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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Fälschung von Bundesakten, Amtspflichtverletzung und Unterschlagung bestraften Simon Willener von Hasliberg (Kantons Bern), geb. 1 Septemb 1887 gewesenen Briefträgers in Hasliberg, gegenwärtig in der Zwangsarbeitsanstalt Trachselwald.

(Vom 2. November 1906.)

Tit.

Durch Urteil vom 29. Dezember 1905 erklärte die Kriminalkammer des Kantons Bern den Simon Willener nach abgelegtem Geständnis schuldig : a. der Fälschung von Bundesakten in 7 Fällen; b. der Unterschlagung im Betrage von mehr als Fr. 300 ; c. der Amtspflichtverletzung im Sinne von Art. 53 f des Bundesstrafrechtes vom 4. Februar 1853.

Willener hatte als Briefträger des Postbureaus Hasleberg sich amtlich anvertraute Gelder im Gesamtbetrag von Fr. 1245 rechtswidrig angeeignet und zur Verdeckung die Unterschrift des Adressaten auf Mandatcoupons' fälschlich beigesetzt. Den Lohn iür seine Tätigkeit als Briefträger im Betrage von Fr. 50 per Monat hatte er seinen Eltern abgegeben und das veruntreute Geld nach eigener Angabe grösstenteils vertrunken, nachdem er in schlechte Gesellschaft geraten war.

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Das Gericht verurteilte den jungen Mann zu l'/a Jahren Zuchthaus, Fr. 50 Geldbusse und lebenslänglicher Einstellung im Aktivbürgerrecht mit der Feststellung, dass von der Zuchthausstrafe ein Jahr wegen Fälschung von Bundesakten verhängt und dass die Geldbusse wegen der Amtspflichtverletzung ausgesprochen werde; die Einstellung im Aktivbürgerrecht gründete es auf Art. 7 des Bundesstrafrechtes. Der Verurteilte wurde zur Verbüssung der Freiheitsstrafe in die Zwangsarbeitsanstalt Trachselwald verbracht.

Mit Eingabe vom 14. September 1906 stellten die Eltern Albert und Marie Willener-Huggler in Meiringen für ihren Sohn das Gesuch ,,um Begnadigung und Wiedereinsetzung in den bürgerlichen Rechten", indem sie sich auf das unbescholtene Vorleben des Bestraften und seine gute Aufführung während der abgelaufenen Strafzeit berufen, welche Gewähr dafür bieten, dass er aus der letztern eine gute Lehre gezogen habe und nicht mehr in einen solchen Fehler verfallen werde. Das Gesuch wird vom Gemeinderat Hasleberg unterstützt mit dem Bemerken, dass man allgemein die Bestrafung des jugendlichen Verbrechers als eine sehr harte angesehen und die Familie Willener bedauert habe, die wegen des Fehltrittes des Sohnes schwer leide.

Die Polizeidirektion des Kantons Bern übermittelte das Gesuch dem Bundesrate. Sie ist der Ansicht, dass zuerst von der Bundesversammlung darüber entschieden werden solle, ob eine Aufhebung derjenigen Strafen stattzufinden habe, die wegen Übertretung des Bundesstrafrechtes verhängt wurden, und macht bestimmte Vorschläge, in welcher Weise die Gesamtstrafen diesfalls geteilt werden könnten.

Von der Bundesanwaltschaft wurde das Begnadigungsgesuch der Eltern Willener durch Vermittlung der Direktion der Zwangsarbeitsanstalt Trachselwald noch dem Verurteilten zur Kenntnis gebracht behufs Rückäusserung von seiner Seite darüber, ob er sich dem Gesuche anschliesse und was er selbst zu dessen Begründung vorzubringen habe. Die von der Anstaltsdirektion befürwortete Antwort des Simon Willener lautet: ,,An das von meinen Eltern eingereichte Gesuch schliesse ich mich an. Ich bitte nicht um Abkürzung meiner Freiheitsstrafe, sondern um Erlass der Einstellung der Ehrenfähigkeit, die ich ja noch gar nicht besitze.a Der verurteilte Simon Willener hat gegenwärtig das 19. Altersjahr überschritten und steht an der Grenze der Volljährigkeit.

174 Es muss daher bei Würdigung des Begnadigungsgesuches ein Hauptgewicht gelegt werden auf seine eigenen Anträge, da er unzweifelhaft im stände ist, insbesondere nach Beratung des Direktors der Anstalt, woselbst er versorgt ist, zu ermessen, inwieweit eine Abänderung des über ihn verhängten Strafurteils den Verhältnissen und den Rücksichten auf den Strafzweck entspreche. Da er nun mit klaren Worten auf Abkürzung der Freiheitsstrafe, die von seinen Eltern auch nicht direkt beantragt wird, verzichtet, so besteht für die Begnadigungsbehörde keine Veranlassung, auf solche einzutreten um so weniger, als Praxis und Theorie darin einig gehen, dass nur eine längere Detention in Zwangsarbeitsanstalten im stände ist, dauernden bessernden Einfluss auf jugendliche Verbrecher auszuüben.

Zur Entscheidung über Begehren um Wiedereinstellung in den bürgerlichen Ehrenrechten ist nach Art. 145 «Z des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesreehtspflege auch in denjenigen Fällen der Kassationshof des Bundesgerichtes allein zuständig, in denen die Rechtsprechung durch Beschluss des Bundesrates den kantonalen Gerichten übertragen worden ist.

Das Verfahren ist vorgeschrieben durch Art. 175 u. ff. der Bundesstrafrechtspflege und Gewährung der Rehabilitation auf dem Wege der Begnadigung durch diese Spezialgesetzgebung ausgeschlossen.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag: Es sei das Gesuch des Simon Willener abzuweisen.

B e r n , den 2. November 1906.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates., Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Fälschung von Bundesakten, Amtspflichtverletzung und Unterschlagung bestraften Simon Willener von Hasliberg (Kantons Bern), geb. 1 September 1887 gewesenen Briefträgers...

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07.11.1906

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