246

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Erweiterung der Konzession für eine Regionalbahn im Traversthal.

(Vom 13. November 1885.)

Tit.

Mit Eingabe vom 8. Mai 1885 hat der Verwaltungsrath der Regionalbahn im Traversthal dem Bundesrath mitgetheilt, daß er beabsichtige, die Rangirgeleise der Station St. Sulpiee bis zu der in der Nähe der Station liegenden Portlandcementfabrik zu verlängern. Der Verwaltungsrath hat damit das Gesuch verbunden, diesem Projekt, das in gehöriger Weise mit Plänen belegt war, im Sinne der Bewilligung einer Erweiterung der bestehenden Geleiseanlagen die Genehmigung zu ertheilen, eventuell, wenn der Bundesrath finden sollte, daß das Projekt unter diesem Titel nicht ausgeführt werden könne, dasselbe der Bundesversammlung vorzulegen und dieser die Ertheilung einer neuen Konzession für die Verlängerung der Eisenbahn bei der Station St. Sulpiee zu empfehlen.

. Die beabsichtigte Baute soll darin bestehen, daß von 10,300 km.

der bestehenden Bahn aus ein neues Geleise erstellt wird, welches bei 10,840 km. mit einer Weiche an die Bahnhofgeleise St. Sulpice angeschlossen und sodann auf einem Damm zunächst am rechten Ufer der Reuse und nach Ueberschreitung dieser am am linken Flußufer gegen das Quartier der Doux zu, bis in die Cetnentfabrik geführt werden soll, von wo durch Vermitt-

247 lung von Drehscheiben Zweiggeleise zu den einzelnen Magazinen und Mühlen der Fabrik projektirt sind. Die Länge des neuen Geleises bis zur Abzweigung der speziellen Fabrikgeleise wäre 520 m.; die Steigung desselben varirt von 0 bis 30°/oo nach dem Plan, dürfte sich aber in Wirklichkeit etwas reduziren. Der Betrag der auf dieses Geleise zu verwendenden Kosten, Inbegriffen die Verzweigungen in der Fabrik, für welche der Eigenthümer der letzteren einzustehen habe, wird auf Fr. 50 000 angegeben. Zweck der Anlage ist der Transport von Rohmaterialien und Brennmaterial n a c h , und von fertigem Fabrikat aus der Cementfabrik. Der bisherige Verbrauch dieser an Steinen und Brennmaterial habe rund 2500 Tonnen jährlich betragen, werde aber nach Inbetriebsetzung der neu erstellten Fabrikanlagen auf 5000 bis 6000 Tonnen steigen; die Fabrikate haben in 1884 6000 Tonnen ausgemacht; die künftige Produktion werde auf 12 000 bis 15 000 Tonnen veranschlagt. Die Eisenbahngesellschaft rechnet auf eine jährliche Einnahme von Fr. 2500 bis Fr. 3000 auf diesen Transporten. Die Erstellung des Verbindungsgeleises setzt die Abtretung von Grundbesitz seitens einer Anzahl von Grundeigenthiimern, darunter namentlich auch der Bürgergemeinde St. Sulpice, voraus.

In dieser letzteren Thatsache liegt eine Schwierigkeit, welche nach Lage der Akten nur gehoben \verden kann, wenn die Anlage des projektirten Geleises als ein öffentliches Werk erkannt und von der Bundesversammlung konzessionirt oder von der Regierung von Neuenburg sonstwie mit dem Expropriationsrecht versehen wird.

Mit Schreiben vom 22. Mai 1884 hat nämlich der Eigenthümer der Cementfabrik in St. Sulpice dem Bundesrath den Plan eines Verbindungsgeleises zwischen diesem Etablissement und dem Bahnhof St. Sulpice vorgelegt, mit dem Gesuch, demselben gemäß Art. 2 des Bundesgesetzes über die Rechtsverhältnisse der Verbindungsgeleise, vom 19. Dezember 1874, die Genehmigung zu ertheilen.

Diese Genehmigung ist vom Eisenbahndepartement kraft der demselben in Ziffer 4 des Bundesrathsbeschlusses vom 23. November 1880 (Amtl. Samml. n. F. V, 257) zugewiesenen Kompetenz unterm 14. Juni 1884 unter gewissen Bedingungen ausgesprochen worden.

