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Bericht des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend die Beschwerden der genferischen Denkschrift ,,Oktroi und Ohmgeld."

(Vom 3. März 1885.) '

Tit.

Erst vor wenigen Tagen ist bezüglich des von uns vorgeschlagenen neuen Verfassungsartikels Art. 32bis eine im Namen des Administrationsrathes der Stadt Genf verfaßte Schrift ,,Oktroi und Ohmgeld" erschienen und Ihnen ausgetheilt worden, welche, wenn auch mit den von uns in der Alkoholangelegenheit gestellten Anträgen im Grundsätze einverstanden, zu Gunsten der Stadt Genf in der Sache bedeutsame und in sehr einläßlicher Weise begründete Vorbehalte macht, deren Beleuchtung durch einen besondern Bericht des Bundesrathes nothwendig erscheint.

Zielpunkt der Denkschrift.

Der Art. 32 der Bundesverfassung sagt im Schlußsatze: ,,Mit Ablauf des Jahres 1890 sollen alle Eingangsgebühren, welche dermalen von den Kantonen erhoben werden, sowie ähnliche von e i n z e l n e n G e m e i n d e n b e z o g e n e G e b ü h r e n ohne Entschädigung dahin fallen."

Der Bundesrath hatte, als er, schon im Frühling des vorigen Jahres, seine Anträge in der Alkoholangelegenheit feststellte, nicht nur keine Veranlassung, diesen Artikel in Frage zu stellen, er Bundesblatt. 37. Jahrg. Bd. I.

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486 hatte sogar sehr triftige Gründe, die wohlthätigen Folgen desselben sobald als nur möglich eintreten zu lassen, da er der Ansicht ist, daß einerseits die vielfachen Steuern auf dem Konsum der nicht destillirten geistigen Getränke, welche die letztern vertheuern, andererseits die gleichzeitige unverhältnißmäßige Aufmunterung der inländischen Brennerei, insbesondere der Kleinbrennerei, welche die Ohmgeldansätze einiger Kantone gewähren, nicht wenig zum Schuapsübel beigetragen haben und daß die Mitwirkung des Bundes im Kampfe gegen dieses Uebel gerade auf diesem fiskalischen Gebiete verlangt und auch erforderlich ist. Nach den Anträgen des Bundesrathes sollen jedoch die neuen eidgenössischen Steuern, welche an die Stelle der kantonalen Getränkesteuern treten, möglichst gleichmäßig auf die Kantone vertheilt und, wenn sein Projekt schon vor Ende des Jahres 1890 zur Ausführung kommt, den Kantonen und Gemeinden für ihren Ausfall an Eingangsgebühren auf geistigen Getränken volle Entschädigung gemäß ihren verfassungsmäßigen Ansprüchen geboten werden. Diese Anträge bringen somit für die Kantone nicht eine Verschlimmerung, sondern eine wesentliche Verbesserung ihrer durch die gegenwärtige Verfassung geschaffenen finanziellen Situation.

Diese Verbesserung reicht nun freilich nicht aus, um der Stadt Genf ihre nach Ablauf des Jahres 1890 dahin fallenden Oktrois zu ersetzen, deren jährlicher Bruttoertrag bei einem Budget von Fr. 2,300,000 die Summe von beiläufig Fr. 700,000 ausmacht, was indessen nicht unsere Schuld ist, da wir nicht berufen waren, für den Ersatz dieser hohen Steuer nach Ablauf des Jahres 1890 auf Kosten der andern Kantone zu sorgen.

Unsere Anträge hatten nun die Folge, daß die Stadt Genf dasjenige, was sie sonst in einem spätem Momente zu thuri sich vorgesetzt haben mochte, schon jetzt thut, indem sie sieh für Beibehaltung des Rechts zum Bezug des Oktroi verwendet. Die Eingabe thut dies unter voller Anerkennung der in unserer Botschaft vom 20. November 1884 entwickelten Motive, welche, wie der Administrationsrath der Stadt Genf glaubt, zwar wohl auf die Ohmgelder und das übrige Getränkesteuerwesen einzelner Kantone, nicht aber auf die Steuereinrichtungen der Stadt Genf Anwendung finden. Gleichwohl -wird nicht für das unveränderte gegenwärtige Oktroi das Recht des Fortbestandes nachgesucht,
sondern es wird ein löblicher, wenn auch nach unserm Dafürhalten nicht genügender Versuch gemacht, dasselbe im Geiste unserer Botschaft votn 20. November 1884 umzugestalten.

Bei dieser Revision werden den bereits steuerfreien Einfuhrartikeln Salz, Mehl, Getreide, Brod, inländische frische Gemüse und

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Früchte, Kartoffeln, Zucker, Kaffee und Thee noch einige weitere beigefügt, nämlich Sardinen, Häringe, Sehellfische .und Stockfische, ferner einige geringere Fleischstücke (Abfälle, Kopf- und Fußtheil von großem und kleinem Vieh, Geschlinge, Eingeweide), Reiswellen, gebrauchte Lohe, Strohbündel, Maisstroh, Torf, Holzbündel, Spähne.

Ferner sind nach dem neu entworfenen Tarif für einige Hauptartikel des Lebensbedarfs, Rind- und Pferdefleisch und Schmalz, nicht über 2 %, für nicht destillirte geistige Getränke, Holz, Steinkohlen und Koaks nicht über 3 °/o ihres Werthes zu entrichten.

Trotz dieser Erleichterungen soll jedoch mittelst höherer Taxirung anderer Artikel (besonders gebrannte Wasser) und Einbeziehung verschiedener Luxusartikel der Brutto-Ertrag des Oktroi auf Fr. l ,079,000 gesteigert werden. Unter einigen schützenden gesetzlichen Vorbehalten wird die Gewährung einer solchen Steuer für andere städtische Bevölkerungszentren empfohlen.

