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Kreisschreiben des

Bundesrates an seine Gesandtschaften und Konsulate, betreffend den Militärsteuerbezu im Auslande.

(Vom 21. Juni 1906.)

Tit.

Die im Auslande wohnenden Schweizer, welche keinen persönlichen Militärdienst leisten, sind gemäss Art. l des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz vom 28. Juni 1878 dieser Steuer in gleicher Weise unterworfen wie ihre in der Heimat zurückgebliebenen Mitbürger (ausgenommen im Falle des Art. 2, lit. c, dieses Gesetzes). Es ist nun längst bekannt, dass viele in der Fremde sich aufhaltende Schweizerbürger den Militärpflichtersatz nicht bezahlen, sei es, dass sie zu demselben überhaupt nicht herangezogen werden, sei es, dass sie die Erfüllung ihrer Ersatzpflicht einfach verweigern. Dieser Übelstand hat seine mannigfaltigen Ursachen, so z. B. in dem Fehlen direkter Zwangsmittel gegen unbotmässige Steuerpflichtige im Auslande, ferner in dem da und dort noch vorkommenden Mangel an Sorgfalt und Planmässigkeit der kantonalen Behörden; von diesen letztern beschweren sich einige darüber, dass sie seitens der Gesandtschaften und Konsulate nicht immer die nötige Unterstützung finden. Oft bleibt der ausländische Aufenthaltsort von Schweizern jahrelang unbekannt, indem viele Pflichtige die Vorschriften der bundesrätlichen Verordnung über das militärische Kontrollwesen vom 15. August 1902, die Urlaubserteilung und Urlaubserneuerung betreffend, ausser acht lassen und sich auch nicht in die bei den schweizerischen Gesandtschaften und Konsulaten aufliegenden

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Matrikelregister eintragen lassen. Eine ausnahmslose Anwendung des Militärsteuergesetzes gegenüber allen demselben unterworfenen Landesabwesenden dürfte, wie vom Bundesrate schon früher zugegeben worden ist, der vielen und zum Teil bedeutenden Schwierigkeiten wegen nie erreicht werden. Anderseits werden die bestehenden Zustände von den Beteiligten als eine Ungerechtigkeit empfunden, indem die einen Pflichtigen, welche die ErsatzSteuer entrichten, zusehen müssen, wie andere in gleicher Lage befindliche Landsleute von jeder Besteuerung unbehelligt bleiben.

Es erscheint daher als geboten, der zwar nicht beabsichtigten, aber doch bestehenden ungleichen Behandlung vor dem Gesetz naeh Möglichkeit entgegenzuwirken.

Diesen Zweck verfolgten bereits mehrere Kreisschreiben der Bundesbehörden an die Kantonsregierungen und verfolgt jetzt auch das heutige Zirkular, das auf Grund eines vom Nationalrate im Jahre 1904 aufgestellten Postulates erlassen wird.

Die Taxation der Landesabwesenden ist nach Massgabe der Artikel 10 und 13 des Bundesgesetzes vom 28. Juni 1878 alljährlich vom Heimatkanton vorzunehmen und den Betreffenden in geeigneter Weise zur Kenntnis zu bringen. Im zweiten Absätze des letztern Artikels heisst es sodann : ,,Der Bundesrat wird bestimmen, inwieweit die schweizerischen Vertreter im Auslande bei der Anlage und beim Bezug des Ersatzes mitzuwirken und die Kantone zu unterstützen haben.1' Infolgedessen hat der Bundesrat in Art. 3 seiner Vollziehungsverordnung vom 1. Juli 1879 die Vorschrift aufgestellt, dass von den Kantonsregierungen die Konsularbeamten und da, wo solche zunächst nicht vorhanden sind, auch die diplomatischen Vertreter des Bundes hinsichtlich solcher Ersatzpflichtiger in Anspruch genommen werden können, welche als im betreffenden Staate oder Konsularbezirke wohnend namhaft, zu machen sind. Die amtliche Mitwirkung der Gesandtschaften und Konsulate beschränkt sich auf die Erteilung von Aufschlüssen über Wohnsitz, PersonalVerhältnisse, Vermögen und Einkommen der zu Besteuernden, sowie auf die Veranstaltung von Einvernahmen und Anzeigen.

