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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über eine Hilfe des Bundes an den Kanton ÎSTeuenburg und seine Kantonalbank.

(Vom 13. September 1935.)

'

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Die Regierung des Kantons Neuenburg hat dem Bundesrat seit dem Mai 1932 verschiedene Hilfebegehren zukommen lassen, zu denen sich schliesslich noch die Notwendigkeit einer Eeorganisation der Neuenburger Kantonalbank unter Mithilfe des Bundes gesellt hat. Diese Notlage ist nicht nur auf die allgemeine Wirtschaftskrisis, sondern vor allem auch auf die wirtschaftliche Eigenart dieses Kantons zurückzuführen. Im nachfolgenden sollen darum zuerst die Besonderheiten der neuenburgisclien Wirtschaft dargestellt werden, um dann ihre Ruckwirkungen auf den Haushalt des Kantons und der Gemeinden sowie auch auf die Neuenburger Kantonalbank zu würdigen.

I. Die Schwierigkeiten im Finanzhaushalt des Kantons und einzelner Gemeinden.

1. Die wirtschaftliche Eigenart des Kantons Neuenburg.

Der Kanton Neuenburg unterliegt im letzten Vierteljahrhundert einem wirtschaftlichen Schrumpfungsprozess, der nicht ohne Einfluss auf die Entwicklung der Wohnbevölkerung geblieben ist. Es belief sich: 1910

,

die Wohnbevölkerung des Kantons Neuenburg auf 133,061 die Wohnbevölkerung der ganzen Schweiz auf. . 3,753,293

1920

1930

1934

131,349

124,324

119.000

3,880,320

4,066,400

4,153.000

Während in diesem Zeitraum die Wohnbevölkerung der ganzen Schweiz um 10 % zugenommen hat, ist diejenige des Kantons Neuenburg um den gleichen

326 Prozentsatz zurückgegangen. Diese Erscheinung steht im Zusammenhang mit der allgemein festzustellenden Entvölkerung der Gebirgsgegenden. Der Kanton Neuenburg zerfällt in den schmalen Osthang des Jura, «le vignoble», wo die ·wirtschaftliche Lage weitgehend durch das Ergebnis der Weinernte bedingt ist und wo die wenigen vorkommenden Industrieunternehmungen, wie z. B.

die Schokoladefabrikation, gegenwärtig sehr darniederliegen; «les vallées» mit einer landwirtschaftlichen Bebauung, die in Anbetracht der geologischen Eigenart nicht sehr ertragreich sein kann, und schliesslich «les montagnes», wo bei einer Höhenlage von 900--1000 Meter kaum eine andere Erwerbsquelle als der Gewerbefleiss in Frage kommt. Die Uhrenindustrie ermöglicht es, dass sich in diesen höchstgelegenen Gebieten fast die Hälfte der Kantonsbevölkerung aufhalten kann. Für den ganzen Kanton ergibt sich daraus, dass von 1000 Erwerbstätigen nur 115 in der Urproduktion (Landwirtschaft) tätig sind. Dieser Anteil ist nur noch in den typischen Städtekantonen kleiner.

561 Erwerbstätige leben von Industrie und Handwerk, worin eine Industrialisierung zum Ausdruck kommt, die bloss von vier andern Kantonen übertroffen wird.

Die Uhrenindustrie, die nur etwa 5 % aller Erwerbstätigen in der Schweiz beschäftigt, konzentriert sich im neuenburgischen Kantonsgebiet dergestalt, dass dort rund 25 % aller Erwerbstätigen unmittelbar davon leben. In einzelnen Gemeinden steigt dieser Prozentsatz auf das Dreifache und noch höher.

Der Kanton Bern weist in seinem jurassischen Teil ebenfalls eine sehr stark entwickelte Uhrenindustrie auf; sie ernährt hier absolut betrachtet sogar noch mehr Personen als im Kanton Neuenburg. Allein, Bern hat im übrigen einen viel mannigfacheren Wirtschaftscharakter, so dass sich im ganzen Kanton nur 7 % aller Erwerbstätigen in unmittelbarer Abhängigkeit von der Uhrenindustrie befinden. Neuenburg steht hinsichtlich des Masses der einseitigen Wirtschaftsorientierung ziemlich einzigartig da. Nur im Kanton Appenzell I.-Eh. ist die Einseitigkeit noch etwas zugespitzter, arbeiten hier doch sogar 31 % der Erwerbstätigen in der Stickerei. Für den Haushalt des Kantons und der Gemeinden sowie die Entwicklung der Kantonalbank Neuenburg ist in den letzten Jahren noch von besonderer Bedeutung gewesen, dass die Heimarbeit in der Uhrenindustrie
immer mehr durch die Fabrikarbeit ersetzt wurde. Während die fabrikrnässige Herstellung der Uhren im Kanton Genf schon im letzten Jahrhundert überwog, hat sich diese Entwicklung im Kanton Neuenburg erst in den letzten Jahrzehnten verschärft. Daraus ergab sich, dass im Falle schlechten Geschäftsganges eine Umstellung auf Nebenerwerbszweige nicht mehr möglich war. Wer keine Beschäftigung in der Uhrenindustrie mehr fand, fiel dem Staat und den Gemeinden anheim.

2. Wirkungen der Krise auf die Wirtschaft des Kantons.

Die Uhrenindustrie ist sehr krisenempfindlich und hat schon im letzten Jahrhundert eine sehr stark schwankende Entwicklung gezeigt. Nach dem

327 Kriege machte sich, ein scharfer Exportrückgang geltend, der im neuenburgischen Wirtschaftsgebiet sehr ernste Folgen zeitigte. Die nachstehenden Zahlen veranschaulichen den Verlauf der letzten Krisisi Zahl der exportierten Uhren

Wert der exportierten Uhren und Uhrenbestandteile Millionen Franken

1920 14,616,639 325,Si9 1921 8,403,366 169,286 1922 10,152,844 180,otó 1923 14,367,579 216,552 1924 18,951,403 273,i60 Der Euckgang war sehr scharf, aber auch die Erholung vollzog sich innerhalb weniger Jahre. Anders in der gegenwartigen Krise, wo die ruckgängige Bewegung viel anhaltender war und die Erholung nur sehr schwach ist : Zahl der exportierten Uhren

Wert der exportierten Uhren und Uhrenbestandteile Millionen Pranken

1929 23,182,544 ,307,339 1930 18,266,579 ' 233MB3 1931 13,176,556 143,642 1932 9,172,707 86,30* 1933 11,877,563 96,ois 1934 14,370,314 109,08i Der jährliche Exportwert der schweizerischen Uhrenindustrie hat seit 1896 100 Millionen Franken nie unterschritten, sank nun aber im Jahre 1932 auf 86 Millionen und hat sich seither im Hinblick auf die sehr stark gewachsene Produktionskapazität kaum merkbar erholt.

Auf dem Arbeitsmarkt wirkte sich dieser geschwundene Export wie folgt aus: Auf 1000 unselbständig Erwerbende entfielen durchschnittlich Stellensuchende : im Kanton Neuenburg

1929 1930 1931 1932 1933 1934 1. Semester 1935

8,4 27,7 49;1 80,9 97,8 96,0 96,3

in der ganzen Schweiz

5,7 9,0 16,9 38,o 47,4 45,8 57,6

Es geht daraus hervor, dass die Arbeitslosigkeit im Kanton Neuenburg 1930 und 1931 das Dreifache und seither immer gut das Doppelte des Landesdurchschnittes ausmachte. In den Monaten Mai und Juni 1935 entfielen auf

328

1000 unselbständig Erwerbende in keinem andern Kanton so viele Stellensuchende wie im Kanton Neuenburg, der damit wirklich zu den Landesteilen gehört, die von der Krise am härtesten betroffen wurden. Es liegt auf der Hand, dass diese Lage der Dinge nicht ohne sehr weitgehenden Einfluss auf Staat, Gemeinden und Kantonalbank sein konnte. Inwieweit dies der Fall gewesen ist, soll im nachfolgenden dargestellt werden.

3. Wirkungen der Krise auf die öffentlichen Finanzen.

Staat und Gemeinden von Neuenburg haben aber bereits in der Nachkriegskrisis sehr gelitten. Schon damals mussten sie erhebliche Schulden eingehen, um den Mehrausgaben zur Bekämpfung der Krisenfolgen zu begegnen. In den folgenden Jahren besserer Wirtschaftslage wurden diese Lasten nur zum kleinsten Teil abgetragen. In La Chaux-de-Fonds z. B. verschlechterte sich die Gemeindebilanz von 1914--1923 um 10 Millionen Franken, wovon bis 1929 nur 2 Millionen Franken getilgt wurden. Diese Gemeinwesen gingen somit bereits erheblich geschwächt in die gegenwärtige Krise hinein, die ihnen -- wie bereits dargelegt wurde -- neuerdings drückendere Lasten auferlegte als anderen Landesteilen.

