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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Aenderung der Konzession einer Eisenbahn von Frutigen durch den Lötschberg nach Brig (Lötschbergbahn).

(Vom 26. März 1906.)

Tit.

Mittelst Eingabe vom 1. März 1906 unterbreitete der Regierungsrat des Kantons Bern dem Bundesrat zu Händen der Bundesversammlung das Gesuch, es möchten die in den Artikeln 15,, 17 und 18 dei- durch Bundesbeschluss vom 23. Dezember 1891 (E. A. S. XI, 535) erteilten, unterm 26. März 1897 (E. A. S. XIV, 338) erweiterten und durch Bundesbeschluss vom 23. Dezember 1899 (E. A. S. XV, 888) auf den Kanton Bern übertragenen Konzession einer Eisenbahn von Frutigen durch den Lötschberg nach Brig (Lötschbergbahn) vorgesehenen Taxen folgendermassen abgeändert werden: 1. für die Thalstrecken seien die im Bundesgesetz vom 27. Juni 1901, betreffend das Tarifwesen der schweizerischen Bundesbahnen für diese festgesetzten Ansätze zu berechnen; 2. für die Bergstrecken von 15 o/oo und darüber seien sämtliche in der Konzession aufgestellten Taxen um 60 °/o zu erhöhen.

Der Regierungsrat begründete dieses Gesuch wie folgt: Die in den Artikeln 15, 17 und 18 der Konzession für die Lötschbergbahn vorgesehenen Taxen für den Personen-, Gepäck-,,

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Vieh- und Gütertransport entsprechen im wesentlichen denjenigen!

der Normalkonzession (Bundesbeschluss betreffend die Konzessionfür eine Eisenbahn von Thun nach Konolfingen vom 17. September 1873, E. A. S. I, 137). Nun seien die seit der Erteilung der Lötschbergbahn-Konzession festgesetzten Taxen der schweizerischen Bundesbahnen laut Bundesgesetz vom 27. Juni 1901 über das Tarifwesen etwas höher als diese Taxen. Es bedürfe wohl keiner weitern Begründung, dass für die Talstrecken der Lötschbergbahn die Taxen denjenigen der Bundesbahnen gleichgestellt werden sollen.

Im weitern sollte jedoch auf die B e r g s t r e c k e n der Lötschbergbahn besondere Rücksicht genommen werden, wie dies schon von Anfang an bei der Gotthardbahn der Fall gewesen sei. Der Gotthardbahn sei schon durch Bundesbeschluss vom 22. Oktober 1869 (E. A. S. a. F. VI, 125), durch welchen die vom Kanton, Tessin unterm 15. Mai 1869 erteilte Konzession für den Bau einer Eisenbahn von Biasca bis an die Grenze Tessios gegen Uri und von Lugano bis Bellinzona (E. A. S. a. F. VI, 115) genehmigt wurde, die Bewilligung erteilt worden, für Steigungen von 15°/oo und darüber die doppelten Taxen zu beziehen. Tatsächlich erhebe denn auch die Gotthardbahn für die Bergstrecken wesentlich höhere Taxen (Erstfeld-Biasca und Giubiasco-Taverne, für Personen und Güter 60 °/o, für Gepäck 100 °/o Zuschlag). Femer habe die Bundesversammlung, veranlasst durch ein Postulat des Nationalrates im Jahre 1873 und gestützt auf eingehende Berechnungen des schweizerischen. Eisenbahndepartements in den Konzessionen verschiedener Eisenbahnen Taxerhöhungen für Strecken mit grössern Steigungen bewilligt, sei es durch Festsetzung höherer Taxen in den Artikeln 15, 17 und 18 oder durch Einschaltung eines neuen Artikels 18 a, in welchem die Erhöhung grundsätzlich bewilligt worden sei. In seiner Botschaft vom 11. September 1873 habe sich der Bundesrat dahin ausgesprochen, dass durch die Gewährung höherer Taxen für Strecken mit grösseren Steigungen der Bau von Eisenbahnen mit schwierigerem Betrieb wesentlich gefördert werde, dass Nachteile für die öffentlichen Interessen dabei um so weniger zu befürchten seien, als in die jeweilige Konzession die Bestimmung aufgenommen werde, es seien die Taxenzu reduzieren, sobald der Ertrag gewisse Prozente übersteige.

Dieser Vorbehalt
sei in Artikel 24 der Konzession für die Lötschbergbahn ebenfalls gemacht worden.

