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Bericht des

Bunderates an die Bundesversammlung betreffend das Gesuch des Vereins schweizerischer Drahtseilbahngesellschaften um Aenderung der Konzessionsbestimmungen über die Verpflichtung zur Herabsetzung der Transporttaxen.

(Vom 8. Dezember 1906.)

Tit.

Der Verein schweizerischer Drahtseilbahngesellschaften, vertreten durch Herrn Fürsprech Lohner in Thun, unterbreitete unterm 30. August d. J. dem Bundesrat zu Händen der Bundesversammlung das Gesuch, es möchten die in den Konzessionen der dem Verein schweizerischer Drahtseilbahngesellschaften angehörenden Bahnunternehmungen enthaltenen Bestimmungen betreffend die Verpflichtung zur Herabsetzung der Transporttaxen abgeändert werden, wobei er zugleich folgende Lösungen in Vorschlag brachte: 1. Die vollständige Weglassung der Taxherabsetzungsklausel, entsprechend der Konzession für die Giessbachbahn.

2. Die Wiederherstellung des frühern Textes der Taxherabsetzungsklausel, d. h. die Festsetzung der Ertragsgrenze auf a c h t Prozent.

3. Den Ersatz der bisherigen durch eine neue Bestimmung, wonach eine angemessene Herabsetzung der Taxen erst dann erfolgen soll, wenn der durchschnittliche Reinertrag aller Betriebsjahre des Unternehmens ein gewisses Verhältnis, vielleicht sechs bis acht Prozent, übersteigt.

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In den beiden letztgenannten Fällen sei unter Reinertrag der Reinertrag des Anlagekapitals im Sinne des Rekurses der Salvatorebahn zu verstehen. Wolle man aber auf die Dividende abstellen, so ergebe sich als fernere Möglichkeit: 4. Die Modifikation in Ziffer 3, statt Reinertrag Dividende zu setzen und die Ertragsgrenze für diesen Fall zu bestimmen.

Diesem Gesuche wurde ein Rechtsgutachten über die Frage der Verpflichtung der Eisenbahngesellschaften zur Herabsetzung der Transporttüxen von Herrn Professor Dr. von Salis beigelegt.

Da sowohl das Gesuch als das Rechtsgutachten im Drucke vorliegen und Ihnen verteilt worden sind, glauben wir, uns einer Wiedergabe des Inhalts derselben enthalten zu können und beschränken uns darauf, zu den einzelnen Abschnitten des Gesuches, sowie zum Rechtsgutachten unsere Bemerkungen anzubringen.

Zu I. Auf diesen Abschnitt brauchen wir nicht näher einzutreten, da derselbe lediglich eine Aufzählung der dem Verein schweizerischer Drahtseilbahngesellschaften angehörenden Bahnunternehmungen enthält.

Zu II. Die Zahl der aufgeführten Abweichungen von der normalen Bestimmung der Konzession betreffend die Taxreduktion ist gegenüber der Gesamtzahl der in Betracht kommenden Konzessionen verschwindend klein. In einigen Fällen kann nicht mehr festgestellt werden, warum eine Abweichung zugestanden wurde.

Bezüglich der abweichenden Bestimmungen in den Konzessionen der Drahtseilbahn auf die Muottas bei Samaden und der Jungfraubahn erlauben wir uns, auf die bezüglichen Ausführungen in den Botschaften vom 15. Dezember 1904 (Bundesbl. VI, 593) und vom 21. Dezember 1898 (Buudesbl. V, 590) zu verweisen.

