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Bericht des

Bundesrathes an die Bundesversammlung über die Aufstellung der Groß'schen Pfahlbautensammlung.

(Vom 3. März 1885.)

Herr Präsident!

Herren National- und Ständeräthe !

Nachdem Sie uns durch Beschluß vom 8./16. Dezember v. J.

zum Ankauf der Groß'schen Pfahlbautensammlung ermächtigt hatten, glaubten wir die Erwerbung dieser Denkmäler der helvetischen Urgeschichte um so weniger hinausschieben zu sollen, als die Gegenstände, zum größten Theil in Kisten verpackt, in .den Kellern des bisherigen Besitzers in Neuenstadt in Verwahrung gehalten wurden und daher den Fachgelehrten, sowie dem Publikum überhaupt, bis auf Weiteres unzugänglich blieben. Der Ankauf selbst bot keinerlei Schwierigkeiten dar, und es ging die aus 8277 Stücken bestehende Sammlung, nachdem sie unterm 20. Dezember 1884 von Herrn Dr. v. Feilenberg in Bern inventarisirt worden war, durch Kaufvertrag vom 7. Januar 1885 um den ausbedungenen Preis von 60,000 Fr.

in den Besitz der Eidgenossenschaft über.

Weniger einfach gestaltete sich die Frage einer vorläufigen, zweckentsprechenden Aufstellung dieses mit Verständniß gesammelten und instruktiv geordneten Antiquitätenschatzes. Die Schwierigkeiten lagen nicht etwa in dem Mangel geeigneter Anerbietungen ; im Gegentheil verlangte und ermöglichte ein gewisser embarras de richesse, der sich in dieser Beziehung geltend machte, eine sorgfältige Prüfung aller maßgebenden Faktoren.

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Bis zum Jahresschlüsse waren als Bewerberinnen aufgetreten die Städte Neuenburg, Neuenstadt, Genf, Bern und Lausanne.

In Bezug auf die Offerte von Bern glauben wir, um den Anschein der Illoyalität zu vermeiden, hier gleich einige Bemerkungen einfließen lassen zu sollen. Wenn wir nämlich in unserer Botschaft vom 25. November abbin die Erwartung ausgesprochen haben, ,,daß eine der Städte der W e s t s c h w e i z die nöthigen Lokalitäten zur Disposition stellen und aucb die Konservirung der Sammlung übernehmen werde", so glaubten wir nun doch, den Staat und di« Stadt Bern nicht von vornherein von der Bewerbung ausschließen zu dürfen, zumal die Sammlung auf dem Gebiete des Kantons Bern durch die Bemühungen eines Berners zu Stande gekommen ist und zu einem großen Theil in Fundstücken besteht, die aus diesem Kanton herstammen. Die in dein erwähnten Satz enthaltene Beschränkung auf die Westschweiz verdankte ihre Entstehung überhaupt dem Umstand, daß die Geneigtheit zur Uebernahme der Sammlung, sowie das Vorhandensein günstiger Lokalitaten und auch der übrigen Voraussetzungen bei einigen größeren Ortschaften der Westschweiz, namentlich bei Neuenburg, schon von vornherein mehr oder weniger bekannt war, während in Bezug auf Bern allgemein das Gegentheil angenommen worden war.

Im Weiteren stellte sich in der Folge heraus, daß auch im Bundesrathhause selbst eine, gegenwärtig vom eidgenössischen Archiv als Magazin verwendete, sehr geeignete Lokalität, nämlich der ehemalige Kunstsaal, Zimmer No. 145 im dritten Stockwerk, für den vorliegenden Zweck verfügbar gemacht werden könnte..

Herr Professor S. Vögeliu in Zürich besichtigte, auf unser Ansuchen, die vorhandenen Lokalitäten und unterzog die Offerten überdies mit Rücksicht auf die Garantien für Beaufsichtigung und Instandhaltung der Sammlung, auf die Zugänglichkeit für Gelehrte und Publikum, und endlich auf die Frage, inwiefern den allfälligen weiteren Beschlüssen der Bundesbehörden, betreffend die Errichtung eines schweizerischen Nationalmuseums, dabei vorgegriffen wurde, einer einläßlichen Prüfung.

Die Resultate dieser Untersuchung sind in einem vom 13. Januar datirten Gutachten niedergelegt; dieselben werden von Herrn Vögelin selbst dahin resümirt: 1) Das offerirte L o k a l wäre in Bern (Hochschule), Genf, Lausanne, Neuenstadt genügend, in Bern
(Bundesrathhaus) und Neuenburg brillant.

2) Für In s t a n d h a l t u n g u n d U e b e r w a c h u n g der Sammlung böten Bern (Bundesrathhaus) genügende, Bern (Hoch-

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3) Unter dem Gesichtspunkt der Z u g ä n g l i c h k e i t der Sammlung für das Publikum und die Gelehrten steht Neuenstadt hinter allen anderen Städten zurück, Bern obenan.

