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Schweizerisches Bundesblatt.

37. Jahrgang. I.

Nr. 11.

14. März 1885.

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Druck und Expeditton der StämpflischenBuchdruckereii in Bern.

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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung zu einem Gesetzentwurf betreffend das Verbot der Doppelbesteuerung.

(Vom 6. März 1885.)

Tit.

Wir beehren uns, den Entwurf eines Bundesgesetzes zur Beseitigung von Doppelbesteuerung mit nachstehender Botschaft Ihnen einzubegleiten.

I.

Veranlaßt durch eine Petition der ,,Association romande" in Bern vom 6. Dezember 1881 haben die gesetzgebenden Räthe der Eidgenossenschaft den Bundesrath am 23./30. Januar 1882 eingeladen, die in Art. 46 der Bundesverfassung vorgesehenen Gesetzentwürfe über die civilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und die Doppelbesteuerung vorzulegen. (Postulate-Sammlung n. F.

Nr. 268.)

Diese beiden Materien sind, wie das Postulat der hohen Räthe es andeutet, in gesonderten Vorlagen zu behandeln. Die Entstehungsgeschichte des Art. 46 weist auf Trennung derselben hin. Der Artikel war ursprünglich nicht in seiner gegenwärtigen Fassung vorgeschlagen worden. Er lautet nun: ,,In Beziehung auf die civilrechtlichene Verhältnisse stehen die Niedergelassenen in der Regel unter dem Rechte und der Gesetzgebung des Wohnsitzes. Die Bundesgesetzgebung wird über die Anwendung dieses Grundsatzes, sowie gegen Doppelbesteuerung die erforderlichen Bestimmungen Bundesblatt. 37. Jahrg. Bd. I.

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treffen. a Im Entwurf des Bundesrathes betreffend die Bundesrevision, vom 17. Juni 1870, und in den Entwürfen der vorberathenden Kommissionen beider gesetzgebenden Räthe von 1871 aber war die Regelung dercivilrechtlichenu Verhältnisse dur Niedergelassenen und ihrer Besteuerung inhaltlich zusammengefaßt und einheitlicher Behandlung zugewiesen. Noch in seiner Sitzung vom 5. Dezember 1071 nahm der Nationalrath, entgegen einemAntragea dus Hrn.Bundesrathh Dr.Dubs,, welcher die beidenGegenständee auseinanderhaltenwollte,, den betreffenden Artikel in folgender Fassung a n : " I n n Beziehung auf die civilrechtlichen Verhältnisse und die Besteuerung stehen die Niedergelassenen in der Regel unter dem Rechte und der Gesetzgebung des Wohnsitzes. Der Bundesgesetzgebung bleibt vorbehalten, über die Anwendung dieses Grundsatzes die weiteren Bestimmungen zu treffen.a Allein der Ständerath trennte den Inhalt dieses Artikels in der Weise, wie ihn nun Art. 46 der Bundesverfassung aufweist, und derNationalrathh pflichtete am 23. Februar 1872 demStände-rathe bei. Die Revisionsberathung von 1873/74 ließ denselben unverändert nach dem Entwurfe vom 5.März, 1872 bestehen.

Die Trennung beruht übrigens auf guten, inneren Gründen.

Auch wenn beide Materien in e i n e m Gesetze behandelt würden, wäre die Verbindung doch nur eine äußerliche, und es müßte eine genaue materielle Ausscheidung der Bestimmungen eintreten, wie dies in den Entwürfen von 1862/63 geschah. Das Gesetz zur Beseitigung von Doppelbesteuerung hat sowohl für verbürgerte, als für niedergelassene Personen Geltung. Seine Bestimmungen können unter Umständen von einem Bürger gegen den eigenen Heimatkanton, in welchem er wohnt, zum Schutze der Rechtsansprüche eines andern Kantons, angerufen werden.

Schon im Jahre 1876 hatte der Bundesrath die VorInge eines Gesetzes betreffend die Besteuerungsfragen neben einem solchen über die civilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter in Aussicht genommen. Allein nachdem der von ihm mit Botschaft vom 25. Oktober 1876 (Bundesblatt 1876, I V , 39) vorgelegte Entwurf betreffend die Niederlassungsverhältnisse nach beendigter artikelweiser Berathung in der Abstimmung des Nationalrathes vom 9. Dezember 1879 mit 84 gegen 21 Stimmen verworfen worden war, wurde nicht bloß dieser Gegenstand seither nicht wieder
aufgegriffen, sondern auch der Entwurf zu einein Gesetze.

gegen Doppelbesteuerung bis jetzt nicht unter die Traktanden der Bundesversammlung aufgenommen.

Nun besteht aber, abgesehen von dem bestimmt lautenden Auftrage der Bundesversammlung, eine in der Sache selbst liegende Dringlichkeit der gesetzgeberischen Regelung des Verbotes der

535 Doppelbesteuerung. Das Bundesgericht hat nämlich in einer Reihe von Entscheidungen den Satz aufgestellt, daß es, so lange das in Art. 46, Absatz 2, der Bundesverfassung in Aussicht genommene Gesetz nicht erlassen sei, wegen Doppelbesteuerung nur insoweit seine Intervention eintreten lassen dürfe, als nach bisherigem, durch die Praxis der Bundesbehörden (1848--1874) ausgebildetem Bundesrechte eine Doppelbesteuerung als vorhanden erachtet und uuzuläßig erklärt worden sei, indem die frühere bundesrechtliche Praxis durch jene Verfassungsbestimmung in dem Sinne die verfassungsmäßige Sanktion erhalten habe, daß ein Zurückgehen hinter bisheriges Bundesrecht nicht möglich sei; daß aber, da die Bundesverfassung das Prinzip der [Jnzuläßigkeit der Doppelbesteuerung nicht b e s t i m m t aus spreche, vielmehr es lediglich als Sache der Bundesgesetzgebung erkläre, die erforderlichen Bestimmungen gegen die Doppelbesteuerung zu treffen, dem Bundesgericht nicht zukomme, über das bestehende Bundesrecht hinaus zu gehen, sondern die definitive Regelung dieser Materie durch die Bundesgesetzgebung abgewartet werden müsse. Diese Theorie des Bundesgerichts ist nicht unbestritten. Wir haben jedoch weder deren Richtigkeit zu untersuchen, noch die konsequente Aüwenduug derselben in den Entscheidungen des Gerichtshofes zu kontroliren. Genug, daß sie aufgestellt worden und in mehreren Fällen maßgebend gewesen ist, wie z. B. hinsichtlich der^ Frage, ob in der gleichzeitigen Besteuerung von Aktiengesellschaften und Aktionären eine unzuläßige Doppelbesteuerung zu erblicken sei, und eventuell, welchem Kantone, demjenigen, in welchem der Aktionär wohnt, oder demjenigen, in welchem die Gesellschaft ihren Sitz hat und ihr Gewerbe betreibt, die Steuerhoheit zuerkannt werden solle.

Wir haben einen Entwurf unseres Justiz- und Polizeideparteinents vom 16. November 1882 und 14. Januar 1884 betreffend diese Materie den sämmtlichen Kantonsregierungen, sowie dem Bundesgerichte zur Prüfung und Begutachtung vorgelegt. Der gegenwärtige Entwurf ist von uns mit wesentlicher Berücksichtigung der eingelaufenen kritischen Bemerkungen in der vorliegenden Fassung festgestellt worden.

Diesen einleitenden Bemerkungen lassen wir eine Betrachtung des B e g r i f f e s d e r D o p p e l b e s t e u e r u n g folgen, deren Verbot nun gesetzlich zu
bestimmen und zu regeln ist. Es soll dadurch in allgemeiner Weise der Gegenstand des Gesetzes dargelegt, die Begründung der einzelnen Bestimmungen vorbereitet und deren Verständniß gefördert werden.

Nach dem Begriff der Doppelbesteuerung, wie sich derselbe in der Praxis der Bundesbehörden (1848--1874 des Bundesrathes,

536 resp. der Bundesversammlung, seit 1. Januar 1875 des Bundesgerichts) ausgebildet hat, wird die Konkurrenz zweier kantonaler Steuergesetzgebungen in der Besteuerung des nämlichen Objektes vorausgesetzt. Der i n t e r k a n t o n a l e Charakter des Verhältnisses ist stets mit allem Nachdruck hervorgehoben worden. Die Bundesbehörden haben in dieser Richtung das ihrer Rechtsprechung unterstellte Gebiet genau abgegrenzt und von demselben ausgeschieden das Verhältniß des Bürgers zur Steuergesetzgebung eines einzelnen Kantons, d. h. Steuerfragen, die sich im Innern eines Kantons, auf den i n n e r kantonalen Steuergebieten, in den Beziehungen zwischen Bezirken und ganz besonders zwischen Gemeinden eines und desselben Kantons abspielen.

Es fragt sich, ob diese Grenzbestimmung unter der Bundesverfassung von 1874 auch für den schweizerischen G e s e t z t e ber maßgebend sein müsse.

Daß die bundesrechtliche Praxis in Doppelbesteuerungssachen nach Maßgabe der Bestimmungen der Bundesverfassung von 1848 auf die Interkantonalität des Verhältnisses abstellte, war ganz den verfassungsmäßigen Gesichtspunkten angemessen, unter welchen sich das Verbot der Doppelbesteuerung entwickelt hat. Infolge der Gewährleistung der Souveränetät der Kantone ist dem Bunde die Aufgabe zugefallen, das Nebeneinanderbestehen der kantonalen Souveränetäten zu ermöglichen, Uebergriffe des einen Kantons in den Souveränetätsbereich des andern zu verhindern. In Ansehung des Steuerrechtes geschah dies in Konfliksfällen durch Wahrung der Steuerhoheit eines jeden Kantons auf seinem Gebiete. Die Bundesverfassung von 1848 gewährleistete aber auch gewisse individuelle Rechte der Bürger und die Bundesbehörden haben seit 1848 dein einzelnen Bürger, als Ausfluß und zum Schutze dieser Rechte, die Bei'ugniß der Beschwerdeführung bei den Organen des Bundes eingeräumt.

Auf dieser Grundlage erwuchs das Beschwerderecht des Bürgers wegen Doppelbesteuerung, insbesondere zum Schutze des Rechtes der Niederlassung in einem andern als dem Heimatkanton, der Freizügigkeit von Kanton zu Kanton. Wesentliche Voraussetzung des Beschwerderechtes aber war von 1048 --1874 und ist seither, auf Grund der oben geschilderten Theorie des Bundesgerichts, geblieben : die Interkantonalität des Streitfalles. Die Bundesbehörden versagten stets ihre Dazwischenkunft denjenigen
Niedergelassenen, welche in Steuersachen die Bundeshülfe gegen die Kantons- oder Gemeindebehörden des Niederlassungskantons anriefen, ohne daß Ansprüche eines andern Kantons mit in Frage standen, sofern nicht etwa von dem betreffenden Kantone die nichtkantonsbürgerlichen Niedergelassenen ungleich, d. h. ungünstiger behandelt werden wollten, als die im Kanton verbürgerten Niedergelassenen.

