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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend den Entwurf zu einem Gesetz über den Handel mit Goldund Silberabfällen.

(Vom 27. November 1885.)

Tit.

Am 12. Dezember 1884 hat der Nationalrath die Motion der Herren Charles Emil Tissot und Konsorten angenommen, lautend : ,, Der Bundesrath ist eingeladen, zu prüfen, ob nicht ein Bundesgesetz über Kauf und Verkauf von Gold- und Silberwaaren auszuarbeiten sei, um der Industrie, sowie den Meistern und Arbeitern, welche solche Waaren verarbeiten, die erforderliche Sicherheit zu gewähren."

Das Verlangen nach einem Bundesgesetz ist namentlich durch folgende Erwägungen motivirt : Die Bijouterie und Uhrenindustrie verarbeitet Edelmetalle, deren Werth sich jedes Jahr auf Dutzende von Millionen Franken beläuft. Diese Metalle werden theils in Ateliers, theils in den Wohnungen der Arbeiter selbst verarbeitet. In den Ateliers der Bijoutiers und Schalenmacher wird das Metall vom Prinzipal selbst geliefert, welcher dasselbe direkt beim Banquier oder aus der Seheideanstalt bezieht. Den Arbeitern, welche zu Hause arbeiten, liefert der Bijouterie- oder Uhrenfabrikant auf Treu und Glauben das Edelmetall, welches meistens schon faconnirt ist und nur noch einer Ausarbeitung und Vervollkommnung bedarf.

Bundesblatt. 37. Jahrg. Bd. IV.

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Es ist einleuchtend, daß, um empfindliche Verluste zu vermeiden, in dem einen wie in dem andern Falle, es handle sich um Fabrik- oder Hausarbeit, eine sorgfältige Kontrole über die Verarbeitung der edlen Metalle ausgeübt werden muß, und besonders über die Abfälle, welche bei den Operationen des Montirens, Ciselirens, Guilloehirens, Gravirens, Ajustirens, Polirens und der Finissage entstehen. Eine große Zahl dieser Arbeiten wird hauptsächlich oder ausschließlich mittelst dieser Abfälle bezahlt, die der Fabrikant dem Arbeiter verrechnet. Wenn der Werth der Abfälle den der Arbeit übersteigt, so wird der Arbeiter Schuldner des Fabrikanten. Vor und nach jeder obgenannten Operation wird jedes Stück einzeln oder partienweise gewogen und, je nach dem fehlenden Gewichte und dem Feingehalte des Metalles, der Arbeiter oder Chef des Ateliers für den Abgang belastet.

Der Abfall findet sich in verschiedenerlei Gestalt, bald in Form von Lamellen, Bohr- und Feilspänen, in vom Arbeitsgegenstand abgelösten Stücken, wie dies namentlich der Fall ist beim Montiren, Ciseliren, Guillochiren und Ajustiren; bald umgekehrt ist er absorbirt in Scheiderädein, Schleifsteinen, Wassern, Esseuzen, Bädern, Tüchern etc., welche zum Poliren oder andern Verrichtungen gebraucht werden; er findet sich auch im Atelierkehricht, in dem von den Arbeitern zu Reinlichkeitszwecken benutzten Wasser, in den Arbeitsschürzen und Blousen etc. Es ist begreiflich, daß die pünktlichste Sorgfalt angewendet werden muß, damit keinerlei Abfall von Bedeutung verloren geht.

Hat der Chef des Ateliers oder der Arbeiter ein gewisses Quantum Abfälle des edlen Metalles beisammen, so schreitet er zur sogenannten ,, Rassemblage tt der Abfälle. Man bringt die jeden Tag sorgfältig gesammelten und aufbewahrten Metalltheilchen zusammen, verbrennt die Tücher und den Kehricht, dampft das Wasser, welches zur Arbeit und der persönlichen Reinlichkeit gedient hat, ein und schmilzt alle die Rückstände etc. Der aus dem Tiegel erhaltene Barren oder die Schmelze geht zum Probirer und wird nachher dem Gold- und Silberhändler · verkauft oder aber, um zu neuen Arbeiten verwendet zu werden, in dasWalzwerk gegeben.

