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3295 Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Übernahme der Schweizerischen Versuchsanstalt St. Gallen durch den Bund.

(Vom 3. September 1935.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen hiermit den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Übernahme der Schweizerischen Versuchsanstalt St. Gallen vorzulegen.

1. Einleitung.

Die objektive und wissenschaftlich einwandfreie Prüfung einerseits der in Industrie und Gewerbe verwendeten Materialien und anderseits der von ihnen auf den Markt gebrachten Erzeugnisse haben den Weltruf schweizerischer Qualitätswaren mitbegründet. Die technische Materialprüfung wird von grossen Privatunternehmungen in eigenen Fabriklaboratorien, von industriellen Eachverbänden in verbandseigenen Prüf anstalten und von öffentlich-rechtlichen "Untersuchungsinstituten getragen. Diese letztern sind entweder aus den Bedürfnissen vonLehranstalten hervorgegangen, wie die Eidgenössische Materialpriifungsanstalt (in der Folge gekürzt: E. M. P. A.) an der eidgenössischen Technischen Hochschule (in der Folge gekürzt: E. T. H.) in Zürich, die laboratoires d'essais des matériaux der Ecole des Ingenieurs in Lausanne und der Ecole des Arts et Métiers in Genf, oder sie wurden durch einen Akt der Gesetzgebung mit genau umrissenen Aufgaben geschaffen wie das eidgenössische Amt für Mass und Gewicht.

Die beiden grössten gegenwärtigen technisch-wissenschaftlichen Untersuchungsstellen für Eohstoffe und Erzeugnisse der metallverarbeitenden Industrie, für Brenn-, Färb-, Baustoffe, für Papier und Papierersatzstoffe, Leder, Öle und Fette, Textilien usw. sind die «E. M. P. A. an der E. T. H.» und die «Schweizerische Versuchsanstalt» (in der Folge gekürzt: S. V. A.) in St. Gallen.

2. Die «Schweizerische Versuchsanstalt» und ihr Verhältnis zur «Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt ».

Der im Jahr 1880 aus einem kleinen Festigkeitsprüfinstitut am Polytechnikum hervorgegangenen E. M. P. A. ist 1928 die 1906 gegründete «eidgenössische Prüfungsanstalt für Brennstoffe an der E. T. H.» angegliedert

352 worden; das Gesamtinstitut bestellt zurzeit aus 17 Abteilungen für Bausteine, Bindemittel, Beton und Eisenbeton, Metalle, Holz und Holzverbindungen, Leder, Druckbehälter und Druckleitungen, Papier und Papierersatzstoffe, technische Chemie, Kolloidchemie, Brenn- und Kraftstoffe, Wärmetechnik, Öle, Schmiermittel, Anstrichstoffe, Strassenbau- und Isolierstoffe und Bodenkunde. Die E. M. P. A. untersteht der unmittelbaren Aufsicht des eidgenössischen Schulrates. Sie bewältigt mit einem Arbeiterstab von zurzeit 84 Einheiten ein gewaltiges Pensum an Prüfaufträgen aus Industrie und Gewerbe, an Forschungsarbeit und an Lehrtätigkeit. Ihre hervorragenden Dienste für die schweizerische Volkswirtschaft sind unbestritten; sie geniesst über die Landesgrenzen hinaus einen bedeutenden Euf wegen der Objektivität, Gründlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Arbeit.

Die S. V. A. in St. Gallen ist 1911 aus der 1886 vom Kaufmännischen Direktorium gegründeten «Garnkontrollstelle» hervorgegangen und war 1911 bis 1918 der physikalisch-chemischen Abteilung der Handelshochschule in St. Gallen angegliedert. Die Gründer und bisherigen Träger der Handelshochschule, d. h. die politische Gemeinde St. Gallen, die Kaufmännische Corporation St. Gallen und die Ortsbürgergemeinde St. Gallen, haben im laufenden Jahre das Institut in eine Stiftung umgewandelt. Das oberste Organ der Handelshochschule und damit auch der S. V. A. ist der Stiftungsrat. Die S. V. A., ·die zurzeit 22 Bedienstete zählt, ist in drei Abteilungen für I. Textilien, II.

