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3232 Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Beitritt der Schweiz zum internationalen Weinamt in Paris.

(Vom 25. März 1935.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen hienach eine Botschaft betreffend den Beitritt der Schweiz zum internationalen Weinamt in Paris und den Entwurf eines bezüglichen Bundesbeschlusses vorzulegen.

I.

Am 14. Dezember 1923 übermittelte die französische Botschaft in Bern dem Bundesrat eine Einladung zur Beschickung eines internationalen Kongresses der Weinausfuhrländer,, der die Errichtung eines internationalen Weinamtes vorbereiten sollte. Der Bundesrat verzichtete auf die Abordnung einer Vertretung, behielt sich aber vor, die Frage des Beitrittes zu dem zu gründenden Weinamt später zu prüfen.

Nach langen Vorarbeiten wurde am 29. November 1924 in Paris eine Vereinbarung über die Errichtung eines internationalen Weinamtes abgeschlossen und von den Vertretern von 8 Staaten unterzeichnet.

Sie lautet in deutscher Übersetzung: Art. 1. Es wird ein internationales Weinamt mit Sitz in Paris errichtet, das beauftragt ist a. die Auskünfte zu sammeln, zu studieren und zu veröffentlichen, die geeignet sind, die wohltätigen Wirkungen des Weines aufzuzeigen; fe. ein Programm aufzustellen über neue wissenschaftliche Untersuchungen, die durchgeführt werden sollten, um die hygienischen Wirkungen des Weines und seine Bedeutung als Mittel zur Bekämpfung des Alkoholismus zur Darstellung zu bringen; c. den Eegierungen der Mitgliedstaaten nach vorheriger Einholung aller nötigen Informationen, wie Wünsche, Ansichtsäusserungen von Aka-

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demien, wissenschaftlichen Körperschaften, internationalen und andern Kongressen über Weinbau und Weinhandel die Massnahmen bekanntzugeben, die zum Schutze der Weinbauinteressen und zur Hebung des - internationalen Weinmarktes geeignet sind; d. die Eegierungen auf internationale Abkommen aufmerksam zu machen, denen beizutreten sie ein Interesse hätten, wie z. B. solche, die zum Zwecke haben: 1. eine einheitliche Methode zur Darstellung der Analysenergebnisse beim Wein herbeizuführen; 2. eine vergleichende Untersuchung der in den verschiedenen Staaten gebräuchlichen Analysenmethoden vorzunehmen zum Zwecke der Aufstellung übereinstimmender Tabellen; e. den Eegierungen Vorschläge zu unterbreiten, die geeignet sind, sowohl im Interesse des Konsumenten wie des Produzenten zu gewährleisten: 1. den Schutz der Herkunftsbezeichnungen der Weine; 2. die Garantie der Eeinheit und Echtheit der Produkte bis zu ihrem Verkauf an den Konsumenten, dies durch alle hiezu geeigneten Massnahmen, insbesondere mittels Herkunftszeugnissen gemäss den nationalen Gesetzen; 3. die Unterdrückung von Betrügereien und illoyaler Konkurrenz durch Beschlagnahme der Produkte, die den gesetzlichen Bestimmungen nicht entsprechen, und durch zivile und korrektioneile, individuelle oder gemeinsame Aktionen, damit unreelle Geschäftsmethoden verboten, verletzte Interessen entschädigt und die Urheber von Betrügereien bestraft werden; /. in Übereinstimmung mit der Gesetzgebung der einzelnen Länder die Initiative zu ergreifen zur Förderung des Weinhandels, und den privaten nationalen und internationalen Organisationen sowie allen Interessenten, die darum nachsuchen, die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen und Unterlagen zu liefern.

Art. 2. Das internationale Weinamt ist eine Staatsinstitution, worin die Mitgliedstaaten durch Delegierte eigener Wahl vertreten sind.

Die Vereinigung der Delegierten bildet den Vorstand, dessen Zusammensetzung und Obliegenheiten in den folgenden Artikeln festgelegt sind.

