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Bundesversammlung.

Die gesetzgebenden Eate sind am 25. März 1935, um 18 Uhr. zur 16. Tagung der 29. Legislaturperiode zusammengetreten.

Im N a t i o n a l r a t e eröffnete der Präsident, Herr Hermann S c h ü p b a c h , die Tagung mit folgender Ansprache: Der Tod hat seit der letzten Session in unseren Eeihen reiche Ernte gehalten. Nicht weniger als fünf Mitglieder der eidgenössischen Bäte kehren nicht zu uns zurück: unsere Kollegen de Muralt und Ruh. und die Ständeräte Huonder, Savoy und Sigrist. Lassen Sie mich mit einigen Worten der lieben Verstorbenen gedenken.

Jean de Murait f.

Jean de Muralt, Burger von Zürich und Châtelard, wurde am 1. September 1862 in Petersburg geboren, wo sein Vater Bibliothekar an der kaiserlichen Bibliothek war. Schon im Knabenalter kam er in das Waadtland, das er bis zu seinem Tode nicht mehr verliess. Nach Abschluss der juristischen Studien liess sich Jean de Muralt in Montreux als praktizierender Advokat nieder.

Mit Ernst, mit Geist und mit Treue hat er sich wahrend der vielen Jahre, da er seinen Beruf ausübte, der ihm. anvertrauten Interessen angenommen. Schon in jungen Jahren führte ihn sein Verantwortungsgefühl in den Dienst der Allgemeinheit. In den Gemeinderäten von Planches und Châtelard fand er reiche Gelegenheit, für seine engere Heimat zu wirken. Mit aller Hingebung bearbeitete er die für die Ufer des Genfersees so ungemein wichtigen Fragen des Fremdenverkehrs und der Touristik, wobei ihm seine journalistische Befähigung sehr zustatten kam. Während 24 Jahren, von 1901 bis 1925, vertrat er als Mitglied der liberalen Partei den Wahlkreis Montreux im Grossen Eate, dessen trefflicher Präsident er im Jahre 1920 wurde, ^7on kompetenter Seite ist ihm über seine Tätigkeit im Waadtländer Grossen Eate folgendes Zeugnis ausgestellt worden: «Tous nous avons apprécié et nous apprécions tous les jours la maturité de son jugement, la largeur de ses vues, son éloquence sûre et convaincante et, avant tout, son patriotisme éclairé, qui lui ont assuré, dans cette salle, la place de premier ordre qu'il occupe avec tant de distinction.» Was hier über den Waadtländer Grossrat gesagt wurde, das gilt in unvermindertem Masse auch für den Nationalrat Jean de Muralt. Während 9 Jahren sass er in unserer Mitte, allen Fragen, die den Eat beschäftigten, in Pflichttreue seine Aufmerksamkeit schenkend. Vorab interessierten ihn Probleme juristischer und finanzieller Art sowie die Bedurfnisse der Fremdenindustrie.

Geistreich und scharf entwickelte er seine reichen Erfahrungen vor dem Eate.

«uaviter in modo', fortiter in re. Auch als ihn ein schweres Leiden befiel, hat er noch einmal alle seine Kraft zusammengenommen, um die Pflichten seines Amtes bis zuletzt gewissenhaft zu erfüllen.

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Jakob Buh tAm 17. Februar folgte Herrn de Murait unser lieber Kollege Jakob Kuh; er starb 60 Jahre alt in seiner Heimatgemeinde Buch, der er während 40 Jahren ausgezeichnete Dienste geleistet hat. Vorerst als Gehilfe seines angesehenen.