Ungeachtet der im Art. 3 dieses Gesetzes enthaltenen Vorschrift : ,,Die Rechtsverhältnisse zu den Eigentümern der für den Bau beanspruchten
und der benachbarten Liegenschaften .stehen u n t e r d e r G e s e t z g e b u n g d e s b e t r e f f e n d e n K an tons" 1 erließ dann der Gremeinderath von St. Sulpice am 20. Juni 1884 eine Publikation, durch welche er im Sinn des Art. 11 des B u n d e s -

248 gesetzes vom 1. Mai 1850, betreffend die Abtretung von Privatrechten, und unter Verweisung auf eine hierauf bezügliche kantonale Verordnung vom 29. Mai 1855 den Bauplan dem Publikum zur Einsicht stellte und die im Art. 12 desselben Gesetzes vorgesehenen Fristen zur Geltendmachung von Einsprachen und' Forderungen ansetzte. Die hierauf eingegangenen Einsprachen sind dann dem S t a a t s r a t h d e s K a n t o n s N e u e n b u r g vorgelegt worden, der dieselben mit Beschluß vom 15. August 1884 als unbegründet erklärte, wogegen die Einspreeher den Schutz des B u n d e s g e r i c h t s nachsuchten. Das letztere hat, durch Beschluß vom 5. Dezember 1884, die Entscheidung des Staatsraths aufgehoben, weil das Expropriationsrecht für Erstellung eines Verbindungsgeleises bei den kantonalen Behörden hätte verlangt und vor letztern das bezügliche Verfahren durchgeführt werden müssen, was nicht geschehen sei.

Der Gesellschaft der Regionalbahn, welche sich in den Streit gemischt hatte und an Stelle des Inhabers der Cementfabrik treten wollte, um die Anwendung des eidgenössischen Expropriationsrechts zu erlangen, wurde erwidert, daß es sich nicht um eine von der Bundesversammlung bewilligte öffentliche Eisenbahn handle, in welchem Fall allein die Gesellschaft das Expropriationsrecht hätte, sondern um ein Verbindungsgeleise, welches der Cemenlfabrik bewilligt worden sei und dessen Erstellung diese zu betreiben habe.

Infolge dieses Bescheides einigten sich die Cementfabrik und die Gesellschaft der Regionalbahn zu dem aus der bereits erwähnten Eingabe vom 8. Mai 1885 ersichtlichen Vorgehen. Die Regionalbahngesellsehaft will den Bau des in Rede stehenden Geleises selbst ausführen, in erster Linie als eine Erweiterung der bestehenden Bahnanlagen und gestützt auf die Konzession vom 21. Juni 1881, womit die Bewilligung ertheilt worden ist für ,,den Bau und Betrieb einer Regionaleisenbahn im Traversthal, von Travers bis St. Sulpiee" (Eisenbahn-Aktensammlung n. F. VI, 145). Unter dieser Voraussetzung wäre das eidgenössische Expropriationsgesetz anwendbar.

Aber auch dem auf diesen Boden gestellten erneuerten Versuch der Expropriation wurden dieselben Einsprachen entgegengestellt, welche im Jahr 1884 geltend gemacht worden waren. Es handle sich in Wahrheit nicht um eine Bahnhoferweiterung im Interesse des öffentlichen
Betriebs, sondern in verdeckter Form um das Verbindungsgeleise. Das Expropriationsrocht zu diesem Zwecke könne nur durch die kantonalen Behörden verliehen werden. Der Bundesrath, unter dessen Fittigen man den Versuch mache, das Gesetz zu umgehen, sei da, um das bundesgerichtliche Urtheil vom 5 Dezember 1884-zu vollziehen, und nicht, um dasselbe auf die Seite

249

setzen zu helfen. Wenn eventuell die Eisenbahngesellschaft glaube, zu einer Verlängerung der öffentlichen Bahn berechtigt zu sein, so möge sie eine Konzession bei der Bundesversammlung einholen.

Als materiellen Grund für ihre Weigerung, die Expropriation eintreten zu lassen, führten die Einspreeher an, daß die Erstellung des Geleises nach dem vorgelegten Plan die Gefahr der Ueberschwemmung für die betheiligten Grundbesitzer herbeiführen müßte, wenn nicht eine Flußkorrektion damit verbunden würde, in der Art, daß man von der bergshalben liegenden Schwelle der Fabrik bis zur Eisenbahnstation einen Kanal erstellen sollte. Die Einsprecher verlangen des Bestimmtesten, daß der Bau der Linie nur unter der Bedingung bewilligt werde, daß man gleichzeitig die nöthigen Sicherheitsvorkehrungen treffe.