Art. 3. Der Vorstand wählt jedes Jahr aus seiner Mitte ein Bureau, bestehend aus einem Präsidenten und zwei Vizepräsidenten. Deren Amtsdauer läuft bis zur ersten Sitzung des folgenden Jahres; sie sind wiederwählbar. Die Sitzungen finden zweimal im Jahre statt. Ausserordentliche Sitzungen können auf Verlangen der Eegierung eines Mitgliedstaates
einberufen werden.

Das Verzeichnis der dem Vorstand in den ordentlichen Sitzungen zu unterbreitenden Fragen wird je weilen in der vorhergehenden Sitzung aufgestellt. Verlangt eine Eegierung die Einberufung einer ausserordentlichen Sitzung, so hat sie die Fragen zu bezeichnen, deren Prüfung sie vorschlägt.

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Art. 4. Der Vorstand hat die oberste Leitung des internationalen Weinamtes-.

Er beratet und erlässt die Eeglemente über die Organisation und den innern Betrieb des Amtes. Er stellt den Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben im Bahmen der vorhandenen Kredite auf, prüft und genehmigt die Rechnungen.

Er unterbreitet den beteiligten Regierungen Änderungen jeder Art, die eine Erhöhung der Ausgaben oder eine Erweiterung der Obliegenheiten des Weinamtes zur Folge haben, zur Genehmigung.

Er ernennt den Direktor und beruft ihn ab. Auf dessen Vorschlag wählt das Bureau des Vorstandes die Beamten und Angestellten und beruft sie ab.

Zur Gültigkeit der Beratungen rnuss an den Sitzungen der Delegierten mindestens % der Mitgliedstaaten vertreten sein, und die Beschlüsse müssen mit mindestens Zweidrittelmehrheit gefasst werden. Die Vertretung eines Staates kann einem andern Mitgliedstaat übertragen werden, aber es kann keine Delegation ausser der eigenen mehr als eine Vertretung ausüben.

Art. 5. Jeder Mitgliedstaat setzt die Zahl seiner Delegierten nach seinem Ermessen fest, aber er verfügt nur über soviele Stimmen, als er Beitragseinheiten gezeichnet hat.

Jeder Mitgliedstaat kann bis zu 5 Beitragseinheiten zeichnen. Die Beitragseinheit beträgt 3000 Goldfranken.

Es kann jedoch keine aus einem Staat, seinen Kolonien, Besitzungen, Dominien, Protektoraten und Mandatgebieten bestehende Gruppe mehr als 5 Stimmen verfügen. Dies gilt auch für Gruppen, die sich aus Kolonien, Besitzungen, Dominien, Protektoraten und Mandatgebieten von Nichtmitgliedstaaten bilden könnten.

Die Summe der Beitragseinheiten jedes Mitgb'edstaates ist dem Weinamt zu Beginn jedes Jahres einzuzahlen.

Art. 6. Jedes dieser Vereinbarung nicht als Signatarstaat angehörende Land kann ihr beitreten, indem es durch Vermittlung seiner diplomatischen Mission bei der französischen Regierung ein Aufnahmegesuch stellt. Die französische Regierung übermittelt das Gesuch den Regierungen der andern Mitgliedstaaten. Die Aufnahme ist definitiv, wenn innert 6 Monaten nach Eingang des Gesuches die Mehrheit der Mitgliedstaaten ihre Zustimmung erteilt hat.

Art. 7. Unbeschadet der Bestimmungen von Absatz 2 des Artikels 4 hievor ist eine Revision dieser Vereinbarung vorzunehmen, wenn wenigstens 2/3 der Mitgliedstaaten dem Begehren zustimmen. In diesem Falle ist
durch die französische Regierung innert 6 Monaten eine Konferenz der Mitgliedstaaten einzuberufen. Das Verhandlungsprogramm hiefür ist den Mitgliedstaaten mindestens zwei Monate vor Zusammentritt der Konferenz zuzustellen.