Entsprechend der starken Verbreitung der Uhrenindustrie in den höchstgelegenen Gebieten des Kantons wurden vor allem La Chaux-de-Fonds und Le Lode betroffen. Gleichzeitig verschlechterte sich auch die finanzielle Lage des Kantons, so dass er die Gemeinden nicht entlasten konnte. Es kommt dies am besten zum Ausdruck, wenn man, von der Summe der Verwaltungsausgaben des Jahres 1930 ausgehend, die in der ordentlichen Eechnung verbuchten Ausgaben zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und ihrer Folgen ins Auge fasst:.

Verwaltungsausgaben Arbeitslosenfürsorge » » » ' »

1930 1930 1931 1932 1933 1934

La Chaux-de-Fonds

Le Lode

Fr.

Fr.

8,244,798 598,041 1,630,423 2,875,912 2,210,625 1,970,390

4,355,231 249,264 545,529 799,307 782,449 506,909

Kanton Neuenburg

Fr.

16,968,032 561,538 1,867,025 3,550,176 3,365,544 3,349,954

Zu diesen Aufwendungen, die unmittelbar durch die Arbeitslosigkeit bedingt waren, kamen hinzu die vermehrten Armenunterstützungen sowie stark anwachsende Zinsen für Kredite, die zur Deckung der Fehlbeträge aufgenommen werden mussten.

Es kam dazu, dass die Entwicklung der Einnahmen in diesem Zeitraum stark rückgängig war, was hauptsächlich darauf zurückzuführen ist, dass dassteuerbare Einkommen bedeutende Verminderungen erfuhr. Es belief sich in Prozenten des Jahres 1929 in:

329 1930 1931 1932 1933 1934

auf.

auf auf.

auf.

auf .

La Chaux-de-Fonds 99., 90., SO,, 68,0 64,1

. .

. .

. .

. .

Le Lode 99., 86 , 71,0 63,9 61.,,

Kanton Neuenburg

100,0 95,, 86, .

79, , 78,6

Wie das bei einer solchen Entwicklung zu erwarten ist, wurde der Betrag der ausstehenden Steuern immer grösser, so dass Kanton und Gemeinden auch aus diesem Grunde immer weniger Mittel zur Verfügung standen.

Das Ergebnis dieser Entwicklung war für Staat und Gemeinden das Andauern unausgeglichener Rechnungen. Die Defizite der Verwaltungsrechnung beliefen sich in: Kanton Neuenburg La Chaux-de-Fonds Le Lode auf Millionen Franken

1930 1931 1932 1933 1934 Budgïet 1935

. .

. .

.

. .

9

0,672

.

.

.

.

K

2.731 9

9 4

0

0

q

. .

Schon seit mehreren Jahren werden die Ausgaben dieser Gemeinden und des Kantons Neuenburg kaum zu drei Vierteln durch Einnahmen gedeckt, und ihre Vermögenslage wird zusehends schlechter.

4. Kredithilfe des Bundes.

Wenn sich La Chaux-de-Fonds und Le Locle in dieser Zeit nicht aus eigenen Kräften zu helfen vermochten, so kann das unter den geschilderten Verhältnissen kaum überraschen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass in erster Linie der Kanton berufen gewesen wäre, sich dieser beiden notleidenden Gemeinden anzunehmen. Die sich im Verlaufe der historischen Entwicklung herausgebildete Kompetenzaufteilung lässt in der Schweiz den unzweideutigen Schluss zu, dass die Überwachung der Gemeinden und die Hilfeleistung an sie ausschliesslich Sache der Kantone und nicht des Bundes ist. Der Bundesrat hat auf diesen Sachverhalt schon anlasslich der Behandlung einer Eingabe verschiedener Städte, vom 26. Juni 1920, hingewiesen, als von ihm ohne Erfolg die Vermittlung von Krediten für 250 Millionen Franken verlangt wurde.

Es ist dem Kanton Neuenburg damals gelungen, die Kreditschwierigkeiten seiner Gemeinden zu beheben, indem er um die Jahreswende 1921/22 ein Anleihen zur Konsolidation schwebender Gemeindeschulden auflegte, das allerdings nur ungenügend gezeichnet wurde.

:330

Auch in der gegenwärtigen Krisis sind die neuenburgischen Gemeinden vom Bund wiederholt an ihren Kanton verwiesen worden. Allein, es hat sich gezeigt, dass es diesem auch nicht möglich war, die Mittel bereitzustellen, die für eine Bemeisterung der Lage nötig waren, so dass der Bund einspringen musste. Wie noch zu zeigen sein wird, tat er dies jedoch immer nur dann, wenn einwandfrei feststand, dass die vorliegenden Schwierigkeiten nicht ohne seine Hilfe überwunden werden konnten. Was die Form des Einschreitens anbelangt, so hat man sich -- wie das in einem Bundesstaat naheliegend ist -- nur an den Kanton gehalten und überliess ihm die Darlehen zuhanden der Gemeinden.

Im Jahre 1932 legte der Kanton Neuenburg wieder ein Anleihen jzur Konversion desjenigen auf, das zehn Jahre früher zugunsten der notleidenden Gemeinden aufgenommen worden war. Der Zeichnungserfolg war wieder ungünstig. Davon erhielt La Chaux-de-Fonds 7,2 und Le Locle 3,5 Millionen , Franken zugewiesen. Wenige Monate darauf fehlte es den beiden Gemeinden neuerdings an Bargeld. Da kein anderer Ausweg mehr offenzustehen schien, verlangten sie am 19. April vom Staatsrat, dass er für sie beim Bund ein unverzinsliches Darlehen nachsuche. Mit Schreiben vom 31. Mai 1932 reichte der Staatsrat ein entsprechendes Begehren bei den Bundesbehörden ein, indem er sich ausserstande erklärte, zugunsten der Gemeinden, deren Hilfsbedürftigkeit er voll und ganz anerkannte, selbst etwas vorzukehren. Das Volkswirtschaftsdepartement behandelte die Angelegenheit im Zusammenhang mit den bedeutenden Krisenlasten, die Neuenburg und seinen Gemeinden zugefallen waren, und kam ebenfalls zum Schlüsse, dass ein Entgegenkommen ·des Bundes, im Hinblick auf die besonders gearteten Verhältnisse, zu befürworten sei.

Es fragte sich nur noch, in welcher Form dies geschehen konnte. Die Finanz·delegation der eidgenössischen Bäte hatte sich in ihrem Bericht vorn 10. November 1931 gegen die Gewährung von Darlehen zu herabgesetztem Zinsfuss ausgesprochen, weil sie eine verkappte Form von Subvention bilden und ausserdem mit dem Anlagegesetz in Widerspruch stehen. Anderseits wurde am 15. Juni 1932 im Nationalrat das Postulat Graber angenommen, das den Bundesrat allgemein einladen will, Gemeinden, die infolge der Krisis und Arbeitslosigkeit in eine Notlage geraten sind, zu helfen,
und zwar, wie der Postulant mündlich ausführte, namentlich durch die Gewährung von Darlehen zu ermässigtem Zinsfuss. Es wurden in der Folge verschiedene Formen zur Gewährung eines solchen Darlehens erwogen. Inzwischen griff der Kanton HSTeuenburg zu einem Mittel, das von den öffentlichen Körperschaften unseres Landes seit Jahrzehnten nicht mehr angewendet worden war, nämlich zur Auflage eines Prämienanleihens. Das Ergebnis war sehr unbefriedigend. Es zeigte sich damit, dass selbst der Kanton höchstens noch zu Konversionszwecken ein gewisses Interesse auf dem Anleihensmarkte fand. Die Kantonalbank führte in ihrem Jahresbericht 1934 noch für 2 Millionen Franken Titel dieser Anleihe unter ihrem eigenen Portefeuillebestand auf.

331 Am 19. Dezember beschloss der Bundesrat, dem Kanton Neuenburg zuhanden der Gemeinden ein Darlehen von 8 Millionen Franken zu einem .Zins von 2% auf die Dauer von 12 Monaten zu gewähren.