Leder, III. Fette, öle und Seife gegliedert. Sie hatte im Jahrfünft 1930/34 durchschnittlich jährlich etwa 1900 Aufträge zu erledigen, wovon etwa 65% auf die Abteilung I, 25 % auf die Abteilung II und 10 % auf die Abteilung III entfallen.

Entwicklung der S. V. A.

2 ahi der Aufträge 1912--1934 1912. . . .

1913. . . .

1914. . .

1915. . .

1916. . . .

1917 !). . .

1918 . .

1919 2). . . .

283 182 138 193 176 302 852 740

1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927

.

.

.

.

.

.

.

.

..

..

..

..

..

..

..

..

. 1131 945 960 . 1245 . 1474 . 1685 . 1782 . 1957

1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934

....

....

....

..

....

....

....

2108 2118 2231 1853 1692 1839 1923

Sie hat sich im Laufe der Jahre aus einer Institution von vorwiegend lokalem Interesse zu einer Forschungsstätte entwickelt, die der gesamten schweizerischen Textil-, Leder- und Seifenindustrie wichtige Dienste leistet.

1 2

) 1917: Angliederung der Abteilung II für Lederindustrie.

) 1919 : Angliederung der Abteilung III für Fette, Öle und Seifenindustrie.

353 Statistik der Aufträge nach der geographischen Herkunft Von je 100 Aufträgen in den Jahren entfielen : auf die Kantone: St. Gallen Appenzell I.- und A. -Eh Thurgau . . .

Zürich Bern Basel Aargau Tessin . . . .

Solothurn Glarus Schaffhausen auf die übrige Schweiz.

auf das Ausland

1912

1930

1934

1

25 3 9 29 7 4 3 4 2 3

75 1 11 2

' 1

1 10

7 4

13 3 6 29 25 6 4 1 3 1 2 3 4

Der Bundesrat hat der interkantonalen Bedeutung des Institutes seit 1925 durch Gewährung einer direkten jährlichen Subvention Eechnung getragen, während das Institut bis 1924 im Eahmen der der Handelshochschule gewährten Subvention unterstützt worden war. Ungefähr in dem Umfang und in dem zeitlichen Ablauf, "wie die Bedeutung der Stickereiindustrie für die Ostschweiz ·zurückgegangen ist, schwand der ausschliessliche Charakter der Anstalt als Textilienprüfstelle. Schon als solche, erst recht aber, seit die Anstalt ihre Untersuchungen auf Leder, Fette und öle ausgedehnt hat, trat sie in eine gewisse Konkurrenz zur E. M. P. A. bzw. zur E. T. H. Einer etwelchen Doppelspurigkeit war schwer zu entrinnen. Immerhin haben die Leiter der beiden Institute schon 1926 auf Wunsch des schweizerischen Schuhrates und gemäss Antrag des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes eine Abgrenzung ihrer Arbeitsgebiete vereinbart. Für Grenzgebiete, d. h. Arbeiten, die in beiden Anstalten ausgeführt werden, wurde wenigstens eine Verständigung über Untersuchungsmethoden, im Interesse des Ansehens der Institute, und über Prüfungsgebühren, um Preisunterbietungen zu vermeiden, angestrebt. Veranlasst durch eine Anfrage der S. V. A. wegen der Errichtung eines Lehrstuhls für Textiltechnik an der E. T. H. und der Schaffung eines Demonstrationslaboratoriums für Textiltechnik im Maschinenlaboratorium in Zürich ist 1931 ·die erstmals 1926 aufgeworfene Frage der Vereinheitlichung des gewerblichen und industriellen Prüfwesens in den Vordergrund des Interesses getreten. Das an und für sich durchaus gesunde und sowohl vom Standpunkt der Industriebedürfnisse wie der Anstaltsleitungen aus verständliche Expansionsbestreben der St. Galler und der eidgenössischen Institute lässt, in Verbindung mit der Bundesblatt. 87. Jahrg. Bd. II.

28

354 Notwendigkeit, dem Baumnotstand der Anstalt in St. Gallen unter Heranziehung von Bundesgeldern abzuhelfen, und mit Bücksioht auf den Zwang, auch im Bundeshaushalt jede nicht ganz dringliche Ausgabe zu vermeiden, neuerdings Mittel und Wege suchen, um unwirtschaftliche Doppelspurigkeiten' zu verhindern.

