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Bundesblatt

87. Jahrgang.

Bern, den 11. Dezember 1935.

Band II.

Erscheint wöchentlich Preis .20 Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- mia Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgebühr ; 50 Rappen die Petitzeile oder deren Raum -- Inserate franko au Stampf!-: & Ois. iii Bern.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Anwendung des Artikels 16 des Völkerbundspaktes auf den italienisch-abessinischen Konflikt.

(Vom 2. Dezember 1935.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir haben die Ehre, Ihnen den nachfolgenden Bericht zu unterbreiten über die von der Schweiz getroffenen Massnahmen im Zusammenhange mit der Anwendung des Artikels 16 des Völkerbundspaktes auf Italien.

I. Kurzer historischer Überblick.

Die Ereignisse, deren Schauplatz Ostafrika ist, waren von solch mannigfaltigen Wechselfallen begleitet, dass sie die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf sich lenkten und oft zur grössten Beunruhigung Anlass gaben. Das Verhältnis zwischen Italien und Abessinien hatte sich im Laufe des Sommers derart zugespitzt, dass ein Kriegsausbruch unvermeidlich schien. Seit Monaten beklagte sich Italien über die Gefahr, welcher seine Besitzungen in Somaliland und Erythrea seitens des Eeiches des Negus ausgesetzt waren ; es schien entschlossen zu sein, zu den äussersten Massnahmen zu greifen für den Fall, dass Abessinien den ihm als berechtigt erscheinenden Ansprüchen nicht gerecht werde. Seine Forderungen waren jedoch unvereinbar mit dem Willen Abessiniens, sein Gebiet vor einer Zerstückelung zu bewahren und seine Unabhängigkeit zu behaupten.

Der Konflikt erfuhr infolge des Zwischenfalles von Wal-Wal eine wesentliche Verschärfung. Am 14. Dezember 1934 richtete die abessinische Regierung eine Kote an den Völkerbund, mit welcher sie die Aufmerksamkeit des Eates «auf einen Angriff, den italienische Truppen gegen die abessinische SchutzBundesblatt. 87. Jahrg Bd. II.

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922 mannschaft der englisch-abessinischen Kommission, welche die Weidrechte in der abessinischen Provinz Ogaden prüfte, vom Zaune gerissen hätten», lenkte. Die italienische Eegierung gab umgehend zur Antwort, dass die Behauptungen der Regierung von Addis-Abeba unbegründet seien und dass die Verantwortlichkeit des Angriffes vom 5. Dezember einzig und allein den Truppen des Negus zufalle. Zudem bestritt sie, dass Wal-Wal auf abessinischem Gebiete liege. Äthiopien verlangte eine schiedsgerichtliche Behandlung der Angelegenheit, indem es sich auf den italienisch-äthiopischen Freundschaftsvertrag vom 16. Mai 1908 berief, in welchem die Grenze zwischen Abessinien und Somaliland festgelegt worden war. Die Auseinandersetzung verschlimmerte sich dermassen, dass die abessinische Eegierung am 3. Januar 1935 der Angelegenheit die Auslegung «eines italienischen Angriffs gegen die äthiopische Besatzung von Guerlogubi» gab und den Völkerbundsrat ersuchte, alle notigen Vorkehrungen gemäss Artikel 11 des Paktes zu treffen, um den Frieden zu sichern.

Diese Frage wurde dann auch am 17. Januar in die Tagesordnung des Völkerbundsrates aufgenommen. Italien verlangte die Vertagung der Angelegenheit mit der Begründung, «dass die Behandlung des abessinischen Begehrens die Weiterverfolgimg direkter Verhandlungen zur Erzielung einer Einigung kaum erleichtern würde». Da Abessinien einer Vertagung formell nichts entgegensetzte, konnte der Völkerbundsrat von einer Behandlung absehen, nachdem die beiden Parteien erklärt hatten, dass sie «bereit seien, eine Beilegung des Zwischenfalles im Sinne des italienisch-abessinischen Freundschaftsvertrages von 1928 herbeizuführen» und dass sie sich verpflichteten, alle nötigen Massnahmen zu ergreifen, um neue Zwischenfälle zu vermeiden.

Die Lage verbesserte sich indessen nicht. Im April verlangte die abessinische Eegierung eine umgehende Behandlung der Angelegenheit, indem sie sich darauf berief, dass mehrere tausend ägyptische Arbeiter nach Erythrea gesandt worden seien, welche ihrer Ansicht nach dazu bestimmt wären, Arbeiten auszuführen, denen die Bedeutung italienischer Kriegsvorbereitungen zukomme.

Die italienische Eegierung gab der Meinung Ausdruck, dass es vorzuziehen wäre, die direkten Verhandlungen weiter zu führen, aber dass sie nichtsdestoweniger bereit sei, den Zwist
Schiedsrichtern zu unterbreiten. Überdies erachtete sie es als nicht zulässig, dass ein Streitfall gemäss Artikel 15 des Paktes dem Völkerbundsrate unterbreitet werde, nachdem sich beide Parteien auf ein Schiedsgerichtsverfahren geeinigt hätten.

Die Einleitung des Schiedsgerichtsverfahrens rief neuen Schwierigkeiten, um so mehr, als Abessinien auf seiner Meinung beharrte, dass Italien die Kriegsvorbereitungen an der Eeichsgrenze fortsetze. In der Mai-Session des Völkerbundsrates wurde eine Eesolution angenommen, welche festlegte, dass das Schiedsgerichtsverfahren bis zum 25. August beendigt sein müsse. Der Bat beschloss ferner, wieder zusammenzutreten, falls bis zum 25. Juli keine Einigung über die Wahl des obersten Schiedsrichters erzielt werden sollte, oder falls bis zum 25. August keine gütliche Lösung gefunden werden könnte.

923 Am 19. Juli gab die abessinische Begierung bekannt, dass die italienische Eegierung weiterfahre, «beträchtliche Truppenbestände und Kriegsmunition nach Ostafrika zu entsenden und in Verbindung damit durch chauvinistische Äusserungen und Drohreden die Unabhängigkeit und Unantastbarkeit Äthiopiens gefährde». Um ihre friedlichen Absichten zu unterstreichen, verlangte sie, dass der Völkerbundsrat umgehend «neutrale Sachverständige bestelle, welche sich auf abessinisches Gebiet zu begeben hätten, um die Grenzgebiete, welche an Italienisch-Somaliland und an die andern Kolonien anstossen, zu besichtigen».

Nach zahlreichen neuen Schwierigkeiten, auf welche einzugehen es sich nicht lohnen würde, konnte, dank einem neuen Einschreiten des Völkerbundsrates im Monat August, der endgültige Schiedsgerichtsentscheid hinsichtlich des Zwischenfalles von Wal-Wal am 8. September erwirkt werden. Da die Verantwortlichkeit keiner der beiden Parteien festgestellt wurde, musste das Verfahren erfolglos bleiben.

Gleich nach Zusammentritt des Völkerbundsrates im Monat August wurden in Köm seitens Frankreichs und Grossbritanniens Verhandlungen aufgenommen, welche bezweckten, wenn möglich, eine friedliche Lösung der schwebenden Schwierigkeiten zu erreichen. Wie aus einem offiziellen Dokument des Völkerbundes hervorgeht, bestanden die französisch-englischen Vorschläge «insbesondere darin, Abessinien gemeinschaftlich Beistand zu gewähren, um ihm unter Aufsicht des Völkerbundes zu helfen, gewisse Eeformen durchzuführen. Abessinien hätte diesen Vorschlag freiwillig anzunehmen. Die Mitwirkung der drei Grenzmächte wäre erfolgt, was nicht verhindert hätte, namentlich die besondern Interessen Italiens in Betracht zu ziehen, ohne deswegen die Frankreich und dem Vereinigten Königreich zustehenden Kechte zu verletzen». Die Vorschläge wurden von der italienischen Begierung verworfen.

Als der Völkerbundsrat am 4. September zusammentrat, hatte die Spannung in den Beziehungen zwischen Abessinien und Italien noch zugenommen. Die italienische Eegierung überreichte eine Denkschrift, welche einer regelrechten Anklage gegen das abessinisehe Eeieh gleichkam. Sie behauptete in diesem Zusammenhange, dass Italien «in seiner Ehre als zivilisierte Nation tief gekränkt wäre, wenn es die Besprechungen im Schosse des Völkerbundes auf dem Fusse der
Ebenbürtigkeit mit Abessinien fortsetzen würde». In den Augen der römischen Eegierung «ist es das Grundprinzip des Paktes, dass ein Staat zum Völkerbund nicht zugelassen werden kann und ihm infolgedessen auch nicht mehr angehören darf, wenn er nicht gewisse Grundbedingungen erfüllt oder ihnen nicht mehr nachlebt : nämlich, dass er eine stabile Eegierung hat, über eine zuverlässige Organisation von Verwaltung und Politik verfugt und festgelegte Grenzen hat». Italien, fügte die Denkschrift bei, «könne auf die Bestimmungen des Vertrages von 1928 als solchem nicht mehr zählen und könne sich auch nicht auf Garantien rein juristischer Natur verlassen, um die i Km auferlegte Verantwortlichkeit zu erfüllen, welche darin besteht, ein für alle Male die Gefahren, welchen seine eigenen Kolonien ausgesetzt sind, zu beseitigen.

924 Da es sich um eine Lebensfrage handle und um ausschlaggebende Interessen, was die Sicherheit Italiens und die italienische Zivilisation als solche anbetrifft, würde die römische Eegierung ihre elementarsten Pflichten vernachlässigen, wenn sie Abessinien nicht endgültig ihr Vertrauen entzöge, und wenn sie sich nicht volle Handlungsfreiheit vorbehielte, um alle Massnahmen zu ergreifen, welche für die Sicherheit ihrer Kolonien und für die Wahrnehmung ihrer eigenen Interessen unerlässlich werden sollten». Der Vertreter Abessiniens erhob Einspruch gegen die Anschuldigungen, welche seinem Lande gegenüber gemacht wurden und verlangte vom Eat, dass die notwendigen Massnahmen ergriffen würden, um «die Aufgabe, die ihm kraft Alinea 8 des Artikels 15 zufalle», zu erfüllen.

Der Völkerbundsrat bestellte am 6. September einen Ausschuss, welcher beauftragt wurde, «die italienisch-abessinischen Beziehungen in ihrer Gesamtheit und mit der Absicht, dass eine friedliche Lösung gefunden werde», zu prüfen*). Der Eat erklärte in der Folge, seine Vorschlage seien vom Gedanken ausgegangen, dass Abessinien gegenüber eine internationale Mitwirkung «als angezeigt erschien, um eine für beide Parteien annehmbare Lösung zu finden : die Unabhängigkeit und territoriale Unantastbarkeit Äthiopiens würden sichergestellt; Italien hätte die Möglichkeit, seine freundschaftlichen Beziehungen zu diesem Lande \\ieder herzustellen und eine von gegenseitigem Vertrauen getragene Zusammenarbeit in aller Sicherheit wieder aufzunehmen». Es muss beigefügt werden, dass die britische und französische Regierung wissen liessen, «sie seien bereit, gemeinsame Opfer zu bringen, um einen territorialen Ausgleich zwischen Italien und Äthiopien herbeizuführen»; sie wären des weitern damit einverstanden, «Italien eine Sonderstellung in der wirtschaftlichen Entwicklung Äthiopiens zuzugestehen». Die italienische Eegierung glaubte auf diese Vorschläge nicht eingehen zu können, und am 26. September nahm der Völkerbundsrat Kenntnis von ihrer ablehnenden Haltung. Da die Versöhnungsbestrebungen somit gescheitert waren, blieb dem Eate nichts anderes übrig, als die Empfehlungen vorzubereiten, welche Artikel 15, Alinea 4, des Paktes in Aussicht nimmt. Zu diesem Zwecke bestellte er einen Ausschuss aller Mitglieder des Völkerbundsrates, mit Ausnahme der Vertreter
der gegnerischen Parteien.

Am 3. Oktober eröffnete die italienische Eegierung die Feindseligkeiten gegen Abessinien, in dem sie geltend machte, « der in Abessinien geförderte kriegerische und feindselige Geist habe es dazu gebracht, dass der Krieg gegen Italien unvermeidlich sei, was infolge der allgemeinen Mobilmachung, die vom Kaiser am 28. September verfügt wurde, voll und ganz zum Ausdruck gekommen sei».

Am 7. Oktober genehmigte der Völkerbundsrat einstimmig, Italien ausgenommen, den Bericht, den er gemäss Artikel 15, Alinea 4, des Paktes zu erstatten hatte. Dieser Bericht enthielt unter anderem die nachfolgenden Erwägungen : *) Der Ausschuss setzte sich aus 5 Mitgliedern des Völkerbundsrates zusammen, nämlich Spanien, das Vereinigte Königreich, Prankreich, Polen und die Türkei.

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« Abessinien ist in den Völkerbund aufgenommen worden, und als Mitglied desselben geniesst es die Bechte und untersteht es den Verpflichtungen der Mitglieder des Bundes. Abessinien ist dem Pakte beigetreten, welcher in Paris am 27. August 1928 über den Verzicht auf den Krieg unterzeichnet worden ist.

Es hat auf zwei Jahre, und zwar ab 18. September 1934, seine Annahme der fakultativen Klansei des Statuts des Ständigen Internationalen Gerichtshofes erneuert. Der Völkerbundsvertrag, der Pariser Pakt, der italienisch-abessinische Freundschafts-, Schlichtungs- und Schiedsvertrag vom 2. August 1928, welch letzterer vom selben Geiste wie die beiden ersten Pakte beseelt ist, und die fakultative Klausel des Statuts des Ständigen Internationalen Gerichtshofes bedeuten sowohl für Abessinien wie auch für Italien feierlich eingegangene Verpflichtungen, welche für die Beilegung von Streitigkeiten die Zuflucht zur Waffengewalt ausschliessen.

Was die besondern Verpflichtungen anbetrifft, welche Äthiopien bei seinem Eintritt in den Völkerbund übernommen hat, ist zu bemerken, dass gemäss dem Wortlaut der von ihm unterzeichneten Erklärung «die Erfüllung dieser Verpflichtungen als in den Interessenkreis des Völkerbundes fallend anerkannt worden ist» und dass, obwohl ein anderes Land nach wie vor das Hecht hat, die Aufmerksamkeit des Völkerbundsrates auf einen Bruch der von Äthiopien eingegangenen besonderen Verpflichtungen zu lenken, es dem Eate allein zusteht, den in Betracht kommenden Fall zu prüfen und der abessinischen Eegierung Weisungen zu erteilen».

Der Bericht hob zum Schlüsse hervor, dass die äthiopische Eegierung alles getan habe, was in ihrer Macht lag. um eine Zuspitzung des Konfliktes zu verhindern und um Lösungsrnöglichkeiten vorzubehalten, welche zwecks Beilegung des Zwistes empfohlen werden sollten.

Die italienische Eegierung machte hinsichtlich der Feststellungen des Berichtes ausdrückliche Vorbehalte und erklärte, dass sie erachte, «dadurch den Pakt in keiner Weise verletzt zu haben, dass sie die nötigen Massnahmen ergriff, um die Sicherheit der italienischen Kolonien auf eine Art und Weise zu gewährleisten, welche ihr von den Verhältnissen und auf Verschulden anderer aufgezwungen worden ist».

Abessinien machte seinerseits die Tatsache des Angriffs geltend und verlangte die Anwendung des Artikels
16 des Völkerbundspaktes auf Italien.

Ein aus sechs Mitgliedern bestehender Ausschuss des Völkerbundsrates war beauftragt worden, die sich aus dem Ausbruch der Feindseligkeiten ergebende Lage zu prüfen. Er unterbreitete dem Rate seine Schlussfolgerungen in derselben Sitzung vom 7. Oktober. Nachdem «die aus amtlichen Quellen bekannten Tatsachen» geprüft worden waren, kam der Eat «zum Schlüsse, dass die italienische Eegierung den Krieg begonnen hat, im Widerspruch zu den genaäss Artikel 12 dos Völkerbundspaktes eingegangenen Verpflichtungen».

Die Schlussfolgerungen des Berichtes wurden mit Ausnahme Italiens von allen Mitgliedern des Völkerbundsrates angenommen, worauf der Präsident

926 feststellte, dass 14 im Eate vertretene Mitglieder des Völkerbundes erachteten, sie stünden «einem Kriegsfalle gegenüber, welcher gegen die im Artikel 12 des Paktes eingegangenen Verpflichtungen verstosse». Diese Feststellung löste ohne weiteres die Anwendung von Artikel 16 des Paktes aus, und es lag somit dem Eate ob, «die Aufgabe zu übernehmen, ein einheitliches Vorgehen hinsichtlich der zu ergreifenden Massnahmen zu erreichen». Da die Völkerbundsversammlung 48 Stunden später (am 9. Oktober) zusammentrat, zog es der Hat vor, deren unmittelbare Mitwirkung hinsichtlich der gemeinsamen Massnahmen zu erreichen, welche der Völkerbund nunmehr gezwungenermassen gegen Italien zu ergreifen habe.

n. Die Intervention der Völkerbundsversammlung 1).

Bekanntlich war die Völkerbundsversarnmlung, die am 9. September eröffnet worden war, nach Erschöpfung ihrer Tagesordnung nicht geschlossen worden. Entsprechend der Stimmung, die unter den Eatsmitgliedern herrschte, und auf Antrag des Bureaus hatte sie am 28. September beschlossen, die Session lediglich zu vertagen, da die politische Lage eine Wiedereinberufung durch den Vorsitzenden wünschbar machen konnte. Als der Krieg zwischen Italien und Abessinien ausgebrochen war, wurde die Versammlung am 9. Oktober von neuem zusammenberufen; zuvor hatte ihr Vorsitzender vom Eatspräsidenten eine Mitteilung erhalten über «die dem Eate obliegende Aufgabe und über den Wunsch der Eatsmitglieder, auch die Versammlung an dieser Aufgabe zu beteiligen». In der ersten Sitzung legte der Vorsitzende, Herr Bénès (Tschechoslowakei), unter anderem dar, dass «die Schwere der neuen Ereignisse wohl jedes Dringlichkeits- oder Sonderverfahren rechtfertigen dürfte, denn die Versammlung ist Kraft der Bestimmungen des Paktes zur Beschlussfassung in jeder Frage befugt, die im Tätigkeitsbereiche des Völkerbundes liegt oder den Weltfrieden zu gefährden vermag. Desgleichen kann die Versammlung selber über ihr Verfahren bestimmen und wäre somit befugt, die Mitteilung des Eatspräsidenten als einen von Amtes wegen eingereichten Bericht des Eates an die Ver*) Die schweizerische Delegation war folgendennassen bestellt: Delegierte : Herr Bundesrat Giuseppe Motta, Vorsteher des Politischen Departements, Herr William Rappard, Direktor des «Institut universitaire des hautes études internationales »,
Herr Walter Stuoki, bevollmächtigter Minister, Direktor der Handelsabteilung; stellvertretende Delegierte : Herr Robert Schöpfer, Ständerat, Herr Albert Oeri, Nationalrat, Chefredaktor der «Basler Nachrichten», Herr Camille Gorgé, Legationsrat, Chef der Sektion für den Völkerbund beim Politischen Departement: Herr Gorgé amtete zugleich als Generalsekretär der Delegation ; Sekretär : Herr Henri Voirier, juristischer Beamter beim Politischen Departement.