Im Januar 1933 legte La Chaux-de-Fonds ein Konversionsanleihen von nur 3 Millionen Franken auf, das mit einer Nettorendite von 4,51% ausgestattet war, aber trotzdem nur schlecht gezeichnet wurde. Es ist sehr bezeichnend, dass die Stadt Biel im Monat darauf noch 10 Millionen Franken neue Gelder mit einer Nettorendite von 4,18% aufnehmen konnte. Schon am 1. Dezember 1933 gelangte der Staatsrat mit einem neuen Hilfebegehren an den Bund. La Chaux-de-Fonds war gegenüber der Kantonalbank wieder mit 2,9 und Le Lode mit l.ä Millionen Franken verschuldet. Es wurde eine Verlängerung des Bundeskredites vom 19. Dezember 1932 auf unbestimmte Zeit verlangt, ferner die Gewährung eines neuen Darlehens, dessen Zinsfuss 1% nicht übersteigen sollte, und endlich eine Kevision der Krisenunterstützung in dem Sinne, dass der Bund alle diesbezüglichen Lasten selbst tragen würde.

Das Finanz- und Zolldepartement verwies den Kanton mit Schreiben vom 15. Januar 1934 auf den Anleihensweg und auf die Möglichkeit, eine Erhöhung der Steuern vorzunehmen. Der Staatsrat strebte hierauf mehrfach eine mündliche Unterredung an, die am 12. März stattfand und ergab, dass man hinsichtlich des neu zu gewährenden Darlehens mit 15 Millionen Franken rechnete und daneben eine Übernahme der jährlich wiederkehrenden Krisenlasten von La Chaux-de-Fonds und Le Locle durch den Bund für notwendig hielt.

Durch Bundesratsbeschluss vom 4. April 1934 wurde dem ersten der Begehren vom Dezember 1933 in dem Sinne entsprochen, dass eine Verlängerung des Darlehens vom Dezember 1932 bis Ende März 1935 gewahrt wurde. Die endgültige Eegelung dieses Vorschusses sollte im Zusammenhang mit den übrigen zur Diskussion gestellten Begehren erfolgen.

Am 15. Mai 1934 teilte der Staatsrat dem Bundesrat mit, dass er zur Konsolidierung eigener schwebender Schulden in der Höhe von 16 Millionen Franken mit den Banken in Verhandlungen stehe, aber noch zu keinem festen Ergebnis gekommen sei. Die Einnahmen des Kantons Neuenburg aus direkten Steuern, inbegriffen die Krisensteuer, beliefen sich 1933 auf 5,2 Millionen Franken bei einem Bechnungsdefizit von 5,5 Millionen Franken. Da kein
anderer Kanton so ungünstige Verhältnisse aufwies, war es verständlich, dass sich für das bevorstehende Anleihen keine günstigen Aussichten eröffneten. Das Finanz- und Zolldepartement legte dem Kanton trotzdem nahe, auch noch dem Kreditbedarf der Gemeinden Eechnung zu tragen und den Anleihensbetrag zu erhöhen. Es hat sich dies aber nicht ermöglichen lassen, und es ist auch der für den Kanton selbst erforderliche Betrag nur sehr knapp gezeichnet worden. Die finanzielle Lage der Gemeinden verschlechterte sich in der Folge sehr rasch unter beständigem Anwachsen der Schulden an die Kantonalbank.

In seiner Sitzung vom 9. April 1935 beriet der Bundesrat über die wiederholten Begehren des Kantons Neuenburg betreffend Erhöhung der Bundes-

332 beitrage an die Ausgaben zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Da dem Kanton schon bisher die höchstzulässigen Satze vergütet worden waren und zu befürchten stand, dass eine Gesetzesrevision zur Ermöglichung eines weiteren Entgegenkommens unerwünschte Auswirkungen zeitigen könnte, wurde beschlossen, dem Ansuchen nicht zu entsprechen. Am 12. April machte La Chaux-de-Eonds den Bundesrat telegraphisch darauf aufmerksam, dass die Gemeinde am 15. April 420,000 Franken zu zahlen habe, die noch nicht bereitstehen. Durch ein Entgegenkommen des Bundes an die Neuenburger Kantonalbank konnte die Verlegenheit behoben werden.

Es folgte am 8. Mai eine weitere konferenzielle Besprechung der Dinge, die zum Ergebnis führte, dass die Nationalbank dem Kanton zur Ablösung der Vorschüsse der Kantonalbank an die Gemeinden einen Beskriptionenkredit von 8 Millionen Franken auf drei Monate zur Verfügung stellte in der Meinung, dass der Bund bei Fälligkeit unter bestimmten Bedingungen bei der finanziellen Eeorganisation Neuenburgs durch ein entsprechendes Darlehen mitwirke. Der Bundesrat billigte dieses Vorgehen in seiner Sitzung vom 10. Mai.

Mit neuen Eingaben vom 21. und 29. Juni kam der Staatsrat auf den Bundesratsbeschluss vom 9. April zurück und wünschte dringend eine Milderung der Krisenlasten durch Erhöhung der Bundesbeiträge. Die Lage hatte sich so weit verschlechtert, dass die Gemeinden befürchteten, ihren Verpflichtungen höchstens noch bis Mitte Juli nachkommen zu können. Der Kanton musste für die bis Ende Juli zu machenden Zahlungen die gesamten Steuererträgnisse heranziehen. Ausserdem war die Lage der Kantonalbank inzwischen sehr kritisch geworden.

Uni dem Kanton Neuenburg ohne Abänderung der gesetzlichen Grundlagen entgegenkommen zu können, wurden Beiträge à fonds perdu im Umfange der erforderlichen Zuschüsse erwogen. In seiner Sitzung vom 9. Juli lehnte der Bundesrat aber ein solches Vorgehen ab. Dagegen beschloss er, dem Kanton für sich und die notleidenden Gemeinden zur Deckung laufender Zahlungsverpflichtungen ein weiteres Darlehen von 4 Millionen Franken zum Zinssatz von 2% zu gewähren. Ferner nahm er in Aussicht, der Bundesversammlung zur Behandlung in der Septembersession den Antrag zu stellen, die sämtlichen bis jetzt gewährten Darlehen im Betrage von 20 Millionen Franken, vermehrt um allfällig
notwendige weitere 4 Millionen, zu einem Darlehen mit einer Verzinsung von 2% auf die Dauer von 15 Jahren zu konsolidieren.

Er stellte jedoch zur Bedingung, dass der Staatsrat in Verbindung mit den Gemeindebehörden dem Bundesrat bis zum 1. September 1935 eine Vorlage zur Genehmigung unterbreite, wie die Haushalte des Kantons und der Gemeinden unter Einbezug einer Tilgungsquote für die Bundesdarlehen ab Ende 1935 ins Gleichgewicht gebracht werden können. In einer weiteren Bundesratssitzung vom 19. Juli wurde beschlossen, auf die Gewährung des zweiten in Aussicht genommenen Darlehens von 4 Millionen möglicherweise nach Abschluss der Sanierung der Kantonalbank zurückzukommen.

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5. Die jüngsten Massnahmen der Neuenborger Behörden zur Verbesserung der Finanzlage.

Nachdem 1930 ein neues Steuergesetz vorn Volke verworfen worden war, gelang es Neuenburg als erstem Kanton, eine Krisensteuer einzuführen. Sie wurde vom Staatsrat im Jahre 1931 beantragt und trat, vom Grossen Bat und Volke angenommen, 1932 in Wirksamkeit. Die Sätze bewegen sich zwischen 20 Eappen und Fr. l. 40 für je Fr. 1000 Vermögen und 20 Bappen und Fr. l. 50 für je Fr. 100 Einkommen. Der jährliche Ertrag beträgt rund Fr. 600,000. Im April 1932 legte der Staatsrat ein Programm über Einsparungen von Fr. 800,000 bis 900,000 im Staatshaushalt vor, das der Grosse Eat im November 1932 genehmigte. 1934 beantragte der Staatsrat die Verlängerung der ursprünglich auf drei Jahre beschränkten Geltungsdauer des Beschlusses über die Krisensteuer und unterbreitete dem Grossen Bat Vorschläge zur Verbesserung des Voranschlages um Fr. 1,750,000. Die Genehmigung dieser Anträge am 9. Februar 1935 brachte einerseits eine weitere Ausgabenverminderung, anderseits die Einführung einer kantonalen Stempelsteuer, von Zuschlägen zur Steuer auf Grundstücken ini Eigentum von juristischen Personen, einer Steuer auf dem Einkommen von Immobiliengesellschaften, ferner die Erhöhung der Erbschaftssteuersätze, des Salzpreises, der Plakatsteuer sowie aller Gebühren und Patenttaxen. Am 7. Mai 1935 legte der Staatsrat die Botschaft zu sieben Gesetzesvorschlägen vor, womit neue Einsparungen im Umfange von Fr. 425,000--450,000 auf den Staatsausgaben verwirklicht werden sollen, und kündigte weitere Massnahmen gegen die Verschuldung des Staates an.