Nachdem uns die Eingabe ein Projekt des vollständig reorganisirten Oktroi vorgeführt, stellt sie von ihrem Standpunkte aus diejenigen Amendements zum bundesräthlichen Revisionsvorsehlag, welche sie zur Sicherung des Steuersystems Genfs nothwendig hält; es sind folgende: a. Streichung der Worte ,,sowie ähnliche von einzelnen Gemeinden bezogene Gebühren" im Schlußsatze des bisherigen Art. 32.

b. Zusatz zu Art. 32 : Die Kantone dürfen gemäß Art. 31 c, direkte Steuern auf dem Konsum erheben, vorausgesetzt, daß die zum nothwendigen Lebensbedarf erforderlichen Gegenstände nicht mit mehr als 3 °/o des Detailpreises belastet werden, jedoch nur in städtischen Bevölkerungszentren von mehr als 2000 Seelen und unter Vorbehalt der Genehmigung der kantonalen Oberbehörde.

c. Amendements zu Art. 32 bl8 : Lemma 1: ,,über den Verkauf j e d e r Art von Get r ä n k e n " , statt: ,,von gebrannten Wassern."1 Lemma 2.

Zu streichen : n ,,und Gemeinden."

*· Lemma 3. Streichung des zweiten Satzes (,,Jedoch bleiben etc.") und Ersetzung desselben durch den folgenden : Die allgemeinen Handels- und Gewerbesteuern, sowie die Konsumsteuei'n nach dem neuen Lemma des Art. 32 sind nicht als b e s o n d e r e S t e u e r n zu betrachten.

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Lemma 4. Die. Fabrikationssteuern sollen denjenigen Kanlonen verbleiben, in welchen sie bezogen werden.

Lemma 5. Den Kantonen wird aus dem Zollzuschlag auf gebrannte Wasser eine jährliche Entschädigung von wenigslcns 2 Franken per Kopf der Bevölkerung zugesichert.

Lemma t>. Streichung der Worte ,,und Gemeinden"1. Ferner soll den Kautonen hei Berechnung der Entschädigung bis Ende 1890 der Ertrag der Fabrikationssteuer angerechnet werden.

Im Falle der Nichtbeibehaltung der Oktrois wird eventuell für die Städte Genf und Carouge vollständige Entschädigung durch erhöhte Zollgebühren oder Verkaufssteuern postulirt.

Wir werden in unserm Sehltißabschnitt zu diesen Anträgen Stellung nehmen und gehen zunächst zur Beleuchtung der für dieselben angeführten Gründe über. Die Begründung stützt sich auf folgende Hauptargumente : 1) das historische Recht der Oktrois, welches ihnen bei der Revision von 1671/72 und 1873/74 in Folge der irrthümlichen Vermengung mit den Ohmgeldern genommen worden und auf dem Wege der Berichtigung des Irrthums wieder herzustellen sei; 2) die Unstichhaltigkeit der materiellen Einwürfe gegen das Oktroi.

Das historische Recht der Oktrois.

Die Denkschrift stellt (S. 50) die Behauptung auf, die Verfassung von 1874 habe die Gemeinden Genf und Carouge, und zwar ganz einzig in der ganzen Eidgenossenschaft, der gerechten Entschädigung beraubt, auf welche sie nach dem Bundesvertrag von 1848 ein Recht hatten, und es sei dies geschehen in Folge der Vermengung der Oktrois mit den Ohmgeldern, welche allerdings schon vorher nur einen provisorischen Bestand gehabt hätten.

Diese Berechtigung auf Fortbestand oder Entschädigung wird abgeleitet aus Art. 24 der Verfassung von 1848 : ,,Art. 24. Dem Bunde steht das Recht zu, die von der Tagsatzung bewilligten oder anerkannten Land- und Wasserzölle, Wegund Brückengelder, verbindliche Kaufhaus- und andere Gebühren dieser Art, mögen dieselben von Kantonen, Gemeinden , Korporationen oder Privaten bezogen werden, gegen Entschädigung ganz

489 oder theilweise aufzuheben. Diejenigen Zölle und Weggelder, welche auf dem Transit lasten, sollen jedenfalls im ganzen umfange der Eidgenossenschaft, und zwar gleichzeitig, eingelöst werden."

Diese Zusicherung sei durch die neue Verfassung einfach gestrichen worden.

Und dazu komme vollends noch die Bestimmung des neuen Art. 30 : ,,die den Kantonen bisher bezahlten Entschädigungen für die losgekauften Zölle , Weg- und Brückengelder, Kaufhaus- und andere Gebühren dieser Art fallen weg."

"Was wird aus den in einer Verfassung formell ausgesprochenen Garantien mit der Zusicherung einer versprochenen Entschädigung, wenn eine einfache Revision derselben genügt, um frühere Verpflichtungen aufzuheben?" -- fragt die Denkschrift, S. 40. ,,Ein solches System, verallgemeinert, würde nichts weniger als eine vollständige Unsicherheit der Institutionen eines Landes schaffen; die verfassungsmäßigen Garantien hätten nur so lange Bestand, als die betreffende Verfassung, und die bestätigten Rechte des gemeinsamen, auf Gegenseitigkeit beruhenden Vertrages, an den alle Parteien sieh halten, würden durch die einfache Mehrheit der Kontrahirenden zu den Füßen geworfen. a So könnte gesprochen werden, wenn der Bund versucht hätte, von ihm anerkannte T r a n s i t z ö l l e , deren Loskauf ihm durch den angeführten alten Art. 24 zur Pflicht gemacht war, ohne Entschädigung aufzuheben. Aber durch das ertheilte fakultative Recht zum Loskauf anderer Zölle, unter welchen die Eingangs- oder Konsumzölle (für welche keine Gegenleistung besteht) gar nicht einmal erwähnt sind -- und zwar absichtlich, wie wir sehen werden -- wird das Recht dieser anderen Zölle nicht ein besseres, als es vorher war, wie dies die von der Bundesversammlung genehmigten Loskaufsverträge deutlich beweisen (s. Bundesblatt 1850, I, 277 ff.).

Der von den beiden Berichterstattern Dr. Kern und H. Druey verfaßte Bericht Über den Entwurf einer Bundesverfassung, vom 8. April 1848, sagt bezüglich des unverändert angenommenen ersten obigen Satzes von Art. 24 (S. 36 ff.): ,,Es ist der Bundeskasse unmöglich zuzumuthen, alljährlich dem Kanton T e s s i n für seine Eingangszölle, welche im Grunde nichts Anderes als Konsumozölle sind, Fr. 237,331 zu bezahlen und überdies Fr. 108,000 für Ausgangszölle, im Ganzen also Fr. 345,331 per Jahr. Dagegen hat der Hund ein Interesse, den Transit durch diesen Kanton unter seine Administration zu ziehen. Daher gibt der Art. 24 durch die Worte ,,ganz oder theilweise" die Möglichkeit,

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die Transitzölle und Weggelder im Betrage von Fr. öl,533 einzulösen und über diese Gebühren zu verfügen, wie er es zweckmäßig findet."

