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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Rekurs des Verwaltungsrates der Drahtseilbahn Lugano-Monte S. Salvatore betreffend Herabsetzung der konzessionsmässigen Maximaltaxen.

(Vom 9. Juni 1906.)

Tit.

In Art. 19 des Bundesbeschlusses vom 12. Dezember 1885 betreffend Konzession einer Zahnradbahn von Lugano nach dem Gipfel des S. Salvatore (E. A. 8. n. F. VIII, 316), abgeändert durch Bundesbeschluss vom 23. Dezember 1887 in die Konzession für eine Drahtseilbahn (B. A. S. n. F. IX, 416), wird bestimmt, dass, wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen 6 % übersteigenden Reinertrag abwirft, die konzessionsmässigen Maximaltaxen verhältnismässig herabzusetzen sind. An Hand der Geschäftsberichte dieser Unternehmung für die Jahre 1902 bis 1904 war folgendes Reinerträgnis der Bahnunternehmung festgestellt worden : in °/o des Aktienkapitals :

1902

1903

1904

7

9,28

7,97

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Da somit die konzessionsmässigen Bedingungen für eine Reduktion der Transporttaxen vorhanden waren, luden wir den Verwaltungsrat der Salvatorebahn mit Schhissnahme vom 19. Januar 1906 ein, innert Monatsfrist seine Vorschläge einzureichen.

Statt die verlangte Vorlage innerhalb der gesetzten Frist einzureichen, stellte die Bahnverwaltung mit Sclireiben vom 1.7. März 1906 das Gesuch, es möchte von einer weitern Verfolgung der Schlussnahme betreffend Taxreduktion vorläufig Umgang genommen werden, da beabsichtigt sei, bei der Bundesversammlung um eine Änderung der Konzessionsbestimmungen über die Reduktion der Transporttaxen bei Erreichung eines gewissen Reinertrages einzukommen.

In Anbetracht der klaren und bestimmten Vorschriften der Konzession glaubten wir, diesem Gesuch nicht entsprechen zu dürfen, sondern daran festhalten zu müssen, dass der Konzessionsvorschrift nachgelebt werde und dies um so mehr, als inzwischen konstatiert werden konnte, dass für das Jahr 1905 ein Reinerträgnis von 8,93 % des Aktienkapitals erzielt worden war.

Gleichzeitig stellten wir einen Vorschlag für die Reduktion der Taxen auf, um weitere Verzögerungen in der Erledigung dieser Angelegenheit auch hier zu vermeiden. Der bezügliche Beschluss vom 26. März 1906 hat folgenden Wortlaut : ,1. Nachdem sich aus den Reinerträgnissen der Jahre 1903/05 ergibt, dass die Bedingungen des Art. 19 der Konzession der Salvatorebahn vom 12. Dezember 1885, abgeändert am 23. Dezember 1887, zur Reduktion der Taxen erfüllt sind, ist der Bundesrat nicht in der Lage, dem Gesuche der Verwaltung der Salvatorebahn um Verschiebung der Durchführung dieser Massnahme entsprechen zu können, sondern muss die Verwaltung einladen, ohne Verzug ihren konzessionsmüssigen Verpflichtungen nachzukommen.

,,2. Gestützt auf die erzielten Reinerträgnisse reduziert der Bundesrat die für die Salvatorebahn im Art. 15 der Konisession vorgesehenen Taxen wie folgt : Bergfahrt auf . . . .

Fr. 2. 40, Talfahrt auf . . . .

,, 1. 60.

,,Ferner wird die Unternehmung verpflichtet, für Hin- und Rückfahrt einen Rabatt von wenigstens 20 % auf den vorstehenden Taxen zu bewilligen.

,,3. Die Verwaltung der Salvator^bahn wird eingeladen, die erforderlichen Anordnungen zur Einführung der neuen Ta-

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rife auf spätestens den 1. Mai 1906 zu treffen und dem Eisenbahndepartement rechtzeitig die nötigen Tarifvorlagen zur Genehmigung einzureichen."

Mit Eingabe, eingegangen am 24. April 1906, hat Herr Fürsprech Lohner in Thun im Auftrag der Drahtseilbahn Lugano-8. Salvatore einen Rekurs gegen die vorstehende Schlussnahme eingereicht, der mit dem Begehren schliesst : ,,Es sei die Verfügung des Bundesrates vom 26. März 1906 betreffend die Herabsetzung der konzessionsmässigen Taxen der Salvatorebahn aufzuheben."