Die so einberufene Konferenz setzt das Verhandlungsverfahren selbst fest. Der Direktor des Weinamtes amtet dabei als Generalsekretär.

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Art. 8. Jeder Mitgliedstaat kann diese Vereinbarung für sich auf 6 Monate kündigen. Die Nichtbezahlung von zwei aufeinanderfolgenden Jahresbeiträgen wird als Kündigung betrachtet.

Art. 9. Diese Vereinbarung ist zu ratifizieren. Sie tritt in Kraft, sobald 5 Signatarstaaten ihre Eatifikationsurkunden hinterlegt haben. Jeder Staat soll seine Eatifikationsurkunde innert möglichst kurzer Frist der französischen Kegierung zustellen, durch deren Vermittlung sie den andern Signatarstaaten zur Kenntnis gebracht wird.

Die Eatifikationsurkunden werden in den Archiven der französischen Eegierung deponiert.

Ausgefertigt in Paris am 29. November 1924 in einem Exemplar, das in den Archiven der französischen Eegierung niedergelegt wird. Beglaubigte Abschriften davon werden den Vertragsparteien zugestellt.

Folgen die Unterschriften der Vertreter von Spanien, Frankreich, Griechenland, Ungarn, Italien, Luxemburg, Portugal und Tunis.

Bis zam 8. Dezember 1927 wurde die Vereinbarung ratifiziert durch Frankreich, Spanien, Tunis, Portugal, Ungarn und Luxemburg, d. h. 6 Staaten.

Damit war die in Art. 9 festgesetzte Mindestzahl von Eatifikationen erreicht, und die Vereinbarung trat in Kraft. Am 1. Januar 1928 trat das internationale Weinamt in Paris in Funktion.

II.

Mit Noten vom 12. und 27. Januar 1928 gab die französische Botschaft in Bern dem Bundesrat Kenntnis von der Errichtung des internationalen Weinamtes und fragte ihn an, ob er auf seinem ablehnenden Standpunkte vom Jahre 1924 beharre, oder ob er diesen in Wiedererwägung ziehen und sich dem neuen Amte anschliessen wolle. Nach Fühlungnahme mit den an der Frage interessierten Berufskreisen, die übereinstimmend die Auffassung vertraten, es bestehe vorderhand kein Bedürfnis, dem internationalen Weinamt beizutreten, liess der Bundesrat der französischen Botschaft durch das Volkswirtschaftsdepartement mitteilen, er sei zurzeit nicht in der Lage, den Beitritt der Schweiz zum internationalen Weinamt in Aussicht zu nehmen. Für diese Stellungnahme war die Tatsache massgebend, dass sich bis dahin dem Weinamt mit Ausnahme von Luxemburg nur Weinexportländer angeschlossen hatten, und dass das Amt in erster Linie deren Interessen zu vertreten habe.

Seit diesem ablehnenden Bescheid bemühten sich der Präsident und der Direktor des Weinamtes wie auch die französische Botschaft wiederholt, den Bundesrat zur Wiedererwägung seines Beschlusses und zum Beitritt zu bewegen.

Diese Schritte, die nicht verborgen blieben, riefen die Gegner des Beitrittes unseres Landes zum Weinamt auf den Plan. La einer kleinen Anfrage vom 25. September 1929 fragte Nationalrat Oprecht den Bundesrat an, ob es richtig sei, dass er beabsichtige, dem internationalen Weinamt in Paris, das als eine

595 Propagandainstitution von Alkoholinteressenten eingerichtet -wurde, beizutreten. Der Bundesrat antwortete, er habe in Sachen noch keinen neuen Beschluss gefasst und sei in seinem Entschlüsse frei.