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Es wird sich nun fragen, ob diese Beschränkung des Beschwerderechtes auch unter der Verfassung von 1874 noch zutreffend sei.

Viele glauben, mit Rücksicht auf die Art. 31, 43, 45 , 46 der jetzigen Bundesverfassung diese Frage verneinen zu sollen. Zur Unterstützung dieser Ansicht wird angeführt: Die Freiheit des Handels und Verkehrs, das Recht der freien Berufs- und Gewerbeausübung sei 1874 von den interkantonalen Schranken befreit und als gemeinschweizerisches Grundrecht erklärt worden. In Uebereinstimmung damit habe man gleichzeitig das Recht auf freie Niederlassung auch innerhalb eines Kantonsgebietes, von Gemeinde zu Gemeinde, gewährleistet und den Niedergelassenen insbesondere in Hinsicht auf das Gemeindeleben eine feste Rechtsstellung zugesichert.

Daraus ergebe sich mit logischer Notwendigkeit die Ausdehnungö O O O des bundesrechtlichen Verbotes der Doppelbesteuerung, zum Schutze der erweiterten individuellen Rechte des Bürgers, auf die innerkantonalen Verhältnisse, auf die Beziehungen zwischen Bezirken und zwischen Gemeinden eines und desselben Kantons. Das Verbot sei zudem in Artikel 46 ganz allgemein ausgesprochen.

Allein es sind uns auch eine Reihe bemerkenswerther Kundgebungen g e g e n die Ausdehnung des Gesetzes auf die Steuerverhältnisse im Innern eines Kantons zugekommen. Wir theilen von denselben die nachstehende wörtlich mit.

Das Bundesgericht schreibt darüber: ,,Dem Bundesgerichte erscheint grundsätzlich als zum Mindesten zweifelhaft, ob die Bundesgesetzgebung verfassungsmäßig zu einem so weitgehenden und folgenreichen Eingriff in das Steuerwesen der Kantone befugt sei. Die Geschichte des Doppelbesteuerungsverbotes, dessen Stellung in Art. 46 der Bundesverfassung, das ganze verfassungsmäßige Verhältniß der Bundes- zur Kaotonalgewalt in Steuersachen sprechen dagegen. Die Ordnung des Staats- und Gemeiodesteuerwesens steht grundsätzlich zweifellos den Kantonen zu. Eine bundesrechtliche Schranke besteht allerdings insofern, als das Bundesrecht zur Verhinderung der Doppelbesteuerung die Grenzen der kantonalen Steuerhoheiten feststellt; dagegen gibt die Bundesverfassung unseres Erachtens keinen Anhalt dafür, weiterzugehen und die Kautone auch in der Ausübung ihrer Steuerhoheit, innerhalb der bundesrechtlichen Grenzen derselben, zu beschränken; vielmehr sind die Kantone, soweit ihre
Steuerhoheit reicht, kraft ihrer Souveränetät befugt, nicht nur über das Was? und Wie? sondern auch über das Wo?

der Besteuerung zu verfügen ; sie dürfen nicht nur bestimmen, welche Vermögensobjekte steuerpflichtig und welche Steuerarten einzuführen seien, sondern auch vorschreiben, an welchem Orte die betreffenden, ihrer Steuerhoheit unterstehenden Objekte gegenüber dem Staate

538 und seinen Unterabtheilungen zu versteuern seien. Eine Ordnung dieser Frage durch die Bundesgesetzgebung enthielte einen Eingriff in den innern Haushalt der Kantone, welcher mit dem bundesstaatliehen Verhältnisse schwer zu vereinigen wäre und daher nur ala berechtigt anerkannt werden könnte, wenn ihm eine unzweideutige Verfassungsvorschrift zur Seite stände. Uebrigens erschein! uns eine Centralisation in dem vom (frühem) Entwürfe (des eidgenössischen Justizdepartements) angestrebten Sinne auch vom legislativpolitischen Standpunkte aus weder als zum Schutze des einzelnen Bürgers nothwendig, noch auch nur als nützlich. Sie ist zum Schutze des einzelnen Bürgers nicht nothwendig, da gegen eine Doppelbesteuerung von Gemeinde zu Gemeinde oder von Bezirk zu Bezirk innerhalb eines Kautons gewiß in aller Regal die kantonalen Behörden einschreiten und Fälle, in denen dies nicht geschulten sollte, zu den verschwindenden Ausnahmen gehören werden. Sie ist nicht nützlich, denn, soweit wir wenigstens einzusehen vermögen, haftet daran, daß in allen Kantonen einheitliche Regeln für die Zuständigkeit zur Erhebung von Genieindesteuern u. dgl. gelten, kein eidgenössisches Interesse; im Gegentheil könnte eine einheitliche Regulirung der Steuerberechtigung mit Bezug auf die Gemeindebesteuerung, bei der großen Verschiedenheit in den einzelnen Kantonen, für manche Landestheile geradezu schädlich wirken."

Gegen die Ausdehnung des Gesetzes auf die Verhältnisse im Innern eines Kantons haben sich ferner ausgesprochen die Regierungen der Kantone Luzern, Glarus, St Galleu und Wallis.

Wie Sie sehen, lassen sich für beide Standpunkte gute Gründe anführen. Der Bundesrath glaubt, es solle diese Kompetenzfrage, im gegenwärtigen Momente nicht endgültig entschieden werden.

Mit dem Bundesgerichte hält er dafür, daß, dermalen wenigstens, kein dringendes Bedürfuiß den Erlaß eines Bundesgesetzes zur einheitlichen Begrenzung der Gemeindesteuerbefugnisse erheische. Was wirklich noth thut, ist die Erweiterung der bundesrechtlichen Grundlage zur Verhütung i n t e r k a n t o n a l e r Doppelbesteuerungsfälle.

Gegen diese sind denn auch die Bestim m ungen des Entwurfes, wie schon die Eingangsworte anzeigen, gerichtet.

Ueber die Anwendbarkeit des Gesetzes in i n t e r n a t i o n a l e n Beziehungen werden wir uns im besondern Theile
dieser Botschaft naher ausspreehen.

Naben dem interkantonalen Charakter des Streitverhältnisses sind in den hergebrachten Begriffsbestimmungen noch mehrfache Erfordernisse aufgenommen, die man als Identitätsrequisite bezeichnen kann, nämlich Identität des Subjekts, des Objekts , dt'r

539 Steuerart und der Steuerperiode. Die Formel, daß Doppelbesteuerung da vorhanden sei, wo das gleiche Subjekt für das gleiche Objekt mit einer gleichen Steuer für den gleichen Zeitabschnitt, doppelt belegt werde, ist jedoch in der Praxis nicht immer genau festgehalten worden. Wir heben hier als besonders wichtig hervor, daß das Erforderniß der effektiven Besteuerung durch zwei oder mehrere Kantone fallen gelassen und der Begriff als erfüllt betrachtet wurde, wenn die Gesetze zweier Kantone auf die Besteuerung Anspruch erhoben, gleichviel, ob die Steuer wirklich in beiden Kantonen bezogen werden wollte oder nicht; daß sodann das Bundesgericht noch einen Schritt weiter ging und die Steucrberechtigung eines Kantons ia absoluter Weise schon dann ausschloß, wenn das Steuerobjekt nach der grundsätzlichen Auffassung des Gerichtshofes der Steuerhoheit eines andern Kantons zu unterstellen war.

Diese Entwickelung des maßgebenden Begriffes der Doppelbesteuerung ist eine sehr glückliche zu nennen; sie führt folgerichtig zu dem Ausgangspunkte der ganzen bundesrechtlichen Praxis in Doppelbesteuerungssachen zurück, welcher in der pflichtmäßigen Aufgabe der ßundesbehörden liegt, jedem Ka.ntone die Ausübung seiner SouveränetiUsrechte, soweit nicht die Souveränetät anderer Kantone, Bundesvorschriften oder Konkordate beschränkend auf sie einwirken, voll und ganz '/M sichern.

Der bundesrechtliche Schutz gegen Doppelbesteuerung würde bis jetzt nur unseren Landesangehörigen zu Theil geworden sein, wenn nicht S t a a t s v e r t r ä g e den F r e m d e n die gleiche Wohlthat einräumten, d. h. ihnen die gleiche Rechtsstellung in Bezug auf Person und Eigenthum zusicherten, wie sie den Schweizerbürgern zukommt. Bei dem gegenwärtigen Stande der internationalen Beziehungen ha.lten wir es für angemessen, die gleichmäßige Wirkung der gegen die Doppelbesteuerung zu erlassenden Bestimmungen auf a l l e einer schweizerischen Steuerhoheit unterstehenden Personen, o h n e U n t e r s c h i e d d e r N a t i o n a l i t ä t , v o n vorneherein i m Gesetze anzuerkennen.

Es ist in mehreren an uns gerichteten Eingaben verlangt worden, es solle an die Spitze des Gesetzes eine D e f i n i t i o n der uuzuläßigen Doppelbesteuerung gestellt werden. Wir theilen zwar die Ansicht, daß in der Regel mit einer solchen Definition praktisch
nicht viel gewonnen sei. Oft wird sogar durch Definitionen viel Unheil angerichtet, da sie leicht zu verschiedenen Auslegungen Anlaß geben. Unser Entwurf befolgt in Anlehnung an die bisherige Bundespraxis das Sj'stem der Zuscheidung der Steuerohjekte an die nach staatsrechtlichen und wirtschaftlichen Grundsätzen gegebene

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richtige Steuerhoheit, und wir glauben auf diesem Wege besser als auf irgend einem andern die nothwendige Klarheit der Bestimmungen zu erzielen. Dennoch halten wir eine Definition des Verbotes in einem grundlegenden Eingangsartikel aus mehrfachen Motiven für wünschbar. Einmal, um klar und bestimmt auszusprechen, daß dieses Gesetz die Bundeskompetenz n i c h t auf die Steuerverhältnisse i m I n n e r n e i n e s u n d d e s s e l b e n K a n t o n s ausdehnen will; sodann, um festzustellen, daß dasselbe sich n i c h t auf a l l e A r t e n von Steuern und steuerähnlichen Abgaben bezieht, und endlich, um anzuzeigen, daß das Merkmal der bundesrechtlich unzuläßigen Doppelbesteuerung in der mehrfachen Besteuerung eines und desselben O b j e k t e s zu finden ist, indem das Bundesgesetz zur Besteuerung eines Objektes jeweilen nur e i n e kantonale Steuerhoheit als zuständig erklärt.

II.

Wir gehen hienach zur Erörterung der einzelnen Gesetzes bestimmungen über.

Art. 1. Wir haben uns nach den vorausgeschickten allgemeinen Bemerkungen darüber, daß das vorliegende Gesetz nur Steuerrechtsfragen berührt, die einen interkantonalen Charakter tragen, nicht, weiter auszuspreehen.

