtsstellung der Auslandskorrespondenten, dem Ehrgerichtshof für Journalisten und der internationalen Pressekarte, die Rede.

Die Konferenz empfahl anderseits die Bildung eines Sachverständigenausschusses, durch den ein Bericht über die geeigneten technischen und finanziellen Mittel zur Unterdrückung falscher Nachrichten und den Abschluss von zwei- und mehrseitigen Verträgen zur Richtigstellung unzutreffender Nachrichten auszuarbeiten wäre. Ein Abkommen dieser Art kam während der Konferenz zwischen den Vereinigungen der Zeitungsherausgeber der Schweiz, der Niederlande und Polens zustande.

Die Verhandlungen der zweiten Kommission über die Arbeiten der Madrider Konferenz waren äusserst aufschlussreich. Herr Borgbjerg
(Dänemark) und Herr Sierra (Spanien) wiesen vorerst auf die schwere Verantwortung hin,, welche der Presse bei der Entwicklung internationaler Konflikte anheimfällt, und der Vertreter Spaniens betonte, wie heikel es sei, die fast einstimmig geforderte Pressefreiheit mit dem Kampf gegen die Verbreitung falscher Nach!) Vgl. Bundesbl. 1984, I, S. 279.

) Da die Schweiz kein Regierungspresseamt hat, waren wir nicht in der Lage,.

eine Delegation nach Madrid zu entsenden. Wir haben indessen unsere Gesandtschaft in Spanien beauftragt, die Arbeiten der Konferenz als Beobachter zu verfolgen.

3 ) Vgl. Bericht über die XIII. Versammlung, Bundesbl. 1933, I, S.. 172.

2

183

richten in Einklang zu bringen. Die Delegierten Frankreichs, Ungarns, Polens,, der Niederlande, Italiens und Chinas bekundeten der Eeihe nach ihr Interesse für die in Madrid geleistete Arbeit und billigten die Teilnahme des Völkerbundes an der Vorbereitung von Pressekongressen. Nachdem Herr Cassin (Frankreich) nebenbei die besondere Verantwortung jener Länder hervorgehoben hatte, in denen die Presse unter Begierungskontrolle steht, führte Herr Cavazzoni (Italien) aus, die Presse gehorche zuweilen in andern Ländern gewissen Gewalten, die, um Geld zu verdienen, nicht davor zurückschrecken, die Völker1 der Kriegsgefahr auszusetzen. Einen ähnlichen Standpunkt hatte Herr Broekhuisen (Südafrika) vertreten, der sich, bei aller Anerkennung der vom Völkerbund auf diesem Gebiete geleisteten Arbeit, hinsichtlich eines Erfolges im Gegensatz zu den übrigen Delegierten ausgesprochen pessimistisch zeigte, indem er bis zur Erklärung ging, dass er auf Grund einer fünfzigjährigen Erfahrung an der Möglichkeit der Unterdrückung falscher Nachrichten zweifle.

Die von der Kommission angenommene Resolution, gibt unter anderai dem Wunsche Ausdruck, eine Regierung möge die Aufgabe übernehmen, später eine neue Konferenz einzuberufen, und richtet eine^Einladung an den Völkerbundsrat, das Sekretariat zu ermächtigen, die Organisation der nächsten Konferenz nach Möglichkeit zu fördern -1).

D. Sicherheit und Abrüstung, Da die Konferenz zur Herabsetzung und Beschränkung der Rüstungen ihre Arbeiten nicht beendet hat, konnte die Völkerbundsversammlung auch dieses Jahr die Prüfung der Fragen, die sich namentlich aus der Durchführung des Artikels 8, des Paktes ergeben, nicht wieder aufnehmen. Die dritte Kommission, welche diese Probleme gewöhnlich behandelte, wurde daher nicht gebildet. .

,.

E. Finanzielle und verwaltungstechnische Fragen.

Diese Fragen, die in den Zuständigkeitsbereich der vierten Kommission gehören, gaben zu keiner so ausführlichen Aussprache wie in den früheren Jähren Anlass. Die finanzielle Lage hat sich etwas gebessert, weshalb zur Kritik weniger Grund vorhanden war. Um uns aufs wesentlichste zu beschränken, geben wir nachstehend einen Überblick über 'die Besprechungen und die Beschlüsse hinsichtlich der folgenden vier Punkte: Abrechnung 1933 und Voranschlag 1935,.

rückständige Mitgliederbeiträge, Verteilung
der Ausgaben und Pensionskasse.

1. Abrechnung 'über das fünfzehnte und Voranschlag für das siebzehnte Rechnungsjahr. Nach Kenntnisnahme des Berichtes des Rechnungsrevisörs Herrn Ceresa empfahl die Kontrollkommission der Versammlung, die Abrech-.

nung über das Jahr 1933 in der ihr unterbreiteten Form zu genehmigen. Sie wies auf «die umsichtige Geschäftsführung des Generalsekretärs und der Di1

) Vgl. die Eesolution im Anhang, S. 227 f.

184

.rektoren der selbständigen Organe des Völkerbundes hin, die es ermöglicht hat, das Bechnungsjahr 1933 mit einem geringen Überschuss (Fr. 209,354) abzuschliessen, obschon die Einnahmen -- laufende und rückständige Mitgliederbeiträge -- nur 82,32 % des Voranschlages ausmachten.» Sie schlug vor, dass ·dieser Überschuss dem Konto gutgeschrieben werde, das letztes Jahr zur Tilgung ·der durch die Dollarentwertung entstandenen Verluste eröffnet worden war.

Was die Ergebnisse der Abrechnung für das Jahr 1933 anbetrifft, fasste sie Herr Ceresa folgendermassen zusammen: .

· «Von den 33,429,132 Goldfranken, welche die Mitgliedstaaten als Beitrag schuldeten, gingen 24,269,067.78 Goldfranken ein. Am 31. Dezember 1933 waren demnach noch 9,160,064.22 Goldfranken ausstehend.» «Von den durch die Versammlung bewilligten Krediten von 33,429,132 Goldfranken zur Deckung der Ausgaben für das Eechnungsjahr sind in Wirklichkeit 27,309,069.15 Franken verausgabt worden, d. h. 6,120,062.85 Franken "weniger als vorausgesehen.» «Trotzdem ergab sich gegenüber den tatsächlichen Einnahmen ein Ausgäbenüberschuss von §,040,001.37 Franken.» In bezug auf die Botschaft zum Voranschlag ist zu sagen, dass sich der von den Organen des Völkerbundes eingereichte und durch die Kontrollkommission ·geprüfte Entwurf auf 30,461,300 Goldfranken belief. Er war um ungefähr -400,000 Franken niedriger als der für 1934 bewilligte Voranschlag.

Die Kontrollkommission wies in ihrem Bericht an die Versammlung von neuem auf die ganz besondere Lage hin, in der sich der Völkerbund hinsichtlich des Voranschlages befindet. Wenn alle Staaten die laufenden Beiträge ^bezahlen würden, wäre es möglich, gewisse Posten zu vermindern. Da man aber mit der Zahlungsunfähigkeit verschiedener Staaten rechnen muss, ergibt sich aus dem Voranschlage notwendigerweise ein falsches Bild, und nur durch Kredite, die zwar nicht fiktiv sind, aber zu hoch berechnet werden, lässt sich das finanzielle Gleichgewicht aufrechterhalten oder das Eechnungsjahr sogar mit einem Einnahmenüberschuss abschliessen. Dieses System bringt Nachteile mit sich; man ist gezwungen, von den zahlenden Staaten höhere Beiträge zu verlangen als jene, die sie zu entrichten hätten, wenn alle Mitglieder ihren Verpflichtungen nachkämen. Aber wie anders handeln, solange der Völkerbund die ernste und leidige
Frage der rückständigen Beiträge, auf die wir später ..zurückkommen werden und die gewissermassen die ganze finanzielle Lage des Völkerbundes beherrscht, nicht gelöst hat ?

Anderseits hob die Kontrollkommission die Tatsache hervor, dass die Einnahmen des Völkerbundes nicht die geringste Dehnbarkeit besitzen.

«Ein Staat», führte sie aus, «hält das Gleichgewicht seines Budgets oft durch eine massige oder gar zu bescheidene Berechnung seiner Einkünfte aufrecht: die tatsächlichen Einnahmen erweisen sich höher als die Schätzungen, und derart wird jede Gefahr eines Kassadefizites umgangen. Dies trifft beim Völkerbund nicht zu. Der Voranschlag seiner Einnahmen stimmt genau mit den vorgesehenen Ausgaben überein: er kann in'einem be-

185 . stimmten Geschäftsjahr nie mehr einnehmen 1). Hingegen kommt es vor, dass er weniger einnimmt, und dies ist sogar für gewöhnlich der Fall. Notwendigerweise ergibt sich hieraus ein Fehlbetrag, da man die Ausgaben nicht in gleichem Masse einschränken kann.» Nach ! Genehmigung der Abrechnung für das Jahr 1933 konnte die Kommission zur allgemeinen Aussprache über den Entwurf zum Voranschlag schreiten. Dièse war verhältnismässig kurz. Der Generalsekretär hob hervor, dass seit 1932 sämtliche Voranschläge eine fortschreitende Verminderung auf weisen: für 1932, 33,867,000; für 1933, 33,429,000; für 1934, 30,827,000; für 1935, 30,461,000. Dabei musste für das Jahr 1935 ein besonderer Kredit von ungefähr 545,000 Franken, für die Übersiedlung der Dienstzweige des Sekretariats in die Gebäulichkeiten der Ariana eingeräumt werden. Es wurde überdies betont, dass infolge der von früheren Versammlungen beschlossenen Reorganisation des Sekretariats 58 Stellen ' aufgehoben worden sind, was eine Ersparnis von über 700,000 Franken mit sich brachte.

Mehrere Delegierte gaben ihrer Genugtuung über die geleistete Arbeit Ausdruck. Auch der Vertreter der Schweiz: unterliess nicht, sich in diesem Sinne zu äussern. «Während die allgemeine Aussprache», erklärte Herr Eappard, «bis anhin hauptsächlich dazu diente, gemeinsam oder einzeln dem Bedauern, der Besorgnis, der Unzufriedenheit und den Anschuldigungen Ausdruck zu geben», hört man heute «Äusseruiigen, die alle Freunde von Einschränkungen freuen müssen.» Unser Delegierter fügte bei, dass «man um'so mehr befriedigt sein kann, als keine Delegation das Gefühl hat, dass diese Sparmassnahmen ein Nachlassen der Tätigkeit des Sekretariats gezeitigt haben.

Dieses Ergebnis bestätigt, was man sich seit Jahren zu denken und zu wiederholen berechtigt fühlte, nämlich, dass verschiedene Einsparungen keine Verminderung der Leistung des Sekretariats nach sich ziehen würden.» Der britische Delegierte verhehlte -trotzdem einen gewissen Pessimismus nicht.

Er gab zu, «dass viele ausgezeichnete Eeformen erreicht worden sind und dass man auf noch bessere Ergebnisse für die Zukunft hoffen kann. Trotz allem übersteigt die tatsächliche Ausgabenverminderung für 1935 kaum l %.» Sir Ernest Bennett ist im Hinblick auf den Austritt Japans und Deutschlands und der für den Völkerbund hieraus
entstehenden Einnahmeverluste der Ansicht, dass trotz der schon erwirkten Einsparungen die für 1935 und 1936 zu leistenden Beiträge voraussichtlich eine Erhöhung erfahren werden. Er stellte fest, «dass die Staaten, die ihre Beiträge bezahlen, somit den gleichen Schwierigkeiten gegenüberstehen werden und die Notwendigkeit zum Sparen weiterhin eine dringende bleiben wird».

Im Laufe der eingehenden Prüfung des Voranschlages wurden in der Kommission verschiedene Anregungen über neue Ersparnismöglichkeiten gemacht.

So fand dei: Delegierte von Haiti die Gehälter zu hoch und frug sich, warum *) Dies ist. nicht ganz zutreffend. Der Völkerbund verkauft seine Drucksachen und ejrzielt dabei einen gewissen Gewinn. Dieser könnte theoretisch beträchtlich sein und daher die Einnahmen beeinflussen.

Bundesblatt. 87. Jahrg. Bd. I.

16

186 dieselben nicht auf der Basis der vom Eidgenössischen Politischen Departement bezahlten Gehälter festgesetzt -würden, da doch der Völkerbund seinen Sitz in der Schweiz habe. Herr Eappard griff gewisse Äusserungen des Generalsekretärs auf über die beständig an diesen gerichteten Gesuche betreffend die Anstellung von Mitarbeitern aus diesem oder jenem Staate und hielt die Abgabe folgender Erklärung angezeigt : 1. «Bei der Anstellung neuer Beamter ist der Grundsatz zu vertreten und anzuwenden, dass die verwaltungstechnischen Interessen allen andern Erwägungen voranzustellen sind.

2. Die neuen Beamten sind immer mit dem Minimalgelialt ihrer Klasse anzustellen, es sei denn, dass kein geeigneter Kandidat gefunden werden kann, der das Amt zu diesen Bedingungen anzunehmen gewillt ist.» In Anlehnung an diese äusserst günstig aufgenommene Anregung des schweizerischen Delegierten genehmigte die Kommission folgende Empfehlung : «Die neuen Beamten sind immer mit dem Mindestgehalt ihrer Klasse zu wählen, es sei denn, dass es unmöglich ist, gebührend qualifizierte Anwärter zu finden, die bereit sind, im Sekretariat unter diesen Bedingungen zu arbeiten.» Anlässlich der Erörterungen über das internationale Arbeitsamt spendeten verschiedene Delegierte dieser Einrichtung, «die trotz der Krise das Werk des Wiederaufbaus und der sozialen Gerechtigkeit unermüdlich fortsetzt», ihr Lob. Andere gaben ihrer Genugtuung über die nunmehr gesicherte Mitarbeit der Vereinigten Staaten von Amerika Ausdruck.

Nach eingehender Prüfung der drei Teile des Voranschlages, nämlich Sekretariat, internationales Arbeitsamt und ständiger internationaler Gerichtshof, wurde das Budget endgültig folgendermassen aufgestellt *) : Goldfranken

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

Sekretariat Internationales Arbeitsamt Ständiger internationaler Gerichtshof Ständiges Zentralkomitee für Opium Internationales Flüchtlingsamt Nansen Liegenschaften in Genf Pensionen

15,041,388 8,686,046 2,535,646 114,984 280,000 2,209,000 1,772,600 30,639,664

2. Rückständige Mügliederbeiträge. Die Frage der rückständigen Mitgliederbeiträge erregt je länger je mehr Besorgnis. Falls diesem Missstande nicht bald abgeholfen wird, dürfte die finanzielle Grundlage des Völkerbundes stark erschüttert werden. Die ausstehenden Beträge haben während des Geschäftsjahres 1933 um 6 Millionen zugenommen und belaufen sich zurzeit *) Vgl. die Eesolution im Anhan

S. 228.

187 auf nahezu 30 Millionen, id. h. auf eine Summe, die annähernd dem Gesamtbetrage eines jährlichen Voranschlages gleichkommt. Wie der Bechnungsrevisor in seinem Bericht sehr richtig hervorhob, «stört dieser Zustand nicht nur das finanzielle Gleichgewicht des Völkerbundes, indem er das Schatzamt, in grosse Schwierigkeiten versetzt und dem Ansehen der ganzen Institution schadet, sondern er gibt auch Anlass zu einer wachsenden Unzufriedenheit unter den ihre Beiträge regelmässig zahlenden Staaten, deren Belastung durch die Tatsache, dass andere Staaten die gemeinsam übernommenen Verpflichtungen nicht erfüllen, indirekt erhöht -wird». Die Kontrollkommission konnte nicht umhin, sich mit dieser Sachlage zu beschäftigen. Sie hatte auch gewisse Wege zur Lösung dieses leidigen Problems geprüft, aber die ins Auge gefassten Möglichkeiten wurden bald wieder fallen gelassen, da sie den Staaten, die ihre Beiträge regelmässig leisten, nur neue Opfer auferlegt hätten. Es wäre wirklich nicht angebracht gewesen, in dieser Bichtung einen Ausweg aus den gegenwärtigen Schwierigkeiten zu suchen. Vor allem sollen die Schuldnerstaaten ihren Verpflichtungen nachkommen.

Der britische Delegierte gab der Unzufriedenheit seiner Regierung Ausdruck. Er verhehlte nicht, «class die Völkerbundsmitglieder, die ihre Beiträge ordmingsgemäss entrichten, in zunehmendem Masse verärgert werden, wenn sie früher oder später bemerken müssen, dass sie mehr bezahlen, als tatsächlich nötig wäre, sofern die andern Mitglieder ihren finanziellen Verpflichtungen dem Bunde gegenüber ebenfalls nachkämen». Nach der Ansicht des Vertreters Australiens kann dieser Zustand nicht mehr länger andauern. Seines Erachtens «müssen selbst auf die Gefahr hin, .dass sich die ini Eückstande gebliebenen Staaten verletzt fühlen, alle nützlichen Massnahmen getroffen werden». Herr ' Bruce erklärte, dass «der dem Völkerbund zu entrichtende Beitrag im Finanzhaushalt keines Staates -- und sollte dieser noch so schlecht gestellt sein -- eine derart wichtige Bolle: spielt, dass man nicht dafür aufkommen könnte».

Gleichen Beschwerden und .gleicher Enttäuschung verlieh die neuseeländische Delegation Ausdruck. Ihr Bevollmächtigter verschwieg keineswegs, dass sich der Völkerbund in seinem Lande Gegner schaffe; dies vor allem infolge «der unzulässigen Verhältnisse, die sich
hinsichtlich der Mitgliederbeiträge ergeben haben und wodurch wesentliche Probleme über Gedeihen und i Existenz des Völkerbundes aufgeworfen werden».

Wie im vergangenen Jahre wurde eine Unterkommission damit beauftragt, die für den Völkerbund in jeder Hinsicht missliche Lage zu prüfen. Diese Unterkonimission stellte einmal mehr fest, «dass unter den in Frage stehenden Fällen kein Staat zu verzeichnen ist, der nicht wenigstens einen Teil seines Mitglieder^ beitrages hätte entrichten können, auch wenn er nicht in der Lage gewesen, wäre, den Gesamtbetrag restlos zu zahlen». Da die Unistände sich nicht wesentlich gebessert haben, erinnerte sie daran, dass gemäss der im vorigen Jahr angenommenen Besolution1) die Völkerbundsversammlung «gehalten ist, all!) Vgl. unsern letztjährigen Bericht, Bundesbl. 1934, I, S. 287.

188

gemeine Massnahmen zu prüfen, um die Erfüllung der finanziellen Verpflichtungen durch gewisse Staaten dem Bunde gegenüber sicherzustellen». Zu diesem Zwecke empfahl sie der vierten Kommission unter anderm die « Ernennung eines engeren Ausschusses, der vorbehaltlich der Eatifikation durch die nächste Versammlung die Vollmacht erhält, mit den Staaten zwecks einer angemessenen Begleichung der zu Ende 1932 noch rückständig gebliebenen Schuldbeträge zu verhandeln und Abmachungen zu treffen».

Nach einer Aussprache, in der mehrere Delegierte, namentlich diejenigen Schwedens und Norwegens, nochmals auf den Ernst der Lage hinwiesen 1), ·wurden die Vorschläge der Unterkommission von der vierten Kommission genehmigt. Sir James Parr (Neuseeland) bedauerte, dass die Unterkommission nicht dazu gebracht werden konnte, «strengere Vorschläge» in betreff der Schuldnerstaaten zu machen; er sprach den Wunsch aus, dass der Sonder ausschuss «der Versammlung auch solche Empfehlungen unterbreiten möchte, nach denen entweder die Finanzordnung oder gar der Völkerbunds vertrag dahin abgeändert werde, dass gegen die Staaten, die ihr Wort nicht halten, vorgegangen werden kann». Der schweizerische Delegierte machte geltend, dass es nicht angebracht sei, die Frage der rückständigen Beiträge mit einer übertriebenen Zurückhaltung zu behandeln. Er schlug im Gegenteil vor, ihr eine gewisse Öffentlichkeit zu geben. Herr Eappard erklärte, «es sei jedermann ein schlechter Dienst geleistet, und es beraube die Vertreter der Schuldnerstaaten in Genf des gewichtigsten Argumentes, das sie ihren Eegierungen gegenüber geltend machen können, wenn man diese Frage allzu rücksichtsvoll und allzu geheim behandle 2 )».

3. Verteilung der Ausgaben. Gemäss einer im Jahre 1931 angenommenen Besolution hätte die Kostenverteilungskommission im Jahre 1934 einen neuen Verteilungsschlüssel vorlegen sollen, der dazu gestimmt gewesen wäre, denjenigen von 1925, der seit langem allseitig beanstandet wird, zu ersetzen. Die Behandlung dieser Frage, die schon seit 1928 3) auf 'der Tagesordnung steht, war trotz sich häufender Klagen zahlreicher Staaten von Jahr zu Jahr verschoben worden. Die Sonderkommission machte geltend, dass es beinahe ausgeschlossen sei, diese Aufgabe in Zeiten wirtschaftlicher und finanzieller Unsicherheit auf eine befriedigende Weise zu lösen. Sie kam somit auch dieses Jahr und ungeachtet der im Vorjahr ausdrücklich gefassten Eesolution unverrichteter x

) Vgl. die Resolution im Anhang, S. 229.

) Die Aufstellung der rückständigen Mitgliederbeiträge ist in ihrer Gesamtheit nachfolgende : Konsolidierte Rückstände 7,891,980.37 Goldfranken Fällige Rückstände 8,776,618.91 » Rückstände für 1933 3,227,647.75 » Total 19,896,247.03 Goldfranken 3 ) Der Verteilungsschlüssel von 1925 war für die Jahre 1926,1927 und 1928 festgesetzt worden; ein revidierter Verteilungsplan hätte der Versammlung schon im Jahre 1928 unterbreitet werden sollen.

2

189 Dinge vor die Versammlung und legte in ihrem Berichte dar, «dass die gegenwärtige Lage der Weltwirtschaft die Aufstellung eines revidierten Verteilungsplanes, der nicht aus technischen Gründen zu ernstester, Kritik Anlass gäbe, verunmögliche». Sie wies darauf hin, dass sie als Ausgangspunkt ihrer Arbeiten das «vergleichsweise Nationaleinkommen» nehmen müsse. Nun hat aber das nationale Einkommen aller Staaten «in den letzten Jahren heftige, plötzliche und verschiedenartige Schwankungen durchgemacht», und nach Ansicht der Kommission lässt sich, das Gleichgewicht auch auf Grund der Voranschläge nicht wieder herstellen, da die Angaben der letztern «gegenwärtig keine befriedigende Vergleichsbasis mehr bilden». Dazu kommt eine andere und beinahe unüberwindliche Schwierigkeit: Wollte man versuchen, «das nationale Einkommen, welches in der entsprechenden Landeswährung ausgedrückt die Preise des Innenmarktes wiederspiegelt, zum Kurse der fremden Devisen auf eine gemeinsame Währungseinheit zu bringen, so würde man in vielen Fällen ungenügende und willkürliche Eesultate erhalten». Nach einer «umfassenden und unvoreingenommenen Untersuchung dieser stets sich ändernden Verhältnisse» kam die Kommission «zum Schlüsse, dass, wenn auch der derzeitige Verteilungsplan für diesen oder jenen Staat ungerecht sein mag, sie gestützt auf rein technische Erwägungen trotzdem keine Änderung vorschlagen könne, da eine solche nur neue Ungerechtigkeiten schaffen würde».

Mehrere Delegierte sprachen sich gegen einen weitern Aufschub aus; verschiedene bestanden darauf, dass die ihrem Lande zugeteilte Anzahl von Einheiten ohne Verzug vermindert werde. Staaten wie China. Siam, Indien, Chile, Uruguay und Kuba empfanden die ihnen aufgebürdete Kostenlast als zu schwer.

Besonders China fand, «dass; es zu hoch besteuert werde». Seit Jahren bittet es um Prüfung seines Falles, aber diese Untersuchung ist immer wieder verschoben worden. Der chinesische Delegierte erklärte, dass China selbst bei einer 50 %igen Herabsetzung seines Beitrages noch «einen weit höheren Beitrag entrichten würde, als ihn irgendein anderer Staat im Verhältnis zu seinem nationalen Voranschlag bezahlt». Er fügte übrigens bei, dass sich keine «tatsächliche Verminderung» ergeben würde, da «China auch weiterhin alljährlich ein und ein Viertel Millionen Goldfranken
als Jahresbeitrag und zur Tilgung konsolidierter Eückstände bezahlen werde». Wichtig sei es für China vor allem, nicht mehr zu Unrecht als «ein seinen Verpflichtungen nicht nachkommender Staat» behandelt zu werden.