Der Handel und das Umschmelzen der Abfälle bildet eine ziemlich bedeutende Industrie, welche leider oft genug zu zweideutigen und betrügerischen Abmachungen Veranlassung
bietet. Auf der einen Seite haben gewissenlose Händler und Schmelzer auf unerlaubte Weise sieh zu bereichern gesucht, indem sie Verkäufer und Solche betrogen, welche ihnen zum Einschmelzen gaben. Auf der andern Seite ist die Versuchung für die Arbeiter und Lehr-

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linge, welche sich mit Verarbeitung von Edelmetallen beschäftigen, groß, sich Abfälle anzueignen und sie zu verkaufen, wenn sie bei Andern, welche diese Metalle bearbeiten oder welche sich mit dem Ankauf und Schmelzen abgeben, Hehler finden.

Schwere und zahlreiche solche Fälle haben die öffentliche Meinung oft erregt. Hauptsächlich in der Uhrenindustrie kommen sie vor, weil Betrügereien und Unterschleife hier viel leichter bewerkstelligt werden können, als bei der Bijouterie. Der Kanton Neuenburg hat schon längst ein bezügliches Gesetz erlassen; aber die getroffenen Maßnahmen sind und werden so lange unwirksam sein, als sie auf einen einzelnen Kanton beschränkt bleiben. Schon am 23. Dezember 1876 hat der Ständerath eine Motion von Hrn. ßodenheimer, welche ein Bundesgesetz betreffend die Reglirung : ,, 1) der Kontrole über die Fabrikation und den Handel mit Edelmetallen, 2) des Schutzes der Fabrikmarken a verlangte, angenommen.

Diesem Postulat entsprechen : 1) das Gesetz vom 19. Dezember 1879 über Fabrik- und Handelsmarken; 2) das Gesetz vom 23. Dezember 1880 über die Kontrole und die Garantie der Gold- und Silberwaaren.

Diese Gesetze haben die besten Resultate zur Folge gehabt und sind allgemein gewürdigt. Wenn wir seiner Zeit darauf verzichteten, auch ein Gesetz; über den Handel mit Edelmetallen vorzulegen, so geschah es deßhalb, weil wir voraussetzten, die interessirten Kantone würden von sich aus über den Gegenstand Gesetze erlassen. Diese Hoffnung iat nicht in Erfüllung gegangen, und zwar aus verschiedenen Gründen, deren hauptsächlichster der ist, daß die Uhrenmacherei für mehrere Kantone nur von relativer Wichtigkeit ist und daß die Sorge für deren Interessen die gesetzgebenden Behörden dieser Kantone, welche übrigens gewisse Schwierigkeiten hätten, sich von den vorhandenen Bedürfnissen wirklich Rechenschaft zu geben, nur sehr wenig beschäftigt. Nun würde aber jede Gesetzgebung, welche irgend einen Theil der Schweiz, wo die Uhrenindustrie und die Bijouterie betrieben wird, unbeachtet ließe, keine genügenden Resultate erzielen. Die Betrüger, welche sich dem Handel und dem Einschmelzen von Abfällen widmen wollten, ohne sich den unbequemen Vorschriften unterziehen zu müssen, würden sich einfach nach einem benachbarten Kanton zurückziehen und dort ihre Hehlerei mit aller Sicherheit betreiben.

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Die Annahme der Motion Tissot hat uns veranlaßt, diese Frage wieder aufzunehmen und zu prüfen, sowohl vom verfassungsgemäßen Standpunkte aus, als auch mit Hinblick auf die gesetzliehen und reglementarischen Vorschriften, welche zu erlassen möglich wäre, um auf eine wirksame Art den gerügten schreienden Mißbräuchen abzuhelfen.

Bezüglich der Verfassungsgemäßheit kann man sich fragen, ob die Eidgenossenschaft kompetent sei, auf diesem Gebiete einzuschreiten. Wir dürfen diese Frage bejahen, denn sie ist schon bei Gelegenheit des Gesetzes über die Kontrole der Gold- und Silberwaaren, vom 23. Dezember 1880, entschieden worden.

Unsere Botschaft vom 28.November 1879 enthält hierüber Folgendes : ,,Die Frage, ob der Bund das Recht habe, über den vorliegenden Gegenstand Gesetze zu erlassen, steht unserer Ansicht nach über allem Zweifel. Nach dem Wortlaut des Art. 64 der Bundesverfassung steht dem Bunde die Gesetzgebung zu über ,,alle auf den Handel und Mobiliarverkehr bezüglichen Rechtsverhältnisse".