Dagegen ist näher zu begründen, warum in der Begriffsbestimmung der bundesrechtlich unzuläßigen Doppelbesteuerung da» Requisit der Identität des S u b j e k t e s fehlt. Wir sind der Ansicht, daß Alles auf die Bestimmung des S t e u e r o bj e k t es und die Unterordnung desselben unter die richtige kantonale Steuerhoheit ankomme. Hat diese Zuscheidung der Steuerobjekte durch den Bundesgesetzgeber stattgefunden, so wird sich jeder Kanton, dessen Zuständigkeit in einem gegebenen Falle nach den bundesgesetzlichen Bestimmungen nicht als begründet erscheint, der Besteuerung des betreffenden Objektes zu enthalten haben, und die Möglichkeit einer Doppelbesteuerung wird beseitigt sein. Das Begriffsmerkmal der Identität der Person ist zudem nur dann durchweg zutreffend, wenn die Person in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Steuerobjekte, als dessen wirklicher und wirthschaftlicher Inhaber, d. h. eben als das S t e u e r subjekt, in's Auge gefaßt wird; dieses aber untersteht als solches immer und überall derjenigen Steuerhoheit, unter welche das zu versteuernde Objekt fällt.

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Spricht man aber gemeinhin von ,,derselben P e r s o n a, die nicht doppelt besteuert werden dürfe, so wird die Meinung erweckt, es liege überall da keine Doppelbesteuerung vor, wo im juristischen Sinne zwei Personen, zwei Rechtssubjekte vorhanden sind, wie z. B.

in Ansehung von Nutznießungsgut der Eigenthümer und der Nutznießer oder der Fideikommissar und der Verwaltungsberechtigte, wie bei Kollektivgesellschaften die Firma und der einzelne Gesellschafter, wie insbesondere bei Aktiengesellschaften und Genossenschaften die Personenvereinigung als solche und die einzelnen Mitglieder derselben.

Wir beschränken sodann die Wirksamkeit des Gesetzes auf diejenige Steuerart, welche als die Grundform der kantonalen Steuersysteme erscheint, d i e d i r e k t e B e s t e u e r u n g d e s V e r m ö g e n s und des E r w e r b s (Einkommens im engern Sinne).

Man hat sswischen periodischer und niehtperiodischer direkter Steuer unterschieden und versteht unter der erstem die für bestimmte Zeitabschnitte erfolgende Besteuerung des Einkommen verschaffenden Vermögens und des Erwerbs oder Einkommens neben dem Verrnögensertrag, unter der letztern namentlich die Erbschafts- und Schenkungssteuer und außer dieser, ·wenn auch mit weniger Sicherheit, nocli die Handänderungsgebühren (soweit sie nicht als bloße Gebühren für die Benützung der öffentlichen Grundbuchführung sich darstellen) und die Kontrol- (Einregistiirungs-) und Stempelgebühren. Andere zählen die sätnrntlichen eben angeführten nichtperiodischen Steuern 2u den sogenannten indirekten, da deren Erhebung jeweilen nur bei Anlaß eines Erwerbsaktes geschieht, also beim U e b e r g a u g eines Vermögensgegenstandes von einer Person an eine andere, allerdings mit Rücksieht auf den Wertlibetrag des Gegenstandes nach verschiedenem Fuße, aber bevor der Erwerber in den wirthschaftlichen Besitz desselben gelangt d. h. daraus für sich einen Ertiag zu ziehen vermag. Von den erwähnten nichtperiodischeu Steuern gab bisher nur die Erbschaftssteuer den Bundesbehörden Anlaß zur Intervention und es sind in diesen Fällen die für die eigentliche, d. h. periodische direkte Steuer ausgesprochenen Prinzipien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung unverändert angewendet worden. Die Erbschafts(und Schenkungs-) Steuer steht eben der Vermögenssteuer sehr nahe, während die übrigen
nichtperiodischen Steuern sich mehr oder weniger von derselben entfernen und dem Gebührenstandpunkt nähern. Wir glauben deßhalb, es solle das Bundesgesetz sich nur mit der Steuer im eigentlichen Sinne des Wortes, das ist mit der direkten periodischen Steuer, aber unter Einschluß der Erbschaftsund Schenkungssteuer, befassen. Dadurch werden dem Kompetenz-

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kreise der Bundesbehörden vollständig entzogen allfällige Beschwerden betreffend Abgaben polizeilicher Natur, wie K. B. die Hundesteuer, die Pateuttaxen, Konzessionsgelder, ferner solche über Stempelgebühren, Verbrauchssteuern (Ohmgeld, Octroi), kurz sowohl Beschwerden betreffend die oben als nichtperiodische direkte bezeichneten Steuern, mit Ausnahme der Erbschafts- und Schenkungssteuer, als auch solche betreffend die periodischen und nichtperiodischen unzweifelhaft i n d i r e k t e n Steuern, in welchen allen ans Gebührenmoment vorwiegt, bei welchen es sich mehr um eine spezielle Taxe für einzelne Rechtsakte, eine Bewilligung, eine staatliche Vergünstigung u. s. w., als um eine eigentliche Steuer handelt, und deren Bezug daher mit einer fremden Steuerhoheit im Sinne dieses GeSatzes nicht in Kollision kommen kann.

Zweifelhaft kann bleiben, ob die sogenannten Luxussteuern, z. B. die in den Kantonen Waadt und Genf bestehende Steuer auf Equipagen und Luxuspferden, unter die Herrschaft des Gesetzes fallen. Der Bundesrath hat in einem Falle dieser Art(1868,, siehe Bundesbl. 1869, I, 989) den umstand, daß nach Lage der Akten eine Besteuerung derLuxusgegenständee durch zwei Kautonenichtt stattgefunden habe, als erheblich betrachtet. DasBundesgerichtt nahm in einem andern Falle (siehe Entscheidungen, Bd. IV, Nr. 3b, und V, Kr. 2) an, die Wagensteuer (,,la taxe desvoitures")) erseheine nicht als eine eigentliche Steuer, sondern vielmehr als eine Spezialtaxe auf dem Luxus, mit dersichi die. Bundespraxis in Steuersachen niemals befaßt habe. Wir können nun nicht finden, daß dersteuerrechtlichee Gesichtspunktbeii den Luxussteuern nur ein polizeilich-fiskalischer sei, als etwa: Gegenleistung des Besitzers von Pferden und Wagen für gesteigerte Leistungen der Sicherheitspolizei, Entgelt für denhäufigernm Gebrauch deStrassenen ; es spielt ganz gewiß das rein fiskalische Motiv in stärkstem Maße bei deren Erhebung mit. Darum halten wir es für möglich, daß eine Luxussteuer mit einer allgemeinen Vermögens- o d e E i n - u kommenssteuer in einnichthi zuläßige Konkurrenz tritt. Es ist ja sehwohlhl gedenkbar, daß ein Kanton sein Taxen belegende Steuern gründet. Für solehe Fälle muß die Bundeskompetenz gewahrt bleiben, da es sich dann um eigentliche Steuern handelt, die nicht in Konkurrenz mit Die Remedur wird sich
übrigens in diesen Fallen an der Hand der bundesgesetzlichen formen leicht ergeben, da ohne virklicheneu Aufenthalt in einem Kanton Niemand von der Steuergesetzgebung desselben in ihrer Totalität erlaßt werden kann, demgemäß der Kon-

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flikt in aller Regel durch eine Froratavertheilung des Steuerbezugs zwischen zwei oder mehr Kantouen seine Lösung finden wird.

Art. 2. Das regelmäßige und hauptsächliche Steuerforum besteht für einen jeden Steuerpflichtigen an seinem ordentlichen W o h n s i t z e . l)aß die P e r s o n als solche mit einer Steuer (Kopfsteuer, Haushaltungssteuer, Aktivbürgersteuer u. s. w.) nur da betroffen werden kann, wo sie sich aufhält, liegt auf der Hand. Aber auch das Vermögen und der Erwerb fallen in erster Linie da in Betracht, wo die steuerpflichtige Person wohnt. Dieser Grundsatz ist in der Praxis der Bundesbehörden von jeher unbestritten gewesen.

Wo Jemand sein Domizil habe, wird j BW eilen nach Maßgabe aller thatsächlichen Umstände des einzelnen Falles zu entscheiden sein. Der Wohnsitz ist ein, rechtliche und faktische Merkmale an sich tragendes Verhältniß : er ist da vorhanden, wo Jemand in der Absicht, dauernd zu bleiben, tlmtsächlich sieh aufhält, am Orte, den man sich zürn dauernden Aufenthalt und zum Mittelpunkt seiner rechtlichen Beziehungen gewählt hat, -- wie ersichtlich eine nach den Thatumständen zu lösende Frage, die im Streitfalle naturgemäß richterlicher Kognitiou anheimfällt.

Die Steuerhoheit über das Vermögen und den Erwerb wird dem Wohnsitzkanton des Steuerpflichtigen aus einem zweifachen Beweggrunde zugesprochen, es wird dabei ein subjektives und ein objektives Element in der Steuerauflage berücksichtigt: der Rechtsschutz und die mannigfaltigen Vorlheile, welche der Person au ihrem Wohnorte aus den Staats- und Gemeindeeinrichtungen erwachsen, einerseits und die territoriale Hoheit über die Person und die ihr /^gehörenden Sachen andererseits.

Nach dem Grade, in welchem diese Elemente thatsächlich am Wohnorte einer Person mangeln und anderswo hervortreten, hat das Steuerrecht Ausnahmen von dem ordentlichen Steuerdornizil geschaffen und die Stellerberechtigung einer andern Staatshoheit oder Gemeinde zuerkannt.

Diese Ausnahmen hat das Gesetz im Einzelnen festzustellen.

Es werden sich an der Hand derselben drei wichtige vom persönlichen Wohnorte des Steuerpflichtigen abweichende Steuerdomizilien ergeben, dasjenige der Immobilien, der Handels und Gewerbo unternehmung und des Erbschafts- und Schenkungsanfalls.

Als regelmäßig am Wohnorte steuerbar wird sonach das b e w e g l i c h e Vermögen, das daraus fließende Einkoramen, und der Erwerb im Allgemeinen, der nicht von Immobiliarvermögen oder Geschäftsniederlassuugen herrührt, verbleiben.

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Einer Besonderheit erwähnt das vorliegende Gesetz nicht, da sie sich auf eine eigene verfassungsrechtliche Vorschrift (Art. 49, letzter Absatz, der Bundesverfassung) gründet und nach besonderen Rechtsnormen, unter dem Schutze des Bundesgerichts, zu beurtheilen ist -- wir meinen die Steuer für k o n f e s s i o n e l l e Zwecke, die Kultussteuer.