Vaters, des Gemeindeschreibers und Zhilstandsbeamten, seit 1919 selber in diesen Ämtern die Tradition der «Buchener Schreiberfamilie», wie sie im Volke mit Ehrfurcht genannt wurde, fortsetzend. Seine erste landwirtschaftliche Ausbildung fand er an der Jahresschule im Strickhof. Durch Besuch von Kursen und namentlich durch Selbststudium hat er sich rasch weiter gebildet, so dass er in kurzer Zeit ein sachverständiger Belehrer und Berater des bäuerlichen Nachwuchses wurde. Auch als seine beruflichen und öffentlichen Pflichten ihm wenig freie Zeit Hessen, soll er sich in diesen wenigen freien Stunden geradezu leidenschaftlich mit Pflug und Sense beschäftigt haben. Er war sich bewusst, wieviel er seiner engen Verbundenheit mit der Scholle verdankte ; das auch äusserlich in Erscheinung treten zu lassen, war ihm ein Herzensbedürfnis. Auch auf anderem Gebiete hat er bewiesen, dass er immer als der erscheinen wollte, der er wirklich war. So las ich in einem von Freundeshand geschriebenen Nachrufe, dass Jakob Euh trotz starker anderer Inanspruchnahme dem Kirchenrate deshalb treu blieb, weil er dies als ein bewusstes Bekenntnis zur christlichen Kirche ansah. Tief religiös, hat er sich überall, wo es nötig war, als Christ bekannt. Die Offenheit und Geradheit seines Charakters kamen ihm in seinem öffentlichen Wirken sehr zustatten. Gerade diese Eigenschaften brachten ihm das grosse Zutrauen seiner Mitbürger, die ihn zum Gemeindepräsidenten, zum Bezirksrichter, zum Mitgliede des Kantonsgerichts, zum Kantonsrat, zum Kantonsratspräsidenten, zum Eegierungsrate und zum Nationalrate wählten. In allen diesen Ämtern zeichnete ihn eine auffallende Selbständigkeit aus, die sich, wenn er sich in einer Frage zu einem Entschlüsse durchgearbeitet und durchgerungen hatte, bis zu einem gesunden Eigensinne steigern konnte. Dem Nationalrate gehörte Jakob Euh von 1921 bis 1924 und wieder von 1932 hinweg an; in der Zwischenzeit musste er wegen der Zugehörigkeit zum Schaffhauser Eegierungsrate auf das Nationalratsmandat verzichten. Treues Mitglied der Bauernpartei, war Jakob Euh doch kein einseitiger
Parteimann ; niemals hat er die Bedürfnisse der Allgemeinheit aus den Augen verloren.

Joseï Huonder f.

Dem Bündner Eegierungspräsidenten und Ständerate Josef Huonder hat ein gütiges Geschick den Tod in den Sielen beschieden. Mit seinen Kollegen vom Eegierungsrate auf einer Inspektion begriffen, hat im Engadin in sonnigster Winterlandschaft und im Glänze der von ihm so sehr geliebten Berge seiner Heimat ein Schlaganfall seinem Leben ein Ende gesetzt. Geboren am 9. September 1878 im Somvix, führte ihn nach Absolvierung der Schulen eine innere Neigung dem Forstfache zu. Nach der akademischen Försterprüfung

665 erfolgte seine Wahl zuìn Kantonsoberförster von Appenzell-Innerrhoden.

Trotzdem er in diesem Wirkungskreise volle Befriedigung fand, zog es ihn mit aller Macht nach seiner Heimat, besonders nach dem Bündner Oberlande zurück.

Mit Freuden folgte er deshalb einem Bufe an die Stelle eines Försters des Kreises Disentis mit Sitz in Truns. Während 17 Jahren hat er dort gewirkt. Von seiner Energie und seiner Arbeitskraft legen eine ganze Reihe von Aufforstungen^ Verbauungen und Waldwegen Zeugnis ab. Ausserberuflich widmete er sich den Prägen des Verkehrs. Er wurde der Gründer und erste Präsident des Bündner Oberländischen Verkehrsvereins. Im Jahre 1926 berief ihn das Bündner Volk auf Vorschlag der katholisch-konservativen Partei in den Begierungsrat, wo er an der Spitze des'Bau- und Forstdepartements eine segensreiche Tätigkeit im Kampfe gegen die Elemente entfaltete. Im Februar 1980 zum Mitgliede des Ständerates gewählt, nahm er auch an den Arbeiten des Bundesparlamentes lebhaften Anteil. Seine Vorliebe galt vor allem technischen Fragen, die er mit gesundem Urteil, reicher Erfahrung und aller Gründlichkeit behandelte. In seinem Verantwortungsgefühl mutete er sich leider zuviel zu. Auch als sich Anzeichen einer schweren Gesundheitsstörung geltend machten, blieb er auf seinem Posten. Mit Becht ist deshalb bei seinem Tode hervorgehoben worden,, dass er als Opfer der Pflicht und Arbeit im Dienste seiner Heimat gestorben sei.

