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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche des wegen Nichtbezahlung von Militärpflichtersatz bestraften Gottfried Stocker, Pierriste, in Biel.

(Vom 28. Mai 1906.)

Tit.

Stocker wurde am 25. Oktober 1905 vom Kreiskommando Biel dem Polizeirichter überwiesen, weil er, ungeachtet der vorgeschriebenen Mahnungen, die Militärsteuer pro 1905 im Betrage von Fr. 8. 80 nicht bezahlt und keinerlei Ausweis über Arbeitsund Erwerbsunfähigkeit vorgelegt hatte. In einem ersten Termin vom 20. November 1905 gewährte der Richter auf Ansuchen dem Verzeigten Frist zur Leistung der Steuer bis 4. Dezember.

An diesem Tage erklärte Stocker laut Gorichtsprotokoll : ,,Es war mir bis heute nicht möglich, die rückständige Militärsteuer zu bezahlen. Ich will heute nicht bestreiten, so viel Verdienst gehabt zu haben, dass es mir unmöglich gewesen wäre, die Steuer zu bezahlen. Ich gewärtige das Urteil."

Nach dieser Feststellung verurteilte der Richter den Gottfried Stocker zu vier Tagen Gefängnis, sechs Monaten Wirtshausverbot und Tragung der Kosten, in der Annahme, dass der Verzeigte bei einigem guten Willen im stände gewesen wäre, seinen Pflichten in nützlicher Frist nachzukommen (siehe die beigelegten Akten und Protokolle des Richteramtes Biel).

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Am 8. Februar 1906 hat Stocker die Steuer bezahlt, und er ersucht um Nachlass der Gefängnisstrafe durch Begnadigung, vorbringend, sein Verdienst als Pierriste sei in den letzten Jahren, während der Krisis der Uhrenindustrie, ein sehr geringer gewesen, und habe kaum ausgereicht zur Bestreitung des Unterhaltes seiner Familie, bestehend aus einer seit Jahren gelähmten und arbeitsunfähigen Frau und sechs Kindern.

Das Armenbureau der Stadt Biel bezeugt, dass Stocker in den letzten Jahren in bedeutendem Masse von der Armenbehörde habe unterstützt werden müssen und das Regierungsstatthalteramt empfiehlt ihn zur Begnadigung.

Die jetzige Schilderung der ökonomischen Verhältnisse des Petenten steht in einem auffallenden Widerspruch zu den vor Kreiskommando und Polizeirichter von ihm abgegebenen Erklärungen, und er kann damit trotz der Empfehlung der Gemeindeund Bezirksbehörde nicht mehr gehört werden. Die gesetzlichen Grundlagen zur Überweisung und Bestrafung waren nach dem eigenen Verhalten des Steuerpflichtigen im massgebenden Zeitpunkte vorhanden und eine genaue und sichere Feststellung der Verhältnisse ist im ßegnadigungsverfahren unter solchen Umständen nicht möglich.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung "o den A n t r ag: Es sei das Begnadigungsgesuch des Gottfried Stocker abzuweisen.

B e r n , den 28. Mai 1906.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

--e-o-ss--

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche des wegen Nichtbezahlung von Militärpflichtersatz bestraften Gottfried Stocker, Pierriste, in Biel.

(Vom 28. Mai 1906.)

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Jahr

1906

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3

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30.05.1906

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850-851

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