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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Ausscheidung der Geschäfte der schweizerischen Ntionalbank.

(Vom 25. September 1906.)

Tit.

Die Frage des Sitzes der schweizerischen Nationalbank, die in unverhältnismässig tiefgehender Weise die Verhandlungen über dasBankgesetzz beeinflusst hat, und an der vorübergehend dan ganze Gesetzgebungswerk zu scheitern drohte, wurde im Juni 1905 durch eine Kompromissvorlage der nationalrätlichen Kommission ihrer Lösung entgegengebracht. Der Inhalt des Kompromisses ist im Art. 56 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1905 über die schweizerische Nationalbank enthalten. In Verbindung mit dem Art. 3, Abs. l u n d 2 , d e s ßankgesetzes stellt sich d i e 1. die Nationalbank hat ihren rechtlichen und administrativen Sitz in Bern ; 2. der Sitz des Direktoriums ist in Zürich ; 3. von den drei Mitgliedern des Direktoriums wohnen zwei in Zürich, das dritte in Bern; 4. von den drei Departementen, unter welche die Geschäfte des Direktoriums verteilt werden, hat das Departement für das Diskontogeschäft und den Giroverkehr und das Departement für die Kontrolle seinen Sitz in Zürich, während das mit der Leitung der Notenemission, mit der Verwaltung der Barvorräte und mit dem Geschäftsverkehre mit der Bundesverwaltung und den Bundesbahnen betraute Departement seinen Sitz in Bern haben soll.

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Art. 56, Abs. 6, des Bankgesetzes sieht eine von der Bundesversammlung zu genehmigende Verordnung des Bundesrates vor, ·durch welche die näheren Details der im Gesetze selbst in den Xirundzügen vorgenommenen Ausscheidung der verschiedenen Geschäftszweige bestimmt werden sollen.

Der vorliegende Entwurf einer Verordnung über die Ausscheidung der Geschäftszweige versucht, diese Ausscheidung in einer möglichst loyalen Auslegung des Kompromisses vorzunehmen; indessen konnte dieser Gesichtspunkt bei der Redaktion der Verordnung nicht ausschliesslich massgebend sein: höher als das Bestreben einer loyalen Durchführung des getroffenen Kompromisses stand die Rücksichtnahme auf die Interessen der Bank selbst und die Tendenz, die Durchführung des Kompromisses in einer nicht bloss loyalen sondern auch banktechnisch einwandfreien Weise zu sichern. Das Ergebnis dieser Arbeiten verkörpert der vorliegende Entwurf.

In der Verteilung der Mitglieder des Direktoriums auf zwei verschiedene Städte lag die Gefahr, dass die Bedeutung des Direktoriums als Kollegium geschwächt und die Einheit der Bankleitung gefährdet werden könnte. Dieser Gefahr versucht Art. 56, Abs. 5, des Bankgesetzes vorzubeugen, indem er bestimmt, dass die einBeinen Direktoren bei der Verwaltung ihrer Departemente die Beschlüsse und Weisungen des Direktoriums zur Ausführung zu bringen haben, und es wird Sache des auf Grund des Art. 63 des Bankgesetzes zu erlassenden, der Genehmigung des Bundesrates unterliegenden Réglementes sein, durch präzise Bezeichnung derjenigen Geschäfte, die in den Kompetenzenkreis des Direktoriums als Kollegium fallen, der formellen Bestimmung des Art. 56, Abs. 5, des Bankgesetzes Inhalt zu verleihen. Darüber hinaus will aber der vorliegende Entwurf auch seinerseits zu einer Sicherung der Einheitlichkeit der Bankleitung beitragen, und zu diesem Zwecke wurde in den Entwurf der Art. 6 aufgenommen, der für die Mitglieder der Direktoriums, in ihrer Eigenschaft als Vorsteher der Departemente, die Verpflichtung aufstellt, in allen Fragen, die nicht ausschliesslich den Geschäftskreis eines Departements berühren, die Verbindung mit den anderen Departementen zu unterhalten.

Was nunmehr die in den Art. 2 -- 4 des Entwurfes vorgenommene Verteilung der Geschäfte auf die einzelnen Departemente betrifft, so ist es wohl kaum n tweudig, alle Einzelnheiten zu motivieren, und es dürfen die folgenden Bemerkungen genügen :

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Ad Art. 2. Die in den Ziffern l, 3 und 4 des Art. 2 erfolgte, Zuweisung der Geschäfte an das Diskont- und Girodepartement entspricht vollständig dem Wunsche des Gesetzgebers, wie er io der Benennung dieses Departements /um Ausdruck kommt; es erschien aber als unerlässlieh und als in der Technik des Bunkbetriebes begründet, die Aufgaben dieses Departements, wie sie in seiner Bezeichnung vorgeschrieben liegen, insofern zu erweitern, als ihm neben dem Diskont- und Girogeschäft auch das Lombardgeschäft (Art. 2, Ziffer 2) zugewiesen worden ist.