3. Die Angliederung der Schweizerischen Versuchsanstalt an die Eidgenössische.

Materialprüfungsaustalt.

Der schweizerische Schulrat hat in den Jahren 1932--1935 in Verbindung mit den übrigen Amtsstellen des Bundes die organisatorischen, technischen und finanziellen Fragen- abgeklärt, die mit der Angliederung der S. V. A. an die E. M. P. A. und die dadurch nötig werdende Beorganisation der E. M. P. A.

entstehen. Er betont die Zweckmässigkeit der Zusammenfassung der Prüfanstalten. Die Zufälligkeiten des allmählichen Ausbaues haben es mit sich gebracht, dass zunächst eine gewisse Zersplitterung in der Wahrnehmung der technischen Prüfinteressen entstanden ist ; wo immer sich heute die Gelegenheit bietet, zersplitterte, gleichlaufende Interessen zusammenzufassen, sollte zugegriffen werden; denn eine Konzentration solcher Interessen wird in unserem kleinen Lande zu einer höheren Qualitätsleistung, einem bessern Nutzeffekt und zu einer reibungsloseren und vereinfachten technischen und finanziellen; Verwaltung führen. Die Schaffung einer einzigen «Eidgenössischen Materialprüfungs- und Versuchsanstalt für Industrie, Bauwesen und Gewerbe» bürgt für technischen Fortschritt und volkswirtschaftliche Vorteile und hat innerbetrieblich den Vorzug, dass die kostspieligen Prüfapparaturen in der Begel nur einmal zu beschaffen sind. Mit ungefähr demselben finanziellen Aufwand lässt, sich in personeller und technischer Hinsicht eine ungleich rationellere Arbeitsorganisation und damit auch eine Steigerung der Leistungsqualität erzielen.

Offensichtlich wäre nicht nur die organisatorische, sondern auch die räumlicheZusammenlegung von E. M. P. A. und S. V. A. zweckmässig. Vor allem mit Bücksicht auf regionalpolitische Erwägungen soll jedoch der heutige Standort der beiden Anstalten beibehalten werden. Der Stiftungsrat in St. Gallen hat, sich der Auffassung der eidgenössischen Verwaltungsbehörden angeschlossen.

In der Folge ist eine grundsätzliche Einigung zwischen den st. gallischen und den eidgenössischen Organen
über die Angliederung der S. V. A. an dieE. M. P. A. zustande gekommen.

4. Die finanzielle Belastung des Bundes aus der Übernahme der Anstalt.

a. J)ie Kosten der Baumbeschaffung.

Die derzeitigen räumlichen Verhältnisse der S. V. A. sind unbestreitbar schlecht. Die steigende Differenzierung und die wachsende Beanspruchungder Anstalt haben in den letzten Jahren zu einer wirklichen Baumnot geführt r Die Anstalt muss sich heute hauptsächlich noch mit den Kellerräumen in der Handelshochschule begnügen wie vor 22 Jahren, als die kleine Textilprüfstelleetwa ein Siebteil des derzeitigen Arbeitspensums der drei Abteilungen zu

355

bewältigen hatte. Die Handelshochschule selbst ist ausserstande, der Anstalt weitere Bäume abzutreten. Der drückende Platzmangel erhöht die Gefahren für das Untersuchungspersonal, die Material- und Apparateanhäufung schränkt die Bewegungsfreiheit und Benutzbarkeit der Installationen ein und hemmt damit die prompte Arbeitsabwicklung. Die Unterbringung der Anstalt in neuen Bäumen ist eine unumgängliche Notwendigkeit.

Das ursprünglich in Aussicht genommene Projekt eines Anstaltsneubaues mit einem Kostenaufwand von ca. l Million Franken, woran der Bund nach Ansicht der Behörden in St. Gallen einen ausserordentlichen Beitrag von 50% mit Fr. 500,000 hätte leisten sollen, ist als zu kostspielig verworfen worden.

Als zweckmässige und sparsame Losung der Baumfrage ist heute im Einvernehmen mit der Direktion der eidgenössischen Bauten die Übersiedlung der Anstalt in ein leerstehendes Fabrik- und Geschäftshaus vorgesehen.