Emile Savoy 7.

Eine Persönlichkeit von besonderer Prägung -war der Freiburger Staatsrat und Ständerat Emile Savoy, der am 26. Januar im Alter von 57 Jahren gestorben ist. Nach gründlichen juristischen Studien, die er mit dem Doktorexamen abschloss, stellte er sich sofort in den Dienst der Öffentlichkeit. Zuerst kantonaler Lehrlingsinspektor, dann nacheinander Oberamtmann des Glanebezirkes und von Bomont, wurde der erst 36jährige in die Begierung seines Heimatkantons gewählt, welcher Behörde er bis zu seinem Tode angehörte, in den letzten 19 Jahren als Direktor des Innern, der Landwirtschaft, des Handels, der Industrie und des Lehrlingwesens. Seit dem Herbst 1920 gehörte er als Vertreter der katholisch-konservativen Partei auch dem Ständerate an,, der ihn im Jahre 1927 durch die Wahl zu seinem Präsidenten ehrte. Wenn wir feststellen wollen, welche Probleme Emile Savoy am meisten beschäftigten, so dürfen wir nur einen Blick auf die Publikationen werfen, die seiner Feder entstammen. Ich nenne folgende Werke: «Leo XIII. und seine Lehre»; «Die Sonntagsruhe»; «Der Arbeiter des Bassin d'Herbeumont»; «Das Wahlverfahren in Belgien»; «Arbeitskonflikte und der Kollektivvertrag»; «Die Berufslehre in der Schweiz»; «Die Strafreform im Kt. Freiburg»; «Freiburgische Agrarpolitik»; «Armut und Armenfürsorge». Das grösste seiner Werke blieb leider unvollendet, eine Geschichte der Landwirtschaft von ihren Anfängen bis in die gegenwärtige Zeit. Ein umfangreicher Band dieses Monumentalwerkes ist erschienen, der zweite ist druckfertig, und 6 weitere Bände sollten folgen.

686 Was sagen uns seine Werke ? Dass landwirtschaftliche, mittelständische und soziale Fragen ihm besonders am Herzen lagen. Als eifriger Förderer des landwirtschaftlichen Unterrichts gründete er die landwirtschaftliche Schule in Grangeneuve; dem Gewerbe brachte er gewerbliche Fortbildungsschulen.

An den internationalen Mittelstandkongresseii von Bern und Interlaken präsidierte er die landwirtschaftliche Kommission. Von seinem sozialen Fühlen zeugten eine Eeformierung des Strafvollzugs, eine Modernisierung des Lehrlingswesens und die Neuordnung der Armenfürsorge. Wo immer ihm eine Neuerung als im Interesse von Land und Volk, und speziell des kleinen Mannes erschien, hat er seine ganze Tatkraft an ihre Verwirklichung gesetzt. Loyalität und Wohlwollen haben ihn sein ganzes Leben lang ausgezeichnet und ihm bei allen, die mit ihm in Berührung kamen, Hochachtung und Sympathie gesichert.

Jakob Sigrist |.

Gestern traf noch die Trauerbotschaft vom unerwarteten Hinscheiden des Eegierungsrats und Ständerats Jakob Sigrist ein, der in seinem Heimatkanton Luzern wie im Ständerate eine gleich bedeutende Eolle gespielt hat, Um sich zu entlasten, hat er vor kurzer Zeit seine Demission als Eegierungsïat eingereicht. Dem nie Rastenden war es aber nicht vergönnt, einen Lebensabend in Buhe zu gemessen. Im Alter von 65 Jahren ist er einer Herzschwäche erlegen.

