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Bundesratsbeschluss über

die Beschwerde des Schweizerischen Grossistenverband in Basel, betreuend Eintragung ins Handelsregister des Zusatzes ,,Größtes Partiewarengeschäft der Schweiz" zur Firma ,,B. Dreyfus".

(Vom 9. November 1906.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t hat über die Beschwerde des S c h w e i z e r i s c h e n G r o s s i s t e n V e r b a n d e s in Basel, gegen das Erkenntnis der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons St. Gallen, vom 15. Januar 1906, betreffend Eintragung des Zusatzes ,,Größtes Partiewarengeschäft der Schweiz" zur Firma ,,B. Dreyfus" ins Handelsregister, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt: A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Am 9. Dezember 1905 ließ Benjamin Dreyfus, der Inhaber der Firma ,,B. Dreyfus", beim Handelsregisterbureau von St. Gallen

608 zu seiner Firma den Zusatz ,,Größtes Partiewarengeschäft der Schweiz" eintragen (S. H. A. B. 1905, Nr. 485, p. 1937/38).

Gegen diese Eintragung reichte der Schweizerische Grossistenverband in Basel bei der st. gallischen Aufsichtsbehörde über das Handelsregister Beschwerde ein, indem er das Gesuch stellte, der erwähnte Eintrag sei als unzulässig zu erklären und im Handelsregister wieder zu streichen. Die angegangene Aufsichtsbehörde wies jedoch das Gesuch ab, aus folgenden Gründen : Aktiv legitimiert zur Anfechtung einer Firmaführung ist nur derjenige, der durch den unbefugten Gebrauch einer Firma beeinträchtigt wird; dies kann nur wieder ein Firmainhaber sein, eiu Konkurrent, nicht aber ein Personenverband, wie der Schweizerische Grossisteoverband, der gar nicht Inhaber eiues im Umsatz von Waren bestehenden Geschäftes ist; es fehlt also dem Beschwerdeführer die Aktivlegitimation. Zudem entspricht der eingetragene Zusatz den zurzeit bestehenden tatsächlichen Verhältnissen und der bisher in der Schweiz für die Eintragung ähnlicher Zusätze geübten Praxis.

Auf die in der Zukunft möglichen Ereignisse aber hat der Registerführer keine Rücksicht zu nehmen.

n.

Gegen diesen Entscheid rekurriert der Schweizerische Grossistenverband mit Eingabe vom 20. Januar 1906 rechtzeitig an den Bundesrat, mit dem Antrag, der in Frage stehende Zusatz soi von Amtes wegen zu streichen. Zur Begründung bringt er vor: Zur Beschwerde ist jeder aktiv legitimiert, der sich durch die ungesetzliche Verfügung eines Beamten in seinen Interessen mit Grund verletzt fühlt; dies trifft im vorliegenden Fall zu bei den übrigen Inhabern von Partiewarengeschäffen. Da nun dem Schweizerischen Grossisten verband einige Kaufleute dieser Art als Mitglieder angehören, und es jedem derselben freistehen muß, ob er seine Interessen selbst oder durch einen dritten vertreten will, so kann auch dem Schweizerischen Grossistenverband die Aktivlegitimation nicht abgesprochen werden. Auch wenn übrigens die Aktivlegitimation der Rekurrenten verneint würde, so müßte der Bundesrat dennoch materiell auf die Beschwerde eintreten, da er nach Art. 3 der Verordnung über das Handelsregister die Oberaufsicht über die Führung des Handelsregisters ausübt, und demnach den vorliegenden Rekurs als Anzeige aufzufassen hätte.

Materiell ist der Zusatz ,,Größtes Partiewarengeschäft der Schweiz" unzulässig, weil nach dem schweizerischen Obligationenrecht Art. 867, Absatz 2, Zusätze zur Firma nur dann zulässig sind, wenn sie zu einer näheren Bezeichnung der Person oder des Ge-

609 Schaftes dienen;i nicht also wenn sie,i wie im vorliegenden Fall,) O bloß eine Herabsetzung der Geschäfte gleicher Art und eine ungerechtfertigte Rekl.une bezwecken; solche marktschreierische Zusätze sind vielmehr, gleich wie notorisc-h unrichtige, nicht ins Handelsregister aufzunehmen.

III.

Zur Vernehmlassung eingeladen, ergänzt der Vertreter von B. Dreyfus seine früheren Erörterungen folgendermaßen : Die Bestimmungen des schweizerischen Obligationenrechtes über den Schutz der Firma sind wesentlich im Interesse der Privaten getroffen, es muß daher derjenige, der einem ändern die Führung einer Firma in der von ihm gewählten Form untersagen will, zu diesem Zwecke ein subjektives Recht und Interesse nachweisen.

Ein solches hat der Schweizerische Grossistenverband nicht nachgewiesen. Anderseits kann eine eingetragene Firma auf Beschwerde eines dritten nicht mehr gelöscht werden; es stehen diesem dritten nur die in Art. 876, Absitz 2, eventuell Art. 50 des Obligationenrechtes vorgesehenen Klagen auf Unterlassung der Weiterführung der Firma zu ; ein Beschwerderecht, wie es der Schweizerische Grossistenverband für sich in Anspruch nimmt, besteht nicht.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: I.