La Chaux-de-Fonds und Le Lode hatten schon 1930 die nach den kantonalen Vorschriften höchstzulässigen Sätze für Steuern auf Vermögen und Einkommen. La Chaux-de-Fouds erhebt aber 1935 doch Steuerzuschläge und hat in diesem Jahr den Strompreis seit 1930 zum zweitenmal erhöht. In Le Lode waren die Gas- und Strompreise schon 1930 höher, als sie in La Chauxde-Fonds heute sind. Ferner wurde in beiden Gemeinden die Billettsteuer von 10 % auf 15 % erhöht.

Bei einem gesamtschweizerisohen Vergleich für den Kanton Neuenburg, seine Gemeinden und ihre industriellen Betriebe ergeben sich auch heute noch nicht maximale, sondern nur gut über dem Durchschnitt stehende Steueransätze.

Auch bei den Ausgaben und hier besonders
bei den Aufwendungen für die Arbeitslosenfürsorge besteht noch die Möglichkeit weiterer Einsparungen.

Die für andere Zwecke als für Schuldendienst und Arbeitslosenfürsorge gemachten Ausgaben, besonders die Personalkosten, wurden nach Möglichkeit eingeschränkt. Diese anderweitigen Ausgaben beliefen sich in: La Chaux-de-Fonds Le Lode Kanton Neuenburg auf Millionen Franken

1930 1931 1932 1933 1934

3,037 3,179 2,760 2,6SO 2,84,

2,m 2,172 2J1M 2,112 2,078

10,321 10,433 10.238 9mo 9,451

334

Die Einsparungen des Kantons und der Gemeinde La Chaux-de-Fonds sind bemerkenswert. Wenn sich bei Le Locle von 1980 bis 1934 kein grösserer Bückgang eingestellt hat, so ist erklärend zu erwähnen, dass die Armenlasten in diesem Zeitraum um mehr als Fr. 250,000 zugenommen haben. Wie aus einem Vergleich mit den Ausgaben für Arbeitslosenfürsorge hervorgeht, vermochten diese Einsparungen die Krisenlasten nicht aufzuwiegen.

Diese Anstrengungen waren anerkennenswert, erwiesen sich jedoch als ungenügend zur Wiederherstellung des Gleichgewichtes im Finanzhaushalt der öffentlichen Hand.

6. Die gegenwärtige Lage und die weiteren Anstrengungen der Behörden.

Am 13. März 1935 wurde eine Expertenkommission zur Begutachtung der Lage ernannt. In ihrem Gutachten vom 14. April kam die Kommission zu folgenden Schlüssen: Die Budgets des Kantons und der beiden Gemeinden für das Jahr 1935 sind nicht ausgeglichen, obschon überall bemerkenswerte Anstrengungen gemacht worden sind. Die Lage ist sehr ernst, und es ist als ausgeschlossen zu erachten, dass Kanton und Gemeinden aus eigenen Kräften zum Ausgleich gelangen können. Selbst bei einem weiteren Bundesdarlehen sind die Haushalte dieser Körperschaften nicht gegen weitere Gefahren gesichert.

Eine Prüfung des Voranschlages des Kantons Neuenburg für 1935 ergibt bei: Ausgaben von Fr. 18,262,858.18 und Einnahmen von » 13,099,335.80 einen Fehlbetrag von Fr. 5,163,522.38Nachdem das Gesetz vom 9. Februar 1935 über Massnahmen zur Verbesserung der finanziellen Lage des Staates in Kraft getreten ist, dürfte sich der Voranschlag wie folgt verbessern: Ausgaben . ' Einnahmen Fehlbetrag

Fr. 17,850,858.18, » 14,749,335.80 Fr. 3,101,522.88

Dabei muss aber berücksichtigt werden: 1. Im Voranschlag für 1935 sind die ausserordentlichen Ausgaben zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit mit Fr. 1,825,000 eingesetzt, während sie diesen Betrag in Wirklichkeit um voraussichtlich l Million Franken übersteigen werden.

2. Die Sanierung der Kantonalbank von Neuenburg erhöht die Lasten des Kantons um jährlich Fr. 1,080,000.

3. Die Verzinsung des letzten Bundesdarlehens von 4 Millionen Franken belastet den Schuldendienst um weitere Fr. 80,000 jährlich.

335, Daraus ergibt sich folgender berichtigter Voranschlag: Ausgaben Einnahmen

Fr. 18,220,858.18 » 12,959,335.80

Fehlbetrag Nach Abzug der Tilgungsquote von verbleibt eine Schuldvermehrung um

Fr.

» Fr.

5,261,522.38 1.441,365.20 3.820,157.18

Der Voranschlag der Gemeinde La Chaux-de-Fonds sieht vor: Ausgaben Einnahmen

. .'

Fehlbetrag Nach Abzug der Tilgungsquote von verbleibt eine Schuldvermehrung um

Fr.

»

9,268,167.75 7,105,969.35

Fr.

»

2,162,198.40 879,225.95

Fr. 1,282,972.45 ^~--~^^^~"~~

Der Voranschlag der Gemeinde Le Lode sieht vor : Ausgaben Einnahmen Fehlbetrag Nach Abzug der Tilgungsquote von verbleibt eine Schuldvermehrung um

Fr.

» Fr.

» Fr.

3,728,386.052,558,212.601,170,173.45 417,423.80 752,749.65

Die Behörden dieser beiden Gemeinden haben neuerdings weitere Massnahmen zur Senkung ihrer Ausgaben und zur Einnahmenv ermehrung getroffen..

Die damit allenfalls zu erzielende Verbesserung des Budgets genügt jedoch noch nicht, das Gleichgewicht wiederherzustellen.

Der Staatsrat ist fest entschlossen, alles zu tun, was in seiner Macht steht, um Herr der finanziellen Lage zu werden. Er verlangt dazu \ oni Kanton eine Höchstleistung an Opfern. Wenn es ihm nicht gelang, auf den 1. September 1935, wie es der Bundesratsbeschluss vom 9. Juli 1935 vorsah, einen Plan zur völligen Wiederherstellung des Gleichgewichtes im Finanzhaushalt des Kantons vorzulegen, so vor allem, weil es nach all den vorangegangenen Einschränkungen und Sparmassnahmen und nach der Einführung neuer Steuern immer schwieriger wird, weitere Quellen zur Entlastung des Budgets zu erschliessen.

Die Aufgaben, die sich heute stellen, verlangen grundlichste Prüfung und ausgedehnte Vorarbeiten. Fragen, wie die der Unterdrückung der Kultusausgaben des Staates, der Aufhebung der Universität oder deren Übernahme durch die Stadt Neuenburg und viele andere, können nicht von heute auf morgen gelöst werden.

33*5

II. Die Schwierigkeiten bei der Neuenbnrger Kantonalbank.

1. Der Geschäftskreis der Bank.

Die Kantonalbank von Neuenburg wurde im Jahre 1882 gegründet und mit einem Dotationskapital ausgestattet, das heute mit 40 Millionen Franken nur noch hinter demjenigen der kantonalen Kreditinstitute in Zürich und Waadt zurücksteht. Das ihr zugewiesene Tätigkeitsgebiet fiel, im Gegensatz zu demjenigen der meisten anderen Kantonalbanken, von Anfang an etwas breit aus. Im Art. l des Organisationsgesetzes wurde bestimmt, dass es die .Zweckbestimmung der neuenburgischen Kantonalbank sein sollte, «à venir ·en aide au commerce, à l'industrie et à l'agriculture du canton». Das Handelsbankgeschäft nahm dabei einen etwas grossen Umfang für eine Kantonalbank an, weil die Uhrenindustrie schon damals den hauptsächlichsten Wirtschaftszweig des Kantons bildete. Wenn dem Hypothekarkredit nicht die gleiche Bedeutung zukam wie andernorts, so war das dadurch bedingt, dass Neuenburg im Crédit Foncier Neuchâtelois bereits 1863 eine private Hypothekenbank erhalten hatte, die sich als sehr leistungsfähig erwies. Während die Kantonalbank Ende 1934 mit 40 Millionen Dotationskapital 112 Millionen Hypothekardarlehen auswies, besass der Crédit Foncier mit nur 6 Millionen Aktienkapital 56 Millionen derartiger Anlagen. Ausserdem wurde der Neuenburger Kantonalbank eine sehr aktive Eolle in der Darlehensgewährung an Kanton und Gemeinden zugedacht. Am 25. Mai 1897 sind die Gemeinden durch den «arrêté concernant les placements de fonds par les communes» verpflichtet worden, ihren Bankverkehr ganz auf die Neuenburger Kantonalbank zu konzentrieren und Vorschüsse von anderen Instituten zurückzuzahlen. Art. 15h des Bankgesetzes vom 22. April 1931 enthält folgende Vorschrift: «Elle procure à l'Etat et aux communes neuchâteloises, sous forme de prêt temporaire ou consolidé, les sommes qui leur sont nécessaires.» Es ergab sich daraus zeitweise eine ziemlich weitgehende Belastung für die Bank. Der Gemeinde La Ohaux-de-Fonds musste für sich und die industriellen Betriebe eine Kreditgrenze von 6,3 Millionen zugestanden werden, Le Locle 2,5, Neuchâtel 2.65 Millionen und der Staat beanspruchte die Bank 1934 in laufender Eechnung bis zu 7 Millionen.