Augenscheinlich fallen die Bedingungen, denen der Verkauf von Gold- und Silberwaaren zu unterwerfen ist, in die Materien des Handelsrechts, ebenso wie die Bedingungen, den Viehhandel betreffend (s. den Entwurf zu einem eidg. Obligationenrecht, Art. 276), und z. B. auch die auf den Gebrauch von Fabrikmarken bezüglichen Bedingungen. Man kann nicht verlangen, daß diese speziellen Materien durch das eidg. Obligationenrecht geordnet werden, denn dieses hat ausschließlich allgemeine Rechtsgrundsätze zu enthalten.

Bin Spezialgesetz über den Verkauf von Gold- und Silberwaaren ist folglich ebenso nothwendig, wie für die übrigen oben erwähnten Materien.

,,Die Verordnungen über den Verkauf von Gold- und Silberwaaren haben keinen soliden Boden, wenn sie sich nicht auf Verfügungen der Gewerbepolizei stützen. Die gewöhnliehe Rechtsregel, daß ,,die Faktura Beweis macht unter den Parteien"-, selbst wenn sie durch die gesetzliche Präsumption ergänzt wird, ,,daß in Ermanglung einer Faktura die Waare zum höheru Feingehalt verkauft worden ist," -- diese Regel, sagen wir, ist zur Abhülfe gegen Mißbrauch ganz und gar unzureichend, wie dies eine lange Erfahrung in der Schweiz und anderswo unwiderleglich nachgewiesen hat.

Darum haben auch alle Staaten, welche ein wenig Ordnung in diesen Handelszweig bringen wollten, verfügt, dass die genannten Waaren, bevor sie zum Verkauf gelangen, den Kontrolbearaten behufs Anbringung eines amtlichen Stempels übergeben werden, durch

387 welchen bezeugt wird, daß das Edelmetall den angegebenen Fein gehaltsgrad besitzt. Eine solche Maßregel beschränkt augenscheinlich die absolute Handels- und Gewerbefreiheit. Diese Freiheit ist durch Art. 31 der Bundesverfassung gewährleistet, jedoch unter Vorbehalt, s. u. A. Litt, e: ,,Verfügungen über Ausübung von Handel und Gewerben". Der Bund hat ebensowohl, wie die Kantone, das Recht, dergleichen Verfügungen zu erlassen. (Man vergleiche, nun sich hievon zu überzeugen, den Text der Bundesverfassung von 1848, welcher im Art. 29 b wie folgt lautet: ,,Die Verfügungen der K a n t o n e über die Handels- und Gewerbepolizei a ; die Worte ,, d e r K a n t o n ea sind in der Verfassung von "1874 unterdrückt worden , woraus also die Bundeskompetenz hervorgeht.)" (B. B.

1879, III, 994.)

Diese Gründe sind von der Bundesversammlung, ohne bestritten zu werden, angenommen worden. Sie finden voll und ganz Anwendung auf das Ihnen heute vorgeschlagene Gesetz. Die in letzterm vorgesehenen polizeilichen Vorschriften sind auch vollständig analog denjenigen, welche die Handeltreibenden verpflichten, sich in's Handelsregister eintragen zu lassen, und diejenigen, welche sich dieser Formalität nicht unterziehen, mit Strafe belegen.

Natürlich soll im Allgemeinen die Polizeigesetzgebung den Kantonen überlassen bleiben; aber wir haben, außer dem Handelsregister, von welchem wir. soeben gesprochen, zahlreiche eidgenössische Gesetze, welche von dieser Regel eine Ausnahme machen: das Viehseuchengesetz, das Wasserbaupolizei-, Forst-, Fabrik-, Jagd-, Fischerei- und Phylloxeragesetz, das Gesetz über die Kontrole von Gold- und Silberwaaren, die Zündhölzchenfabrikation etc. etc. Mehrere von diesen Gesetzen sind nicht ausdrücklich in der Bundesverfassung vorgesehen.