Ad Art. 3. Art. 56 des Bankgesetzes bezeichnet das Departement, das seinen Sitz in Bern finden soll, als das Departement für die Leitung der Notenemission, für die Verwaltung der Barvorräte und für den Geschäftsverkehr mit der Bundesverwaltung und den Bundesbahnen. Demgemäss weist der vorliegende Entwurf diesem Departement die sub Art. 3, Ziffer l -- 6, angeführten Geschäftszweige zu. Die Zuweisung der Verwaltung der Wertschriften des Bundes an dieses Departement erfolgte mit Hinblick auf die diesem Departement obliegende Pflege der Beziehungen zur Bundesverwaltung; da mithin in Bern die besonderen baulichen Installationen, die für die Verwaltung offener Depots erforderlich sind, für jeden Fall geschaffen werden müssen, und auch das hierfür erforderliche Personal anzustellen isf, erschien es zweckmässig und im Interesse der Bank liegend, diesem Departement auch die Verwaltung und Aufbewahrung der privaten offenen Depots zu übertragen. Erfahrungen der zentralen Notenbanken des Auslandes wie auch der grösseren schweizerischen Banken, die über ein Filialennetz verfügen, lassen es nämlich als erwünscht und zweckmässig erscheinen, diesen Geschäftszweig möglichst zentralisiert zu organisieren, und es ergab sich von selbst, die Zentrale dort zu schaffen, wo ohnehin die sachlichen und Personal Voraussetzungen bereits gegeben sind. Immerhin lässt der Wortlaut des Art. 3, Abs. 7, auch die Möglichkeit offen, in einzelneu Fällen die Aufbewahrung und Verwaltung der offenen Depots direkt durch die Zweiganstalten besorgen zu lassen.

Die Zuweisung des statistischen Bureaus an das Notendepartement ist in den diesem Bureau wesentlich obliegenden Aufgaben begründet.

Ad Art. 4. Die dem Kontrolldepartement sub l -- 3 zugewiesenen Funktionen sind in dem schon in der Bezeichnung
liegenden Charakter dieses Departements begründet. Darüber hinaus weist aber der vorliegende Entwurf dem Kontrolldepartement auch die Erledigung der Reklamationen (Art. 4, Ziffer 4) zu. Für diese Bestimmung waren zweierlei Erwägungen massgebend. Vorerst die Tatsache, dass nur das I. und das II. Departement, nicht

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·aber das Kontrolldepartement selbst mit dem Publikum in Berührung kommen wird,, dass infolgedessen Reklamationen nur gegen die beiden erstgenannten Departemente möglich sind; es folgt daraus, dass das Kontrolldepartement an keiner Reklamation selbst beteiligt sein wird, und eben deshalb zur Erledigung der Reklamationen bezw. zur Untersuchung derselben und zur Stellung entsprechender Anträge an das Direktorium besonders qualifiziert ist. Sodann war aber für die Zuweisung dieser Funktion an das Kontrolldepartement auch die Erwägung von Eiafluss, dass gerade die mit der Erledigung von Reklamationen zusammenhängenden Untersuchungen sehr geeignet sein werden, die Kontrolltätigkeit dieses Departements zu fördern.

Ad Art. 5. Dieser Artikel hat eine lediglich vorübergehende Bedeutung; bei den Besprechungen, die der Redaktion des Entwurfes vorausgingen, wurden ebenso für die Zuweisung der Hauptbuchhaltuug an das III., wie auch für die Zuweisung derselben an das II. Departement beachtenswerte sachliche Argumente augeführt. Es erschien wünschenswert, vor der definitiven Erledigung dieser Frage eine Meinungsäusserung des Direktoriums einzuholen, und da dies zurzeit noch nicht möglich ist, so enthält der Art. 5 wesentlich nichts anderes als eine Ermächtigung des Bundesrates, diese Frage von sich aus, und ohne dass die Entscheidung noch einer nachträglichen Genehmigung der Bundesversammlung bedürfte, nach Anhörung des Bankrates, der natürlich seinerseits sich auf ein Gutachten des Direktoriums stützen wird, zu entscheiden.

Ad Art. 6. Keine weitere Bemerkung.