Zu III. Wir halten nicht für nötig, eine weitere Erörterung über die Frage, was unter dem Reinertrag zu verstehen sei, an dieser Stelle vorzunehmen, da wir diese Frage im Bericht über den Rekurs der Berner Oberland-Bahnen betreffend Herabsetzung der konzessionsmässigen Maximultaxen vom 5. Juni 1906 (Bundesblatt III, 865) eingehend behandelt haben. Auf keinen Fall könnte auf den im Ruckkaufsartikel angeführten ,,Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben"1 abgestellt werden, weil die Bestimmung über die Taxherabsetzung verhüten soll, dass die Einkünfte der Bahngesellschaften nicht über ein gewisses Verhältnis hinaus gesteigert werden. Dieses Verhältnis ist in Prozenten begrenzt, was bedingt, dass der Ertrag an dem gewinnberechligten Kapital gemessen werden muss.

198 Die gegenteiligen Ausführungen im Rechtsgutachten des Herrn Professor Dr. von Salis halten wir nicht für richtig.

"oZu IV. Wie der gegenwärtige Zustand der Vorschriften der Konzessionen über die Taxreduktion unbefriedigend sein soll, ist nicht ersichtlich und wird auch der Nachweis dafür vorn Verein 'der Seilbahnen nicht erbracht.

Zu V. Die Bestimmung betreffend die Taxreduktion hat nicht, wie angenommen wird, ihren Ursprung im Eisenbahngesetz von 1872, sondern es findet sich diese Klausel schon in einer ganzen Anzahl alter, von den kantonalen Behörden erteilten Konzessionen, und es ist dieselbe dann allerdings in einheitlicher Form in alle Bundeskonzessionen ohne wesentliche Ausnahmen übernommen worden. Früher war, wie richtig angegeben ist, die Grenze 8 °/o, bei welcher die Taxreduktion stattfinden muss; dieselbe ist alsdann bei Reduktion des allgemeinen Geldzinses in ganz richtiger Weise ebenfalls reduziert und auf 6 °/o festgesetzt worden. Nur in Ausnahmeverhältnissen ist auf 8 % zurückgegangen worden.

Nach dem Stand des Geldmarktes könnte viel eher eine Reduktion des obigen Prozentsatzes in Frage kommen, als eine Erhöhung desselben ; denn es stellt ein Reinerträgnis von 6 °/o gegenüber dem allgemeinen Zinsfuss eine ganz oette Prämie für das Risiko dar, das gelaufen wird. Zum Beweise sei angeführt, dass anfangs der Siebzigerjahre die Anleihenszinse meistens auf 5 % und in einzelnen Fällen sogar auf 6°/o standen. Für 1890 betrugen die Zinse durchschnittlich gegen 4°/o und pro 1904 ergaben sich nur noch mittlere Zinssätze von 3,s und 3,e °/o.

Die Seilbahnen sind nicht alle Luxusbahnen, eine ganze Anzahl derselben entspricht einem volkswirtschaftlichen Bedürfnisse; wir verweisen nur auf die Lausanne-Ouchy-Bahn, Territet-GlionBahn, Beatenbergbahn, Ecluse-Plan, Ragatz-Wartenstein, RheineckWalzenhausen, Biel-Evilard etc. Andere stellen dagegen mehr Touristenbahnen dar. Bei der Konzessionserteilung wird aber diesem verschiedenen Charakter der Bahnen bereits bis zu einem gewissen Grad Rechnung getragen, indem für letztere höhere Taxen bewilligt werden. Eine Berechtigung auf höhere Reinerträgnisse besteht aber auch für die Luxusbahnen nicht. Es ist eine nicht zu billigende Verkehrspolitik, die Fremden übermässig hohe Taxen bezahlen zu lassen. Diesen Bestrebungen im Verkehrsleben muss kräftig
entgegengetreten werden, wenn nicht schliesslich die Allgemeinheit den Schaden davon tragen soll. Aus diesem Grund ist auch die Bundesversammlung wiederholt der früher bestandenen Begünstigung der einheimischen Bevölkerung entgegengetreten, und sollen nun durch Erhöhung des Prozentsatzes, der

199 zur Taxreduktion berechtigt, nicht diese guten Bestrebungen wieder ·au nichte gemacht werden.