Der Nordtrakt des Geschäftshauses Reichenbach ist für die Zwecke des.

Anstaltsbetriebes geeignet; er weist eine nutzbare Gesamtfläche von 2489 m2, wovon 2050 m2 gut belichtet sind, auf. Das Gebäude kostet ca. Fr. 300,000; seine Herrichtung für die Zwecke der Untersuchungsanstalt erfordert ca.

Fr. 250,000.

Stadt und Kanton St. Gallen stellen die Liegenschaft dem Bund unentgeltlich zur Verfügung. Die Stadt St. Gallen leistet dem Bund an die Umbaukosten einen Beitrag von Fr. 100,000. Der Umbau geschieht nach den Anordnungen und auf Kosten des Bundes. Die Stadt St. Gallen hat sich überdies verpflichtet, sämtliche weitere Baumbedürfnisse der Hauptabteilung St. Gallen des vereinigten Institutes während eines Zeitraumes von 25 Jahren auf eigeneKosten zu befriedigen.

356 b. Die Kosten des Betriebes.

Der E e c h n u n g der S. V. A. sind folgende Einzelheiten zu entnehmen: Jahresdurchschnitt 1931/35

1931

ca. Fr.

Fr.

Rech nung

155,200 Ausgaben .

119,800 Besoldungen .

7,ßOO Mobilien, Apparate, Glas .

2,400 Chemikalien 2,500 Bibliothek 1,400 Drucksachen, Bureaumaterial .

8,500 Telephon, Porti, Frachten usw 13,000 Miete, Reinigung, Heizung, Beleuchtung und Kraft.

156,064 110,815

141,400 Einnahmen 58,100 Prüfungsgebühren . . . .

20,300 Industriesubventionen . .

39,500 Bundessubvention . . . .

13,000 Leistungen der Handelshochschule 10,600 Zinsen des Reservefonds .

118,606

-13,800

Ausgabenuber schuss zulasten (-- ) bzw.

1932 ' Fr.

1933

1934

Budget 1935

Fr.

Fr.

Fr

145,847 152,724 157,153 164,208 114,371 120,980 124,859 127,808 16,443 4,535 4,377 4,295 8,500 2,771 1,695 2,366 2,297 2,700 2,740 2,588 2,017 2,377 3,000 1,366

1,248

1,313

1,209

1,700

9,292

8,258

8,100

9,476

7,500

13,000

13,000

13,000 51,722 17,450 25,000 18,000 11,434

13,000 13,000 149,689 52,485 23,150 50,000

146,312 59,279 20,850 42,500

13,000 13,000 11,054 10,683

150,340 142,236 66,804 60,000 20,650 19,350 40,000 40,000 13,000 9,886

13,000 9,886

-6,412 -6,813 -21,972

-37,458

3innahmenüberschuss zugunsten (+) des Reserve+3,842 Unter teilweiser Berücksichtigung etwelcher Einsparungen, die die Zusammenlegung ermöglichen wird, unter Einrechnung der neuen Ausgaben, die der Betrieb in erweiterten Bäumen mit sich bringt und wegen der vermehrten Personalausgabe ergibt sich Mr die nächste Zukunft folgender allgemeiner Voranschlag :

357 Fr.

A. Ausgaben : I. Personalausgaben: a. Besoldungen, Gehälter, Lohne . . . .

b. Vergütungen f ü r Dienstreisen . . . .

c. Beitrage an die Versicherungskasse : 1. Ordentliche Jahresbeiträge (Art. 45, lit. a, Statuten der Versicherungskasse) 2. Monatsbetreffnisse (Art. 45, lit. 6, Statuten der Versicherungskasse) .

3. Verzinsung des versicherungstechnischen Defizites und Amortisation d. Verschiedenes II. Sachausgaben: a. Bücher und Fachzeitschriften . . . .

b. Telephon 0. Telegramme, Frachten d. Veröffentlichung von Vorträgen . . .

e. Betriebskosten (Verbrauchsmaterial, Triebkraft; Drucksachen und Bureaumaterial) /. Mobilien und Apparate, "Unterhalt und Neuanschaffungen g. Hausdienst (Heizung, Beleuchtung, Gas. Wasser) h. Versicherung und Gebäudeunterhalt .