927 Sammlung zu betrachten». Nachdem die Versammlung beschlossen hatte, den italienisch-abessinischen Konflikt gemäss Geschäftsreglement auf die Tagesordnung zu setzen und zudem ungesäumt auf dessen Beratung einzutreten, umschrieb der Vorsitzende die Aufgabe der Versammlung noch wie folgt: «1. Dem Völkerbundsrat wird die Behandlung des italienisch-abesßinischen Konfliktes nicht entzogen und die Versammlung tritt diesbezüglich nicht an Stelle des Eates.

2. Die Versammlung greift weder die Prüfung der Frage als solche wieder auf noch das Arerfahren gemäss Art. 15, das bereits im Eate zur Genehmigung eines Berichtes geführt hat.

3. Die Mitglieder der Versammlung haben Gelegenheit, Stellung zu den Geschehnissen im Eate während der letzten Tage zu nehmen, das heisst, zu den Schriftstücken, die vom Eatspräsidenten bekanntgegeben worden sind.

4. Da der Eatspräsident den Wunsch der Eatsmitglieder geäussert hat, dass sich die Versammlung in Hinsicht auf die zu ergreifenden Massnahmen an der Mission des Eates beteilige, wird der Versammlung die bedeutsame Aufgabe zufallen, sich mit dieser Frage zu beschäftigen und die allenfalls dadurch bedingten Beschlüsse zu fassen, wie beispielsweise über die Bestellung und die Aufgaben eines Koordinationsorganes.» Die Versammlung nahm diese Erklärungen ohne Widerspruch zur Kenntnis.

Gleich darauf wurde die allgemeine Beratungüberzwei sich folgende Erklärungen des österreichischen und des ungarischen Delegierten eröffnet. Diese beiden Staaten gaben bekannt, dass sie mit Eücksicht auf ihre besondere Stellung zum einen der Kriegführenden sich den Feststellungen der vierzehn Ratsmitglieder nicht anschliessen könnten und daher auch die Sanktionen gegen Italien nicht anwenden würden. Albamen gab später eine entsprechende Erklärung ab.

Der italienische Delegierte legte ausführlich den Standpunkt seiner Eegierung dar. Er machte gegen das im vorliegenden Falle eingeschlagene Verfahren alle Vorbehalte geltend. Er erklärte: «Nachdem Italien für seine Sicherheit und die Anerkennung seiner Eechte nicht mehr auf den Beistand des Völkerbundes zählen konnte, sah es sich bei dessen Versagen genötigt, durch ausschliesslich eigene Mittel einer Gefahr vorzubeugen, die von Tag zu Tag grösser und droh ender geworden war. Die Mobilisierung von mehr als einer Million Mann, die die abessinische
Eegierung in den letzten Tagen beschlossen hat, war der Gipfel alles Bisherigen und das entscheidende Ereignis, welches für die Sicherheit Italiens unerträglich war. Denn dadurch wurde dem dauernden Angriffszustande, in dem sich Abessiuien befindet, in endgültiger Weise der Charakter einer unmittelbaren Gefahr verliehen, die Italien zum Eingreifen entsprechender militärischer Massnahmen gezwungen hat.» Baron Aloisi schloss seine Eede mit folgenden Worten: «Italien ist überzeugt, dass es den wahren Völkerbundsgeist vertritt und dass es unter den obwaltenden Umständen nicht nur seinen eigenen Kampf, sondern auch den Kampf des

928 Völkerbundes kämpft, weil es für den lebendigen Geist des "Völkerbundes eintritt und nicht für den toten Buchstaben. Dieses Italien hat den berechtigten Stolz, dem Völkerbunde den Weg zu neuem Leben und zu neuer Wirksamkeit zu weisen, und dieser Weg wird durch zwei Grundsätze bestimmt : 1. Die Politik der zweierlei Masse und Gewichte muss endgültig aufhören; 2. der Pakt muss zu einem harmonischen Ganzen gemacht werden : Der Teil, der die Anpassung an die Entwicklung anstrebt, muss mit demjenigen, der die Erhaltung des Bestehenden will, in Einklang gebracht werden, um so dem Pakte die nötige Biegsamkeit zu geben, dem Gang der Geschichte zu folgen und die jederzeit neuen Situationen zu regeln, die sonst vielleicht zu Konflikten führen würden.

Niemand kann diesen neuen Geist, diese gebieterische Notwendigkeit des Lebens besser zum Ausdruck bringen als Italien. Inmitten einer geistigen und materiellen Entwicklung stehend, durch historische Geschehnisse und internationale Schranken in einen territorialen Pianm eingeengt, der es erstickt, ist Italien das Land, das vor der Völkerbundsversaramlung die Stimme des grossen Proletariers zu erheben hat, der Gerechtigkeit verlaugt.» Fünfzehn Eedner ergriffen hierauf noch das Wort. Die einen pflichteten den Schlussfolgerungen der vierzehn Mitglieder des Rates bei, die andern äusserten ihre Ansicht über den Konflikt und die allfällige Anwendung von Sanktionen gegenüber Italien. Der erste Delegierte der Schweiz griff in die Beratung ein, um die besondere Lage unseres Landes darzutun. Wir geben diese Erklärungen wegen ihrer Wichtigkeit im vollen WTortlaute hier wieder: «Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Gestatten Sie mir, der Versammlung im Namen des schweizerischen Bundesrates eine kurze Erklärung abzugeben, die bezweckt, einige Normen festzulegen, von denen sich die Politik der Schweizerischen Eidgenossenschaft in dem Konflikte, der vor Ihnen liegt, leiten lässt. Die schweizerische Delegation hat sich stillschweigend, entsprechend dem Verfahren, das das Bureau der Versammlung vorgeschlagen und das diese angenommen hat, der Feststellung angeschlossen, die die Eatsmächte gemacht haben. Diese Feststellung öffnet den Sanktionen die Ture, die in Artikel 16 des Paktes vorgesehen sind. Bis jetzt hat ausser einer der direkt beteiligten Mächte niemand auf
Sanktionen im Sinne einer eigentlichen Gevv-altanwendung angespielt. Die schweizerische Delegation nimmt von dieser wichtigen Tatsache Kenntnis. Die andere Sanktionskategorie ist die der wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen. Durch ihren Charakter und ihren Gegenstand sollen diese nicht feindselige Handlungen sein und sind es in unseren Augen auch nicht. Sie bezwecken, auf die eine der Parteien einen moralischen und namentlich materiellen Druck auszuüben, um sie zur Wiederherstellung des Friedens zu veranlassen.

Die Schweizerische Eidgenossenschaft wird sich ihrer Pflicht zur Solidarität mit den andern Mitgliedern des Völkerbundes nicht entziehen. Die Achtung vor den übernommenen Verpflichtungen und die

929 Treue gegenüber freiwillig abgeschlossenen Verträgen sind Prinzipien, die für die Eidgenossenschaft nicht diskutierbar sind. Ihre Politik war stets und wird immer sein loyal, klar und gradlinig. Das Statut der Schweizerischen Eidgenossenschaft bleibt in bezug auf ihre auswärtigen Beziehungen beherrscht vom G r u n d s a t z dei N e u t r a l i t ä t . Diese gründet sich auf die Geschichte, die Überlieferung, die geschriebene Verfassung und die nationale Zusammensetzung des Landes. Diese Neutralität ist Bestandteil des V ö l k e r r e c h t s geworden. Sie ist zunächst als übereinstimmend mit den Interessen Europas und später mit dem der ganzen Welt anerkannt worden. Die Deklaration, die der Völkerbuudsrat am 13. Februar 1920 in London abgegeben hat. bestätigt sie in feierlichen "Worten. Die Eidgenossenschaft hätte sich nie entschlossen, dem Völkerbund bcizutreten, wenn ihre Teilnahme mit der Preisgabe ihres jahrhundertealten Staatsgrundsatzes hätte erkauft werden müssen.

Alles, was wir in Genf gesehen, beobachtet und erlebt haben seit 1920, hat uns in der Überzeugung, dass unsere Haltung richtig v, ar, bestärkt.

Demgemäss ist unsere allgemeine V e r p f l i c h t u n g , an w i r t s c h a f t lichen und finanziellen Sanktionen teilzunehmen, auch abgesehen davon, dass jede Teilnahme an militärischen Sanktionen ausgeschlossen ist, nicht absolut. Die Grenzen unserer Verpflichtungen sind durch unsere Neutralität gesteckt, die in unseren Augen zugleich einen fundamentalen Grundsatz und ein Lebensinteresse darstellt. Wir halten uns nicht zu Sanktionen verpflichtet, die durch ihre Xatur und ilare Auswirkungen unsere Neutralität einer wirklichen Gefahr, die wir im Vollbesitz unserer Souveränität abzuschätzen haben, aussetzen würden.

Wir werden uns der Teilnahme am Koordinationskomitee, das die Versammlung einsetzen wird, wenn sie sie wünscht, nicht entziehen, aber ich habe darauf gehalten, von vorneherein jede Unklarheit in bezug auf Sinn und Tragweite unserer allfàlligen Mitarbeit zu beseitigen. Und zum Schluss begrüsse ich den grossherzigen Gedanken, den soeben Herr Ministerpräsident Laval als Sprecher Frankreichs ausgedrückt hat: Die Anstrengungen zur Herbeiführung einer V e r s ö h n u n g müssen fortdauern. Wir heissen sie im Namen der gemeinsamen Freundschaft und des gemeinsamen Interesses
willkommen. Der Völkerbund wird seine höchste und verdienstvolle Aufgabe nur erfüllt haben, wenn er, ilässigung und Bestimmtheit vereinigend, alles getan haben wird, um zu verhindern, dass der blutige Konflikt andauere und sich ausdehne, und um ihn im Einverständnis der Parteien in einem höheren Geiste der Gerechtigkeit und Billigung zu lösen.» Da vereinbart worden war, dass die Staaten, die von der Tribüne aus keine Erklärung abgeben würden, stillschweigend der Ansicht der Ratsmitglieder über die Feststellung des Angreifers beipflichteten, ergab es sich, dass abgesehen von Österreich, Ungarn und Albanien von den 54 an der Versammlung vertretenen Ländern 50 die Meinung vertraten, dass es sich im vorliegenden Fall um einen Paktbruch im Sinne von Art. 16 handle.

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Die Beratung wurde geschlossen, nachdem der Vertreter Abessiniens noch einmal gegen die von Italien erhobenen Anschuldigungen protestiert hatte und den entschlossenen Willen seines Landes beteuert hatte, sich mit allen Mitteln der ihm zugefügten Gewalt zu widersetzen.

Die Versammlung genehmigte hierauf folgende Eesolution: Die Versammlung hat von den Ansichten der Eatsmitglieder, wie sie in der Eatssitzung vom 7. Oktober 1935 dargelegt wurden, Kenntnis genommen; in Erwägung der den Völkerbundsmitgliedern aus Artikel 16 dea Paktes erwachsenden Verpflichtungen und im Hinblick auf die Nützlichkeit einer Koordination der Massnahmen, die jeder einzelne zu ergreifen beabsichtigt; verleiht dem Wunsche Ausdruck, dass die Mitglieder des Völkerbundes (mit Ausnahme der Parteien) einen Ausschuss bilden, in dem jeder Staat durch einen Delegierten und Sachverständige vertreten sei, und der die Koordination der Massnahmen zu prüfen und zu erleichtern und ferner die Aufgabe hätte, die Aufmerksamkeit des Eates und der Versammlung auf jede Lage zu lenken, die eine Prüfung erheischen könnte.

Die Arbeiten der Versammlung wurden am 11. Oktober beendigt; doch wurde beschlossen, die Versammlung von neuem zu vertagen, da nach allgemeiner Ansicht die Gründe, welche die erste Vertagung notwendig gemacht hatten, in vollem Umfange weiterbestanden.

III. Koordinationsausschuss.

Erste Sitzung (11.--19. Oktober). Die mit der Anwendung des Artikels 16 des Völkerbundspaktes betraute Kommission trat am 11. Oktober in Genf zusammen 1). Aus rein praktischen Gründen legte sie sich den Namen Koordinationsausschuss bei, welcher Ausdruck vielleicht nicht ganz zutreffend ist, aber dennoch ziemlich gut die Aufgabe dieser Versammlung von Staaten umschreibt, die, jeder für sich, angehalten sind, die Sanktionen Italien gegenüber anzuwenden und sich naturgemäss über die zu ergreifenden Massnahmen verständigen müssen. Nachdem der Koordinationsausschuss Herrn de Vasconcellos (Portugal) als Präsidenten bezeichnet hatte, bildete er einen engern Ausschuss, der schliesslich Achtzehnerausschuss 2) genannt wurde und dem es oblag, die Entscheidungen vorzubereiten, die durch den Koordinationsausschuss selber getroffen werden mussten.

*) Der Bundesrat hatte an die Konferenz Herrn Bundesrat Motta abgeordnet.

Ihm standen zur Seite Herr Minister Stucki,
Chef der Handelsabteilung, und Herr Legationsrat G. Gorgé, Sektionschef beim Politischen Departement.

a ) Diesem Ausschuss gehören ausser seinem Präsidenten, Herrn de Vasooncellos (Portugal), die Vertreter der nachstehenden siebzehn Staaten an : Frankreich, Grossbritannien, Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Polen, Spanien, Südafrika, Argentinien, Belgien, Kanada, Griechenland, Niederlande, Rumänien, Schweden, Tschechoslowakei, Schweiz, Jugoslawien und Mexiko.

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Auf Vorschlag des kanadischen Delegierten, der durch die Vertreter mehrerer Länder unterstützt wurde, trat der Achtzehnerausschuss sofort an die Frage des Verbots der Ausfuhr von Waffen, Munition und Kriegsmaterial nach Italien heran. Ein Eesolutionsentwurf wurde unverzüglich ausgearbeitet, der «den Eegierungen unter anderem vorschlug: 1. augenblicklich die Massnahmen rückgängig zu machen, die im Interesse des Verbots oder der Beschrankung der Ausfuhr, der Wiederausfuhr oder der Durchfuhr von Waffen. Munition oder Kriegsmaterial für Abessinien getroffen wurden; 2. sofort die Ausfuhr, die Wiedereinfuhr und die Durchfuhr der nämlichen Artikel für Italien zu verbieten».

~~ Die durch den Vorschlag betroffenen Waffen, Munitionsarten und Kriegsmaterialien waren in einer Beilage aufgeführt, die durch einen Ausschuss militärischer Sachverstandiger besonders geprüft wurde.

Am nämlichen Tage (11. Oktober) billigte der Koordinationsausschuss, mit der einzigen Enthaltung Ungarns, den «Vorschlag Nr. l» genannten Vorschlag, den ihm der engere Ausschuss unterbreitet hatte. Der Wortlaut findet sich im Anhang.

Der Achtzehnerausschuss beschloss darauf, die Frage der Italien gegenüber zu ergreifenden finanziellen Sanktionen an einen durch Herrn Maximos (Griechenland) präsidierten Sachverstandigenausschuss zu verweisen. Ein Eesolutionsentwurf, genannt «Vorschlag Nr. 2», wurde rasch ausgearbeitet und dem Achtzehnerausschuss unterbreitet. Dieser Vorschlag, dessen Wortlaut sich ebenfalls im Anhang des vorliegenden Berichts findet, sah das Verbot von direkten oder indirekten Darlehensgeschäften, von Bankkrediten, Aktienemissionen usw. zugunsten der italienischen Eegierung oder zugunsten öffentlicher Körperschaften, natürlicher wie auc'h juristischer Personen, vor, die in Italien niedergelassen sind. Der Vorschlag gab zu keiner langen Diskussion Anlass, da jedermann mit den Grundsätzen einverstanden schien. Der erste Delegierte der Schweiz machte dennoch einen ausdrücklichen Vorbehalt hinsichtlich der finanziellen Beziehungen zwischen schweizerischen Firmen und ihren Filialen in Italien, da diese augenscheinlich nicht den aus der Anwendung der finanziellen Sanktionen sich ergebenden Nachteilen ausgesetzt werden dürften. Herr Motta erklarte bei dieser Gelegenheit, dass die Schweiz, getreu den durch die Völkerbundsversammlung
von 1921 in ihren auslegenden Besolutionen niedergelegten Grundsätzen, die Sanktionen im Innern ihres Gebietes nicht anwenden würde. Die Zwangsgewalt des Völkerbundes hat in der Tat nur von Gebiet zu Gebiet in Erscheinung zu treten.

Der Vorschlag Nr. 2 wurde ·vom Koordinationsausschuss nach den seitens Österreichs und Ungarns zu erwartenden Einschränkungen am 14. Oktober ohne Schwierigkeit angenommen. Im Laufe der Diskussion machte Herr Stucki (Schweiz) geltend, dass die finanziellen Massnahmen, so wie sie umschrieben und vorgeschlagen worden waren, keineswegs, wie von gewisser

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Seite verlautete, «auf die Zahlung der Italien gegenüber eingegangenen Schulden» Anwendung fänden. Die Zahlungen der Schuldner an ihre Gläubiger ·würden durch die Sanktionen nicht berührt. Diese Auffassung fand allgemeine Zustimmung. Auf Vorschlag des Delegierten Irlands kam man zudem überein, dass die in Bede stehenden finanziellen Massnahmen ebensowenig Einrichtungen humanitärer oder religiöser Natur, wie das internationale rote Kreuz oder die geistlichen Orden in Italien, treffen sollen.

Der Achtzehnerausschuss prüfte alsdann das Verbot der Einfuhr der von Italien kommenden Waren, welche Massnahme besonders die britische Regierung als «die geeignetste und rascheste» betrachtete. «Nach Auffassung meiner Regierung», erklärte Herr Eden, «wird dieses Druckmittel sehr wirksam sein und nicht ohne ansehnliche Ergebnisse hinsichtlich der Fähigkeit Italiens bleiben, sich wesentlich notwendige Waren zu verschaffen. Ein Einfuhrverbot aller Völkerbundsmitglieder gegenüber den italienischen Waren wird den italienischen Export um ungefähr 70 % herabschrauben... Die Anwendung dieser Massnahme wird darauf hinauslaufen, das? die italienischen Kontingente für alle Warenkategorien auf Null herabgesetzt werden».

Der Delegierte Frankreichs brachte diesem Sanktionsmittel gegenüber anfangs ein anderes zum Vorschlag, das ihm den Vorzug zu verdienen schien.