Auf das Begehren, diese Einsprachen zu beseitigen, trat unser Eisenbahndepartement, ohne indeß einen förmlichen Entscheid bei dem Bundesrathe zu beantragen, vorläufig nicht ein, davon ausgehend, daß die Sachlage in Wahrheit keine andere sei, als im Jahr 1884. Unter der Geleiseerweiterung verstecke man das Verbindungsgeleise und durch einen Entscheid der Administrativbehörden möchte man ein bundesgerichtliches Urtheil außer Kraft setzen; auch sei die Konzession ausgenutzt.

Wir theilen diese Anschauung. Dagegen sind wir der Meinung, daß das bundesgerichtliche Urteil einer Erweiterung der Konzession im Sinn der zweiten Alternative des Gesuchs der Regionalbahn vom 8. Mai nicht entgegensteht, wenn im Uebrigen die Bedingungen vorhanden sind, um demselben entsprechen zu können, was der Fall sein dürfte. Vor Allem aus wird nicht zu leugnen sein, daß, wenn der Bundesversammlung am 21. Juni 1881 das Gesuch vorgelegen hätte, die Traversthalbahn bis zur Cementfabrik bauen zu lassen, demselben im ganzen Umfang entsprochen worden wäre. Denn das Gesetz über die Verbindungsgeleise hat nicht etwa den Sinn, die Annäherung der Hauptlinie der Eisenbahnen an industrielle Etablissemente zu hindern; sondern man hat damit im Gegentheil den Erschwerungen entgegentreten wollen, welche von den Eisenbahngesellschaften oft auf die Bewilligung von Anschlußgeleisen gelegt wurden. Dieses Gesetz steht also nicht entgegen ; ebenso wenig der Umstand, daß die Bewilligung eines Privatgeleises verlangt war und bewilligt, aber nicht ausgeführt wurde.
Daß ein öffentliches Interesse darin liegt, wenn, wie es hier der Fall ist, eine Geleiseerweiterung eine vermehrte Ausnutzung vorhandenen, sonst werthlosen Rohmaterials ermöglicht, wird auch nicht bestritten werden können.

Bundesblatt. 37. Jahrg. Bd. IV.

17

250

Ferner fällt in Betracht die Unterstützung des Gesuchs durch den Staatsrath von Neuenburg. Dieser hätte zwar laut Art. l des kantonalen jExpropriations^esetzes vorn 12. Juni 1851: ,, L'expropriation pour cause d'utilité publique est prononcée . par le Copseil <}'Etat quand elle est réclamée par des corporations ou des particuliers"1 möglicherweise schon dem V e r b i n d u n g s g e l e i s e das Expropriationsrecht gewähren können ; es scheinen aber Schwierigkeiten entgegengestanden zu sein.

Auf die Anfrage des Eisenbahndepartements erklärte sich indessen der Staatsrath von Neuenburg unterm 12. September mit.

der vorgeschlagenen Behandlung der Angelegenheit als Konzessionserweiterung einverstanden.

Was schließlich die Expropriationseinsprachen materieller Natur betrifft, welche auch der-von uns beantragten Lösung entgegengestellt sind, so ist zu bemerken, daß der Bundesrath alle Gelegenheit habe» und nicht unterlassen wird, anläßlich der Prüfung der nach Art. 14 des Eisenbahngesetzes ihm vorzulegenden Ausführungspläne diejenigen Vorkehren anzubefehlen, welche geeignet sind, die befürchtete Ueberschwemmungsgefahr zu beseitigen.

Anläßlich der nach Mitgabe des Art. 2 des Eisenbahngesetzes vom 23. Dezember 1872 veranstalteten konferenziellen Verhandlungen bestätigte der Vertreter dei- neueuburgisehen Regierung die Zustimmung der letztern zu der vom Bundesrathe befolgten Art der Behandlung, wie derselbe auch gegen die im nachstehenden Konzessionsentwurf aufgestellten Bedingungen keinerlei Einwendungen erhob.