Ad Art. 7. Das Generalsekretariat der Bank wird, neben ·den weitern, durch das Organisationsstatut der Bank zu bestimmenden Aufgaben, die Pflicht haben, eine Verbindung zwischen den verschiedenen Bankbehörden herzustellen. Dem Generalsekretariat wird die Protokollführung und die Kanzlei der Generalversammlung, des Bankrates, des Bankausschusses und des Direktoriums zugewiesen werden. Mit Hinblick auf die verschiedenen weiteren, mit der laufenden Geschäftsführung der Bank zusammenhängenden Funktionen des Generalsekretariates wird als dessen Sitz Zürich bezeichnet. Indessen bestimmt der Entwurf, angesichts der Notwendigkeit einer eigenen Kanzlei des Bankrates und des Bankausschusses am Sitze dieser Behörden, wie auch angesichts der unerlässlichen Notwendigkeit,
Expeditionen des Bankrates und des Bankaussehusses von Bern aus, wo diese Behörden tagen, vornehmen zu können, dass ein Beamter des Generalsekretariates mit den erforderlichen Hülfskräften als Bureau

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in Bern seinen Sitz nehmen soll; dies geschieht in der Meinung, dass diesem Beamten durch das im Art. 63 des Bankgesetzes vorgesehene, der bundesräthlichen Genehmigung unterliegende Reglement weitere selbständige Aufgaben zugewiesen werden, und dass ihm, mit Hinblick auf die vorstehend betonte Notwendigkeit, definitiver Expeditionen von Bern aus, dasRechtt der Unterschriften erteilt wird.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 25. September 1906.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

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(Entwurf.)

Yerordmmg betreffend

die Ausscheidung der Geschäfte der schweizerischen Nationalbank.

(Vom

25. September 1906.)

Der schweizerische Bundesrat, in Ausführung der Art. 3 und 56 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1905 und nach Einsichtsnahme der Beschlüsse des Nationalrates vom 27. Juni und des Ständerates vom 28. September des nämlichen Jahres, verordnet: Art. 1. Der Sitz des Direktoriums der schweizerischen Nationalbank ist in Zürich.

Der Präsident des Direktoriums ist der Vorsteher dea Diskont- und Girodepartements ; der Vizepräsident des Direktoriums ist der Vorsteher des Departements der Notenemission.

Art. 2. Dem I. Departement (Diskont- und Grirodepartement) in Zürich werden zugeteilt: 1. die Diskontierung, der An- und Verkauf von Wechseln, Checks und Devisen, die Führung der Kredittaxationslisten, die Verwaltung des Wechselportefeuilles, die Antragstellung an das Direktorium in Sachen des Diskontosatzes j

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2. der Lombardverkehr, die Vertretung der Bank an der Börse, die Führung der Effektentaxationslisten ; 3. der Giro- und Abrechnungsverkehr, die Annahme von Geldern in unverzinslicher Rechnung, Mandate und Inkassi ; 4. die Leitung der Vereinigungen für das Saldierungswesen.

Art. 3. Dem II. Departement (Notendepartement) in Bern werden zugeteilt: 1. das Noten wesen; 2. der Verkehr in Edelmetallen; 3. die Ausgabe von Gold- und Silberzertifikaten ; 4. die Hauptkasse, die Notendeckung, die Metallreserve; 5. der Verkehr mit der Bundesverwaltung und den Bundesbahnen ; 6. die Annahme von Bundesgeldern in verzinslicher Rechnung; 7. die Verwaltung der Wertschriften des Bundes und der Nationalbank, die Annahme von Wertschriften und Wertgegenständen zur Aufbewahrung und zur Verwaltungund die Aufsicht über diejenigen Depots, deren Aufbewahrung und Verwaltung auf Wunsch der Deponenten durch die Zweiganstalten erfolgt; 8. die Leitung der Beteiligung der Bnnk an Subskriptionen ; 9. das statistische Bureau.

Art. 4. Dem III. Departement (Kontrolldepartement) in Zürich werden zugeteilt: 1. die Kontrolle der Kassen, der Notendepots, der ßargelddepots, der Wertschriften ; 2. die Kontrolle der Buchführung ;

649 3. die Kontrolle der Portefeuilles und der übrigen Kreditgewährungen ; 4. die Reklamationen.

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Art. 5. Die Zuteilung der Hauptbuchhaltung oder einzelner Teile derselben an ein Departement erfolgt nach Anhörung des Bankrates durch Beschluss des Bundesrates.

Art. 6. Ungeachtet der vorstehenden Verteilung der Geschäftszweige ist jedes Departement verpflichtet, in allen Fragen, die nicht ausschliesslich seinen Geschäftskreis betreffen, die Verbindung mit den anderen Departementen zu unterhalten.

Art. 7. Das dem Direktorium unmittelbar unterstehende Generalsekretariat der Bank hat seinen Sitz in Zürich.

Ein Beamter des Generalsekretariates, dem die erforderlichen Hülfskräfte als Bureau beizugeben sind, hat seinen Sitz in Bern.

Das im Art. 63 des Bankgesetzes vorgesehene Reglement wird die Funktionen des Berner Beamten des Generalsekretariates und die seines Bureaus bestimmen.

Art. 8.

Diese Verordnung tritt sofort in Kraft.

B e r n , den 25. September 1906.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Biiigier.

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Bundesblatt. 58. Jahrg. Bd. IV.

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1906

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26.09.1906

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