2. Die Übernahme zweier schwerer Lasten.

Als 1920 die Caisse d'Epargne in Schwierigkeiten geriet, wurde
sie der ,Kanfconalbank einverleibt zu Bedingungen, die eine Immobilisierung von -.20 Millionen Franken zur Folge hatte. Bis 1930 konnten davon etwa 9 Millionen abgeschrieben werden, die inzwischen aber wieder zu mehr als der Hälfte neu aufgelaufen sind.

Das Handelsbankgeschäft hat zeitweise einen sehr beträchtlichen Umfang angenommen, wobei sich die Bank nicht nur auf das Inland beschränkte. Zeit-

337

sveise spielten auch ungedeckte Kredite, später erhebliche Überschreitungen von gedeckten Krediten eine Eolle. 1930 ergab sich die Notwendigkeit einer Beorganisation, wobei für 17 Millionen Pranken Verluste abgeschrieben werden mussten, die zum Teil auch auf Oststaaten entfielen. Statt dass man das Dotationskapital um diesen Betrag abgesehrieben hätte, wurde dieses unverändert gelassen. Die 17 Millionen wurden dem Staat belastet und weiterhin unter den Aktiven ausgewiesen. Die Bank erhielt darauf eine Verzinsung von 8%, während sie für das Dotationskapital stets mehr als 4% zahlen musste. Man hatte sich damals vorgestellt, dass es möglich sein sollte, dieses fiktive Aktivum mit 70% des Eeinertrages der Bank allmählich zu tilgen.

Die restlichen 30% des Beingewinnes sollten dem Eeservefonds zugewiesen werden. Es stellte sich aber bald heraus, dass diese Hoffnung trügerisch war.

Bei einem Dotationskapital von 40 Millionen und non-valeurs für 28 Millionen {17 Millionen Abschreibungen und 11 Millionen Saldo der Caisse d'Epargne) war die finanzielle Grundlage zu schmal geworden. Von 1930 auf 1931 sind der Bank auch noch für 30 Millionen Franken fremde Gelder entzogen worden, die nie mehr zurückgekehrt sind. In den folgenden Jahren kam noch die Krisis in der Uhrenindustrie dazu, so dass von den 17 Millionen Verlusten nichts abgeschrieben werden konnte. Auch die Eeserven konnten in den Jahren seit der Eeorganisation mit keinem Franken geäufnet werden. Die durch Dekret vom 20. Februar 1931 durchgeführte Sanierung hat der Neuenburger Kantonalbank also kein inneres Erstarken erlaubt. Die Lage hat sich im Gegenteil noch zugespitzt, und zwar aus folgenden Gründen.

Die auf Grund der Einschätzungen im Jahre 1930 vorgenommenen Abschreibungen erwiesen sich in der anhaltenden Krise als ungenügend, so dass sich die Notwendigkeit zu neuerlichen Abstrichen ergab. Die neuenburgische Bevölkerung sah sich bei der jahrelangen Erwerbslosigkeit gezwungen, «inen Teil der Ersparnisse bei der Kantonalbank abzuheben und aufzubrauchen. Staat und Gemeinden verschuldeten sich immer mehr gegenüber der Kantonalbank und konnten sich keine Kredite mehr zur Ablösung dieser Vorschüsse beschaffen. Auf Ende Juni 1935 wies das Bilanzkonto «Comptes«ourants Etat et communes» einen Saldo von 51,9 Millionen Franken auf.

34 Millionen davon
entfielen auf fiktive Aktiven (Caisse d'Epargne und Verluste von 1930/31) und 17,9 Millionen auf laufende Vorschüsse an Staat und Gemeinden. Da die Obligationen des Kantons im Kurse stark sanken, flössen auch seiner Kantonalbank keine Obligationengelder mehr zu, und die fälligen 'Titel wurden nicht mehr erneuert.

3. Andauernder Geldentzug.

Diese Umstände haben dazu geführt, dass die Neuenburger Kantonalbank nach den 1930/31 verlorenen 30 Millionen Franken fremder Mittel bis Ende Juni 1935 noch einmal Publikumsgelder im Umfange von 55 Millionen Franken einbüsste. Im einzelnen verliefen die Dinge in dieser letzten Phase wie folgt: Bundesblatt. 87. Jahrg. Bd. II.

27

338 Bereits die vom Kanton an die Gemeinden gewährten Darlehen vom Januar 1932 und das Bundesdarlehen vom 19. Dezember 1932 kamen der Kantonalbank sehr zu statten, weil damit die damaligen Vorschüsse an die Gemeinden abgelöst wurden. Allein, schon Ende 1938 wurde die Lage wieder kritisch, und die Organe der Kantonalbank ersuchten den Bund um Gewährung eines Depots. Vom September 1934 an setzte eine eigentliche Vertrauenskrisis ein, der die Bank bis gegen Ende Jahres aus eigenen Kräften standhielt. Im Februar 1935 sah sie sich aber genötigt, den Kredit der Nationalbank bis zu 5 Millionen Franken in Anspruch zu nehmen und im März folgten Staatsvorschüsse, die durch Begebung von Beskriptionen des Kantons mit hypothekarischer Sicherstellung durch die Kantonalbank beschafft wurden. Am 3. April wurde festgestellt, dass 20 Millionen Franken erforderlich wären, um den Ansprüchen bis Ende Jahres gerecht zu werden. Auf die wiederholten Vorstellungen der Kantonalbank hin errichtete der Bund bei ihr gegen hypothekarische Sicherstellung ein Depot von 5 Millionen Franken zu 3% auf sechs Monate. Der Bundesrat genehmigte dieses Vorgehen durch Beschluss vom 9. April 1935. Die Pfandbriefzentrale der Kantonalbanken wäre bereit gewesen, der Nettenburger Kantonalbank von einem zu emittierenden Anleihen ebenfalls einen namhaften Betrag zu überlassen. Allein, die Auflage dieses Anleihens verzögerte sich zufolge ungünstiger Zeitumstände stark. Am 16. und 23. April wurden von der Pfandbrief zentrale und einigen Kantonalbanken aber trotzdem 5 Millionen Franken bereitgestellt und zu 3%% auf drei und nachher auf weitere zwei Monate abgetreten. Sie sollen durch die Pfandbriefzentrale konsolidiert werden, sobald die Auflage eines Anleihens in genügendem Umfange möglich ist. Auch der vom Bund abzulösende Eeskriptionenkredit der Nationalbank vom 10. Mai 1935 brachte der Kantonalbank wieder eine gewisse Entlastung.

Von Anfang Juni an gestalteten sich die Ereignisse wieder sehr ungünstig für die Kantonalbank. Am 24. Juni bat sie die eidgenössische Bankenkommission, die Möglichkeit der Gewährung eines Fälligkeitsaufschubes zu untersuchen, weil die Schalter voraussichtlich nur noch ganz wenige Tagen offenbehalten werden könnten.

4. Das Gutachten der Experten und die Frage des Fälligkeitsaufschubes.

Die Bankenkommission hatte schon
am 10. Mai eine Expertenkommission eingesetzt, die ihr Gutachten am 28. Juni erstattete und zu folgenden Schlüssen kam. Ein längeres Mitschleppen der vom Staat geschuldeten 17 Millionen Franken von 1930 und der Ausfall bei der Caisse d'Epargne im Umfang von 16% Millionen ist nicht angängig. Diese Summen im Totalbetrage von 8Syz Millionen sind vom Dotationskapital von 40 Millionen abzuschreiben.