Zu den Linien, für welche die Bundesversammlung die höhern Taxen grundsätzlich bewilligt habe, gehöre auch die Siinplonbahn, indem durch Bundesbeschluss vom 24. September 1873 (E. A. S. I T 272} im Artikel 18 a der Konzession für die ,,Ligne d'Italie pair

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le Simplon* auf dem Gebiet des Kantons Wallis bestimmt worden sei : T,Für zu erbauende Strecken mit grössern Steigungen wird der Bundesrat diejenigen Taxerhöhungen für den Transport von Personen, Vieh und Waren bewilligen, welche für andere schweizerische Bahnen unter ähnlichen Verhältnissen festgesetzt worden sind.1* Durch Beschlüsse vom 15. Juli und 23. Dezember 1879 (E. A. S. V, 289 und 290) habe der Bundesrat, beziehungsweise die Bundesversammlung zudem dieser Linie für alle Teilstrecken noch eine temporäre Erhöhung der bestehenden Tarife für den Personen-, Gepäck-, Vieh- und Warenverkehr (einige Natur- und Rohprodukte ausgenommen) um 25°/o bewilligt. Zu den Linien, für welche die gesetzgebende Behörde höhere Taxen bewilligt und gleich von vornherein in der Konzession festgesetzt habe, gehöre sodann eine Anzahl Nebenbahnen. Zu erwähnen seien
Unterm 12. März 1906 übermittelte der Regierungsrat dem Eisenbahndepartement die nötigen Vorlagen, welche gestatten, festzustellen, auf welchen Strecken nach dem heutigen Stand der ·Studien eine erhöhte Taxe beansprucht werde.

Da die Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen Studien über die Verhältnisse der Lötschbergbahn anstellt, teilte ihr das Eisenbahndepartement das Konzessionsänderungsgesuch zur Vernehtnlassung mit.

Die Generaldirektion äusserte sich unterm 13. März 1906 dahin, ausgeführt. In beiden Fällen werden richtigerweise die Taxen der Bundesbahnen Anwendung finden, im Falle der Ausführung durch die Bundesbahnen laut gesetzlicher Vorschrift, im ändern Fall aus Konkurrenzrücksichten. Aus diesem

557 'Grunde erscheine das Begehren begreiflich, welches von der Bewilligung der sogenannten Bergzuschläge der Gotthardbahu für die Lötschbergbahn spreche und für die Bergstrecken von 15 °/oo .und darüber Erhöhung sämtlicher Taxen um 60 °/o verlange. Die Formulierung des Begehrens sei aber eine zu enge. Dieselbe stelle ·auf den heute geltenden Zustand ab und ignoriere eine künftige Entwicklung. Es sei wahrscheinlich, dass der heutige Bergzu-schlag der Gotthardbahn nicht für alle Zukunft bestehen werde, vielmehr werde mit einer Reduktion desselben zu rechnen sein.

Vollständig unsicher sei aber, in welchem Umfange eine solche Herabsetzung eintreten werde. Die Generaldirektion sei daher der Ansicht, gerade im Interesse der Lötschbergbahn sollte die Sonzessionsänderung einfach dahin gehen, dass die Taxbestimmungen des Bundesgesetzes vom 27. Juni 1901 betreffend das 'Tarifwesen der schweizerischen Bundesbahnen für die Lötschbergbahn anwendbar erklärt werden, d. h. Artikel 8 bis und mit 12, sowie Artikel r 13 bis und mit 20, Artikel 22 und 23 des genannten Gesetzes.

Der Staatsrat des Kantons Wallis teilte mittelst Vernehmlassung vom 17. März 1906 mit, dass er keine Einwendungen dagegen zu erheben habe, dass für die Talstrecken die im Bundesgesetz betreffend das Tarifwesen der schweizerischen Bundesbahnen vom 27. Juni 1901 festgesetzten Ansätze zu berechnen seien.

Was die Bergzuschläge betreffe, so habe der Staatsrat kein Interesse, dieselben zu befürworten, da das vom Regierungsrat des Kantons Bern gewählte Tracé sowieso dem Kauton Wallis nur geringen Nutzen bringe, während die Projekte Emch, Beyeler und Stockalper den Interessen des Kantons Wallis besser dienen würden. Auch werde die Linie nach Verlassen des Tunnels mit 4seinerder westlich gelegenen seh weizerischenBundesbahnen-Stationen mit einer Zweiglinie verbunden, deren Gefalle 40°/oo nicht überschreite , eine Bedingung, deren Notwendigkeit auch von den internationalen Experten für die Lötschbergbahn-Projekte anerkannt worden sei.

Wir gehen im allgemeinen mit den Ausführungen der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen einig und empfehlen Ihnen daher grundsätzlich das Konzessionsänderungsgesuch zur Berücksichtigung.

Das Gesuch um Ersetzung der Taxen der Artikel 15, 17 und 18 der Konzession durch die entsprechenden Taxen des Tarifgesetzes
bringt einige kleine Taxerhöhungen · mit sich, die aber zu Beanstandungen keinen Anlass geben können. Die Ersetzung hat in der Weise zu geschehen, dass die Artikel 15 (Personen Bundesblatt. 58. Jahrg. Bd. II.