In verschiedenen Eingaben aus den Jahren 1929 und 1930 nahmen sodann der Landesvorstand des Guttemplerordens, die konsultative Kommission und der Verwaltungsrat der schweizerischen Zentralstelle zur Bekämpfung des Alioholismus, das Cartel romand d'hygiène sociale et morale, der Vorstand des schweizerischen Vereins abstinenter Lehrer und Lehrerinnen, der Vorstand der schweizerischen Gesellschaft für Gesundheitspflege und die staatliche Schulsynode des Kantons Baselstadt gegen den Beitritt der Schweiz zum internationalen Weinamt Stellung. Zur Begründung legten sie dar, das Weinamt habe für vermehrten Alkoholkonsum Propaganda zu machen; gewisse seiner Bestrebungen rufen scharfer Kritik, so der Kampf gegen die in einzelnen Staaten bestehende Prohibition, die Organisation eines Pressefeldzuges gegen die Trokkenlegung in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, die Weinpropaganda in den muselmannischen Ländern und unter den farbigen Völkern in Afrika, Indien, China und Japan, der von einem Delegierten eingebrachte Antrag, es sei in den Schulen Propaganda für den Weingenuss zu machen, die Bemühungen um Herabsetzung der Einfuhrzölle für Wein, die Empfehlung des Abbruches der Handelsbeziehungen mit Ländern, die ungerechtscheinende Massnahmen nicht aufheben, der Kampf gegen die Zulassung von andern als aus Wein hergestellten Alkoholsorten zum Konsum als Trinkalkohol usw.

III.

Die Einladung des Weinamtes zum Beitritt unseres Landes fand aber auch warme Befürworter. Mit Schreiben vom 12. Juli 1929 empfahl der schweizerische Bauernverband, der sich ursprünglich für Zuwarten ausgesprochen hatte, den Anschluss, nachdem er sich überzeugt hatte, dass seit der Gründung vom Weinamt eine grosse Zahl von Fragen behandelt wurden, die von allgemeinem Interesse für die weinbautreibenden Staaten sind. Er wies darauf hin, dass dem Weinamt seit seiner Gründung weitere Staaten beigetreten sind, die zu einem guten Teil ebenfalls Einfuhrländer sind und gleiche Interessen haben wie die Schweiz. Die Durchsicht der Protokolle erwecke den Eindruck, die Direktion des Amtes leiste Bedeutendes und auch in den Sitzungen werde viel gearbeitet, aber es scheine notwendig zu sein, dass auch die Importländer, die gleichzeitig Produzenten sind, zum Worte kommen, damit die Fragen nicht zu einseitig behandelt werden. In weitern Eingaben aus den Jahren 1930, 1933 und 1934 kamen der Bauernverband und das Bauernsekretariat auf die Frage zurück. Sie befassten sich darin u. a. auch mit den Einwänden der Gegner des Beitritts und legten anhand der Protokolle der Sitzungen des Weinamtes dar, diese Einwände beruhen zum Teil auf einer unrichtigen Interpretation der gefassten Beschlüsse. So sei vom Weinamt nicht beabsichtigt, die Weinpropaganda in die Schulen hineinzutragen, es sei lediglich beschlossen

596 worden, eine aufklärende Schrift über den Wein zu verfassen, die in den Schulen abgegeben werden könnte. Den Staaten stände es durchaus frei, von dieser Schrift Gebrauch zu machen oder nicht. Auch die Eesolution betreffend die Anerkennung von Trinkalkohol sei, wie aus der im Protokoll wiedergegebenen Diskussion hervorgehe, nicht so aufzufassen, dass nur noch Weinalkohol zum Trinken verwendet werden dürfe, sondern sie wolle lediglich die grossen Weinproduktionsländer darauf aufmerksam machen, dass der Absatz der Weine durch ihre Verwendung zu Trinkalkohol erleichtert werden könne. Auch hier stehe es im freien Ermessen der Staaten, darüber zu entscheiden, welche Alkoholarten sie zum Konsum zulassen wollen.