Zur Begründung dieses Antrages versucht die Eingabe nachzuweisen, dass der angefochtene Beschluss auf einer unrichtigen Auslegung des Begriffes ,,Reinertrag der Bahnunternehmung" beruhe. Nach Ansicht der Bahnverwaltung ist unter diesem Begriff nicht der Reingewinn, den die Aktionäre machen, das heisst der Reinertrag im subjektiven Sinne, sondern der Ertrag des Unternehmens im objektiven Sinne, das heisst der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, nach Abzug der Abschreibungen zu verstehen. In Prozenten ausgedrückt erscheint in diesem Falle der Reinertrag als das Verhältnis, in dem der Ertrag des Transportgeschäftes zur Transportanlage, zu dem in der Unternehmung angelegten Kapital steht.

Für die Einzelheiten erlauben wir uns, auf die Rekurseingabe selbst zu verweisen.

Den Ausgangspunkt für den Rekurs bildet auch hier, wie bei der Eingabe der Verwaltung der Berner Oberland-Bahnen, die Frage der Berechnung des Reinertrages. Wir haben diese Frage in unserem Bericht vom 5. Juni 1906 (Bundesbl. 1906, III, 865) über die Eingabe der Berner Oberland-Bahnen eingehend behandelt und erlauben uns, auf die dortigen Ausführungen zu verweisen, die, da die in Frage kommende Bestimmung beider Konzessionen den gleichen Wortlaut hat, in allen Teilen auch hier zutreffend sind.

Wir haben bloss beizufügen, dass die Verwaltung der Salvatorebahn, obwohl sie in der Deutung des Reinertragsbegriffes der Gesellschaft der Berner Oberland-Bahnen in allen Teilen beipflichtet, die Berechnungen doch nicht nach dem vorgeschlaßundesblatt. 58. Jahrg. Bd. m.

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genen System durchgeführt hat. In der Eingabe sind auf Seiten 3 und 4 als Reinertrag dargestellt für: 1902

Fr.

im ganzen in

%

·

1903

1904

Fr.

Fr.

28,240 38,762 33,001 *) 4,54

6,20

5,17 *)

1905

Fr.

37,475 5,87

Diese Erträgnisse sind unter Abzug der Obligationenzinse von . . .

7360 7040 6812 6820 entstanden und beruhen somit auf einem Verfahren, das den Motiven nicht entspricht. Wenn der Einnahmenüberschuss des reinen Transportgeschäftes nach derMethodederRückkaufsrechnung festgesetzt werden soll, so kann nicht ein Teil des auf das Baukapital entfallenen Nutzens aus der Rechnung fortgelassen werden. Auf die Natur des beigebrachten Kapitals ist überhaupt nicht Rücksicht zu nehmen. Die Zinse an das Obligationenkapital sind somit dem obigen Ertrag zuzuschlagen; dann ergeben sich als Überschüsse 35,600 45,802 39,813 44,295 oder Prozente des Baukapitals 5,73 7,27 6,21 6,9* Nun zeigt diese Rechnung -- und das ist von besonderem Interesse -- dass die in der Konzession der Salvatorebahn angesetzte Ertragsgrenze von 6 % , auch bei der von ihr selbst empfohlenen Berechnungsweise, für die letzten 3 Jahre überschritten ist.

An unsern Ausführungen im vorstehend erwähnten Bericht vom 5. Juni 1906 vermag auch der in der Eingabe der Sal*) Berichtigte Zahlen.

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vatorebahn speziell hervorgehobene Umstand nichts zu ändern, dass es sich im vorliegenden Falle mehr um eine Touristenund Luxusbahn als um eine Unternehmung handelt, welche aus einer volkswirtschaftlichen Notwendigkeit heraus entstanden ist.