Dagegen haben wir uns einläßlich darüber auszusprechen.

warum das Gesetz die Armensteuern n i c h t zu den Ausnahmen von der am Domizil erwachsenden Steuerpflicht rechnet. Dus Gesetz stellt -- von den Kultussteuern wird hier ein für allemal abgesehen -- in Bezug auf die Verwendungsart der Steuerbeträge, sobald nur dieselben auf dem Wege der ordentlichen, direkten Besteuerung eingezogen werden, keinen Unterschied auf. Im kantonalen Steuerwesen besteht eine solche Ausscheidung nach der Verwendung, der Zweckbestimmung der Steuer in der Regel ebenfalls nicht, im Gemeindesteuerwesen nicht überall. Die Kantone vertheilen die Armenlast ungleich auf Staat und Gemeinden und führen die Armenpflege sehr ungleich durch. Oft würde es materiell geradezu unmöglich sein, die Steuersummen nach den verschiedenen Kategorien ihrer Bestimmung zu zerlegen, als z. B. in Steuern für das 8anitätswesen, die Sicherheitspolizei, das Armenwesen u. s. f. Die praktischen Schwierigkeiten der Individualisirung der Armensteuer stellen sich demzufolge als unübersteigliches Hinderniß für eine ausO O nahmsweise Behandlung derselben im Bundesrechte dar.

Es ist nun freilich nicht zu leugnen, daß der gegenwärtige Rechtszustand ip der Schweiz in Bezug auf das Armensteuerwesen Niemand recht befriedigen kann. Während die Besteuerung im Allgemeinen als Gegenleistung (Aequivalent") des Einzelnen für die Leistungen des Gemeinwesens erscheint und in diesem Verhältnisse ihre Begründung findet, mangelt hier bei einer speziellen Steuer in der großen Mehrzahl der Kantone die entsprechende spezielle Leistung des Staates für die Niedergelassenen. Der Wohnort lehnt gegenüber denselben die Unterstützungspflicht im Verarmungsfalle ab, besteuert sie aber gleichwohl für Armenzwecke. Umgekehrt ist den Heimatbehörden, die im Nothfalle ihre Angehörigen aufzunehmen und zu verpflegen haben, das Recht verwehrt, den Bürger für einen dem Unterstützungsanspruch entsprechenden Steuerbetrag zu belangen, sobald Jener die
Grenzen des Heimatkantons Überschritten hat.

Um dieses auf den ersten Anblick absolut unhaltbar erscheinende und stoßende Verhältniß zu mildern, für den Heimatkanton billiger zu gestalten, ist von einer Seite (Bundesrichter Dr. Mure!

in einer Eingabe an unser Justizdepartement vom 22. Juli 1884)

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vorgeschlagen worden, das Steuerrecht des Niederlassungskantons für Armenzwecke nur dann bundesrechtlich zu schützen, wenn nach der kantonalen Gesetzgebung die Wohnsitzgemeinde allgemein, auch gegenüber Niedergelassenen, unterstützungsflichtig ist, andernfalls aber dem Heimatkanton, bezw. der unterstützungspflichtigen Heimatgerneinde die Erhebung von Armensteuern auf auswärts wohnenden Angehörigen zu gestatten. Von anderer Seite wurde beantragt, das diesfällige Steuerrecht der Heimatbehörden wenigstens für den Fall anzuerkennen, wo der Niederlassungs kanton vermöge seiner Gesetzgebung keine Unterstützungspflicht hat und faktisch auch keine Armensteuer bezieht. Ein dritter Vorschlag (von Oberrichter Dr. Zürcher in Zürich) lautet dahin, es möge den Kantonen, welche die Armenunterstützung der Heimatgemeinde überbunden haben, gestattet werden, auf dein Konkordatswege sich die Besteuerung ihrer Außenbürger für die Armenbedürfnisse der Gemeinden gegenseitig zuzusichern.

Das Bundesgericht hat in seiner sachbezüglichen Vernehmlassung erklärt, daß kein hinlänglicher Grund vorliege, liier vom Territorialprinzip abzugehen, und dabei auf die Schwierigkeiten hingewiesen, welche die Durchführung einer derartigen Ausnahme namentlich in den westschweizerischen Kantonen zu überwinden hätte. Hinwieder befürworten die Kantonsregierungen von Luzern, Ob- und Nidwaiden mit großer Entschiedenheit das in ihren Gebieten herrschende System der heimatlichen, ortsbürgerlichen Armenpflege, welches durch das Bundesgesetz über Doppelbesteuerung nicht durchbrochen werden dürfe.

Wir ha.ben uns nach reiflicher Erwägung des Für und Wider entschlossen, Ihnen, Tit., in Hinsicht auf die Armensteuern keine Ausnahmebestimmung vorzuschlagen, es also auch in dieser Beziehung bei der durch die bundesrechtliche Praxis seit 30 Jahren sanktionirten allgemeinen Regel, daß Kantonsbürger, wie Niedergelassene, am Wohnorte für ihre Person und ihr Mobiliarvermögen steuerpflichtig seien, bewenden zu lassen.

Zur Rechtfertigung unseres Standpunktes und zur allseitigen Aufklärung über diese Frage, welche bekanntlich in den 1850er Jahren den ersten Anstoß zum Bundesverbot der Doppelbesteuerung gegeben hat, verweisen wir zunächst auf frühere bezügliche Kundgebungen, so auf die von Dubs verfaßte Botschaft des Bundesrathes vom 28. November 1862 zum
Gesetzentwurf betreffend Ordnung und Ausscheidung der Kompetenzen der Kantone in den interkantonalen Niederlassungs Verhältnissen (Bundesblatt 1862, Bd. III, S. 520--524), auf den Berieht Dr. Heer's für die Mehrheit der nationalräthlichen Kommission über denselben Gegenstand, vom 29. Mai O

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1863 (Bundesblatt 1883, Bd. III, B. 6 u. 7), endlich auf den in derselben Sache vom Standpunkt des Heimatrechtes aus im Namen der Minderheit der ständeräthlichen Kommission abgefaßten Bericht Dr. Rüttimann's vom 13. Januar 1863 (Bundesblatt 1863, Bd. l, S. 162). In gleichem Sinne wie 1862 hat sieh Dr. Dubs 1875 in seinen Bemerkungen zu einem von ihm dem eidgenössischen Justizdépartement eingereichten Entwurfs für ein Bundesgesetz betr. Beseitigung der Doppelbesteuerung ausgesprochen. Wir theilen daraus die folgenden maßgebenden Sätze, mit: ,,Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß zu einer gerechten Besteuerung nur der Grundsatz führt, daß Bürger und Niedergelassene dit: Armensteuer an ihrem Wohnort gleichmäßig zu bezahlen haben. Damit werden drei große Vortheile erreicht : ,,Erstlich gewinnt die Gemeinde ein Steuerresultat, welches klar vorliegt und der Vollziehung keine Schwierigkeiten bietet" . ..

"Zweitens bezahlt der Besteuerte da. wo er ein lebendiges Interesse an einer guten Armenbesorgung hat" . . .

,,Drittens stellen sieh damit die Arbeitsbedingungen für Jedermann, der in gleichen Verhältnissen arbeitet, in ihr natürliches Gleichgewicht" . . .

ili t Recht hat ferner Dubs darauf hingewiesen, dass durch Art. 4 r» der Bundesverfassung von 1874 den Geineindon, wenigstens indirekt, die Nöthigung auferlegt ist, vorübergehend auch fur Arnie zu sorgen, welche ihnen nicht heimatrechtlich angehören, weshalb die Armenunterstützung einen mehr territorialen Charakter angenommen hat, so daß es nun doppelt ungerecht wäre , wenn die Armensteuer nicht auf territoriale Grundlagen gestellt würde. Wir könuen den Hinweis auf Art. 48 der Bundesverfassung und das in Ausführung desselben erlassene Bundesgesetz vom 22. Juni 1875 über die Kosten der Verpflegung von erkrankten und der Beerdigu von verstorbenen armen Angehörigen anderer Kantone beifügen (Amtl. Samml. n. F. I., 743). Dieses Gesetz beruhtganzx auf dem Grundsatz der territorialenUnterstützungspflicht,, welche · w i e der Bundesrathinu seiner bezüglichenBotschaftt sich immer mehr an Boden gewinnt, so daß die allgemeine Geltung desselben nur eine Frage der Zeit ist." (Vergi. Bundesblatt1875., III, S. 268).

Art. 3 enthält bisheriges, durch die Spruchpraxis der eidgenössischen Behörden konsequent angewendetes Bundesrecht. Es sind Fälle, in welchen wirtschaftliche Gesichtspunkte eine Ab-

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weichung, sei es vom Steuerforum des ordentlichen Wohnsitzes, sei es von der Regel, daß das Mobiliarrvermögen am Wohnort des E i g e n t h u m e r s steuerbar ist, begründen.

Art. 4. Es ist schon in der Botschaft und im Gesetzesentwurf des Bundesrathes vom 28. November 1862 betreffend die Ordnung der interkantonalen Niederlassungsverhältnisse (Bundesbl. 1862, III, 509) die Besteuerung des G r u n d e i g e n t u m s und des E i n k o r n m e n s a u s G r u n d e i g e n t h u m auf die gleiche Linie gestellt und in Bezug auf beide Faktoren das Recht der Besteuerung ausschließlich dem Kanton der gelegenen Sache eingeräumt worden.

Die eidg. Räthe haben als Gesetzgeber (1863), sowie in richterlicher Funktion bei Beurtheilung von Beschwerdefällen, diese Ordnung der Steuerberechtigung von jeher und immerfort anerkannt.

Das Grundeigentum bezieht sich auf einen Theil des Territoriums eines Staates, welches naturgemäß dessen ausschließlicher Hoheit unterliegt. Aber auch vom steuerrechtlichen Gesichtspunkt der Gegenleistung des Steuerzahlenden für die ihm vom Staate zugewandten Vortheile, für die Leistungen des Staates, kann der Grundeigenthümer keiner andern Steuerhoheit unterstehen, als derjenigen des Kantons der gelegenen Sache. Das Einkommen aus Grundeigentum folgt steuerrechtlich ebenfalls naturgemäß der Quelle, aus welcher es hervorgeht, der Liegenschaft; dahin gehören auch die M i e t h - und Pachtzinse, die das Aequivalent für die vom Eigenthümer einem Andern überlassene Benutzung einer unbeweglichen Sache sind.