1. Verschiedenes und zur Aufrundung .

zulasten

Fr.

151,000 2,000

10,600

1,600 3.500

15.700 500

169,200

3,000 4,000 1,500 1,000 8,000 9,000 11,000 4,000 3,aOO

44,800

214.000

B. Einnahmen : a. Prüfungsgebühren b. Subventionen der Industrie ') C. Ausgabenüberschuss Bundeskasse

Fr.

60,000 20,000 der

80,000

134,000

*) Der schweizerische Schulrat hat dem eidgenössischen Departement des Innern am 28. Mai 1935 mitgeteilt, dass genügend Zusicherungen aus Industriekreisen für eine jahrliche Beitragsleistung von wenigstens Fr. 20,000 vorliegen, wiewohl die in Aussicht genommene Fórderungsgesellschaft, die sicherlich noch weitere Kreise für die Tätigkeit der Anstalt interessieren werde, noch nicht gegründet sei.

Zweckmässige Organisation und rationelle Betriebsführung in den technischen Abteilungen und in der Kanzlei müssen auf den vorgesehenen Personal-, Material- und Verkebrsausgaben noch wesentliche Einsparungen erzielen lassen. Der ihnen entsprechende Betrag ist heute noch nicht feststellbar. Unter Berücksichtigung aller Umstände darf die vorstehende Aufstellung hinsichtlich

358 der Ausgabenposten für die nächsten fünf Jahre als Maximalvoranschlag betrachtet werden.

c. Die Verwendung des Wertschriftenvermögens der Schweizerischen Versuchsanstalt.

Zu den Aktiven, die mit der S. V. A. an den Bund übergehen, gehört ein Wertschriftenbestand im Nominalwert von zurzeit Fr. 284,000, der die beiden Fonds (Eeservefonds Fr. 274,000 und sogenannter Fischbacherfonds für ausserordentliche Aufwendungen Fr. 10,000) der Anstalt darstellt. Die Hochschulbehörden in St. Gallen haben bisher die Zinsen und in den letzten Jahren auch die Substanz des Eeservefonds zur Deckung von Betriebsdefiziten der Versuchsanstalt verwendet. Der Reservefonds ändert seine Zweckbestimmung mit dem Übergang der Anstalt an den Bund, da dieser Einnahmen und Ausgaben in der allgemeinen Staatsrechnung verrechnet, wie das heute schon mit den Einnahmen und Ausgaben der E. M. P. A. an der E. T. H. geschieht, insofern, als er wenigstens teilweise zur Ermöglichung dringend nötiger grösserer Anschaffungen beibehalten werden soll.

Wir haben die Absicht, den Eeservefonds zur Deckung der Kosten von ca. Fr. 150,000 heranzuziehen, die dem Bund aus der Beschaffung neuer Arbeitsräume in St. Gallen entstehen werden. Der nach Bezahlung dieser Kosten verbleibende Best von nominal etwa Fr. 120,000 nebst den Zinsen des Fonds soll, wie der Fischbacherfonds, für ausserordentliche Bedürfnisse der Hauptabteilung St. Gallen reserviert bleiben.

d. Die Gesamtbelastung.

Der Bezug neuer Arbeitsräume in St. Gallen verursacht dem Bund eine einmalige Auslage von Fr. 250,000, die sich aus einem Beitrag der Stadt St. Gallen von Fr. 100,000 und durch Heranziehung der Eeservefonds der S. V. A. im Betrage von Fr. 150,000 bestreiten lässt. Die Überführung der S. V. A. in Bundeseigentum wird die eidgenössische Staatskasse jährlich mit rund Fr. 134,000 belasten. Die S. V. A. hat in den Jahren 1926--1931 jährlich Fr. 25,000, 1932 Fr. 50,000, 1933 Fr. 42,500 und seither jährlich Fr. 40,000 Bundessubventionen erhalten. Mit der Übernahme der Anstalt durch den Bund erwächst diesem somit eine Mehrbelastung von etwa Fr. 94,000 jährlich.