4) D e f i n i t i v wäre ein Placement der Groß'schen Sammlungeinzig im Museum von Neuenburg; an allen andern Orten hätten wir ein Provisorium.

5) U n p r äj u d i z i r l i c h für folgende Entscheidungen ist einzig die Belassung der Sammlung in Neuenstadt. Ihre Aufstellung in Bern präjudizirt f ü r , in Genf, Lausanne, Neuenburg g e g e n ein Nationalmuseum.

Eine nachträglich eingelangte, vom 12. Januar 1885 datirte Bewerbung der Stadt Biel ließ eine spezielle Nachexpertise nicht nothwendig erscheinen, da dieser Platz offenbar ungefähr dieselben Vorzüge und Nachtheile bietet, wie Neuenstadt.

Um nun auf die Ergebnisse unseres Experten zu kommen, so gehen wir mit dessen Schlußfolgerungen im Allgemeinen einig, mit Ausnahme von zwei derselben, die allerdings für unsere Ent Scheidung maßgebend geworden sind.

Wenn Herr Vögelin sich nämlich dahin äußert, daß ein provisorisches Pincement der Sammlung im Bundesrathhause ,,ein für die Errichtung eines in der Bundesstadt zu aplacirenden Nationalmuséums d i r e k t p r ä j u d i z i r l i e h e s vväre, so können wir diese Ansicht nicht theilen. Es wäre das vielleicht mehr oder wenigeV der Fall, wenn die Kollektion im Berner Universitätsgebäude untergebracht und damit den bernischen Behörden in Verwahrung gegeben würde. Dagegen müssen wir in der Verwendung des verfügbaren Lokales im Bundespalast geradezu den einzigen Ausweg erblicken, der die Hauptfrage weder nach der einen, noch nach der andern Seite hin in irgend welcher Weise präjudizirt.

Wir haben denn auch unterm 20. vorigen Monats den Beschluß gefaßt, d i e G r o ß ' s c h e P f a h l b a u t e n s a m m l u n g u n t e r Vorbehalt Ihrer Genehmigung vorläufig im B u n d e s rathhause aufzustellen.

In dem herwärtigen Bericht vom 25. November 1884 war die Voraussetzung ausgesprochen worden, daß unser Vorgehen in dieser Sache, d. h. die damit inaugurirte Lösung der Frage von Fall zu Fall, als Erledigung des Postulates vom 9. Juli 1883, betreffend Gründung eines schweizerischen Nationalmuseums, angesehen werden dürfte. An der Hand der in beiden Käthen stattgefundenen Dis-

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kussion über den Ankauf der Groß'schen Sammlung sind wir indessen zu der Ueberzeugung gelangt, daß Sie von uns eine direktere Behandlung und Erledigung der Hauptfrage in definitivem Sinne erwarten. Um so mehr glaubten wir uns daher verpflichtet, die Frage der Aufstellung der Groß'schen Sammlung in einer Weise, zu erledigen, durch welche Ihrem endgültigen Entscheid in der Hauptsache in keiner Weise vorgegriffen würde. Dies geschieht in weitestem Maße durch unsern Beschluß. Mag in der Folge die.

eine oder die andere der beiden hauptsächlichsten sich gegenüberstehenden Ansichten in Bezug auf die Ausführung des genannten Postulates durchdringen, mag die Frage im Sinne der Vereinigung aller von der Eidgenossenschaft erworbenen historischen und Kunstschätze in einem National muséum oder im Sinne der bloßen Unterstützung daheriger kantonaler, kommunaler und korporativer Bestrebungen aus Bundesmitteln gelost werden, oder mögen endlich die beiden Wege g l e i c h z e i t i g und neben einander beschritten werden -- immer werden wir im Falle sein, die provisorisch im Bundesrathhause untergebrachten Gegenstände dieser Art endgültig dahin zu transferiren, wo dieselben Ihren ferneren Beschlüssen zufolge definitiv aufgestellt werden sollen. Es wird somit auf der einen Seite der Platzfrage durchaus nicht vorgegriffen, und es bleibt für den Fall der späteren Errichtung eines zentralen Landesmuseums die freie Bewerbung um den Sitz desselben und damit der Wetteifer von Kantonen und Gemeinden bei ihren daherigen Offerten unbeeinträchtigt; auf der andern Seite ist dafür gesorgt, daß die Groß'sche Sammlung unter allen Umständen einem solchen Museum, ganz abgesehen von dessen Domizil, wird einverleibt werden können.