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558 und Gepäck), 17 (lebende Tiere), 18 (Güter), 19 (Notstandsartikel), sowie 20 und 21 (allgemeine Bestimmungen) der Konzession aufgehoben und dass an deren Stelle die Vorschriften der Artikel 8 (ausgenommen das zweitletzte Alinea) und 9 (Personen), 11 (Gepäck), 13 (ausgenommen das 5. Alinea), 14, 16, 17 und 18(Güter), 19 (lebende Tiere), 20 (Minimaltaxen für Güter und Tiere), sowie 22 und 23 (allgemeine Bestimmungen) des Bundesgesetzes vom 27. Juni 1901 betreffend das Tarifwesen der schweizerischen Bundesbahnen treten.

Was sodann die sogenannten Bergzuschläge anbetrifft, soerlauben wir uns, darauf hinzuweisen, dass Artikel 8, Absatz 2r und Artikel 13, Absatz 4, des zitierten Bundesgesetzes vom 27. Juni 1901 die Bestimmung enthalten, dass für Bahnstrecken mit starken Steigungen und für Bahnstrecken, bei welchen ganz ausnahmsweise Bau- und Betriebsverhältnisse bestehen, der Bundesrat die Erhebung eines Taxzuschlages bewilligen kann. Esist damit auch dem zweiten Begehren des berniscfien Regierungsrates Rechnung getragen. Diese Lösung ist derjenigen der Bewilligung eines fixen Zuschlages für gewisse Steigungen vorzuziehen,, indem sie gestattet, sich nach Ausarbeitung des Bauprojektes den, wirklichen Verhältnissen anzupassen und namentlich auch die Bewilligung eines Zuschlages für den grossen Tunnel, der nach derrv Vorschlag des Regierungsrates von diesem ausgeschlossen wäre, ermöglicht.

Wir benutzen den Anlass, Ihnen noch eine Ergänzung der Konzession mit Rücksicht auf folgende Verhältnisse zu beantragen : Der schweizerische Verein für Sonntagsheiligung dringt seit Jahren auf gesetzliche Regelung der Sonntagsruhe beim Bau vonEisenbahnen und insbesondere von Tunneln. Die jüngsten Verhandlungen des Eisenbabndepartements in dieser Angelegenheit und die sehr günstigen Erfahrungen, welche die Simplon-Unternehmung mit Gewährung der Sonntagsruhe beim Tunnelbau gemacht hat, lassen es uns als angezeigt erscheinen, in den Bundesbeschluss eine Bestimmung aufzunehmen, wonach die Bahnverwaltung dafür zu sorgen hat, dass die Tunnelarbeiten am Sonntag,, mit Ausnahme der Arbeiten ,,vor Ort" und allfälliger unaufschiebbarer Arbeiten, eingestellt werden müssen.

559 ?! p

Indem wir Ihnen den nachstehenden Beschlussesentwurf zur Annahme empfehlen, benutzen wir diesen Anlass, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 26. März 1906.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Billgier.

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(Entwurf.)

Bundeslbesclüuss betreffend

Aenderung der Konzession einer Eisenbahn von Frutigen durch den Lötschberg nach Brig (Lötschbergbahn).

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht \. zweier Eingaben des Regierungsrates des Kantons Bern, vom 1. und 12. März 1906; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 26. März 1906, beschliesst: I. Die durch Bundesbeschluss vom 23. Dezember 1891 (E. A. S. XI, 535) erteilte, unterm 26. März 1897 (E. A. S. XIV, 338) erweiterte und durch Bundesbeschluss vom 23. Dezember 1899 (E. A. S. XV, 888) auf den Kanton Bern, für sich oder zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft, übertragene Konzession wird abgeändert und ergänzt, wie folgt: 1. Die Artikel 15, 17, 18, 19, 20 und 21 werden aufgehoben und durch die Bestimmungen der Artikel 8 (ohne das zweitletzte Alinea), 9, 11, 13 (ohne das 5. Alinea), 14, 16, 17, 18, 19, 20, 22 und 23 des Bundesgesetzes vom 27. Juni 1901 betreffend das Tarifwesen der schweizerischen Bundesbahnen ersetzt.

2. Die Bahnverwaltung hat dafür zu sorgen, dass die Tunnelarbeiten am Sonntag, mit Ausnahme der Arbeiten ,,vor Ort" und allfälliger unaufschiebbarer Arbeiten, eingestellt werden.

II. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses, welcher am 15. April 1906 in Kraft tritt, beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Aenderung der Konzession einer Eisenbahn von Frutigen durch den Lötschberg nach Brig (Lötschbergbahn). (Vom 26. März 1906.)

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04.04.1906

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