Im übrigen überschreiten die Gewinne der Unternehmungen, ·an welche die Frage der Taxermässigung herantritt, gewöhnlich ·schon in einzelnen Jahren vor der massgebenden dreijährigen Periode und dann während dieser letztern selbst den Ansatz von ·6 °/o in erheblicher Weise. Es betragen beispielsweise die Ge"winne pro : 1901

1902

1903

1904

°/0

°/0

°/0

°/0

6,20

9,as

7,97

8,98

6,85 5,eo

8,31 6,40

8,34 7,43

9,26 5,so

Der Salvatorebahn . 6,1* Der Berner Oberlandbahnen . . . . 6,91 Der Beatenbergbahn . 6,11

1905 °/0

Die vorhandene Ertragsgrenze bietet also jetzt schon den weitesten Spielraum. Eine Erhöhung derselben wäre nicht gerechtfertigt.

Die Erwägungen betreffend den Rückkauf haben bei den ·Seilbahnen zurzeit wenigstens keine praktische Bedeutung, da aber die Bundesversammlung in allen Konzessionen sich das Recht des 'Rückkaufs wahrt, so besteht auch die Pflicht, auf dieses Moment jetzt schon die nötige Rücksicht zu nehmen. Eine Vernachlässigung dieses Punktes, wie die Eingabe der Seilbahnen in Aussicht nimmt, ist daher nicht berechtigt.

Der Verein der Seilbahnen legt im übrigen den bundesrät·lichen Bericht zum Rekurs der Berner Oberland bahnen nicht ganz richtig aus, wenn er sagt, das Schwergewicht der Taxherabsetzung .bestehe in der Verhinderung zu hoher Rückkaufswerte. Für den Bundesrat ist dies ein Grund zweiter Ordnung. Sein erstes Ziel ist, die Verhältnisse der Bahnen, soweit es ohne Schädigung der·aelben geschehen kann, den volkswirtschaftlichen Bedurfnissen möglichst anzupassen.

Zu VI. Dass in der Bestimmung der Konzession betreffend die Herabsetzung der Taxen unter gewissen Umständen eine Unibilligkeit liegen soll, ist nicht verständlich. Es bat übrigens den Potenten frei gestanden, die Konzessionen, wie sie die Bundesversammlung erteilt hat, zu akzeptieren oder auf dieselben zu verzichten. Dass sie letzteres nicht getan haben, darf füglich als Beweis dafür angesehen werden, dass sie die Bestimmungen als ·annehmbar befunden haben. Eigentümlich musa es berühren, dass die behauptete Unbilligkeit erst gefühlt wird, nachdem eine tatsächliche Anwendung der Vorschrift über die Taxreduktion ein-

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getreten ist. Die Berechtigung der Vorschrift für Spezialbahnea ist ebensowohl vorhanden, als für Normal- und Schmalspurbahnen und besteht in dieser Beziehung kein wesentlicher Unterschied.

Die Ausführungen des Vereins der Seilbahoen betreffend diegeringere Leistungsfähigkeit dieser Bahnen gegenüber ändern Bahnen sind ebenfalls nicht ganz zutreffend ; er hat unterlassen, zu erwähnen, dass die Seilbahnen gerade wegen ihrer Bauart in der Lage sind, bei Bedürfnis einen kontinuierlichen Betrieb einzuführen,, indem ein Zug auf den ändern folgt, was bei ändern Bahnen in der Regel nicht möglich ist. Durch diese Anordnung kann ihre Leistungsfähigkeit bedeutend gesteigert werden, auch wenn in einem Zug nur eine geringere Anzahl Reisende befördert werden kann. Die Einschränkung der Beförderungszahl auf einmal teilen, die Seilbahnen aber mit vielen ändern Bahnunternehrnungen. Es rechtfertigt sich daher auch von diesem Standpunkt aus eine besondere Behandlungsweise der Seilbahnen nicht.