Hiev ist der zweite Punkt, in welchem wir mit den Ansichten des Experten nicht übereinstimmen können, insofern derselbe nur die Aufstellung der Sammlung in N e u e n b ü r g als eine d e f i n i t i v e betrachtet. Allerdings haben einige der konkurrirenden Städte sich eventuell mit einem nur provisorischen und vorübergehenden Placement begnügen zu wollen erklärt; allein es ist einleuchtend, daß eine derartige Erklärung die Schwierigkeiten kaum beseitigen könnte, welche sich einem allfälligen späteren Deplacement entgegenstellen müßten, nachdem die betreffende Stadt die Kosten der Aufstellung, Katalogisirung,
jahrelanger Ueberwachung etc. getragen, zu dem Zwecke vielleicht sogar bauliche Veränderungen vorgenommen haben würde. Wir sind daher geneigt, alle anderen Projekte, mit Ausnahme vielleicht desjenigen von Neuenstadt, als definitive zu betrachten.

Wenn wir aber von einer Belassung der Sammlung in Neuenstadt Umgang genommen und das Bundesrathhaus vorgezogen haben.

so ist dei1 Grund darin zu suchen, daß es angesichts der Möglichkeit einer langen Dauer des Provisoriums geboten schien, die interessante und lehrreiche Sammlung von vornherein den Fachgelehrten und einem weiteren Publikum möglichst zugänglich zu machen.

Daß Bern als Bundestadt, als Sitz einer Universität und anderer höherer Lehranstalten, als Zentralpunkt eines ausgedehnten Fremdenverkehrs, in dieser Richtung gegenüber dem weniger günstig gelegenen Neuenstadt ungemeine Vortheile bietet, liegt auf der Hand.

Um endlich auf die aus der Entstehungsgeschichte der Sammlung und aus der geographischen Lage hergeleiteten Ansprüche Neuenburgs /u kommen, so hätte, wie schon oben angedeutet worden, Bern in dieser Hinsicht mindestens ebenso viel Anrecht auf Berücksichtigung. Uebrigens darf nicht vergessen werden, daß die Groß'sche Sammlung nicht etwa nur aus der Exploitation der Stationen im Neuenburger-, Bieler- und Murtenersee hervorgegangen, sondern durch lebhaften Austausch mit den Ergebnissen der Ausgrabungen in den Kantonen Zürich, Thurgau (Niederwil und Steckbora), Waadt (Lemansce) etc., eine s c h w e i z e r i s c h e geworden ist. Der Vortheil der vielfach betonten glücklichen Ergänzung derselben durch die in Neuenhurg von Desor angelegte Sammlung würde auf der andern Seite infolge der dadurch herbeigeführten Anhäufung massenhafter Doubletten mehr als aufgewogen.

Was schließlich den Kostenpunkt anbelangt, so ist nicht zu übersehen, daß die Sammlung als eine in sich abgeschlossene erscheint, die der Ergänzung und Erweiterung und damit auch eines eigentlichen Konservators nicht mehr bedarf. Aus dem gleichen Grunde wird sich die Installation in einer Weise durchführen lassen, welche die Benutzung der Sammlung ohne die beständige Anwesenheit eines Fachmannes ermöglicht. Die Gegenstände würden numerirt, überschrieben und, soweit thunlich, in verschlossenen Glasschränken untergebracht; ein sorgfältig redigirter, einläßlicher Katalog, dessen Einrichtung mit der Aufstellung der Sammlung korrespondiren müßte, würde den Besuchern zum Herstellungspreise, Lehrern und Schülern höherer schweizerischer Lehranstalten unentgeltlich abgegeben.

Ueberdies hat seither der eidgenössische Archivar, Herr Dr. Kaiser, welcher in analoger Weise vorläufig auch die Verwaltung der eidgenössischen Münz- und Medaillensammlung
besorgt, sich aus eigenem Antrieb bereit erklärt, allfällige Kustodendienste ohne besondere Entschädigung gerne zu übernehmen und den Fachgelehrten bei Benutzung der Sammlung als Cicerone zu dienen; es ist somit auch in dieser Hinsicht, was Herrn Vögelin zur Zeit seiner Inspektion offenbar noch nicht bekannt war, alle wünschbare Garantie für verständnißvolle üeherwachung vorhanden. Die Be-

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dienung könnte dem bereits vorhandenen Weibelpersonal olmo Weiteres überbunden werden ; eine besondere Beheizung ist bei dem gegenwärtigen System der Zentralheizung nicht erforderlich, so daß, mit Ausnahme der auf zirka 5000 Fr. veranschlagten Kosten für die Herstellung der Vitrinen, für den Transport, die Installirun» und die Katalogisirung der Gegenstände, dem ßunde aus der Beherbergung der Sammlung keinerlei Auslagen erwachsen.

in Zusammenfassung des Gesagten kommen wir xu dem Schlüsse, daß unsere Lösung dem Entscheid über die Hauptfrage in keiner Weise vorgreift, dem Bunde das Verfügungsrecht über die Sammlung jederzeit sichert und die letztere von Anfang an den weitesten Kreisen zugänglich und damit nutzbar macht.

Indem wir Sie daher ersuchen, unserem Beschlüsse die in demselben vorgesehene Genehmigung zu ertheilen, benutzen wir auch diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommensten Hochachtung /.u versichern.

B e r n , den 3. März 1885.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes.

Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Bingier.

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