,,In ähnlichen Verhältnissen befinden sich die Kautone G r a n fa u n d en und W a l lis. (Folgen Zahlen.)

,,Im Kanton G e n f bezieht der Staat durch die Douane nur Fr. 39,350, die Stadt aber durch den von der Tagsatzung bewilligten Oktroi Fr. 170,000. Offenbar hat nun der Bund kein Interesse, diesen Oktroi, eine reine Konsumosteuer, auszulösen.a In demselben Sinne schreibt das eidgenössische Zollgesetz vom 30. Juni 1849 vor: Art. 56. ,,Alle im Innern der Eidgenossenschaff mit Bewilligung der Tagsatzung bestehenden Land- und Wasserzölle, Weg- und Brückengelder, verbindliche Kaufhaus-, Waag-, Geleit- und andere Gebühren dieser Art, mögen sie von Kantonen, Gemeinden, Korporationen oder Privaten bezogen werde«, hören, mit Ausnahme der von dem Bundesrathe ausdrücklieh zu bezeichnenden, f ü r d e r e n F o r t b e s t a n d d i e n a c h t r ä g l i c h e G e n e h m i g u n g d e r B u n d e s v e r s a m m l u n g e i n z u h o l e n ist, vom Bezüge der neuen Grenzzölle an gänzlich auf.

,,Der Bundesrath hat in Betreff der Entschädigungssumme milden Kantonen in Unterhandlung zu treten und mit Berücksichtigung des Grundsatzes, daß bei denjenigen Kantonen, wo mit deu Zöllen Verbrauchssteuern vermischt sind, für diese Gebühren, s o w e i t sie auf die K o n s u m t i o n dieser K a n t o n e f a l l e n , verhäl tnißmäßige A b z ü g e zu m a c h e n s i n d , die Entschädigungssumme auszumitteln.

,,Die diesfälligen, mit den Kantonen abgeschlossenen Verträge unterliegen der Genehmigung der Bundesversammlung.

,,Den Kantonen liegt es hinwieder ob, alle Entschädigungen an die Gemeinden, Korporationen oder Privaten für solche Gebühren, die sie ihnen zugestanden und die dann aufgehoben worden, zu leisten.a Im Geiste dieser Vorschriften wurden denn auch die Zollauslösungsverträge geführt.

Der die Genehmigung dieser Verträge befürwortende Bericht der nationalräthlichen Kommission an die eidgenössischen Räthe (April 1850) entschuldigt förmlich, daß dem Kanton Tessi n der Fortbezug von Konsumogebühren an der italienischen Grenze nach dem frühern Gesetze gestattet worden. ,,Dieses sieht die Kommission sehr ungern und wünscht sehr, daß von dieser Befugniß ein möglichst beschränkter Gebrauch gemacht und, sobald die Umstände

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eine derartige Finanzreform erlauben, gänzlich darauf verzichtet werde; es liegt im Interesse der tessinisehen Bevölkerung selbst, neben dem eidgenössischen Zoll nicht noch mannigfache kantonale Konsumozölle bestehen zu lassen. Tessin führt an, daß die große Einbuße, die es an der bisherigen Zolleinnahme nach der Konvention erleide, ihm eine solche G-estattung nothwendig mache, und daß ohne selbe die einverstandenen Abzüge an der Zollentschädniß für seinen Staatshaushalt erdrückend wären" etc.

Die schriftlichen Akten über die Verhandlung mit G e n f und der vom Bundesrathe und dem Großen ßathe genehmigte Zollauslösungsvertrag erwähnen die Oktrois nicht ausdrücklich. Der Art. 3 des beidseitig unterzeichneten und vom Großen Rathe des Kantons Genf genehmigten Zollauslösungsvertrages vom 13. August 1849 erwähnt die nicht abgelösten Gebühren mit folgenden Worten : Art. 3. ,,Die Brückengelder und andere, von der Tagsatzung bewilligten, durch gegenwärtige Uebereinkunft aber nicht losgekauften Gebühren können, innerhalb der Beschränkungen des Art. 32 der Bundesverfassung und ohne daß dadurch die Rechte des Kantons Genf im geringsten gefährdet werden, fortbezogen werden.a Welches sind diese ,,andern Gebühren" und warum wird der Art. 32 (Ohmgeldartikel) als Norm aufgestellt? Wenn darunter die Oktrois zu verstehen sind, was wir annehmen, so hat man die Oktrois ganz richtig in die Rubrik der O h m g e l d e r (!) verwiesen.

In dem erwähnten Kommissionsbericht stehen die Worte : ,,Genf kann als nicht eingelöste Gebühren fortbeziehen : Die Brückengelder von -- -- (folgen einige seither abgelöste Brückengelder)Das Oktroi der Stadt Genf, das eine Kons u m o g e b U h r ist."

Damit hat die Kornmission den Sinn des Wortes ,,andere Gebühren' 1 und die Rechtsstellung dieses Oktroi von Genf bezüglich des Loskaufs bezeichnet. Daß die Kommission das Oktroi von Carouge nicht einmal nannte und daß der Vertrag solche ,,andern Gebühren"1 unter Art. 32 *) statt unter die nach Art. 24 eventuell auszulösenden Zölle stellte, war noch aus andern Gründen gerechtfertigt.

Das Oktroi von Carouge ist nämlich vor den Revisionsverhandlungen der Jahre 1871--74 nie Gegenstand der Traktanden der *) Nach demselben Art. 32 hat der Bundesrath unterm 18. Februar 1860 und 10. Dezember 1862 Gesuche zweier neuenburgischer städtischen Gemeinden um Bewilligung von Konsumogebübren auf geistigen Getränken abweisend beantwortet.

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Tagsatzung oder der Bundesversammlung gewesen und daher auch nie genehmigt worden.

Aber auch eine förmliche Genehmigung des Oktroi der Stadt G e n f in der Weise, wie Zölle genehmigt werden mußten, hat nie stattgefunden, und wenn Genf eine Berichtigung eines bei der letzten Bundesrevision begangenen Irrthums zu Gunsten des ihm angeblich zugesicherten Oktroi verlangt, so müssen wir umgekehrt erklären, daß der Stadt Genf gegenüber nie etwas Anderes als ganz allgemein das Prinzip eines Oktroi zugestanden, ein T a r i f jedoch, wie bei Genehmigung von Zöllen, n i e v o n i h m K u r G e n e h m i g u n g v o r g e l e g t w o r d e n ist.