Ein vielbesprochenes Kapitel bildet die Frage des H y p o t h e k a r s ch u l d e n a bz u g e s . Die bundesrechtliche Praxis war bis in die neueste Zeit auf dem Satze festbegründet, daß es nicht Sache des Bundes, sondern des Kantons, in welchem das betreffende Grundstück liegt, sei, zu bestimmen, oh und inwiefern die auf diesem haftenden Schulden von der Steuerschätzungssumme in Abzug gebracht werden dürfen. In den Entwürfen von 1862/63, sowie iu dem von Dr. Dubs 1875 verfaßten Projekte ist dieser Satz mit der Einschränkung anerkannt worden, daß dabei alles Grundeigentum gleichmäßig zu behandeln sei, ohne Unterschied, ob dessen Besitzer in oder außer dem Kanton wohne. Der erste Entwurf unseres Justizdepartements hatte dieselbe Bestimmung adoptirt, aber in ostschweizerischen Kantonen
(St. Gallen, Graubünden) bedeutende grundsätzliche Opposition erfahren. Schwyz hinwieder erhob die Einwendung, daß die dortige gesetzgeberische Tendenz in Uebereinstimmung mit dem Zürcher Steuergesetz von 1870 (Art. 6) dahingehe, den Schuldenabzug des auswärts wohnenden Grundbesitzers

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von dem Nachweise abhängig zu machen, daß er (der Steuerpflichtige) andernfalls im Verhältniß zu seinem übrigen Vermögen übermäßig belastet wäre. Neuestens (5. Dezember 1884) hat dus Bundesgericht in einem Beschwerdefalle betreffend Erbschaftssteuer erkannt, es habe eine interkantonale Vertheilung der Schuldet) einzutreten, d. h. die beiden in Frage kommenden Kantone seien für Erhebung der Erbschaftssteuer auf jene Aktiven beschränkt, die nach verhältnißmäßiger Vertheilung aller Erbschaftsschulden auf das vorhandene Aktivvermögen für jede Steuerhoheit sich ergeben.

Der Gerichtshof gründete dieses Urtheil auf die Erwägung, daß in den fraglichen Kantonen (Zürich und Basel) die Erbschaftssteuer grundsätzlich nur vom reinen Vermögen erholten und bei der Liegenschaftssteuer im Allgemeinen der Schuldenabzug gestattet werde, in welchem Falle der Kanton der Ogelegenen Sache nicht ausnahms~ weise, z »m Nachtheil der Nichtkantonseinwohner, den vollen Liegenschaftenwerth, ohne Rücksicht auf die Schulden, also einen großem Theil des reinen Nachlasses besteuern dürfe, als die im Kanton gelegenen Immobilien ausmachen, denn insoweit greife die kantonale Gesetzesvorschrift über in die Steuerhoheit eines andern Kantons.

Wir sind zur Ueberzeugung gekommen, daß der Bund ohne Ueberschreitung seiner verfassungsmäßigen Kompetenz in Bezug auf den Schuldenabzug den Kantonen überall nichts vorseh reihen kann. Es gehört nach der dermaligen konstitutionellen Grundlage unseres Bandesstaates die Steuerhoheit und deren Ausübung durch Erlaß materieller Steuerrechtsbestimmungen zu den Attributen der kantonalen Staatsgewalt. Wenn ein Kanton das Grundeigentum, je nachdem dessen Besitzer in oder außer dem Kanton wohnt, steuerrechtlich anders behandelt, so übt er damit nur sein ihm zustehendes Gesetzgebungsrecht aus und verstößt gegen keine Bundeso O g O Vorschrift, sofern er nicht etwa zwischen den auswärts wohnende» Grundbesitzern selbst, je nachdem sie z. B. Kantonsbürger oder Nichtkantonsbürger sind, einen Unterschied machen wollte. Wir erinnern diesfalls an den einschlägigen Steuerrekurs Curti gegen St. Gallen, der vom Bundesgericht und den administrativen Bundesbehörden im Hinblick auf sämmtliche vom Rekurrenten angerufenen BundesVerfassungsartikel (Art. 4. 31, 45,'46, 60 und 62) als unbegründet erachtet wurde. (Vergi. Entscheidungen
des Bundesgerichts, Bd. VII.

S. 471 ff.; Bundesblatt 1882, IV. 527 ff.)

Bei dieser Sachlage vermöchte eine Bundesvorschrift in Bezug auf den Hypothekarschuldenabzug gleiches Recht in der Schweiz nur dann zu schaffen, wenn sie materiell-steuerrechtlich den Abzug, absolut oder unter gewissen Bedingungen, gebieten würde; denn auch das Bundesgericht macht seinen neuesten Spruch von der Voraus-

549 setzung abhängig, daß die in Betracht fallenden Kantonalgesetzgebungen grundsätzlich, im Allgemeinen, in Betreff des Schuldenabzugs übereinstimmen, also von einer Thatfrage, auf deren Gestaltung dem Bunde u. E. jede Einwirkung versagt ist. Es wurde diesfalls vom Bundesgericht ein Prinzip ausgesprochen, das an sieh ·gewiß gerecht und unter der prinzipiell gleichen Gesetzgebung der konkurrirenden Kantone wohl auch anwendbar sein mag, welchem aber eine einheitliche Durchführung in der Schweiz vom Bunde nicht gesichert werden kann.

Nach unserer Auffassung darf der Hypothekarschuldenabzug in absolutem Sinne vom Bunde wegen materieller Inkompetenz nicht vorgeschrieben werden. Will aber die bezügliche Bestimmung der Kantonalgesetzgebung etwa mit der Verpflichtung überlassen werden, daß sie in und außer dem Kanton wohnende Grundbesitzer gleich zu behandeln habe, so werden dadurch die Interessen des Kantons, in dem die Liegenschaft sich befindet, in welchem aber der Steuerpflichtige nicht wohnt, empfindlich betroffen. Sofern zur Ausgleichung der Interessen gestattet wird, den Schuldenabzug vom Nachweis eines entsprechenden Gesammtvermögensbestandes des Steuerpflichtigen abhängig zu machen, so darf der über die Steuerquote ergehende Entscheid der obersten kantonalen Instanz nicht wohl in das souveräne Belieben dieser letztem gestellt bleiben, sondern er muß einer Kontrole der Bundesinstanz unterstell bar sein. Als praktische Folge hievon wird sich ergeben, daß das Bundesgericht in solchen Fällen wie eine zweite oder dritte Steuerrekursinstanz, unter materieller Prüfung des Vermögensbestandes eines Steuerpflichtigen, über die einem Kantone zukommende Steuerquote zu urtheilen haben wird. Eine Erweiterung der bundesgerichtlichen Kompetenzen nach dieser Richtung scheint uns nicht wünschbar und, was wichtiger ist, nach der gegenwärtigen eidgenössischen Verfassung und Gesetzgebung nicht begründet zu sein.

Wir ziehen demnach vor, über den Hypothekarschuldenabzug nichts Weiteres zu sagen, als daß sich derselbe nach der Gesetzgebung des Kantons der gelegenen Sache richte.

Um aufgetauchte Zweifel zu beseitigen, schlagen wir vor, in einem dritten Absätze dieses Artikels die Bestimmung aufzunehmen, daß grundversicherte Forderungen und das Einkommen aus denselben nicht der Steuerhoheit des Kantons unterstehen,
in welchem die zu Pfand verschriebene Liegenschaft sich befindet. Die bundesrechtlichePraxis hat hierüber von jeher gleichmäßig in diesem Sinne entschieden. Offenbar ist der Zins eines hypothekarisch versicherten Guthabens nicht als ein Erträgniß der betreffenden LiegenBundesblatt. 37. Jahrg. Bd. I.

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550 sehaft, sondern als der Ertrug des dem Gläubiger gehörenden Kapitals anzusehen.

Art. 5. Die Aufstellung eines geschäftlichen oder gewerblichen Steuerdomizils am Orte, wo mit besonderer Niederlassung ein B ä n d e l s - o d e r F a b r i k a t i o n s g e s c h ä f t oder ein sonstiges k a u f m ä n n i s c h e s G e w e r b e betrieben wird, ist durch eine langjährige, konsequente Bundespraxis anerkannt worden. Wo Jemand eine geschäftliche Wirksamkeit entfaltet, wo er mit einen) von seinem übrigen Vermögen abgesonderten Geschäftskapital arbeitet, wo er für seinen Geschäftsbetrieb den öffentlichen Rechtsschutz genießt, die öffentlichen Anstalten und Einrichtungen benutzt, ja vielleicht geradezu durch denselben sie nothwendig macht, d:> entsteht ein von dem persönlichen Wohnsitz des Geschäftsherrn wohl unterscheidbares Speziald o m i z i l . Dus besondere Steuerobjekt, das Geschäftskapital und geschäftliche Einkommen, stobt in unmittelbarer Beziehung zu einem besondern Steuersubjekte, dem Geschäftsmanne. Das Spezialdomizil wird so ganz naturgemäß zum Steuerdomizil und die Steuerhoheit des Kantons, in welchem die Geschäftsniederlassung sieh befindet, schließt für das in der betreffenden Unternehmung steckende Kapitalvermögen, wie für den daraus sich ergebenden Erwerb, eine anderwärtige Steuerhoheit aus. Zweigniederlassungen begründen für sich in gleichem Sinne ein Steuerdomizil.

Das ist das allgemeine, steuerrechtliche Prinzip. Wenn die Frage, ob eine Geschäftsniederlassung vorliege, streitig wird, so hat dar über, gleichwie bei bestrittenem persönlichem Wohnsitz, dur Richter (das Bundesgericht) in Würdigung derthatsächlichenn Verhältnisse!

des konkreten Falles zu entscheiden.

Da Handels- und Fabrikationsgeschäfte und gewerbliche Unter nehmungen aller Art nicht bloß von Einzelnen, sondern sehr häutig von wirthschaftlichen Personenverbänden betrieben werden, so würden also diese letzteren gleichfalls für Vermögen und Erwerb am Orte der Geschäftsniederlassung, welche gewöhnlieh mit dem Gesellschaftssitze zusammentrifft, der Besteuerung unterliegen. Je mehr nun in der Geschäftsführung das persönliche Element des Inhabers zurücktritt und der gesellschaftliche Verband als eine Einheit (Persönlichkeit) nach Außen sich geltend macht, desio schärfer fällt die Zweiheit der Steuersubjekte (geschäftliche
Einheit -- Pinna -- und Person des Theilhabers) in's Licht, desto stärker wird es von dem Orte des persönlichen Wohnsitzes der Gesellschafter als ein Unrecht empfunden, diese Personen nicht für ihr Geschäftseinkommen in Besteuerung ziehen zu dürfen. Am grellsten hat dieser Gegensatz in Ansehung derjenigen Gesellschaftsform sich fühlbar gemacht,

551

welche (leu Charakter der Einheit nicht nur im wirthsehaftlichen, sondern auch im rechtlichen Sinne mehr als alle anderen hervortreten läßt, bei der A k t i e n g e s e l l s c h a f t . Aus diesem naheliegenden Grunde ist die gleichzeitige Besteuerung der Aktiengesellschaft als solcher, am Gesellschaftssitze, resp. am Orte ihres Gesehäftsbetriehes, und pro parte rata des Aktionärs an dessen persönlichem Wohnsitze , für das gesellschaftliehe Vermögen und Einkommen aufgekommen. Die Bundespraxis bis 1875 beurtheilte die Zuläßigkeit einer solchen Besteuerung in zwei Rekursfällen, aber widersprechend, und das Bundesgericht, auf den Mangel einer entscheidenden bundesrechtlicheri Norm sich berufend, hindert sie seit 1875 nicht, ohne sich prinzipiell über die Zuläßigkeit nuszusprechen. Es ist nun Aufgabe der Bundesgesetzgebung, die Lösung zu finden.