Sie lässt sich rechtfertigen, wenn überlegt wird, dass dafür die grossen Vorteile eines vereinheitlichten, zentral geleiteten, rationellen und leistungsfähigen Prüfwesens für Industrie und Gewerbe eingetauscht werden,
dass damit der hervorragende Euf schweizerischer Qualitätsleistungen gesichert, ja sogar gehoben werden kann. Die der Stiftung Handelshochschule St. Gallen von den politischen und bürgerlichen Behörden und Industriellen in der Stadt St. Gallen zur Verfügung gestellten Mittel reichen knapp zum Betrieb der Handelshochschule; zu Leistungen an die Betriebskosten der vereinigten Prüf- und Versuchsinstitute ist die Stiftung ausserstande.

Nach Art. 31, Abs. 2, des Bundesbeschlusses vom 13. Oktober 1933 über die ausserordentlichen und vorübergehenden Massnahmen zur Wiederherstellung

359 «des finanziellen Gleichgewichts im. Bundeshaushalt sind neue Ausgaben nur zulässig, wenn die erforderlichen Mittel entweder vorhanden sind oder auf dem ordentlichen verfassungsmässigen Wege bewilligt werden. Die für den Umbau der Anstaltsräume einmalig erforderlichen Fr. 250,000 sind vorhanden. Der ·die bisherigen Leistungen des Bundes übersteigende Jahresbedarf von Er. 94,000 ist nicht gedeckt. Wir haben die Meinung, dass er aus den Einnahmen des neuen E'inanzprogramines zu bestreiten sei.

Wir erlauben uns, Dänen den beigefügten Entwurf eines Bundesbeschlusses jnit dem Antrag auf Genehmigung zu unterbreiten.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung «unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 3. September 1935.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident : Meyer.

Der Bundeskanzler: G. Boret.

2 Beilagen.

360

(Entwurf.)

Bundesbescliluss über

die Übernahme der Schweizerischen Versuchsanstalt in St. Gallen durch den Bund.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundegrates vom 3. September 1935,.

beschliesst :

Art. 1.

Der am 3./13. September 1935 abgeschlossene «Vertrag zwischen der Eidgenossenschaft und der Stiftung Handelshochschule St. Gallen über die Übergabe der Schweizerischen Versuchsanstalt an den Bund» wird genehmigt.

2 Der am 8./12. September 1935 abgeschlossene «Vertrag zwischen der Eidgenossenschaft einerseits und dem Kanton und der Stadt St. Gallen anderseits über die Leistungen von Stadt und Kanton St. Gallen an den Bund anlässlich des Überganges der Schweizerischen 'Versuchsanstalt aus dem Eigentum der Handelshochschule St. Gallen an den Bund» wird genehmigt.

1

Art. 2.

Der Bund vereinigt die «Schweizerische Versuchsanstalt» und die «Eidgenössische Materialprüfungsanstalt an der eidgenössischen Technischen Hochschule» zu einem einheitlich verwalteten Gesamtbetrieb «Eidgenössische Materialprufungs- und Versuchsanstalt für Industrie, Bauwesen und Gewerbe».

Art. 3.

Zum Umbau des von Kanton und Stadt St. Gallen zur Verfugung gestellten Gebäudes für die Zwecke der Materialprüfung in St. Gallen wird ein Kredit von Er. 250,000 bewilligt. Die Kosten werden nach Abzug des Beitrages der Stadt St. Gallen von Er. 100,000 aus den Eeservefonds der Schweizerischen Versuchsanstalt bestritten.

2 Der Best der Eeservefonds bleibt zur Bestreitung ausserordentlicher Bedurfnisse der Hauptabteilung in St. Gallen vorbehalten.

1

Art. 4.

Dieser Beschluss tritt, als nicht allgemein verbindlich, sofort in Kraft.

Der Bundesrat ist mit dessen Vollziehung beauftragt.

361 Beilage l

Vertragzwischen

der Eidgenossenschaft und der Stiftung Handelshochschule St. Gallen über die Übergabe der Schweizerischen Versuchsanstalt an den Bund.

Zwischen dem schweizerischen Bundesrat einerseits und dem Stiftungsrat der Handelshochschule St. Gallen anderseits ist unter Vorbehalt der Ratifikation durch die zustandigen Instanzen folgender Vertrag abgeschlossen worden :

Art. 1.