Man gestatte uns, bei unserm Nachweis bis zum Bundesvertrag vom 7. August 1815 zurückzugehen, welcher in § 11 sagt: ,,Die dermalen bestehenden, von der Tagsatzung genehmigten Zölle, Wegund Brückengelder verbleiben in ihrem Bestand. Es können aber ohne Genehmigung der Tagsatzung weder neue errichtet, noch die bestehenden erhöht, noch ihr Bezug, wenn er auf bestimmte Jahre beschränkt war, verlängert werden. a Entgegen der Behauptung S. 36 der Denkschrift müssen wir hier daran festhalten, daß diese Bestimmung die Genehmigung aller Zölle, nicht nur der an der Kantonsgrenze bezogenen, durch die Tagsatzung vorschreibt und von der Tagsatzung stets in diesem Sinne gehandhabt worden ist. Eine Beschränkung der Bundesaufsicht auf die an den Kantonsgrenzen bezogenen Zölle hätte zu einer Zeit keinen Sinn gehabt, wo die meisten Kantone ihre überaus zahlreichen Zölle, Weg- und Brückengelder, welche namentlich von Gemeinden und Korporationen als Ersatz ihrer Geldopfer für Verkehrswege eingeführt waren, noch nicht an die Kantonsgrenze verlegt hatten. Und es mußte auch der Tarif jedes einzelnen Zolles von der Tagsatzung sich prüfen und anerkennen lassen, so daß die Genehmigung der sämrntlichen einzelnen Zölle eines ein/igen Kantons oft nur suecessiv in verschiedenen Jahren ausgesprochen werden konnte und die Gesammtübersicht der von der Tagsatzung genehmigten Zölle erst nach Jahrzehnten zu Stande kam.

Diesem Prüfungsmodus entzogen sich die Oktrois der verschiedenen Genfer Gemeinden, welche diese Einrichtung besaßen (Genf, Carouge und Chêne-Thonex), ähnlich wie auch verschiedene Kantone, welche, und zwar den Aufforderungen der Tagsatzung /.um Trotz, Konsumsteuern bezogen, ohne für
dieselben die vorgeschriebene Bewilligung einzuholen.

Es ist zwar ganz richtig, daß die Tagsat/ung am 29. August 1816 die StaatsverfassuDg des Kantons Genf gewährleistete, in

49â welcher der Stadt Genf unter Anderem ihr Oktroi zugesprochen ist, welches hiedurch eine grundsätzliche Anerkennung erhält.

Wenn aber damit dem Kanton Genf die Freiheit ertheilt gewesen wäre, seine Oktroi beliebig festzustellen, so hätten auch die andern Kantone, deren Steuerhoheit durch Gewährleistung ihrer Verfassungen im Allgemeinen anerkannt war, mit Berufung hierauf die Vorlegung der Tarife ihrer zahlreichen einzelnen Zölle, sowie das Gesuch um Genehmigung der Verlängerungen und gelegentlichen Erhöhungen derselben unterlassen dürfen. Eine andere Genehmigung des Oktroi der Stadt Genf als diese in der Gewährleistung der Verfassung liegende kann jedoch aus der Zeit vor 1848 nicht nachgewiesen werden.

Pagegen wurden am 31. August 1816 in ganz sachgemäßer Weise zwei von der Genfer Gesandtschaft vorgelegte Gesetze, das eine vom 23. Mai 1816 über den Brückenzoll der Arve und das andere vom 30. Mai 1816 über die Herstellung der Douane an der Kantonsgrenze, nach Mittheilung des gestimmten Inhalts dieser Gesetze genehmigt.

Am 17. August 1840 wurde, gleichzeitig mit den Zollübersichten von 141/2 andern Kanlonen, auch die Uebersicht der (acht) verschiedenen Z o l l b e w i l l i g u n g e n d e s K a n t o n s G e n f g e nehmigt. Diese Uebersicht, enthalten in der 1847 abgeschlossenen offiziellen ,,Sammlung sämmtlicher Tarife", e n t h ä l t die O k t r o i s der Städte Genf*) und C a r o u g e nicht.

Und doch hatten die Bundesbehörden nicht ermangelt, dem Kanton Genf zur Erfüllung der Bundesvorschrift Gelegenheit zu bieten.

Das Genfer Gesetz über das neu bestätigte Oktroi der Stadt Genf mit angehängtem Tarif vom 9. Dezember 1842 wurde im Jahre 1843 vom Vororte auf die Traktanden der Tagsatzung gesetzt. Der eidgenössische Zollrevisor erklärte in seinem Gutachten, ,,es seien derartige Oktroigebühren als Zölle zu betrachten und daher der Tagsatzung zur Genehmigung vorzulegen, und wenn es auch nur zu dem Zwecke geschieht, um durch nähere Prüfung ihrer Tarife zu erwahren, daß die Produkte anderer Kantone nicht höher als die des eigenen Landes belegt und keinerlei Erzeugnisse solcher Art damit verflochten werden, die, innert der Oktroigrenze *) In dem Bericht der Expertenkommission, vorgelegt den 2. August 1839, war gelegentlich, ohne ausdrückliche Mißbilligung, die Thatsache des Oktroi der Stadt Genf
erwähnt. Auch diese Erwähnung durch eine blosse Kommission wird 1843 von der Genfer Gesandtschaft als Anerkennung aufgefaßt. Als ob alle bundeswidrigen Konsumsteuern, von welchen die Tagsatzung offizielle Kenntniß hatte, hiemit auch anerkannte wären!

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erzeugt, abgabenfrei blieben, während jene gleicher Art, aulier derselben hervorgebracht, bei der Einfuhr der Abgabe unterworfen würden."

Die Genfer Deputation erklärte dagegen, es sei kein neuer Tarif eingeführt worden, \vie irrig im TraktandenverzeiehnilS behauptet werde; die Tagsatzung habe sich in die Sache nicht zu mischen, weil dieses Oktroi nicht an der Kautonsgren/e und iiiohl als Schutzzoll der inuern Produktion bezogen werde, indem diese dieselben Gebühren bezahle, wie die eingeführten Artikel, \vie «s der Tagsatzungsbeschluß vom 26. Juli 1831 verlange; auch sei das Oktroi von der Tagsatzung 1815 (vielmehr 1816) genehmigt und in den Beschlüssen vom 2. August 1839 und 17. August 1840 erwähnt worden. Die Angelegenheit wurde wegen Unvollständigkeit der Akten verschoben. Die eidgenössische Expertenkommission in Zollsachen stellte im Jahre 1844 folgende Anträge: 1) Es unterliege der für den Bezug eines Oktroi in der Stadt Genf festgesetzte T a r i f und die dahin gehörigen g e s e t z l i c h e n R e s t i m m u n g e n d e r Genehmigung d e r Tagsatzung.