Es versteht sich von selbst, daß die Polizeigeset/e des Bundes in keiner Weise in das Strafrecht und die Organisation der Rechtspflege, welche ausnahmslos den Kantonen überlassen sind, eingreifen dürfen. Einzig für diejenigen Zuwiderhandlungen kann die Bundesgesetzgebung Strafen aufstellen, welche aus der Verletzung von ihr ausgehender polizeilicher Vorschriften sich ergeben. Aber die Vergehen im Allgemeinen, wie Diebstahl, Verlrnuenstnißbrauch, Hehlerei und Gehülfenschaft, bleiben dem Strafrecht der Kantone unterstellt und die Bestrafung derselben findet nach
dem Verfahren und innert den Grenzen dieser Gesetzgebung statt.

Beim Ausarbeiten des Gesetzesentwurfs war die erste Frage, die sich uns enlgegenstellte, die, ob Alles, was sich auf den Handel mit Edelmetallen im Allgemeinen bezieht, geregelt werden solle.

Wir verstehen darunter An- und Verkauf von Gold- und Silber-

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waaren ira Großen wie im Detail, Inbegriffen den Handel mit außer Mode und Gebrauch gekommenen Gegenständen, ein Handel, welcher nicht allein die Fabrikanten, sondern auch die Uhrenhändler, Bijoutiers, Rhabilleurs etc., welche in jeder unserer Städte niedergelassen sind, umfaßt.

Es schien uns dies nicht nothwendig zu sein und würde überdies auch auf Schwierigkeiten stoßen, welche man lieber vermeidet.

Zunächst sind die Beziehungen der Fabrikanten und Händler zu einander im Wesentlichen schon durch das Gesetz über die Kontrole geregelt, welche dem Großhändler den genauen Gehalt der gekauften Waaren garantirt. Sodann sind bisher noch keine Klagen gegen die Uhren-, Orfèvrerie- und Bijouteriegeschäfte laut geworden, welche häufig Uhren, Bijouterie- und Orfevrerieartikel, deren sich der Besitzer gerne entledigen möchte, kaufen oder eintauschen. Wenn bei solchen Abmachungen Diebstahl oder Hehlerei vorkommt, so genügt das gemeine Recht, dieselben zu ahnden. Wir halten daher dafür, daß von Bundeswegen weder den Händlern vorgeschrieben werde, eigene Register über ihre An- und Verkäufe zu führen, noch daß man den Verkäufern Formalitäten, wie z. B. das Vorweisen eines Ursprungszeugnisses, zumuthe. Aber das unterliegt keinem Zweifel, daß, wenn diese Kaufleute den Handel mit eigentlichen Abfällen betreiben oder solche zum Einschmelzen annehmen, sie dann unter die Bestimmungen des Bundesgesetzes fallen.

Indem wir dieses Gesetz ausschließlich auf den Handel mit Gold- und Silberabfällen (man könnte auch diejenigen von Platin beifügen, wenn dieses Metall, wie es aber nicht der Fall ist, eine bedeutende Verwendung fände) beschränken, glauben wir dem einzigen wirklich fühlbaren Bedürfnisse entgegenzukommen, für dessen Befriedigung der Bund eingreifen soll.

Von verschiedenen Seiten hat man uns Vorschläge für das zu erlassende Gesetz unterbreitet, so namentlich von Seite einer Versammlung Interessirter aus Biel (Eingabe vom 20. Februar 1885).

"Wir haben mit Vergnügen diese Arbeiten benutzt, fanden aber, entgegen den meisten der Vorschläge, daß das Gesetz in Details, welche von Natur aus eher in ein Reglement gehören, nicht eintreten soll. Es würde dies ernstliche Nachtheile zur Folge haben, unter anderen den sehr wesentlichen, daß die Einführung von Verbesserungen, welche durch die Erfahrung als unentbehrlich sich
erweisen würden, sehr erschwert wäre. Das Gesetz soll die Hauptgrundzüge enthalten, welche in gewisser Hinsicht unveränderlich bleiben sollen. Das Uebrige ist der Exekutivgewalt zu überlassen, welche dasselbe zum Gegenstand von je nach den Verhältnissen variirenden Reglementen und Verordnungen macht. In jeder Polizei-

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sache, auf welche im Allgemeinen das italienische Sprüchwort: ,,Fatta la lege, trovato l'inganno"1 paßt, ist es nothwendig, daß die überwachende Behörde rasch vorgehen könne, um die Auswege, welche der Betrug sehr geschickt aufzufinden weiß, zu versperren.