Zur Fassung der erstinstanzlichen Taxationsentscheide, welche auf den Steuerzetteln verurkundet werden, sowie zur Beurteilung von Rekursen sind die Vertretungen des Bundes im Auslande weder verpflichtet noch dem Gesetze nach überhaupt kompetent; sie sind bloss gehalten, die Steuerentscheide und Mahnungen, welche von den kantonalen Behörden ausgehen, auf Verlangen der letztern den Pflichtigen zuzustellen.

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Was den Inkasso der Militärsteuer anbelangt, so ist derselbe den Gesandtschaften und Konsulaten grundsätzlich nicht Überbunden worden. Der Bundesrat hat auf das besondere Vertrauensverhältnis, das zwischen seinen auswärtigen Vertretern und deren Schutzbefohlenen besteht, von jeher Rücksicht genommen und es deshalb möglichst vermieden, den ersteren einen fiskalischen Charakter zu verleihen.

Andererseits sollten jedoch die Schweizer in der Fremde immer mehr zur Einsicht gelangen, dass sie sich den Obliegenheiten gegenüber ihrer Heimat nicht entziehen dürfen.

Die Militärsteuer im Auslande zwangsweise einzutreiben, ist, "wie bereits angedeutet wurde, nicht möglich, indem nach der internationalen Praxis kein Staat seine Rechtshülfe zur Erhebung fremder Abgaben leiht. Wohl aber kann, wenn ein landesabwe·sender Ersatzpflichtiger in der Schweiz Vermögen besitzt, dasselbe mit Arrest belegt und sodann die Betreibung am Orte, wo sich der Arrestgegenstand befindet, durchgeführt werden. Auch haben es renitente Pflichtige jeweilen vor allem sich selbst zuzuschreiben, wenn ihnen anlässlich ihrer Anwesenheit in der .Schweiz der Militärpflichtersatz, soweit er noch nicht verjährt ist, d. h. auf zehn Jahre zurück, gleichzeitig abverlangt wird; solche Fälle sind gar nicht selten. Ferner kann, je nachdem es das kantonale Prozessrecht zulässt, gegen jemand, der schuldhafterweise ungeachtet zweimaliger Mahnung durch die Militärbehörden den Militärpflichtersatz nicht entrichtet, in Anwendung des Bundesgesetzes vom 29. März 1901 ein Strafurteil in contumaciam ausgefällt werden. Gelingt es nun den Gesandtschaften und Konsulaten, ihre Schutzbefohlenen zu regelmässiger Steuerzahlung zu veranlassen, so wird damit den letztern insofern ein Dienst erwiesen, als dann allfällige unangenehme Folgen der erwähnten Art vermieden bleiben.

In einer Hinsicht können diese Amtsstellen sich den Pflichtigen noch nützlich erweisen. Es ist für viele Leute gewiss bequemer und zugleich vorteilhafter, sieh ihrer militärischen Steuerpflicht auf der Gesandtschaft oder dem Konsulate zu entledigen, anstatt den Betrag durch die Post nach der Schweiz zu senden und dabei jedesmal das Dienstbüchlein beilegen zu müssen. Wir weisen daher unsere Vertreter im Auslande an, in solchen Fällen, in welchen die Pflichtigen selbst die Militärsteuer bei ihnen zu entrichten wünschen, die Zahlung entgegenzunehmen und dafür unter Anzeige an den bezugsberechtigten Heimatkanton im Dienstbüchlein zu quittieren.

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Für den Ersatzbezug zu Händen einer kantonalen Behörde dürfen die Gesandtschaften und Konsulate eine Gebühr in Rechnung bringen, welche 5 % des einkassierten Betrages nicht übersteigen darf. Die in der vom Bundesrate unterm 30. Dezember 1897 modifizierten Ziffer 9 des Gebührentarifes des Konsularreglements vom 26. Mai 1875 vorgesehene Provision von l °/o kommt somit hier nicht zur Anwendung.

Wir sprechen nun die Erwartung aus, dass unsere Vertreter im Auslande sich mit erneuter Sorgfalt des Militärsteuerwesens annehmen und dabei, soweit immer tunlich, die Kantone mit Rat und Tat unterstützen werden.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 21. Juni 1906.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Kreisschreiben des Bundesrates an seine Gesandtschaften und Konsulate, betreffend den Militärsteuerbezug im Auslande. (Vom 21. Juni 1906.)

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27.06.1906

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