2) Sowie das für das Oktroi in der Stadt Genf unterm 9. und 17.*) Dezember 1842 erlassene Gesetz der Tagsatzuug werde vorgelegt werden, s e i d i e G e n e h m i g u n g d e s s e l b e n von Seite des B u n d e s a u s z u s p r e c h e n .

3) Die allfällig für andere Gemeinden des Kantons Genf schon eingeführten oder bestehenden Oktroiverordnungen seien ebenfalls der Genehmigung des Bundes zu unterwerfen.

Die Angelegenheit stund für Genf möglichst günstig: es brauchte bloß die Kompetenz der Tagsatzung zur Genehmigung des Tarifs anzuerkennen und diese Genehmigung nachzusuchen, so war sie ihm gesichert. Für Genfs Oktroi, obschon den Konsumzölleu auf ein Haar ähnlich, konnte angeführt werden, es sei kein Sehuty.xoll, indem der einzige, auch in der Stadt produzirte Tarif-Artikel, das Bier, in der Stadt mit derselben Steuer belastet war, welche für das eingeführte Bier verlangt wurde. Nach den damaligen Anschauungen über die Freiheit des Verkehrs war auch eine hohe Konsumsteuer, wenn sie die besteuerten schweizerischen Produkte ohne Rücksicht der Provenienz gleich behandelte, zuläßig. So stark war indessen in der Tagsatzung die Auflehnung gegen deren Beschlüsse über die Konsumzölle (Ohmgelder) geworden, daß die obigen Anträge ihrer Experten in der Minderheit blieben und der *) Hier ist das Reglement vom 16. Dezember 1842 gemeint.

495 Antrag Genfs aul Tagesordnung angenommen wurde. Nach dieser siegreichen Bestreitung der Kompetenz der Tagsatzung werden wir uns nicht mehr wundern darüber, daß für das Genferische Gesetz über das Oktroi der Stadt Genf, vom 9. Dezember 1846, durch welches die Gebühr bei Bier um 25%, bei andern geistigen Getränken um 10% erhöht ward, die Genehmigung der Tagsatzung wiederum nicht nachgesucht wurde. Gestützt auf diesen Nachweis dürfen wir erklären, daß das Oktroi der Stadt Genf beim Erlaß der Bundesverfassung von 1848 keinen andern Rechtstitel besaß, als die summarische Gewährleistung der Genfer'schen Verfassung, welche das Oktroi kurz erwähnt, daß aber für dessen, von Zeit zu Zeit prorogirten und 1857 nach dem neuen Münzfuß festgesetzten Tarif eine Genehmigung der Bundesbehörden, in ähnlicher Weise wie für die Zolltarife, nie nachgesucht und ertheilt wurde und daß daher auch aus diesem Grunde ein Anspruch auf volle Entschädigung im Falle der Aufhebung nach Art. 24 der Verfassung von 1848 nie bestund.

Allerdings sprach sich der Bundesrath im Schlußkapitel seiner Revisionsbotschaft vom 17. Juni 1870 dahin aus, ,,er wäre einer Beseitigung der Konsumogebühren im Interesse der Freiheit des Verkehrs im Innern nicht abgeneigt; allein er müsse sieh nach Einsicht des gesammelten s t a t i s t i s c h e n Materials überzeugen, daß sie nur durchführbar wäre mit einer der Beseitigung der innern Zölle und Weggelder ganz analogen Operation, d. h. es mußten die Konsumogebühren auf die Grenzen verlegt und sodann den K a n t o n e n , und zwar a l l e n , eine angemessene Entschädigung ausgerichtet werden."

Ungefähr dieselbe, nicht auf Rechtsgründe, sondern auf Zahlen basirte Anschauung hat er noch jetzt. Auch in der Bundesversammlung von 1871/72 wurde der Gedanke einer Entschädigung der Ohmgeldkantone mehrfach vom Standpunkt der Billigkeit aus befürwortet; schließlich begnügte man sich damit, den Kantonen einen möglichst langen Termin für die Aufhebung der schon durch die 1848er Verfassung in einen gewissen Uebergangszustand versetzten Ohmgelder zu bewilligen. Wenn die Bundesversammlung gleich von Anfang an beschloß, bei der Revision die kantonalen Ohmgelder, welche allerdings in einem großem oder kleinern Umfange Schutzzölle sind, und die städtischen Oktrois, welchen in Genf durch die bloße Besteurung des
Braugewerbes dieser Charakter entnommen ist, gleichzustellen, so war doch diese Gleichstellung nicht eine bloße Folge einer Verwechslung oder Konfusion *) ; denn die Ohm*) Die Denkschrift stellt, um diese Konfusion nachzuweisen, entgegen der Wirklichkeit und dem gedruckten offiziellen Protokoll des Nationalrathes,

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gelder wurden nicht bloß als Schutzzölle, sondern namentlich als fiskalische Beschränkung des freien Verkehrs mit nothwendigen und gesunden Lebensmitteln, als eine BelastungO des Lebensunterhaltes O der arbeitenden Klassen angegriffen, welche Uebelstande durch gleiche Belastung der innern Produktion nicht gemildert werden ; auch von diesem Standpunkte aus war also die Gleichstellung von Oktroi und Ohmgeldern berechtigt. Dies führt uns auf die

Sachliche Beurtheilung des Oktroi.

Es ist nicht unser Beruf, an untersuchen, in welcher Weise Kantone und Gemeinden ihre Bedürfnisse zu bestreiten haben. Diese Steuerangelegenheit berührt den Bund nur insoweit, als allgemeine Landesinteressen die Notwendigkeit mit sich bringen, HUf dem V e r k e h r lastende Steuern zu beseitigen. Wir haben daher keine Veranlassung, gegen den überaus lehrreichen und interessanten Exkurs der Denkschrift über die verschiedenen Steuersysteme Einwendungen zu erheben. Wenn wir es auch gerne sehen, wenn diejenigen Leistungen des Staates oder der Gemeinde, welche diesen von Amtes wegen zukommen, von den Bürgern möglichst nach ihrer Steuerkraft gedeckt «'erden, so erkennen wir doch die Unvollkommenheit des Systems der direkten Steuern zu gut, um nicht wahrscheinlich ungenauen Zeitungsberichten folgend, verschiedene unrichtige Behauptungen auf.