Der Bundesrath hat sieh für die Nichtzulassung der gleichzeitigen Besteuerung von Aktiengesellschaft und Aktionär in Bezug auf das Gesellschaftskapital als Ganzes und den auf das einzelne Mitglied entfallenden Antheil, den Aktienbetrag, sowie in Bezug auf den Ertrag des Gesellschaftskapitals, beziehungsweise der Aktie (Dividende), entschieden. Er glaubt aber auch nicht, daß es billig und recht, wäre, die e i n e Steuerhoheit mit Ausschluß der andern anzuerkennen. B e i d e Kantone haben unseres Erachteas ein wirthschaftlich wohlbegründetes Anrecht auf Besteuerung: derjenige, in welchem die gesellschaftliche Unternehmung ihr Geschäft betreibt, von dem für das geschäftliche Steuerdomizil überhaupt maßgebenden Gesichtspunkte aus, und derjenige, in welchem der Aktionär wohnt und seine Aktiendividende genießt, weil die Aktie ein leicht übertragbares Spekulationspapier geworden, das seinem Inhaber, wie einem Kapitalgläubiger, einen mühelosen Erwerb verschafft, und es ihm nicht selten ermöglicht, an seinem Wohnsitze das Leben eines Rentners zu führen. Darum ist es gewiß ein Gebot der Billigkeit, die Konkurrenz, der beiden Steuerhoheiten dadurch zu beseitigen, daß eine T h e i l u n g des Steuerobjektes vorgenommen und dasselbe in dieser Weise zu zwei verschiedenen Objekten der Besteuerung gemacht wird.

Nach der Auffassung des Bundesrathes überwiegt in der Aktie das Element der Kapitalforderung gegenüber demjenigen der Theilhaberschaft au einem Gesammtvertnögeu. Der
Aktionär ist heutigen Tages ein häufig wechselnder Gläubiger der Unternehmung geworden, der sich des Aktientitels wie eines leicht verwerthbaren Vermögenspapieres bedient und oft während einer ganz kurzen Zeit der Innehabung sieh mittelst desselben, ohne irgendwelche persönliche Leistung im Interesse der Gemeinschaft, einen erheblichen Kapitalgewinn verschafft. Die Wahrnehmung dieses thatsächlich

52 vorhandenen Verhältnisses rechtfertigt es in unsern Augen, der herrschenden Steuerpraxis gemäß das Hauptgewicht auf die Besteuerung des I n h a b e r s eines Aktien- oder Antheilsrechtes zu legen und dem Kantone, in welchem derselbe wohnt, das Recht der Besteuerung des wirklichen Kapital werthes der Aktie bis zur Höhe des einbezahlten Betrages, beziehungsweise des Einkommens aus derselben bis zu 5 °/o dieses Betvages zu sichern. Am Gesellschaftssitze wäre somit nur ein das einbezahlte Kapital übersteigender Kapitalwerth mit der Vermögenssteuer, beziehungsweise eine 5 °/o des einbezahlten Kapitals übersteigende Dividende mit der Einkommens- (Erwerbs-) Steuer zu belegen.

Den Aktiengesellschaften stellen wir gleich die Kommanditaktiengesellschaften (die auch vom Obligationenrecht unter dem Titel der Aktiengesellschaften behandelt werden), in Ansehung des Kommanditkapitals und seines Ertrages, sowie die Genossenschaften, welche als eine wirtschaftliche und rechtliche Einheit sich darstellen.

Wir verhehlen uns durchaus nicht, daß unser Vorschlag auf energischen Widerstand stoßen wird. Die Kantonsregierungen sind über diese Frage nichts weniger als einig und widersprechen sich oft in diametraler Weise. Um so mehr scheint uns eine Ausgleichung der Interessen im vorgeschlagenen Sinne angezeigt zu sein.

Art. 6. Die Besteuerung des Uebergaugs einer E r b s c h a f t hat gemäß der konstanten bundesrechtlichen Praxis mit Rücksicht auf die Einheit der Erbschaft am Wohnsitz des Erblassers zur Zeit des Todes zu erfolgen. In analoger Weise die Besteuerung einer S c h e n k u n g auf den Todesfall oder unter Lebenden am Wohnsitze des Schenkers zur Zeit der Schenkung. Ausgenommen hievou sind die Immobiliarbestandtheile einer Erbschaft oder Schenkung, für welche dem Kanton, in dessen Gebiet sie liegen, das Steuerrecht zusteht.

Den neuesten oben erwähnten Entscheid des Bundesgerichts betreffend verhältnißmäßige Zutheilung der E r b s c h a f t s s c h u l d e n auf den Wohnsitzkanton des Erblassers (Zürich) und den Kanton, in welchem die Immobilien der Erbschaft liegen (Basel), halten wir nicht für geeignet, die Grundlage einer allgemein anwendbaren gesetzlichen Regel zu werden.

Art. 7 wiederholt einen durch das Bundesrecht längst anerkannten Grundsatz. Nach den Vorschlägen mehrerer Kantonsregierungen (Zürich, Basel-Stadt, Freiburg, Tessin) sind zur Vermeidung

553

von praktischen Anständen und Streitigkeiten d e r W e c h s e l des S t e u e r d o m i z i l s , sowie die Zulassung von k ü r z e r n S t e u e r z e i t r ä u m e n innerhalb einer Steuerperiode, mit Rücksicht auf zeitweiligen Aufenthalt in mehreren Kantonen, gewissen regulirenden Bestimmungen unterworfen worden.

Das Recht der R ü c k f o r d e r u n g einer nach Maßgabe der Aufenthaltsdauer das Schuldbetreffniß übersteigenden Steuerzahlung soll im Gesetze unzweideutig ausgesprochen werden, um anzuzeigen, daß dieses Recht nicht von den obligationenrechtlichen Einschränkungen der Rückforderung wegen Zahlung einer Nichtschuld abhängt (vergi.

Obligationenrecht Art. 72 und 73).

Art. 8. Eine äußerst schwierige Frage bietet sich den Bundesbehörden dar in Ansehung der Wirkungen des Gesetzes auf das Verhä.ltniß zwischen einem Kanton und dem im A u s l a n d wohnhaften oder, bei inländischem Wohnsitz, im Ausland steuerbares Vermögen oder Einkommen besitzenden Schweizerbürger.

Schon im Jahre 1875 war durch die Eingabe eines Herrn B l u m e r - S c h i n d l e r .von G-larus bei dem Eidg. Justiz- und Polizeidepartement das Begehren gestellt worden, daß der Schweizerbürger auch für sein ausländisches Besitzthum vor Doppelbesteuerung geschützt werden solle. Als Theilhaber an einem Geschäfte in Mailand und Besitzer von Ländereien in Amerika beschwerte sich der Petent darüber, daß er für diese Vermögensstücke auch im Kanton Glarus besteuert werde, was jedoch bestritten war. Dr. Dubs, dem auch diese Spezialfrage vom Departemente zur Begutachtung vorgelegt wurde, kam zu einem negativen Schlüsse, weil nicht ein interkantonaler Konflikt vorliege. Den Widerspruch zwischen einer Kantonalgesetzgebung und derjenigen eines ausländischen Staates könne die Bundesgesetzgebung nicht aufheben und das Verhältniß des Bürgers zu seinem Kanton sei nicht Gegenstand eidgenössischer Vorschriften.

Am 15. Mai 1882 petitionirten 44 in M a i l a n d niedergelassene Tessi nei- bei der Bundesversammlung gegen ihre Besteuerung durch den Heimatkanton auf Grund des tessinischen Steuergesetzes vom 7. Dezember 1863, dessen Art. 3 also lautet: ,,Alle Tessiner sind steuerpflichtig für ihr im Kanton gelegenes Vermögen , sowie für ihre Einkünfte und Kapitalien, wo immer diese sich befinden mögen.'1 Die Tessiner in Mailand werden in Folge
dieser Gesetzesbestimmung für ihr dortiges Kapitalvermögen und Einkommen vom Heimatkanton besteuert, unterliegen aber gleichzeitig auch in Mailand nach dem italienischen Mobiliarsteuergesetz vom 24. August 1877 der Einkommenssteuer. Dagegen beschweren sich die 44 Petitionäre und verlangen, daß das Bundesgesetz diese Doppelbesteuerung verhindere.

554

Die Regierung des Kantons Tessin beruft sich dem gegenüber auf den ausschließlich interkantonalen Charakter der Vorschrift des Art. 46 der Bundesverfassung und bestreitet hierauf gestützt den Bundesbehörden die Kompetenz, in dieser Angelegenheit zu iuterveniren. Auch in ihrer Vernehmlassung über den Entwurf unseres Justizdepartements von 1884, welcher dem Verlangen der Petente» Rechnung trug, beantragt die Tessiner Regierung in erster Linie die gänzliche Beseitigung des betreffenden Artikels, eventuell die Zulassung der Besteuerung im Auslande wohnender Bürger für eine gewisse Quote (Hälfte oder Drittel) ihres Vermögens und Einkommens, eventuell den Abschluß von Staatsverträgen, damit den in der Schweiz wohnenden Fremden gleiches Recht widerfahre, wie den Schweizern im Ausland.

Das Bundesgericht erklärt sich in seiner Mehrheit, nicht aus Kompetenzgründe;!, sondern um bei Staatsverträgeu freie Hand zu haben, nicht für die bundesgesetzliche Normirung internationaler Steuerkonflikte. Eine Minderheit des Rundesgerichts will dagegen den Grundsatz, wie er im Departementalentwurfe aufgenommen war, aufrecht erhalten und denselben auf den Fall ausdehnen, wo in der Schweiz wohnende Bürger unseres Landes im Auslande Greschäftsniederlassungen besitzen und dort dafür besteuert werden.

Ausländer sollen nach Ansicht des Buudesgerichte3 in jedem Falle nur in Gemäßheit von Staatsverträgen oder bei nachgewiesener Reziprozität geschützt werden.

Die Regierung von Basel-Stadt ist prinzipiell mit dem Schutz der Schweizer im Auslande einverstanden, aber nur mit dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß die gleichzeitige Besteuerung von Aktiengesellschaft und Aktionär gestattet werde, indem sonst der Schutz, den man den Schweizern im Anstände gewähren wolle, für die inländische Steuerkraft von höchst gefährlicher Wirkung sein würde.

Betrachteu wir zunächst die Kompetenzfrage. Da vermögen wir vorerst dem Argumente, daß der Bund nicht berufen sei, die Bürger gegen die Gesetzgebung ihrer eigenen Kautone ÄU schützen, keine Kraft beizumessen. Wir haben schon im Eingange dieser Botschaft bemerkt, daß das Verbot der Doppelbesteuerung Verbürgerten wie Niedergelassenen zu gute komme, weßhalb der Bund unter Umständen verpflichtet sei, die Beschwerde eines Bürger« gegen den Heimatkanton gutzuheißen, sei es, daß der Beschwerdeführer in
seinem Heimatkanton wohnt, sei es, daß er in einem andern Kantone niedergelassen ist. Die durch Art. 4 der Bundesverfassung garantirle Gleichheit der Bürger vor dem Gesetze fordert den gleichmäßigen gesetzlichen Schutz aller Schweizerbürger gegen Doppelbesteuerung. Ein gewichtigerer Einwurf ist der, daü der

555

vom Bundesrathe verliehene Schutz nur in Konfliktfällen zwischen der Gesetzgebung zweier oder mehrerer Kantone gewährt werde.