Die Handelshochschule tritt die Schweizerische Versuchsanstalt (in der Folge mit S. V. A. bezeichnet) an die Eidgenossenschaft zu Eigentum ab.

1

2

Der Bund übernimmt die S. V. A. als eine der Hauptabteilungen der ausder Vereinigung der S. V. A. mit der Eidgenossischen Matenalprüfungsanstalt an der Eidgenossischen Technischen Hochschule in Zürich zu errichtenden Eidgenössischen Materialprüfungs- und Versuchsanstalt für Industrie, Bauwesen und Gewerbe.

3 Die technische und volkswirtschaftliche Bedeutung der Hauptabteilung St. Gallen soll im Eahmen der Gesamtanstalt unter Wahrung der Forderungen einer ökonomisch und technisch rationellen Betriebsorganisation stets mindestens der Bedeutung der S. V. A. unmittelbar vor ihrer Vereinigung entsprechen.

4

Die abzutretenden Aktiven der S. V. A. bestehen aus:

a. Fahrhabe, Inventarwert 15. Juli 1935: Maschinen, Apparate, Mobilien, Glas Chemikalien Bibliothek ] Bureaumaterial (Anschaffungswert Fr. 163,000) (Versicherungswert Fr. 150.000)

Fr.

73,882.-- 1,380.-- 15,680.-- 4,413.--- :

Fr.

OK , 95,355.--

Übertrag

95,355.--

362 Fr.

b. Wertschriften, Wert 15. Juli 1935: nominell Fr. 184,000 3i/2% Obligationen SBB, Serie AK zu 88.40 » » 10,000 4 % Obligationen Kanton Genf 1931 zu 77.75 » » 40,000 33/4% Obligationen politische Gemeinde St. Gallen 1933 zu 91 » » 20,000 3%% Obligationen Kanton St. Gallen 1933 zu 90 » » 10,000 4 % Kassenscheine der Stadt St. Gallen 1935/38, nicht kotiert » » 10,000 4 % ObligationenErsparnisanstalt des Kaufmännischen Direktoriums St. Gallen 1933, nicht kotiert . , nominell Fr. 274,000 C. Barwerte : 1. Bargeld, Stand vom 15. Juli 1935.

2. Postcheckguthaben, Stand vom 15. Juli 1935 . . . .

8. Kontokorrent mit dem Kaufmännischen Direktorium St. Gallen, Guthabensaldo 15. Juli 1935 4. Einlageguthaben beim Kaufmännischen Direktorium St. Gallen (Kassabuch) Saldo 15. Juli 1935 Summe der Aktiven, Wert 15. Juli 1935

Übertrag

Fr.

95,355.--

162,656.-- 7,775.-- 36,400.-- 18,000.-- 10,000.--

10,000.-

244,831.--

221.60 1,588.39 1,531.90 10,234.--

13 575 89

353,761.89

6

Die Aktiven b und c 4 stellen die bisherigen Fonds der 8. V. A. (Beservefonds und Fischbacherfonds) dar. Der Bundesrat errichtet mit dem die Kosten der Herrichtung des Beichenbachschen Geschäftshauses für die Zwecke der Hauptabteilung St. Gallen übersteigenden Betrag des Beservefonds einen Spezialfonds, der neben dem Fischbacherfonds zur Bestreitung ausserordentlicher Bedürfnisse der Hauptabteilung St. Gallen dient.

6

Verfügungen der Organe der S. V. A. nach dem 1. September 1935, die eine Verminderung der vorstehenden Aktiven a und b bedingen, bedürfen der Genehmigung des eidgenössischen Finanz- und Zolldepartementes.

Art. 2.

Der Bund und der Stiftungsrat setzen die Bedingungen fest, unter denen das an der S. V. A. beschäftigte Personal, soweit es von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Versuchsanstalt benötigt wird, in den Bundesdienst übertritt. Die Ausgestaltung des Anstellungsverhältnisses für das in den Bundesdienst übertretende Personal richtet sich nach dem Beamtengesetz von 1927 und der Angestelltenordnung von 1928 sowie der seitherigen personalrechtlichen Erlasse. Für den Eintritt in die Versicherungskasse für die eidgenös-

363

sisohen Beamten, Angestellten und Arbeiter sind die Bestimmungen der Statuten von 1920 massgebend.