Um aus der Sackgasse herauszukommen, warf der britische Delegierte die Frage auf, «ob es nicht ein Irrtum sei, gegenwärtig einen rein theoretischen Verteilungsschlüssel suchen zu wollen». Da nach seiner Meinung die Staaten, die einen ständigen Sitz im Eate haben, «ein ziemlich gleichartiges Ganzes bilden» und auch «ihre nationalen Lebensbedingungen nicht sehr verschieden sind», schlug Sir Ernest Bennett vor, den vier Staaten mit ständigem· Ratssitz eine bestimmte Anzahl von Einheiten (105) zuzuteilen. Der britische Delegierte erklärte, «dass nach dem derzeitigen Verteilungsplan Grossbritannien 105 Einheiten, .Frankreich 79, Italien 60, Sowjetrussland eine noch festzusetzende

190 Zahl auferlegt sind. Die Zunahme würde demnach unter Miteinbeziehung Russlands 176 Einheiten betragen. Wenn man die Verminderung um 139 Einheiten, die sich wegen des Austritts Deutschlands und Japans ergibt, in Betracht zieht, verbleibt ein absoluter Zuwachs von 37 Einheiten. Auf die andern Mitgliedstaaten verteilt, würde dieser Zuwachs eine durchschnittliche Verminderung von 5 % ermöglichen.» Sollte dieser Vorschlag angenommen werden, so Hessen sich nach Ansicht des britischen Delegierten die überschüssigen Einheiten dazu verwenden, «um die Beiträge derjenigen Staaten herabzusetzen, die ganz besonders von der gegenwärtigen Wirtschaftskrise betroffen sind». Der Vertreter Norwegens machte sofort darauf aufmerksam, dass der britische Vorschlag im Falle einer Annahme «die ganze vertragliche Struktur des Völkerbundes ändern würde». Die Verteilung der Ausgaben beruht auf dem fundamentalen Grundsatz, dass alle Mitgliedstaaten gleiche Rechte und gleiche Pflichten haben, ob sie nun ständige Eatsmitglieder sind oder nicht. Die norwegische Regierung könnte einem System, das diesen Zustand abänderte, nicht ohne weiteres beipflichten. Desgleichen befriedigte der britische Vorschlag weder Frankreich noch Italien. Der italienische Delegierte erklärte, dass «die italienische Regierung nicht in der Lage wäre, unter den obwaltenden Umständen eine solche Kostenvermehrung vor ihrer öffentlichen Meinung zu rechtfertigen; dies um so weniger, als Italien in betreff des Völkerbundes eine grosse Belastung schon deshalb trägt, weil einzelne Staaten ihren Verpflichtungen nicht nachkommen». Der Vertreter Frankreichs bezweifelte die Logik und die Zweckmässigkeit der von Grossbritannien befürworteten Änderung.

Er gab einem System den Vorzug, das sich ganz auf die Zahlungsfähigkeit stützen würde, hatte anderseits aber nichts dagegen einzuwenden, dass die Frage zur weitern Prüfung den Regierungen und der Versammlung unterbreitet werde. Der schweizerische Delegierte erachtete-es für besser, zu einem wenn auch unvollkommenen, so wenigstens doch annehmbaren Ergebnis zu gelangen, als länger im jetzigen Zustande zu verharren. Seiner Meinung nach wäre es vorzuziehen, «gewissen Staaten, die dringlich eine Verminderung ihrer Lasten verlangen, für das laufende Jahr entgegenzukommen». «Der Kostenverteilungskommission könnte zu diesem
Zwecke», fügte Herr Rappard bei, «eine Reserve von 30 Einheiten zugesprochen werden, und anderseits hätte sie der nächsten Versammlung einen revidierten Verteilungsschlüssel vorzulegen, der vom volkswirtschaftlichen Gesichtspunkte aus nicht unbedingt vollkommen zu sein brauchte, sich jedoch den gegenwärtigen Verhältnissen anpassen und die Verteilung der Reserve von 30 Einheiten berücksichtigen würde.» Die ganze Frage wurde darauf an eine Unterkommission verwiesen; auch die Schweiz gehörte derselben an. Nach Festsetzung der Beiträge Afghanistans und Sowjetrusslands auf l und auf 79 Einheiten beschloss die vierte Kommission auf Antrag der Unterkommission: 1. den gegenwärtigen Verteilungsschlüssel für 1935 beizubehalten, jedoch die Kostenverteilungskommission zu ermächtigen, für das Jahr 1935

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20 Einheiten dafür zu verwenden, «um die Beiträge der Staaten herabzusetzen, die nach ihrer Ansicht den grössten Anspruch auf eine Erleichterung haben»; 2. den Vorschlag Grossbritanniens den Eegierungen zur Prüfung zu unterbreiten und diese Frage sowie alle andern Vorschläge über den Beitragsmodus der Völkerbundsmitglieder auf die Tagesordnung der sechzehnten Versammlung zu setzen: 3. die Kostenverteilungskominission zu beauftragen, den Fall Chinas zu prüfen und der nächsten Versammlung : einen diesbezüglichen Bericht zu unterbreiten 1).

4. Pensionskasse des Personals. Der von unserm Landsniann, Herrn Eappard, präsidierte Verwaltungsrat der Kasse hatte wie üblich der Versammlung einen jährlichen Bericht unterbreitet. Die Gesamtzahl der Mitglieder, die der Kasse einen Beitrag entrichten, betrug 975. Vom 1. Januar 1931, dem Zeitpunkt der Gründung der Pensionskasse, bis:zum 81. Dezember 1938, haben 106 Mitglieder den Dienst verlassen. Zahlungen wurden in 91 Fällen geleistet (10 Buhegehälter, 5 Invaliditätspensionen, 26 Auszahlungen an Stelle der Pension, 50 Kückzahlungen von Beiträgen), und zwar in einem Gesamtbetrage von ungefähr Fr. 2,114,000. Der Bericht machte auf gewisse Schwierigkeiten hinsichtlich der Kapitalanlage aufmerksam, denen der Verwaltungsrat, welchem der Ausschuss für Kapitalanlage zur Seite steht, zu begegnen hatte. Er hob anderseits hervor, «dass ein grosser Prozentsatz der Beamten, die den Dienst des Völkerbundes in den Jahren 1932 und 1933 verliessen, sich entschlossen haben, die Auszahlung ihres Pensionskapitals zu verlangen». Obschon sich der Verwaltungsrat darüber klar war, dass das vom Beglement anerkannte Hecht, eine Kapitalauszahlung zu verlangen, für die Kasse keine Mehrausgaben nach sich zieht, hatte er «dennoch die Einleitung einer Untersuchung beschlossen, um festzustellen, ob nicht eine Abänderung des Beglements am Platze wäre, damit das obengenannte Verfahren dem Endzweck der Kasse, der das Alter der Beamten und ihrer Familien sicherstellen will, nicht zuwiderlaufe».

In seiner Eigenschaft als Präsident des Verwaltungsrates erinnerte Herr Eappard die vierte Kommission daran, dass man deshalb vor einer schwierigen 1 ) Vgl. die Eesolution im Anhang, S. 231. Inzwischen teilungskominission in Paris vereinigt und beschlossen, die massen zu verteilen : Chile Mexiko , Kuba Uruguay Kolumbien Indien. ' Siam Rumänien Jugoslawien Total

hat sich die Kostenver20 Einheiten folgender-- 5 -- l -- 3 -- 2 -- l -- l -- 3 ---2 -- 2 20

192 Aufgabe gestanden habe, «weil die gegenüber dem Personal eingegangenen Verpflichtungen in Sclrweizerfranken berechnet sind. Dies brachte die Notwendigkeit mit sich, dafür zu sorgen, dass der tatsächliche Wert der Kapitalien der Versicherungskasse erhalten bleibt, was in diesen Zeiten der Währungsschwankungen mit ganz bedeutenden Schwierigkeiten verbunden ist.» Der Verwaltungsrat musste in der Tat versuchen, «zwei unvereinbare Faktoren miteinander in Übereinstimmung zu bringen, nämlich die Sicherheit und das Erträgnis». 'Herr Eappard erklärte, «dass nach den Statuten der Kasse der Ertrag der von ihr verwalteten Kapitalien 4%. % auszumachen habe ; um jedoch heutzutage einen derartigen Zins zu erhalten, müssten gewisse Gefahren mit in Kauf genommen werden, was man gerade nicht tun will. Die Folge davon ist, dass der Ertrag auf 3 % gesunken ist.» Anderseits hat aber die Sicherheit zugenommen infolge der Konvertierung eines grossen Teils der Kapitalien in Gold (Verhältnis: 43 % des Guthabens).

Was die Bezahlung der Leistungen in Kapitalform anbetrifft, findet Herr Eappard die Lage wohl «erklärlich», aber nichtsdestoweniger «ziemlich Besorgnis erregend».

Er bemerkte, «dass das Eecht der Mitglieder der Pensionskasse zum Bezug einer Abfindungssumme gemäss der in Kraft stehenden Statuten gegenwärtig ein absolutes ist,» glaubt aber, «dass die Ausübung dieses Eechtes dem von den Gründern der Pensionskasse verfolgten Zwecke nicht entspricht».

, Im Laufe der Aussprache gab der Präsident der Kontrollkommission, Herr Osusky, seiner Genugtuung Ausdruck über die Art und Weise, wie die Pensionskasse verwaltet wird. Was die Anlage der Kapitalien anbetrifft, wies er darauf hin, dass die Kontrollkommission alle Vorsichtsmassregeln begrüssen würde, die die Sicherheit der Anlagen vergrössern könnten. «Sie ist in diesen unbeständigen Zeiten immer der Ansicht gewesen, möglichst kleine Eisiken zu übernehmen und sich nicht durch leichte Gewinne betören zu lassen.» Hinsichtlich der den Versicherten global geleisteten Zahlungen teilt Herr Osusky die Besorgnis des Herrn Eappard. Die Lage muss ernstlich geprüft werden.

Nachdem die vierte Kommission vom Bericht des Verwaltungsrates Kenntnis genommen und die Abrechnungen der Kasse genehmigt hatte, schlug sie der Versammlung vor, den Beitrag des Völkerbundes an die
Pensionskasse für das Jahr 1935 auf 9 % des Betrages der dem Abzug unterworfenen Gehälter der Kassenmitglieder festzusetzen 1).

F. Soziale und humanitäre Fragen.

Die fünfte Kommission hat sich mit diesen Fragen in gewohnter Weise beschäftigt. Neben dem Kinderschutz, dem Frauen- und Kinderhandel und dem Handel mit Betäubungsmitteln befasste sie sich auch mit der Verbesserung des Gefängniswesens, der Unterstützung unbemittelter Ausländer und dem internationalen Hilfsverband.

a

) Vgl. die Resolution im Anhang, S. 228

193 1. Kinderschutz. Das ständige Komitee für den Kinderschutz hatte seine zehnte Sitzung im April abgehalten. Es hatte Kenntnis genommen vom Ergebnis der seit dem letzten Jahre in folgenden Punkten unternommenen Arbeiten: böswilliges Verlassen der Familie, Schutz und Erziehung blinder Kinder, Anstalten für verwahrloste und verbrecherische Kinder, Versorgung von Kindern über drei Jahren in Familien, Bemühungen um sittlich und sozial gefährdete Kinder. Es: hatte sich ebenfalls mit den für das Kindesalter bestimmten Lehrfilmen befasst, aber seine Aufmerksamkeit galt vor allem der zunehmenden Inanspruchnahme des Völkerbundssekretariates als zentrale Auskunftsstelle für den Kinderschutz, wie auch : den Auswirkungen der Wirtschaftskrise und der Arbeitslosigkeit auf Kinder und Jugendliche 1).

Hinsichtlich der ersten Frage hatte das Komitee auf Grund eines Berichtes des französischen Delegierten eine Eesolution angenommen, worin das Sekretariat eingeladen wird, durch Eröffnung der notwendigen Kredite möglichst vollständige, Unterlagen über den Kinderschutz zu beschaffen. In bezug auf die zweite Frage hatte es; die von gewissen Regierungen und internationalen Institutionen eingereichte Dokumentation geprüft. Nach Festlegung einiger leitender Grundsätze, die in der durch die Krise erschwerten Lage bestimmend sein sollen, empfahl es insbesondere, zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Jugendlicher folgende Massnahmen zu ergreifen: Abschaffung der Kinderarbeit, . Verallgemeinerung und Verlängerung der Schulpflicht, systematische Ansiedlung der Familien von Arbeitslosen auf dem Lande, Schaffung von Arbeitergärten, freiwilliger Dienst in Arbeitslagern.

Die Verhandlungen der fünften Kommission erstreckten sich ebenfalls auf diese beiden Probleme.1 Man war sich einig über den Wert der Massnahmen, die vom Komitee zur Bekämpfung der Auswirkungen von Krise und Arbeitslosigkeit empfohlen wurden, und wovon die Berichterstatterin, Frau MalaterreSellier, besonders die moralische Seite schilderte. Sie betonte vor allem die Notwendigkeit, die Integrität der Familie zu wahren, indem man streng ver' meide, dass infolge des geleisteten Beistandes dem Ansehen des Familienoberhauptes Abbruch getan;werde. Ferner wies sie auf die ernsten Gefahren:hin, die sich aus der Entmutigung der Jugendlichen ergeben, wenn sie trotz ihres
guten,Willens keine ihren' Fähigkeiten entsprechende Arbeit finden. Verschiedene Delegierte, worunter diejenigen Belgiens, Grossbritanniens, Italiens und Mexikos, gaben die Massnahmen bekannt, die in ihren Ländern zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ergriffen wurden. Des weitern berichtete ein Vertreter: des Internationalen Arbeitsamtes über die Tätigkeit, welche sein Amt auf dem genannten Gebiet entfaltet hat, und die Kommission nahm mit Genugtuung von der Tatsache Kenntnis, dass die Frage auf die Tagesordnung der nächsten Arbeitskonferenz gesetzt werden wird.

Die Anregung, beim Sekretariat eine Auskunftsstelle über den Kinderschutz zu schaffen, fand eine günstige Aufnahme. Frau Malaterre-Selli er wies *) Vgl. unsern letztjährigen Bericht, Bundesbl. 1934, I, S. 264.

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auf die Dienste hin, welche dieses neue Organ zu leisten hätte. Seine wichtigste Aufgahe bestünde darin, in der Welt eine weitgehende soziale Bewegung zugunsten des Kinderschutzes auszulösen. Diese zentrale Auskunftsstelle wird insbesondere den bereits unternommenen, aber noch nicht genügend bekannten und ausgewerteten Arbeiten eine grössere Verbreitung sichern.

Ein Kredit von Fr. 30,000 war zur Schaffung der Auskunftsstelle verlangt worden, aber die Kontrollkommission schlug vor, nur Fr. 16,000 zu bewilligen und auch dies nur unter der Bedingung, dass diese Summe nicht verausgabt werde, sofern sich im Sekretariat ein Beamter findet, der geeignet wäre, sich mit dem Kinderschutz zu befassen. Die Kommission erklärte sich schliesslich mit dieser Lösung einverstanden.

2. Unterstützung unbemittelter Ausländer. Wie bekannt ist, war diese Frage zum erstenmal im Komitee für den Kinderschutz aufgeworfen worden.

Es handelte sich zunächst nur um die Unterstützung ausländischer Minderjähriger, aber bald gewahrte man, dass das Problem nicht in befriedigender Weise gelöst werden könne, wenn man die Lage der Familien, zu denen diese Minderjährigen gehören, nicht mit in Betracht ziehe. Derart entwuchs die Frage der Zuständigkeit des Komitees für den Kinderschutz. Es wurde deshalb vorübergehend ein Sonderausschuss mit Vertretern von zwölf Ländern," worunter auch die Schweiz, gebildet1).

Dieser Ausschuss ist im Dezember 1933 2) zusammengetreten und hat vierzehn Empfehlungen sowie den Entwurf eines mehrseitigen Abkommens genehmigt, welche Dokumente den Eegierungen zur Prüfung unterbreitet wurden. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hatte sich somit über die Frage auszusprechen. Es war in der Lage, die vierzehn Empfehlungen in ihrer Gesamtheit zu billigen, aber es konnte sich nicht mit dem Abkommensentwurf einverstanden erklären, da dessen Bestimmungen die bereits drückenden Verpflichtungen gegenüber den unbemittelten Ausländern, wie sie sich aus den bestehenden Verträgen ergeben, noch belastender gestaltet hätten.

Beim Zusammentritt der fünften Kommission hatten nur etwa zwanzig Eegierungen. worunter auch die Schweiz, dem Sekretariat ihre Antwort erteilt.

Unter den Staaten, die ihren Standpunkt noch nicht bekanntgegeben hatten, befanden sich bedeutende Länder, wie Frankreich, Grossbritannien,
Italien und die Vereinigten Staaten von Amerika. Die eingegangenen Antworten lauteten im allgemeinen günstig hinsichtlich der vierzehn Empfehlungen, aber der Abkommensentwurf war in sehr verschiedener Weise aufgenommen worden.

Angesichts der Vielgestaltigkeit der Antworten einerseits und ihrer verhältnismässig beschränkten Zahl anderseits verzichtete die fünfte Kommission auf ein erschöpfendes Studium der Frage. Sie beschränkte sich darauf, die *) Vgl. die Berichte über die zwölfte Völkerbundsversammlung, Bundesbl. 1932, I, S. 305, und über die dreizehnte Völkerbundsversammlung, Bundesbl. 1933,1. S. 125.

2 ) Die Schweiz war durch die Herren H. Rothmund, Chef der Polizeiabteilung, als Delegierter, und M. Batzenberger, Chef-Adjunkt der Abteilung für Auswärtiges, als Ersatzdelegierter, vertreten.

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Eegieriingen, welche ihre Bemerkungen noch nicht eingesandt hatten, zu bitten, dieselben so bald als möglich dem Sekretariat zugehen zu lassen und um die Anwendung der vierzehn Empfehlungen innert kürzester Frist ^ zu ersuchen.

: 3. Frauen- und Kinderhandel. Der Ausschuss zur Bekämpfung des Frauenund Kinderhandels hatte sich im Laufe seiner jährlichen < Sitzung im April mit der Abschaffung der öffentlichen Häuser befasst, indem er sich dabei auf einen Sonderbericht stützte, der durch das Sekretariat nach einer Umfrage bei den verschiedenen Begierungen ausgearbeitet worden war. Nach Prüfung der Angelegenheit war der Ausschuss zum Schlüsse gelangt, dass nach den gemachten Erfahrungen die öffentlichen Häuser das Problem der Prostitution keineswegs lösen, sondern dass sie im Gegenteil dem Frauenhandel förderlich sind. Übrigens wurde festgestellt, dass die Länder, welche diese Häuser bereits aufgehoben haben, keine Lust zeigen, sie wieder zu gestatten. Unter diesen Verhältnissen hat der Ausschuss die beteiligten Länder, ersucht, die Möglichkeit der Abschaffung dieses Systems zu prüfen.

In der Frage des Zuhältertums sind seit der letzten Versammlung keine wesentlichen Fortschritte erzielt worden 2) ; immerhin steht sie noch immer auf der Tagesordnung des Ausschusses, der sich damit in der nächsten Sitzung befassen wird, sowie auch mit dem Problem der Auslieferung solcher Personen, die ein in den internationalen Abkommen über den Frauen- und Kinderhandel aufgeführtes Vergehen begangen haben.

Der Ausschuss zur Bekämpfung des Frauen- und Kinderhandels und derjenige für den Kinderschutz haben in einer gemeinsamen Sitzung die Prüfung des Berichtes über die Lage im Orient fortgesetzt. Es erwies sich als notwendig, eine engere Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden des Orients herbeizuführen, und es wurde deshalb in Aussicht genommen, zu diesem Zweck eine Sonderkonferenz in Singapore einzuberufen. Bei der Behandlung des Berichtes kam man auf die bedauernswerte Lage .der geflüchteten Eussinnen im Fernen Osten zu sprechen, die, in grosser Zahl dem Frauenhandel zum Opfer gefallen sind. Es wurde vorgeschlagen, der Versammlung die Bewilligung eines Beitrages an das Flüchtlingsamt Nansen zu empfehlen, damit es diesem Amte ermöglicht werde, wenigstens die ersten und notwendigsten Schritte für eine
Hilfeleistung zugunsten dieser Flüchtlinge einzuleiten.

Die Verhandlungen der fünften Kommission über den Frauenhandel galten fast ausschliesslich dieser letzten Frage. Mehrere Delegierte erhoben sich, um ein sofortiges Eingreifen des Völkerbundes zu verlangen. Fräulein Forchhammer (Dänemark) gab zwar zu, dass sich der Völkerbund im allgemeinen einer direkten finanziellen Unterstützung wenig zugänglich gezeigt habe, wies dann aber auf die Tätigkeit hin, die Fräulein Keren Jeppe im Orient mit der materiellen Unterstützung des Völkerbundes zugunsten der armenischen Frauen entfaltet hatte und stellte die Frage, ob es nicht möglich wäre, hinsicht1 2

) Vgl. die Resolution im Anhang, S. 235 f.

) Vgl. unseren letztjährigen Bericht, Bundesbl. 1934, I, S. 233.

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lieh der weiblichen Flüchtlinge aus Kussland in ähnlicher Weise vorzugehen.

Der Vertreter des Flüchtlingsamtes Nansen, Herr Antoniade, hob die Vielgestaltigkeit des Problems hervor, das zwei gänzlich verschiedene Seiten aufweise. Einerseits wäre es notwendig, sich mit der Bettung der bereits der Prostitution verfallenen Bussinnen zu befassen, die zweifelsohne nicht leicht zur Änderung ihrer Lebensweise bewegen werden können ; anderseits würde es sich darum handeln, über das Los der Frauen zu wachen, die in Zentren wie Shanghai ganz auf sich selber angewiesen sind. Der rumänische Delegierte war der Meinung, dass diese Aufgaben eher den Frauenvereinigungen als dem Flüchtlingsa,mt Nansen anzuvertrauen wären, da letzteres, auch wenn es über bedeutende Mittel verfügen würde, allein nicht viel ausrichten könne. Da die Frage auch in die Zuständigkeit der sechsten Kommission gehört, der die Prüfung der Tätigkeit des Nansenamtes obliegt, gelangte ein auf Vorschlag der Gräfin Apponyi (Ungarn) gebildeter gemischter Unterausschuss zum Schlüsse, dass es vorgängig jeder andern Massnahme notwendig sei, an Ort und Stelle neue Erhebungen zu machen. Trotz der durch gewisse Delegationen bekundeten Enttäuschung stimmte die Kommission dieser Auffassung bei. Sie regte immerhin an, dass diese Frage auch durch die Konferenz von Singapore geprüft werden möchte.

Es sei endlich noch erwähnt, dass das Abkommen zur Unterdrückung des Handels mit volljährigen Frauen, das am 11. Oktober 1933 abgeschlossen wurde, am 24. August 1934 *) in Kraft getreten ist. Die Versammlung hat ihre Mitglieder eingeladen, das Abkommen so bald als möglich zu ratifizieren oder ihm beizutreten.

4. Handel mit Betäubungsmitteln und dessen Kontrolle. Wie der Bericht über die vom Völkerbund seit der vierzehnten Versammlung geleistete Arbeit .

hervorhob, «war das Inkrafttreten des Abkommens zur Einschränkung der Herstellung und zur Begelung der Verteilung von Betäubungsmitteln das bedeutsamste Ereignis der in Betracht fallenden Zeitspanne, die in glücklicher Weise ein wichtiges Kapitel der Geschichte der beratenden Völkerbundskommission für den Handel mit Opium und anderen schädlichen Drogen zum Abschluss brachte... Das Problem der Betäubungsmittel ist nun von einer nationalen zu einer internationalen Angelegenheit geworden, und ein allgemein gültiges
wirtschaftliches System findet Anwendung bei der Herstellung, Verarbeitung und dem Verbrauch einer ganzen Warengruppe.» Die beratende Kommission hat seit der vierzehnten Völkerbundsversammlung zwei Sitzungen abgehalten, die eine im November 1933, die andere im vergangenen Mai. Sie befasste sich mit der Anwendung des Abkommens von 1931 und schenkte, wie immer, die lebhafteste Aufmerksamkeit dem gesetzwidrigen Handel mit Betäubungsmitteln. Sie konnte feststellen, dass die heimliche Herstellung weiterhin andauert, obschon hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen den für die Unterdrückung des Bauschgifthandels verantwortlichen *) Die Schweiz hat das Abkommen am 17. Juli 1934 ratifiziert.

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Behörden der verschiedenen Länder neue Fortschritte zu verzeichnen sind.