Zur Begründung seiner Empfehlung des Beitrittes zum internationalen Weinamt schrieb der Bauernverband : «Die Schweiz hat ein Interesse, dem Weinamt beizutreten, einmal weil gewisse Aufgaben des internationalen Weinamtes durchaus die Unterstützung auch unseres Landes verdienen. Sodann aber auch, um zu verhindern, dass das internationale Weinamt Beschlüsse fasst, die mit unserer Auffassung in Widerspruch stehen.» Der Auffassung des Bauernverbandes schloss sich der Vorsteher des waadtländischen Landwirtschaftsdepartements gestützt auf seine Wahrnehmungen über die Tätigkeit des Weinamtes am internationalen Landwirtschaftskongress in Bukarest an. Ebenso empfahl das Departement des Innern des Kantons Wallis im Einvernehmen mit der kantonalen Weinbaugesellschaft und dem kantonalen Weinhändlerverband den Beitritt zum internationalen Weinamt.

Es erklarte, es würde selbst die Initiative zur Abordnung einer Delegation ergreifen, wenn sich der Bund mit der für das Wallis lebenswichtigen Frage nicht befassen wollte.

In ihrer Nummer 33 vom 13. August 1929 befürwortete auch die schweizerische Weinzeitung den Anschluss an das Weinamt, wobei sie der Überzeugung Ausdruck gab, dieser sei für die gedeihliche Weiterentwicklung unserer Weinwirtschaft zu einem entscheidenden Gebot geworden. Am 7. Dezember 1929 schrieb der Vorstand des schweizerischen Obst- und Weinbauvereins, er sei einmütig zum Schlüsse gekommen, die bisherige Arbeit des Weinamtes sei für unsern Weinbau vorteilhaft gewesen, und er schlage deshalb den Beitritt zu diesem Amte vor. Endlich schloss sich die Fédération romande des vignerons mit
Schreiben vom 21. Mai 1930 den Eingaben des Bauernverbandes an und erklärte, nach ihrer Auffassung liege der Beitritt zum internationalen Weinamt im Interesse des schweizerischen Weinbaues. Es sei wünschenswert, dass die Schweiz in diesem Amt eine Vertretung habe, damit sie über dessen Beschlüsse auf dem Laufenden gehalten werde und gegebenenfalls ihren Standpunkt geltend machen könne.

IV.

Im Hinblick darauf, dass der Beitritt der Schweiz zum internationalen Weinamt von der einen Seite warm befürwortet, von der andern Seite heftig

597 bekämpft wurde, beauftragte das Volkswirtschaftsdepartement den Vorstand der eidgenössischen Weinbau Versuchsanstalt in Lausanne, Herrn Dr. Faes, anhand der bisherigen Tätigkeit des Amtes und der Verhandlungen der internationalen Weinkongresse, an denen das Weinamt eine führende Bolle spielt, zu prüfen, ob die Schweiz am Beitritt zu diesem Amte ein Interesse habe. Zu dem Zwecke nahm Herr Dr. Faes als Beobachter an der im März 1932 in Paris abgehaltenen internationalen Weinkonferenz teil. In seinem Berichte über diese Konferenz schrieb er: «Nach dieser ersten internationalen Konferenz für die Hebe und den Wein kann ich die mir gestellte Frage, ob die Schweiz ein wichtiges Interesse habe, dem internationalen Weinamt in Paris beizutreten, bejahen.

Dieses Amt, das sich ursprünglich nur mit der Weinpropaganda und dem Weinhandel befassen zu wollen schien, beschäftigt sich heute mit allen den Weinbau betreffenden Fragen (Direktträger-Hybriden, Tafeltraubenkonsum, Herstellung konzentrierter Traubensäfte usw.).» V.

Erweckten einige vom Weinamt zu Beginn seiner Tätigkeit gefasste Beschlüsse und zur Prüfung entgegengenommene Anträge den Eindruck, der Vorstand dieses Amtes sehe seine Aufgabe in der rücksichtslosen Forderung des Weinkonsums und der Bekämpfung aller ihm entgegenstehenden Hemmnisse, so darf heute festgestellt werden, dass das Amt seine Tätigkeit auf einen breitern Boden gestellt und sich die Hebung des Weinbaues, der Weinbereitung und des Weinhandels im allgemeinen zum Ziele gesetzt hat. Seit dem Jahre 1930 wurden beispielsweise folgende Fragen auf das Arbeitsprogramm gesetzt und darüber in dem vom Amte herausgegebenen «Bulletin international du vin» wertvolle Berichte veröffentlicht: 1. Die Frage der Prohibition.