Sie läßt S. 44 und 45 die Herreu Vonmatt, Arnold und Ruchonnet von Oktrois sprechet), während diese Redner nur vom Ohmgeld sprachen.

Sie behauptet S. 47, der Nationalrath habe in seiner ersten Berathung (20. November 1871) den neuen Ohmgeldartikel unter Beibehaltung der Oktrois von Genf und Carouge angenommen. Das Wahre ist, daß in eventueller Abstimmung die Oktrois den Ohmgeldern gleichgestellt und dann in definitiver Abstimmung Beibehaltung der bisherigen Verfassungsbestimmung beschlossen wurde.

Die Denkschrift ist ferner im Irrthum, wenn sie S. 56 und 57 behauptet, die Worte ,, ä h n l i c h e voneinzelnen Gemeinden bezogene Gebühren" (droits analogues) beziehen sich nicht auf die Oktroigebühren. Allerdings hatte der Ständerath in seiner zweiten Berathnng (27. Februar 1872) beschlossen: ,,Nach Ablauf einer Frist von 20 Jahren sollen alle o b e n b e z e i c h n e t e n Eingangsgebühren " etc.

Der Nationalrath wies aber sowohl diese (nur auf geistige Getränke bezügliche) "Redaktion, als auch den Antrag Eytel-Carteret: ,,Alle Eingangsgebühren, welche bis jetzt an den interkantonalen Grenzen bezogen werden, hören nach 20 Jahren ohne Entschädigung auf, ab und alsdann siegte die gegenwärtige Redaktion.

Bei der Revision 1873/74 wurde einzig der Termin des Aufhörens dieser Gebühren besprochen nnd anders festgesetzt; alles Uebrige blieb, wie es 1871/72 beschlossen worden.

497 zu begreifen, daß die Anwendung von indirekten Steuern oft dazu dienen kann, solche Vermögen und Einkommen, welche der direkten Steuer mehr oder weniger entgehen, zum Mittragen der öffentlichen Lasten heranzuziehen und so gerade die allgemein verlangte Proportionalität herzustellen.

Diese Motiviruug der indirekten Steuern kommt jedoch den Oktrois, wenn dieselben die Hälfte oder noch mehr als die Hälfte der öffentlichen Bedürfnisse zu decken haben, nicht mehr zu gute; denn wenn man die Hälfte oder mehr als die Hälfte der öffentlichen Lasten nach der Kopfzahl vertheilt, wie es durch die Oktrois annähernd geschieht, so wird die Proportionalität nicht hergestellt, sondern grundsätzlich aufgehoben, und zwar in einer Weise, daß die Lebenshaltung der Bevölkerung, welche letztere mit ihrer Zunahme auch ihren Unterhalt ohnehin immer theurer bezahlen muß, dabei in gesundheitsschädlicher Weise herabgedrückt wird. Die Denkschrift selbst liefert für diese Behauptung genügende Belege, sowie den Nachweis, daß die Oktrois da, wo sie eingeführt sind, gleichwohl hauptsächlich nur aus dem Grunde sich behaupten, weil man keinen Ersatz; dafür aufzutreten im Stande gewesen. Da zu der Untersuchung der Möglichkeit eines solchen Ersatzes die Prüfung der jeweiligen besonderen Umstände nothwendig wäre, so kann diese Frage hier nicht in allgemein verbindlicher Weise behandelt werden; es ist dies auch nicht nothwendig, denn wir haben es nur mit dem Oktroi der Stadt Genf zu thun. Gehen wir daher zu der Besprechung dieses letztem über.

Das Oktroi in Genf, obschon es nach dem neuen Projekt auf eine Million per Jahr erhöht werden und etwa die Hälfte des städtischen Budgets decken soll, hat nach der Meinung der Denkschrift nicht die schlimmen Eigenschaften, welche dem französischen Oktroi nachgeredet werden, bleibt aber gleichwohl dem letztern darin ähnlich, da.ß es nicht entbehrt werden könne. Prüfen wir diese beiden Behauptungen.

Auch der neue Grenfer'sche Oktroitarif schließt, trotz seiner anzuerkennenden Milderungen, immer noch eine V e r t h e u r u n g des g e w ö h n l i c h e n L e b e n s b e d a r f s in sich, da wir bei den Berufsarten und der Lebensweise einer städtischen Bevölkerung nicht destillirte geistige Getränke, Fleisch, Butter, Käse, Eier, Brennholz und Kohlen zu den notwendigen Bedürfnissen rechnen
müssen ; wenn das Projekt für dieselben einen Maximalansatz von 3 °/o der Detailpreise vorschlägt, so müssen wir daran erinnern, daß in den Detailpreisen bereits das Oktroi schon steckt, daß dagegen eine Eingangsgebühr von Fr. 2Va per Hektoliter auf Wein, den der städtische Händler zu Fr. 35, oder auf Bier, das er zu Fr. 30

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kauft, eine Eingangsgebühr von 7,1 %, beziehungsweise 8,3% ist; bei Cider kommt sie bei Fr. 2 per Hektoliter noch höher zu stehen.

Zweck des bundesräthlichen Antrages ist aber gerade der, durch Beseitigung künstlicher Vertheurung den Verkauf dieser Getränke über die Gasse zu Gunsten des Arbeiters zu einem den Engrospreis nur wenig übersteigenden Ansatz zu ermöglichen. In gleicher Weise muß der Bundesrath auch an einer Verfassungsbestimmung festhalten, welche die künstliche Vertheurung der kräftigsten Nahrungsmittel und des Brennmaterials verhindert, nachdem nachgewiesen ist, daß beim Mangel an solchen das Surrogat im Schnaps gesucht wird. Da die Gebühren auf diesen Hauptartikeln (auch wenn wir die zum Luxus gehörenden Spezies nicht berücksichtigen) auf nahezu Fr. 600,000 per Jahr, oder etwa Fr. 12 per Kopf, ansteigen, so wäre eine Nichtanwendung unserer Grundsätze gegenüber Genf in dieser Richtung einem Aufgeben derselben gleich zu achten.