ES wurde zwar «eine rasche Abnahme der gesetzwidrigen Drogenlieferungen in Europa» festgestellt, aber dieser auf unserm Kontinent wahrgenommenen Besserung allgemeiner Natur steht die Schaffung neuer Versorgungszentren im Fernen Osten entgegen, wie auch die Anwendung neuer ertragreicherer Arbeitsmethoden durch die Händler (Gebrauch von Flugzeugen, betrügerische Verwendung von Transitsendungen, Schmuggeltransporte auf dem Postwege, in internationalen Speise- und Schlafwagen usw.). Die Lage ist übrigens noch immer beunruhigend in Bulgarien, wo scheinbar zahlreiche geheime Laboratorien ein einträgliches Geschäft betreiben. Dagegen hat sie sich in der Türkei merklich gebessert. Ausserhalb Buropas geben die Verhältnisse in China zu den lebhaftesten Befürchtungen Anlass. Grosse Mengen Morphium und Heroin sind auf dem Schmuggelwege in dieses Land eingeführt worden, und ferner sind zahlreiche geheime Fabriken entstanden. «Das Bestehen fremder Konzessionen sowie ausländischer Pachtgebiete und Unternehmungen», so erklärte das ständige Opiumzentralkomitee in einem Berichte an den Völkerbundsrat, «gestaltet eine bereits schwierige Lage noch verwickelter; die chinesische Eegierung besitzt in der Tat keinerlei Machtbefugnis in den Gebieten, in welchen die gesetzwidrigen Opiumfabriken entdeckt worden sind.», i , Die zweite Kommission beschäftigte sich mit der Prüfung dieser verschiedenen Fragen in ihrer Gesamtheit. Da das Übereinkommen zur Beschränkung der Herstellung erst im Juli in Kraft getreten war, hatte sich die Versammlung des Jahres 1933 damit begnügen müssen, den Wunsch auszusprechen, dass diese Abmachungen ein gutes Ergebnis zeitigen mögen. Diese Hoffnung ist, wenigstens bis zur Stunde, durch die Erfahrungen nicht enttäuscht worden.

Das Schätzungssystem ist allgemein zur Anwendung gelangt, und die Menge an Betäubungsmitteln, die aus Herstellungsstätten stammt, welche früher den Schleichhandel bedienten, hat sich in bedeutendem Masse verringert. Mehrere Delegationen sprachen hierüber ihre Genugtuung aus. Doch ist beizufügen, dass das im Übereinkommen vorgesehene Kontrollorgan von seiner Schätzungsbefugnis in bedeutendem Umfange Gebrauch machen musste 1), um die Anwendung der Konvention zu sichern.

Die Frage des Schleichhandels
stand im Mittelpunkt der Aussprache. Alle Delegationen, die das Wort ergriffen, bedauerten die in Bulgarien und China herrschenden Zustände. Man verlangte einmütig die energische Fortsetzung des Kampfes gegen die Eausehgifte. Verschiedene neue W'ege wurden diesbezüglich vorgeschlagen. Der Vertreter Grossbritauniens empfahl nachdrücklich eine Beschränkung der Herstellung von ^Rohprodukten. Der italienische Delegierte erklärte, dass: es, nach seiner Auffassung möglich sein sollte, die Tätigkeit der Händler in China lahmzulegen, wenn die europäischen Staaten und namentlich diejenigen, welche in diesem Lande Konzessionen besitzen, sich 1

) Die- Schätzungen wurden im Jahre 1933 für 23 Länder und 81 Territorien vorgenommen.

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nachdrücklich bemühen -würden, Chemiker und Kapitalien daran zu hindern, zur Förderung des gesetzwidrigen Bändels nach diesen Gebieten zu gelangen.

Er forderte ferner das Zentralkomitee auf, in beherzterer Weise seine Pflicht zu tun und nicht davor zurückzuschrecken, Länder an den Pranger zu stellen, die durch ihre Untätigkeit dem Schmuggel Vorschub leisten.

Andere Delegierte sprachen sich zugunsten einer Verschärfung der Strafen für die Zuwiderhandelnden aus. Wenn die verhängten Strafen so einschneidend wären wie beispielsweise in Kanada, wo ein Händler kürzlich zu 15 Jahren Zuchthaus, zur Auspeitschung und zu einer Busse von 3000 Dollars verurteilt wurde, so wäre zweifelsohne keine weitere Zunahme des Schleichhandels zu verzeichnen. Es wäre in dieser Hinsicht gewiss von Nutzen, die Arbeiten für das Inkrafttreten eines internationalen Übereinkommens zur Unterdrückung des Schleichhandels zu beschleunigen 1). Da die Kommission feststellte, dass die Umfrage bald beendet sei, unterbreitete sie der Versammlung eine Résolution, worin der Eat eingeladen wird, zu prüfen, ob es angezeigt wäre, das bezügliche Übereinkommen abzuschliessen. Im bejahenden Falle würde der Eat den Zeitpunkt der Konferenz, die zu diesem Zwecke einzuberufen wäre, festsetzen 2).

Der Delegierte Chinas ergriff seinerseits das Wort, um die Schwierigkeiten zu schildern, denen seine Eegierung bei der Eindämmung des gesetzwidrigen Handels begegnet. Er legte dar, dass sein Land ohne die tatkräftige Mitwirkung der andern Staaten, namentlich der Nachbarstaaten, machtlos sei. Infolgedessen erliess er einen dringenden Aufruf zur Erreichung einer engeren internationalen Zusammenarbeit auf diesem. Gebiete.

Die Kommission beendete die. Aussprache mit der Genehmigung eines Berichtes des. Herrn Casares (Spanien), von dem die Versammlung Kenntnis zu nehmen hätte und der die Aufgabe des Völkerbundes in der Frage der Betäubungsmittel wie folgt umschreibt : « Seine besonderen Bestrebungen müssen nunmehr der aufmerksamsten Überwachung des gesetzlich bewilligten Handels gelten, damit keine Übertretungen vorkommen, und andrerseits müssen sie sich mehr .denn je auf das Ausfindigmachen und Schliessen der geheimen Herstellungsstätten richten 3 ).» 5. Fragen des Strafrechts- und Gefängniswesens. Die Gesamtheit der Vorschriften über die Behandlung der
Gefangenen, welche von der Konimission für Strafrechts- und Gefängniswesen nachgeprüft worden war, ist den Eegierungen unter breitet worden 4). Die Antworten lauteten im allgemeinen günstig 6).

1

) Vgl. unsern letztjährigen Bericht, Bundesbl. 1934, I, S. 267 f.

) Vgl. die Besohltion im Anhang, S. 231 f.

) Vgl. im Anhang (S. 231 f. ) die drei von der Kommission unterbreiteten und von der Versammlung genehmigten Resolutionen.

o) Vgl. unsern letztjährigen Bericht, Bundesbl. 1934, I, S. 268 f.

5 ) Unsrerseits haben wir dem Völkerbundssekretariat mitgeteilt, dass es uns nicht zustehe, Bestimmungen über die Anwendung der Gesamtheit dieser Vorschriften in der Schweiz zu treffen, solange das Strafrecht dem Kompetenzbereich der Kantone angehöre.

2

3

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Für die praktische Anwendung dieser Vorschriften boten sich zwei Lösungen.

Man konnte vorerst daran denken, ein internationales Abkommen über; die Behandlung der Gefangenen auszuarbeiten. Verschiedene private Organisationen richteten diesbezügliche Gesuche an den Völkerbund, und im nämlichen Sinne sprachen sich auch einige Delegationen aus. Die Mehrheit der Kommission war jedoch der Ansicht, die Versammlung könne sich darauf beschränken, die Gesamtheit der in Frage kommenden Vorschriften zu billigen und die Eegierungen einzuladen, ihre Gesetzgebung denselben anzupassen. Mit Eecht machte man geltend, däss es später leichter sein dürfte, zum Abschluss eines Abkommens zu gelangen, nachdem eine grosse Anzahl von Staaten ihr Gefängniswesen mit den von Fachleuten anempfohlenen Grundsätzen in Einklang gebracht haben werde. Schliesslich entschied sich die Kommission für diese zweite .Lösung T).

Anderseits nahm die Kommission Kenntnis vom Bericht des Generalsekretärs über die Tätigkeit der technischen Organisationen, die sich mit Strafrechts- und Strafvollzugsfragen befassen. Es war bei'diesem Anlasse von neuem davon die Eede, ein besonderes Organ des Völkerbundes ins Leben zu rufen.

Diese Massnahme wurde insbesondere durch die «Howard league for penai reform» gefordert, welche die Unterstützung gewisser Delegationen genoss.

Angesichts der im vergangenen Jahre gefassten Beschlüsse und besonders im Hinblick auf die Tatsache, dass die zwischen den technischen Organisationen erreichte Zusammenarbeit die Schaffung eines neuen internationalen Organismus nicht erfordert, war die Kommission der Auffassung, dass kein Grund vorliege, um von der bis anhin eingenommenen Haltung abzuweichen, solange nicht ein Abkommen getroffen worden sei, dessen Anwendung die Mithilfe des Völkerbundes erheischen würde. Man kann diese Entscheidung nur begrüssen, denn wir haben stets erachtet, dass ein besonderes Völkerbundsorgan nur zur Doppelspurigkeit führen würde mit den bereits bestehenden Organisationen und besonders mit der Kommission für Strafrechts- und Gefängniswesen, deren stets zufriedenstellende Tätigkeit durch mehrere Völkerbundsversammlungen anerkannt worden ist.

Es sei endlich noch erwähnt, dass der Delegierte Venezuelas die Frage aufwarf, wie, in Ermangelung jeglichen Auslieferungsvertrages und falls sich die
Ausweisung als undurchführbar erweist, ein wegen eines nichtpolitischen Verbrechens Verurteilter heimgeschafft werden könne, wenn er sich aus dem Lande, in dem er verurteilt worden ist, in ein anderes Land geflüchtet hat. Diese Frage ist dem Bureau für die Vereinheitlichung des Strafrechts und der Kommission für Strafrechts- und Gefängniswesen zur Prüfung überwiesen worden.

6. Welthilfsverband. Diese Angelegenheit stand nicht auf der Tagesordnung der Kommission ; auf ausdrückliches Verlangen mehrerer Delegationen wurde sie jedoch darauf vermerkt.

1

) Vgl. die Eeaolution im Anhang. S. 234 f.

200 Das Abkommen über die Errichtung eines Welthilfsverbandes 1) ist am 27. Dezember 1932 in Kraft getreten. Dem Verband gehören gegenwärtig neunundzwanzig Staaten an, wovon einschliesslich der Schweiz dreizehn ihren Beitrag an den Gründungsfonds einbezahlt haben, so dass sich der Fonds nunmehr auf Fr. 814,182.50 beläuft. Das Vollzugskomitee ist seit der letzten Völkerbundsversammlung mehrmals zusammengetreten. Es hat seine Geschäftsordnung endgültig bereinigt und die grossen Linien eines allfälligen Interventionsplanes festgelegt. Im Januar 1984 hatte der Verband Gelegenheit, einem seiner Mitglieder, nämlich dem durch das Erdbeben von Bihar heimgesuchten Indien, seine Hilfe angedeihen zu lassen. Eine Summe von 1000 Pfund konnte dem indischen Eoten Kreuz überwiesen werden.

Die Kommission nahm die ersten Ergebnisse der Tätigkeit des Verbandes mit Genugtuung zur Kenntnis. Mehrere Delegierte hoben den grossen Nutzen dieses Hilfswerkes hervor und betonten die Wünschbarkeit der Mitarbeit aller Völkerbundsmitglieder.

7. Unterstützung der aus Deutschland kommenden Flüchtlinge 2). Der Vertreter Grossbritanniens zollte der Tätigkeit, die das Hohe Kommissariat für die aus Deutschland kommenden Flüchtlinge entfaltet hat, seine warme Anerkennung.

Trotz der Wirtschaftskrise konnte dank der Beiträge privater Organisationen den Flüchtlingen eine beachtenswerte Unterstützung gewährt werden.

Seit dem April 1983 haben von 65,000 Flüchtlingen deren 25,000 neue Heimstätten gefunden. Ungefähr eine Million Pfund wurde ohne irgendwelche Inanspruchnahme der Behörden aufgebracht. Der im Jahre 1933 von der Versammlung zur Deckung der ersten Ausgaben gewährte Vorschuss konnte somit ohne Schwierigkeit zurückbezahlt werden.

Ein Besolutionsentwurf war nicht eingereicht worden. Die Kommission begnügte sich damit, der Anerkennung beizupflichten, die verschiedene Delegationen dem Hochkommissär für die aus Deutschland kommenden Flüchtlinge, Herrn James Mae Donald, ausdrückten.

G. Politische Fragen.

' Diese Fragen, für welche die sechste Kommission zuständig ist, waren dieses Jahr von besonderer Bedeutung. Neben den Problemen der Sklaverei, der Mandate und des Flüchtlingswesens, die der Kommission regelmässig zugewiesen werden 3), hatte sich diese auch mit der Aufnahme Sowjetrusslands 1 ) Vgl. unsern Bericht vom 2. April 1929, Bundesbl. 1929, I, S. 473, und den Geschäftsbericht für 1932, S. 57.

2 ) Vgl. unseren letztjährigen Bericht, Bundesbl. 1934, I, S. 269 f., und den Geschäftsbericht für 1933, S. 94.

3 ) Die Frage der Mitarbeit der Presse am Friedenswerk, die letztes Jahr von der sechsten Kommission behandelt worden war, wurde dieses Jahr an die zweite Kommission (technische Fragen) verwiesen. Wir haben sie anschliessend an die Organisation für geistige Zusammenarbeit erörtert (vgl. oben S. 182).

201 und Afghanistans, mit der infolge des polnischen Vorgehens besonders aktuellen' < Minderheitenfrage, mit dem Streitfall zwischen Bolivien und Paraguay und mit der Organisation für geistige Zusammenarbeit *·) zu befassen.

; - 1. Sklaverei. Die beratende Sachverständigenkommission zur Bekämpfung .

der Sklaverei, deren Bildung im Jahre 1932 2) beschlossen worden war, ist vom Völkerbundsrate im Oktober 1933 bestellt worden. Sie setzt sich aus Angehörigen folgender Staaten zusammen: Belgien, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Niederlande; Portugal und Spanien. Die erste Tagung der Kommission fand im Januar statt und befasste sich mit der Ausarbeitung einer Verfahrensordnung, die nach Genehmigung durch den Rat den Regierungen zur Kenntnis gebracht wurde.

Die Frage der Sklaverei fand in der Kommission eine rasche Erledigung.

Herr Skelton, der Vertreter Grossbritanniens, drang darauf, dass die erste der Sitzungen, welche die Konimission zur Bekämpfung der Sklaverei alle zwei Jahre abzuhalten hat, auf Beginn des Jahres 1935 festgelegt werde. Er sprach ferner den Wunsch aus,1 dass die Regierungen der Kommission die. für deren Arbeiten nötigen Unterlagen zur Verfügung stellen möchten. Herr de Penha Garcia, der Delegierte Portugals, äusserte sich in gleichem Sinne, und ein von der britischen Delegation eingereichter Resolutionsentwurf wurde ohne Diskussion genehmigt 3). .

2. Mandate. Die ständige Mandatkommission ist seit der 14. Völkerbundsversammlung zweimal zusammengetreten ; sie hat die Verwaltung aller Mandatgebiete geprüft, mit Ausnahme von Südwestafrika.

Bei der Durchsicht des französischen Berichtes über Syrien und Libanon hat sie sich mit der administrativen und politischen Entwicklung dieser Gebiete befassi. In besonders eingehender Weise erörterte sie die Frage der Rechtsgleichheit, die in der syrischen Verfassung für alle Syrier festgelegt ist, namentlich was den freien Zutritt zu den öffentlichen Ämtern1 anbetrifft ; sie hat auch vom Freundschafts-1 und Bündnisvertrag zwischen Frankreich und Syrien Kenntnis genommen und die Ausführungen des Vertreters der Mandatmacht über die Wiedereinführung des Parlamentarismus in Syrien angehölt. In bezug auf Palästina wurde der Kommission ein Spezialbericht über die schweren Unruhen, die sich während des Jahres. 1933 ereignet hatten, unterbreitet.
Anderseits hat die Kommission ihre Aufmerksamkeit der wirtschaftlichen Gleichberechtigung in gewissen afrikanischen Gebieten und den Lebensbedingungen · der Frauen in Britisch-Kamerun geschenkt.

Die Verhandlungen '. der sechsten Kommission konnten sich lediglich im Rahmen der ersten Kommissionssitzung bewegen, da der Bericht über die 1 ) Die Fragen über die Organisation für geistige Zusammenarbeit sind oben in Kapitel C (technische Fragen) behandelt worden, da die geistige Zusammenarbeit zu den technischen Organisationen des Völkerbundes gehört.

2 ) Vgl. unsere Berichte über die 13. und 14. Völkerbundsversammlung, Bundesbl.

1933, Bd. I, S. 168 und 1934, Bd. I, S. 272.

3 ) Vgl. die Resolution im Anhang, S. 238 f.

Bundesblatt.

87. Jahrg. Bd. Ì.

17

202

zweite Session vom Bäte noch nicht geprüft worden war. Die Frage der Heimstätte für das jüdische Volk 1). wurde von neuem aufgeworfen. Herr Kulski, der polnische Delegierte, gab der Meinung Ausdruck, dass die zurzeit günstige "Wirtschaftslage Palästinas es der Mandatmacht erlaube, die jüdische Einwanderung in dieses Gebiet zu fördern. Die Delegierten Persiens und Iraks machten dem gegenüber die Rechte der Araber, geltend und betonten die Notwendigkeit einer strengen Kontrolle der Einwanderung. Herr Skelton (Grossbritannien) erklärte von neuem, dass die Mandatmacht entschlossen sei, sich bei der Erfüllung ihrer Aufgabe der peinlichsten Unparteilichkeit zu befleissen, und dass sie am besten in der Lage sei, die Einwanderungsmöglichkeiten zu beurteilen. Herr James Parr (Neuseeland) und Herr Louw (Südafrika) wiesen auf die grossen Schwierigkeiten hin, denen die Mandatmächte bei der Durchführung des Mandatsystems in rückständigen Ländern begegnen, da diese ein äusserst fruchtbarer Boden für Aufwiegler aller Art sind. Diese beiden Delegierten waren der Meinung, dass das Mandatsystem nur bei beharrlicher Zusammenarbeit und gegenseitigem Vertrauen zwischen den Mandatmächten und der Mandatkommission günstige Eesultate zeitigen könne.

Die sechste Kornmission sprach den Mandatmächten sowie der ständigen Mandatkommission von neuem ihr Vertrauen aus und gab dem Wunsche Ausdruck, dass sie ihr Werk im bisherigen Geiste der Zusammenarbeit weiter verfolgen möchten 2).

3. Flüchtlmgswesen. Der Bericht des Verwaltungsrates des Flüchtlingsamtes Nansen wurde der Kommission durch Herrn Antoniade (Rumänien) unterbreitet. Dieser schilderte die traurige Lage, in welcher sich viele Flüchtlinge infolge ,der Verschärfung der Wirtschaftskrise und der von verschiedenen Staaten gegen die fremden Arbeitskräfte getroffenen Massnahmen befinden.

Nach den Schätzungen des Amtes soll es zurzeit 800,000 Flüchtlinge russischer, 170,000 armenischer und 14,000 assyrisch-chaldäischer oder anderer Herkunft geben. In gewissen Ländern sind beinahe 50% der Flüchtlinge arbeitslos und 25% er v/erbsunfähig. Diese Zahlen geben ein Bild von der Schwierigkeit der zu lösenden Aufgabe.

Die. Mittel, welche angewandt werden, um die Flüchtlinge aus dieser Lage zu retten, sind zweierlei Natur. Das Amt bemüht sich in erster Linie, ein internationales
Statut für die Flüchtlinge festzulegen. In dieser Absicht wurde im Oktober 1933 ein internationales Übereinkommen ausgearbeitet, das den Schutz der Flüchtlinge nach der Auflösung des. Nansenamtes bezweckt 3). Das zweite Mittel besteht in der materiellen Hilfeleistung. So wird die Ansiedelung armenischer Flüchtlinge in Syrien von einem besonderen Organe, das dem Amte unterstellt ist, weitergeführt werden. Ferner befasste man sich mit dem Lose mehrerer hundert nach Kleinasien gelangter niolokaniseher Flüchtlinge (russische Sekte) und mit demjenigen von dreihundert Katholiken, Lutheranern !) Vgl. unsern letztjährigen Bericht,.Bundesbl. 1984, Bd. I, S. 275.

) Vgl. die Resolution im Anhang, S. 238.

) Vgl. Geschäftsbericht 1934, S. 99.

2

3

203 und Mennoniten aus der Mandschurei, für die man eine Niederlassungsbewilligung in Brasilien zu bekommen suchte x). Das Amt hat ebenfalls einen Plan für die Ansiedelung der irakischen Assyrer in Brasilien entworfen. Diesem Plane wurde von den brasilianischen Behörden zunächst Verständnis entgegengebracht, doch musste er dann infolge der neuen Einwanderungsgesetze, die in Brasilien unterdessen. in Kraft getreten sind, wieder aufgegeben werden. In 700 Fällen konnten Flüchtlinge mittels eines Vorschusses von durchschnittlich 200 Schweizerfranken einzeln als Handwerker, kleine . Kaufleute und dergleichen mehr angesiedelt werden.

Den Hauptgegenstand der Kommissions Verhandlungen bildete die Lage der russischen Flüchtlinge im Fernen Osten. Wir haben dieses Problem im Zusammenhang mit den sozialen Fragen2) erörtert. Des weitern lenkten verschiedene Delegierte die Aufmerksamkeit der Kommission auf das Los der .armenischen Flüchtlinge und gaben der Hoffnung Ausdruck, class sich ein Grossteil derselben im Einvernehmen mit der Sowjetregierung in der PiepublikErivan niederlassen könne.

4. Aufnahmegesuch Sowjetrusslands. Sowjetrussland hat sein Gesuch um Aufnahme in den Völkerbund erst gestellt, nachdem es bereits gewisse Vorsichtsmassnahmen getroffen hatte. Obwohl seine Kandidatur von mehreren Mächten, worunter besonders Frankreich, offensichtlich unterstützt wurde, lag ihm daran, allen Überraschungen vorzubeugen. Es wollte sein Beitrittsgesuch erst dann einreichen, wenn es Gewissheit darüber haben würde, dass der Erfolg bei der Mehrzahl der Delegationen gesichert sei und die Aufnahme an keine unannehmbaren Bedingungen geknüpft werde. Aus Erwägungen, zu denen wir nicht Stellung zu nehmen haben, legte die Sowjetregierung Wert darauf, von den ihrer Mitarbeit in Genf günstig gesinnten Völkerbundsmitgliedern eine Aufforderung zum Beitritt zu erhalten. Die Einigung über den Wortlaut dieser Einladung verursachte den in Betracht kommenden Staaten erhebliche Mühe.

Denn obwohl man den Beitritt Busslands grundsätzlich begrüsste, bestand dennoch eine derartige Schattierung der Meinungen, dass bei der Eedaktion der Einladung Schwierigkeiten entstehen mussten. Zunächst war beabsichtigt worden, die Völkerbundsversammlung selbst dazu zu bewegen, dass sie die Sowjetunion zur Stellung eines Aufnahmegesuches einlade. Eine
derartige Einladung hätte jedoch Einstimmigkeit vorausgesetzt, und da es offensichtlich war, dass gewisse Staaten dem Beitritt der Sowjets ablehnend gegenüberstanden, mussten die Befürworter diesen Plan notwendigerweise wieder aufgeben. Sie hatten keine andere Wahl, als eine Einladung ohne jegliche Mitwirkung der Völkerbundsversammlung zu erlassen, was denn auch tatsächlich geschah. Nach ziemlich mühsamen Verhandlungen sandte eine gewisse Anzahl von Delegationen dem Volkskommissariat .für Auswärtiges, die folgende telegraphische Botschaft s ) : !) Vgl. unseren letztjährigen Bericht, Bundesbl. 1934, Bd. I, S. 274.

2 ) Vgl. oben, S . 1 9 5 f .

. " . ' . " 3 ) Der Wortlaut des Telegramms wurde offiziell dem Präsidenten der Völkerbundsversammlung mitgeteilt und von diesem hierauf der Versammlung zur Kenntnis gebracht.

204

«Genf, den 15. September 1934.

Die Unterzeichneten, Delegierte an die 15. Völkerbundsversammlung der nachfolgend aufgeführten Staaten : · Südafrika, Albanien, Australien, Österreich, Grössbritannien, Bulgarien, Kanada, Chile, China, Spanien,, Estland, Äthiopien, Frankreich, Griechenland, Haiti, Ungarn, Indien, Irak, Italien, Lettland, Litauen, Mexiko, Neuseeland, Persien, Polen, Eumänien, Tschechoslowakei, Türkei, Uruguay, Jugoslawien, Im Hinblick darauf, dass die wesentlichste Aufgabe des Völkerbundes, nämlich den Frieden zu erhalten und zu organisieren, die Zusammenarbeit aller Staaten erfordert, Laden die Union der Sozialistischen Sowjet-Bepubliken ein, in den Völker-.

bund einzutreten und ihm ihre wertvolle Mitarbeit zu leihen.

Dieses Telegramm wird dem Präsidenten der Völkerbundsversammlung zur Kenntnis gebracht.