Da der Rechtssatz, den der Rekurrent geltend mstcht, von Amtes wegen anzuwenden ist. braucht seine Aktivlegitimation zur Beschwerde nicht untersucht zu werden ; denn über Verletzung von Vorschriften, die von Amtes wegen anzuwenden sind, kann jedermann Beschwerde führen, ohne dass er seine Aktivlegitimation nachzuweisen brauchte.

Rekurreut begründet seinen Antrag auf Streichung des Zusatzes ,,Grösstes Paitiewarengeschäl't der Schweiz"1 mit der Behauptung, ein Zusatz, der wie der vorliegende eine Reklame bezwecke, sei nach Art. 867, Abs. 2, 0. R., unzulässig. Art. 867, Abs. 2, 0. R., gestattet dem Einzelkaufmann, seiner Firma Zusätze beizufügen, ,,welche zu einer nähern Bezeichnung der Person oder des Geschäftes dienen a . Ein Zusatz der ersten Art steht hier nicht in Frage. Unter Zusätzen zur nähern Bezeichnung des Geschäftes verstanden die Registerbehörden bis jetzt alle Zusätze nicht persönlicher Art (Prof. Burckhardt in den Verhandlungen

610 des Schweiz. Juristen verein s 1897, pag. 19--20 ; Siegmund ib.

242 ff. 5 Entscheidung des Handelsgerichts Zürich vom 9. März 1894 i. S. Weiss contra Waldkirch, Schweizer Blätter für handelsrechtliche Entscheidungen XIII, 124). Dementsprechend wurden, ohne dass ein prinzipieller Beschluss gefasst worden wäre, ins Handelsregister nicht nur Zusätze eingetragen, die das Geschäft näher bezeichnen oder zur Individualisierung desselben sich eignen, sondern auch solche, die, wie der vorliegende, vorwiegend oder ausschliesslich einen Reklamezweck verfolgen. Eine so weitgehende Auslegung des Art. 867, 2, 0. R., wonach nicht nur Zusätze, die zur nähern Bezeichnung und Individualisierung eines Geschäftes geeignet sind, sondern auch Zusätze, die der blossen Geschäftsanpreisung dienen, zugelassen werden, hält jedoch einer nähern Prüfung nicht stand. Nicht nur widerspricht ihr die Fassung des erwähnten Art. 867, 2, der nur von Zusätzen zur nähern Bezeichnung des Geschäftes spricht, sondern es liegt auch die Gefahr nahe, dass unter dem Schein einer von den zuständigen Behörden gebilligten Eintragung das Publikum über Art und Umfang eines Geschäftes getäuscht werde. Und auch wenn sie keinerlei täuschende Wirkung haben, gehören solche marktschreierische Zusätze nicht ins Handelsregister, da dieses nur sachliche und kontrollierbare Angaben enthalten soll; wenn sie achon eingetragen sind, sind sie wieder zu streichen.

Demnach wird erkannt: Die Beschwerde wird als begründet erklärt.

Die Aufsichtsbehörde des Kautons St. Gallen über das HandelsTegister wird eingeladen den Handelsregisterfilhrer von St. Gallen anzuweisen, den Zusatz ,,Grösstes Partiewarengeschäft der Schweiz" zur Firma ,,B. Dreyfus" in St. Gallen zu löschen.

B e r n , den 9. November 1906.

Im Namen des Schweiz. Bundesratefl, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

t. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

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Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen, betreffend die Unzulässigkeit, Reklamezusätze zu Geschäftsfirmen in das Handelsregister einzutragen.

(Vom 9. November 1906.)

Getreue, liebe Eidgenossen !

Auf die Beschwerde des ,,Schweizerischen Grossistenverbandes" in Basel gegen die Firma ,,B. Dreyfus, Grossies Partie Warengeschäft der Schweiz" in St. Gallen, hat der Bundesrat am 9. November 1906 die Aufsichtsbehörde des Kantons St. Gallen eingeladen, den Handelsregisterführer von St. Gallen anzuweisen, den Zusatz ,,Grösstes Partiewarengeschäft der Schweiz" zur Firma ,,B. Dreyfus" in St. Gallen zu löschen (s. Bundesbl. v. 1906, Bd. V, Seite 607).

Damit ist es als unzulässig erklärt worden, Zusätze zu Firmen in das Handelsregister einzutragen, welche nicht lediglich zur nähern Bezeichnung der Person oder des Geschäftes dienen (Art. 867, 2, Obligationenrecht), sondern vorwiegend oder ausschliesslich einen Reklamezweck verfolgen.

Wir beehren uns, auf den angeführten Beschluss zu verweisen, von dem wir ein Druckexemplar hier anfügen.

Mit Rücksicht hierauf laden wir Sie ein, Ihre Handelsregisterbureaux anzuweisen, künftig keine Reklamezusätze zu Firmen

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Bundesratsbeschluss über die Beschwerde des Schweizerischen Grossistenverband in Basel, betreffend Eintragung ins Handelsregister des Zusatzes ,,Größtes Partiewarengeschäft der Schweiz" zur Firma ,,B. Dreyfus". (Vom 9. November 1906.)

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14.11.1906

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