Das neue Geleise von der Station St. Sulpice gegen das Quartier der Doux zu, resp. nach der Portlandcementfribrik, würde nach der von uns beantragten Konzession einen integrirenden Bestandtheil der ganzen Bahnanlage bilden und wie die bereits iit Betrieb stehende Linie hinsichtlich Bau und Betrieb den jeweiligen Bundesgesetzen und Vorschriften unterstellt sein. Die Dauer der zu ertheilenden Konzession würde derjenigen der ganzen Bahn gleich sein und, bloß mit der hienach zu erwähnenden Ausnahme, auch in allen übrigen Beziehungen die Bestimmungen der Konzession vom 21. Juni 1881 für die Linie Travers - St. Sulpice Regel machen, soweit sie wenigstens nach den besondern Verhältnissen überhaupt anwendbar sind.

Die Gesellschaft vorderhand von der Verpflichtung zum Personelltrausport auf der bloß
520 m. langen Strecke zu entbinden, liegt in der Natur der Verhältnisse begründet. Für den Fall, daß sich doch das Bedürfniß zum Personentransport fühlbar inachen sollte,

251 ist das Recht, die Gesellschaft dazu anzuhalten, durch einen entsprechenden Vorbehalt zu wahren (Art. 5).

Da auch bezüglich Fahrt- und Betriebsordnung und Festsetzung der Taxen die besondern Verhältnisse im vorliegenden Fall spezielle Berücksichtigung erfordern und gegenwärtig hinlängliche Daten fehlen, so erscheint es am Platze, in dieser Beziehung von Aufnahme fester Normen in die Konzession abzusehen und die spätere Regelung dem Bundesrath anheimzugeben.

Wir benutzen auch diesen Anlass, um Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 13. November 1885.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

(Entwurf)

Bundesbeschluß betreffend

die Erweiterung der Konzession für eine Regionalbahn im Traversthal.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1) einer Eingabe des Verwaltungsraths der Regionalbahn im Valde-Travers, vom 8. Mai 1885, sammt Beilagen, 2) einer Botschaft des Bundesraths vom 13. November 1885,

252

beschließt: Art. 1. Der Eisenbahngesellschaft im Val-de-Travers wird gestattet, ihre Linie von der Station St. Sulpice bis zum Quartier de la Doux zu verlängern, und zu diesem Zwecke von km. 10,soo an in der Länge von ungefähr 520 m. ein neues Geleise zu legen, welches einen integrirenden Bestandtheil der ganzen Bahnanlage ausmacht.

Art. 2. Hinsichtlich des Baues und des Betriebs dieser Strecke soll die Gesellschaft den jeweiligen Bundesgesetzen, sowie allen übrigen Vorschriften über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen, ebenso unterstellt sein, wie das hinsichtlich der bereits im Betrieb stehenden Linie der Fall ist.

Art. 3. Die Konzession für die in Art. l genannte Geleisestrecke geht mit demjenigen Zeitpunkt zu Ende, auf welchen die der Gesellschaft am 21. Juni 1881 ertheilte Konzession für die Linie Travers - St. Sulpice erlöschen wird.

Art. 4. Binnen einer Frist von sechs Monaten, vom Datum des Konzessionsaktes an gerechnet, sind dem Bundesrath die vorschriftsgemäßen technischen und finanziellen Vorlagen einzureichen.

Binnen sechs Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist mit den Brdarbeiten zu beginnen, und inner einem Jahre von diesem Zeitpunkt an die neu konzessionirte Strecke zu vollenden und in Betrieb zu setzen.

Art. 5. Die Gesellschaft ist bis auf Weiteres nur zum Gütertransport verpflichtet ; der Bundesrath wird, sobald das Bedürfniß vorhanden ist, den Zeitpunkt bestimmen, in welchem der Personentransport zu beginnen hat.

Die Fahrt- und Betriebsordnung, sowie die Bestimmung der Taxen, wird den Verhältnissen entsprechend durch den Bundesrath festgesetzt.

Art. 6. In allem Uebrigen gelten für das neue Bahnstück die Bedingungen der Konzession für die Linie Travers - St. Sulpice vom 21. Juni 1881, soweit solche überhaupt darauf anwendbar sind.

Art. 7. Der Buodesrath ist mit der Vollziehung der Vorschriften dieser Konzession beauftragt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Erweiterung der Konzession für eine Regionalbahn im Traversthal. (Vom 13. November 1885.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1885

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

50

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

14.11.1885

Date Data Seite

246-252

Page Pagina Ref. No

10 012 912

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.