Eric H. Louw, Leo Kurti, S. M. Bruce, E. Berger, Anthony Eden, C. Bato-loff, E. B. Bennett, Manuel Eivas-Vicuna, Quo Tai-Chi, S. de Madariaga, J. Seljamaa, Teclé Hawariate, Louis Barthou, D.Maximos, C.Mayard, G. Tànczos, Denys Bray, Noury Said, Aloisi, W. Munters, 'S. Lozoraitis, F. Castillo Najera, J. .Parr, B. Kazemi, Beck, N. Titulesco, Eduard Bénès, Tewfik Büstü, A. Guani, Bogolioub Yevtitch.» Die Nordstaaten (Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden), welche der Kandidatur der U. S. S. E. günstig gesinnt waren, glaubten nichtsdestoweniger, sich der Entsendung dieses Télégrammes nicht anschliessen zu können.

Um indessen keine Schwierigkeiten zu machen, beschlossen sie, der Sowjetregierung auf dem üblichen diplomatischen Wege mitzuteilen, dass sie für den Eintritt Eusslands in den Völkerbund stimmen werden 1).

Noch am gleichen Tage erhielt der Präsident der,Völkerbundsversammlung von der Eegierung der U. S. S. E. einen Brief folgenden Inhalts: «Den 15. September 1934.

Die Sowjetregierung hat ein Telegramm erhalten, das von einer grossen Anzahl von Völkerbundsmitgliedern unterzeichnet ist, nämlich Südafrika, Albanien, Australien, Österreich, Grössbritannien, Bulgarien, Kanada, Chile, *) Dieser Beschluss wurde dem Präsidenten des Völkerbundsrates mit folgendem Schreiben mitgeteilt: «Genf, den 15. September 1934.

Ich habe die Ehre, Eurer Exzellenz im Einvernehmen mit dem dänischen, finnischen und norwegischen Delegationschef zur Kenntnis zu bringen, dass die Regierungen von
Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden heute auf dem üblichen diplomatischen Wege der Sowjetregierung den Beschluss bestätigen Hessen, ihre Stimme zugunsten des Eintritts der Sowjetunion in den Völkerbund abzugeben.

loh füge bei, dass, falls eine Einladung von der Völkerbundsversammlung selbst ausgegangen wäre, die hier in Frage stehenden Delegationen die Ermächtigung gehabt hätten, sich 'derselben anzusphliessen.

gez. Bichard Sandler, Erster Delegierter von Schweden.»

205 China, Spanien, Estland, Äthiopien, Frankreich, Griechenland, Haiti, .Ungarn, Indien, Irak, Italien, Lettland, Litauen, Mexiko, Neuseeland, Persien, Polen, Rumänien, Tschechoslowakei, Türkei, Uruguay, und Jugoslawien, und in dem diese Staaten;unter;Hervorhebung der Tatsache, dass die Mission des Völkerbundes in der Organisation des Friedens besteht, und dass diese Mission die .

Zusammenarbeit aller Nationen erfordert, die Sowjet-Union, einladen, in den Völkerbund einzutreten und ihm ihre Mitarbeit zu leihen.

Gleichzeitig wurde die Sowjetregierung in offizieller Weise von den Eegierungen Dänemarks, Finnlands, Norwegens und Schwedens davon benachrichtigt, dass sie dem Eintritt der Sowjetunion in den Völkerbund mit Wohlwollen begegnen werden. , Die Sowjetregierung hat die Organisation und die Festigung des Friedens zur Hauptaufgabe ihrer, auswärtigen Politik gemacht. Sie hat sich nie taub gezeigt einem Vorschlag gegenüber, der im Interesse des Friedens die internationale Zusammenarbeit zum Ziele hatte. Sie ist der Auffassung, dass die von einer .grossen Mehrheit der .Mitgliedstaaten ausgehende Einladung den wahrhaften Friedenswillen des Völkerbundes zum Ausdruck bringt und Zeugnis dafür ablegt, dass der Völkerbund die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit der Sowjetunion anerkennt. Die Sowjetregierung' ist daher .bereit, auf. diese Einladung einzutreten und Mitglied des Völkerbundes zu werden, indem sie dort den,ihr gebührenden, Platz einnehmen wird. In.Übereinstimmung mit Artikel l des Völkerbundsvertrages verpflichtet sie sich, allen internationalen Verpflichtungen nachzukommen und alle Beschlüsse zu beobachten, die für die Mitglieder des Völkerbundes bindenden Charakter haben.

Die Sowjetregierung. ist besonders glücklich, in dem Augenblick dem Völkerbund beitreten.zu können, wo dieser die Frage der Anpassung;des, Völkerbundsvertrages an die Bestimmungen .des Briand-Kellog-Paktes .und die vollständige Ächtung des internationalen Krieges prüft.

In Anbetracht, dass Artikel 12 und 13 des Völkerbundsvertrages den Staaten nahelegen, Streitigkeiten einem schiedsgerichtlichen oder richterlichen Entscheid zu unterbreiten, legt die Sowjetregierung Wert darauf, schon jetzt ausdrücklich zu erklären^ dass nach ihrer Auffassung dieses Verfahren nicht auf, Streitfälle Anwendung1 finden kann, die Ereignisse
betreffen, welche vor v ihrer Aufnahme in den Völkerbund eingetreten sind.

' · Ich. gestatte mir, der Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass die vorliegende Erklärung, die wir beseelt vom aufrichtigen Wunsche nach internationaler Zusammenarbeit und nach Erhaltung eines für alle Nationen gedeihlichen Friedens abgeben, von allen Völkerbundsmitgliedern im gleichen Geiste aufgenommen werde.

gez.: Maxim Litwinow, 1 ' ' Volkskommissar für Auswärtiges!» Nach Beratung über das zu befolgende Verfahren schlug das Bureau der Völkerbundsversammlung vor, die Frage auf die Tagesordnung zu setzen und sie von neuem der sechsten Kommission zur Prüfung zu unterbreiten. Diese

206 Zurückweisung an die Kommission war nicht ohne Schwierigkeiten erreicht worden. Einzelne Delegationen hätten vorgezogen, dass das Gesuch Eusslands ohne weiteres in der Plenarsitzung der Völkerbundsversammlung besprochen werde 1), aber zufolge einer Eede des ersten Delegierten Irlands und um sich nicht dem Vorwurf einer Unterdrückung der Debatte auszusetzen, wurde von keiner Seite die Umgehung des üblichen Verfahrens beantragt. Es sollte sich somit in der Kommission eine freie und offene Aussprache über eine Frage auslösen, welche die ganze Welt leidenschaftlich bewegt hatte und der mehrere Delegationen, selbst solche, die für den Eintritt zu stimmen bereit waren, eine grosse grundsätzliche Bedeutung beimassen.

Der Völkerbundsrat hatte vorgängig einen Beschluss über die Frage der Zuteilung eines ständigen Eatsitzes an die Sowjetunion zu fassen. Da die Sowjetregierung in ihrem Schreiben vom 15. September erklärt hatte, dass sie bereit sei, dem Völkerbund beizutreten, wenn sie dort «den ihr gebührenden Platz einnehmen» werde, war es klar, dass ihr Aufnahmegesuch sinnlos würde, wenn man ihr nicht einen ständigen Eatsitz zusicherte. Am gleichen Tage, nämlich am 15. September, nahm der Eat nach verschiedenen nicht offiziellen Zusammenkünften mit 10 Stimmen gegen 3 Enthaltungen (Argentinien, Panama und Portugal) 2) diskussionslos die nachfolgende Eesolution an: «Der Völkerbundsrat: Nachdem ihm der Brief vom 15. September 1934 unterbreitet worden ist, den die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken betreffend ihren Beitritt in den Völkerbund an den Präsidenten der Versammlung gerichtet hat.

Ernennt kraft der ihm durch Artikel 4 des Völkerbundsvertrages verliehenen Vollmachten die Sowjetunion zum ständigen Katsmitgliede, sobald die Versammlung ihre Aufnahme in den Völkerbund beschlossen haben wird ; ·' Empfiehlt der Völkerbundsversammlung, diesen Entscheid zu genehmigen. » Nachdem die Frage des Eatsitzes unter Vorbehalt einer mehrheitlichen Genehmigung durch die Völkerbundsversammlung8) erledigt worden war, kam die Angelegenheit zwei Tage später, d. i. am 17. September, vor die sechste *) Auf diese Weise hätte die Völkerbundsversammlung gemäss ihrer Geschäftsordnung mit einer Zweidrittelsmehrheit darüber entscheiden können.

^"Herr da Mata, der Vertreter Portugals, gab bei diesem Anlass folgende
Erklärung ab: «loh widersetze mich dem in geheimer Versammlung getroffenen Entscheide für Zuteilung eines ständigen Batsitzes an Sowjetrussland nicht, weil ich einem Plane zum politischen 'Wiederaufbau Europas, den man für das Friedenswerk als notwendig erachtet hat, nicht hinderlich sein möchte ; aber ich werde mich an den Beschluss der portugiesischen Regierung halten, in der Völkerbundsversammlung unter Nennung der entscheidenden Gründe gegen die Zulassung der Sowjets zu stimmen und im Bäte selbst sich zu enthalten. Ich habe mich somit der Stimmabgabe enthalten.» 3 ) Gemäss nachfolgendem Wortlaut des Artikels 4, Alinea 2, des Völkerbunds Vertrages: «Mit Zustimmung der Mehrheit der Versammlung kann der Bat weitere Mitglieder des Völkerbundes bezeichnen, deren Vertretung im Bäte von da an eine ständige sein soll. Mit der gleichen Zustimmung kann er die Zahl der von der Versammlung für die Vertretung im Bäte gewählten Mitgliedern erhöhen.»

207 Kommission, i Als erster Bedner hatte sich Herr da Mata, der Aussenminister von Portugal, eingeschrieben. Dieser bestätigte, dass sich seine Eegierung veranlasst sehe, gegen den Beitritt Sowjetrusslands in den Völkerbund zu stimmen. Der Beweggrund allgemeiner Natur, welcher die Haltung Portugals bestimmte, lag im «offensichtlichen Gegensatz oder gar in der Unvereinbarkeit der durch Sowjetrussland vertretenen Grundsätze wirtschaftlicher, rechtlicher, .politischer und moralischer Natur mit den Begriffen, auf denen unsere jahrhundertalte Kultur aufgebaut ist». <
' ' . ' Die Stellungnahme des schweizerischen Bundesrates zum Aufnahmegesuch der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken ist bekannt. Sie wird von den einen kritisiert, von den andern verteidigt. Sie steht iin Gegensatz zur Meinung der grossen Mehrheit der andern Delegationen und insbesondere zu den ausgesprochenen Absichten der drei hier vertretenen Grossmächte. Darum soll sie begründet und erklärt werden. Ich will dies versuchen mit dem Bestreben nach Mässigung, das allein der Beweisführung Durchschlagskraft verleiht.

Aber ich will doch mit der ganzen Offenheit sprechen, die wir einander gegenseitig schuldig sind.

' Die Schweiz ist ;der einzige Staat, der auf Grund eines Volksentscheids, einer Abstimmung.des Volks und der Kantone, in den Völkerbund eingetreten ist. Kaum je wurde bei uns so lebhaft, ja aufgeregt gerungen wie um diesen entscheidenden Beschluss. Die Bundesregierung trat für ihn mit dem ganzen Gewicht ihrer Autorität ein und setzte ihn durch. Die Gründer des Völkerbunds
haben Genf als den Sitz der neuen Einrichtung bezeichnet und haben uns dadurch ihr Vertrauen bekundet. Unsere öffentliche Meinung war für diese hohe Ehre sehr empfänglich und ist es bis heute geblieben. Die Tatsache,:dass wir das Gastland des Völkerbundes sind, hat die im ganzen gewiss erfreuliche Wirkung gehabt, dass die Öffentlichkeit sich bei uns, mehr als vielleicht irgendwo sonst, für .das Leben und die Leistung des Völkerbundes interessiert. Vorgänge, die sich in seiner nächsten Nähe abspielen, pflegen den Menschen ja ganz besonders zu berühren.

Wir sind von Anfang an sehr entschiedene Anhänger der Universalität des Völkerbundes gewesen und haben es bewiesen. Wenn ich nicht fürchtete, einen

208 Geschmacksfehler zu begehen, würde ich meine Bede vom 15. November 1920 zur feierlichen Eröffnung aer ersten Versammlung zitieren. Ich machte damals eine direkte Anspielung auf Eussland, indem ich den Wunsch aussprach, dass es eines Tages «geheilt von seinem Taumel» und «befreit aus seinem Elend» vom Völkerbund die für seine Wiederherstellung unentbehrliche Hilfe verlangen und erreichen werde.

Die schweizerische Regierung hat dem russischen Volk stets die lebhafteste Freundschaft entgegengebracht, hat aber dessen gegenwärtiges Regiment -nie de j u r e anerkennen wollen. Sie ist entschlossen, bei dieser ablehnenden und abwartenden Stellung zu beharren. Unsere Gesandtschaft in Petrograd wurde 1918 geplündert, einer ihrer Beamten massakriert. Wir haben nie auch nur den Schein einer Entschuldigung vernommen. Als uns 1918 der Versuch eines Generalstreiks mit den Schrecken eines Bürgerkrieges bedrohte, mussten wir mit militärischer Gewalt eine Sowjetmission, die wir in Bern geduldet hatten, entfernen; denn sie war bei der'Wühlerei beteiligt.

Sobald man dies Jahr in den diplomatischen Kreisen von der Möglichkeit der Aufnahme der Sowjetunion in den Völkerbund zu sprechen begann, gab der Bundesrat unverweilt dem Parlament bekannt, dass er nicht zustimmen könnte.

Wenn nicht rechtlich, so doch tatsächlich würde seine Zustimmung zur Wiederaufnahme der regelmässigen diplomatischen Beziehungen führen. Davon konnte keine Rede sein. Aber entsprechend einem Gebot elementarer Vorsicht behielt sich der Bundesrat in jenem Stadium für so lange, als ein genauerer Entscheid sich noch nicht aufdrängte, den freien Entscheid zwischen einem kategorischen Nein und der Stimmenthaltung vor, die ja übrigens seiner Ansicht nach auch nur eine gemilderte Form der Ablehnung wäre.

Seither hat unsere öffentliche Meinung, je näher die Möglichkeit eines russischen Eintrittsgesuchs heranrückte, desto energischer sich mit dem Problem befasst. Ich werde Ihnen gleich erklären, warum und wie die Volksmeinung reagiert hat. Aber gestatten sie zunächst ein Wort über Sinn und Tragweite dieser Bewegung.

Unsere öffentliche Meinung ist stets frei und äussert sich, :wie sie will.

Auch die Presse ist durchaus frei. Dem Bundesrat steht keine offiziöse Presse zur Verfügung. Kein Druck, ja nicht einmal eine Anleitung geht von oben aus.
Wir besitzen aber sehr zahlreiche vaterländische Vereine jeder Art, wo der Bürgergeist gepflegt und wachgehalten wird. Wäre es anders, so wären wir keine Demokratie. Auf diese unsere Demokratie sind wir stolz. Sie ist eines unserer Lebenselemente. Ohne Demokratie keine Schweiz! Wenn sich also in einer wichtigen Frage die Presse und die vaterländischen Vereine in ihrer sehr grossen Mehrheit ohne Unterschied der Partei, der Gegend und der Sprache im gleichen Sinne aussprechen, so heisst das, dass wir vor einem klar ausgesprochenen nationalen Willen stehen. Dem hat die Landesregierung Rechnung zu tragen, um so mehr, wenn ihre eigene Ansicht mit der öffentlichen Meinung übereinstimmt. Das ist heute der Fall.

209

Wenn ich nun unter Beiseitelassung von. weniger Wichtigem zur Sache selbst übergehe, so habe ich zur Aufnahme der Sowjetunion in den Völkerbund zunächst die Frage zu stellen : erfüllt ein Eegiment, das in Theorie und Praxis für die Verbreitung des Kommunismus kämpft, die Bedingungen für die Aufnahme in den Völkerbund ?

Ich weise nur im Vorbeigehen auf den Text der Präambel und auf die wörtlichen Bestimmungen unseres Paktes hin. Daraus könnte ich sehr starke Argumente ziehen. Aber viel entscheidender als sie ist der oberste Sinn und Zweck des Paktes, .der:, wegen seiner Selbstverständlichkeit gar nicht ausgesprochen zu werden brauchte.

: : Diese Art Kommunismus bedeutet auf jedem Gebiet -- auf dem der Eeligion, der Moral, ider Gesellschaft, der Politik, der Wirtschaft -- die gründlichste Verneinung aller Ideen, auf denen unser Wesen und unser Leben beruht.

Die meisten Staaten verbieten ja vorweg die kommunistische Propaganda, alle aber betrachten sie als Staatsverbrechen, sobald sie ihre Theorie in die Tat umzusetzen versucht.

; Der Sowjetkommunismus bekämpft die religiöse Idee und die Geistigkeit in allen ihren Formen. Lenin hat die Eeligion mit dem Opium verglichen. Die Gewissensfreiheit besteht nur zum Schein. Die Geistlichen und ihre Familien bekommen keine Lebensmittelkarten. Die gottesdienstlichen Gebäude sind ihrer ursprünglichen Bestimmung entzogen und zerfallen. In Moskau gab es einst fünfhundert Kirchen und Kapellen; heute sollen noch vierzig davon übrig sein! Die christlichen Kirchen der ganzen Welt sind aufs tiefste erschüttert von dem Jammer ihrer Glaubensgenossen in Eussland. In der Schweiz wurde letztes Jahr die sogenannte Märtyrerpetition mit mehr als zweihunderttausend Unterschriften bedeckt.

!

Der Kommunismus löst die Familienbande auf: er verwirft die individuelle Initiative; er unterdrückt das Privateigentum; er organisiert die Arbeit in Formen, die kaum von ZMrangs arbeit zu unterscheiden sind. Eussland ist von der' schweren Plage einer Hungersnot heimgesucht, und ganz unparteiische Beobachter fragen sich, ob diese Hungersnot nur naturbedingt ist oder ob sie in einem grundverfehlten wirtschaftlichen und sozialen System ihre Ursache hat. · · .: Aber mit den Merkmalen des Kommunismus, wie ich sie objektiv zu skizzieren versucht habe, ist seine Charakterisierung noch nicht
erschöpft. Es fehlt noch ein ganz wesentlicher und entscheidender Zug, der ihn in Gegensatz zu den unentbehrlichsten, in aller Welt anerkannten Grundsätzen des Verhaltens von Staat zu Staat stellt. Das ist sein Anspruch auf Durchsetzung in der ganzen Welt. Sein Ziel ist die Weltrevolution. Natur und Wille drängen ihn zur Propaganda im Ausland. Die Verbreitung über die politischen Grenzen hinaus ist sein Lebensgesetz. Wenn er darauf verzichtet, verleugnet er sich selbst. Wenn er ihm treu bleibt, so wird er der Feind aller ; denn er bedroht uns alle. Es wäre mir ein Leichtes, jede dieser Behauptungen mit authentischen Texten zu begründen, die aus der offiziellen bolschewistischen Literatur zu

210 schöpfen sind. Aber ich schenke Ihnen überflüssige Zitate. Es handelt sich vini Wahrheiten, die nicht bestritten werden und auch nicht bestritten werden können.

Ich höre einen ersten Einwand : man niuss sich hüten, die kommunistische Partei mit dem bolschewistischen Staat zu verwechseln. Aber dieser Einwand hat keine Kraft. Der bolschewistische Staat, die russische kommunistische Partei und die Dritte Internationale, die aus ihr hervorgegangen ist, sind eine moralische Einheit. Der bolschewistische Staat wurde gegründet, um das Programm der kommunistischen Partei zu verwirklichen. Lenin hat in seiner Person die Funktionen eines Staatsoberhaupts und eines obersten Parteiführers vereinigt. Der gegenwärtige Generalsekretär der Partei ist nominell zwar nicht Oberhaupt des Staates, aber doch dessen Herr. Die Verbindung zwischen Staat und Partei ist unauflöslich. Die Partei befiehlt, der Staat führt ihre Befehle aus1.

Ich höre einen zweiten Einwand, der mehr Gewicht hat. Er sei dargelegt und geprüft. Die Sowjetunion, so sagt man, ist ein ungeheures Gebiet, das hundertsechzig Millionen Seelen umfasst. Der Staat neigt einerseits gegen Asien, anderseits gegen Europa; er dehnt sich auf zwei Kontinente aus, und es wäre gefährlich, ihn unbeachtet zu lassen oder bewusst beiseite schieben zu wollen.

Der Völkerbund ist nichts anderes als eine neue Form internationaler Zusammenarbeit. Er ist kein moralisches Institut, sondern eine politische Vereinigung, deren vorderster Zweck die Verhinderung von Kriegen und die Erhaltung des Weltfriedens ist. Wenn die Aufnahme Busslands der Friedenssache dienen kann, so muss man sich mit ihr abfinden, welche Befürchtungen, welche Gewissenshemmungen, welchen innern Widerwillen auch manche Eegierungen hegen mögen. Es ist ja auch nicht verboten, darauf zu hoffen, dass die fortgesetzte Zusammenarbeit Sowjetrusslands mit den andern Staaten im Schosse des Völkerbunds eine Entwicklung fördert, die für alle und in erster Linie für Eussland wohltuend ist.

Sie würden sich mit Eecht wundern, meine Damen und Herren, wenn ich dieser Art, das Problem ins Auge za fassen, jeden Wert absprechen wollte.

Die Eegierungen Frankreichs, Grossbritanniens und Italiens haben dem Bundesrat auf dem ordentlichen diplomatischen Wege, durch ihre Vertreter in Bern, analoge Anschauungen zur Kenntnis
gebracht. Diese Besprechungen, die ich als Vorsteher des eidgenössischen politischen Departements zu führen hatte, haben sich im Eahmen von Freundschaft und Vertrauen vollzogen. Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass ein Druck auszuüben versucht werde, auch nicht ein indirekter. Ich halte mich für verpflichtet, dies hier zu bekunden, um im allgemeinen Interesse jeden Verdacht zu zerstreuen.

Aber wenn wir auch die Gesichtspunkte der andern Staaten und vor allem der Grossmächte verstanden haben, 'so mussten wir uns doch auf einen andern Boden stellen. Ein Land wie die Schweiz, das in der grossen Politik eine Eolle weder spielen kann noch spielen will, muss notwendigerweise seinem eigenen innern Gesetz folgen. Der Opportunismus, selbst der bestbegründete und von hohen Erwägungen ausgehende Opportunismus, ist uns manchmal ganz einfach

211

verboten. Wir können mit andern Staaten nur ina strengen Bemühen um sittliche Grosse in Wettbewerb treten.

Wir können nun einmal an diese Evolution des bolschewistischen Regiments, die wir mit Urnen wünschen, nicht glauben. Wir können auf die Idee, dass wenigstens ein Minimum von moralischer und politischer Verwandtschaft zwischen den Staaten 'bestehen sollte, nicht verzichten zugunsten des Grundsatzes der Universalität. Der Völkerbund ist oder sollte nach unserer Ansicht eine der höchsten Errungenschaften menschlichen Sehnens sein. Als am 16. Mai 1920 Volk und Kantone der Schweiz unter Überwindung aller traditionellen Hindernisse sich für den Eintritt der Eidgenossenschaft in den Völkerbund entschieden, folgten sie hochgemut dem Appell des Ideals.

' Heute besteht bei allen Schweizern, die patriotisch und national gesinnt sind, der gemeinsame Eindruck, dass der Völkerbund etwas Gefährliches unternimmt, wenn er Wasser und Feuer versöhnen will. Wenn Sowjetrussland plötzlich aufhört, den Völkerbund zu beschimpfen, während ihn Lenin als Bäubergesellschaft definierte, so kann, man sich das mit dem Wetterleuchten im Fernen Osten erklären. Aber vertrauen können wir der Sowjetunion deshalb noch nicht. Wir können uns nicht an einem Akt beteiligen, der ihr ein bisher nie besessenes Ansehen verschaffen wird.

.Aber die Würfel sind gefallen. Aléa j a c t a e s t . . Wir haben die Eolle eines Wächters und Warners vorgezogen, hoffen aber, dass die Zukunft unser Misstrauen als übertrieben erweisen wird. Wir zählen darauf,.dass alle andern Staaten uns helfen werden, zu verhindern, dass Genf ein Herd zersetzender Propaganda wird. Wir werden wachsam sein. Das ist unsere Pflicht. Unterdessen genügt es uns, dass Sowjetrussland wenigstens nicht einstimmig aufgenommen und mit Kränzen empfangen wird, ohne Bücksicht auf seine Vergangenheit.

.

.

. ' , · Auch nach seiner Aufnahme werden Bat und Versammlung vor mehreren offen, gebliebenen Fragen stehen. Die Entschliessungen der Versammlung, die sich auf die Unabhängigkeit Georgiens beziehen, werden nicht den Todesschlaf antreten. Noch immer, werden Menschen mit Gefühl sich; Armeniens, der Ukraine und anderer Länder annehmen. Man soll nicht sagen können, diese Probleme^ seien aus der Welt geschafft. Die Sympathien der zivilisierten Welt sind mit den Helden, die ihr Leben
und ihre Freiheit verteidigen. Diese Probleme sind also nicht verjährt. Und wir hoffen ganz besonders, dass, wenn, die Sowjetdelegierten hier weilen werden, in Genf Stimmen ertönen, die im Namen des menschlichen Gewissens : Aufklärung von der russischen Begierung verlangen.