«Es wäre in erster Linie am Platze,» erklärte er, «abzuklären, welche anderen Massnahmen (ausser dem Waffenausfuhrverbot) in Vorschlag gebracht werden könnten, um dem Lande, das den Pakt verletzt hat, die materiellen Hilfsmittel zur Fortsetzung des Krieges zu entziehen. Nun aber», führte er aus, «bestehen die direkten Aktionsmittel, über die der Ausschuss noch verfügt, in Verbotsmassnahmen gegenüber Erzeugnissen, die vom paktbrüchigen Land für seine militärische Unternehmung benützt werden können, nämlich gegenüber den Schlüsselprodukten der Kriegsfabrikation: Metalle, Mineralien, chemische Produkte, Maschinenbestandteile, wozu noch die Transportmittel, wie z. B. die Schiffe, kommen, sowie alles, was zum Betrieb der Transportmittel erforderlich ist, nämlich Petrol, Kohle, Schmieröle usw.». Der rumänische Delegierte erklärte, dass er sich dem «britischen Vorschlag» und dem «französischen Vorschlag» anschliesse, aber unter der Bedingung, «dass der Paragraph 3 von
Artikel 16 -- wo es heisst, dass sich die Völkerbundsmitglieder bei der Anwendung der gemäss Artikel 16 zu ergreifenden wirtschaftlichen und finanziellen Massnahmen wechselseitig Hilfe leisten, um die sich daraus ergebenden Verluste und Nachteile auf ein Mindestmass zu beschränken -- voll zur Anwendung gelange». Wenn man nämlich Italien nichts mehr abkaufe, führte Herr Titulescu aus, so bringe man dieses Land dazu, auch in Rumänien nichts mehr zu kaufen. Nun würde aber Italien das Vieh, das Holz und das Getreide -- ohne vom Petroleum zu sprechen --, das es bis jetzt von Rumänien bezog, in Österreich und in Ungarn kaufen, die sich weigern, die Sanktionen anzuwenden.

Daraus ergebe sich für den rumänischen Staat eine nutzlose und empfindliche Einbusse, deren Wirkungen durch den Völkerbund abgeschwächt werden sollten.

Die britische Delegation unterbreitete dieserhalb dem Ausschuss, bevor das

933 Problem einer eingehenderen Prüfung unterzogen wurde, die nachstehende Erklärung, der sich der Koordinationsausschuss am 14. Oktober anschloss: «Um den Begierungen der Mitgliedstaaten des Völkerbundes die Erfüllung der sich aus Artikel 16 des Paktes für sie ergebenden Verpflichtungen zu erleichtern, wird anerkannt, dass jeder Vorschlag zu Massnahmen gemäss Artikel 16 auf Grund der nachstehenden Bestimmungen des genannten. Artikels gemacht worden ist: Die Mitglieder des Völkerbundes kommen zudem überein, sich bei der Anwendung der gemäss dem vorliegenden Artikel 16 ergriffenen wirtschaftlichen und finanziellen Massnahmen gegenseitig zu Hilfe zu kommen, um die sich ergebenden Verluste und Nachteile auf ein Mindestinass zu beschränken. Sie stehen sich desgleichen gegenseitig bei, um sich gegen jede Sondermassnahme zu wenden, die durch den paktbrüchigen Staat gegen ein Mitglied gerichtet werden könnte.» Der Ausschuss einigte sich dahin, diese drei verschiedenen Vorschläge zwei Sachverständigenausschüssen zu überweisen, nämlich einem wirtschaftlichen Unterausschuss -- in dem die Schweiz vertreten ist -- und einem andern Unterausschuss, benannt «für wechselseitigen Beistand». Herr Motta benützte diesen Anlass. um ohne weiteres Zuwarten die besondere Lage der Schweiz dem britischen Vorschlag gegenüber auseinanderzusetzen. Er rief in Erinnerung, dass die Eidgenossenschaft «durch die Kantone Wallis, Graubünden und Tessin gemeinsame Grenzen mit Italien hat », dass « der Kanton Graubünden durch seine ladinischen oder romanischen sowie durch seine italienischen Täler Italien benachbart ist » und dass endlich « der Kanton Tessin mit einer noch grösseren Grenzlänge an Italien anstösst». Er betonte den ethnographischen Charakter der Tessiner Bevölkerung, inmitten welcher 35,000 italienische Staatsangehörige leben. Der Vertreter des Bundesrates verhehlte nicht, dass der Boykott der italienischen Produkte für uns eine Lage «voller Schwierigkeiten und Gefahren» schaffen würde. «Die Schweiz», so betoute der Vorsteher des Politischen Departements, «denkt nicht daran, aus dem allgemeinen Unglück Xutzen zu ziehen... Der Gedanke an eine solche Haltung erfüllt sie vielmehr mit Abscheu. Indessen wäre es, besonders in politischer Hinsicht, durchaiis unmöglich, die Beziehungen zu Italien völlig abzubrechen. Die Schweiz
kann den Güteraustausch mit Italien beschränken und kontingentieren, sie kann ihn jedoch nicht völlig unterbinden.» Es sei angeführt, dass der Achtzehnerausschuss, nachdem gewisse Länder, besonders Argentinien, darauf hingewiesen hatten, dass ihre Begierung ohne Ermächtigung des Parlaments nicht in der Lage sei, zu handeln und dass letzteres unter Umständen in nächster Zeit keine Tagung abhalte, nach Befragung eines Ausschusses von Juristen nachstehende Besolution annahm, die in der Folge (16. Oktober) durch den Koordinationsausschuss gebilligt wurde: «Der Koordinationsausschuss, in der Erwägung,' dass es wichtig ist, die schnelle und wirksame Anwendung der durch ihn vorgeschlagenen oder noch vorzuschlagenden Sanktionen zu gewährleisten ;

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in der Erwägung, dass es Sache jedes Landes ist, diese Anwendung nach den Normen seines öffentlichen Bechts und gemäss der Zuständigkeit seiner Eegierung für die Ausführung von Verträgen vorzunehmen; ruft in Erinnerung, dass die Völkerbundsmitglieder, nachdem sie an die sich aus Artikel 16 des Paktes ergebenden Verpflichtungen gebunden sind, die Pflicht haben, die erforderlichen Massnahmen zu treffen, um imstande zu sein, diesen Verpflichtungen mit aller erforderlichen Easchheit nachzuleben.» Das wirtschaftliche Unterkomitee behandelte zunächst den englischen Antrag auf Erlass einer Einfuhrsperre für alle italienischen Waren. Nochmal» und ausdrücklich wurde von Seiten des antragstellenden Staates dargelegt, dass man in einer solchen Massnahme nicht einen feindlichen Akt erblicken solle, da ihr Zweck darin bestehe, Italien zu verhindern, mit den aus dem Warenexport erzielten Devisen Kriegsmaterialien und Eohstoffe zu kaufen.

Die grosse Mehrzahl der Vertreter der übrigen Staaten erklärte sieh für die Annahme des gestellten Antrages. Der schweizerische Delegierte wies nachdrücklich auf die wirklich ganz besondere Lage unseres Landes hin. Er legte dar, dass eine in Missachtung der bestehenden Handelsverträge gegen Italien erlassene Einfuhrsperre dieses zweifellos berechtigen würde, mit einer gleichen Sperre zu antworten, dass dies für die Schweiz den Verlust von ca. 10 % ihres gesamten Exportes bedeuten würde, während fast alle übrigen Staaten ungleich weniger zu leiden hätten. Auch absolut gesprochen wäre der Verlust des schweizerischen Exportes nach Italien, der schätzungsweise 10,000 Arbeitern in der Schweiz Beschäftigung gibt, bedeutend grösser, als der mancher anderer Staaten. Endlich dürfe auch nicht vergessen werden, dass naturgemäss die Beziehungen zwischen dem italienischsprechenden Teil der Schweiz und Italien in jeder Hinsicht ungleich viel intensiver seien, als dies für andere Länder zutreffe. Alle diese Ausführungen, so wurde schweizerischerseits erklärt, würden keineswegs gemacht, um sich der Pflicht zur Mitwirkung bei den Sanktionen zu entziehen. Man müsse aber doch wohl verstehen, dass die Schweiz in ihrer besondern Lage mehr als alle andern Staaten gezwungen sei, alle in Betracht kommenden Faktoren genau zu prüfen und abzuwägen, bevor sie sich an einer so einschneidenden Massnahme
beteilige, die schliesslich nicht lediglich deshalb prüfungs- und kritiklos angenommen werden müsse, weil ein bezüglicher Antrag im Koordinationskomitee vorgebracht worden sei.

Da es sich bei den Arbeiten des wirtschaftlichen Unterkomitees nicht um den Abschluss eines Staatsvertrages sondern, um die Ausarbeitung von Empfehlungen an die verschiedenen Eegierungen handle, so halte sich der schweizerische Delegierte für berechtigt, einige Fragen aufzuwerfen, die für die Stellungnahme seiner Eegierung von Bedeutung sein könnten. Diese Fragen bezogen sich insbesondere auf die folgenden Punkte : 1. Bei Abschluss des Völkerbundspaktes ging man bekanntlich vom Gedanken der Universalität des Völkerbundes aus. Heute sind verschiedene grosse und im vorliegenden Konflikt besonders wichtige Staaten als Nichtmitglieder von den Verpflichtungen des Paktes befreit. Wie stellt man sich ihre Haltung

935 im vorliegenden Fall vor und welches sind die Folgen einer Nichtbeteiligung auf die Wirksamkeit der vorgeschlagenen Massnahmen? Im weitem ist bekannt, dass gewisse Mitgliedstaaten eine Mitwirkung bei den Sanktionen abgelehnt haben. Welches ist die rechtliche und praktische Stellungnahme der im Koordinationskomitee vertretenen Eegierungen zu diesen Staaten?

2. Gemäss Absatz 3 von Artikel 16 des Völkerbundspaktes sollen die aus der Ergreifung von Sanktionen für die -s erschiedenen Mitgliedstaaten in ganz ungleicher Weise entstehenden Opfer durch ein System gegenseitiger Hilfeleistung möglichst gleichmässig verteilt werden. Es handelt sich hier um eine Bestimmung, der die gleiche rechtliche Bedeutung zugemessen werden muss, wie den übrigen Bestimmungen des Artikels, die die Sanktionspflicht selbst festlegen. Wenn die Schweiz durch Annahme des englischen Antrages in ganz besonderem Masse geschädigt wurde, so hätte sie somit einen unzw eifelhaften Eechtsanspruch auf weitgehende Hilfeleistungsmassnahmen der andern Staaten.

Nach welchen Kriterien und in welcher Weise soll eine solche Hilfeleistung organisiert und gesichert werden?

3. Der gestellte Antrag soll bezwecken, durch Unterdrückung eines Devisenüberschusses Italien in die Unmöglichkeit zu versetzen, sich aus diesem die zur Weiterführung des Krieges notwendigen Artikel zu kaufen. Da die italienische Handelsbilanz im ganzen und mit Bezug auf fast alle einzelnen Länder stark passiv ist, Italien also insgesamt und hinsichtlich der grossen Mehrzahl der Länder mehr einführt als ausführt, also mehr Devisen aufzubringen hat als es einnimmt, so kann man sich fragen, ob der gesetzte Zweck mit den vorgeschlagenen Mitteln überhaupt erreicht werden kann. Gewiss spielt dabei die Frage der Einfuhr der von Italien benötigten Eohstoffe eine wesentliche Rolle. Diese wichtige Frage ist aber durch den französischen Antrag auf Erlass von Ausfuhrverboten für solche Rohstoffe in anderer Richtung angepackt worden. Ist es nicht zweckmassig oder gar notwendig, die Frage der Wirksamkeit der vorgeschlagenen Massnahmen einer einlässlichen Prüfung zu unterziehen, bevor den Regierungen zugemutet wird, Entschlüsse von so ausserordentlich weitreichender Tragweite zu fassen?

Mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der aufgeworfenen Fragen und die Schwierigkeit, sie zu beantworten,
hat der Vertreter der Schweiz den Gedanken zur Diskussion gestellt, ob das angestrebte Ziel nicht allgemein oder wenigstens für diejenigen Länder, die durch Annahme des englischen Vorschlages ganz besonders grosse Opfer zu. tragen hätten, nicht auch in anderer Weise erreicht werden könnte. Statt einer Verunmöglichung eines zugunsten Italiens anfallenden Devisenüberschusses auf dem Wege der vollständigen Unterdrückung der Handelsbeziehungen könnte doch wohl das gleiche Resultat erzielt werden, wenn insbesondere diejenigen Staaten, die bisher an Italien Devisenüberschüsse geliefert haben, sich verpflichten würden, die direkten Zahlungen zu untersagen und den Handelsverkehr nur noch auf dem Wege einei Verrechnung ohne Überweisung einer Devisenspitze aufrechtzuerhalten. Ein solches Vorgehen

936 hätte den grossen Vorteil, dass nicht ohne Not der Welthandel weiter gewaltig verringert, die Arbeitslosigkeit beträchtlich gesteigert und Jahrhunderte alte, besonders enge zwischenstaatliche Beziehungen vollkommen unterbrochen würden. Jedenfalls scheine ihm, führte der schweizerische Delegierte aus, eine solche Lösung, die er im übrigen nicht dem englischen Vorschlag als Gegenantrag entgegensetzen möchte, für sein Land zulassig und schliesslich auch annehmbar zu sein. Da vorauszusehen war, dass dieser Idee gegenüber eingewendet werden könnte, die Schweiz würde auf diesem Wege aus den Opfern der andern Mitgliedstaaten bedeutende Vorteile ziehen können, fügte er bei, dass ein solcher Gedanke der Schweiz fernliege und die Abgabe entsprechender Garantien, z. B. durch Stabilisierung des schweizerisch-italienischen Warenaustausches auf der Grundlage des Jahres 1934, durchaus erwogen werden könnte.

Auf die oben erwähnten Fragen, auf die gemachten Bemerkungen und auf die angedeutete andere Lösungsmöglichkeit ist im wirtschaftlichen Unterkomitee nicht eingetreten worden. Man hat dazu weder positiv noch negativ Stellung bezogen. Der englische Antrag wurde aufrechterhalten und vom Komitee angenommen. Der schweizerische Delegierte sah sich infolgedessen zu der Erklärung veranlasst, dass er zu seinem Bedauern aus den angeführten Gründen wenigstens zurzeit diesem Vorschlag nicht zustimmen könne. Die gleiche Erklärung wurde schweizerischerseits wiederholt, als das Komitee der XVIII dem Antrag des wirtschaftlichen Unterkomitees beistimmte.

Was nun die Ausfuhrsperre fürEohstoffe betrifft, so wurde die Zweckmässigkeit dieser Massnahme von niemandem bestritten. Der wirtschaftliche Unterausschuss prüfte indessen während mehrerer Stunden, welche Schlüsselprodukte auf die Liste der gesperrten Waren zu setzen seien. Nur wenige darunter waren für die Schweiz von Belang. Es seien erwähnt u. a. das Aluminium, das wir in verhaltnismässig geringen Mengen nach Italien ausführen, und die Eisenwaren, die uns unser südlicher Nachbar in grössern Mengen abnimmt. Die Schwierigkeit bestand darin, Erzeugnisse in die Liste aufzunehmen, welche zugleich Italien für den Krieg in Afrika unerlässlich sind und auf dem Weltmarkt mehr oder minder der Kontrolle der Mitgliedstaaten des Völkerbundes unterliegen. So wurde z. B. ohne weiteres,
zumal vorderhand, von der Kohle abgesehen, weil diese von Deutschland, einem Nichtmitgliede, reichlich geliefert wird und daher vergeblich gesperrt würde, sofern die deutschen Produzenten Italien gegenüber freie Hand behalten. Der französische Vorschlag ist zum Vorschlag Nr. 4 und als solcher vom Achtzehner- und vom Koordinationsausschuss genehmigt worden. Nur Ungarn und Albanien stellten sich ablehnend ein. Der Wortlaut des Vorschlages Nr. 4 ist diesem Berichte beigefügt.

Mehreren Staaten lag besonders daran, den wechselseitigen Beistand des Artikels 16, Absatz 8, des Paktes beanspruchen zu können, infolge der Massnahmen, die sie gegen Italien zu ergreifen genötigt würden. Es wurde mit Eecht hervorgehoben, kein Staat könne für seine Beteiligung an den Sanktionen ein Eecht auf restlose Entschädigung geltend machen; mehr als einen gewissen

937 Ausgleich für die erlittenen Verluste dürfe man kaum erwarten. Xach längerem Meinungsaustausch einigte sich der Unteraussehuss für wechselseitigen Beistand darauf, dass die Regierungen der Völkerbundsmitglieder in einem Vorschlag (Nr. 5) ersucht werden sollten, «mit den beteiligten Staaten, die in Mitleidenschaft gezogen worden sind, in Verhandlung zu treten, um die Warenverkäufe zu vermehren und dadurch den Verlust italienischer Absatzmärkte, der sich aus der Durchführung der Sanktionen ergibt, aviszugleichen». Der Vorschlag Nr. 5 wurde vom Achtzehnerausschuss endgültig abgefasst und daraufhin vom Koordinationsausschuss genehmigt (19. Oktober).

Was die Staaten betrifft, die dem Völkerbund nicht angehören, so lag natürlich viel daran, dass sie über die vom Koordinationsausschuss ergriffenen Massnahmen auf dem laufenden gehalten würden. Auch hat der Ausschuss, auf Antrag seines Vorsitzenden, in derselben Sitzung vom 19. Oktober den Wortlaut der an diese Staaten zu richtenden Mitteilung gebilligt. Er verläuft wie folgt: «Der Vorsitzende des Koordinationsausschusses für die kraft Artikel 16 des Paktes zu ergreifenden Massnahmen beehrt sich, den Staaten, die dem Völkerbunde nicht angehören, laut Beschluss des gemäss einem Wunsche der Versammlung vom 10. Oktober 1935 bestellten Koordinationsausschusses beiliegend die wichtigsten, kürzlich verfassten Druckschriften betreffend den italienischabessinischen Konflikt zuzustellen, mit Einschluss der Protokolle der Ratssitzung vom 7. Oktober und der Versammlungssitzungen vom 9. bis 11. Oktober, sowie die Empfehlungen des Koordinationsausschusses.

Auftragsgemäss fügt er bei, dass sich die im Koordinationsauss'chuss vertretenen Staaten glücklich schätzen würden, alle Mitteilungen zu erhalten, die irgendein Nichtmitgliedstaat an ihn richten mag, und über jede Massnahme unterrichtet zu werden, die dieser Staat unter den gegenwärtigen Umständen ergreifen könnte.» Die erste Tagung des Koordinationsausschusses ist zum. Abschluss gekommen, nachdem vereinbart worden war. dass die Regierungen so früh als möglich und spätestens bis zum 28. Oktober den Zeitpunkt festzusetzen hätten, zu dem sie zur Durchführung der wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen bereit wären. Es war ebenfalls vorgesehen, dass der Koordinationsausschuss am 31. Oktober zusammentreten werde,
um auf Grund der eingegangenen Antworten der Regierungen den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Sanktionen zu bestimmen.

2. Zweite Tagung (31. O k t o b e r bis 2. N o v e m b e r ) . Der Koordinationsausschuss ist vereinbarungsgemäss am 31. Oktober zusammengetreten.

Das Völkerbundssekretariat hatte ihm ein Schriftstück unterbreitet, aus dem hervorging, dass damals etwa fünfzig Staaten auf die Vorschläge Nr. l bis 5 geantwortet hatten. Ihrer fünfunddreissig führten das Waffenausfuhrverbot durch. Noch keine Regierung hatte die wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen in Kraft gesetzt, traten sie doch zusammen, um sich über den Zeitpunkt ihrer Durchführung zu einigen.

Bundesblatt. 87. Jahrg. Bd. II.

71

938 Die Antwort der Schweiz war am 28. Oktober dem Völkerbund angezeigt worden (vgl. den Wortlaut in der Anlage). Sie war vom Bundesrat Punkt für Punkt erörtert worden. Die wichtigsten wirtschaftlichen Verbände des Landes waren in einer vom eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement einberufenen Besprechung zu Eate gezogen worden und hatten die Stellungnahme der schweizerischen Abordnung in Genf einstimmig gebilligt.