Unter dem Eindrucke solcher Erwägungen hat unser Handelsdepartement den Entwurf zu einem Gesetze über den Handel mit Gold- und Silberabfällen vorbereitet und denselben mit Angabe der daraus entspringenden Reglementsbestimmungen den Verwaltungen der Kontroiämter zur Prüfung unterbreitet. Die von denselben gemachten Bemerkungen sowohl, als auch der Entwurf selbst, sind dann in einer am 17. Oktober in Neuenburg unter dem Vorsitz des Chefs des eidg. Handels- und Landwirthschaftsdepavtementes abgehaltenen Versammlung berathen worden, zu welcher das Departement außer den Delegirten der Administrationen der Kontrolämter folgende Herren eingeladen hatte: Herrn R. Comtesse, Staatsrath und Nationalrath, in Neuenburg; ,, H. Etienne, Präsident des eidg. Kontroiamtes, in Neuenburg; .,, E. Franeillon, Nationalrath, in St. Immer; ,, A. Grosjean, Nationalrath, in Chaux-de-Fonds; ,, v. Steiger, Regierungsrath, in Bern; ,, G. Thommen, Nationalrath, in Waldenburg; ,, Ch. E. Tissot, Nationalrath, in Locle; ,, Viollier-Rey, Staatsrath, in Genf; ,, J. F. Viquerat, Staatsrath und Nationalrath, in Lausanne.

Die Administration des Kontrolbüreau Genf allein findet, daß ein Gesetz über den Handel mit Gold- und Silberabfällen nicht nothwendig sei, in Anbetracht, daß, nach ihrer Meinung, die Kantone kompetent seien, ein solches Gesetz zu erlassen, und daß sie bei seiner Aufstellung den besondern und lokalen Verhältnissen, in welchen sich jeder einzelne Kanton befinde, eher Rechnung tragen können, als der Bund. Immerhin erklärte der Vertreter dieses Kantons in der Versammlung vom 17. Oktober, daß der Genfer Staatsrath diese Ansicht durchaus nicht theile, sondern im Gegentheil vom großen Nutzen eines diesbezüglichen Bundesgesetzes überzeugt sei.

Bei dieser Besprechung zeigte es sich, daß die sehr große Mehrzahl der Interessenten den Erlaß eines Bundesgesetzes über den Handel mit Gold* und Silberabfällen lebhaft anstrebt.

Wir gehen nun dazu über, kurz die Motive zu betrachten, die den wichtigsten Bestimmungen des Gesetzesentwurfs zu Grunde liegen.

390 Art. 1. Wir begrenzen genau die Tragweite des Gesetzes,, indem wir dasselbe nur auf Diejenigen anwenden, welche Abfälle und Barren kaufen, schmelzen oder probiren, von Personen herrührend, die Gold und Silber verarbeiten und daher im Besitze von Abfällen sind. So ist weder der Handel mit Uhren und Bijouterien, noch der Kauf oder Austausch von alten Gold- und Silbergegenstäuden durch die Uhren- oder Bijouteriehändler, noch der Barreuhandel durch die Bankgeschäfte, welche dieselben zum Wiederverkauf an die Bijoutiers und Schalenmacher aus den großen Etablissemeoten beziehen, durch unser Projekt berührt. Selbstverständlich käme das Gesetz aber zur Anwendung, wenn der eine oder andere dieser Händler direkt von solchen Personen kaufen würde, bei deren Arbeit es Abfälle gibt.

Es hat uns unerläßlich geschienen, die Handels-Probirer unter das Gesetz zu stellen, da dieselben den Vertrauensmißbrauch und die Hehlerei bedeutend begünstigen könnten, indem sie den Feingehalt der Barren und Rückstände bestimmen und so deren Verkauf erleichtern. Wenn man von ihnen ein Examen und ein Diplom verlangt, so will das bedeuten, daß man sie als öffentliche Beamte betrachtet, was sie in Wirklichkeit sein sollen. Uebrigens sind Examen und Diplom schon bei Vollziehung des Bundesgesetzes über die Kontrole vom 23. Dezember 1880 eingeführt worden.