2. Steuern und Zölle auf Weine.

3. Förderung des Tafeltraubenkonsums und der Trauben verwendenden Industrien.

4. Kulturverfahren und Beschränkung der Anpflanzungen.

5. Die Direkttrager (Hybriden).

6. Förderung der Weindestillation und des Verbrauches von Weinsprit.

7. Bekämpfung der Betrugereien und der illoyalen Konkurrenz, Schutz der Herkunftsbezeichnungen.

8. Anlage von Dokumentensammlungen über den Weinbau aller Länder.

9. Organisation und Ausgestaltung des landwirtschaftlichen Kreditwesens für Weinbau und Massnahmen zur Förderung der Weinbaugenossenschaften.

10. Vereinheitlichung der Analysenmethoden für Wein. Verbesserung der Weinbereitung.

11. Propaganda für den Weinkonsum.

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Die meisten dieser Fragen bieten nicht nur für die Weinexportländer, sondern für alle Länder, wo Weinbau getrieben wird, Interesse. Dem Weinamt sind denn auch nicht nur Export- sondern auch Importländer beige treten.

Es gehören ihm zurzeit an Algier, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, Marokko, Österreich, Portugal, Eumänien, Spanien, Tunis, Ungarn und Jugoslawien, insgesamt 15 Länder, darunter alle Nachbarstaaten der Schweiz.

Das internationale Weinamt ist vom Völkerbund anerkannt und wird von seinem Wirtschaftskomitee als Berater in Fragen des Weinbaues und des Weinhandels beigezogen. Es arbeitet mit dem internationalen landwirtschaftlichen Institut in Born zusammen und vertritt an den internationalen landwirtschaftlichen Kongressen die Interessen des Weinbaues und Weinhandels.

Das Weinamt hat seit seiner Gründung fruchtbare Arbeit geleistet, verschiedene seiner Vorschläge haben bereits Eingang in die Gesetzgebung der meisten Weinbau treibenden Staaten gefunden, so u. a. eine einheitliche Definition des Begriffes «Wein» als «Getränk hergestellt durch Gärung frischer Trauben oder von frischem Traubensaft», die Annahme dieser Definition durch das Expertenkomitee des Völkerbundes, die Vereinheitlichung der Nomenklatur in den Zolltarifen, eine internationale Konvention über die Vereinheitlichung der Weinuntersuchungsmethoden, die auch von der Schweiz ratifiziert wurde. Eine Anzahl der Weltwirtschaftskonferenz in London unterbreitete Eesolutionen praktischer Art, insbesondere auch über die Einberufung internationaler Konferenzen zur Beratung der wichtigsten Fragen über Wein und Trauben, wurden von der Konferenz einstimmig angenommen.

In dem monatlich erscheinenden «Bulletin international du vin» und dem einmal im Jahr herausgegebenen «Annuaire international du vin» finden sich neben wertvollen wissenschaftlichen Arbeiten aus dem Gebiete des Weinbaues, der Weinbereitung und der Weinbehandlung statistische Angaben über das Eebareal, die Erträge, die Produktionskosten, die Preise, den Konsum, die Ein- und Ausfuhr von Wein, ferner die Gesetzgebung über Weine in den verschiedenen Ländern, die Weinzölle, die Ergebnisse von Erhebungen über die Verwendung giftiger Stoffe (Arsen- und Eisenzyanverbindungen) im Weinbau und in der Weinbehandlung usw.

VI.