Sie werden diese antireligiöse Propaganda verurteilen, die ihresgleichen in der Geschichte der Menschheit nicht 'hat und die die Christenheit in Schmerz und Trauer ; versetzt und mit ihr alle Menschen, die an Gott glauben und seine Gerechtigkeit anrufen.

.

. , Ich schliesse. Ich habe versucht, die Stimme der gewaltigen Mehrheit des Schweizervolkes sprechen zu lassen. Fern liegt es mir, andern Belehrungen zu

212 erteilen. Aber ich habe darauf gehalten, frei zu sprechen. Hätte ich es nicht getan, so wäre ich meiner Pflicht untreu geworden.

Es ehrt die Völkerbundsversammlung, dass dieses Aufnahmeverfahren, so heikel es ist, in ungetrübter Buhe begonnen hat und verläuft. Das Schweizervolk wird Ihren Mehrheitsentscheid mit ruhigem Blut und mit der guten demokratischen Disziplin entgegennehmen, die seiner vielhundertjährigen Überlieferung entspricht.» Nach der Eede des Herrn Motta, die mit gespanntester Aufmerksamkeit verfolgt worden war und am Schluss einen mächtigen Beifall geerntet hatte, gab der erste Delegierte Belgiens die Grunde an, welche es seinem Lande nicht erlauben, die russische Mitarbeit in Genf zu begrüssen. Diese Gründe, erklärte Herr Jaspar, «stützen sich auf Erwägungen höherer Art, wie ihnen die Schweiz soeben mit gemässigten Worten und verhaltener Bewegung Ausdruck verliehen hat, wofür ich meine Bewunderung bezeugen möchte». Der belgische Staatsmann erinnerte an «den unermesslichen Schaden von mehreren hundert Milliarden Goldfranken», den die Sowjets seinen Landsleuten verursacht haben, «indem sie sich gegen alles Eecht der 161 Unternehmungen bemächtigten, die belgische Ingenieure und Arbeiter in Eussland aufgebaut hatten und durch welche dieses Land einer industriellen Entwicklung, die den Stolz der Eegierung bildete, zugeführt worden war». Nun aber, hob Herr Jaspar hervor, «ist niemals weder eine Eückerstattung erfolgt noch ein Schadenersatz geleistet worden und nicht einmal ein Wort des Bedauerns war zu erwirken für diese nicht zu rechtfertigende Beraubung, die einer kleinen Nation durch eines der grössten Eeiche der Welt zugefügt worden war». Er führte weiter aus, dass Belgien dennoch nicht beabsichtige, «in ablehnendem Sinne zu stimmen; es wird sich der Stimmabgabe enthalten. Zu dieser Stellungnahme sieht es sich einzig und allein aus folgenden Erwägungen veranlasst: Vom Beitritt Eusslands, der eine wesentliche Erweiterung des Völkerbundes bedeuten wird, verspricht man sich eine Festigung und eine günstigere Gestaltung der internationalen Beziehungen, und dies ist stets auch unser Ziel gewesen. Drei Grossmächte, mit denen sich Belgien eng verbunden fühlt, haben die Initiative zu dieser Politik ergriffen und sie ausdrücklich zur ihrigen gemacht. Wie gerechtfertigt auch die Bedenken
und die Gegengründe Belgiens sein mögen, so will es doch diesen Bestrebungen nicht in dem Augenblick entgegentreten, wo diese Mächte die ganze Verantwortung für die Aufrechterhaltung der europäischen Ordnung und für den Weltfrieden auf sich nehmen wollen.» Den gleichen Vorwürfen und Klagen gegen Eussland verlieh Argentinien durch seinen ersten Delegierten, Herrn Cantilo, Botschafter in Eom, Ausdruck und erklärte zugleich, dass es sich hinsichtlich der Aufnahme der Stimmabgabe enthalten werde. Die Niederlande gaben ihrerseits bekannt, dass sie nein stimmen werden und sich dabei von den Erwägungen leiten lassen, die bereits von andern Delegierten «und insbesondere vom Vertreter der Schweiz» geltend gemacht worden waren.

. -

213 Nachdem somit die Gegnerschaft zum Wort gekommen war, übernahm Herr Barthou, der erste Delegierte Frankreichs, die Verteidigung ' der russischen Kandidatur. Er sprach Herrn Motta seinen Dank dafür aus, «dass er mit soviel Unabhängigkeit und moralischer Autorität» gesprochen habe, und wies anschliessend einen seinem Lande gemachten Vorwurf der Ausübung irgendwelchen Druckes zurück. Dann hob er die Tatsache hervor, dass die Sowjetregierung unter der Verpflichtung, «alle Bedingungen des Paktes zu erfüllen», in den Völkerbund einzutreten wünsche. Denn es lief für Herrn Barthou letzten Endes alles auf eine Garantienfrage hinaus. Man muss nicht auf die Vergangenheit zurückkommen, -die abgetan sein dürfte. Eine Wandlung ist in Sowjetrussland zu verzeichnen. Das Bussland von heute ist nicht mehr das der, ersten Bevolutionsjahre. Was könnte entscheidender sein als die Erklärungen, welche es vor seiner.Aufnahme abgegeben hat? Ist es übrigens nicht besser; Bussland innerhalb, statt ausserhalb des Völkerbundes zu sehen, wenn man will, dass es seinen Verpflichtungen als zivilisierter Staat nachkomme ?

- Der hervorragende französische Staatsmann anerkennt, dass diese Aufnahme gewisse Gefahren, gewisse Nachteile in sich schliesst. Ist es aber vorzuziehen, das russische Gesuch abzulehnen? «Da ist ein Land,» erklärte Herr Barthou, «das bereit: ist, in die europäische Gemeinschaft einzutreten, das sich den Normen des Völkerbundes unterstellt, das alle seine Bedingungen annimmt, und Sie wollen es abweisen ? Sie werden es demütigen, Sie werden es verbittert, misstrauisch, feindselig wegschicken. Glauben Sie, eine Propagandatätigkeit, die Sie fürchten, dadurch unterbinden zu können, dass Sie das Anerbieten Sowjetsrusslands ablehnen ? Ich bin gegenteiliger Ansicht. Hinsichtlich dieser Propaganda behaupte ich nicht, dass sie restlos zu meistern sein wird, falls Bussland in den Völkerbund eintritt, aber ich ziehe es vor, die Sowjetunion als verantwortlichen Staat vor mir zu sehen, der sich zwar nicht über die Handlungen seiner innern Politik, wohl aber über die mit dem internationalen Leben zusammenhängenden Geschehnisse auszusprechen haben wird.» Die Delegierten Grossbritanniens, Italiens und Polens legten sodann, kurz dar, dass ihre Länder dem Beitritt günstig gesinnt seien. Im Namen der Tschechoslowakei wies Herr
Bénès auf den universalen Charakter hin, den eine Institution "«de der Völkerbund haben müsse. Der Vertreter Kanadas gab der Hoffnung Ausdruck, dass die Sowjetunion bereit sein werde, «ihr Möglichstes zu tun», um das Elend der Hungersnot zu beheben und um zu verhindern, dass die Tätigkeit von Männern unterbunden werde, die, ohne irgendwelche politische Absicht, den Unglücklichen und Leidenden ihre Hilfe leihen möchten.

Nachdem noch der türkische Delegierte gesprochen hatte, der den Sowjets und deren internationaler Politik seine Anerkennung zollte, genehmigte die Kommission mit Namensaufruf den nachfolgenden Besolutionsentwurf : «In Anbetracht der Einladung, die am 15. September 1934 von 30 Delegationen an die Begierung der U. S. S. B. gerichtet worden' ist, um den Beitritt der Sowjetunion in den Völkerbund zu veranlassen, sowie im Hinblick auf die

214 Erklärung, welche die Kegierungen von Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden diesbezüglich abgegeben haben; .

In Anbetracht der Antwort auf diese beiden Texte, welche die Eegierung der U. S. S. B. am gleichen Tage an den Präsidenten der Völkerbundsversammlung gerichtet hat; Unter Feststellung der Tatsache, dass die Eegierung der U. S. S. E. in ihrer Antwort erklärt, sich «in Übereinstimmung mit Artikel l des Völkerbundsvertrages» zu verpflichten, «alle, internationalen Verpflichtungen und alle Beschlüsse zu beobachten, die für die Mitglieder des Völkerbundes bindenden Charakter haben; Empfiehlt die sechste Kommission der Versammlung, Sowjetrussland in den Völkerbund aufzunehmen.» Dieser Entwurf wurde mit 38 gegen 3 Stimmen (Niederlande, Portugal und die Schweiz) sowie 7 Enthaltungen (Argentinien, Belgien, Kuba, Luxemburg, Nicaragua, Peru und Venezuela) angenommen.

Die Debatte war damit geschlossen und die Frage der Aufnahme Busslands sozusagen entschieden. Die Völkerbundsversammlung brauchte sie. nur noch zu bestätigen 1).

5. Aufnahme Afghanistans. Nach der Sowjetunion gab Afghanistan seinen Wunsch um Beitritt in den Völkerbund bekannt. Der Generalsekretär erhielt am 24. September eine Mitteilung, worin erklärt wurde, dass die Eegierung von Afghanistan bereit sei, «die in Artikel l des Völkerbundsvertrages enthaltenen Bedingungen anzunehmen und allen Verpflichtungen, die den Mitgliedern des Völkerbundes auferlegt sind, nachzukommen». Gemäss dem üblichen Verfahren wurde die Angelegenheit einem Unterausschuss überwiesen, der nachprüfte, ob dieses Land die Bedingungen erfülle, welche an eine Aufnahme in den Völkerbund geknüpft sind (Anerkennung de jure durch gewisse Staaten, stabile Eegierung, bestimmte Grenzen, Bevölkerung, unabhängiges und souveränes Staatswesen, Garantie für die Erfüllung der internationalen Verpflichtungen usw.). Da die Antwort des Unterausschusses in allen Punkten günstig lautete, beschloss die Kommission, die Aufnahme Afghanistans in den Völkerbund einstimmig zu beantragen. Bei diesem Anlass gaben Tevfik Eüstü Bey (Türkei), der Berichterstatter des Unterausschusses, und andere Delegierte, v/orunter insbesondere die Vertreter der benachbarten Staaten, ihrer Genugtuung Ausdruck über die Mitwirkung eines neuen Landes des asiatischen Kontinents an den Arbeiten des Völkerbundes.
6. Minderheiten. Die sechste Kommission hatte sich mit zwei Fragengruppen zu befassen, nämlich mit der durch Polen geforderten Verallgemeinerung der Verträge und mit dem von ungarischer Seite aufgeworfenen Problem des Minderheitenschutzes im allgemeinen.

Die erste Frage war, wie wir schon erwähnt haben, vor der VölkerbündeVersammlung bereits durch den polnischen Aussenminister, Herrn Beck, !) Vgl. unten, S. 221 f.

215 aufgeworfen worden. Sie stand übrigens seit langem auf der Tagesordnung der Völkerbundsversammlung, da die polnische Eegierung seit dem Monat April den Entwurf zur nachfolgenden Resolution eingereicht hatte: «Die Völkerbundsversammlung.

In Erwägung, dass die zurzeit in Kraft stehenden Mind erheitenverträge wie auch die von gewissen Staaten vor dem Völkerbundsrat abgegebenen Erklärungen über den internationalen Minderheitenschutz nur einen Teil der Mitglieder des Völkerbundes binden, -wogegen andere Mitgliedstaaten diesbezüglich von jeder rechtlichen Verpflichtung frei sind; Von der Ansicht ausgehend, dass eine derartige 'Sachlage nur gewissen Minderheiten eine internationale Garantie bietet und die andern ohne internationalen Schutz läss't, da sie in keinem Fall an den Völkerbund gelangen können ; In Erwägung, dass eine derartige Unterscheidung zwischen geschützten und nicht geschützten1 Minderheiten mit dem Hechts- und Billigkeitsgefühl im Widerspruch steht; Im Hinblick darauf, dass die Minderheiten der Easse, Sprache und Beligion, die des derzeitigen'Minderheitenschutzes nicht teilhaftig'sind, obwohl sie den gleichen moralischen Anspruch auf den Beistand des Völkerbundes haben wie die geschützten Minderheiten, sich auf fast alle europäischen und aussereuropäischen Länder verteilen ; .

Erklärt, dass die jetzige Form des internationalen Minderheitenschutzes den wichtigsten Grundsätzen der internationalen Moral nicht entspricht, und erachtet, dass durch den 1 Abschluss eines allgemein gültigen Übereinkommens über den Minderheitenschutz Abhilfe geschaffen werden sollte; dieses Übereinkommen müsste sämtlichen Völkerbundsmitgliedern die gleichen Verpflichtungen auferlegen und hätte für alle Minderheiten der Easse, Sprache und Eeligion den internationalen Schutz zu sichern; . Beschliesst, zu diesem Zweck eine internationale Konferenz einzuberufen, die sich aus allen Mitgliedern des Völkerbundes zusammensetzt und die die Aufgabe erhält, ein allgemeines Übereinkommen über den internationalen Minderheitenschutz auszuarbeiten; , Und ersucht den Völkerbundsrat, die erforderlichen Massnalimen zu ergreifen, damit diese Konferenz möglichst bald,: auf alle Fälle aber innert sechs Monaten nach Schluss der Arbeiten der gegenwärtigen Völkerbundstagung, einberufen werden könne l» Dieser Eesolutionsentwurf
wurde in der sechsten Kommission durch den Vertreter Polens, Grafen Eaczynski, erläutert. Derselbe betonte zuerst, dass man infolge der Nichtzuständigkeit der Völkerbunclsversammlung die Erklärung, welche Herr ,Beck während der allgemeinen Aussprache über die zukünftige Haltung,Polens in der Minderheitenfrage abgegeben hatte,, von der Debatte ausschliessen müsse 1). Dementsprechend beschränkte sich Graf Baczyiiski !) Vgl. oben, S. 162. "·

216 auch darauf, die Bedingungen einer allfälligen Verallgemeinerung der Minderheitenverträge darzulegen. Nach Ansicht der polnischen Eegierung sind die Staaten, welche durch Minderheitenschutzverträge gebunden sind, nicht die einzigen, die Bässen-,. Sprach- und Beligionsminderheiten aufweisen. Falls sich das - System des in den Friedensverträgen vorgesehenen Minderheitenschutzes bewährt hat, sollte es verallgemeinert werden. Eine Verweigerung dessen wäre gleichbedeutend mit einer Bestätigung der rechtlichen Unebenbürtigkeit gewisser Staaten. Aus gewissen praktischen Erwägungen wäre es immerhin angezeigt, diese Verallgemeinerung auf Europa zu beschränken.

Der polnische Antrag wurde in verschiedener Weise aufgenommen. Die Grossmächte machten hinsichtlich der Verallgemeinerungsthese als solcher die entschiedensten Vorbehalte geltend. Der Vertreter Grossbritanniens bezweifelte ernsthaft, dass durch eine Verallgemeinerung der betreffenden Verträge bessere Besultate gezeitigt würden. Er bestritt des weitern, dass notwendigerweise in jedem Staat ein Minderheitenproblem zu bestehen brauche.

Vielmehr ist er der Ansicht, dass die Frage als solche nicht richtig aufgegriffen worden sei. Wenn für gewisse Staaten Minderheitenverträge bestehen, erklärt sich dies aus den besondern Verhältnissen dieser Länder. Das zu prüfende Problem, behauptete Herr Eden, «ist nicht das Vorhandensein verschiedener Bässen und Beligionen innerhalb eines Staates, sondern der Umstand, dass die Minderheit in einem gewissen Lande an die in einem Nachbarlande lebende Mehrheit gleicher Basse, gleicher Sprache oder gleicher Beligion grenzt, von welcher sie erst kürzlich abgetrennt wurde». Nach Ansicht des britischen Delegierten kommt dem Minderheitenproblem übrigens kein dauernder Charakter zu. Die Minderheitenverträge bezweckten die Lösung und nicht die Verewigung eines Problems. Sie können im Einverständnis mit dem Völkerbundsrat abgeändert werden. Der französische Delegierte nahm denselben Standpunkt ein. «Es gibt keine Fälle allgemeiner Natur», bemerkte Herr Massigli; «es gibt nur lauter Einzelfälle... Die Verträge von 1919 und 1920 sind aus rein empirischen Erwägungen hervorgegangen... Man suchte den Schwierigkeiten vorzubeugen, die sich mit ganz besonderer Schärfe für jene Staaten zu ergeben schienen, die ein von Grund auf neues
nationales Gleichgewicht zu schaffen, hatten.» Für den Vertreter Italiens «wäre es eine Verkennung der Tatsachen und der historischen Bedingtheit aller rechtlichen Erscheinungen, wenn man die Umstände, unter denen die Minderheitenverträge entstanden sind, nicht gebührend in Betracht ziehen würde und den Zusammenhang übergehen wollte, der zwischen diesen Verträgen und den auf Grund der Friedenskonferenz vorgenommenen Gebietszuteilungen besteht». Im Namen Belgiens erklärte Herr Hymans, dass eine Verallgemeinerung «die Gefahr mit sich brächte, in einem Volke, das keine Minderheitenfrage kennt, Meinungsverschiedenheiten und Unruhen heraufzubeschwören». Bezüglich der Staaten mit Minderheitenverträgen, wie Bumänien, die Tschechoslowakei und Jugoslawien, ist hervorzuheben, dass sie aus naheliegenden Gründen einer Verallgemeinerung nicht abgeneigt wären, sich aber auch mit der Beibehaltung der in Kraft stehenden

217 Verträge abfinden können. Sie bleiben den von ihnen eingegangenen Verpflichtungen treu. «Die tschechoslowakische Delegation», erklärte Herr Bénès, «stellt diesbezüglich kein Begehren». Mein Land bringt die unterzeichneten Verträge gewissenhaft zur Anwendung und wird weiterfahren dies zu tun...

Wenn man sich unser Verfahren näher ansieht, bemerkt man, dass in mancher Hinsicht versucht wird, sich dem schweizerischen System zu nähern.» Der Delegierte Jugoslawiens rief in Erinnerung, dass man die Eechte der Minderheiten oft als «heilige Eëchte» bezeichnet habe. Wie könnte man aber «annehmen,» fügte er bei, «dass heilige Eechte an einer Grenzlinie aufhören, und dass jenseits der : Grenze gleich achtbare Minderheiten nicht einmal des elementarsten Schutzes ihrer Eechte teilhaftig sein sollen?» Andere Staaten sprachen sich zugunsten der Verallgemeinerungsthèse aus, wiesen aber gleichzeitig auf die Gefahren hin, die sich aus einer Erweiterung der Minderheiten Verpflichtungen ergeben könnten. Der Vertreter der Niederlande befürchtet, dass eine allgemeine Eegelung des Minderheitenschutzes die Eechte beeinträchtigen würde, welche die Minderheiten auf Grund der ·bestehenden Verträge bereits gemessen, und ein 'solches'Ergebnis wäre wohl Jtaum wünschenswert. Für die schwedische Begierung, die eine Verallgemeinerung grundsätzlich begrüssen würde, «bedeutet die zuiEnde des letzten Krieges -erfolgte Schaffung eines wenn auch nur beschränkten Minderheitenschutzes .schon einen, bedeutenden Fortschritt».

· Die Schweiz steht einer Verallgemeinerung der Verträge .nicht feindlich gegenüber. «Die schweizerische Delegation», führte Herr Motta aus, «ist dem polnischen Vorschlag aus grundsätzlichen Erwägungen günstig gesinnt. Sie iat sich stets für den Schutz der Minderheiten eingesetzt; sie hat, unablässig den Wunsch gehegt, dass ein allgemein gültiges Eecht geschaffen werde. Der .polnische Vorschlag bringt diese zwei grossen Gedanken zum Ausdruck. Es liegt somit in der Natur der Dinge, dass die schweizerische Delegation sich ihm .anschliesse... Obwohl sie aber ihr grundsätzliches Einverständnis zum Vòr.schlage-Polens geben kann, sieht sie sich veranlasst, zur Absicht der Einberufung einer internationalen Konferenz gewisse Bedenken zu äussern, solange die Frage noch nicht spruchreif ist...» Unser erster Delegierter
benützte diese .-Gelegenheit. um auch seinerseits gegen den Gedanken einer.einseitigen Kündigung der Verträge Stellung zu nehmen. «Wir halten es nicht, für zulässig», bemerkte Herr Motta, «dass man sich eines Vertrages entbinde, yenn dieser 'den .allgemeinen Bichtlinien einer bestimmten Politik nicht mehr zu entsprechen .scheint. Die Verträge sind un verletzlich : Pacta s un t s e r v a n d a . . . Es würde eine Verminderung des Ansehens, einen offensichtlichen Angriff auf die Autori.tät des Völkerbundes bedeuten, wenn aus seinen Verhandlungen die Idee hervorgehen könnte, dass die Verträge nur so 'lange angewandt werden müssen, als sie diesem oder jenem Teile genehm sind.» Herr de Vaierà (Irland) verhehlte ebenfalls nicht, dass auf diesem Gebiet .noch viele Fortschritte zu erzielen wären. «Es gibt ein gewisses Mindestmass von Schutz, hob er hervor, der notwendig ist und der zum grossen Teil auch Bundesblatt.

87. Jahrg.

Bd. I.

18

218 universal gestaltet werden könnte.» Seiner Ansicht nach ist nicht daran zu zweifeln^ dass eine mit der genauen Prüfung der Frage beauftragte .Kommission «dieses Minimum festzustellen vermöchte, indem für die ganze Welt ein allgemein gültiges Mass von Schutzbedürfnis angenommen würde». Er fügte jedoch bei, dass, «wenn die allfällig eingeführte Verallgemeinerung nur dahin führen, sollte, diese Minderheiten ohne Schutz zu lassen, wir unsere Pflicht gewiss nicht getan hätten».

Hinsichtlich der nichteuropäischen Staaten ist zu erwähnen, dass sie sich gegen den Gedanken einer Verallgemeinerung der Minderheitenverpflichtungen erhoben, weil die bei ihnen vorherrschenden Verhältnisse sich gänzlich von denjenigen Europas unterscheiden.

Der Vorschlag, welcher der Kommission zur Beratung unterbreitet worden, war, hatte eine zu grosse Gegnerschaft hervorgerufen, als dass der polnischen Delegation die geringste Hoffnung für seine Verwirklichung geblieben wäre...

Sie erachtete deshalb für besser, nicht auf eine Abstimmung über ihre Resolution zux drängen.

Abschliessend ist zu erwähnen, dass.die Aussprache über die mehr allgemeine Frage der Anwendung der bestehenden Minderheitenverträge durch eine lange Darlegung des ungarischen Delegierten eröffnet wurde, der sich in bittern Klagen über die Behandlung der ungarischen Minderheiten in Eumänien ausliess. Auf die Antwort des genannten Landes brauchte man nicht zu warten.

Sie wurde ohne alle Zurückhaltung von der tschechoslowakischen und jugoslawischen Delegation unterstützt, die übrigens zusammen mit andern Delegationen die Zuständigkeit der Völkerbundsversammlung für die Erörterung solcher Einzelfälle bestritten. Nach Antwort und Gegenantwort schlug der ungarische Delegierte vor, eine Untersuchungskommission zu bestellen, welche sich nicht nur mit den von Ungarn vorgebrachten Beschwerden zu befassen hätte, sondern auch mit allen Klagen, zu welchen die Behandlung der Minderheiten in Ungarn Anlass geben könnte. Herr Bénès widersetzte sich der Bildung dieser Kommission nicht, erklärte aber, dass allein der Völkerbundsrat zuständigsei, einen diesbezüglichen Entscheid zu treffen.

Nach Schluss der Verhandlungen genehmigte die Kommission einen, Bericht des Herrn Bech (Luxemburg), der sich darauf beschränkte, die Aussprache kurz zusammenzufassen und der demzufolge
keine Eesolution enthielt..

7. Sireitfall zwischen Bolivien und Paraguay -1).

Nachdem der Chaco-Konflikt, wie wir oben gesehen haben, gemäss Art. 15des Vertrages der Völkerbundsversammlung unterbreitet worden war, wurde die sechste Kommission mit seiner Prüfung betraut. Sobald die Zuständigkeitsfrage durch die erste Kommission geregelt worden war 2), setzte eine recht weitläufige Aussprache über die Mittel und Wege ein, wodurch dem Streit ein a

) Vgl. unsere diesbezüglichen Ausführungen Fragen (S. 165 f.).