Die Bedingung, daß die Bewerber sich über den Genuß der bürgerlichen und politischen Rechte ausweisen müsset), erscheint uns billig. Ein so delikates Gewerbe, wie dasjenige, um welches es sich hier handelt, darf nur von Personen, die strenge moralische Garantien bieten, betrieben werden. Man hat anderswo das gleiche Prinzip auch schon angewendet, unter Anderem auf die AuswanderungsAgenten und -Unteragenten.

Art. 2. Als erste Garantie ist eine regelmäßige Buchführung zu verlangen. Ferner müssen Vorsichtsmaßregeln vorgeschrieben werden, um Unterschlagungen von Abfällen zu verhindern; wie die Erfahrung gezeigt hat, besteht die erfolgreichste darin, den Ankauf der Abtalle oder Barren von allen solchen Personen, die sich nicht über deren Herkunft ausweisen können, zu verbieten.

Das Abholen der Abfälle im Hause durch den Käufer oder Einschmelzer begünstigt den Betrug, weßhalb es untersagt werden soll. Die obligatorische Abstempelung ist ebenfalls eine unvermeidliche Vorsichtsmaßregel. Wir erinnern daran, daß die Schalenmacher durch die Réglemente über die Kontrolirung schon gehalten sind, sich dieser Bestimmung zu unterziehen.

39t Art. 5. Die Organisation des Aufsichtsdienstes ist, ziemlich schwierig. Will man ein günstiges Resultat erzielen, so muß die Aufsicht bis zu einem gewissen Punkte centralisât werden. Wenn man sich hiebei einzig auf die kantonalen Behörden stützen wollte, so würde das Gesetz so ziemlich illusorisch gemacht, indem es sich um einen besondern Gegenstand handelt, für welchen der Großtheil der Kantone sich zu inleressiren keinen Grund hätte und in Folge dessen das Gesetz bei ihnen ein todter Buchstabe bliebe.

Die Koutrolbüreaux sind namentlich in der Lage, in dieser Beziehung die größten Dienste zu leisten, und ohne ihre Mitwirkung würde die Ueberwachung beinahe zur Unmöglichkeit.

Die übrigen Bestimmungen, welche wir vorschlagen, finden ihre Erklärung durch sich selbst oder in dem bereits Angeführten, was uns näherer Erläuterung enthebt.

Wir schließen, indem wir uns dahin ausspreclien, daß ein wirksames Gesetz aufgestellt werden soll oder dann gar keines.

Wir glauben, daß es, mit den vorgeschlagenen Mitteln ausgerüstet, dies sein werde. Letztere abschwächen, hielte ein ziemlich nutzloses gesetzgeberisches Werk aufstellen,> welches,i noch mangelhaft o O ~ vollzogen, nicht dazu beitragen würde, das Ansehen der eidgenössischen Gesetzgebung zu vermehren.

Wir empfehlen daher den nachstehenden Gesetzesentwurf Ihrer Genehmigung und ergreifen die Gelegenheit, Sie unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 27. November 1885.

Namens des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft Ringier.

392 (Entwurf)

Bundesgesetz betreffend

den Handel mit Gold- und Silberabfällen.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Vollziehung der Art. 64 und 31, Alinea c, der Bundesverfassung ; nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 27. November, beschließt: Art. 1. Wer das Gewerbe betreiben will, von Personen, welche iu der Uhren- und Bijouterie-Industrie Gold- und Silberwaaren bearbeiten, die bei dieser Bearbeitung sich ergebenden Abfalle, Schmelzen oder Barren anzukaufen, oder diese Abfälle einzuschmelzen, oder wer für die betreffenden Waaren den Beruf als Handelsprobirer ausüben will, ist gehalten, dem Schweiz. Handelsdepartement eine bezügliche Erklärung abzugeben und sich gleichzeitig über den Genuß der bürgerlichen und politischen Rechte auszuweisen. Der Probirer muß überdieß im Besitze des in Vollziehung des Bundesgesetzes betreffend Kontrolirung und Garantie des Feingehalts der Gold- und Silberwaaren, vom 23. Dezember 1880, ertheilten eidgenössischen Diplomes sein.