Am III. internationalen Kongress für die Eebe und den Wein im Oktober 1932 in Eom wurde beschlossen, den nächsten Kongress 1935 in Lausanne abzuhalten. Die Behörden des Kantons Waadt und der Stadt Lausanne haben sich zur Durchführung dieses Kongresses bereit erklärt. Die eidgenössischen Eäte haben im Voranschlag für 1935 an dessen Kosten einen Beitrag von Fr. 3000 bewilligt. Das Organisationskomitee hat nun wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass es sich in einer recht unangenehmen Lage befinde und die Arbeiten erschwert werden, wenn die Schweiz dem Weinamt nicht beitrete, da das Komitee für die Organisation des Kongresses mit diesem Amt in stän-

599 diger Fühlung sein müsse. Im Dezember 1933 und im Laufe des Jahres 1934 gaben die französische Botschaft und der Direktor des internationalen Weinamtes gegenüber den Bundesbehörden wiederholt dem Wunsche Ausdruck, die Schweiz möchte dem Amte beitreten. Der Entscheid sollte deshalb nicht länger hinausgeschoben werden.

Nach Prüfung der Gründe, die für und gegen den Beitritt unseres Landes aum internationalen Weinamt sprechen, sind wir zum Entschlüsse gekommen, Ihnen den Beitritt zu empfehlen. Wir sind der Auffassung, es könne für unser Land nur von Vorteil sein, wenn es im Weinamt Sitz und Stimme erhält und dort seine Interessen direkt vertreten kann. Durch ihren Beitritt wird die Schweiz den Einfluss der Weinimportländer im Weinamt verstärken und Gelegenheit erhalten, allfällig unsern Wünschen zuwiderlaufenden, einseitig auf die Förderung des Absatzes gerichteten Bestrebungen entgegenzutreten. Den Befürchtungen, sie könnte als Mitglied des Weinamtes zu Massnahmen verhalten werden, die bei weiten Bevölkerungskreisen Missfallen erregen, ist entgegenzuhalten, dass die Beschlüsse des Weinamtes für die Mtgliedstaaten nicht verbindlich sind, sondern dass es ihnen freisteht, darüber zu entscheiden, ob und eventuell wie sie ihnen Folge geben wollen.

Der nachstehende Entwurf zu einem Bundesbeschluss über den Beitritt der Schweiz zum internationalen Weinamt in Paris sieht den Beitritt mit einer Beitragseinheit von 3000 Goldfranken vor. Dieser Beitrag gibt unserem Lande Anspruch auf ein Stimmrecht im Weinamt. Wir halten die Erwerbung eines Stimmrechtes als genügend, da es gemäss Art. 5 der Vereinbarung jedem Mitgliedstaat freisteht, eine beliebige Anzahl von Delegierten zu ernennen.

Es besteht demnach die Möglichkeit, wenn nötig für die Behandlung besonderer Fragen Spezialisten mit beratender Stimme an die Sitzungen des Weinamtes abzuordnen.

Die ständige Vertretung beim Weinamt dürfte der schweizerischen Gesandtschaft in Paris übertragen werden, so dass daraus besondere Kosten nicht erwachsen. Für die Beratung von Fachfragen und an wichtige Sitzungen wären von Fall zu Fall Sachverständige abzuordnen.

Indem wir Ihnen den nachstehenden Beschlussentwurf zur Annahme empfehlen, versichern wir Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 25. März 1935.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : K. Minger.

,

Der Bundeskanzler: G. Boyet.

600 (Entwurf.)

Bundesbeschluss über

den Beitritt der Schweiz zum internationalen Weinamt in Paris.

Die Bundesversammlung der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 25. März 1935, beschliesst : Einziger Artikel.

Der Bundesrat wird ermächtigt, dem durch die Vereinbarung vom 29. November 1924 errichteten internationalen Weinamt in Paris mit einer Beitragseinheit von 3000 Goldfranken und dem Becht auf die Abgabe einer Stimme beizutreten.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Beitritt der Schweiz zum internationalen Weinamt in Paris. (Vom 25. März 1935.)

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