Die Denkschrift behauptet nun freilich, es seien diese Artikel in der Stadt Genf nicht theurer, als in der Umgegend derselben, und zieht aus diesem nicht näher nachgewiesenen Faktum den Schluß, daß die Steuer vom Importeur selbst bezahlt werde, welcher durch den großen Absatz, den er vor dein außerhalb der Thore befindlichen Konkurrenten voraus habe, in der Lage sei, die, ganze Taxe zu tragen, was durch die Vergleichung des Gewinnes eines städtischen Wirthes, welcher täglich 100 Liter Wein absetzt, mit einem ländlichen, welcher nur 10 Liter braucht, nachzuweisen versucht wird (S. 137).

Wenn der Wirth eine so hohe tägliche Abgabe bezahlen kann, ohne sie auf die Gäste abzuwälzen, so thäte man wohl besser, anstatt des Oktroi auf Wein von den viel verdienenden Wirthen eine höhere Einkommenssteuer zu beziehen und den durch Großoder Kleinhändler an Private verkauften Wein vom Oktroi zu befreien.

Im Allgemeinen können wir indessen den Satz kaum anerkennen, daß die Importeurs in Genf das Oktroi nicht auf die Kunden abwälzen; sind sie aber wirklich so günstig gestellt, daß sie selbst das Oktroi tragen können, ohne deshalb ihre Waare theurer wieder zu verkaufen, so würden sie beim Wegfall des Oktroi vermöge ihrer günstigem Stellung die Waare billiger verkaufen können, als der sich eines viel geringern Absatzes erfreuende äußere Konkurrent, wie denn auch in der That in
manchen Städten (ohne Oktroi) die Lebensmittel billiger feil geboten werden, als in den Dörfern der Umgebung. Nach unserer Ansicht besteht der Vortheil eines etwas bescheidenem Oktroi einfach darin, daß man es noch weniger

499 · merkt, als ein hohes, wie man noch manche andere kleine tägliche Ausgabe nicht merkt, bis am Jahresschlüsse ein großes Defizit die Folgen solchen Nichtmerkens zur Anschauung bringt. Müßten die Bürger, was sie an Oktroi, ohne es zu merken, bei ihren Einkäufen entrichten, apart bezahlen, die wunderbare Gleichförmigkeit, mit welcher die Steuer auf die Kopfzahl vertheilt wird, müßte sehr schnell .zur Beseitigung dieser, die Steuerkraft so wenig berücksichtigenden Steuer führen.

Aber wie ist es möglich, so heißt der übliche Refrain, diese große Einnahme ohne Erdrückung der Steuerpflichtigen zu ersetzen? In derselben Weise, antworten wir, wie es in andern Kantonen der Eidgenossenschaft, welche den Aufgaben der Gegenwart auch nachkommen, möglich ist, ohne Oktroi auszukommen.

Es müssen dabei natürlich die Steuern auf Vermögen und Einkommen um eben so viel höher stehen, als an andern Steuern weniger bezogen wird.

Im Kanton Basel-Stadt z. B., welcher wohl am ehesten mit Genf verglichen werden kann, betragen die Staats- und Gemeindesteuern aus dem Vermögen und Einkommen zusammen 2la. der sämmtlichen Steuern, während im Kanton Genf die Vermögensund Einkommenssteuer nur 1ls und in der Stadt Genf nicht einmal V* der gesammten Steuereinnahmen ausmachen. Das ist der Grund, warum Genf des Oktroi bedarf. Würde man im Kanton Genf Vermögen und Einkommen in derselben Weise belasten, wie dies in andern Kantonen geschieht, so würde die daherige Einnahme genügen, um die Eingangsgebühren auf Artikeln, welche zum Lebensunterhalt nothwendig sind, fallen zu lassen.

Um zu zeigen, daß wir Genf nicht Unmögliches zumutheu, erlauben wir uns, die Steuern, welche man in der Stadt Genf bezahlt, mit denjenigen zu vergleichen, welche in andern Städten der Schweiz bezahlt werden. In dem genannten Rechenschaftsbericht wird ein Steuerpflichtiger vorausgesetzt, welcher besitzt: ein Reinvermögen an Gebäuden .

.

,, ,, ,, Grundstücken .

Gewerbefond und Kapitalien .

.

einen jährliehen Erwerb von .

.

Fr.

. 25,000 . 10,000 . 66,000 . 4,800

500 » Ein solcher bezahlt dafür Steuern ia G e n f : Fr.

für die Gehäude im Werth von Fr. 25,000 dem Staate . 27. -- der Gemeinde . --. -- für unüberbaute Grundstücke im Werthe von Fr. 10,OUO (Maximum) dem Staate .

5. 83 der Gemeinde . --. -- für 4 °/oige Kapitalien von Fr. 66,000 dem Staate . ' 79. -- der Gemeinde*) 5. -- für den jährlichen Erwerb von Fr. 4800 dem Staate . --. -- der Gemeinde . 20. -- Summa

Fr. 136.

83

Derselbe würde bezahlen:

Fr.

in Basel

.

.

in Aarau

.

.

in St. Gallen

.

dem Staate der Gemeinde . dem Staate der Gemeinde . dem Staate der Gemeinde

.

245.

60.

--.

444.

253.

566.

Fr.

20 -- -- 60 80 03

305. 20 444. 60 819.

83

*) Die Gemeinde Genf bezieht außer dem Oktroi nur noch die Einkommensteuer (taxe municipale), deren gesammter Bruttoertrag nach Gesetz vom 9. Juli 1883 die Summe von Fr. 550,000 nicht übersteigen darf, üie Steuer auf Rentiers, Kapitalisten ete. ist ein Bestandteil derselben; dieser letztere Einkommenszweig wird einzig sowohl dem Staate als der Gemeinde versteuert.

Der Staat bezieht von Kapitalien, gleich wie von anderm Mobiliarvermögen : a u f d e n ersten 3000 Pranken .

.

.

.

nichts ,, ,, folgenden 47,000 Pranken .

.

1%° ,, weiterem Kapitalvermögen . . .

2 °/oo Die Gemeinde bezieht auf einem Kapitalertrag : unter Fr. 2000 nichts von Pr. 2000--3000 (Zinsen) Fr.