Die Interkantonalität des Verhältnisses ist offensichtlich nicht vorhanden, wenn die Gesetzgebung eines Kantons mit derjenigen eines ausländischen Staates zusammenstößt. Wenn deßhalb die Kompetenz des Bundes, solchen internationalen Konfliktfällen durch die Gesetzgebung unseres Landes vorzubeugen, nicht aus andern konstitutionellen Rechtsgründen hergeleitet werden kann, so ist es von vorneherein klar, daß diesfällige gesetzgeberische Versuche unterbleiben müssen.

Es ist ferner bei der Behandlung dieser Frage darauf Rücksicht zu nehmen, daß das Verbot der Doppelbesteuerung einerseits als Schutzbestimniung für den Schweizerbürger die Wahrung solcher individuellen Rechte bezweckt, deren freie Ausübung vom Bunde natürlicherweise nur für das Gebiet der Eidgenossenschaft garantirt ist (Niedcrlassungsfreiheit, Gewerbefreiheit u. s. f.), andererseits als bundesrechtlicher Regulator zwischen zwei sich entgegenstehenden Kantonalsouveränetäten unberechtigte Ansprüche eines Kantons immer nur ?AI Gunsten der Finanz- und Steuerhoheit e i n e s a n d e r n S c h w e i z e r k a n t o n s entscheidet. Man darf deßhalb wohl sagen, daß das Verbot der Doppelbesteuerung weder aus irgend welcher Rücksicht auf den Bürger, der unser Land verlassen hat, noch aus einer solchen auf die ausländische Steuerhoheit entsprungen ist. Von demselben Gedanken geleitet hat das norddeutsche Bundesgesetz vom 13. Mai 1870, nunmehriges deutsches Reichsgesetz ,,wegen Beseitigung der Doppelbesteuerung"1, in § 5 statuirti ,,An den Wirkungen, welche der Wohnsitz oder Aufenthalt außerhalb des Bundesgebietes auf die Steuerpflichtigkeit eines Norddeutschen (Deutschen) äußert, wird durch das gegenwärtige Gesetz nichts geändert."

Wir sind nun allerdings der Ansicht, daß von einer einfachen Ausdehnung der Wirksamkeit unseres ßundesgesetzes auf die Schweizer im Ausland oder auf die im Ausland für dort liegendes Vermögen oder dort erzielten Erwerb besteuerten , jedoch im Inlande wohnenden Bürger nicht die Rede sein kann. Denn die Faktoren sind sich nicht gleich, wenn es sich um einen interkantonalen Konflikt und wenn es um die Konkurrenz einer Kantonalgesetzgebung mit ausländischem Recht sich handelt. Auf die ausländische
Steuergesetzgebung ist uns eine Einwirkung nur auf dem Wege vertraglicher Vereinbarung möglich. Bleibt uns aber deßwegen in dieser Frage von Bundeswegen gar nichts zu thun? Wir glauben doch, wenn wir d i e Seite in's Auge fassen, auf die wir einzuwirken vermögen, die kantonale Gesetzgebung, und wenn wir dem Bunde die

556 Einwirkung nicht versagen, sofern ein Kanton die eigenen Bürger oder die Schweizer bürger überhaupt, welche ausländischer Steuerhoheit unterstehen, entgegen allgemeinen Rechtsgrundsätzen und gleichzeitig entgegen den positiven bundesrechtlichen Normen für die nilerkantonalen Verhältnisse, behandeln will. Unzweifelhaft hängt die Beantwortung der Kompetenzfrage wesentlich von der Auflösung ab, welche man von der Wirksamkeit des Art. 4 der Bundesverfassung über die Grenzen des Landes hinaus, zu Gunsten ausgewanderter oder in Rechtsbeziehungen zum Auslande getretener Schweizerbürger hat.

In dem Bundesgesetz über den Militärpflichtersatz vom 28. Juni 1878 (Amtl. Sammlung n. F. III, 565) ist der Gedanke zur Anerkennung gelangt, daß auf den Mitbürger im Auslande nach Maßgabe der beidseitigen Verhältnisse Rücksicht zu nehmen sei, indem ihn das Heimatland dann nicht um Pflichtersatz anhält, wenn er an seinem Aufenthaltsorte regelmäßigen persönlichen Dienst leistet oder einen Ersatz in Geld zahlt (Art. 2, litt, c., a. a. 0.).

Bekanntlich hat auch das Bundesgericht erkannt, daß im A n s lande gelegene I m m o b i l i e n in der Schweiz von keinem Kanton besteuert werden dürfen, und dabei sowohl auf einen allgemein anerkannten Grundsatz des Völkerrechts über Besteuerung von Grundeigentum , als auch auf Art. 46, Absatz 2, der schweizerischen; Bundesverfassung sich berufen, welch' letztere Bestimmung den Schutz des Bürgers gegen doppelte Besteuerung des nämlichen Vermögensobjektes bezwecke, ,,soweit die Gewährung eines solchen Schutzes im Inlande möglich sei". (Bundesgerichtliche Entscheide Bd. III, S. 24 und 25.) Umgekehrt hat der Gerichtshof wiederholt seine Intervention angelehnt, wenn im Ausland befindliches bewegliches Vermögen oder aus dem Ausland herrührendes Einkommen eines Einwohners der Schweiz trotz und neben der ausländischen auch der inländischen Besteuerung unterworfen wurde.

(Siehe z. B. Entscheide Bd. I, S. 46 ; II, 386.)

Der Bundesrath glaubt in Anlehnung an die oben berührten Erwägungen des Bundesgerichts zu dessen Urtheil vom 31. Marx, 1877 in Sachen der Erben Moli (Bundesgerichtliche Entscheide Bd. III, 8. 11--25), daß allgemein anerkannte Grundsätze des Völkerrechts, d. h. internationales Recht, das in Uebereinstimmung steht mit unserm positiven schweizerischen Bundesrechte, für die
Beurtheilung der vorwürfigen Frage maßgebend sein sollen.

Mit, dem Bundesgericht finden wir, daß für die Besteuerung von Liegenschaften unbedingt das Territorialitätsprinzip entscheide und daher von Grundstücken nur da Steuern gefordert werden

557 dürfen, wo dieselben liegen ; aber ebenso kann und soll unseres Brachtens der schweizerische Gesetzgeber dem prinzipalen, völkerrechtlichen und schweizerisch bundesrechtlichen Grundsatze, daß die Person für sich, sowie für ihr bewegliches Vermögen und ihr daheriges Einkommen der Gesetzgebung und speziell der Steuergesetzgebung ihres Wohnsitzes unterstehe, auch mit Bezug auf unsere im Auslande wohnenden Landsleute Geltung verschaffen. Als ferneres Motiv tritt hinzu, daß es einer weitherzigen Auffassung des Art. 4 der Bundesverfassung entspricht, die Wohlthaten des Landesrechtes nach Möglichkeit auch dem in der Ferne weilenden, aber, wie tausend Vorgänge beweisen, durch die unzerstörliche Kraft der patriotischen Gesinnung mit der Heimat stets verbundenen Mitbürger zu Theil werden zu lassen.

Es sagt uns nun freilich die Regierung des Kantons Tessin, daß die Besteuerung der im Auslande sich aufhaltenden Kantonsbürger im Hinblick auf den Schutz, den das Vaterland ihnen jederzeit angedeihen lasse, im Hinblick auf die sichere Aussicht, die ihnen stets geboten werde, im Verarmungsfalle in der Heimat Aufnahme und Unterstützung zu finden, wohl gerechtfertigt sei.

Wir wollen nicht verkennen, daß der im Kanton Tessin eingebürgerte heimatrechtliche Gedanke, nach welchem die auswärts wohnenden Kantonsbürger in der Regel nur als vorübergehend abwesend und als fortwährend an ihren Bürgerorten rechtlich domizilirt betrachtet werden, ein gutes nationales Element in sich schließt. Allein es ist doch dagegen zu bemerken, daß diese Legalfiktion des heimatliehen Domizils mit der ganzen modernen Entwickelung des Niederlassungsrechtes im Widersprüche steht und daß dieselbe, wenn sich derartige materielle Folgen, wie fortdauernde Steuerpflicht zu Gunsten des Heimatstaates hei gleichzeitiger Besteuerung durch den wirklichen Wohnsitzstaat, daran knüpfen, für die Kantonsbürger zu einem wahren Privilegium odiosum werden rnuß. Die dringenden Vorslellungen, welche die Tessiner in Mailand in wiederholten Eingaben gegen die sie bedrückende faktische Doppelbesteuerung an die Bundesbehörden gerichtet haben, beweisen uns zur Genüge, daß die tessinischen Angehörigen in der Fremde nicht in solch1 realer Weise an ihre Heimat erinnert zu werden wünschen.

Die Gegenbemerkungen Tessins vermögen uns bei dieser Sachlage nicht von dem
Vorschlage abwendig zu inachen, der dahin geht, die Besteuerung von Schweizern im Ausland den Kantonen zu untersagen; ebenso die Besteuerung ausländischer Grundstücke und des aus solchen fließenden Einkommens. Die Bemerkung Tessin's, daß in diesem Falle den Ausländern gleiches Recht in der Schweiz znge-

558 sichert werden müsse, ist überall nicht zutreffend, weil die Kantone den in ihrem Gebiete wohnenden Fremden kraft der Niederlassungsverträge keine anderen Steuern auferlegen dürfen, als den eigenen Angehörigen, übrigens das Gegenstück zu der tessinischen Busteuerung der Landesangehörigen im Auslande die Besteuerung der Ausländer in der Schweiz durch ihre Heimatstaaten wäre, wogegen die Belasteten nicht in einer internationalen Vereinbarung, sondern, wie jetzt die Tessiner gegenüber ihrem Konton, nur im eigenen Landesrechte Schutz finden könnten.

Wenn wir in diesem Sinne der Beschwerde der Tessiner in Mailand durch Aufnahme a l l g e m e i n anerkannter steuerrechtlicher und völkerrechtlicher Grundsätze im Bundesgesetze gerecht werden wollen, so lassen sich dagegen nicht die gleichen gewichtigen Motive anführen für die Ausdehnung der bundesrechtlich festgestellten Normen des interkantonalen Steuerrechts auf das im Ausland befindliche, in ausländischen Handels- und Fabrikgeschäfteu, insbesondere Aktienunternehmungen u. s. f., steckende b e w e g l i c h e V e r m ö g e n und daheriges E i n k o m m e n von Bürgern unseres Landes, die in der Heimat ihren peisönliehen Wohnsitz haben.