Das Departement verabfolgt den Bewerbern, welche die vorgeschriebenen Bedingungen erfüllen, ein gestempeltes und paginirtes Souchenregister und veröffentlicht ihre Namen irn

393 schweizerischen Handelsamtsblatt. Die für das Register und ·die Publikation zu entrichtenden Gebühren werden vom Bundesrathe festgesetzt.

Die Bewerber, denen entsprochen worden ist, haben sich in's Handelsregister eintragen zu lassen.

Art. 2. Die Verpflichtungen desjenigen, welcher den Ankauf und das Einschmelzen der Abfälle als Gewerbe betreibt, sind die folgenden: Er hat regelmäßig und ohne Verzug jeden Ankauf und jede vorgenommene Einschmelzung in das Souchenregister einzutragen und im Uebrigen die Vorschriften der Bundesbehörde bezüglich der Führung des Registers und der ihr abzuliefernden Auszüge aus letzterm zu befolgen. Die eidgenössischen und kantonalen administrativen und richterlichen Behörden sind außerdem befugt, jederzeit von dem Register Einsicht zu nehmen.

Er darf Abfälle zum Einschmelzen nur von bekannten Personen, die sich über ;die Herkunft derselben ausweisen können, kaufen oder annehmen. Wenn Minderjährige oder unter Befehl Stehende solche anbieten, so muß er sich vergewissern, daß sie hiezu gehörig ermächtigt sind. Er hat in dieser Beziehung die vom Bundesrathe aufgestellten besondern Vorschriften zu befolgen.

Es ist ihm untersagt, von Haus zu Haus zu gehen, um Abfälle aufzukaufen oder solche zum Einschmelzen zu verlangen.

Es ist ihm untersagt, Barren oder Schmelzen anzukaufen , welche nicht von einem Kontroiamt oder einem Handelsprobirer probirt und nicht mit dem Stempel des genannten Amtes oder Probirers versehen sind.

Wer Einschmelzungen vornimmt, muß eine Marke oder ein Stempelzeichen haben, welches er vorab in dem seinem Wohnort am nächsten gelegenen Kontroiamt einschlagen zu lassen hat. Er versieht jede Barre, die er geschmolzen, mit diesem Stempelzeichen. Jede nicht mit

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dem Stempelzeichen eines Schmelzers versehene Barre wird auf dem Kontroiamt oder beim Handelsprobirer provisorisch in Beschlag genommen, bis seine Herkunft gehörig nachgewiesen ist. Die Barren der Schalenmacher müssen mit deren eigenem Stempelzeichen versehen werden.

Art. 3. Die Verpflichtungen des Handelsprobirers sind die folgenden: Er hat regelmäßig und ohne Verzug jede Probe gemäß den Vorschriften, die ihm von der Buodesbehörde zukommen, in das Souchenregister einzutragen. Die Vollziehungsverordnung kann bezüglich der sogenannten Arbeitsbarren Ausnahmen von dieser Regel festsetzen.

Er hat diejenigen Auszüge aus diesem Register zu liefern, welche von ihm durch die zuständige Behörde verlangt werden, und die eidgenössischen und kantonalen administrativen und richterlichen Behörden von demselben Einsicht nehmen zu lassen.

Er hat sich strikte an die im letzten Absatz des Artikels 2 enthaltene Bestimmung, sowie an alle andern Vorschriften zu halten, welche von der Bundesbehörde in Vollziehung des gegenwärtigen Gesetzes erlassen werden.

Art. 4. Im Auslande niedergelassene Personen, welche in der Schweiz Ablalle oder Barren ankaufen oder Aufträge betreffend Einschmelzen sich geben lassen wollen, können dies nur durch Vermittlung eines in der Schweiz niedergelassenen verantwortlichen Stellvertreters thun.* welcher alle O im Art. 1 vorgeschriebenen Formalitäten erfüllt und in jeder Beziehung den Vorschriften gegenwärtigen Gesetzes nachkommt.

Die im Auslande gemachten Metallproben werden in der Schweiz nicht als gültig anerkannt, es sei denn, daß sie von einer der offiziellen, vom Bundesrathe bezeichneten Anstalten herrühren.

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Art. 5. Der Bundesrath übt unter der Mitwirkung der kantonalen Behörden und der Verwaltungen der Kontrolämter für Gold- und Silberwaaren die Aufsicht über den Handel, die Einschmelzung und das Probiren der Abfälle und Barren aus.