Eine Neubewertung der Aktiven vom Standpunkt der Aufstellung einer Betriebsbilanz aus hat ergeben, dass für 22 Millionen neue Verluste zu erwarten

339 sind, so dass nach völliger Abschreibung des Dotationskapitals ein Verlustsaldo von 15% Millionen zu decken bleibt. Im übrigen hoben die Experten die Wünschbarkeit hervor, das Institut ohne einen Fälligkeitsaufschub zu retten, und erachteten als einzige Möglichkeit dafür, entsprechende Kredite durch den Bund zu gewähren.

Die Frage eines Fälligkeitsaufschubes ist später noch wiederholt erwogen worden. Die Experten waren der Ansicht, dass die Forderungen der Gläubiger als gedeckt betrachtet werden können, wenn der Kanton für seine Schulden als zahlungsfähig angesehen wird. Auch die Aufrechterhaltung des Zinsendienstes schien den Experten möglich, so dass die Voraussetzungen für die Gewährung eines Fälligkeitsaufschubes gegeben gewesen wären.

Nationalbank, Bankenkommission und der Kantonalb ankenverband waren mit dem Finanz- und Zolldepartement der Auffassung, dass alles daran gesetzt werden müsse, der Schwierigkeiten ohne Zuhilfenahme des im Volke noch wenig bekannten Fälligkeitsaufschubes Herr zu werden, weil eine solche Massnahme bei einem mit Staatsgarantie versehenen Bankinstitut besonders dann, wenn dieses so sehr im Mittelpunkt der Staats- und Privatwirtschaft steht wie das iieuenburgische, sicher weitergehende Wirkungen zeitigen müsste als bei einer Privatbank. Ausserdem wäre zu befürchten gewesen, dass sich mit der Gewährung eines Fälligkeitsaufschubes ein Misstrauen gegen die Kantonalbanken im allgemeinen eingestellt hätte, das nicht ohne schwerste Btickwirkungen auf den gesamten Hypothekarkredit und unter Umständen auch auf den Schweizerfranken geblieben wäre. Schliesslich war auch nicht zu übersehen, dass dem Kanton, Neuenburg die wirtschaftliche Wiederherstellung nicht erleichtert, sondern eher erschwert worden wäre, wenn man der Kantonalbank einfach den Fälligkeitsaufschub bewilligt hätte, ohne in erster Linie die Verhältnisse durchgreifend zu sanieren.

, 5. Die Reorganisation.

Nachdem der Fälligkeitsaufschub nicht in Präge kam und Abschreibungen in einem das Dotationskapital übersteigenden Umfange erforderlich wurden, müsste schnellstens dafür gesorgt werden, dass die nach gänzlicher Abschreibung des Dotationskapitals verbleibende Unterbilanz von 15 Millionen gedeckt und Mittel zur Beschaffung eines neuen Dotationskapitals bereitgestellt wurden. Da der Bund schon für die Sanierung
der Kantons- und Gemeindefinanzen finanzielle Hilfe leisten müsste, war von Anfang an klar, dass die für eine Bettung der Kantonalbank erforderlichen Gelder auch nicht ohne eine Beteiligung des Bundes erhältlich gemacht werden konnten. Zur Verhinderung eines weiteren Umsichgreifens des Misstrauens fasste der Bundesrat mit Bezug auf die Bilanzbereinigung der Neuenburger Kantonalbank schon am 9. Juli folgenden Beschluss: «Unter der Bedingung, dass die Neuenburger Kantonalbank eine grundliche Eeorganisation unter Mitwirkung der schweizerischen Kantonal-

340

banken und im Einvernehmen mit der eidgenössischen Bankenkommission vornimmt, beantragt der Bandesrat der Bundesversammlung ausserdem, der Kantonalbank für etwa noch eintretende Verluste eine Beserve von 15 Millionen Franken für die Dauer von 15 Jahren zur Verfügung zu stellen.

Die Belastung der Eeserve durch eintretende Verluste ist durch spätere Gewinnüberschüsse auszugleichen. » Gleich darauf wurde auch die Frage der Beschaffung des neuen Dotationskapitals anhand genommen. Der Verband schweizerischer Kantonalbanken beschloss schon in einer Sitzung vom 10. Juli, eine Beteiligung von 5 Millionen Franken unter der Bedingung in Aussicht zu nehmen, dass die Privatwirtschaft auch etwas aufbringe. Es folgten lange Verhandlungen nach verschiedenen Bichtungen hin über die Höhe und Aufbringung des neuen Dotationskapitals.

Ein Betrag von 15 Millionen Franken wurde allseits als Minimum betrachtet.

Bemühungen, die Kantonalbanken und die Privatwirtschaft stärker an der Aufbringung zu interessieren, hatten nur geringen Erfolg. Als am 17. Juli eine westschweizerische Zeitung alarmierende Nachrichten über die Lage der Neuenburger Kantonalbank veröffentlichte, setzte ein Bun ein, der die Bank in zwei Tagen um 2,3 Millionen Franken Gelder brachte. Sie entschloss sich daraufhin am 18. Juli, ein Gesuch um Gewährung des Fälligkeitsaufschubes einzureichen. Der Bundesrat fasste daraufhin am 19. Juli nachstehenden Beschluss : «1. Der Bundesrat wird die eidgenössischen Bäte ersuchen, ihn zu ermächtigen, dem Kanton Neuenburg ein Darlehen von 6 Millionen Franken für die Beschaffung eines neuen Dotationskapitals zu gewähren. Dieses Darlehen ist durch Verpfändung eines gleichhohen Betrages des Dotationskapitals zugunsten des Bundes sicherzustellen. Die Gewährung des Darlehens erfolgt unter der ausdrücklichen Voraussetzung, dass die schweizerischen Kantonalbanken sowie private Kreise an das neue Dotationskapital wenigstens 9 Millionen Franken aufbringen.

2. Das Darlehen ist zu 4% zu verzinsen; die Zinsen sind direkt von der Neuenburger Kantonalbank der Bundeskasse zu vergüten.

3. Neue Zeichnungen aus privaten Kreisen des Kantons Neuenburg an das Dotationskapital sind in erster Linie zur Tilgung des Bundesdarlehens von 6 Millionen Franken zu verwenden.» Ferner ist das Finanz- und Zolldepartement mit diesem Bundesratsbeschluss
ermächtigt worden, der Kantonalbank Vorschüsse zu gewähren auf Bechnung des am 9. Juli 1935 bewilligten und als Verlustreserve gedachten Darlehens von 15 Millionen Franken. Die Leistung solcher Vorschüsse hat sich indessen bis jetzt erübrigt.

In der Folge wurde eine Vereinbarung unter den verschiedenen beteiligten Parteien ausgearbeitet, deren Wortlaut im Anhang abgedruckt ist und noch zu folgenden Bemerkungen Anlass gibt.

341 Die für das neue Dotationskapital in Aussicht genommenen 15 Millionen Pranken stellen ein absolutes Minimum dar, dürften nach einer durchgreifenden Reorganisierung bei dem stark geschwundenen Geschäftsumfang aber vorläufig genügen. Wenn die Mehrleistungen der Privaten entgegen dem Bundesratsbeschluss vom 19. Juli nicht nur zu einer Kürzung des vom Bund aufzubringenden Anteils verwendet worden sind, sondern auch zu einer solchen der Kantonalbanken, so geschah dies aus dem Grunde, weil sich hinterher erhebliche Schwierigkeiten ergeben haben und von den Beteiligten die grössten Anstrengungen gemacht worden sind mit dem Erfolg, dass der Bund jetzt weniger aufbringen muss. als ursprünglich vorgesehen war.

Der Bund wie die Kantonalbanken und privaten Geldgeber schiessen diese Kapitalien nur vor. Es entsteht für den Bund also keine Beteiligung wie bei der Volksbank, sondern nur ein Guthaben gegenüber dem Kanton, das durch eine Verpfändung des Dotationskapitals sichergestellt ist.

Was die vorgesehene Verteilung des Reingewinns anbelangt, so stellt sich die Frage, ob Reingewinne überhaupt wahrscheinlich sind. Die Experten kamen zur Überzeugung, dass es ohne unvorhersehbare Ereignisse tatsächlich zu Ausschüttungen kommen wird, weil eine gründliche Eeorganisation vorgenommen werden soll und weil der Bank -- im Gegensatz zur Sanierung von 1981 -- neue Mittel zufliessen.