Wir sind überzeugt, daß der Gedanke, auf diesem Wege ein internationales Steuerrecht anzubahnen, bei uns nicht sobald iu die Form einer gesetzlichen Bestimmung sich kleiden wird; namentlich fände die Anwendung des mit Bezug auf Vermögen und Erwerb der Aktiengesellschaften von uns angenommenen Theiluugsprinzips auf in der Schweiz wohnende Ttieilhaber von Aktienunternehmungeu, die ihren Site im Auslande haben, überall in den Kantonen einen entschiedenen und gerechtfertigten Widerstand.

Das Ausland unterliegt nicht den vom schweizerischen Bundesrechte aufgestellten b e s o n d e r n Prinzipien des interkantonalen Steuerrechts. Die. Anerkennung einer ausländischen Steuerhoheit, auf Grund eines besondern inländischen und für den interkantonalen Verkehr begründeten steuerrechtlichen Prinzips, zu Gunsten eines Einwohners der Schweiz, der vom Auslande her Einkünfte bezieht, setzt eine internationale materielle Uebereinstimmung der Steuergesetzgebungen voraus; sie würde nicht bloß praktische Inkonvenienzen, lästige Weiterungen und Anstände für die inländischen Steuerbehörden zur Folge haben, sondern das Resultat wäre sehr
oft Steuerfreiheit eines mit ausländischen Einkünften versehenen, den Rechtsschutz und die materiellen Vortheile unserer öffentlichen Einrichtungen genießenden Einwohners der Schweiz. Die in der Schweiz wohnenden Ausländer würden selbstverständlich vermöge ihrer vertraglichen Gleichstellung mit den Inländern für sich die gleichen Rechte beanspruchen. Es ist möglich, daß in solchen Fällen eine wirkliche

559 Doppelbesteuerung eintritt. Allein so lange internationale Vereinbarungen über steuerrechtliche Materien fehlen, wird kein Staat, am wenigsten ein kleiner Staat wie der unsrige, unter Verläugnung seiner Steuerhoheit sein besonderes, für die inländischen Beziehungen geschaffenes Recht zu Gunsten von Steuerobjekten, die aus dem Auslande -stammen, zur Anwendung bringen.

Art. 9 drückt, in Umfassung der Gesetzesbestimmungen, das bereits in den allgemeinen Bemerkungen von uns berührte Prinzip aus, daß das Bundesrecht jeden Uebergriff in die Steuerhoheit eines Kantons als Versuch einer Doppelbesteuerung zurückweise. Durch Aufstellung der Zuständigkeit eines bestimmten Kantons zur Steuererhebung wird vom Bundesgesetzgeber das Grenzgebiet abgesteckt, welches die Behörden eines andern Kautons mit einem Steueranspruche nicht überschreiten dürfen.

Art. 10. Nicht bloß um die durch das Organisationsgesetz über die Bundesrechtspflege bereits begründete Kompetenz des Bundesgerichts zur Erledigung der wegen Doppelbesteuerung sich ergebenden Streitigkeiten nochmals ausdrücklich anzuerkennen und die Beschwerdeführer darüber aufzuklären, daß das Bundesgericht in diesen Fällen nicht als Civilgerichtshof funktionirt, sondern nach dem für staatsrechtliche Entscheidungen vorgeschriebenen Verfahren vorgeht, sondern ganz besonders um die m a t e r i e l l e W e i t e r b i l d u n g des Bundesrechtes in Doppelbesteurungsfragen, auf der Grundlage und nöthigenfalls in Ergänzung des vorliegenden Gesetzes, in die Befugniß des Bundesgerichts zu verlegen, haben wir den Artikel 10 in unsern Entwurf aufgenommen.

Art. 11 enthält den Referendumsvorbehalt.

Am Schlüsse unserer Botschaft angelangt, empfehlen wir Ihnen das Eintreten auf den Gesetzesvorschlag, indem wir Sie, Tit., wiederholt unserer ausgezeichneten Hochachtung versichern.

B e r n , den 6. März 1885.

Im Namen des schweiß. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

560

(Entwurf.)

Bundesgesetz betreffend

das Verbot der Doppelbesteuerung.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t . , in der Absicht, für den Bereich der interkantonalen Verhältnisse und der Beziehungen der Kantone zu ihren Angehörigen im Ausland die erforderlichen Bestimmungen gegen Doppelbesteuerung zu treffen; gestützt auf Art. 46 der Bundesverfassung; im Hinblick ferner auf die Art. 3, 4, 31, 43, 45 und 60 der Bundesverfassung; nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 6. März 1885, beschließt: Art. 1. Es ist untersagt, das nämliche Steuerobjekt in zwei oder mehr Kantonen einer direkten Steuer zu unterwerfen.

Art. 2. Unter Vorbehalt der durch die folgenden Artikel geordneten Verhältnisse darf der Steuerpflichtige für seine Person, sein Vermögen und seinen Erwerb nur in demjenigen Kantone besteuert werden, in welchem er seinen Wohnsitz hat.

56t Art. 3. Bei längerer Dauer kann auch ein Aufenthalt in einem andern Kanton als demjenigen des gewöhnlichen Wohnortes einen Steuerwohnsitz begründen; jedoch nicht für Minderjährige und die in Kranken-, Irren- oder Strafanstalten untergebrachten Personen.

Bevormundete Personen sind an dem Orte steuerpflichtig, wo sie mit Bewilligung der Vormundschaftsbehörde thatsächlieh wohnen.

Nutznießungsgui fällt da in Besteuerung, wo der Nutzungsberechtigte wohnt. Vorbehalten bleibt, sofern es sich um Liegenschaften handelt, das Besteuerungsrecht des Kantons der gelegenen Sache.

Art. 4. Von Liegenschaften und den aus ihnen fließenden Einkünften, einschließlich der Pacht- und Miethzinse, kann die Steuer nur in demjenigen Kantone erhoben werden, in dessen Gebiet das betreffende Grundstück liegt.

Nach der Gesetzgebung des aur Steuererhebung zuständigen Kantons entscheidet sich die Frage, ob und in welchem Maße die auf Liegenschaften haftenden Schulden in Abzug gebracht werden dürfen.

Grundversicherte Forderungen und deren Zinserträgnisse sind nicht als liegenschaftliches Vermögen und Einkommen im Sinne dieses Artikels zu betrachten.

Art. 5. Kaufmännische und gewerbliche Unternehmungen sollen für ihr Vermögen und ihren Erwerb im Kanton der Geschäftsniederlassung, beziehungsweise nach zutreffendem Verhältnis in den Kantonen, wo sie Zweigniederlassungen oder Einrichtungen besitzen, besteuert werden.

Es haben jedoch die Mitglieder von Aktiengesellschaften und Genossenschaften den wirklichen Werth der Aktien oder Antheilsrechte, bis zur Höhe des einbezahlten Betrages, beziehungsweise Dividenden bis zu 5 °/o dieses Betrages an ihrem persönlichen Wohnsitze zu versteuern.

Bei Berechnung der Vermögens- und der Erwerbssteuer ·einer Aktiengesellschaft oder Genossenschaft am Gesell-

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schaftssitze soll der wirkliche Werth der Aktien oder Antheilsrechte bis zur Höhe des einbezahlten Betrages, beziehungsweise eine Dividende bis zu 5 % dieses Betrages in Abzug gebracht werden.

Art. 6. Die Besteuerung des Erbschaftsanfalls und der Schenkungen auf den Todesfall oder unter Lebenden steht für deo Werth der Liegenschaften dem Kantone, in welchen» sich diese befinden, für den übrigen Werth der Verlassenschaft oder Schenkung dem Kantone zu, in welchem der Erblasser oder Schenker zur Zeit des Todes oder der Schenkung seinen Wohnsitz hat.

Art. 7. Wer innerhalb eines Steuerzeitraumes seinen Wohnsitz oder den Ort seiner Geschäftsniederlassung, unter Anzeige an die zuständige Ortsbehörde, wechselt, schuldet die Steuer an jedem Orte nur nach Verhältniß der Dauer seines Aufenthalts oder Geschäftsbetriebes und kann demgemäß das von ihm über dieses Betreffniss hinaus Bezahltes zurückfordern.

Dabei wird jedoch eine Steuerperiode in Zeitabschnitte von drei Monaten eingetheilt und ein Quartal zu Gunsten des Ortes, wo es begonnen wurde, für voll gerechnet.

Art. 8. Wenn nach Maßgabe dieses Gesetzes ein Recht zur Steuerauflage in einem Kantone nicht besteht, so findet auch gegenüber im Auslande wohnenden Personen eine Besteuerung nicht statt.

Desgleichen darf kein Kanton außer der Schweiz liegendes Grundeigentum, das einem Kantonseinwohner zugehört, oder daraus fließendes Einkommen mit einer Steuer belegen.

Art. 9. Die nach vorstehenden Bestimmungen begründete Zuständigkeit zur Steuererhebung schließt die Besteuerung des nämlichen Objektes in einem andern Kantone aus, auch wenn der zuständige Kanton von seinem Steuerrechte keinen Gebrauch machen sollte.

563

Art. 10. Die Anstünde, welche sich hei der Anwendung dieses Gesetzes ergeben können, sowie überhaupt alle wegen Doppelbesteuerung entstehenden Streitigkeiten sind vom Bundesgerichte, nach dem für staatsrechtliche Entscheidungen vorgeschriebenen Verfahren, zu erledigen.

Art. 11. Der Bundesrath ist beauftragt, in Gemässheit der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn dei- Wirksamkeit desselben festzusetzen.

564

# S T #

Nachtrag zur Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend den Entwurf eines Gesetzes über den Geschäftsbetrieb von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens.

(Vom 6. März 1885.)

Tit.

Im Schöße der ständeräthlichen Kommission, welche den oben genannten Gesetzentwurf vorzuberathen hat, ist anschließend au Art. 10 desselben die Aufnahme des folgenden neuen Artikels beantragt worden : ,,Jede Bedingung oder Uebereinkunft in der Police einer Lebensversicherungsgesellschaft, welche die Folge hätte, den Versicherton der Gesammtheit oder des größern Theils seiner Einzahlungen verlustig zu machen, kann durch die Gerichte ungültig erklärt werden."

Von der Kommission zur Einreichung eines Berichts ober die Zuläßigkeit und Zweckmäßigkeit eines solchen Zusatzes eingeladen, haben wir zunächst darauf aufmerksam zu machen, einerseits daß dieser Antrag sich nicht bloß auf den in Art. 10 besprochenen Fall einer Konzessionsentziehung beschränkt, sondern ein ganz all gemeines Prinzip für alle Lebensversicherungsverträge aufstellt, andrerseits daß der Antrag wiederum zu eng gefaßt erscheint, indem er nur die Lebensversicherung berücksichtigt, während dieselbe Kontroverse auch auf andern Versicherungsgebieten, namentlich auf demjenigen der Unfall- und der Feuerversicherung auftritt

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung zu einem Gesetzentwurf betreffend das Verbot der Doppelbesteuerung. (Vom 6. März 1885.)

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14.03.1885

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533-564

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