Er bestimmt auf dem Verordnungswege die Art und Weise der Betheiligung der Kontroiämter bei der Ausübung dieser Aufsicht.

Er ist befugt, die zur Feststellung der Qualität und Identität derjenigen Personen nöthigen polizeilichen Formalitäten vorzuschreiben, welche gemäß ihrem Berufe berechtigt sind, Abfälle zu verkaufen oder einschmelzen zu lassen oder Barren zur Probirung zu übergeben.

Art. 6. Jede Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden Bestimmungen und die aus denselben hervorgehenden Réglemente und Verordnungen wird von Amtes wegen oder auf Klage hin den zuständigen Gerichten des Kantons überwiesen und mit einer Buße von 10--500 Fr. bestraft.

Der Ertra? der Bußen fällt in die vom Kanton bezeichnete Kasse.

Für den Fall der Nichteinbringlichkeit der Buße hat das Urtheil die Umwandlung derselben in entsprechende Gefängnißstrafe vorzusehen, wobei 5 Fr. Buße für einen Tag Gefängnißstrafe zu berechnen sind.

Das Urtheil ist dem Bundesrathe mitzutheilen.

Im Falle einer Verurtheilung kann der Bundesrath einer Person , welche den Ankauf, das Einschmelzen oder Probiren der Abfälle und Barren als Gewerbe betreibt, die Fortsetzung dieses Handels oder dieses Berufs untersagen.

Art. 7. Die Bestimmungen des Artikels 6 thun den civilrechtlichen Klagen, welche von benachtheiligten Personen wegen irgend einer Uebertretung des gegenwärtigen Gesetzes oder von Reglementen und Verordnungen zu demselben erhoben werden können, keinen Eintrag.

396 Es bleiben gleichfalls vorbehalten die strafrechtlichen Bestimmungen der Kantone über Diebstahl, Vertrauensmißbrauch, Verheimlichung und Mitgehülfenschaft, Art. 8. Der ßundesrath ist mit der Vollziehung des gegenwärtigen Gesetzes beauftragt.

Er erläßt zu diesem Zwecke die nöthigen Réglemente.

Art. 9. Der Bundesrath ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreifend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbesehlüsse, das gegenwärtige Gesetz bekannt zu machen und den Zeitpunkt seines Inkrafttretens zu bestimmen.

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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend die Erwerbung des Waffenplatzes Frauenfeld.

(Vom 1. Dezember 1885.)

Tit.

Bis zur Bewaffnung unserer Artillerie mit gezogenen Geschützen.

Anfangs der 60er Jahre, konnten die Hebungen dieser Waffe auf den bestehenden W äffen platzen in St. Gallen, Zürich, Aarau und Luzern noch abgehalten werden, weil die zur Verfügung stehenden Exerzier- und Schießplätze, wenn auch nothdürftig, die für glatte Geschütze erforderlichen Schußweiten darboten.

Seit der Einführung der neuen Geschütze mit einer mehr als doppelten Tragweite reichten diese Waffenplätze für die Schießübungen nicht mehr aus.

Während in Bière und Thun die Verhältnisse in ungleich günstigerer Weise vorhanden waren, mußte für die Artillerie der Ost- und theilweise der Mittelschweiz mit allem Nachdrucke darnach gestrebt werden, einen Uebungsplatz zu gewinnen, welcher den neuen Bedürfnissen, insbesondere mit Bezug auf die Ermöglichung entsprechender Schießübungen, thunlichst Rechnung trug. Durch den Waffenchef der Artillerie, Herrn General Herzog, wurde weitgehende Umschau in diesem Landesgebiet zum Zwecke einer passenden Erwerbung gehalte und bezügliche Anerbieten von den Gemeinden von Bischofszell, Weinfelden und der Bürgergemeinde Frauenfeld einer eingehenden Prüfung unterzogen, die schließlich das Ergebniß hatte, daß mit dieser letztern Korporation, welche mit Bezug auf Größe und Lage

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend den Entwurf zu einem Gesetz über den Handel mit Gold und Silberabfällen. (Vom 27. November 1885.)

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1885

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53

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

05.12.1885

Date Data Seite

383-397

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