Im Anschluss daran hatten wir dem Völkerbundssekretär mitgeteilt, dass die Schweiz vom 81. Oktober das Verbot der Ausfuhr von Waffen, Munition und Kriegsmaterial durchführen werde, betonten aber, dass wir es mit Bücksicht auf das Haager Abkommen betreffend die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte und Personen im Falle eines Landkrieges sowie auf unsere Neutralität nicht für möglich erachtet hatten, die nämliche Massnahme nicht auch gegen Äthiopien zu ergreifen. Wir schlössen uns anderseits dem Vorschlage Nr. 2 an (finanzielle Sanktionen), wobei bloss einige Einzelheiten betreffend die Ausführung näher zu umschreiben blieben (Frage der Filialen), sowie dem Vorschlag Nr. 4 (Ausfuhrsperre für BohstoffSendungen nach Italien).

Die beiden Vorschläge konnten zu dem Zeitpunkt in Kraft gesetzt werden, den der Koordinationsausschuss bestimmen würde. Was den Vorschlag Nr. 3 anbetrifft (Einfuhrverbot für italienische Waren), machte der Bundesrat die bereits bekannten Vorbehalte und wies wiederum auf die äusserst nachteiligen Folgen hin, welche ein plötzliches Einstellen des Warenaustausches mit diesem grossen südlichen Nachbarn für ein kleines Land nach sich ziehen würde, das, wie das unsrige, eine so eigenartige politische und sprachliche Gliederung aufweist.

Wir erklärten uns indessen ebenfalls bereit, unsere Mitwirkung in einer Form zu gewähren, «die nicht nur der gemeinsamen Sache nicht abträglich, sondern geeignet ist, durch andere für die Schweiz tragbare Mittel denselben Zweck in vollem Umfange zu verwirklichen...». «Die Schweiz», schrieben wir nach Genf, «gehört zu der geringen Zahl der Staaten, deren Handel mit Italien diesem Lande bis jetzt einen ziemlich bedeutenden Devisenüberschuss verschafft hat.

Der Bundesrat ist bereit, dafür Sorge zu tragen, dass dieser Überschuss verschwindet, indem die direkten Zahlungen aufgehoben werden. Dieses Ergebnis kann ohne weiteres auf dem
Weg eines unmittelbaren Kompensationsverkehrs, ohne Devisenüberreichungen, erreicht werden.» Für weitere Einzelheiten verweisen wir auf den Wortlaut unserer Antwort, die übrigens in der Presse eine weitgehende Verbreitung gefunden hat.

Der Vorschlag Nr. 5 (wechselseitiger Beistand) setzte insofern nicht unbedingt eine Zustimmung unserseits voraus, als er keine Sanktionsmassnahmen verfügte, sondern sich darauf beschränkte, zweiseitige Verhandlungen zwischen Ländern vorzusehen, für die der wechselseitige Beistand in irgendeiner Weise von Bedeutung war. Der Bundesrat begnügte sich damit, davon Kenntnis zu nehmen.

Dem Koordinationsausschuss fiel weiterhin die Aufgabe zu, die von den Begierungen eingegangenen Antworten einer Prüfung zu unterziehen, gewisse

939 schwierige Anwendungsfragen zu erörtern und endlich den Zeitpunkt des Inkrafttretens der wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen festzusetzen.

Die Prüfung der Antworten der Kegierungen warf mehrere wichtige Fragen auf, z. B. die Frage der laufenden Verträge und der laufenden Schulden, welche besonders den Vorschlag Nr. 8 betreffen (Boykott der italienischen Waren).

Der Koordinationsausschuss beschloss auf Grund des Berichts des Achtzehnerkomitees betreffend die laufenden Verträge, dass unter Abweichung von Vorschlag Nr. 3 diejenigen Verträge, die bis zum 19. Oktober 1935 restlos abbezahlt worden waren, erfüllt werden könnten. Was den Ausnahmefall von Verträgen, für welche eine Teilzahlung vor dem 19. Oktober erfolgt war, anbelangt, wurde beschlossen, dass sie nachträglich dem Achtzehneraussehuss und dem zuständigen Unterausschuss zur Prüfung überwiesen würden. Hinsichtlich der fälligen Schulden aus Clearing- oder ähnlichen Abkommen schlug Kumänien, unterstützt von einigen andern Ländern, vor, dass sie vermittels der Einfuhr italienischer Waren gelöscht werden könnten. Dieser Vorsehlag stiess auf harten Widerstand, vornehmlich von Seiten Englands und Frankreichs. Nach einem langwierigen Meinungsaustausch, der übrigens in einem besondern Unterkomitee fortgesetzt wurde, genehmigte schliesslich der Koordinationsausschuss die Eesolution, deren Wortlaut in der Anlage zu finden ist. Diese Eesolution sieht vor, dass die Gläubigerstaaten Italiens sich untersagen, unter Abweichung des Vorschlages Nr. 3 italienische Waren für ihre Forderungen an Zahlungs Statt anzunehmen, dass sich hingegen die Mitgliedstaaten des Völkerbundes verpflichten, sich nach Einstellung der Sanktionsmassnahmen wechselseitigen Beistand zu leisten, «damit Italien seinen Verpflichtungen gegenüber den Mitgliedstaaten nachkomme, als ob es sich der Anwendung des Artikels 16 des Paktes nicht ausgesetzt hätte».

Der Achtzehneraussehuss widmete seine Aufmerksamkeit verschiedenen Antworten der Eegierungen. Die betreffenden Abordnungen gaben die erforderlichen Aufschlüsse. Was den Vorschlag Nr. 2 (finanzielle Massnahmen) und vor allem den Vorschlag Nr. 3 (Einfuhrverbot für italienische Waren) anbelangt, so fasste der erste Delegierte der Schweiz in kurzen Worten zusammen, was wir früher ausgeführt hatten und betonte neuerdings,
die Schweiz sei vom Wunsche beseelt, «ihren Solidaritätspflichten gegenüber dem Völkerbund im Masse des Möglichen nachzukommen». Einige Abordnungen bemerkten, die Erklärung der schweizerischen Begierung sei «nicht ganz befriedigend», der Koordinationsausschuss könne aber nichts anderes tun, als es der Eidgenossenschaft selbst zu überlassen, «mit dem bestmöglichen Willen die Pflichten zu erfüllen, die ihr der Völkerbundspakt als neutrale Nation auferlegt». Diese Erklärungen sind zur Kenntnis genommen worden.

Die Frage des Waffenausfuhrverbots war schwieriger zu entscheiden und in grundsätzlicher Hinsicht von grösserer Bedeutung. Der Delegierte Frankreichs, Herr Coulondre, gestützt auf einen Bericht des juristischen Unterausschusses, wonach auch die Schweiz die Wiederausfuhr und die Durchfuhr von · Waffen nach Abessinien verboten hatte, machte ausdrückliche Vorbehalte

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bezüglich der vom Bundesrat ergriffenen Massnahmen. Nicht dass die vorhegende Frage, führte er aus, «von grosser Wichtigkeit» wäre, indessen, «im Fall eines europäischen Konfliktes, könnte dieselbe Stellungnahme bedenkliche Folgen haben, denn die Bedeutung des schweizerischen Transits für Europa kann niemandem entgehen». Die Eegierung der Kepublik, erklärte der französische Delegierte, «betrachtet das Haager Abkommen von 1907 und die schweizerische Neutralität, welche die Bundesregierung ins Feld geführt hat, als unzureichende Begründung. Die französische Eegierung ist der Ansicht, dass der von der schweizerischen Eegierung verfochtene juristische Standpunkt im Widerspruch steht zu Artikel 16 des Paktes und zum Abkommen betreffend den Eintritt der Eidgenossenschaft in den Völkerbund, das zwischen dem Völkerbundsrat und der Schweiz abgeschlossen worden ist». Er schloss seine Ausführungen mit der Bemerkung, «er müsse hinsichtlich dieses Punktes der Entstehung eines Präzedenzf alles vorbeugen ; einen solchen dürfe in den Augen der französischen Eegierung der Völkerbund nicht zulassen». Die Delegationen Polens, der Kleinen Entente, der Balkanstaaten, Grossbritanniens und der U. E. S. S. schlössen sich den Vorbehalten Frankreichs an. Der Delegierte Griechenlands gab seinerseits dem Wunsch Ausdruck, «diese Frage der eigentlichen Tragweite der Londoner Erklärung, über welche heute zwischen einer Anzahl Völkerbundsmitgliedern einerseits und der schweizerischen Eegierung anderseits eine Meinungsverschiedenheit herrscht, möge sobald als möglich aufgeklart werden, um dem Völkerbund derartige Schwierigkeiten zu ersparen, wenn es das Unglück wollte, dass ihm die Aufgabe zufällt, einen andern Konflikt zu lösen».

Herr Motta gab ausführlich über die Stellungnahme des Bundesrates Aufschluss, Er erklärte, dass die zuständigen Behörden so gewissenhaft als möglich die Frage geprüft hatten, «ob ihrer Ansicht nach der Grundsatz der schweizerischen Neutralität, so wie er vom Völkerrecht anerkannt ist, eine Unterscheidung zwischen Abessinien und Italien zulasse», dass sie aber diese Frage hatten verneinen müssen. Nachdem er kurz an die besondern Umstände erinnert hatte, unter denen die Schweiz dem Völkerbunde beigetreten war, und auf das Wesen der Londoner Erklärung hingewiesen hatte, führte der Vorsteher des Politischen
Departements aus, dass die Schweiz im Falle der Anwendung des Artikels 16 zwar an den wirtschaftlichen Sanktionen teilzunehmen gehalten sei, dass ihr aber jegliche Verpflichtung, militärisch einzugreifen, ausdrücklich erlassen worden sei. Nun sind wir auf Grund des Haager Abkommens von 1907 betreffend die Eechte und Pflichten der neutralen Staaten gezwungen, den Kriegführenden die nämliche Behandlung widerfahren zu lassen, wenn es sich um Waffen und Munition handelt, d. h. um Gegenstände, die für eine militärische Tätigkeit bestimmt sind. Will man den Grundsatz der Neutralität so auslegen, «wie er von jeher in der Schweiz geherrscht hat, wie er in den internationalen Abkommen niedergelegt ist, wie er vom Haager Abkommen von 1907 umschrieben worden ist, so würde die Schweiz ihre herkömmliche Neutralitätspflicht verletzen, wenn sie die Ausfuhr von Waffen, Munition und Kriegsmaterial nach Äthiopien nicht verbieten würde».

941 Herr Motta -widersetzte sich hingegen der Möglichkeit nicht, die Frage der Neutralität in ihrer Gesamtheit später einer Prüfung zu unterziehen, behielt sich aber ausdrücklich den Entscheid des Bundesrates vor. Hinsichtlich des Transits machte er ebenfalls den Vorbehalt einer vollkommen freien Würdigung durch den Bundesrat.

Er beschloss seine Ausführungen mit der Erklärung, «die schweizerische Eegierung und das Schweizervolk ständen vor einem Dilemma, -wenn man ihnen unvermittelt eine Auslegung der Neutralität aufzwingen wollte, die mit der herkömmlichen nicht im Einklang wäre».

Es wurde kein Beschluss gefasst, wie das denn auch nicht nötig war. Die Aussprache fand ihren Abschluss mit einer Erklärung des ersten Delegierten Luxemburgs, welcher ausführte, dass sein Land, welches eine ständige, im Jahre 1867 «im Hinblick auf den europäischen Frieden» geschaffene Neutralität geniesst, sich ebenfalls genötigt gesehen hatte, am Haager Abkommen von 1907 streng festzuhalten und daher die Ausfuhr von Waffen und Munition nach beiden kriegführenden Ländern zu untersagen.

Auf Antrag des Achtzehnerausschusses genehmigte der Koordinationsausschuss am 2. November diskussionslos die beiden Eesolutionen, die sich in der Anlage befinden und deren 'erste die finanziellen, die zweite die wirtschaftlichen Massnàhmen betrifft. Was die finanziellen Massnahmen angeht, so wraren die Regierungen ersucht worden, dafür zu sorgen, dass sie «ihre sämtlichen rechtlichen Wirkungen spätestens am 18. November entfalteten». Das Inkrafttreten der wirtschaftlichen Massnahmen wurde ebenfalls auf den 18. November festgesetzt.

Als diese Beschlüsse gefasst waren, vertagte sich der Koordinationsausschuss, nachdem er verschiedene Erklärungen zur Kenntnis genommen, u. a.

diejenigen der Herren Laval (Frankreich) und Samuel Hoare (Grossbritannien), betreffend die Aussichten auf Beilegung des Konfliktes zwischen Italien und Abessinien. Der belgische Ministerpräsident schätzte sich glücklich, dass Frankreich und England sich um die Aussöhnung bemüht hatten. «Da die führenden Männer zweier grosser Länder, führte er aus, dieser Aufgabe bereits einen grossen Teil ihrer Zeit und ihrer Arbeitskraft geopfert haben, warum sollte ihnen nicht der Völkerbund den Auftrag erteilen, unter seinem Schutz und seiner Aufsicht im Geiste des Ausschusses
eine Lösung ausfindig zu machen, welche die drei beteiligten Parteien, der Völkerbund, Italien und Abessinien, annehmen könnten?» Der Wunsch Belgiens fand allgemeinen Anklang. Herr Motta schloss sich ihm namens der Schweiz und aus ganzem Herzen an. Auch erteilte der Koordinationsausschuss, nachdem er strenge Massnahmen gegen Italien vorgesehen hatte, den beiden Grossmächten den Auftrag, im Bahrnen und auf Grund des Paktes ihre Bemühungen fortzusetzen, um in nächster Zukunft diesen bedauerlichen Konflikt einem Jinde zuzuführen.

3. Zusammenkunft des Achtzehnerausschusses (4. bis 6. November). Der Achtzehnerausschuss war laut Besolution vom 19. Oktober

942 ersucht worden, weiterhin zu tagen, «um die Ausführung der bereits den Eegierungen vorgelegten Vorschläge zu verfolgen und dem Koordinationsausschuss oder den darin vertretenen Eegierungen neue Vorschläge zu unterbreiten, die er als angemessen erachtet». Auch trat er nach vorläufigem Abschluss der Arbeiten des Koordinationsausschusses zusammen, um eine Eeihe Fragen betreffend die Clearingabkommen, die Erweiterung der Liste der gesperrten Bohstoffe, die Abzweigung des Verkehrs, die laufenden Verträge, die Durchfuhr usw. zu behandeln. Was den Transit angeht, so war man sich bald darüber einig, dass es zwecklos gewesen wäre, von der Schweiz z. B. zu verlangen, die Durchfuhr von Bohstoffen nach Italien über ihr Gebiet zu verbieten, solange Österreich sein Gebiet sämtlichen Waren offenhalte und solange nicht auch der Verkehr auf dem Meer unter Aufsicht stände. Daher wurde auch kein Vorschlag gemacht, das Ausfuhrverbot auf die Durchfuhr zu erstrecken.

Diesem Bericht sind die Eesolutionen des Ausschusses vom 6. November beigefügt. Letzterer bestellte zwei Unterausschüsse; der eine war damit beauftragt, die Ausnahmen von den Bestimmungen des Vorschlages Nr. 3, betreffend die laufenden Verträge, ins Auge zu fassen, dem andern lag die Prüfung der Auskünfte der Eegierung betreffend die Durchführung der Sanktionen ob sowie die an diejenigen Staaten zu richtenden Antworten aufzusetzen, welche gewisse Aufschlüsse verlangen. Diese beiden Ausschüsse sollten in nächster Zeit in Genf zusammentreten.

IV. Bemerkungen zur schweizerischen Stellungnahme.

Der Krieg, den Italien gegen Abessinien führt, hat für unser Land eine ebenso unangenehme wie schwierige Lage geschaffen. Nachdem der Bruch des Völkerbundspaktes festgestellt worden war, fanden wir uns bedauerlicherweise vor die Notwendigkeit gestellt, Sanktionen gegen ein benachbartes Land zu ergreifen, für welches das Schweizervolk in seiner Gesamtheit grosse Sympathie hegt und welches zudem durch eine ähnliche Easse, Sprache und Kultur mit zwei unserer Kantone verbunden ist. Die italienisch-schweizerische Freundschaft war auf eine harte Probe gestellt. Hinsichtlich unserer internationalen Verpflichtungen aber herrschte Klarheit. Ihnen nachzukommen, war ein Gebot der Ehre.

Nachdem die Schweiz durch freien Entschluss auf Grund eines Volksentscheides in den
Völkerbund eingetreten war, konnte sie sich nicht von ihm abwenden in dem Augenblick, wo er von ihr ein Opfer forderte. Unser Land hatte ihm auf dem Wege der Pflicht und der Prüfung zu folgen. Da die Bedingungen, welche für die Anwendung des Artikels 16 in Frage kommen, erfüllt waren, blieb nichts anderes übrig, als uns mit der Institution solidarisch zu erklären, die ihren Sitz auf unserem Gebiete hat und welche die wichtigsten Grundsätze ihrer Friedensverfassung verteidigt. Wenn wir nun aber auch entschlossen waren, uns von nichts anderem als von unserem Pflichtgefühl leiten zu lassen, so musste trotz allem auf eine ausschlaggebende Tatsache Gewicht gelegtwerden,

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die auch zum Teil unsere Stellungnahme im italienisch-abessinischen Konflikt beeinflussen musste. Es handelte sich um unsere Neutralität. Zweifellos konnten wir beim Eintritt in den Völkerbund nicht dieselbe Neutralität beibehalten wie früher. Der Neutralitätsgedanke hatte sich in einem bestimmten Umfang der Solidaritätsidee anzupassen. Unsere Neutralität wurde grundsätzlich und ausdrücklich in militärischer Hinsicht aufrechterhalten, aber die Londoner Erklärung vom 13. Februar 1920 verpflichtete die Schweiz, die Solidaritätsverpflichtungen zu übernehmen, «die ihr daraus erwachsen, dass sie Mitglied des Völkerbundes sein wird, einschliesslich der Verpflichtung, an den vom Völkerbund verlangten kommerziellen und finanziellen Massnahmen gegenüber einem bundesbrüchigen Staat mitzuwirken». Nachdem diese Abweichung von unserer herkömmlichen Neutralitätsbegriffe zur Tatsache geworden war, anerkannte der Völkerbundsrat ausdrücklich, «dass die immerwährende Neutralität der Schweiz und die Garantie der Unverletzlichkeit ihres Gebietes, wie sie, namentlich durch die Verträge und die Akte von 1815 zu Bestandteilen des Völkerrechts geworden waren, im Interesse des allgemeinen Friedens gerechtfertigt und daher mit dem Völkerbund vereinbar sind». Es ergab sich somit, dass der Schweiz eine Vorzugsstellung eingeräumt wurde, indem sie nicht alle Obliegenheiten eines Mitgliedes des Völkerbundes zu übernehmen hatte, obwohl sie alle Eechte genoss, welche der Beitritt mit sich brachte. Diese privilegierte Stellung ergab sich aber aus der doppelten Tatsache -- anerkannt und ausgesprochen vom Völkerbundsrat in der Londoner Erklärung --!, «dass auf Grund einer jahrhundertealten Überlieferung, die im Völkerrecht ausdrücklich Aufnahme gefunden hat, die Schweiz sich in einer einzigartigen Lage 1 ) befindet, und dass die den Völkerbund bildenden Signatarmächte des Vertrages von Versailles in Artikel 435 zu Eecht anerkannt haben, dass die zugunsten der Schweiz durch die Verträge von 1815 und insbesondere durch die Akte vom 20. November 1815 begründeten Garantien internationale Abmachungen zur Aufrechterhaltung des Friedens darstellen».