Die Darlehen des Bundes und ihr Ertrag unterliegen gemäss den Vorschriften von Art. 11, Absatz 2, lit. è, des Stempelgesetzes und Art. 5, Absatz l, lit. d, des Couponstempelgesetzes keiner Stempelabgabe. Es erscheint billig, die gleiche Vergünstigung auch für die weitern zwecks Äufnung des neuen Dotationskapitals gemachten Darlehen einzuräumen. Es handelt sich auch für die Kantonalbanken und weitern Geldgeber um eine unter Hintanstellung eigener Interessen gewährte Hilfeleistung.

In den Art. 8 und 9 der ÄTereinbarung sind weitgehende Massnahmen dafür vorgesehen, dass die Neuenburger Kantonalbank auf neue Grundlagen gestellt wird, die eine Sicherung und möglichst baldige Abzahlung des Bundesvorschusses gewährleisten sollen.

Diese Vereinbarung tritt nach Ratifikation durch den Grossen Eat des Kantons Neuenburg und nach Beschlussfassung durch die eidgenössischen Räte in Kraft.

Es ist zu hoffen, dass damit die Voraussetzungen für die Gesundung der Staats- und Gemeindefinanzen sowie der Kantonalbank eines unserer bedrängtesten Kantone geschaffen sind.

342 Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen empfehlen wir Ihnen, den der Botschaft beigelegten Beschlussesentwurf zu genehmigen.

Wir benutzen diesen Anlass, Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 13. September 1935.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r à s i d e n t :

B. Minger.

Der Bundeskanzler:

G. Bovet.

3 Beilagen,

343 (Entwurf.)

Bimdesbeschluss über

eine Bundeshilfe an den Kanton Neuenburg und seine Kantonalbank, Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 13. September 1935, beschliesst :

Art. 1.

Der Bundesrat wird ermächtigt, dem Kanton Neuenburg zur Ablösung kurzfristiger Bundesvorschüsse ein Darlehen bis zum Höchstbetrage von 24 Millionen Franken für die Dauer von fünfzehn Jahren zu gewähren. Das Darlehen ist zu zwei Prozent zu verzinsen und ab 1. Januar 1939 durch Annuitäten zu tilgen.

Art. 2.

1 Dem Bundesrat wird ein Kredit von 15 Millionen Franken auf Kapitalrechnung eröffnet. Daraus sind der Neuenburger Kantonalbank zinslos die nötigen Vorschüsse zur Deckung allfälliger Verluste zu gewähren, die auf den nach Abschreibung des bisherigen Dotationskapitals und der Reserven verbleibenden gefährdeten Aktiven von 15 Millionen Franken längstens bis zum 30. September 1950 noch eintreten.

2 Der Bundesrat kann der Neuenburger Kantonalbank zur Bildung einer offenen Eeserve auf Bechnung dieses Kredites 3 Millionen Franken zinslos zur Verfügung stellen.

3 Zur Tilgung der vom Bunde nach Absätzen l und 2 gewährten Vorschüsse sind zu verwenden: a. die Hälfte des nach Verzinsung des Dotationskapitals mit vier Prozent verbleibenden Beingewinnes der Neuenburger Kantonalbank; l. Wiedereingänge auf Verlusten, die zu Lasten des vom Bunde eröffneten Kredites verbucht wurden.

344

Art. 3.

1

Der Bundesrat wird gleichzeitig ermächtigt, dem Kanton Neuenburg eine Darlehen von höchstens 6 Millionen Franken zu gewähren, das mit den Darlehen des Kantonalbankenverbandes und weiterer Geldgeber zur Beschaffung eines neuen Dotationskapitals der Kantonalbank von insgesamt 15 Millionen Franken zu verwenden ist. Dieses Darlehen ist zu vier Prozent zu verzinsen.

2 Die in Absatz l erwähnten Darlehen des Kantonalbankenverbandes und weiterer Geldgeber und die Zinsen für diese Darlehen unterliegen keiner Stempelabgabe.

Art. 4.

1 Der Staatsrat des Kantons Neuenburg hat alle erforderlichen Massnahmen zu treffen, die geeignet sind, das finanzielle Gleichgewicht im Haushalte des Kantons und seiner Gemeinden herzustellen.

2 Der Staatsrat wird dem Bundesrate und seinen Beauftragten vollständigen Einblick in die finanzielle Entwicklung und Gestaltung des gesamten Finanzhaushaltes des Kantons und seiner Gemeinden geben. Er sorgt dafür, dass di& Zinsen und Amortisationsquoten für die vom Bunde gewährten Darlehen rechtzeitig und vollständig geleistet werden. Für diese Leistungen haften die dem Kanton zukommenden Anteile an Bundeseinnahmen.

1 2

Art. 5.

Dieser Beschluss wird als dringlich erklärt und tritt sofort in Kraft.

Der Bundesrat ist mit dem Vollzug beauftragt.

345 Beilage 1.

Bundesratsbeschluss vom 9. Juli 1935.

1. Dem Kanton Neuenburg -wird für sich und seine notleidenden Gemeinden zur Befriedigung laufender Zahlungsverpflichtungen ein weiteres Darlehen von 4 Millionen Franken zum Zinssatze von 2 % gewährt.

2. Unter der Bedingung, dass der Staatsrat von Neuenburg in Verbindung mit den Gemeindebehörden dem Bundesrate bis zum 1. September 1935 einen Sanierungsplan vorlege, der vom Bundesrate zu genehmigen und vom Kanton bis zum Jahresende in Kraft zu setzen ist, wird der Bundesversammlung zur Behandlung in der Septembersession dieses Jahres der Antrag gestellt, es seien sämtliche dem Kanton gewahrten Darlehen im Betrage von 20 Millionen Franken, vermehrt um neue 4 Millionen Franken, in eine Anleihe von 24 Millionen Franken zum Zinssatze von 2 % und mit einer Laufzeit von 15 Jahren zu konsolidieren. Diese Anleihe ist vom 4. Jahre an in Form von Annuitäten bis zum Ende der Laufzeit zu tilgen.

Der Sanierungsplan hat das Gleichgewicht im Finanzhaushalt des Kantons und der Gemeinden wiederherzustellen und ausserdem die Tilgung der vom Bunde gewährten Anleihe zu sichern.

3. Unter der Bedingung, dass die Neuenburger Kantonalbank eine gründliche Beorganisation unter Mitwirkung der schweizerischen Kantonalbanken und im Einvernehmen mit der eidgenössischen Bankenkormnission vornimmt, beantragt der Bundesrat der Bundesversammlung ausserdem, der Kantonalbank für etwa noch eintretende Verluste eine Reserve von 15 Millionen Franken für die Dauer von 15 Jahren zur Verfügung zu stellen. Die Belastung der Keserve durch eintretende Verluste ist durch spàtere Gewinnuberschusse auszugleichen.

346 Beilage 2.

Bundesratsbeschluss vom 19. Juli 1935.

1. Der Bundesrat wird die eidgenössischen Kate ersuchen, ihn zu ermächtigen, dem Kanton Neuenburg ein Darlehen von 6 Millionen Franken für die Beschaffung eines neuen Dotationskapitals zu gewähren. Dieses Darlehen ist durch Verpfändung eines gleichhohen Betrages des Dotationskapitals zugunsten des Bundes sicherzustellen. Die Gewährung des Darlehens erfolgt unter der ausdrücklichen Voraussetzung, dass die schweizerischen Kantonalbanken sowie private Kreise an das neue Dotationskapital wenigstens 9 Millionen Franken aufbringen.

2. Das Darlehen ist zu 4 % zu verzinsen; die Zinsen sind direkt von der Neuenburger Kantonalbank der Bundeskasse zu vergüten.

3. Neue Zeichnungen aus privaten Kreisen des Kantons Neuenburg an das Dotationskapital sind in erster Linie zur Tilgung des Bundesdarlehens von 6 Millionen Franken zu verwenden.

4. Das eidgenössische Finanz- und Zolldepartement ist ermächtigt, der Kantonalbank Schatzscheine zu noch festzusetzenden Bedingungen zur Verfügung zu stellen auf Eechnung des vom Bundesrat am 9. Juli 1935 als Verlustreserve bewilligten Darlehens von 15 Millionen Franken.

5. Der Bundesrat behält sich vor, auf die Frage der Bewilligung des neuen Darlehens von vier Millionen Franken, das nach Ziffer 2 seines Beschlusses vom 9. Juli 1935 dem Kanton Neuenburg in Aussicht gestellt wurde und in der Anleihe von insgesamt 24 Millionen Franken Inbegriffen war, zurückzukommen, nachdem die finanzielle Eeorganisation der Kantonalbank in die Wege geleitet ist.