2 ) Vgl. oben, erste Kommission, S. 165 f.

in Kapitel B: Bechtliohe-

219

Ende bereitet werden könnte. Die Notwendigkeit von Feindseligkeiten wurde allgemein bezweifelt, und nach den Aussagen der an Ort und Stelle entsandten internationalen Kommission zeitigen dieselben nur «ein deutliches Ergebnis, nämlich die mit der Dauer des Krieges stets zunehmenden Leiden und, die Verarmung zweier Völker». Der Bericht der Kommission besagte des weitern, dass «der Krieg im Chaco. besonders ruchlos und grausam ist: die Soldaten bekämpfen sich im Busch, weit entfernt von den bevölkerten Gebieten, unter sehr schlechten klimatischen Verhältnissen. Die Kranken und Verwundeten werden oft nur ungenügend gepflegt, da es schwer fällt,.mit den beschränkten Mitteln einen den beträchtlichen Truppenbeständen entsprechenden Sanitätsdienst einzurichten. Während der Kampf andauert, verarmen überdies die beiden Länder hinter der Front, und die Zukunft verdüstert sich für sie je länger je mehr. Die Jugend befindet sich an der Front, die Universitäten sind geschlossen, und wenn man bedenkt, wie sehr die beiden Nationen die Kräfte, welche diese heute zum Teil vernichtete Jugend darstellte, benötigen würden zur Weiterentwicklung, zur Schaffung besserer Lebensbedingungen, einer bessern Volkserziehung und einer bessern Hygiene, so ergibt sich, dass der Chacokrieg eine wahre Katastrophe für den · Fortschritt der Zivilisation in diesen?

Teil Amerikas bedeutet.» Zahlreiche Delegierte ergriffen das Wort, uni die Kriegführenden zu beschwören, diesem Bruderzwist ein Ende zu bereiten. Allgemein herrschte die Meinung vor, dass ein schiedsgerichtliches oder gerichtliches Verfahren die einzige Möglichkeit zur Beilegung des Streitfalles bilde, und diesem Verfahren hätte nach der Ansicht, gewisser Delegierter ein nochmaliger Vermittlungsversuch vorangehen können. Der Vertreter Grossbritanniens stellte mit Nachdruck fest, dass dieser Krieg einen offenen Bruch des Völkerbundsvertrages bedeute. Der französische Delegierte hob hervor, dass sich den Kriegführenden die Möglichkeit biete, in Anlehnung an die Haager Konvention vom Jahre 1907 einen unparteiischen Dritten beizuziehen, falls sie selbst sich nicht über die Bedingungen einer schiedsgerichtlichen Beilegung einigen könnten. Da die beiden Parteien in ihrer Haltung beharrten, schlug Herr Undén, der Delegierte Schwedens, vor, eine Unterkp.mmission mit der Aufgabe zu
betrauen, innert einer gewissen Frist «die Zustimmung der Parteien» dafür zu erwirken, «dass die Gebietsstreitigkeiten dem ständigen internationalen Gerichtshof unterbreitet würden». Herr Politis (Griechenland) erachtete, dass die ausschliessliche Anwendung von Eechtsgrundsätzen zu Ungerechtigkeiten führen könnte: auf dem Billigkeitswege Hesse sich eher eine Lösung finden, und es wäre deshalb angezeigt, vor der Fällung .eines endgültigen Entscheides «eine Lösung durch ein Vermittlungsverfahren zu suchen». Herr Osusky (Tschechoslowakei) wies darauf hin, dass es sich im vorliegenden Falle nicht um einen örtlich beschränkten Waffenkonflikt in Südamerika handle, sondern um einen Krieg, .der insofern alle Länder direkt berühre, als deren keines eine Verletzung der wichtigsten Grundsätze, auf die sich alle Mitgliedstaaten des Völkerbundes stützen, gleichgültig 'hinnehmen dürfe. Der tschechoslowakische Delegierte schlöss sich der

220

Anregimg, den Fall einem Unterausschuss zu überweisen, an, aber unter der Bedingung, dass dessen Mandat in keiner Weise beschränkt werde.

Herr Motta hat ebenfalls in die Debatte eingegriffen, um einen letzten Aufruf zur Versöhnung und zur Beschwichtigung dieser beiden Völker, die durch einen langen und schonungslosen Krieg zerrissen sind, zu erlassen. Indem sich der Chef der schweizerischen Delegation den Vertretern Boliviens und Paraguays zuwandte, erklärte er unter anderm: «Es liegt in Ihrem höchsten Interesse, einen Schiedsspruch anzunehmen ; fügen- Sie sich daher und pflichten Sie einer gerichtlichen Erledigung vorbehaltlos bei. Sie müssen es tun in Ihrem eigenen ·Interesse und, darüber hinaus, im höhern Interesse der ganzen Menschheit, im Interesse des Völkerbundes. Geben Sie dieses Beispiel, und Sie werden uns allen den grösstmöglichen Dienst erweisen. Wenn Sie, nachdem Sie einer bösen Eingebung folgend den Brudermord gestattet haben, sich eines bessern besinnen und das Blutvergiessen einstellen, so werden Sie sehr gut handeln.» Der Vertreter Irlands stützte sich auf den Bericht der Chaco-Kommission und verlangte, dass man zur Vermeidung sich immer wieder ergebender Aufschübe dem «System der mannigfachen Interventionen» ein Ende bereite, damit für die Parteien «kein Tor mehr offen bleibe, um von einer Instanz an die andere zu gelangen und stets eine neue Formel zu suchen, wenn die Verhandlungen eine Wendung genommen haben, die sie nicht befriedigt». Inskünftig soll nur noch der Völkerbund in Übereinstimmung mit dem im Pakte vorgesehenen Verfahren vermitteln.

Nachdem die Verhandlungen abgeschlossen waren und der Präsident (Herr de Madariaga) einen inständigen Appell an die beiden Parteien gerichtet hatte, beschloss man, die Angelegenheit zur Prüfung des zu befolgenden Verfahrens an das Bureau der Kommission zurückzuweisen. Einige Tage später wurde der Kornmission ein Eesolutionsentwurf unterbreitet, den sie einstimmig annahm und dessen Wortlaut im Anhang aufgeführt ist 1 ). Unter anderm war vorgesehen, dass die Völkerbundsversammlung, «ohne die Bemühungen für eine Beilegung des Streites auf dem Vermittlungswege gemäss Absatz 3 von Artikel 15 des Paktes aufzugeben, unmittelbare Massnahmen zu ergreifen hat, um den in Absatz 4 des gleichen Artikels vorgesehenen Bericht vorzubereiten, wobei das
Vermittlungsverfahren bis zur Genehmigung des genannten Berichtes seinen Fortgang zu nehmen hat». Ein Ausschuss, dessen Zusammensetzung in der Eesolution aufgeführt ist 2), wurde damit beauftragt, ohne Aufschub alles zu versuchen, um die Parteien zu versöhnen und, im Falle des Fehlschlagens, einen Berichtsentwurf für die Beilegung des Zwistes in einer ausserordentlichen Völkerbundsversammlung, die sich auf Ansuchen des Ausschusses zu vereinigen hätte, einzureichen 3).

1 ) 2

Vgl. die Resolution im Anhang, S. 236 f.

) Für die «vier andern von der Völkerbundsversammlung zu ernennenden Mitglieder» gelangte man an China, Irland, Schweden und Venezuela.

3 ) Da die vom Sonderausschuss nach Sohluss der Versammlung gemachten Verimttlungsbemühungen erfolglos geblieben waren, ist die Völkerbundsversammlung auf den 20. November zu einer ausserordentlichen Sitzung einberufen worden.

221 Hinsichtlich des im Rahmen des Paktes durchzuführenden Verbotes der Waffen- und Kriegsmateriallieferung an die Kriegführenden genehmigte die sechste Kommission 1) nach kurzer Aussprache die von der ersten Kommission gemachten Vorschläge2).

.

· .

T. Beschlüsse und Resolutionen der Yölkerfoundsversammlnng.

·Nach Schiusa der .allgemeinen Beratung, die sich über vier Sitzungen erstreckt hatte, waren von, der Versammlung verschiedene Beschlüsse zu fassen.

Sie hatte sich schon, vorgängig darüber geäussert, ob die Aufnahme Russlands auf die Tagesordnung zu setzen sei. Nachdem sie diesbezüglich verschiedene Erklärungen, auf die wir bereits hingewiesen haben, entgegengenommen und die ganze Frage an die .sechste Kommission zurückgewiesen hatte, musste sie in ihrer Sitzung vom '. 18. September endgültig über das Aufnahmegesuch entscheiden. Der Resolutionsentwurf der sechsten Kommission8) wurde durch deren Präsidenten, Herrn de Madariaga, eingereicht und nach kurzer Beratung einer .Abstimmung mit Namensaufruf unterworfen. Der Sprecher des Bmidesrates, der seine vor der sechsten Kommission gemachten Ausführungen nicht zu wiederholen brauchte, gab bei diesem Anlass die folgende kurze Erklärung ab : «Die schweizerische Delegation hat sich gestern in der sechsten Kommission über ihre Stellungnahme geäussert. Wir verkennen die Gründe der Delegationen nicht, die das offensichtliche und allgemein anerkannte Wagnis einer Zusammenarbeit, mit der Sowjetunion im Schosse des Völkerbundes für nützlich oder gar notwendig erachten, aber wir halten unsere Ausführungen aufrecht und bestätigen die Erwägungen.,1 die sie veranlasst haben. Nach der Aufnahme der Sowjetunion wird der Versammlung nun ohne Verzug ein einstimmiger Beschluss des ; Rates unterbreitet werden, der .darauf hinzielt, dem. neuen Mitglied einen ständigen Ratssitz zuzusprechen.' Ohne Zweifel weist Russland alle Merkmale einer Grossmacht auf und kann gestützt ;auf frühere Fälle in dieser Eigenschaft einen Ratggitz beanspruchen. Ina Hinblick auf die grundsätzliche Stellungnahme des schweizerischen Bundesrates zum Aufnahmegesuch bleibt unserer Delegation aber nichts anderes übrig, als sich in dieser besondern Frage der Stimmabgabe zu enthalten.» , . . .'

Nach'dem schweizerischen Delegierten wiederholten die Vertreter Portugals und Argentiniens die vor der sechsten Kommission gemachten Vorbehalte.

Herr de Vaierà (Irland) ergriff von neuem das Wort, um die Haltung seines Landes genau zu umschreiben und um insbesondere gewisse Befürchtungen, welche die Aufnahme der Sowjets in ihm erweckt hatte,
auszusprechen. Es lohnt sich, einzelne seiner Betrachtungen liier wiederzugeben. « . . . In seiner Rede von gestern abend,» erklärte der erste irische 'Delegierte.,, «setzte Herr ') Vgl. oben, S. 167 f.

?) Vgl. die Resolution im Anhang, S. 238.

3 ) Vgl. oben S. 213 f.

222

Motta der ganzen Welt die Gründe dieser Besorgnis auseinander, und zwar mit Worten, die jedermann verstanden, haben muss. Herr Motta gab nicht nur der Beunruhigung des Schweizervolkes und derjenigen von 300 Millionen Anhängern der katholischen Kirche Ausdruck, sondern auch der Besorgnis all der zahlreichen Millionen Menschen -- in ihrer Gesamtheit mehr als ein Drittel der Erdbewohner --, die sich zu Christus bekennen und die ihre ganze Hoffnung auf Erden und im Jenseits in die Wahrheit seiner Lehre setzen. Die Ee.de des Herrn Barthou war, wenn ich dies sagen darf, weit davon entfernt, diese Befürchtungen zu zerstreuen oder uns eine befriedigende Antwort zu geben. Es genügt nicht, zu erklären, dass wir uns hier nur mit Politik zu befassen haben. Keine wahre Politik, in welchem Sinne es auch sei, kann vom Endzweck des menschlichen Lebens und den Zielen, denen es zustreben muss, absehen. Es gibt nur ein einziges Mittel, das beängstigte Gewissen der Millionen von Menschen, auf die ich hingewiesen habe, zu beruhigen: dieses Mittel besteht in freiwillig gegebenen Zusicherungen und im Handeln der russischen Eegierung selbst.» Und Herr de Vaierà legte der russischen Eegierung von neuem nahe, «die Gelegenheit zu ergreifen, um die kürzlich bei der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika gegebenen Zusicherungen zu verallgemeinern und die Eechte der Gewissens- und Kultusfreiheit, welche die amerikanischen Bürger auf Grund dieser Zusicherungen gemessen, künftig auf alle in Eussland lebenden Fremden wie auch auf das russische Volk selbst auszudehnen».

Sowjetrussland wurde mit 39 bejahenden Stimmen, 3 verneinenden Stimmen (Niederlande, Portugal, Schweiz) und 7 Enthaltungen in den. Völkerbund aufgenommen.

Die Versammlung hatte sich hierauf über die Zuteilung eines ständigen Eatssitzes an die, U. S. S.E. auszusprechen. Die Abstimmung erfolgte ohne vorherige Beratung. Vierzig Delegationen stimmten ja, zehn enthielten sich der Stimmabgabe. Da der einschlägige Eatsbeschluss damit von der erforderlichen Mehrheit genehmigt worden war, waren die Bedingungen erfüllt, die in Artikel 4, Absatz 2, des Völkerbunds Vertrages für die Zuteilung eines ständigen Eatssitzes vorgesehen sind.

Nach Beendigung dieser beiden Abstimmungen betrat die russische Delegation den Sitzungssaal
und wurde durch den Präsidenten begrüsst. Herr Litwinow, der Chef der Sowjetdelegation, bestieg die Eednerbühne, um vorerst der französischen Eegierung für ihre Initiative zu danken und sodann die zukünftige Politik Eusslands im Eahmen des Völkerbundes auseinanderzusetzen. Er betonte seine ganze Zuversicht in «das gemeinsame Friedenswerk» und gab der Bereitschaft Eusslands Ausdruck, hinsichtlich der Zusammenarbeit mit dem Völkerbund alles in seiner Macht liegende zu tun, «um die Kriegsgefahr auf ein Mind.estmass zu beschränken». Nach der Ansicht des ersten russischen Delegierten ist die Organisation des Friedens die erhabenste Aufgabe; es gibt keine andere, «die praktischer und dringlicher wäre für die Zusammenarbeit sämtlicher Völker».

223 Das Aufnahmegesuch Afghanistans wurde auf Grund eines günstigen Vorentscheides der sechsten Kommission einstimmig angenommen (Sitzung vom 27. September)1). Einschliesslich der beiden neuen Staaten umfasst der Völkerbund nunmehr 60 Mitglieder, wobei Deutschland und Japan 2) mitgezählt sind.

Des weitern hatte die Versammlung: die neuen Eatswahlen vorzunehmen.

Das Mandat der drei folgenden Staaten war abgelaufen : China, Spanien und Panama. Gemäss den im Jahre 1926 angenommenen Bestimmungen für die Wahl der nichtständigen Eatsmitglieder stellten China und Spanien immerhin ·ein Gesuch um Wiederwahl. Die Versammlung, die sich ohne Aussprache oder Überweisung an eine Sonderkommission auszusprechen hatte, schlug das Gesuch 'Chinas aus, wogegen sie dasjenige Spaniens günstig aufnahm. Tags darauf .wurden Chile, Spanien und die Türkei zu Ëatsmitgliedern für die Dauer von drei Jahren gewählt 3).

Die von den Kommissionen eingereichten Berichte und Eesolutions·entwürfe wurden von der Versammlung anstandslos bestätigt. Die meisten Berichte wurden nach dem im Jahre 1938 genehmigten beschleunigten Verfahren (d. h. ohne Aussprache) gutgeheissen. .Einzig die wirtschaftlichen Fragen sowie die, welche; den Frauenhandel, den Kinderschutz und die .Bekämpfung der Betäubungsmittel betreffen, gaben Anlass zu gewissen Ausführungen. Der Berichterstatter für die wirtschaftlichen Fragen, Herr Munters (Lettland), erinnerte unter anderm daran, dass die Mitglieder der zweiten Kommission einstimmig der Auffassung gewesen seien, «dass der Völkerbund seine Aufmerksamkeit auch weiterhin den Möglichkeiten eines gemeinsamen Vorgehens auf dem Gebiete der wirtschaftlichen Beziehungen schenken müsse und ebenfalls darüber zu wachen habe, dass sich die internationale Lage in Ermangelung von Katschlägen oder von geeigneten Massnahmen nicht verschlimmere». Beim gleichen Anlasse wies der argentinische Delegierte, Herr Euiz-Guinazù, auf die Tatsache hin, dass seine Eegierung «die Initiative !) Vgl. oben, S. 214.

; 2 ) Es waren deren 59 vor der Aufnahme Ekuadors. Am Tage nach der Versammlung ist in der Tat Ekuador, das Gründungsmitglied des Völkerbundes ist, mit Telegramm aus Quito vom 27. September dem Pakte beigetreten. Es handelte rsich weder um eine Aufnahme noch um eine Wahl. Der Völkerbundsrat hat von der Erklärung Ekuadors Kenntnis
genommen und den neuen Staat, im Beisein . -eines Vertreters desselben, im Schosse des Völkerbundes herzlichst willkommen jgeheissen. (Sitzung vom 28. September.)

3 ) Infolge dieses Beschlusses ergab sich folgende Zusammensetzung des Rates: Ständige Mitglieder:

Deutschland Frankreich Grossbritannien Italien Japan Sowjetrussland

.

Nichtständige Mitglieder:

Mexiko Polen Tschechoslowakei Argentinien Australien Dänemark

Portugal Chile Spanien Türkei

224

für eine Konferenz ergriffen habe, die nächstes Jahr in Buenos-Aires mit einem bestimmten Programm handelspolitischer Zugeständnisse tagen sollj da einedauernde Besserung der Weltwirtschaft unmöglich erreicht werden lionne,, solange die Staaten nicht gewillt sind, das System der wirtschaftlichen Abschliessung, das den internationalen Warenaustausch stets noch zu ersticken droht, aufzugeben».

Als Berichterstatterin über die Frage des Frauen- und Kinderhandels hob die Delegierte Grossbritanniens von neuem die Tatsache hervor, dass «das Bestehen von öffentlichen Häusern den Mädchenhandel direkt begünstigt».

Fräulein Horsbrugh stellte einmal mehr fest, «dass, eine grosse Anzahl von Staaten das System der öffentlichen Häuser gegenwärtig aufgegeben habe, ohne deshalb eine Verschlechterung der Volksgesundheit oder der öffentlichen Ordnung festzustellen».

Nach einer Intervention der französischen Delegierten zugunsten des Kinderschutzes und des Delegierten Spaniens zwecks einer wirksamen Bekämpfung des Schleichhandels mit Betäubungsmitteln -- «eine Plage, deren Verheerungen, wennschon sie der Einbildungskraft der grossen Masse ferner liegen als die des Krieges, deshalb keineswegs weniger wirklich oder weniger schrecklich sind» --, unterbreitete Herr de Madariaga der Versammlung die Schlussfolgerungen der sechsten Kommission hinsichtlich des Chaco-Konfliktes.

Er tat es in beredten Worten. Nachdem er auf die nachteilige Wirkung hingewiesen hatte, die das Eingreifen «einer Menge von Friedensvermittlern» verursacht habe, und nachdem er dessen ungeachtet dem Geiste Genfs eine erhabene Huldigung dargebracht hatte, sprach er «die bestimmte Hoffnung aus, dass dieser Streitfall bald ein Ende nehmen werde und wir somit eines der schlimmsten Schreckbilder unserer Geschichtsepoche rasch wieder vergessen können».

Die Völkerbundsversammlung wurde am 17. September geschlossen. Sie hatte dreizehn Plenarsitzungen abgehalten. In seiner Schlussrede fasste der Präsident die Arbeiten dieser fünfzehnten Tagung kurz zusammen und sprach seine Genugtuung über die erzielten Ergebnisse aus, insbesondere bezüglich «der bemerkenswerten Vergrösserung der territorialen Keichweite des Völkerbundes». Herr Sandler schloss mit den Worten, dass «der Völkerbund ungeachtet der Schwächen, die allem Irdischen anhaften, uns durch seine Ziele die Grosse und die Erhabenheit des Lebens offenbart».

YL Sehluss.

In der Geschichte des Völkerbundes wird die fünfzehnte Versammlung zweifelsohne einen wichtigen Platz einnehmen. Es kann nicht bestritten werden, dass in deren Verlauf ein bedeutsames Ereignis eingetreten ist: nämlich der Beitritt Söwjetrusslands. Wird der Völkerbund seine Friedensaufgabe besser erfüllen können, nachdem er seine Geschicke mit einem Lande verknüpft hat, dessen soziale und politische Grundsätze so verschieden von denen der andern

225

Staaten sind ? Wir haben hierüber unsern Bedenken Ausdruck gegeben und möchten gerne hoffen, dass sie sich als unbegründet erweisen werden. Wir wünschen nicht recht zu behalten. Wir hegen im Gegenteil den Wunsch, dass der Völkerbund an dieser neuen Mitarbeit keinen Schaden nehme.

Die Schweiz hatte über die Berechtigung der Kandidatur Sowjetrusslands ihr Wort zu sprechen, und sie hat es in voller Unabhängigkeit und mit aller Offenheit getan. Die Versammlung war in ihrer grossen Mehrheit anderer Meinung. Wir haben uns ihrem Beschlüsse zu fügen. Die internationale Zusammenarbeit verlangt1 zuweilen, dass Opfer gebracht werden. Man muss in solchen Fällen entsprechend zu handeln wissen.

Nachdem Bussland in Genf aufgenommen worden war, erhoben sich bei uns verschiedene Stimmen, die offen unsern Austritt aus dem Völkerbund verlangten. Da letzterer mit Sowjetrussland gerneinsame Sache mache, verbleibe uns kein anderer Weg als der Bückzug. Diese Stimmen blieben jedoch ohne Widerhall. Wäre aber eine dahingehende Volksbewegung eingeleitet worden, so hätte der Bundesrat energisch dagegen Stellung nehmen müssen.

Er hätte die Pflicht gehabt, einem Gebaren entgegenzutreten, dessen Sinn und Ergebnis die Isolierung .der Schweiz gewesen wäre. Denn bei allem Festhalten an seiner jahrhundertalten Neutralität will unser Land im Bereiche seiner Mittel an der internationalen Zusammenarbeit 'mitwirken. Es wünscht nicht nur passiv den Frieden zu geniessen ; es will mit allen Staaten, die guten Willens sind, aktiv zusammenarbeiten. Dies ist der Grund, weshalb es im Völkerbund bleibt und ihn auch dann nicht verlassen wird, wenn die in Genf getroffenen Entscheidungen nicht immer mit seinen eigenen Auffassungen im Einklang, stehen.

Unsere Haltung ist kritisiert worden, aber wir sind uns gewiss, dass die grosse Mehrheit des Volkes Imiter uns steht. Dazu haben wir noch die Überzeugung, dem Völkerbund einen Dienst erwiesen zu haben, indem wir ihm die Gefahren, denen er sich ausgesetzt hat, vor Augen hielten. Es gibt Grundsätze des Eechtes und der Moral, die über der nur zufälligen Zweekmässigkeit erhaben sind. Für ein Lanci wie das unserige ist es entschieden angezeigt, diese Grundsätze in Erinnerung zu rufen und zu verteidigen.

Genehmigen Sie. Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 1. März 1935.

,

.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates : Der B u n d e s p r ä s i d e n t : K. Minger.

Der Bundeskanzler:

G. Bovet.

226

Resolutionen und Wünsche der Versammlung i).

A. Resolution zur Berichterstattung der ersten Kommission.

Art der Beglaubigung der Delegierten bei der Völkerbundsversammlung: Abänderung des Artikels 5 der Geschäftsordnung der Versammlung.

Die Versammlung beschliesst, Artikel 5 ihrer Geschäftsordnung abzuändern und ihm folgenden neuen Wortlaut zu geben: «Artikel 5.

1. Jedes Mitglied hat dem Generalsekretär möglichst eine Woche vor Eröffnung der Versammlung die Namen seiner Vertreter, deren Zahl nicht mehr als drei betragen darf, bekannt zu geben. Es können auch die Namen der stellvertretenden Abgeordneten beigefügt werden.

2. Die Vollmachten der Vertreter sind dem Generalsekretär möglichst eine Woche vor Eröffnung der Versammlung einzureichen. Sie müssen entweder durch das Staatsoberhaupt oder durch den Minister des Auswärtigen ausgestellt sein 2).

3. Auf Antrag des Vorsitzenden wird von der Versammlung eine aus neun Mitgliedern bestehende Kommission zur Prüfung der Vollmachten gewählt.

Diese hat unverzüglich Bericht zu erstatten.

4. Jeder Vertreter, dessen Zulassung auf Widerspruch stösst, nimmt, sofern die Versammlung nicht anders entscheidet, provisorisch mit den gleichen Rechten wie die übrigen Vertreter an den Verhandlungen teil.» (Resolution vom 26. September 1934.)