Da das Schweizervolk nie seine Einwilligung gegeben hätte, zugunsten des Völkerbundes, dessen Zukunft naturgemäss nicht überblickt werden konnte, eine Neutralität zu opfern, deren Wohltat es
während Jahrhunderten erfahren hatte, ist die Londoner Erklärung für unser Land von grundlegender Bedeutung.

Der Bundesrat hatte auf Grund dieses Schriftstuckes die Verbindlichkeiten zu prüfen, welche der Schweiz aus Artikel 16 des Paktes erwachsen. Er hat dies getan, als es sich darum handelte, die Ausfuhr von Waffen nach Italien zu verbieten, wie vom Koordinationsausschuss vorgeschlagen worden war.

Wir werden auf diesen Punkt zurückkommen.

Die Stellungnahme der Schweiz ergab sich aber auch noch aus andern, durchaus berechtigten Bedenken. Es durfte nicht ausser acht gelassen werden, dass Zwangsmassnahmen gegen ein mächtiges Nachbarland mit über 40 Millionen Einwohnern ergriffen werden sollten, mit dem wir auf allen kulturellen *) Diese Worte sind von uns unterstrichen.

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Gebieten äusserst rege Beziehungen unterhalten und das uns stetsfort seine aufrichtige Freundschaft bewiesen hat. Für ein kleines Land wie das unsrige fiel auch das Argument der Nachbarschaft schwerer ins Gewicht als bei irgendeinem andern Mitgliede des Völkerbundes, begegnen sich doch bei uns drei grosse Kulturgebiete, darunter auch das italienische. Wir haben dies nicht zum Verwände genommen, um uns unsern Verpflichtungen zu entziehen; wir haben es insofern zur Geltung gebracht, als die Sorge der Zukunft unseres Landes es erheischte. Die Schweiz nahm wohl auch in dieser Hinsicht eine Sonderstellung ein. Selbst wenn der Grundsatz der Neutralität demjenigen der allgemeinen Solidarität angepasst wird, bleibt er der Eckstein der schweizerischen Aussenpolitik. Was nützt es in der Tat, den einzigartigen Charakter dieser Neutralität und ihre günstige Auswirkung auf den europäischen Frieden anzuerkennen, wenn man, politischen Bealitäten und geographischen Grundbedingungen zum Trotz, uns Massnahmen auf zwingen wollte, welche die schlimmsten Folgen nach sich ziehen würden.

Der Völkerbund war sich von Anfang an be^usst, dass bei Anwendung des Artikels 11 des Paktes den besonderen Verhältnissen gewisser Lander Eechnung zu tragen sei. Die Unmöglichkeit, allen Staaten hinsichtlich der Sanktionen die gleichen Verpflichtungen aufzuerlegen, ohne ihre besondere Stellung dem Vertragsbrüchigen Lande gegenüber in Betracht zu ziehen, stand dagegen fest. Liegt ein Land vom angreifenden Staate weit entfernt, so mag ihm seine Handlungsweise leicht fallen; befindet es sich jedoch in unmittelbarer Nähe des Staates, gegen welchen Sanktionen verfügt werden, so muss es sich grössere Zurückhaltung auferlegen. Obwohl das Solidaritätsprinzip der Grundpfeiler des Völkerbundes ist, darf es, so wesentlich es auch ist, keine unbegrenzten Opfer verlangen. Diese offensichtliche Tatsache nahm die volle Aufmerksamkeit der Blockadekommission in Anspruch, welche im Jahre 1921 vom Völkerbundsrat beauftragt woz'den war, gewisse praktische Auswirkungen des Sanktionenproblems zu prüfen. «Die Urheber des Paktes», erklarte sie in ihrem Bericht vom 28. August 1931, «haben den Völkerbund als einen Organismus aufgefasst, dem alle oder doch fast alle Staaten angehören und der im Falle eines Paktbruches umgehend handeln kann. Aber es erschien der
Kommission, dass, selbst wenn der Völkerbund universellen Charakter hätte, die Anwendung des Artikels 16 furchtbare Folgen zeitigen könnte, sei es für den Bund im allgemeinen, sei es für einzelne seiner Mitglieder. Solange grosse Staaten mit bedeutender Ausfuhr demselben nicht angehören, würde die uneingeschränkte Anwendung des Artikels 16 nicht nur sehr grossen Hindernissen begegnen, sondern sie könnte auch die Mitgliedstaaten in eine äusserst schwierige Lage versetzen». Infolge dieser Erwägungen hatten die skandinavischen Staaten vorgeschlagen, dass gewisse Länder anlässlich eines gegebenen Konfliktes von der Teilnahme an Sanktionen befreit werden. Man glaubte, so einen weitgehenden Vorschlag nicht in vollem Umfange annehmen zu können, um nicht Artikel 16 und die sich daraus für Völkerbundsmitglieder ergebenden Verpflichtungen abzuschwächen. Aber die Idee als solche wurde beibehalten. Die Blockade-

945 kommissiön erklärte in ihrem Bericht ausdrucklich, sie sei zum Schlüsse gekommen, «dass es notwendig sei. bei Anwendung des Grundsatzes gewisse Ausnahmen zu machen». Sie führte aus, dass «man sich Falle vorstellen könne, wo die uneingeschränkte Anwendung finanzieller und wirtschaftlicher Massnahmen durch einen bestimmten Staat fast unerträgliche Leiden und Gefahren heraufbeschwören könnte». Die Kommission betonte, «es sei von grösster Wichtigkeit klarzustellen, dass es sich dabei nicht um ein System allgemeiner Natur von Verpflichtungsenthebungen handle, sondern lediglich um eine Befreiung in einem bestimmten Falle und unter besonderen Umstanden, welche die Ausnahme rechtfertigen». Von diesem Gedanken ausgehend beantragte sie den Grundsatz einer Abänderung von Artikel 15 mit folgendem Wortlaut: «Immerhin ist der Volkerbundsrat befugt, auf das Gesuch eines Mitgliedes hin, welches sich dahin ausweist, dass die von ihm beauftragten Erleichterungen für seine wirtschaftliche und politische Sicherheit notwendig sind, solche zuzugestehen, die nach seiner Auffassung nicht gegen den von Artikel 16 verfolgten Zweck verstossen.» Der Vorschlag der Kommission wurde von der nicht in dieser Form angenommen. Die Grundidee in der auslegenden Eesolution Nr. 9, welche von der lung angenommen w orden ist und f olgendermassen

Völkerbundsversammlung findet sich jedoch wieder II. Völkerbundsversammlautet :

«o. Es kann notwendig sein, die Durchführung besonderer Massnahmen durch gewisse Staaten zu empfehlen.

ö. Falls es für nützlich erkannt wird, die tatsachliche Durchführung der im Artikel 16 vorgesehenen wirtschaftlichen Sanktionen für einzelne Staaten ganz oder teilweise hinauszuschieben, darf diese Vertagung nur insoweit stattfinden, als dies dem Erfolg des gemeinsam festgestellten Planes nicht abträglich ist, oder aber, um für einzelne Staaten des Völkerbundes die Verluste und Nachteile, die sich aus der Durchführung der Sanktionen ergeben können, auf ein Mindestmass zu beschränken.» Der Bundesrat glaubte nicht, eine Vertagung gemäss den auslegenden Resolutionen vom Jahre 1921 beanspruchen zu sollen, was die ganz besondere Lage der Schweiz in mehr als einer Hinsicht zwar gerechtfertigt hätte. Er hat es vorgezogen, sich aus Solidarität gegenüber dem Volkerbund und aus Treue gegenüber eingegangenen Verpflichtungen an den Massnahmen zu beteiligen, welche der Hat oder irgendein anderes mit der Koordination der Sanktionen beauftragtes Organ gegenüber Italien vorschlagen sollte, aber immerhin unter der Bedingung, dass diese Massnahmen alle wesentlichen Sonderinteressen und insbesondere die Neutralität nicht gefährden. Wie Herr Motta vor der Völkerbundsversammlung erklärte, «erachten -«ir nicht zu Sanktionen verpflichtet zu sein, welche ihrer Weise oder ihren Wirkungen nach unsere Neutralitat einer ernstlichen Gefahr aussetzen, v eich letztere ausschliesslich wir in unbeschrankter Ausübung unserer Souveränität zu beurteilen haben».

946 Unsere Stellungnahme dem Völkerbund gegenüber liess sich gänzlich von dem Bestreben leiten, unsere Verpflichtungen als Völkerbundsmitglied mit den Erfordernissen einer Neutralität in Einklang zu bringen, auf die wir unmöglich verzichten können. Im gleichen Sinne wurden die Vorschläge des Koordinationsausschusses geprüft, auf welche wir kurz zurückkommen werden.

1. Vorschlag Nr. l (Verbot der Ausfuhr von W a f f e n , Munition und Kriegsmaterial nach Italien). Aus den vorerwähnten Gründen hat der Bundesrat den Vorschlag Nr. l des Koordinationsausschusses nicht unabgeändert genehmigen können. Es wäre ihm unter den gegenwärtigen Umständen unmöglich gewesen, die Ausfuhr, die Wiederausfuhr und die Durchfuhr nach einem paktbrüchigen Staate zuzulassen, doch schien uns die gegen Italien getroffene Massnahme unvermeidlich einer ebensolchen gegen Abessinien zu rufen. Auf Grund des Haager Abkommens vom 18. Oktober 1907, betreffend die Eechte und Pflichten der neutralen Mächte und Personen im Falle eines Landkrieges, ist der neutrale Staat gehalten, beiden kriegführenden Ländern die nämliche Behandlung widerfahren zu lassen. Gewiss hat im Sinne der Londoner Erklärung die Durchführung wirtschaftlicher Sanktionen gegen den Angriffsstaat für die Schweiz keineswegs die Preisgabe ihrer Neutralität zur Folge. Allein, reicht nicht die Belieferung eines kriegführenden Landes mit Waffen über den Eahmen der wirtschaftlichen Sanktionen hinaus? Eine Neutralität sui generis wie die unsrige ist mit dem oft spitzfindigen Spiel der Auslegungen unvereinbar. Es gilt für uns, sicheren Schrittes zu gehen. Sobald Zweifel auftauchen, gebietet die elementare Vorsicht Zurückhaltung.

Der Bundesratsbeschluss über die Ausfuhr, die Wiederausfuhr und die Durchfuhr von Waffen, Munition und Kriegsmaterial nach Abessinien und Italien ist am 28. Oktober gefasst worden und am 31. desselben Monats in Kraft getreten. Der Wortlaut befindet sich in der Beilage..

Das Verbot der Durchfuhr von Waffen durch unser Land ist uns zum Vorwurf gemacht worden. Wir sind darüber nicht wenig erstaunt, da doch die Durchfuhr für Italien von grösserem Vorteil als für seinen Gegner gewesen wäre. Doch werden wir auf diese Fragen hier nicht eingehen. Für die Zukunft behalten wir uns völlige Freiheit vor. Wenn eine genauere Erörterung dieses Punkts später nötig
wird, so soll diese vorgenommen werden; für heute wie für morgen bleibt die wirksame Wahrung unseres Neutralitätsstatuts der Prüfstein unserer Entscheidungen.

2. Vorschlag Nr. 2 (finanzielle Massnahmen). Der Bundesrat hat diesbezüglich am 12. November einen Beschluss gefasst, der diesem Berichte beigefügt ist.

Da der Vorschlag des Koordinationsausschusses, der in Artikel l wiedergegeben ist, an zahlreiche Staaten gerichtet war, konnte er die Massnahmen nur ihrem Grundsatz nach umschreiben. Ziffern l und 2 beziehen sich auf Anleihen und Kredite für den italienischen Staat, Ziffern 8 und 4 auf Anleihen und

947 Kredite für alle andern italienischen Darlehens- oder Kreditnehmer, Ziffer 5 handelt von Aktien- und andern Beteiligungen zugunsten italienischer öffentlicher Körperschaften oder privater Unternehmungen. Ob ein bestimmtes Finanzgeschäft unter den Beschluss fällt oder nicht, wird im Einzelfalle zu prüfen sein. Da lediglich neue Krediterteilungen verhindert werden sollen, können Kredite, die heute bereits von schweizerischen Banken und Finanzgesellschaften an italienische Banken, Finanzgesellschaften oder andere Unternehmungen gewährt sind, im heutigen Umfang aufrechterhalten werden.

Ebenso bleiben die bereits für italienische, öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Körperschaften in der Schweiz aufgelegten Anleihen oder für privatrechtliche Körperschaften vorgenommenen Aktienemissionen bestehen.

Besondere Aufmerksamkeit erheischt dagegen die Stellung der Filialen, Vertretungen und Beteiligungen schweizerischer Firmen in Italien. Es muss verhütet werden, dass durch die finanziellen Massnahmen nicht nur deren italienisches Geschäft, sondern auch das schweizerische i Mutterunternehmen getroffen wird. Eine derartige Wirkung dürfte kaum in der Absicht des Koordinationsausschusses gelegen sein. Art. 2 des Bundesratsbeschlusses räumt daher der Nationalbank die Befugnis ein, gegebenenfalls gewisse begrenzte Darlehen zu gestatten, um dadurch schwerwiegende Folgen für Filialen, Vertretungen oder Beteiligungen schweizerischer Unternehmen in Italien abzuwenden.

Wie bei allen wirtschaftlichen und finanziellen Notmassnahmen der letzten Zeit, soll auch die Durchführung der finanziellen Massnahmen gegen Italien durch Strafbestimmungen gesichert werden. Dabei ist auch die fahrlässige Begehung unter Strafe zu stellen. Die Widerhandlungen unterstehen der Bundesgerichtsbarkeit.

3. Vorschlag Nr. 3 (Einfuhrverbot für italienische Waren).

Wir möchten nochmals und ausdrücklich feststellen, dass diese Massnahme damit begründet wurde, man müsse verhindern, dass sich Italien aus dem Export seiner Waren Devisen beschaffen könne, die zum Erwerb von Kriegsmaterial oder Eohstoffen verwendet würden. Da der Bundesrat -- in Übereinstimmung mit seinen Delegierten in Genf -- der Ansicht ist, dass der so umschriebene Zweck zweifellos auch erreicht werden kann, ohne dass der Warenverkehr mit Italien vollständig unterbunden
werden muss, glaubte er, die Verantwortung für eine derartig weitgehende und nicht nur den Welthandel, sondern namentlich auch die schweizerische Wirtschaft ' unnötigerweise aufs schwerste schädigende Massnahme nicht übernehmen zu können. Die Schweiz gehörte bisher zu den wenigen Ländern, die im Warenverkehr Italien einen Devisenüberschuss zur Verfügung gestellt haben. Der Bundesrat hat deshalb ein System einer direkten Verrechnung ohne Devisenspitze in Vorschlag gebracht, welches geeignet ist, den erwähnten Zweck ebenso vollständig zu erfüllen wie die Annahme des gestellten Antrages. Da es nicht angehen würde, dass die Schweiz aus den von andern Staaten angeordneten Massnahmen Nutzen ziehen und ihren Handelsverkehr mit Italien bedeutend steigern könnte, so hat sie sich verpflichtet, diesen nicht über den Umfang des Jahres

948 1934 ansteigen zu lassen. Wenn dieser schweizerische Vorschlag von gewissen andern Delegationen auch mit etwas gemischten Gefühlen aufgenommen wurde, so ist seine grundsätzliche Berechtigung doch von keiner Seite bestritten worden.

Man hat sich, wie bereits hervorgehoben, auf eine loyale Durchführung der vorgesehenen Massnahmen seitens der Schweiz verlassen.

Da das in Aussicht genommene Verrechnungssystem kaum einseitig, d.h.

ohne Mitwirkung der italienischen Eegierung durchgeführt werden kann, so haben wir unverzüglich eine Delegation nach Born entsandt, um auf der Basis Vorschläge, wie sie dem Koordinationskomitee von der Schweiz gemacht worden sind, mit Italien einen Clearingvertrag abzuschliessen. Diese Verhandlungen sind zur Zeit der Abfassung dieses Berichts noch im Gang. Wir mussten immerhin versorglicherweise am 18. November gestützt auf den Bundesbeschluss vom 14. Oktober 1933 einen Beschluss über den Zahlungsverkehr mit Italien erlassen, worin die Pflicht zur Bezahlung italienischer Waren an die Schweizerische Nationalbank stipuliert ist.

4. Vorschlag Nr. 4 ( A u s f u h r v e r b o t nach Italien für gewisse Waren). Man war sich im Verlauf der Beratungen des Koordinationsausschusses darüber im klaren, dass die auf Grund dieses Vorschlages ergriffenen Massnahmen nur in dem Masse wirksam sein könnten, als sie die Möglichkeit berücksichtigten, die Durchfuhr zu unterbrechen und die Waren auf dem Umweg über ein Land zu befördern, das sich an den Sanktionen nicht beteiligt. Es genügte somit nicht, die Ausfuhr der in Vorschlag Nr. 4 aufgezählten Waren nach Italien oder dessen Besitzungen zu verbieten. Aus diesem Grunde hat der Bundesrat beschlossen, die Ausfuhr überhaupt zu untersagen und dieses Verbot ebenfalls auf die nach der Schweiz wieder ausgeführten und für Italien bestimmten Waren anzuwenden. Zu diesem Behufe hat er am 12. November einen Beschluss gefasst, dessen Wortlaut beiligt.

Die Oberzolldirektion ist indessen laut Artikel 2 des Beschlusses ermächtigt, in besondern Fallen die Ausfuhrerlaubnis zu erteilen. Diese Bestimmung wird eine verschiedene Anwendung erfahren, je nachdem der Binfuhrstaat die Sanktionen gegen Italien durchführt oder nicht. Im ersten Falle nämlich bestand kein Grund, die Ausfuhr nicht unbeschrankt freizugeben.

Im zweiten Falle hingegen musste mit der
Gefahr einer Abzweigung der ausgeführten Erzeugnisse gerechnet werden. Es galt also, anders vorzugehen.

Auch wurde verfugt, dass die Ausfuhr nach den Ländern, welche an den Sanktionsmassnahmen nicht teilnehmen, in einem Vierteljahr den Quartalsdurchschnitt der Jahre 1932 bis 1934 nicht übersteigen dürfe.

Der Bundesbeschluss vom 12. November gut auch für das Fürstentum Liechtenstein. Er ist gemäss dem Vorschlag des Koordinationsausschusses am 18. November in Kraft getreten.

5. Vorschlag Nr. 5 (Organisation des wechselseitigen Beistandes). Hinsichtlich dieses Vorschlages kann an das oben Gesagte verwiesen ·werden.