Die allein massgebende Bestimmung der Konzession lautet mit Ausnahme ganz weniger Konzessionen, die nicht weiter in Betracht fallen, für alle Unternehmungen gleich, und kann daher auch nicht zu zwei verschiedenen Auslegungen Anlass geben, je nach der Natur der Bahn. Die Schlussfolgerungen, welche wir in unserem erwähnten Bericht betreffend den Rekurs der Berner Oberland-Bahnen rücksichtlich der Berechnung des Reinertrages gezogen haben, treffen in vollem) Umfange auch im vorliegenden Falle zu, so dass der dort gestellte Antrag auch hier gilt.

* * * Derjenige Teil unseres Beschlusses vom 26. März 1906, der sich mit der durchzuführenden Reduktion der Taxen befasst, hat von der Verwaltung der Salvatorebahn keine Beanstandung erfahren, so dass für den Fall der Ablehnung des Rekurses gegen die Berechnung des Reinertrages die vorgesehene Taxreduktion ohne weiteres in Kraft treten kann. Wir wollen hier nur erwähnen, dass das Mass der Reduktion der konzessionsmässigen Maximaltaxen unter reichlicher Berücksichtigung der Zufälligkeiten, welchen die Salvatorebahn als reine Touristenbahn ausgesetzt ist, auf 20 % angesetzt wurde. Gleichzeitig musste, um diese Taxreduktion nicht unwirksam zu machen, die Verpflichtung zur Gewährung eines Rabattes von wenigstens 20 % für Hin- und Rückfahrtbillette aufgestellt werden. Durch diese Verpflichtung wird gegenüber dem bisherigen Zustand keine Neuerung geschaffen, indem die Bahnverwaltung in richtiger Würdigung, dass es sich vorwiegend um einen Retourverkehr handeln wird, seit Eröffnung des Betriebes Retourbillette mit diesem Rabatt zur Ausgabe brachte, ohne dass eine konzessionsmässige Verpflichtung hierzu vorhanden war. Es soll somit nur der Fortbestand dieser Einrichtung gesichert werden.

Am Schlüsse unserer Ausführungen angelangt, stellen wir den Antrag, es sei der Rekurs der Verwaltung der Salvatorebahn als unbegründet abzuweisen und festzustellen, dass, da die Bedingungen des Art. 19 der Konzession betreffend die

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Verpflichtung zur Ermässigung der Transporttaxen erfüllt sind, die in Ziffer l, lit. &, des Art. 15 der Konzession vorgesehenen Maximaltaxen für den Personentransport um 20 % , das heisst für die Bergfahrt von Fr. 3 auf Fr. 2. 40 und für die Talfahrt von Fr. 2 auf Fr. 1. 60, zu reduzieren sind unter gleichzeitiger Aufstellung der Verpflichtung zur Ausgabe von Billetten zur Hin- und Rückfahrt mit wenigstens 20 % Rabatt auf den Taxen für Berg- und Talfahrt.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 9. Juni 1906.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

L. Forrer.

Der Kanzler der EidgenossenschaftRingler.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche der wegen fahrlässiger Eisenbahngefährdung bestraften Frau Lina Schmid, geb. Ledermann, wohnhaft in Littisbach zu Boltigen, Kantons Bern.

(Vom 11. Juni 1906.)

Tit.

Am 7. September 1905 fuhr der Zug 227 der MontreuxOberland-Bahnen auf der Station Saanenmöser infolge falscher Weichenstellung auf einen stationierten, mit Zementröhren beladenen Schotterwagen, auf welchem sich ein zirka 5 Jahre altes Kind befand. Durch den Anprall wurde der Schotterwagen in Bewegung gesetzt und entlief bis zur sogenannten "Dreimeterbrücke" zwischen Saanenmöser und Öschseite, wo er entgleiste und bergseits auf die Bahnböschung geworfen wurde. Es entstand einiger Materialschaden; das Kind kam mit einigen nicht lebensgefährlichen Verletzungen davon.

Schuld an diesem Vorfall trug Witwe Lina Schmid, geb.

Ledermann, in Saanenmöser, welche zur kritischen Zeit als Stellvertreterin des Stationsvorstandes funktionierte und in fahrlässiger Weise unterliess, die Einfahrtsweiche für den fälligen Personen-

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Rekurs des Verwaltungsrates der Drahtseilbahn Lugano-Monte S. Salvatore betreffend Herabsetzung der konzessionsmässigen Maximaltaxen. (Vom 9. Juni 1906.)

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1906

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24

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13.06.1906

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975-981

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