B. Resolutionen zur Berichterstattung der zweiten Kommission.

1. Tätigkeit der Hygieneorganisation.

Die Versammlung, nach Einsicht des Kapitels über die Tätigkeit der Hygieneorganisation im Bericht über die durch den Völkerbund seit der vierzehnten Versammlung geleistete Arbeit (Druckschrift A 6, 1934) : x ) Übersetzung aus dem Französischen. Die Resolutionen und Wünsche der Versammlung werden hier in der Reihenfolge wiedergegeben, in der sie vom Völkerbunde veröffentlicht worden sind.

2 ) Es ist klar, dass bei Staaten, die keinen Minister des Auswärtigen haben, die Vollmachten durch eine Behörde, die ähnliche oder gleichwertige Befugnisse hat, ausgestellt werden können.

227 1. stellt mit Befriedigung fest, dass die Hygieneorganisation, bei aller Anpassung ihrer Tätigkeit an die gegenwärtigen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse, den Fortgang ihrer wesentlichen Arbeiten gesichert hat; , 2. billigt die Schlussfolgerungen des Berichterstatters und ersucht den Bat, die in dessen Bericht enthaltenen Anregungen technischer Art an die Hygieneorganisation weiterzuleiten (Druckschrift A 39, 1934, III).

(Resolution vom 26. September 1934.)

2. Tätigkeit der Organisation für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr, Die Versammlung genehmigt den ihr von der zweiten Kommission vorgelegten Bericht (Druckschrift A 31,1934, VIII) über die Tätigkeit der Organisation für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr.

(Resolution vom 26. September 1934.)

3. Wirtschafts- und Finanzfragen.

Die Versammlung fordert den Eat auf, zu veranlassen, dass die Wirtschafts- und Finanzorganisation des Völkerbundes eine Untersuchung über die Ursachen, die Tragweite, die Methoden und die Ergebnisse der Kompensationsund Clearingverträge vornehme.

Sie verlangt, dass diese Untersuchung sich im besondern auf die bereits abgeschlossenen Abkommen und die Arbeitsweise der zu ihrer Durchführung geschaffenen Organismen erstrecke, und dass sie die bei der Anwendung solcher Abkommen begegneten Schwierigkeiten und die erzielten Ergebnisse hervorhebe.

(Resolution vom 26. September 1934.)

4. Mitarbeit der Presse am Friedenswerk.

Die Versammlung hat von den Ergebnissen der zweiten Konferenz der Begierungspresseämter und der Pressevertreter, die auf Einladung der spanischen Begierung vom 7.

bis 11. November 1933 in Madrid abgehalten wurde, Kenntnis genommen; stellt fest, dass die Prüfung der Frage der Verbreitung falscher Nachrichten,, die die Aufrechterhaltung des Friedens und das gute Einvernehmen unter den Völkern stören könnten, durch wertvolle Beiträge gefördert worden ist: hofft, dass die in Aussicht genommenen Untersuchungen über die technischen und finanziellen Mittel, wodurch die Verbreitung falscher Nachrichten unterdrückt werden könnte, sowie die Untersuchungen über die Berichtigung falscher Pressemeldungen zu einem erfolgreichen Abschlüsse gebracht werden mögen,; hält für wünschenswert, dass immer, wenn die Verhältnisse es zwecfcmässig erscheinen lassen, eine Begierung die Vorsteher der Presseämter und die Presse-

228

Vertreter zu einer Konferenz einberufe, wobei die gleichen Bedingungen wie für die Konferenz in Madrid Geltung haben sollen : · .· . ' ' fordert den Eat auf, den Generalsekretär zu ermächtigen, mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Vorbereitung .und die Organisation der nächsten Konferenz der Kegierungs-Presseämter und der Pressevertreter zu erleichtern, indem er -- nach Befragung des Organisationskomitees und der beteiligten .Presseverbände -- die Mitwirkung seiner einschlägigen Dienstzweige als Konferenzsekretariat veranlasst, falls diese Mitwirkung von der einladenden Regierung gewünscht wird.

.

, .

(Resolution vom 26. September 1934.)

C. Eesolutionen zur Berichterstattung der vierten Kommission.

1. Finanzielle Fragen.

1. Auf Grund des Artikels 38 des Begleménts über die Finanzverwaltung des Völkerbundes erteilt die Versammlung den geprüften Abrechnungen des Völkerbundes für das arn 31. Dezember 1983 abgelaufene fünfzehnte B-echnungsjahr. die endgültige Genehmigung.

2. Die Versammlung, auf Grund des Artikels 17 des Begleménts über die Finanzverwaltung des Völkerbundes, genehmigt den Voranschlag des Völkerbundes für das Bechnungsjahr 1935 im Gesamtbetrage von Fr. 30,639,664, und beschliesst die Veröffentlichung des Voranschlages im Journal Officiel.

3. Die Versammlung, nimmt vom Bericht des Verwaltungsrates der Pensionskasse des Personals für das Jahr 1935 Kenntnis (Druckschrift A 10, 1934); genehmigt die Abrechnung der Kasse, so wie sie vom Bechnungsrevisor vorgelegt worden ist; und beschliesst, gemäss Paragraph a des Artikels 7 des Beglements der Pensionskasse des Personals, den Beitrag des Völkerbundes an die Pensionskasse für das Jahr 1935 auf 9% des Betrages der dem Abzug unterworfenen Gehälter der Kassenmitglieder festzusetzen.

4. Die Versammlung genehmigt die Schlussfolgerungen der verschiedenen ihr zur Prüfung vorgelegten Berichte der Kontrollkommission (Druckschriften A 5, A 5 (a) und A 61, 1934, X) *).

' 1 ) Diese Sclilussfolgerurigen beziehen sich auf die Abrechnungen über das Rechnungsjahr 1933; auf die den Voranschlag betreffenden Methoden des Völkerbundes, die Darstellung des Voranschlages, die rückständigen Mitgliederbeiträge; auf den Voranschlag für 1935; auf die Verwendung des Überschusses des Voranschlages für

229

5. Die Versammlung ernennt zu ordentlichen Mitgliedern der Kontrollkommission für die am 31. Dezember 1937 ablaufende Amtsdauer: Lord Meston of Agra, . Herrn C. J. Hambro.

6. Die Versammlung ernennt zum Ersatzmitglied des Verwaltungsrates der Pensionskasse des Personals für die am 31. Dezember 1936 ablaufende : Amtsdauer: .

· ; .

TT Herrn Francis T. Cremms.

7. Die Versammlung genehmigt den Bericht der vierten Kommission (Druckschrift A 55, 1934, X).

, (Resolutionen vom 27. September 1934.)

2. Rückständige Mitgliederbeiträge.

Die Versammlung genehmigt den Bericht der vierten Kommission über die Frage der rückständigen Mitgliederbeiträge (Druckschrift A 49, 1934, X), sowie dessen Anlage; beschliesst die Wahl eines besondern Ausschusses, der bis zur nächsten ordentlichen Völkerbundsversammlung von Zeit zu Zeit zusammentreten soll und, vorbehaltlich der Eatifikation durch die nächste Völkerbundsversammlung, die Vollmacht erhält, mit den Staaten über eine angemessene Begleichung der zu Ende 1932 noch rückständig gebliebenen Schuldbeträge zu verhandeln und Vereinbarungen zu treffen. Dieser besondere Ausschuss, der sich ebenfalls mit der Prüfung der ihm von der vierten Kommission überwiesenen Fragen zu befassen hat, wird sich aus folgenden Mitgliedern zusammensetzen: Graf Garton de Wiart (Belgien) ; Sir F. Phillips (Vereinigtes Königreich); Herrn Castillo Najera (Mexiko): Herrn 0. J, Hambro (Norwegen) : , Herrn Stefan Osusky (Tschechoslowakei); · ; , beschliesst, dass Argentinien, dessen Stellung zum Völkerbunde vor dem Jahre 1933 eine besondere war, für die vier Jahre von 1929 bis 1933 nicht mehr als rückständiger Beiträge pflichtig zu betrachten ist.

(Resolution vom 27: September 1934).

1933 und auf die Rückerstattung auf das Vorschusskonto; auf die Bückerstattung ihres Anteiles am Vorschusskonto an die Staaten ; auf die verschiedenen Dienstzweige ; auf die Anwerbung und Beförderung der Sektionsmitglieder ; auf die Herabsetzung der Gehaltsskala; auf die Beiträge an die Krankenversicherungskasse; auf die den Beamten gewährten Reiseentschädigungen ; auf die Aufteilung des Überschusses unter die Mitglieder des Völkerbundes ; auf die Errichtung der neuen Gebäulichkeiten und die Auslagen der Architekturbureaus ; auf die Verbuchung von Einnahmen, die nach Abschluss des bezüglichen Rechnungsjahres eingelaufen sind; auf einen Abänderungsantrag des Artikels 22 des Finanzreglements ; auf die Einreichung des Voranschlages und verschiedene andere Prägen.

230 3. Verteilung der Ausgaben des Völkerbundes.

L

.

In Anbetracht, dass es aus materiellen Gründen unmöglich ist, die Frage der Beitragspflicht von Afghanistan und Sowjetrussland zur genauen Prüfung an die Kostenverteilungskornmission zu verweisen: ,.

beschliesst die Versammlung, den Beitrag dieser beiden Staaten einzig für das Jahr 1935 -- und unter Vorbehalt jeglichen Beschlusses, der das nächste Jahr gefasst werden könnte -- wie folgt festzusetzen : Afghanistan . l Einheit, Sowjetrussland 79 Einheiten.

II.

Die Versammlung beschliesst: 1. Zwanzig Einheiten für das Jahr 1935 sollen von der Kostenverteilungskommission dafür verwendet werden, um die Beiträge der Staaten, die nach Ansicht der Kommission den grössten Anspruch auf eine Erleichterung haben, herabzusetzen.

2. Bei Erledigung dieser Aufgabe kann sich die Kostenverteilnngskommission für alle ergänzenden Auskünfte mit dem besondern Ausschusse für die rückständigen Mitgliederbeiträge 1) in Verbindung setzen.

3. Unter Vorbehalt der obigen Bestimmungen bleibt der gegenwärtige Verteilungsschlüssel für das Jahr 1935 in Kraft.

IIL Die Versammlung, nachdem sie vom Antrage Grossbritänniens 2), der bei Gelegenheit der Aussprache über den Bericht der Kostenverteilungskommission (Druckschrift A 9, 1934, X) eingereicht wurde, und von den Bemerkungen, zu denen dieser Antrag Anlass bot, Kenntnis genommen hat, ersucht die Begientngen der Mitgliedstaaten um Prüfung der Frage, *) Vgl. oben, Nr. 2.

2 ) Der Antrag Grossbritaniens lautet wie folgt : «Die Regierung Seiner Majestät im Vereinigten Königreiche beantragt, aus den im einzelnen durch den Delegierten Grossbritänniens dargelegten Gründen, dass als Massnahme zur Begegnung der gegenwärtigen Schwierigheiten des Völkerbundes den vier Staaten, die einen ständigen Sitz im Kate haben, eine bestimmte Anzahl von Einheiten (105) zuzuteilen sei.

Diese Regierung hat ausgerechnet, dass sich aus der Anwendung dieses Vorschlages ein Überschuss von ungefähr 37 Einheiten ergeben würde. Sie hat deshalb angeregt, dass dieser Überschuss dazu verwendet werde, um die Belastung der Staaten, die über keinen ständigen Sitz im Rate verfügen, zu mildern, besonders derjenigen, die am meisten unter dem gegenwärtigen wirtschaftlichen Tiefstande zu leiden haben.»

231 und beschliesst, dass dieser Antrag sowie alle innerhalb nützlicher Frist bekanntgegebenen Vorschläge der Begierungen über den Beitragsmodus der Völkerbundsmitglieder auf die Tagesordnung der sechzehnten Versammlung zu setzen ist.

IV.

Die Versammlung beschliesst, dass die Köstenverteilungskommission im Benehmen mit dem besondern Ausschusse für die rückständigen Beiträge ^ das vom Vertreter Chinas in der vierten Kommission gestellte Gesuch sogleich zu prüfen und der sechzehnten Versammlung konkrete Vorschläge darüber zu.

unterbreiten habe.

(Resolutionen vom 27. September 1934.)

D. Resolutionen zur Berichterstattung der fünften Kommission» 1. Handel mit Opium und andern Betäubungsmitteln.

I.

Die Versammlung, in der Überzeugung, dass nur besonders ausgebildete Dienstzweige der Polizei es den Staaten ermöglichen, die heimlichen Herstellungsstätten von Betäubungsmitteln ausfindig zu machen und zu schliessen sowie wirksam den Schleichhandel zu bekämpfen; stellt den Marigel an Angaben über die Stärke und die Zusammensetzung des in den verschiedenen Ländern mit dieser Aufgabe betrauten Personals fest; fordert, dass die beratende Kommission für den Handel mit Opium und andern Betäubungsmitteln, geeignete Massnahmen zur Erlangung der nötigen Aufschlüsse ergreife, indem sie diese Frage auf die Tagesordnung ihrer nächsten.

Zusammenkunft setzt.

II.

Die Versammlung, bezugnehmend auf den Entwurf für ein internationales Übereinkommen zur Unterdrückung des Schleichhandels mit Betäubungsmitteln, der, in Anwendung des in der Resolution der Völkerbundsversammlung vom 25. September' 1931 vorgesehenen Verfahrens für den Abschluss aller unter den Auspizien des Völkerbundes zu treffenden allgemeinen Übereinkommen, den Eegierungen.

am 16. Juli 1934 (0. L. 120, 1934, XI) zu einer zweiten Befragung unterbreitet worden ist; in der Erwägung, dass nach der genannten Eesolution das Ergebnis dieser zweiten Umfrage, die noch nicht abgeschlossen ist, ordnungsgemäss der Versammlung mitgeteilt werden muss, die dann darüber zu entscheiden hat. ob ein x

) Vgl. S.229.

232

Abkommen getroffen werden soll und ob in diesem Falle der Entwurf noch einer Konferenz zu unterbreiten ist, um deren zeitliche Festsetzung der Eat zu ersuchen wäre; in der Erwägung, dass anderseits die erwähnte Eesolution vom 25.September 1931 der Versammlung und dem Rat ausdrücklich die Befugnis zuerkennt, angesichts besonderer Umstände entsprechendere Methoden anzuwenden ; im Hinblick auf die Notwendigkeit, die Genehmigung eines Entwurfes zu erleichtern, dessen Dringlichkeit und Bedeutung sowohl von der beratenden Kommission für den Handel mit Opium und andern Betäubungsmitteln als auch von der Versammlung und dem Eate hervorgehoben wurden, und um die obengenannte Entscheidung nicht bis zur nächsten ordentlichen Versammlung .zu verschieben: beauftragt den Eat, aus den vorerwähnten Gründen und unter Berück.sichtigung des Ergebnisses der zweiten Befragung zu entscheiden, ob ein Übereinkommen abzuschliessen ist und ob in diesem Falle der Entwurf einer Konferenz,,deren Datum der Eat festsetzen wird, unterbreitet werden muss.

III.

Die Versammlung nimmt den ihr von der fünften Kommission unterbreiteten Bericht (Druckschrift A 51, 1934. XI) zur Kenntnis und billigt dessen' Eesolutiorien und Schlussfolgerungen.

(Resolutionen vom 27. September 1934.)

2. Frauen- und Kinderhandel.

1. Die Versammlung ist der Ansicht, dass der Bericht der Untersuchungs·kommission im Orient (Druckschrift G 849, M 393,1932, IV) von einer Konferenz ·der Behörden, die in den orientalischen Ländern für die zur Unterdrückung des Frauenhandels ergriffenen Massnahmen verantwortlich sind, geprüft werden sollte, um unter diesen Behörden eine engere Zusammenarbeit und einen lebhafteren Nachrichtenaustausch herbeizuführen ; der Generalsekretär wird die beteiligten Eegierungen anzufragen haben, ob sie geneigt wären, an einer solchen Konferenz, die im Orient unter den Auspizien des Völkerbundes abgehalten würde, teilzunehmen.

2. Die Versammlung hat die Darlegungen der Untersuchungskommission im Orient über das Schicksal der nach China geflüchteten und dem Frauenhandel verfallenden Eussinnen geprüft und beschliesst, den Generalsekretär zu beauftragen, aus offiziellen und inoffiziellen Quellen ergänzende Aufschlüsse zu sammeln und die Ergebnisse dieser Nachforschungen dem Komitee zur Be.kämpfung des Frauen- und .Kinderhandels zu überweisen.

3. Die Versammlung hat von den Eesolutionen Kenntnis genommen, die vom Komitee zur Bekämpfung des Frauen- und Kinderhandels hinsichtlich der .Abschaffung der öffentlichen Häuser genehmigt worden sind .(Druckschrift

233 C 149, M 62, 1984, IV), und beschliesst, diese Resolutionen sämtlichen Staaten, ob Mitglieder des Völkerbundes oder nicht, mitzuteilen und sie aufzufordern, diesen Resolutionen für die Lösung der Prostitutionsfrage nach Möglichkeit Rechnung zu tragen.

; 4. Die Versammlung stellt fest, dass das Komitee zur Bekämpfung des Frauen- und Kinderhandels beschlossen hat, anlässlich seiner nächsten Tagung die Frage der Vorbereitung eines internationalen Übereinkommens für die Bestrafung der Zuhälter zu prüfen.

5. Die Versammlung erkennt, dass für eine wirksame Bekämpfung des Frauenhandels eine möglichst grosse Zahl von Staaten dem internationalen Übereinkommen zur .Unterdrückung des Handels mit volljährigen Frauen, das am 11. Oktober 1933 in Genf abgeschlossen wurde, beitreten müssen; demzufolge beauftragt sie den Generalsekretär, die Signaturmächte des Übereinkommens zu dessen möglichst baldiger Ratifizierung einzuladen und die Staaten, welche nicht gezeichnet haben, auf die Bedeutung eines unverzüglichen Beitrittes zum Übereinkommen aufmerksam zu machen.

(Resolutionen vom 26. September 1934.)

3. Kinderschutz.

I.

Die Versammlung erklärt es für notwendig, dass der Völkerbund die methodische Zusammenstellung der Nachrichten über den Kinderschutz vornehme, um derart eine Zentralstelle für Auskunft und Verbreitung zu schaffen. Schon anlässlich der Bildung des Komitees für den Kinderschutz hatte man erkannt, dass hierin eine seiner wichtigsten Aufgaben bestehen werde, und nur der Mangel an Personal hatte ihre restlose Erfüllung bisher verhindert. In Anwendung des vom Komitee empfohlenen und von der Versammlung gebilligten allgemeinen Planes (Druckschrift C 149, M 62, 1934, IV) wird die Bibliothek des Sekretariats ein möglichst vollständiges Auskunftsmaterial zu sammeln und auf dem laufenden zu halten haben, insbesondere über: a. die gegenwärtig in Kraft stehende oder in Vorbereitung befindliche Gesetzgebung der ^verschiedenen Länder und ihre Anwendung ; b. die durch die öffentlichen und privaten Einrichtungen und Organisationen geleistete Arbeit; c. die Tätigkeit der internationalen Organismen; d. die Bibliographie.

Zu diesem Zweck ist es nötig : a. mit den Regierungen in Verbindung zu treten; ' b. alle Unterlagen über die auf diesem Gebiete durch Einrichtungen und Körperschaften öffentlichen oder privaten Charakters entfaltete Tätigkeit Bundesblatt. 87. Jahrg. Bd. I.

19

234 zu sammeln; dies hat nach den Bestimmungen und Vorschriften des Sekretariats und nach dem im Benehmen mit den beteiligten Eegierungen festgesetzten Verfahren zu geschehen; c. sich über die Arbeit der internationalen Organismen auf dem laufenden zu halten; d. die bibliographischen Aufschlüsse über die Fragen des Kinderschutzes zur Hand zu haben.

Das Sekretariat hat zu diesem Zwecke mit dem internationalen Arbeitsamt und den übrigen Organen des Völkerbundes sowie auch mit den verschiedenen Dokumentierungszentren in enger Berührung zu bleiben. Die Auskünfte sind den Angehörigen aller Staaten, die sich mit Nachforschungen und Studien über den Kinderschutz befassen, zur Verfügung zu stellen.

Die Auskünfte müssen gemäss den in Kraft stehenden Organis ationsvorschriften der Bibliothek des Völkerbundes und nach den Plänen, die das Komitee für den Kinderschutz mitunter noch genehmigen mag, gesammelt und verwendet werden. Die Arbeiten sollen sich nur auf solche Fragen des Kinderschutzes erstrecken, deren Erforschung vom Komitee gebilligt worden ist.

Um dem Sekretariat zu ermöglichen, die Aufgabe einer zentralen Auskunftsstelle, wie sie dargelegt wurde, zu erfüllen, ist es nötig, das Personal der Sektion für soziale Fragen zu verstärken. Die Arbeit soll einem Beamten übertragen werden, der nicht unter dem Eange eines Sektionsmitgliedes steht und der eine besondere Vorbildung und Fachkenntnis in Kinderschutzangelegenheiten besitzt; nur unter diesen Bedingungen wird die Schaffung des von der Versammlung gewünschten Auskunftsdienstes möglich sein.

Ebenfalls muss mit einigen andern zusätzlichen Ausgaben gerechnet werden.

II.

Die Versammlung genehmigt den ihr von der fünften Kommission vorgelegten Bericht (Druckschrift' A 52; 1934, IV) über die Frage des Kinderschutzes.

(Resolutionen vom 27. September 1934).

4. Strafrechts- und Strafvollzugsfragen.

Die Versammlung hat von der durch die Internationale Kommission für Strafrechts- und Gefängniswesen im August 1934 genehmigten Resolution über die Gesamtheit der bereinigten Vorschriften für die Behandlung der Sträflinge Kenntnis genommen ; in der Erwägung, dass diese Gesamtheit der Vorschriften (Druckschrift À 45, 1934, IV, Anlage) ein Minimum darstellt, unter welches das Sträflingswesen keines Staates sinken sollte;

235 in der Erwägung, dass es höchst wünschbar wäre, Bemühungen zu unternehmen um die Behandlung der Sträflinge über dieses Minimum hinaus- zu verbessern, wie dies in mehreren Ländern schon geschehen ist: 1. empfiehlt den Eegierungen, die von der Internationalen Kommission für Strafrechts- und Gefängniswesen ausgearbeitete Gesamtheit der Vorschriften als unterste Grenze für die Behandlung eines jeden seiner Freiheit beraubten Menschen zu betrachten; 2. ersucht die Eegierungen, darauf bedacht zu sein, das eigene Sträflingswesen dieser Gesamtheit der Vorschriften anzupassen, insofern :es noch unter dem durch die genannten Bestimmungen vorgesehenen. Minimum stehen sollte ; 3. ist der Ansicht, dass die Eegierungen, denen auf Grund ihrer wirtschaftlichen oder finanziellen Lage eine Anpassung an das erwähnte Minimum vorläufig nicht möglich ist, bestrebt sein sollten, dasselbe, sobald die Verhältnisse es gestatten, in einer möglichst kurzen Frist zu erreichen; 4. beauftragt den Generalsekretär: a. die Eegierungen zu ersuchen, wenn möglich jährlich,und allenfalls mit Hilfe sachverständiger Verbände die gewonnenen Erfahrungen bekannt zu geben und alle übrigen Bemerkungen mitzuteilen, die sich auf die Anwendung der Gesamtheit der Vorschriften oder auf die im Strafvollzugswesen ganz allgemein durchgeführten Neuerungen beziehen; &. der Versammlung einen Bericht über diese Fragen vorzulegen und die von den Eegierungen erhaltenen Auskünfte an die Internationale Kommission für. Strafrechts- und Gefängnis wesen weiterzuleiten.

(Resolutionen vom 26. September 1934.)

5. Unterstützung unbemittelter Ausländer.

Die Versammlung hat mit grossem Interesse von der Tätigkeit Kenntnis genommen, die der Sachverständigenausschuss zur Unterstützung unbemittelter. Ausländer und zur Erfüllung der Alimentationspflichten im Auslande während seiner ersten Tagung im Dezember 1933 entfaltet hat (Druckschrift C IO, M 8,1934, IV); hat von den Antworten Vormerkung genommen, die ihr von zwanzig der siebzig Eegierungen, denen die Vorschläge des Sachverstäridigenausschusses unterbreitet wurden, zugekommen sind; ist der Ansicht, dass die beschränkte Zahl der bis zu diesem Tage eingelaufenen Antworten es nicht gestattet, grundlegende Entscheidungen über den Abkommensentwurf sowie über die durch den Sachverständigenausschuss ausgearbeiteten
vierzehn Empfehlungen zu treffen ; gibt der Hoffnung Ausdruck, dass die Eegierungen, die sich zugunsten der vierzehn Empfehlungen ausgesprochen haben, sie innerhalb kürzester Frist anwenden mögen, und .'. . . . · . · .

236

beauftragt den Generalsekretär, die Eegierungen, die ihre einschlägigen Bemerkungen noch nicht eingesandt haben, zu ersuchen, sie dem Sekretariat des Völkerbundes möglichst bald zuzustellen, damit diese Bemerkungen der Eegierungen dem Sachverständigenausschuss bei seiner nächsten Tagung zur Prüfung unterbreitet werden können.