949 V. Schlussbemerkungen.

Die Bedeutung der ergriffenen Massnahmen ist allzugross, als dass wir sie nicht bei erster Gelegenheit der Bundesversammlung vorlegten. Wir denken, im Bahraen unserer Befugnisse gehandelt zu haben. Artikel 102, Ziffern 8 und 9, der Bundesverfassung betraut den Bundesrat damit, «die Interessen der Eidgenossenschaft nach aussen, wie namentlich ihre völkerrechtlichen Beziehungen» zu wahren, sowie «für die àussere Sicherheit, für die Behauptung der Unabhängigkeit und Neutralität der Schweiz» zu wachen. Wohl hatten wir, als uns im Jahre 1921 der Völkerbund nach den Bestimmungen fragte, die wir zu treffen bereit seien, um die Anwendung des Artikels 16 zu gewährleisten, in Genf erklärt, es scheine angezeigt, «jeden gegen einen paktbrüchigen Staat gerichteten Beschluss der Bundesversammlung zur Beurteilung vorzulegen, welcher laut Artikel 85, Ziffer 6, der Bundesverfassung nicht nur die Kriegserklärungen und Friedensschlüsse, sondern auch noch die Massregeln für die äussere Sicherheit, für Behauptung der Unabhängigkeit und Neutralität der Schweiz anheimgestellt sind». Im vorliegenden Falle geboten jedoch unseres Erachtens die Umstände die Einberufung der Bundesversammlung zu einer ausserordentlichen Tagung nicht. Der Bundesrat verfügte hier verfassungsgemäss über dieselben Befugnisse wie die gesetzgebenden Eäte, haben doch hinsichtlich dieses Punktes die Artikel 85 und 102 der Bundesverfassung nahezu den gleichen Wortlaut. Daher hat er. auch mit Bücksicht auf die Dringlichkeit der zu fassenden Beschlüsse, selbei handeln zu müssen geglaubt, mit nachträglicher Berichterstattung an die Bundesversammlung ; dies wenigstens solange die Durchführung der Sanktionen die Lage nichtdermassen verschlimmere, dass eine Gefahr für die äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft zu befürchten wäre. Die Eäte werden diesem Standpunkt sicherlich beipflichten.

Im Vertrauen darauf, dass sie unsere Stellungnahme billigen werden, ersuchen wie Sie, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochverehrte Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Bern, den 2. Dezember 1935.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

R. Minger.

Der Bundeskanzler:

G. Bovet.

950

Beilagen.

A. Vorschläge des Koordinationsausschusses. Erste Tagung.

(11.--19. Oktober 1935.)

Vorschlag Nr. l, vom Koordinationsausschuss am 11. Oktober 1935 genehmigt.

Ausfuhr von Waffen, Munition und Kriegsmaterial.

Zum Zwecke, den Eegierungen der Völkerbundsmitglieder die Erfüllung der Verpflichtungen zu erleichtern, die ihnen Artikel 16 des Paktes auferlegt, sind folgende Massnahmen sofort zu ergreifen: 1. Diejenigen Eegierungen der Völkerbundsmitglieder, welche bereits Bestimmungen anwenden, die das Verbot oder die Einschränkung der Ausfuhr, der Wiederausfuhr oder der Durchfuhr von Waffen, Munition und Kriegsmaterial nach Abessinien bezwecken, werden diese Bestimmungen unverzüglich aufheben; 2. Die Eegierungen der Völkerbundsmitglieder werden unverzüglich die Ausfuhr, die Wiederausfuhr und die Durchfuhr nach Italien oder dessen Besitzungen von Waffen, Munition und Kriegsmaterial, die in der beigeschlossenen Liste aufgezählt sind, verbieten; 3. Die Eegierungen der Völkerbundsmitglieder werden die erforderlichen Vorkehrungen treffen, um zu verhüten, dass die nach einem andern Land als Italien ausgeführten Waffen, Munition und Kriegsmaterial, die in der beigeschlossenen Liste aufgezählt sind, unmittelbar oder mittelbar nach Italien oder dessen Besitzungen wieder ausgeführt werden; 4. Die in Paragraphen 2 und 3 vorgesehenen Massnahmen finden auch auf die laufenden Verträge Anwendung.

Jede Eegierung wird ersucht, innert kürzester Frist den Ausschuss durch Vermittlung des Generalsekretärs des Völkerbundes über die gemäss obigen Bestimmungen ergriffenen Massnahmen zu unterrichten.

951 Liste der als Waffen,

Beilagel).

Munition und Kriegsmaterial bezeichneten Gegenstände.

I. Kategorie.

1. Gewehre und Karabiner, ebenso deren Läufe.

2. Schwere Maschinengewehre, leichte Maschinengewehre und Pistolengewehre aller Kaliber sowie deren Läufe.

3. Kanonen, Haubitzen und Mörser aller Kaliber sowie deren Lafetten, Bohre und Bremsen.

4. Munition für die unter obgenannten Nummern l und 2 aufgezählten Waffen, geladene und ungeladene Geschosse für die unter obgenannter Nr. 3 aufgezählten Waffen und die vorbereiteten Treibladungen.

5. Granaten, Bomben, Torpedos und geladene und ungeladene Minen sowie die Wurf- und Zündapparate.

6. Kampfwagen, Panzerwagen und Panzerzüge, Panzerungen aller Art.

II. Kategorie.

Kriegsschiffe aller Art, einschliesslich die Plugzeugmutterschiffe und die Unterseeboote.

III. Kategorie.

1. Flugmaterial montiert oder demontiert, schwerer oder leichter als die Luft, sowie die Propeller, Rümpfe, Schiessstände, Verkleidungen, Leitstände und Fahrgestelle.

2. Flugmotoren.

IV. Kategorie.

Eevolver und Pistolen schwerer als 630 Gramm sowie die Munition für diese Waffen.

V. Kategorie.

1. Flammenwerfer und alle andern Wurf apparate, welche dem chemischen und Brandkrieg dienen.

2. Senfgas, Lewisit, Dichloretylarsin und Dichlormetylarsin und alle andern Produkte, bestimmt für den chemischen und Brandkrieg 2).

3. Kriegspulver und Sprengstoffe.

*) Diese Aufzählung ist am 16. Oktober 1935 genehmigt worden (Vorschlag Nr. l A).

2 ) Es musa daran erinnert werden, dass die Verwendung dieser Gegenstände durch das Übereinkommen vom 17. Juni 1925 verboten worden ist und verboten bleibt. Diese Gegenstände sind deshalb im Text aufgezahlt, weil ihre Herstellung frei bleibt (um so mehr, als es sich öfters um Produkte handelt, die einem gemischten Gebrauch dienen können) und das Komitee daher betonen zu müssen glaubte, dass deren Ausfuhr in keinem Falle geduldet werden könne.

952 Vorschlag Nr. 2, vom Koordinationsausschuss am 14. Oktober 1935 genehmigt.

Finanzielle Massnahmen.

Zum Zwecke, den Begierungen der Völkerbundsmitglieder die Erfüllung der Verpflichtungen zu erleichtern, die ihnen Artikel 16 des Paktes auferlegt, sind unverzüglich folgende Bestimmungen zu treffen: Die Eegierungen der Völkerbundsmitglieder ergreifen sofort alle erforderlichen Massnahmen, um den Abschluss folgender Geschäfteunmöglich zumachen : 1. alle unmittelbar oder mittelbar der italienischen Eegierung zu gewährenden Darlehen und jede Zeichnung für Anleihen, die in Italien oder anderwärts von der italienischen Regierung, unmittelbar oder mittelbar, ausgegeben werden; 2. alle Bank- und andern Kredite, die unmittelbar oder mittelbar für die italienische Eegierung bestimmt sind, sowie die weitere Ausführung aller Darlehensverträge, die der italienischen Eegierung unmittelbar oder mittelbar gewährt worden sind, durch Vorschüsse, ungedeckte Kredite oder durch irgendein anderes Vorgehen; 3. alle Darlehen, die unmittelbar oder mittelbar für auf italienischem Gebiet niedergelassene öffentliche Körperschaften, physische oder juristische Personen bestimmt sind, sowie jede Zeichnung für derartige in Italien oder anderwärts ausgegebene Anleihen; 4. alle Bank- und andern Kredite, die unmittelbar oder mittelbar für auf italienischem Gebiet niedergelassene öffentliche Körperschaften, physische oder juristische Personen bestimmt sind, sowie die weitere Ausführung aller Darlehensverträge, die unmittelbar oder mittelbar zu ihren Gunsten gewährt worden sind, durch Vorschüsse, ungedeckte Kredite oder durch irgendein anderes Vorgehen; 5. alle Aktienemissionen und andern Kapitalbeanspruchungen zugunsten auf italienischem Gebiet niedergelassener öffentlicher Körperschaften, physischer oder juristischer Personen, sowie jede Zeichnung für solche in Italien oder anderwärts durchgeführte Aktienemissionen oder Kapitalbeanspruchungen ; 6. die Eegierungen ergreifen alle erforderlichen Massnahmen, um den Abschluss der in den Absätzen l bis 5 bezeichneten Geschäfte unmöglich zu machen, gleichgültig, ob er unmittelbar oder durch Vermittler irgendwelcher Staatsangehörigkeit erfolgt.

Die Eegierungen werden ersucht, diejenigen unter den empfohlenen Massnahmen unverzüglich in Kraft zu setzen, die den Erlass neuer Gesetze nicht
nötig machen -- und auf wirksame Weise dafür zu sorgen, dass die Durchführung der befürworteten Massnahmen am 31. Oktober 1935 gesichert sei.

Die Eegierungen, denen der Erlass der erforderlichen Gesetzesbestimmungen

953 in dieser Frist unmöglich ist, sind gebeten, dem Ausschuss durch Vermittlung des Generalsekretärs den Zeitpunkt mitzuteilen, zu dem sie die Inkraftsetzung werden vornehmen können.

Jede Eegierung wird ersucht, den Ausschuss durch Vermittlung des Generalsekretärs innert kürzester Frist über die imEinklangmitobigenBestimmungen ergriffenen Massnahmen zu unterrichten.

Vorschlag Nr. 3, vom Koordinationsansschuss am 19. Oktober 193-5 genehmigt.

Verbot der Einfuhr italienischer Waren.

Um den Eegierungen der Völkerbundsniitglieder die Ausführung ihrer Verpflichtungen zu erleichtern, welche ihnen geinäss Art. 16 des Paktes obliegen, empfiehlt es sich, folgende Massnahmen zu ergreifen: 1. Die Eegierungen der Völkerbundsmitgliedei sollen für ihre Gebiete die Einfuhr aller aus Italien oder dessen Besitzungen kommenden oder in Italien oder dessen Besitzungen hervorgebrachten, erzeugten oder hergestellten Waren ohne Bücksicht auf deren Versandort untersagen, mit Ausnahme von Gold- und Silberbarren und -münzen.

2. Produkte und Waren, die in Italien oder dessen Besitzungen erzeugt oder hergestellt sind und in einem andern Land eine Bearbeitung erfahren haben, sowie Waren, die zum Teil in Italien oder in, italienischen Besitzungen und zum Teil in einem andern Land hergestellt worden sind, sollen ebenfalls unter das Verbot fallen, es sei denn, dass im Zeitpunkt, in dem die Waren den letzten Versandort verlassen haben, 25% oder mehr ihres Wertes auf Bearbeitung beruht, die erst stattgefunden hat, nachdem die Waren Italien oder dessen Besitzungen endgültig verlassen haben.

3. Waren, die Gegenstand noch lautender Verträge sind, sollen von dem Verbot nicht ausgenommen sein.

4. Waren, die im Zeitpunkt, in dem das Verbot zur Durchführung gelangt, unterwegs sind, sollen davon ausgenommen werden. Um diese Bestimmung auszuführen, können die Eegierungen zur Erleichterung der Verwaltungsmassnahmen einen angemessenen Zeitpunkt festsetzen, von dem ab die Waren unter das Verbot fallen; dabei ist darauf Eücksicht zu nehmen, wieviel Zeit normalerweise für die Beförderung aus Italien gebraucht wird.

5. Persönliches Gepäck von Eeisenden. welche aus Italien oder aus italienischen Besitzungen kommen, kann ebenfalls von dem Verbot ausgenommen werden.

Da es von Wichtigkeit ist, dass bezüglich der empfohlenen Massnahmen ein gemeinsames und wenn möglich gleichzeitiges Vorgehen gesichert bleibt, Bundesblatt. 87. Jahrg. Bd. II.

72

954 wird jede Regierung ersucht, dem Koordinationsausschuss durch Vermittlung des Generalsekretärs sobald als möglich und spätestens bis 28. Oktober den Zeitpunkt bekanntzugeben, in dem sie bereit wäre, diese Massnahmen in Kraft zu setzen. Der Koordinationsausschuss wird am 31. Oktober zusammentreten, um gestützt auf die erhaltenen Antworten den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Massnahmen festzusetzen.

Vorschlag Nr. 4, vom Koordinationsausschiiss am 19. Oktober 1935 genehmigt.

Verbot der Ausfuhr bestimmter Waren nach Italien.

Um den Regierungen der Völkerbundsmitglieder die Ausführung ihrer Verpflichtungen zu erleichtern, welche ihnen gemäss Art. 16 des Paktes obliegen, empfiehlt es sich, folgende Massnahmen zu ergreifen: 1. Die Regierungen der Völkerbundsmitglieder sollen die Durchführung des Abs. 2 vom Vorschlag I des Koordinationsausschusses auf die Ausfuhr und Wiederausfuhr nach Italien und dessen Besitzungen folgender Produkte erweitern, deren Ausfuhr und Wiederausfuhr infolgedessen verboten sind: a. Pferde, Maultiere, Esel und Kamele sowie alle anderen Zug- und Lasttiere ; ö. Kautschuk; c. Bauxit, Aluminium, Tonerde (Aluminium-Oxyd), Bisenerz und Alteisen ; Chrom, Mangan, Nickel, Titanmetall, Wolfram, Vanadium, ihre Erze und Ferrolegierungen (sowie Ferromolybdän, Ferrosilizium, Ferro silikomangan, Ferrosilikomangan-Aluminium) ; Zinn und Zinnerze.

Die vorstehende Liste c umfasst sämtliche Rohformen der erwähnten Mineralien und Metalle, ihre Erze, Abfälle und Legierungen.

2. Die Regierungen der Völkerbundsmitglieder sollen die erforderlichen Massnahmen treffen, damit die in Abs. l erwähnten Erzeugnisse, die nach anderen Ländern aus Italien und dessen Besitzungen ausgeführt worden sind, weder mittelbar noch unmittelbar nach Italien oder dessen Besitzungen wieder ausgeführt werden.

3. Die in den oben erwähnten Abschnitten l und 2 vorgesehenen Massnahmen sind auch auf laufende Verträge anzuwenden.

4. Waren, die zum Zeitpunkt der Durchführung des Verbotes unterwegs sind, werden davon ausgenommen. Um diese Bestimmung auszuführen, können die Regierungen zur Erleichterung der Verwaltungsmassnahmen einen angemessenen Zeitpunkt festsetzen, von dem ab die Waren unter das Verbot fallen; dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, wieviel Zeit

955 normalerweise für die Beförderung nach Italien oder den italienischen Besitzungen gebraucht wird.

Da es von Wichtigkeit ist, bezüglich der empfohlenen Massnahinen ein gemeinsames und wenn möglich gleichzeitiges Vorgehen zu sichern, wird jede Eegierung ersucht, dem Koordinationsausschuss durch Vermittlung des Generalsekretärs sobald als möglich und spätestens bis zum 28. Oktober den Zeitpunkt bekanntzugeben, zu welchem sie bereit wäre, diese Massnahmen in Kraft zu setzen. Der Koordinationsausschuss wird am 31. Oktober zusammentreten, um gestützt auf die erhaltenen Antworten den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Massnahmen festzusetzen.

Der Koordinationsausschuss ist darauf aufmerksam gemacht worden, dass die vorstehenden Vorschlage möglicherweise auf eine gewisse Anzahl weiterer Erzeugnisse auszudehnen wären. Er beauftragt den Achtzehnerausschuss, den Eegierungen alle diesem Zweck entsprechenden Vorschläge zu unterbreiten.

Vorschlag Nr. 5, vom Koordinationsausschuss am 19. Oktober 1935 genehmigt.

Organisation des wechselseitigen Beistandes.

Der KoordinationsausschuRS macht alle Eegierungen ganz besonders auf die Verpflichtungen aufmerksam, die ihnen Artikel 16, Absatz 3. des Paktes auferlegt, worin die Völkerbundsmitgheder sich bei Ausführung der auf Grund dieses Artikels zu ergreifenden wirtschaftlichen und finanziellen Massuahmen wechselseitigen Beistand zusagen.

I. Um diese Verpflichtungen in die Tat umzusetzen, sollen die Eegierungen der Völkerbundsmitglieder : a. unverzüglich die nötigen Vorkehrungen treffen, damit kein Land, das die Sanktionen durchführt, wegen irgendwelcher in Anwendung des Artikels 16 getroffenen Massnahme die Vorteile einbüsst, die ihm die von den beteiligten Ländern mit Italien geschlossenen Handelsabkommen vermöge der Meistbegünstigungsklausel sicherten; b. im Eahmen der Bedürfnisse ihrer Länder geeignete Massnahmen treffen, um die Einfuhr von Waren italienischen Ursprungs durch Einfuhr ähnlicher Erzeugnisse aus den beteiligten Staaten zu ersetzen; c. sich bereit erklären, mit Beginn der Durchführung der wirtschaftlichen Sanktionen mit den beteiligten Staaten, die in Mitleidenschaft gezogen worden sind, in Verhandlung zu treten, um die Warenverkäufe zu vermehren und dadurch den Verlust italienischer Absatzmarkte, der sich aus der Durchführung der Sanktionen ergibt, auszugleichen; d. in den Fällen, in denen ihnen hinsichtlich der betreffenden Erzeugnisse kein Nachteil erwachsen ist, werden sie, falls auf Grund der Absätze b

956 und c Vorzugsrechte für diese Erzeugnisse gewahrt worden sind, davon absehen, die Anwendung der Meistbegünstigungsklausel zu verlangen.

II. Zu diesem Zweck werden die Eegierungen -- wenn nötig unter Mitwirkung des Achtzehnerausschusses -- insbesondere die Möglichkeit erwägen, im Bahmen ihrer bestehenden Verpflichtungen und gestützt auf die beiliegenden Gutachten des juristischen Unterausschusses des Koordinationsausschusses folgende Massnahmen zu treffen: 1. mit allen geeigneten Mitteln ihre Einfuhr aus den Ländern, die infolge der Durchführung der Sanktionen Absatzmärkte in Italien verloren haben sollten, zu-steigern; 2. zur Erleichterung dieser Einfuhrsteigerung, eingedenk der Verpflichtungen zu wechselseitiger Unterstützung sowie der Vorteile, die die Durchführung dieser Sanktionen dem Handel gewisser Mitgliedstaaten des Völkerbundes einbringen könnte, die sich an den Sanktionen nicht beteiligen, mit allen geeigneten Mitteln die Einfuhr aus diesen Ländern in angemessenem Umfang herabzusetzen ; 3. Geschäftsabschlüsse zwischen Unternehmen, die am Verkauf ihrer Erzeugnisse auf dem italienischen Markt interessiert sind und infolge der Durchführung der Sanktionen einen Nachteil erlitten hätten, und den Unternehmen, die die gleichen Waren normalerweise einführen, mit allen in ihrer Macht stehenden Mitteln zu fördern; 4. überhaupt an der Organisierung eines internationalen Warenabsatzsystems mitzuwirken, um jeden aus der Durchführung der Sanktionen entstehenden Verlust italienischer Absatzmärkte wettzumachen.