5 ,, ,, 3000--4000 (Zinsen) ,, 1 0 --

--

--

(u. s. w.)

von Fr. 100,000 und mehr ,, 1800 Heber die Steuer auf dem Berufseinkommen, welche nach einem Klassensystem bezogen wird, gibt die Kategorie ,,Beamte und Angestellte" das beste Bild: Beamte und Angestellte unter einem Einkommen von Fr. 2000 bezahlen nichts ,, ,, - ,, mit Fr. 2000--3000 Einkommen bezahlen . Fr. 5 * ,, 3000-4000 ,, ,, . ,, 10 » ,, 4000-5000 ,, ,, . ,, 20 ,, , 5000-6000 ,, ^ ,, ^ . ,, 40 n

,, 18,000 u. darüber ,,

,,

.

,, 400

501 Fr.

in Luzern

.

.

Bern

.

.

in Zürich

.

.

. dem Staate der Gemeinde . dem Staate der Gemeinde . dem Staate der Gemeinde

140.

560.

328.

328.

389.

618.

Fr.

-- -- -- -- 60 --

700. -- 656. -- 1007. 60

Wir müssen nun allerdings zugeben, daß man nicht von einem Tage auf den andern die direkten Steuern in der angedeuteten Weise erhöhen und die indirekten reduziren kann; nicht nur muß die Erhöhung eine successive sein, wenn sie nicht allzusehr drücken und sich gehörig weiter vertheilen soll, es ist dies auch ·bezüglich der Entlastung wünschbar. Aber die Bundesverfassung ·hatte ja einen Termin von mehr als 16 Jahren gegeben, welcher nicht durch unsere Schuld unbenutzt blieb. Und auch unser Antrag sorgt noch für einen Uebergang. Nach demselben sollen nämlich vorläufig nur die Eingangsgebühren auf geistigen Getränken wegfallen und bis Ende 1890 vom Bunde alljährlich aus der Branntweinsteuer voll ersetzt werden ; die Oktrois auf andern Artikeln bleiben bis dahin fortbestehen. Während dieser Uebergangszeit, in welcher es noch keine Einbuße erleidet, obschon ein beträchtlicher Theil der Steuern weggefallen ist, hat Genf noch volle Gelegenheit, sein Finanzsystem auf einem andern Fuße einzurichten.

Schlußergebniß.

An der Befreiung der zum nöthigen Lebensbedarf erforderlichen Gegenstände von der lokalen Einfuhrtaxe in Genf und Carouge müssen wir im Sinne unserer Botschaft vom 20. November 1884 unbedingt festhalten.

Demzufolge stimmen wir auch nicht zu den zu Art. 32bi8 vorgeschlagenen Abänderungsanträgen. Wir können weder auf die speziellen Verkaufssteuern aufgebrannten Wassern nach Lemma l verzichten, noch die Beseitigung der SpezialSteuern auf nicht destülirten Getränken nach Lemma 3 preisgeben, und es ist das letztere auch gar nicht nothwendig, da wir ja ausdrücklich die Gewerbesteuern nach Art. 31 c vorbehalten.

Einen Grund, in Lemma 4 die fiskalische Belastung der inländischen Brennerei den Kantonen direkt zuzuweisen, sehen wir nicht ein, und namentlich wenn in Lemma 5 den Kantonen eine bestimmte Bundesentschädigung für die centralisirte Branntweinsteuer Bundesblatt. 37. Jahrg. Bd. 1.

38

502

zugesichert werden soll, was wir nicht bestreiten, so muß dem Bunde auch die fiskalische Belastung der inländischen Fahrikation zufließen, denn nur wenn er die neue Konsumsteuer auf dem ganzen inländischen Konsum bezieht, ist er auch im Stande, den Kantonen eine bestimmte Entschädigung zu garantiren. Bliebe den Kantonen die Steuer aus der Branntweinbrennerei, so könnte die letztere, namentlich wenn von den Kantonen begünstigt, die Einfuhr so reduziren, daß der Zollzuschlag zu der Ausrichtung der verfassungsgemäß vorgeschriebenen Entschädigung bei Weitem nicht ausreichte.

Nach unsern Anträgen wären konsequenter Weise auch in Lemma 2 und 6 die Städte Genf und Carouge gleich den Ohmgeldkantonen zu halten, wie denn überhaupt der Zweck dieses Berichtes dahin geht, nachzuweisen , daß kein Grund vorliegt, dieselben anders und günstiger zu behandeln, als die Ohmgeldkantone.

Indem wir Ihnen diese unsere nachträglichen Bemerkungen übermitteln , benutzen wir den Anlaß, um Sie, Tit., aufs Neue unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 3. März 1885.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

503

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung über die Aufnahme von Strafbestimmungen in den Gesetzentwurf vom 30. Oktober 1883, betreffend eidgenössische Wahlen und Abstimmungen.

(Vom 24. Februar 1885.)

Tit.

Die Kommission des Nationalrathes zur Vorberathung des Gesetzentwurfes betreffend eidgenössische Wahlen und Abstimmungen hat in ihrer Sitzung vom 4. Februar 1885 beschlossen, es sei Art. 66 des bundesräthlichen Entwurfes vom 30. Oktober 1883 an den Bundesrath zurückzuweisen, mit dem Auftrage, eine Vorlage auszuarbeiten, welche die gegen Uebertretungen des Gesetzes zu erlassenden Strafbestimmungen enthalte. Die Kommission ging dabei von der Ansicht aus, daß es sich nicht empfehle, den Erlaß von Strafbestimmungen gegen die Uebertretung eines Bundesgesetzes den Kantonen zu überlassen, daß vielmehr in dieser Beziehung, so weit möglich, einheitliches Recht hergestellt werden solle.

Der Bundesrath hatte in seinem Entwurfe vom 30. Oktober 1883 (Art. 66) die Kantone angewiesen, Strafbestimmungen aufzustellen , gemäß welchen die nicht dem Bundesstrafrechte unterliegenden Uebertretungen des Gesetzes zu verfolgen sein würden, weil er sich sagte, daß die Art. 46--49 des Bundesstrafrechtes die strafrechtliche Repression aller schwerern Vergehen, welche anläßlich eidgenössischer Wahlen und Abstimmungen begangen werden können,

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend die Beschwerden der genferischen Denkschrift ,,Oktroi und Ohmgeld." (Vom 3. März 1885.)

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Bundesblatt

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Jahr

1885

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

10

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

07.03.1885

Date Data Seite

485-503

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10 012 645

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