(Resolution vom 27. September 1934.)

E. Resolutionen zur Berichterstattung der sechsten Kommission, 1. Aufnahme neuer Mitglieder in den Völkerbund.

A. Aufnahme Sowjetrusslands: Ernennung Sowjetrusslands zum ständigen Katsmitgliede.

I. Die Versammlung beschliesst, Sowjetrussland in den Völkerbund aufzunehmen.

II. Die Versammlung genehmigt den vom Eate in seiner Eesolution vom 15. September 1934 gestellten Antrag betreffend die Ernennung Sowjetrusslands zum ständigen Eatsmitgliede.

(Sitzung vom 18. September 1934.)

B. Aufnahme Afghanistans.

Die Versammlung beschliesst, Afghanistan in den Völkerbund aufzunehmen.

(Sitzung vom 27. September 1934.)

2. Streitfall zwischen Bolivien und Paraguay.

I. Die Versammlung, in Anbetracht des von der bolivianischen Begierung am 31. Mai 1934 gestellten Begehrens um Anwendung des Verfahrens gemäss Artikel 15 des Völkerbundsvertrages auf den Streitfall; in Anbetracht des von der bolivianischen Begierung am 9. Juni 1934 gestellten Begehrens, den Streitfall gemäss Artikel 15, Absatz 9, des Völkerbundsvertrages vor die Versammlung zu bringen, und in Anbetracht des Eatsbeschlusses vom 7. September 1934; im Hinblick auf das Gutachten, das die erste Kommission am 22. September 1934 (Druckschrift A VI, 12, 1934) über die vom bolivianischen Delegierten aufgeworfene Frage der vollen Anwendung des Artikels 15 des Völkerbundsvertrages abgegeben' hat : erklärt, dass der Streitfall zwischen Bolivien und Paraguay ihr vorgelegt worden ist und dass sie die Pflicht hat, das Verfahren gemäss Artikel 15 des Völkerbundsvertrages anzuwenden.

237 II. Die Versammlung, in der Erwägung, dass die Feindseligkeiten im Chaco bereits seit mehr als zwei Jahren andauern, und dass alle Anstrengungen zu ihrer Beilegung und zu einer friedlichen Eegelung des Streites bis heute ohne Wirkung geblieben sind ; in der Erwägung besonders, dass der vor dem Zusammentritt der Versammlung durch die argentinische Kegierung unternommene und von den Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika und der Vereinigten Staaten von Brasilien unterstützte Versuch zur Wiederherstellung des Friedens die Schwierigkeiten gezeigt hat, die eine Beilegung auf dem Vermittlungswege noch verhindern : ist der Ansicht, dass sie, ohne die Bemühungen für eine Beilegung des Streites nach dem in Absatz 3 von Artikel 15 des Paktes vorgesehenen Vermittlungsverfahren aufzugeben, unmittelbare Massnahmen zu ergreifen hat, um den Bericht gemäss Absatz 4 des gleichen Artikels vorzubereiten; dabei hat das Vermittlungsverfahren bis zur Genehmigung dieses Berichtes seinen Fortgang zu nehmen.

III. Die Versammlung beschhesst die Einsetzung eines Ausschusses bestehend aus : a. den Mitgliedern, des Eates ; b. den Mitgliedern dés Völkerbundes, die gegenwärtig dem Hate nicht angehören, aber bei den in Amerika früher unternommenen Bestrebungen mitgewirkt haben, sei es insbesondere als Mitglieder dés Washingtoner Komitees der Neutralen oder als Nachbarn der am. Streite unmittelbar beteiligten Staaten. Diese Staaten sind Kolumbien, Kuba, Peru und Uruguay; c. vier weitern Völkerbundsmitgliedern, die von der Versammlung zu bezeichnen sind.

Der Ausschuss hat sich ohne Verzug zu bilden. Er bestimmt selber über das einzuhaltende Verfahren, um so seinen Auftrag möglichst wirksam und möglichst rasch ausführen zu können. Er kann um jegliche Mitwirkung nachsuchen, die er für notwendig erachtet.

Sollte es ihm gelingen, die Beilegung des Streitfalles durch die Anwendung von Absatz 3 des Artikels: 15 des Völkerbundsvertrages zu erreichen, so hat der Ausschuss im Namen der Versammlung eine Darlegung der Tatsachen, der erforderlichen · Erläuterungen und der Bestimmungen · des Vergleichs zu veröffentlichen.

Kann der Streitfall aber nicht geschlichtet werden, so wird der Ausschuss der Versammlung den Entwurf des Berichtes gemäss Absatz 4 von Artikel 15 des Völkerbundsvertrages unterbreiten, um die nähern Umstände
des Zwistes und die für die Einstellung der Feindseligkeiten und die Beilegung des Streites zu empfehlenden Lösungen bekanntzugeben; desgleichen sind im Berichte die Folgen zu erörtern, die sich aus den genannten Lösungen für die Anwendung des Verbotes von Waffen- und Kriegsmateriallieferungen ergeben könnten; diesem Verbote haben sich zahlreiche Staaten angeschlossen, in

238

gewissen Fällen «vorbehaltlich jeder weitern Empfehlung von Seiten des Bates oder der Versammlung».

Nach Artikel l, Absatz 2, der Geschäftsordnung hat sich die Versammlung auf Begehren des auf Grund dieser Eesolution eingesetzten Ausschusses zur ausserordentlichen Tagung zu vereinigen.

Die sechste Kommission empfiehlt der Versammlung, die folgenden Staaten als Mitglieder des Ausschusses zu bezeichnen: China, den Freistaat Irland, Schweden und Venezuela.

(Resolutionen vom 27. September 1934.)

3. Verbot, im Rahmen des Völkerbundsvertrages, der Lieferung von Waffen und Kriegsmaterial an Kriegführende.

Die Versammlung beschliesst, den Eat um die Ernennung eines Ausschusses zu ersuchen, der den Auftrag erhält, vom rein rechtlichen Standpunkt und insbesondere dem der Auslegung des Völkerbundsvertrages aus die Frage eines Verbotes -- im Kahmen des Völkerbundsvertrages -- der Waffen- und Kriegsmateriallieferung an Kriegführende zu prüfen; dieser Ausschuss hat seine Schlussfolgerungen dem Eate und der Versammlung zu unterbreiten.

(Eesolution vom 27. September 1934.)

4. Minderheitenschutz.

Die Versammlung nimmt den Bericht der sechsten Kommission zur Kenntnis (Druckschrift A 57, 19341).

(Eesolution vom 27. September 1934.)

5. Mandate.

Die Versammlung, nachdem sie von der Tätigkeit der Mandatmächte, der ständigen Mandatkommission und des Eates über die Durchführung des Artikels 22 des Völkerbundsvertrages Kenntnis genommen hat, spricht diesen Organen von neuem ihr Vertrauen aus und bekundet den Wunsch, dass sie das Werk des Fortschrittes, das der Mandatgedanke darstellt, im bisherigen Geiste enger Zusammenarbeit fortsetzen mögen.

(Eesolution vom 26. September 1934.)

6. Sklaverei.

Die Versammlung nimmt das von der beratenden Sachverständigenkommission zur Bekämpfung der Sklaverei aufgestellte und vom Eate am 19. Januar 1934 gebilligte Geschäftsreglement*) zur Kenntnis ;

. .

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) Vgl. Journal Officiel, Februar 1984, S. 222 und 225.

239 erneuert die Aufforderung, die sie an die Mitglieder des Völkerbundes und an die ihm nicht angehörenden Staaten, welche am Abkommen vom Jahre 1926 über die Sklaverei beteiligt sind, gerichtet hat, damit sie die Aufschlüsse über die Sklaverei in jeglicher Form im eigenen Lande wie in andern Weltteilen dem Völkerbund ohne Verzögerung zukommen lassen, um so das Zusammentreten der beratenden Kommission auf Anfang 1985 zu ermöglichen; ermächtigt den Generalsekretär, die Eegierungen nötigenfalls jedes Jahr dazu anzuhalten, im Eahmen der Bestimmungen der Versammlungsresolution von 1932 neue Aufschlüsse über die Sklaverei einzureichen; diese Massnahme ist im Einverständnis mit dem Vorsitzenden der beratenden Kommission zu ergreifen; beauftragt den Generalsekretär, die vorliegende Eesolution den Mitgliedern des Völkerbundes und den ihm nicht angehörenden Staaten, die am Abkommen des Jahres 1926 über die Sklaverei beteiligt sind, zur Kenntnis zu bringen.

(Resolution vom 26. September 1934.)

7. Tätigkeit der internationalen Organisation für geistige Zusammenarbeit.

1. Die Versammlung billigt das Arbeitsprogramm der Organisation für geistige Zusammenarbeit für das Jahr 1934/35, wie es sich aus den Eesolutionen der internationalen Kommission und dem allgemeinen Bericht des Direktors des Instituts ergibt (Druckschrift G 339, M 156, 1934, XII).

Sie anerkennt mit Geugtuung, dass die von der Gesamtheit der Institutionen, die miteinander die Organisation für geistige Zusammenarbeit bilden, im Laufe des vergangenen .Geschäftsjahres geleistete Tätigkeit völlig den Wünschen der letzten Versammlung und den höheren Interessen des Völkerbundes und der menschlichen Kultur überhaupt entspricht.

Sie stellt mit Befriedigung fest, dass die dem Völkerbund zur Verfügung gestellten Mittel trotz , der schwierigen Verhältnisse in gleichem Umfange aufrecht erhalten werden konnten ; hingegen ist sie der Ansicht, dass es unmöglich ist, den mannigfachen Anforderungen des Tages zu entsprechen und dem ganzen Werke jene Entfaltung zu geben, die seine bisherige Entwicklung voraussehen lässt, wenn nicht -- sowohl auf Seiten des Völkerbundes in seiner Gesamtheit als auch auf Seiten der ihn bildenden Staaten -- ein grösseres Verständnis für die materiellen Bedürfnisse der Organisation Platz greife.. Sie dankt erneut den Staaten,
die ihr Interesse am Institut für geistige Zusammenarbeit bereits durch die Leistung eines Beitrages bezeugen, und sie gibt der Hoffnung Ausdruck, dass sich die Zahl dieser Staaten in Zukunft noch vergrössern möge.

2. Moralische Abrüstung.

· Die Versammlung nimmt Kenntnis von der Tätigkeit des Ausschusses für die moralische Abrüstung und der Konferenz zur Beschränkung und Herab-

240

Setzung der Büstungen. Ohne über den weitern Verlauf der vom Ausschuss in Angriff genommenen Arbeiten urteilen zu wollen, gibt sie der Hoffnung Ausdruck, dass die von der Kommission für geistige Zusammenarbeit verfassten Schriftstücke den Staaten zu gegebener Zeit zur Beachtung empfohlen werden.

3. Nationale Kommissionen.

Die Versammlung ersucht' den Generalsekretär des Völkerbundes, die Eegierungen von neuem auf die Wichtigkeit der den nationalen Kommissionen übertragenen Aufgabe aufmerksam zu machen; denn es ist unerlässlich, dass die Staaten alles, was in ihrer Macht steht, tun, um den Kommissionen die normale Erfüllung ihrer Obliegenheiten zu ermöglichen.

4. Jährliche Konstantentabellen.

Die Versammlung anerkennt, dass die Veröffentlichung der jährlichen Tabellen konstanter Grossen und zahlenmässiger Angaben für die Wissenschaft im allgemeinen von grosser Bedeutung ist ; von Interesse ist auch der Vorschlag der internationalen Union für Chemie, der darauf hinzielt, unter den Auspizien der französischen Regierung eine Konferenz einzuberufen, die sich mit dem gegenwärtigen Stande dieser Veröffentlichungen zu befassen hätte.

5. Die Versammlung bezeugt Spanien, Frankreich und Italien ihren wärmsten Dank für die Dienste, die diese Länder der geistigen Zusammenarbeit erwiesen haben, indem sie die Einberufung wichtiger Konferenzen erleichterten, wie die in Paris abgehaltene siebente Konferenz. für höhere internationale Studien, die «Gespräche» von Venedig vom Juli 1934 und die für den kommenden Oktober in Madrid vorgesehene allgemeine Konferenz für Museumskunde.

6. Die Versammlung macht die Eegierungen auf die Bedeutung aufmerksam, die in einer raschen und wohlwollenden Prüfung der beiden Übereinkommensentwürfe liegt, -welche von der Organisation für geistige Zusammenarbeit ausgearbeitet und gegenwärtig den Staaten zur Beurteilung unterbreitet worden sind; das eine dieser Übereinkommen betrifft den gesetzlichen Schutz des künstlerischen Nationalgutes ; das andere den Bundfunk und die internationalen Beziehungen. Die Versammlung ersucht das Institut für geistige Zusammenarbeit, die Sachverständigenausschüsse, welche die ersten Entwürfe verfasst haben, von neuem einzuberufen, sobald eine genügende Zahl von Antworten eingelaufen sein wird. Diese Ausschüsse haben den ursprünglichen Wortlaut unter
Berücksichtigung der von den Staaten erhaltenen Antworten abzuändern.

Die so geänderten Entwürfe müssen den Begierungen unterbreitet und dem Völkerbundsrate vorgelegt werden, der darüber zu entscheiden hat, ob sie noch zum Gegenstande besonderer Verhandlungen gemacht werden müssen, oder ob sie anlässlich der nächsten ordentlichen Versammlung besprochen und unterzeichnet werden können.

7. Geistiges Eigentum.

Die Versammlung, nach Anhören der Mitteilungen über die in der Annäherung der Urheberrechtsabkommen von Bern und von Havanna zuletzt erzielten Fortschritte,

241 stellt mit Befriedigung fest, dass nach der panamerikanischen Konferenz von Montevideo ein amerikanischer Ausschuss gebildet wurde zur Vorbereitung eines Textentwurfes, der geeignet wäre, die wichtigsten Grundsätze der beiden Übereinkommen miteinander in Einklang zu bringen.

'Tn Anbetracht des Interesses, das die Versammlung für diese Frage seit September 1928 bekundet hat, verlangt sie, dass die Organisation für geistige Zusammenarbeit vor der Eevisionskonferenz von Brüssel sich ihrerseits mit dem Wortlaut eines Vorentwurfes für die Verschmelzung der genannten Übereinkommen befasse.

8. Ursprung der amerikanischen Zivilisation.

Die Versammlung billigt die sehr wertvolle Anregung des Herrn Levillier, argentinischen Delegierten, es solle das Institut auf Grund internationaler wissenschaftlicher Zusammenarbeit eine Sammlung von Originalwerken über die Eingeborenenkulturen Amerikas und eine gleichartige Sammlung über die grossen Entdeckungen und die Geschichte Amerikas im 16. Jahrhundert herausgeben; ersucht den Direktor des Instituts für geistige Zusammenarbeit, diese Anregung, nach Einholen:der Ansicht des Ausschusses für die Veröffentlichung der ibero-amerikanischeni Sammlung, der nächsten Tagung des ausführenden Komitees der .Organisation für geistige Zusammenarbeit zu unterbreiten; dies ·-- gemäss dem Vorschlage des argentinischen Delegierten -- zwecks Bildung eines beschränkten Ausschusses von Amerikanisten, der sich mit der Aufstellung des wissenschaftlichen und finanziellen Planes der zu unternehmenden Arbeit zu befassen hätte. Dieser Plan wäre der nächsten ordentlichen Versammlung zur Begutachtung vorzulegen. .

9. Unterricht über den Völkerbund.

Die Versammlung stellt mit Befriedigung fest, dass der neue beratende Âusschuss ! für den Unterricht über den Völkerbund den Bestrebungen, .die der jungen Generation die Ziele und die Tätigkeit des Völkerbundes nahebringen wollen, einen neuen Aufschwung gegeben hat; sie billigt die anempfohlene Methode, die diesen Unterricht in eine Gesamtheit von Massnahmen einzubeziehen sucht, welche die internationale Gesinnung wecken und die gegenseitige Kenntnis der Kulturen fördern sollen.

: 10. Lehrfilm.

Die Versammlung ist erfreut über die vom Weltlehrfilminstitut im Laufe des vergangenen Geschäftsjahres geleistete Arbeit, im besondern über die
Einberufung des im April in Eom abgehaltenen internationalen Kongresses für den Erziehungsund Lehrfilm; sieht in den Ergebnissen dieses Kongresses mit, Befriedigung nicht nur das Eesultat der frühern, methodisch unter den Erziehern und Filmherstellern

242.

verfolgten Arbeiten, sondern auch den Ausgangspunkt für eine völlig neue Tätigkeit ; wünscht hervorzuheben, dass der Kongress von Eom unter anderem auch bewirkt hat, die immer wichtigere Eolle zu bekräftigen, die dem Weltlehrfilminstitut auf technischem Gebiete zukommt; nimmt Kenntnis von den zahlreichen Unterschriften, die für die Konvention zur Erleichterung des internationalen Umlaufes der Lehrfilme gesammelt worden sind, und verleiht dem Wunsche Ausdruck, dass die benötigte Anzahl von Eatifikationen das baldige Inkrafttreten dieses internationalen Vertrages ermögliche.

(Resolutionen vom 26. September 1934.)

8. Russische, armenische, assyrische, assyrisch-chaldäische und türkische Flüchtlinge.

Die Versammlung, nach Einsicht des Berichtes des Flüchtlingsamtes Nansen über seine Tätigkeit im Laufe des vergangenen Jahres (Druckschrift A 12, 1934): spricht dem Amte ihre hohe Anerkennung für die wichtigen Ergebnisse aus, die es trotz der Wirtschaftskrise und der Bescheidenheit der zur Verfügung stehenden Mittel zugunsten der Flüchtlinge und zugunsten der Länder, die ihnen Gastfreundschaft gewähren, erreicht hat; stellt fest, dass das Übereinkommen für die Flüchtlinge vom 28. Oktober 1933 diesen ein internationales Statut zuerkennt, welches unter anderem vorsieht, dass die gegenüber Ausländern ergriffenen Massnahmen nicht ohne Milderung auf Flüchtlinge angewandt werden sollen, da sich diese in einer besondern Lage befinden: ersucht die Eegierungen inständig, sich dem Übereinkommen so rasch als möglich anzuschliessen, um so die Erledigung der Flüchtlingsfrage zu beschleunigen; in Erwägung der durch die verantwortlichen Organisationen der armenischen Flüchtlinge vertretenen Ansicht, dass die Ansiedlung der armenischen Flüchtlinge in Erivan eine der besten Lösungen der armenischen Flüchtlingsfrage biete: ersucht das internationale .Amt Nansen, seine diesbezüglichen Verhandlungen fortzusetzen; nimmt mit Beunruhigung von dem stets häufigeren Vorgehen gewisser Staaten Kenntnis, Flüchtlinge selbst wegen geringster Vergehen des Landes zu verweisen, sowie von den ernsthaften Folgen, die hieraus für die Nachbarstaaten entstehen; fordert die Eegierungen auf, keine Flüchtlinge auszuweisen, bevor diese die Eintrittsvisa für ein Nachbarland erhalten haben;

243 erkennt die zunehmende Schwierigkeit, für.die Flüchtlinge in den europäischen Ländern Beschäftigung zu finden, sowie den bereits untergebrachten Flüchtlingen ihre .Anstellungen zu erhalten: ersucht das Amt, seine Bemühungen fortzusetzen und zu vermehren, um ·die Niederlassung der Flüchtlinge in den überseeischen Ländern zu sichern ; und ersucht die Regierungen dieser Länder inständig, dem Amte alle in ihrem Gebiete bestehenden Gelegenheiten und 'Möglichkeiten zur Niederlassung mitzuteilen ; in der Erkenntnis der Schwierigkeit, die für die Eegierungen entsteht, indem sie die direkten und indirekten Lasten, welche der Aufenthalt einer .grossen Anzahl arbeitsloser Flüchtlinge auf ihrem Gebiete mit sich bringt, weiterhin zu tragen haben; empfiehlt den Eegierungen dieser Länder, die Vorteile zu erwägen, die sich aus einer Kapitalisierung dieser Lasten ergeben könnten, indem man dem Amte gewisse Kredite zur Verfügung stellte, die es ihm ermöglichten, die arbeitslosen Flüchtlinge in den Ländern, die sie aufzunehmen gewillt sind, anzusiedeln; .

nimmt davon Vormerkung, dass sich die Tätigkeit des Amtes auf eine grössere Anzahl von Flüchtlingen erstrecken könnte, wenn hinreichende Mittel zur Verfügung stehen würden; ersucht die Eegierungen inständig, 'die Einnahmen des Amtes durch eine allgemeine Anwendung des Systems der Nansenmarken zu vermehren ; und ersucht den Eat, die erforderlichen Massnahnien zu ergreifen, damit der Generalsekretär über die Folge unterrichtet werde, welche die beteiligten Eegierungen den voranstehenden Empfehlungen zu geben vermögen.

(Resolutionen vom 26. September 1934.)

P. Auf Grund der Anträge des Bureaus angenommene Resolutionen.

1. Studienkommission für die Europäische Union.

Die Versammlung, nach Begrüssung ihres Bureaus über das Verfahren, das hinsichtlich der in der Tagesordnung der Session unter Nr. 8 (Studienkommission für die Europäische Union) stehenden Frage einzuschlagen ist, · stellt fest, dass die Umstände eine Zusammenkunft dieser Kommission seit der letzten Tagung verunmöglicht haben; beschliesst demnach, das Mandat .der Studienkommission für die Europäische Union für das nächste Jahr zu erneuern und die Frage auf der Tagesordnung der nächsten Versammlung vorzumerken.

(Resolution vom 26. September 1934.)

244

2. Kommissionen des Völkerbundes.

Die Versammlung, nach Einsicht des auf Grand des Ratsbeschlusses vom 17. Januar 1934 abgefassten Berichtes des Generalsekretärs über die Kommissionen des Völkerbundes (Druckschrift G 287, M 125, 1934); in der Erwägung, dass dieser Bericht eine wertvolle Grundlage darstellt, um die Zweckmässigkeit der Vornahme von Korrekturen, Anpassungen und Verbesserungen am Bestände und an der Arbeitsweise der Kommissionen zu untersuchen: ersucht den Eat, den Bericht des Generalsekretärs durch ein hiefür geeignetes Organ prüfen zu lassen, damit allfällige Vorschläge für die 'Verwirklichung der obenerwähnten Ziele der Versammlung anlässlich der nächsten Tagung vorgelegt werden können.

Um diese Prüfung zu erleichtern, wären die Völkerbundsmitglieder einzuladen, dem Generalsekretär ihre diesbezüglichen Anregungen bekanntzugeben.

(Resolution vom 27. September 1934.)

3. Staatsangehörigkeit der Frau.

Die Versammlung nimmt Kenntnis vom Vorschlage verschiedener Delegationen zur Frage der Staatsangehörigkeit der Frau (Druckschrift A 48,1934, V) und beschliesst, diese Frage auf der Tagesordnung der nächsten ordentlichen Völkerbundssession vorzumerken.

(Resolution vom 25. September 1934.)

4. Rechtliche Stellung der Frau.

Die Versammlung nimmt Kenntnis vom Vorschlage verschiedener Delegationen zur Frage der rechtlichen Stellung der Frau (Druckschrift C 440, M 190, 1934, V) und beschliesst, den Generalsekretär zu beauftragen, den verschiedenen in diesem Vorschlage berührten Punkten die gebührende Folge zu geben.

(Resolution vom 27. September 1934.)

5. Konferenz zur Herabsetzung und Beschränkung der Rüstungen.

Die Versammlung nimmt einen von der Delegation Sowjetrusslands eingereichten Eesolutionsentwurf zur Kenntnis (Druckschrift A 59, 1934, IX)1).

(Resolution vom 27. September 1934.)

*) Dieser Eesolutionsentwurf lautet folgendermassen : «Die fünfzehnte Völkerbundsversammlung spricht den Wunsch aus, dass der ·Präsident der Konferenz zur Herabsetzimg und Beschränkung der Rüstungen dem Völkerbundsrat einen Bericht über den Stand der Arbeiten der genannten Konferenz vorlege, und dass sich der Bat über das weiter einzuhaltende Verfahren ausspreche.

245 6. Beziehungen zwischen dem Völkerbund und der panamerikanischen Union.

Die Versammlung nimmt den von der kolumbisohen Delegation eingereichten Kesolutionsentwurf über die Beziehungen zwischen dem Völkerbund und der panamerikanischen Union zur Kenntnis (Druckschrift G 434, M 189, 1934) und beschliesst, diese Präge auf der Tagesordnung der nächsten ordentlichen Völkerbundssession vorzumerken.

(Resolution vom 27. September 1934.)

G. Wahl von drei nichtständigen Ratsmitgliedern.

Die Versammlung bezeichnet Chile, Spanien und die Türkei als nichtständige Eatsmitglieder.

(Sitzung vom 17. September 1934.)

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die fünfzehnte Völkerbundsversammlung. (Vom 1. März 1935.)

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1935

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3225

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06.03.1935

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153-245

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