Sie werden ausserdem in gleicher Weise finanzielle und andere Massnahmen ins Auge fassen, die neben den Handelsmassnahmen zu treffen wären, soweit diese allein zur Sicherung eines internationalen, wechselseitigen Beistandes nicht ausreichen würden.

Der Koordinationsausschuss bittet den Achtzehnerausschuss, den beteiligten Eegierungen, wenn nötig, die zu Beginn des zweiten Teiles dieses Vorschlags vorgesehene Mitwirkung zu gewähren.

B. Antwort der Schweiz auf die Vorschläge der ersten Tagung des Koordinationsausschusses.

Eidg. Politisches Departement Abteilung für Auswärtiges

Bern, den 28. Oktober 1935.

Herr Generalsekretär!

Mit Beziehung auf Ihre Mitteilungen Nr. C. L. 139 und 168 vom 15. und 20. Oktober über die vom Koordinationsausschuss stammenden «Vorschläge»;

957 beehren wir uns, Ihnen zur Kenntnis zu bringen, dass der Bundesrat die Erklärung, die am 10. Oktober von seinem ersten Delegierten an der Völkerbundsversamrnlung über die Mitarbeit der Schweiz bezüglich der Anwendung des Artikels 16 des Völkerbundsvertrags abgegeben -worden ist, vollinhaltlich bestätigt.

Infolgedessen hat die Regierung der Eidgenossenschaft beschlossen. A om 31. Oktober 1935 an die Ausfuhr, die Wiederausfuhr und die Durchfuhr mit Bestimmung nach Abessinien und Italien für die Kategorien von Waffen.

Munition und Kriegsmaterial, die in der vom Koordinationsausschuss festgesetzten Liste aufgeführt sind, zu verbieten. Sie hat gleichfalls die Ausfuhr zum Zwecke der Wiederausfuhr nach Abessinien und Italien für dieselben Kategorien von Waffen, Munition und Kriegsmaterial nach andern Ländern als Abessinien und Italien verboten. In Anbetracht des Artikels 9 des Haager Abkommens vom 18. Oktober 1907 betreffend die Eechte und Pflichten der neutralen Mächte und Personen im Palle eines Landkrieges und mit Rücksicht auf unser Neutralitätsstatut ist es uns nicht möglich gewesen, auf die Sperre von Waffen, Munition und Kriegsmaterial mit Bestimmung nach Abessinien zu verzichten.

Der Bundesrat nimmt den Vorschlag Nr. 2 des Koordinationsausschusses (finanzielle Massnahmen), unbeschadet der nähern Bestimmung gewisser Modalitäten der Anwendung, an: er nimmt ebenfalls den Vorschlag Nr. 4 an (Sperre für gewisse Ausfuhren mit Bestimmung nach Italien). Er ist bereit, auf den Tag hin, den der Koordinationsausschuss bestimmen wird, die Massnahmen zu ergreifen, die diese beiden Vorschläge erfordern.

Er nimmt den Vorschlag Nr. 5 (Organisation des gegenseitigen Beistandes) zur Kenntnis.

Was den Vorschlag Mr. 3 (Verbot der Einfuhr ans Italien) anbelangt, gibt der Bundesrat dem Koordinationsausschuss folgendes zur Erwägung: Es wäre nicht zu leugnen und ist auch in den Erörterungen, die bis jetzt stattgefunden haben, nie bestritten worden, dass sich die Schweiz angesichts d'es gegenwärtigen Konflikts ·wirklich, in einer völlig ausserordentlichen Stellung befindet. Es genügt, daran zu erinnern, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft aus Volksteilen deutscher, französischer, italienischer und ladinischer oder romanischer Zunge besteht. In den italienischen Gegenden der Schweiz wird die Sprache des
Landes gesprochen, gegen das strenge Massnahmen angewendet werden müssen. Die Beziehungen dieser Gegenden italienischer Zunge zum Nachbarstaat sind infolgedessen sowohl auf kulturellem1 Gebiet als auch auf dem des Handels ganz natürlich sehr eng, und überdies sind sie noch durch

Herrn Joseph Avenol, Generalsekretär des Völkerbundes.

GENF

958

den Umstand begünstigt, dass die Grenze gegen Süden offen ist, während hohe Bergzüge die Verbindung mit dem Landesinnern weniger leicht gestalten.

Im ganzen liefert ferner die Schweiz nach Italien keinerlei Waren, die dort nicht leicht vermisst werden könnten. Eine Ausnahme machen einige Eohstoffe, die jedoch infolge des Vorschlages Nr. 4, den wir annehmen, nicht mehr nach Italien werden gesandt werden können. Wenn die Schweiz unter solchen Bedingungen dem Vorschlage Nr. 3 beiträte, so würde sie sicher ihre gesamte Ausfuhr nach Italien verlieren, alte, feste Bande zerreissen und ohne Nutzen für irgendjemand ungefähr zehntausend Personen zu einer aufreizenden Arbeitslosigkeit verurteilen.

Der Absatz 3 des Artikels 16 des Völkerbundsvertrags, dessen rechtlicher Wert demjenigen der andern Bestimmungen des Artikels gleichkommt, gibt der Schweiz einen Anspruch darauf, von den andern Mitgliedern des Völkerbundes für die ihr auferlegten besondern Opfer schadlos gehalten zu werden.

Dieser Grundsatz ist zudem in der Empfehlung Nr. 5 des Koordinationsausschusses anerkannt. Der Bundesrat hat das letzterwähnte Schriftstück mit der grössten Aufmerksamkeit geprüft und ist dabei zur Überzeugung gelangt, dass, selbst wenn die andern Mitgliedstaaten den besten Willen an den Tag legen würden -- woran er keinen Augenblick zweifeln kann --, es leider doch nicht möglich wäre, der Schweiz auch nur teilweise einen Ausgleich für die schweren Verluste zu bieten, die ihr aus der Anwendung des Vorschlages Nr. 3 erwachsen würden. In der Tat, wie könnten die erwähnten Staaten die politischen, geistigen und moralischen Nachteile wiedergutmachen, die ein Abbruch aller wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den italienisch sprechenden Teilen der Schweiz und Italien nach sich ziehen würde ? Ein Ausgleich von merklichem Wert erscheint auch zugunsten der gesamten schweizerischen Volkswirtschaft nicht wohl vorstellbar, wenn man die besondere Struktur der schweizerischen Ausfuhr mit derjenigen der italienischen Verkäufe nach dem Ausland vergleicht. Die Schweiz führt nämlich Waren verschiedenster Art aus: da die Qualität ausserdem meistens besondern Bedürfnissen angepasst ist, unterscheiden sich die Preise merklich von denjenigen der Erzeugnisse anderer Länder. Selbst wenn die andern Mitgliedstaaten der Schweiz sehr ausgedehnte
besondere handelspolitische Zugeständnisse einräumen würden, könnte die Schweiz demnach kaum damit rechnen, von den bis jetzt nach Italien ausgeführten Waren einen bedeutenden Teil auf andern Märkten abzusetzen.

Die schweizerischen Vertreter werden dem Koordinationsausschuss gerne noch ausführlichere Erläuterungen über diese unbestreitbaren Tatsachen geben.

Der Bundesrat geht trotz der besondern Stellung der Schweiz indessen nicht vom Standpunkt aus, er könne oder wolle sich nicht an Massnahmen beteiligen, die auf die Erreichung des im Vorschlag Nr. 3 gesetzten Ziels gerichtet sind. Er ist auch in dieser Beziehung geneigt, seine Mitarbeit in einer Form zu gewähren, die nicht nur der gemeinsamen Sache nicht abträglich, sondern geeignet ist, durch andere, für die Schweiz tragbare Mittel denselben Zweck in vollem Umfange zu verwirklichen. Das Ziel besteht darin, zu verhindern,

959 dass Italien mit den aus seiner Ausfuhr gewonnenen Devisen die Waren kaufen kann, deren es zur Kriegführung bedürfte. Die Schweiz gehört zu der geringen Zahl der Staaten, deren Handel mit Italien diesem Lande bis jetzt einen ziemlich bedeutenden Devisenüberschuss verschafft hat. Der Bundesrat ist bereit, dafür Sorge zu tragen, dass dieser Überschuss verschwindet, indem die direkten Zahlungen aufgehoben werden. Dieses Ergebnis kann ohne weiteres auf dem Wege eines unmittelbaren Kompensationsverkehrs, ohne Devisenüberweisungen, erreicht werden.

Um anderseits zum vornherein den Einwand zu beseitigen, wonach sich der schweizerische Handel dank diesem Verfahren auf Kosten der Interessen der andern Mitgliedstaaten entwickeln könnte -- diese Annahme haben die Vertreter des Bundesrats schon wiederholt aufs nachdrücklichste von sich gewiesen --, ist der Bundesrat geneigt, die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, damit der schweizerisch-italienische Warenverkehr den Umfang nicht überschreite, den er bisher gehabt hat.

Die Vertreter der Schweiz stehen auch in dieser Beziehung für alle weitern zweckdienlichen Auskünfte und Ergänzungen zur Verfügung des Koordinationsausschusses ., Der Bundesrat darf sich der Hoffnung hingeben, dass die im Koordinationsausschuss vertretenen Staaten den Gemeinschaftssinn anerkennen werden, von dem er sich leiten lässt ; die befürwortete Lösung weicht allerdings in dem zu befolgenden Vorgehen vom ATorschlage Xr. 3 ab, deckt sich aber mit ihm.

was das zu erreichende Ziel anbelangt.

Indem wir Sie bitten, das Vorstehende zur Kenntnis der im Koordinationsausschuss vertretenen Staaten bringen zu wollen, versichern wir Sie, Herr Generalsekretär, unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Eidgenössisches Politisches Departement: (gez.) Motta.

C. Beschlüsse und Resolutionen des Koordinationsausschusses.

Zweite Tagung (31. Oktober bis 2. November 1935).

Vorschlag Nr. 1.

Ausfuhr von Waffen, Munition und Kriegsmaterial.

Der Koordinationsausschuss hat am 2. November 1935 den Bericht des juristischen Unterausschusses über die Antworten der Eegierungen betreffend Vorschlag Kr. l zur Kenntnis genommen.

960 Vorschlag Nr. 2.

Finanzielle Massnahmen.

Besolutionen des Koordinationsausschusses vom 2. November 1935.

Der Koordinationsausschuss stellt fest, dass neununddreissig Eegierungen der Mitgliedstaaten des Völkerbundes Massnahmen ergriffen haben oder gegenwärtig ergreifen zum Zwecke, den Abschluss der im Vorschlag Nr. 2 des Ausschusses vom 14. Oktober umschriebenen Finanzgeschäfte mit Italien oder dessen Besitzungen unmöglich zu machen, und dass zehn weitere Eegierungen sich bereit erklärt haben, solche Massnahmenzu ergreifen.

Er ersucht alle Eegierungen, die geeigneten Massnahmen zu ergreifen, damit die in Vorschlag Nr. 2 enthaltenen Bestimmungen spätestens am 18. November ihre rechtlichen Wirkungen vollauf entfalten können.

Diejenigen Eegierungen, die noch keine Mitteilung in diesem Sinn eingereicht haben, werden ersucht, den Ausschuss innert kürzester Frist, durch Vermittlung des Generalsekretärs des Völkerbundes, über die im Einklang mit der vorliegenden Eesolution ergriffenen Massnahmen zu unterrichten.

Vorschläge Nrn. 3 und 4.

Resolution des Koordinationsausschusses vom 2. November 1935.

Der Koordinationsausschuss, in der Erwägung: 1. Dass sich bereits dreiundvierzig Eegierungen der Mitgliedstaaten des Völkerbundes zur Annahme des Vorschlages Nr. 3, vierundvierzig zur Annahme des Vorschlages Nr. 4, die vom Ausschuss ara 19. Oktober genehmigt worden sind, bereit erklärt haben und dass sechs weitere Mitgliedstaaten, denen der vollständige Wortlaut wegen ihrer Entfernung vom Sitze des Völkerbundes nicht sofort zugekommen ist, eine günstige Behandlung der Vorschläge in Aussicht gestellt haben.

2. Dass nahezu alle Eegierungen sich bereit erklärt hatten, die vorgeschlagenen Massnahmen auf Mitte November oder auf den vom Koordinationsausschuss zu bestimmenden Zeitpunkt in Kraft treten zu lassen: Beschliesst, für das Inkrafttreten dieser Massnahmen den 18. November anzusetzen ; Ersucht alle Eegierungen der Völkerbundsmitglieder, dafür zu sorgen, dass die wirksame Durchführung dieser Massnahmen auf allen Gebieten des Staates am 18. November beginne; Bittet jede Eegierung, innert kürzester Frist den Koordinationsausschuss durch Vermittlung des Generalsekretärs des Völkerbundes über die gemäss obigen Bestimmungen ergriffenen Massnahmen zu unterrichten.

961

Verträge, deren Bezahlung vollständig erfolgt ist.

Beschluss des Koordinationsausschusses vom 2. November 1935.

Der Koordinationsausschuss hat dem Vorschlag des Achtzehnerauschussses beigestimmt, wonach unter Abweichung von Vorschlag Nr. 3 die Erfüllung derjenigen Verträge zulässig ist, deren Bezahlung am 19. Oktober 1935 vollständig erfolgt ist.

Fällige Forderungen.

Resolution des Koordijiationsausschusses vom 2. November 1935.

Die Mitgliedstaaten des Völkerbundes, die an den in Ausführung von Artikel 16 des Paktes gegen Italien ergriffenen Massnahrnen teilgenommen haben, Im besondern Hinblick auf Vorschlag Nr. 3, wonach sie sich vom 18. November an jede Einfuhr aus Italien oder dessen Besitzungen versagt haben: 1. Beschliessen, ihre gegenwärtig gegen Italien fälligen Schulden aus Clearingabkommen oder andern Vereinbarungen, deren Begleichung infolge der besagten Sperre unmöglich geworden ist, grundsätzlich und in ihrem heutigen Wert aufrechtzuerhalten, ungeachtet allfälhger Angebote Italiens auf Naturalleistungi oder irgendwelcher Massnahrnen. die es gegen die Gläubigerländer ergreifen mag.

2. Erklären sich bereit: a. Nach Einstellung der in Ausführung von Artikel 16 des Paktes gegen Italien ergriffenen Massnahmen sich wechselseitig beizustehen, um von Italien zu erlangen, dass es seinen Verpflichtungen gegenüber den Gläubigerstaaten nachkomme, als ob es der Anwendung des Artikels 16 des Paktes nicht ausgesetzt gewesen wäre; fe. Und wenn ferner bis zu diesem Zeitpunkt einige Staaten dadurch besonders schwer in Mitleidenschaft gezogen werden, dass Italien die Bezahlung der vorerwähnten Forderungen einstellt, die in § 3 des Artikels 16 vorgesehene gegenseitige Hilfeleistung der bestmöglichen Wiedergutmachung des erlittenen Schadens dienstbar zu machen.

Der Ausschuss für wechselseitigen Beistand wird eine Liste der in obigem § l erwähnten Forderungen anfertigen und wird die laut obigem § 2 b vorgesehenen Hilfsmittel einer Prüfung unterziehen.

D. Vorschläge und Resolutionen des Achtzehnerausschusses (4.--6. November 1935), Auftrag des Achtzehnerausschusses.

Resolution des Koordinationsausscliusses vom 19. Oktober 1935.

Der Koordinationsausschuss ersucht denAchtzehnerausschuss, seine Tagung fortzusetzen, um die Ausführung der den Eegierungen bereits unterbreiteten

962 Anträge zu verfolgen und dem Koordinationsausschuss oder den darin vertretenen Regierungen neue Vorsehläge irgendwelcher Art, die ihm angebracht erscheinen, vorzulegen.

Zu diesem Zwecke wird der Achtzehnerausschuss technische oder anderweitige Unterausschüsse bestellen, die er als geeignet betrachtet, und zu deren Tagungen Mitglieder des Achtzehner- oder des Koordinationsausschusses einberufen werden können.

Vorschlag Nr. 2 a, vom Achtzehnerausschuss am 6. November 1935 genehmigt.

Clearingverträge.

Der Achtzehnerausschuss, Gestützt auf den Auftrag des Koordinationsausschusses, die Durchführung der den Eegierungen unterbreiteten Vorschläge zu verfolgen mit der Ermächtigung, alle neuen Vorschläge zu machen, die er für angezeigt erachten sollte, macht die Anregung, folgende Massnahmen zu ergreifen, Um die Anwendung des Vorschlages 2 (4) und des Vorschlages 3 wirksam zu gestalten, sollen die im Koordinationsausschuss vertretenen Eegierungen: 1. a. ab 18. November die Annahme neuer Einzahlungen in Liren auf dem italienischen Clearingkonto als Gegenwert der nach Italien ausgeführten Waren verbieten ; b. und infolgedessen soweit notwendig die Durchführung aller Clearingverträge und Zahlungsabkommen einstellen, die sie mit Italien vereinbart haben könnten, und dies spätestens am 18. November.

2. Gegebenenfalls die nötigen Massnahmen treffen, damit der Preis der schon eingeführten oder noch einzuführenden und noch nicht bezahlten italienischen Waren in eine nationale Kasse einbezahlt wird, deren Beträge gegebenenfalls zur Begleichung der Forderungen, welche die Warenausfuhr betreffen, bestimmt sein sollen.

Jede Regierung wird ersucht, dem Koordinationskomitee durch Vermittlung des Generalsekretärs des Völkerbundes sobald als möglich die Massnahmen, welche sie entsprechend den vorgenannten Bestimmungen getroffen hat, bekanntzugeben.

Vorschlag Nr. 3 a, vom Achtzehnerausschuss am 6. November 1935 genehmigt.

Bücher, Zeitungen, etc.

Der Achtzehnerausschuss, Gestützt auf den Auftrag des Koordinationsausschusses, die Durchführung der den Regierungen unterbreiteten Vorschläge zu verfolgen mit der Brmächti-

963 gung, alle neuen Vorschlage zu machen, die es für angezeigt erachten sollte.

Schlägt vor, dass in Abweichung des Vorschlages Nr. 3 das Verbot der Einfuhr von Waren aus Italien oder dessen Besitzungen nicht auf Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Karten und kartographische Werke, gravierte und gestochene musikalische Werke ausgedehnt wird.

Vorschlag Nr. 4 a, mm Achtzêhnerausschuss am 6. November 1935 genehmigt.

Ausfuhrverbot gewisser Waren nach Italien.

In Ausführung des dem Achtzêhnerausschuss gemäss dem letzten Abschnitt des Vorschlages Nr. 4 übertragenen Amtes, unterbreitet dieser den Begierungén folgenden Vorschlag: Es empfiehlt sich, das unter Vorschlag Nr. 4 vorgesehene Ausfuhrverbot auf folgende Produkte auszudehnen, sobald die notwendigen Bedingungen zur tatsächlichen Ausdehnung verwirklicht sind: Petrol, Petrolderivate, Petr'olnebenprodukte und Petrolrückstände.

