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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche der wegen Jagd- und Fischereivergehen bestraften Marin Richner, Vater, und Josef Richner, Sohn, in Birri (Gemeinde Aristau), Kantons Aargau.

(Vom 25. September 1906.)

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Tit.

Die beiden miteinander in gemeinsamer Haushaltung lebenden Landwirte Richner, Vater und Sohn, wurden im Herbst 1905 verzeigt wegen Jagdfrevel unter der Anschuldigung, dass sie zu wiederholten Malen in fremden Revieren Hasen teils selbst erlegt, teils durch einen Hund haben fangen lassen und ferner wegen Fischfrevel, weil sie in der Reuss und Nebengewässern mittelst Dynamit Fische getötet und nachher behändigt hätten.

Gestützt auf das Resultat einer weitläufigen Straf Untersuchung erkannte das Obergericht des Kantons Aargau als Appellationsinstanz : Die beiden Richner seien schuldig der Übertretung des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz und derjenigen der aargauischen Vollziehungsverordnung zum Fischereigesetz. In Anwendung von Art. 2l, Ziffer 5, des eidgenössischen Jagdgesetzes wurde Marin Richner zu einer Geldbusse von Fr. 80, Joseph Richner zu einer solchen von Fr. 60 verurteilt, ferner jeder wegen Fischfrevel gestützt auf Ziffer 7 der zitierten Vollziehungsverordnung zu weitern Fr. 40 Busse,

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im Falle der Unerhältlichkeit umgewandelt in 20 beziehungsweise 24 Tage Gefängnis. Ferner wurden sie verpflichtet, den geschädigten Revierjägern für 4 gefrevelte Hasen Fr. 30 Schadenersatz zu bezahlen und die gesamten Staatskosten zu tragen, je zu gleichen Teilen und unter solidarer Haft für das Ganze.

Die Verurteilten ersuchen um Nachlass der auf den Jagdfrevel bezüglichen Strafen durch Begnadigung.

Zur Begründung wird vorgebracht, dass die kumulierten Strafen in Verbindung mit der Kostenauflage für sie als Landwirte in beschränkten Vermögens- und Einkommensverhältnissen eine unerschwingliche Last bedeuten, die mit den begangenen Übertretungen in keinem richtigen Verhältnisse stehe. Die Verurteilung sei eine rigorose, eine überaus harte, besonders da sie noch verschärft werde durch die Solidarhaft bei Kosten und Schadenersatz. Die Petenten habe kein ausgesprochen böser Wille, keine frevle Absicht bei der Begehung der unüberlegten Handlung geleitet. Ferner wird geltend gemacht, die beiden Richner hätten noch keine Vorstrafen erlitten.

Das Obergericht des Kantons Aargau verweist darauf, dass die Darstellung des Gesuches den Akten insofern nicht ganz entspreche, als die Zeugen anders ausgesagt haben, und dass dio Strafen mit Rücksicht auf das gesetzliche Minimum und die Konkurrenz verschiedener Übertretungen in der Höhe haben bestimmt werden müssen wie geschehen.

Laut Auszug aus dem Steuerbuch der Gemeinde Aristau versteuern Vater und Sohn Richner zusammen als Vermögen Fr. 2500 und als Einkommen Fr. 790 bei einem Anschlag von Fr. 1190.

Die Begnadigungsinstanz ist hinsichtlich der faktischen Verhältnisse an die Feststellung des Strafrichters gebunden, und es muss daher bei Entscheidung über das eingereichte Gesuch davon ausgegangen werden, dass jeder der beiden Petenten au den wiederholten Übertretungen des eidgenössischen Jagdgesetzes sich in einer Weise beteiligt habe, die ihn strafbar machte, und zwar durch Handlungen, die gemäss Art. 21, Ziffer 5, des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1904 mit Bussen von Fr. 40--100 zu ahnden waren. Dass die Wiederholung der unzweifelhaft frevelhaften Handlungen zu Erhöhung des gesetzlichen Mindestmasses führen musste, ist selbstverständlich. Von diesen Gesichtspunkten aus betrachtet und in Rücksicht auf die

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Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Petenten erscheint die verhängte Strafe nicht als so hart, dass ihre Reduktion auf dem Wege der Begnadigung gerechtfertigt wäre. Die grossen Gerichtskosten entsprechen den kantonalen Tarifen und sind dadurch mitverschuldet worden, dass die Verzeigten durch Ableugnen jeder Schuld eine langwierige Untersuchung provozierten, in welcher der Richter durch Zeugen den wahren Sachverhalt feststellen musste. Diese Kosten können für den Entscheid der Bundesversammlung nicht in Betracht fallen.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den A nt r ag:

Es sei das Begnadigungsgesuch des Marin und Joseph Richner abzuweisen.

B e r n , den 25. September 1908.

Im Namen des Schweiz;. Bundesrates, Der Bundespräsident: L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche der wegen Jagd- und Fischereivergehen bestraften Marin Richner, Vater, und Josef Richner, Sohn, in Birri (Gemeinde Aristau), Kantons Aargau. (Vom 25. September 1906.)

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1906

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26.09.1906

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657-659

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