347 Beilage 3.

Vereinbarung über

die Beschaffung des neuen Dotationskapitals für die Neuenburger Kantonalbank.

1. Der Schweizerische Bundesrat, vertreten durch das eidgenössische Finanz- und Zolldepartement ; 2. der Verband Schweizerisclier Kantonalbanken, vertreten durch die Basler Kantonalbank als Präsidium des Verbandes; 3. weitere Geldgeber mit Domizil im Kanton Neuenburg sowie schweizerische Versicherungsgesellschaften, vertreten durch als Darlehensgeber einerseits und der Staatsrat des Hantons Neuenburg als Darlehensnehmer a n d e r s e i t s vereinbaren was folgt: Art. 1.

Die Darlehensgeber gewähren dem Kanton Neuenburg Darlehen von insgesami fünfzehn Millionen Franken, welchen Betrag der Kanton der Neuenburger Kantonalbank als neues Dotationskapital zur Verfügung stellt.

2 Der Bund stellt als Darlehen fünf Millionen, der Kantonalbankenverband fünf Millionen und die Versicherungsgesellschaften und weitere Geldgeber den Eestbetrag bis fünfzehn Millionen Franken zur Verfügung. Sofern von den Versicherungsgesellschaften und von weitem Geldgebern zusammen nicht fünf Millionen Franken aufgebracht werden, sind die Darlehen des Bundes und des Kantonalbankenverbandes entsprechend ihren Anteilen zu erhöhen.

1

Art. 2.

Die Darlehen sind durch Verpfändung entsprechender Nominalbeträge des Dotationskapitals zugunsten der Darlehensgeber sicherzustellen. Form und Bedingungen der Verpfändung werden durch besondere Vereinbarung festgesetzt.

348

Art. 3.

Die Darlehen werden dem Kanton Neuenburg vom 1. Oktober 1935 an nach Bedürfnis der Neuenburger Kantonalbank zur Verfügung gestellt.

2 Der Bundesrat wird der Bundesversammlung eine Vorlage unterbreiten, um für diese Darlehen eine Befreiung von den im Bundesgesetz vom 4. Oktober 1917 über die Stempelabgaben und im Bundesgesetz vom 25. Juni 1921 betreffend die Stempelabgabe auf Coupons vorgesehenen Stempelabgaben zu erwirken.

3 Die Darlehensgeber sind berechtigt, vom Kanton Neuenburg für die geleisteten Darlehen ganz oder teilweise Schuldscheine zum Zwecke der Lombardierung zu verlangen.

Art. 4.

1

1

Die Darlehen werden dem Kanton Neuenburg für die Dauer Von fünfzehn Jahren zur Verfügung gestellt. Der Kanton hat aber, ausser der Amortisation aus der Zinsersparnis nach Art. 5, Abs. 2, alljährlich auf den 30. April wenigstens die gemäss Art. 6, lit. c. festgesetzten Kapitalabzahlungen zu leisten.

2 Der Kanton Neuenburg ist berechtigt, die Darlehen vorzeitig ganz oder teilweise zurückzuzahlen.

3 Alle Kapitalzahlungen werden unter die Darlehensgeber im Verhältnis ihrer Darlehensbeträge verteilt.

Art. 5.

1

Die Darlehen sind zu 4 % zu verzinsen. Die Zinsen sind den Darlehensgebern halbjährlich direkt von der Kantonalbank für Eechnung des Kantons zu überweisen.

2 Der Betrag, der von dem anfänglichen Zinsbetreffnis von 600,000 Franken infolge Beduktion des Schuldkapitals von fünfzehn Millionen Franken frei wird (Art. 4 und Art. 6, lit. c) ist als Amortisationsquote den Darlehensgebern zu vergüten. Die jährliche Leistung an die Darlehensgeber bleibt somit auf 600,000 Franken festgesetzt.

Art. 6.

Der nach Verzinsung des Dotationskapitals verbleibende Eeingewinn der Neuenburger Kantonalbank ist wie folgt zu verwenden: a. 20% an den ordentlichen Beservefonds, bis dieser einen Drittel des Dotationskapitals erreicht hat; b. 50% sind der Bundeskasse zu überweisen zur Tilgung der vom Bund als Verlustreserve zinslos gewährten fünfzehn Millionen Franken; c. 30% sind dem Kanton zur Verfügung zu stellen, die dieser zur Tilgung der für das Dotationskapital gewährten Darlehen zu verwenden hat (Art. 4, Abs. 1).

Art. 7.

1 Das bisherige, vom Kanton investierte Dotationskapital der Neuenburger Kantonalbank von vierzig Millionen Franken wird kompensiert mit den

349

Schuldverpflichtungen, die der Kanton bei der Aufhebung der Neuenburger Sparkasse im Jahre 1920 und der Sanierung der Kantonalbank im Jahre 1931 übernommen hat, sowie mit den vorgesehenen weitem Abschreibungen.

2 Wiedereingànge auf Verlusten, die am bisherigen Dotationskapital abgeschrieben wurden (Absatz 1), fallen dem Kanton zu.

3 Wiedereingànge auf Aktiven, die zu Lasten der vom Bund als Verlustreserve gewahrten fünfzehn Millionen Franken abgeschrieben wurden, sind von der Kantonalbank auf Rechnung dieser Reserve der Bundeskasse bis zum Maximalbetrag von fünfzehn Millionen Franken zu überweisen.

Art. 8.

1

Das Gesetz über die Neuenburger Kantonalbank, vom 22. April 1931, ist innert kürzester Frist zu revidieren. Das neue Gesetz hat den Aufgabenkreis der Bank auf Geschäfte zu beschränken, die genügend Sicherheit bieten; ferner hat es einschränkende Normen für die Kreditgewährung an öffentlichrechtliche Körperschaften festzusetzen.

2 Die Kantonalbank hat unverzüglich alle erforderlichen Massnahmen zu treffen, um den Geschäftsbetrieb weitgehend zu vereinfachen und die Geschäftsunkosten auf das Unerlässliche herabzusetzen.

3 Der Staatsrat des Kantons Neuenburg hat sich über die Reorganisation der Kantonalbank, namentlich im Sinne der Grundsätze von Abs. l und 2 mit den Vertretern der Darlehensgeber zu verständigen.

Art. 9.

In Berücksichtigung der besondern Verhältnisse und der indirekten Beteiligung Dritter am neuen Dotationskapital ist der Vervraltungsrat der Neuenburger Kantonalbank vom Staatsrat des Kantons Neuenburg neu zu bestellen.

2 Der neue Verwaltungsrat der Neuenburger Kantonalbank besteht aus sieben Mitgliedern, wovon drei Mitglieder auf gemeinsamen Vorschlag der Darlehensgeber hin ernannt werden müssen.

1

Art. 10.

1

Die Darlehensgeber bilden ein Konsortium. Kein am Konsortium beteiligter Fjinzelgläubiger darf ohne Zustimmung der andern Beteiligten Rechte abtreten, die ihm aus dem Darlehensvertrag zustehen. Ebenso ist eine Begünstigung einzelner Gläubiger nicht statthaft. Das Recht der Lombardierung bleibt vorbehalten (Art. 3, Absatz 3).

2 Das eidgenössische Finanz- und Zolldepartement wird beauftragt, für das Konsortium den Geschäftsverkehr mit dem Staatsrat des Kantons Neuenburg und mit der Neuenburger Kantonalbank zu besorgen.

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Art. 11.

1

Die gegenwärtige Vereinbarung wird gegenstandslos, wenn sie nicht von den Vertretern der drei Darlehensgebergruppen unterzeichnet wird.

2 Sie tritt nach erfolgter Ratifikation durch den Bundesrat und den Grossen Eat des Kantons Neuenburg, die bis zum 1. Oktober 1935 zu vollziehen ist, in Kraft.

Bern/Neuenburg, den ... September 1935.

Die Darlehensgeber:

Der Darlehensnehmer:

1. Eidgenössisches Finanz- und Zolldépartement :

Der Staatsrat des Kantons Neuenburg :

2. Verband Schweizerischer Kantonal banken:

3. Weitere Geldgeber und schweizerische Versicherungsgesellschaften :

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über eine Hilfe des Bundes an den Kanton Neuenburg und seine Kantonalbank. (Vom 13. September 1935.)

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Jahr

1935

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

38

Cahier Numero Geschäftsnummer

3296

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

18.09.1935

Date Data Seite

325-350

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