Gusseisen, Eisen und Stahl (inbegriffen Stahllegierungen), gewalzt, geschmiedet, gegossen, gezogen, gestanzt, gepresst.

Kohlen (inbegriffen Anthrazit, Steinkohlen), Koks und ihre Agglomerate sowie abgeleitete Brennstoffe.

Wenn deriAusschuss, gestützt auf die ihm in bezug auf den vorliegenden Vorschlag eingegangenen Antworten und gestützt auf die eingezogenen Erkundigungen, es für angezeigt erachtet, wird es den Regierungen ein Datum vorschlagen für die Inkraftsetzung der vorgenannten Massnahmen.

Vorschlag Nr. 4 b, vom Achtzêhnerausschuss am 6. November 1935 genehmigt.

TJnüenkung des Warenverkehrs.

Der Achtzêhnerausschuss.

Gestützt auf den Auftrag des Koordinationsausschusses, die Durchführung der den Eegierungen unterbreiteten Anträge zu verfolgen, mit der Ermächtigung, alle neuen Vorschläge zu machen, die er für angezeigt erachten sollte, macht die Anregung, folgende Massnahmen zu ergreifen: Um die Anwendung der Bestimmungen des Punktes 2 des vom Koordinationsausschuss genehmigten Vorschlages Nr. 4 wirksam zu gestalten, werden die im Koordinationsausschuss vertretenen Eegierungen die erforderlichen Massnahmen treffen, um mit allen in ihrer Gewalt stehenden Mitteln den Bestimmungsort aller Waren, deren Export nach Italien oder den italienischen Besitzungen verboten ist, einer Kontrolle zu unterstellen.

964 Diejenigen Begierungen, die den Export dieser Artikel nicht unverzüglich beschränken, werden den Unifang ihrer Ausfuhr und den Bestimmungsort einer fortwährenden Überwachung unterstellen. Im Falle einer aussergewöhnlichen Vermehrung der betreffenden Ausfuhr werden sie sofort diejenigen Massnahmen treffen, die notwendig sein werden, um zu verhindern, da ss die betreffenden Waren auf Umwegen nach Italien gelangen.

Jede Begiemng wird ersucht, dem Koordinationsausschuss durch Vermittlung des Generalsekretärs des Völkerbundes sobald als möglich die Massnahmen, welche sie entsprechend den vorgenannten Bestimmungen treffen wird, bekanntzugeben.

Laufende Verträge.

Resolution des Achtzehn&rausschusses vom, 6. November 1935.

Der Achtzehnerausschuss beauftragt ein Unterkomitee, zusammengesetzt aus Vertretern von Grossbritannien, Frankreich, Mexiko, Polen, Rumänien, der U. S. S. B., in seinem Namen den beteiligten Begierungen Vorschläge zu unterbreiten in bezug auf die Verträge, die in Abweichung von Abschnitt 3 des Vorschlages Nr. 3 gänzlich erfüllt werden könnten, mit Ausnahme derjenigen, die bis zum 19. Oktober restlos beglichen sind.

Bei diesem Vorschlag wird sich das Unterkomitee von folgenden Grundsätzen leiten lassen: a. Ausnahmen können nur zugelassen werden, wenn es sich um Verträge handelt, die, sei es durch einen Staat, sei es durch eine staatliche oder der staatlichen Verwaltungskontrolle vollständig unterstellten Institution oder auf Bechnung derselben vor dem 19. Oktober 1935 abgeschlossen wurden und sich auf Waren beziehen, die für den einführenden Staat von erheblicher Bedeutung sind; b. eine Minimalquote von 20% des im Vertrag ausbedungenen Totalpreises sollte vor dem 19. Oktober 1935 bezahlt worden sein; c. dieser Ausnahme unterstehen jedoch diejenigen Verträge nicht, welche eine Zahlung in Waren vorsehen, deren Ausfuhr nach Italien laut Vorschlag Nr. 4 verboten ist; d. die Begierungen sollen dem Koordinationsausschuss bis spätestens am 10. November über jeden Vertrag eingehende Auskünfte geben in bezug auf die Beschaffenheit der Waren, den Gesamtbetrag der noch geschuldeten Beträge, den bis zum 19. Oktober 1935 bezahlten und den bis zum 10. November noch schuldigen Betrag.

Das Unterkomitee wird eine endgültige Liste der Verträge aufstellen, hinsichtlich derer ihm eine Abweichung gerechtfertigt erscheint, und wird diese sogleich den im Koordinationsausschuss vertretenen Begierungen zur Kenntnisnahme zustellen.

965 Nachträgliches Verfahren.

a. Resolution desAchtzehnerausschussess vom 2. November 1935.

Der Achtzehnerausschuss, in Anbetracht des Amtes, mit dem er vom Koordinationsausschuss betraut worden ist, beschliesst : a. am 6. November um 15 Uhr 30 zusammenzukommen: b. den Vorsitzenden zu beauftragen, die vom Achtzehnerausschuss in seiner letzten und semer gegenwärtigen Tagung bestellten Unterausschüsse auf den ihm günstig erscheinenden Zeitpunkt einzuberufen: c. die im Koordinationsausschuss vertretenen Regierungen zu ersuchen, dem Vorsitzenden des Achtzehnerausschusse mitzuteilen ob sie m diesem Ausschuss oder im Unterausschuss für wechselseitigen Beistand vertreten zu sein wünschen, wenn die Ausführung des Antrags V zur Aussprache kommen wird.

b. Resolution des Achtzehnerausschusses vom 6. November 1935 Der Achtzehnerausschuss. in Anbetracht des Amtes, mit dem ei vom Koordinationsausschuss betraut worden ist, beschliesst : a. den Vorsitzenden zu beauftragen, den Achtzehnerausschuss auf den ihm gunstig erscheinenden Zeitpunkt einzuberufen; b. die Regierungen Grossbritanniens,Spaniens.. Frankreichs, Griechenlands.

Polens,Rumäniens,Schwro edens. der Türkei, der Vereinigten Sozialistischen Sowietrepubliken und Jugoslawiens zu ersuchen. Sachverstandige nach Genf zu bestellen mit der Aufgabe, die % on den Eegierungen erteilten Auskünfte über die vom Koordinationsausschuss beantragten Maßnahmen zu prüfen und dem Vorsitzenden zu jeder gewünschten Hilfe bereitzustehen, vor allem hinsichtlich der Prägen, welche die Eegierungen im Zusammenhang mit der Ausführung der Antrage des Koordinationsausschusses an ihn richten konnten.

966

E. Bundesratsbeschlüsse.

i.

Bundesratsbeschluss über

die Ausfuhr, die Wiederausfuhr und die Durchfuhr von Waffen, Munition und Kriegsmaterial nach Abessinien und Italien.

(Vom 28. Oktober 1935.)

Der schweizerische Bundesrat, in Anbetracht der für die Schweiz aus dem Art. 16 des Volkerbundsvertrags sich ergebenden Verpflichtungen, in Anbetracht des Vorschlags, der von dem zur Anwendung des Art. 16 gebildeten Koordinationsausschuss am 11./16. Oktober 1935 in Genf gefasst wurde, in Anbetracht der Art. 7 und 9 des Haager Abkommens vom 18. Oktober 1907 betreffend die Eechte und Pflichten der neutralen Machte und Personen im Falle eines Landkrieges, in Anbetracht der Londoner Erklärung vom 13. Februar 1920, in Anbetracht des Art. 102, Ziffern 8 und 9, der Bundesverfassung, beschliesst:

Art. 1.

Die Ausfuhr, die Wiederausfuhr und die Durchfuhr nach Abessinien und Italien oder dessen Besitzungen ist für folgende Kategorien von Waffen, Munition und Kriegsmaterial untersagt *) : I. Kategorie.

1. Gewehre und Karabiner, ebenso deren Läufe.

2. Schwere Maschinengewehre, leichte Maschinengewehre und Pistolengewehre aller Kaliber sowie deren Läufe.

3. Kanonen, Haubitzen und Mörser aller Kaliber sowie deren Lafetten, Bohre und Bremsen.

4. Munition für die unter obgenannten Nrn. l und 2 aufgezählten Waffen, geladene und ungeladene Geschosse für die unter obgenannter Nr. 3 aufgezählten Waffen und die vorbereiteten Treibladungen.

*) Diese Nomenklatur ist in Genf aufgestellt worden; sie ist aus praktischen Erwägungen beibehalten worden, obwohl gewisse Artikel die Schweiz keineswegs betreffen.

967

5. Granaten, Bomben. Torpedos und geladene und ungeladene Minen sowie die Wurf- und Zündapparate.

6.'Kampfwagen. Panzerwagen und Panzerzüge, Panzerungen aller Art.

II. Kategorie.

Kriegsschiffe aller Art, einschliesslich die Flugzeugmutterschiffe und die Unterseeboote.

III. Kategorie.

1. Plugmaterial montiert oder demontiert, schwerer oder leichter als die Luft sowie die Propeller, Eümpfe, Schiessstände, Verkleidungen, Leitwerke und Fahrgestelle.

2. Flugmotoren.

IV. Kategorie.

Eevolver und Pistolen schwerer als 630 Gramm sowie die Munition für diese Waffen.

V. Kategorie.

1. Flammenwerfer und alle andern Wurf apparate, welche dem chemischen und Brandkrieg dienen.

2. Senfgas, Lewisit, Dichloretylarsin und Dichlormetylarsin und alle andern Produkte, bestimmt für den chemischen und Brandkrieg.

3. Kriegspulver und Sprengstoffe.

Art. 2.

Ebenfalls untersagt ist die Ausfuhr derselben Kategorien von Waffen, Munition und Kriegsmaterial nach einem andern Lande als Abessinien und Italien, die zur Wiederausfuhr nach Abessinien und Italien oder dessen Besitzungen bestimmt sind.

Art. 3.

Die Art. 74 ff. des Bundesgesetzes über das Zollwesen vom 1. Oktober 1925 sind auf die Verletzung des vorliegenden Beschlusses anwendbar.

Art. 4.

Der vorliegende Beschluss tritt am 81. Oktober 1935 in Kraft.

Das Finanz- und Zolldepartement wird mit der Vollziehung beauftragt.

Bern, den 28. Oktober 1935.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates.

Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

R. Minger.

Der Bundeskanzler: G. Boret.

968 II.

Eundesratsbeschluss über

die in Ausführung des Art 16 des Völkerbundsvertrags gegenüber Italien zu ergreifenden finanziellen Massnahmen.

(Vom 12. November 1935.)

Der schweizerische B n n d e s r a t .

in Anbetracht der für die Schweiz aus dem Art, 16 des Völkerbundsvertrags sich ergebenden Verpflichtungen, in Anbetracht des Vorschlags, der von dem zur Anwendung des Art. 16 gebildeten Koordinationsausschuss am 14. Oktober 1935 in Genf gef asst wurde, in Anbetracht des Art. 102, Ziffern 8 und 9, der Bundesverfassung, beschliesst:

Art. 1.

Es werden untersagt: 1. alle unmittelbar oder mittelbar der italienischen Eegierung zu gewährenden Darlehen und jede Zeichnung für Anleihen, die in Italien oder anderwärts von der italienischen Eegierung, unmittelbar oder mittelbar, ausgegeben werden; 2. alle Bank- und andern Kredite, die unmittelbar oder mittelbar für die italienische Eegierung bestimmt sind, sowie die weitere Ausführung aller Darlehensverträge, die der italienischen Eegierung unmittelbar oder mittelbar gewährt worden sind, durch Vorschüsse, ungedeckte Kredite oder durch irgendein anderes Vorgehen; 3. alle Darlehen, die unmittelbar oder mittelbar für auf italienischem Gebiet niedergelassene öffentliche Körperschaften, physische oder juristische Personen bestimmt sind, sowie jede Zeichnung für derartige in Italien oder anderwärts ausgegebene Anleihen; 4. alle Bank- und andern Kredite, die unmittelbar oder mittelbar für auf italienischem Gebiet niedergelassene öffentliche Körperschaften, physische oder juristische Personen bestimmt sind, sowie die weitere Ausführung aller

969 Darlehensverträge, die unmittelbar oder mittelbar zu ihren Gunsten gewährt worden sind, durch Vorschüsse, ungedeckte Kredite oder durch irgendein anderes Vorgehen; 5. alle Aktienemissionen und andern Kapitalbeanspruchungen zugunsten auf italienischem Gebiet niedergelassener öffentlicher Körperschaften, physischer oder juristischer Personen, sowie jede Zeichnung für solche in Italien oder anderwärts durchgeführte Aktienemissionen oder Kapitalbeanspruchungen.

Art. 2.

Sollte die Anwendung der Bestimmungen des Art. l für Filialen, Vertretungen oder Beteiligungen schweizerischer Unternehmen in Italien schwerwiegende Folgen nach sich ziehen, so erhält die Nationalbank die Befugnis, gewisse begrenzte Darlehen zu gestatten.

Art. 3.

1. Wer vorsätzlich entgegen dem Verbot des Art. l dieses Beschlusses Darlehen gewährt oder für Anleihen zeichnet, Bank- oder andern Kredit gewährt oder geschlossene Darlehensverträge durch Vorschüsse, ungedeckte Kredite oder durch irgendein anderes Vorgehen weiter ausführt, Aktien ausgibt oder ìur Aktienemissionen oder Kapitalbeanspruchungen zeichnet, wird mit Busse bis auf Fr. 20,000 oder mit Gefängnis bis auf 12 Monate bestraft; die beiden Strafen können verbunden werden.

2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse bis zu Fr. 10,000.

8. Der erste Abschnitt des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht Vom 4. Februar 1858 findet Anwendung.

Art. 4.

Werden die unter Strafe gestellten Handlungen im Geschäftsbetrieb einer juristischen Person oder einer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft begangen, so finden die Strafbestimmungen auf die Personen Anwendung, die für sie gehandelt haben, jedoch unter solidarischer Mithaftung der juristischen Personen oder der Gesellschaft für die Bussen und Kosten.

Art. 5.

Die in diesem Beschlüsse vorgesehenen strafbaren Handlungen sind der Bundesgerichtsbarkeit unterstellt.

Bundesblatt. 87. Jahrg. Bd. II.

73

970

Art. 6.

Der vorliegende Besohluss tritt am 18. November 1935 in Kraft.

Bern, den 12. November 1985.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident : E. Minger.

Der Bundeskanzler: G. Boret.

III, Bundesratsbeschluss über

die in Ausführung des Art, 16 des Völkerbundsvertrages gegenüber Italien zu ergreifenden wirtschaftlichen Massnahmen.

(Vorschlag Nr. 4 des Koordinationsausschusses.)

(Vom 12. November 1985.)

Der schweizerische Bundesrat, in Anbetracht der für die Schweiz aus dem Art. 16 des Völkerbundsvertrages sich ergebenden Verpflichtungen, in Anbetracht des Vorschlages, der von dem zur Anwendung des Art. 16 gebildeten Koordinationsausschuss am 19. Oktober 1985 in Genf gefasst wurde, in Anbetracht des Art. 102, Ziffern 8 und 9, der Bundesverfassung, beschliesst : Art. 1.

Die Ausfuhr der unter die nachgenannten Nummern des schweizerischen Zolltarifs fallenden Waren ist nur gestützt auf eine schriftliche Bewilligung der Eidgenössischen Oberzolldirektion zulässig:

971 Tarif-Nr.

Warenbezeichnung

1820/61 Pf ,

133 134 135 ex 1486

)

Pferde

Maultiere Esel Kamele und andere nicht anderweit genannte Zug- und Lasttiere 516 Kautschuk und Guttapercha, roh ex 609 Bauxit, roh oder gemahlen 707 Eisenerze 708 Abfälle der Eisenbearbeitung (Feil- und Drehspane usw.)

ex 710a l Ferrolegierungen aller Art (Ferromolybdan, Ferrosilicomangan7106 / aluminium, Ferrosilizium, Ferromangansilizium usw.): roh 711 Brucheisen, Alteisen 853 Zinn, in Barren, Blöcken, Platten; Zinnerze 859 Nickel in Würfeln, Schwamm, gegossenen Barren; Nickelbruch, Nickelabfälle 862 l Aluminium und Aluminiumlegierungen, in Masseln, Ingots, ge864 l gossenen Platten, Barren, Bruch ex 875 i \ Chrom. Mangan, Titan, Wolfram, Vanadium, in Form von Erzen 878 l oderRohmetallenn (Stücke, Barren. Pulver) 1021 ex

1021

ex 10036

}

Aluminiumoxyd (calcinierte Tonerde).

Art. 2.

Die Oberzolldirektion ist ermächtigt, für die in Art. l genannten Waren Ausfuhrbewilligungen zu erteilen, falls es sich nicht um die Ausfuhr nach Italien oder nach den italienischen Besitzungen handelt, und zwar: 1. in unbeschrankten Mengen mit Bezug auf die Ausfuhr nach Ländern, welche ihrerseits den Export der erwähnten Waren nach Italien und den italienischen Besitzungen verboten haben; 2. in beschrankten Mengen mit Bezug auf Lander, die ihrerseits solche Ausfuhrverbote nicht erlassen haben.

In diesen Fallen ist die Ausfuhr auf diejenigen Mengen zu beschranken, die quartalsdurchschnittlich in den Jahren 1932--1934 nach den betreffenden Ländern exportiert worden sind.

Art. 3.

Unter die Vorschriften de» vorliegenden Bundesratsbeschlüsse-. fallen ebenfalls Waren der vorgenannten Arten, welche in der Schweiz mit Bestimmung nach Italien und dessen Besitzungen umspediert werden.

972 Die schweizerischen Transportanstalten haben Sendungen von Waren der in Art. l genannten Art nur dann anzunehmen, wenn eine Ausfuhrbewilligung gemäss Art. 2 hievor vorgewiesen wird.

Ausfuhrsendungen, die bei den schweizerischen Grenzzollämtern ohne die in Art. 2 hievor vorgesehene Ausfuhrbewilligung eintreffen, werden angebalten.

Der Oberzolldirektion ist von solchen Fällen ungesäumt Meldung zu machen.

Art. 4.

Widerhandlungen gegen die Bestimmungen des vorliegenden Beschlusses gelten als Bannbruch im Sinne von Art. 76 u. ff. des Zollgesetzes vom 1. Oktober 1925.

Art. 5.

Strafbar sind auch diejenigen Personen, welche wissentlich eine der vorgenannten Arten von Waren in ein Drittland ausführen zwecks Eeexpedition von dort nach Italien oder welche nach den Umständen des jeweiligen Falles annehmen müssen, dass eine solche Beexpedition aus einem Drittland nach Italien geplant ist.

Art. 6.

Gemäss dem Zollunions ver trag vom 29.'März 1923 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein findet dieser Besohluss Anwendung auf das Gebiet des Fürstentums Liechtenstein.

Art. 7.

Dieser Beschluss tritt am 18. November 1935 in Kraft. Das Finanz- und Zolldepartement ist mit seiner Durchführung beauftragt.

Bern, den 12. November 1935.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident : B. Minger.

Der Bundeskanzler:

G. Bovet.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Anwendung des Artikels 16 des Völkerbundspaktes auf den italienisch-abessinischen Konflikt. (Vom 2.

Dezember 1935.)

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In

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1935

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

50

Cahier Numero Geschäftsnummer

3327

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

11.12.1935

Date Data Seite

921-972

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10 032 823

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