Von väterlicher Seite her zu einem Diener des Volkes prädestiniert, hat Jakob Sigrist nur während kurzer Zeit den freien Beruf des Advokaten ausgeübt. Die ihm im Alter von 31 Jahren anvertraute Stelle eines Oberrichters vertauschte er bald mit dem Amte des Statthalters von Hochdorf. 4 Jahre später, im Jahre 1908, wählte ihn das Luzerner Volk an Stelle von Bundesrat Schobinger in den Eegierungsrat, wo ihm das Justizdepartement zufiel. In diesem Amte gelang es ihm, ein Werk zu vollbringen, das nur mit seltener Zuversicht, mit Mut und Zähigkeit zu erreichen war: die Eevision des luzernischen Gerichtswesens. Allen Warnungen, auch aus Kreisen der eigenen Partei, dass das Volk den geplanten Eingriff in alte liebe Gewohnheiten abweisen werde, zum Trotze, setzte er die im Interesse einer einfachen und raschen Justiz liegende Neuerung durch. Vom Jahre 1920 hinweg betreute Begierungsrat Sigrist das Erziehungsdepartement.

Seit dem Jahre 1920 gehörte Jakob Sigrist dem Ständerate an. Was er dort als Mitglied und als Vorsitzender geleistet hat, steht in unser aller Erinnerung. Er sass in allen wichtigen Kommissionen und hat dort und im Eate mit seinem weisen Urteil dem Lande treffliche Dienste geleistet. Unerschrocken, gerecht und konziliant hat er die Pflichten seines Amtes erfüllt. Überzeugter und geradliniger Vertreter der katholisch-konservativen Partei, hat er der Auffassung anderer politischer Eichtungen dasjenige Verständnis entgegengebracht,

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das allein eine Zusammenarbeit zum Wolile von Land und Volk zu sichern vermag.

Wir werden die fünf verstorbenen Kollegen in bestem Andenken behalten.

Ich bitte Sie, sich zu ihren Ehren von Ihren Sitzen zu erheben.

Die im Standerat vom Präsidenten, Herrn E. Béguin, gehaltenen Nachrufe sind in der französischen Ausgabe des Bundesblattes. 1935. Bd. I, S. 664 u. ff., erschienen.

In den N a t i o n a l r a t sind neu eingetreten die Herren: Charles F a v r o d - C o u n e , Notar, von und in Château-d'Oex, an Stelle des verstorbenen Herrn J. de Muralt; Paul S c h m i d - A m m a n n , Redaktor, von Zürich, in Schaff hausen, an Stelle des verstorbenen Herrn J. Ruh.

In den S t ä n d e r a t sind neu eingetreten die Herren: Alphons Ite n, Dr. jur., Staatsanwalt, von Unterägeri, in Zug, an Stelle des zurückgetretenen Herrn J. Hildebrand ; Joseph P i 11 er, Dr. jur., Staatsrat, von Bonnefontaine, in Freiburg, an Stelle des verstorbenen Herrn E. Savoy.

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Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

(Vom 28. März 1935.)

Laut einer Mitteilung der schweizerischen Gesandtschaft in Paris ist dem am 17. Dezember 1934 zum schweizerischen Konsul in Dakar ernannten Herrn Eudolf Sahli, von Wohlen (Bern), das Exequatiir erteilt worden.

Herr Getulio Vargas hat dem Bundesrat seine Wahl als Präsident der Bepublik der Vereinigten Staaten von Brasilien angezeigt.

(Vom 29. März 1935.)

Es werden folgende Bundesbeiträge bewilligt: 1. Dem Kanton Zürich a. an die zu Fr. 161,000 veranschlagten Kosten der Durchführung von Butschverbauungs-, Sicherungs- und Wiederherstellungsarbeiten in der Gemeinde Fischenthal, BezirkHinwil, 25%, im Maximum Fr. 40,250;

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

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1935

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14

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03.04.1935

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663-667

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