Art. 3.

Die Abtretung der S. V. A. an den Bund erfolgt auf 1. Januar 1936.

Bern, den 3. September 1935.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Der Bundeskanzler-

R. Minger.

G. Boret.

St. Gallen, den 13. September 1935.

Im Namen des Stiftungsrates der Handelshochschule St. Gallen, Der P r ä s i d e n t : Naegeli.

Der Aktuar:

Oettli.

364 Beilage 2

"Vertrag zwischen

der Eidgenossenschaft einerseits und dem Kanton und der Stadt St. Gallen anderseits über die Leistungen von Stadt und Kanton St. Gallen an den Bund anlässlich des Überganges der Schweizerischen Versuchsanstalt aus dem Eigentum der Handelshochschule St. Gallen an den Bund.

Zwischen dem schweizerischen Bundesrat, dem Begierungsrat des Kantons St. Gallen und dem Stadtrat von St. Gallen ist unter Vorbehalt der Eatifikation durch die zuständigen Instanzen folgender Vertrag abgeschlossen worden: Art. 1.

In Kenntnis des Vertrages zwischen der Eidgenossenschaft und der Stiftung Handelshochschule St. Gallen über die Übergabe der Schweizerischen Versuchsanstalt (in der Folge mit S.V. A. bezeichnet) an den Bund, vom 3. September 1935, verpflichten sich Stadt und Kanton St. Gallen, dem Bund sofort nach Genehmigung dieses Vertrages unentgeltlich zu ausschliesslichem Eigentum zur Verfügung zu stellen: Nordtrakt des Geschäftshauses Eeichenbach, Liegenschaft, Umgelände usw., Servituten.

Art. 2.

Der Bund organisiert und betreibt die Hauptabteilung St. Gallen der aus der Vereinigung der S. V. A. mit der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt an der E. T. H. in Zürich entstandenen «Eidgenössischen Materialprufungsund Versuchsanstalt für Industrie, Bauwesen und Gewerbe» (in der Folge mit E. M. P. V. A. bezeichnet) in dem ihm nach Art. l überlassenen Gebäude unter Beobachtung der Forderungen einer ökonomisch und technisch rationellen Betriebsorganisation.

Art. 3.

Der Umbau und die Herrichtung des Gebäudes für die Zwecke der E. M. P. V. A. erfolgt durch den Bund.

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Art. 4.

Die Stadt St. Gallen leistet dem Bund an die aus Art. 8 entstehenden Kosten einen einmaligen Beitrag von Fr. 100.000, zahlbar in zwei Baten von je Fr. 50,000, die erste Bäte fällig am 1. Januar 1936, die zweite Bäte fällig am 1. Januar 1937.

Art. 5.

Im Verlaufe der nächsten 25 Jahre von der Hauptabteilung St. Gallen benötigte weitere Bäumlichkeiten, für die in dem ihr gemass Art. l uberlassenen Gebäudeteil kern Platz vorhanden ist, sind von der Stadt St. Gallen auf deren eigene Kosten dem Bund, zu dessen Lasten die Einrichtungskosten fallen, zur Verfugung zu stellen. Vom 1. Januar 1961 an ist die Beschaffung weiterer Bäumlichkeiten ansschliesslich Sache des Bundes.

Bern, den 3. September 1935.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident : Der Bundeskanzler :

R. Minger.

G. Bovet.

St. Gallen, den 12. September 1935.

_ Im Namen des Begierungsrates, Der Landammann: Der Staatsschreiber: > Ruckstuhl.

Dr. H. Gmür.

St. Gallen, den 12. September 1935.

Im Namen des Stadtrates, Der Stadtammann : Der Batsschreiber :

Naegeli.

Emil Naef.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Übernahme der Schweizerischen Versuchsanstalt St. Gallen durch den Bund. (Vom 3. September 1935.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1935

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

38

Cahier Numero Geschäftsnummer

3295

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

18.09.1935

Date Data Seite

351-365

Page Pagina Ref. No

10 032 754

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