Viele Seilbahnen gehören zu der Kategorie der Transportanstalteu, die aus einer volkswirtschaftlichen und verkehrspolitischea Notwendigkeit heraus entstanden sind und zur Befriedigung eines Verkehrsbedürfnisses dienen.

Zahlreiche Bahnen befinden sich mit den Seilbahnen in der gleichen Lage, dass sie ihre Entstehung dem Unternehmergeist desPrivatkapitsils verdanken und. nennenswerte Subventionen nicht genossen haben. Es liegt also auch hier keine Ausnahmestellung, der Seilbahnen vor. Die Behauptung, dass nur der geringste Teil der Reisenden schweizerischer Nationalität sein soll, könnte für eine grosse Anzahl Seilbahnen kaum nachgewiesen werden, aber selbst wenn dem so wäre, so liegt hierin noch lange kein Grund und keine Berechtigung, eine ausnahmsweise Behandlung bezüglich der Taxfrage eintreten zu lassen. Dem vom Verein der Seilbahnen behaupteten Interesse, das die Allgemeinheit daran haben soll,, dass diese Unternehmungen prosperieren, wird in vollem Masse bei der bisherigen Behandlung Rechnung getragen, wonach eine Unternehmung erst nach Überschreitung eines Reinertrages von 6 °/» die Taxen reduzieren muss.

Die Einrede, dass durch die zwangsweise Taxreduküon in den Konkurrenzkampf zwischen den Unternehmungen eingegriffen werde, ist nicht zutreffend. Die Taxreduktion schafft gerade für die Bahn, welche ihr unterworfen
wird, eine günstigere Situation und kann dieser daher nicht zum Nachteil gereichen. Jede Ermässigung der Taxen führt zu einer erhöhten Benützung der Bahn.

Das ist ein Erfahrungsgrundsatz, der auch für die Seilbahnen Geltung hat.

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Zu VII. Entgegen der Auffassimg des Vereins der Seilbahnen müsste die Aufhebung oder Änderung des Artikels betreffend die Herabsetzung der Taxen als inkonsequent und rechtswidrig bezeichnet werden. Bei der Erteilung von Konzessionen ist bisher nach dem Grundsatz der Einheit und Gleichheit verfahren worden.

Es ist selbstverständlich, dass der Bundesratsbeschluss vom 31. Mai 1904 betreffend die Berechnung des Reinertrages der Privatbahnen, soweit er die Taxfrage betrifft, sich auf die Konzessionen stützt. Das hindert aber nicht, dass der Bundesrat hierfür, wie für die ändern gesetzlichen Ertragsbegriffe (Konzessionsgebühr und Postentschädigung) einheitliche Normen aufstellt.

Zu VIII. Der Nachweis, dass die Konzessionsbestimmung betreffend die Taxreduktion für die Seilbahnen eine Unbilligkeit in sich schliesst, ist von diesen nicht geleistet worden, dagegen ist das Gegenteil richtig, dass eine einseitige Änderung dieser Vorschrift für die Seilbahnen Unbilligkeiten gegenüber zahlreichen ändern Eisenbahnunternehmungen schaffen wilrde.

Durch die in Ziffer II bis VIII euthaltenen Ausführungen und unsere Erörterungen über den Begriff ,,Reinertrag"1 in dem oben erwähnten Bericht über den Rekurs der Berner Oberlandbahnen, betreffend Herabsetzung der konzessionsmässigen Maximaltaxen ist auch das Gutachten des Herrn Professor Dr. von Salis genügend widerlegt, so dass wir uns enthalten können, auf die Einzelheiten desselben hier noch einzutreten.

Wir beantragen Ihnen daher, das Gesuch des Vereins schweizerischer Drahtseilbahngesellschaften als unbegründet abzulehnen und benützen auch diese Gelegenheit, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versicheru.

B e r n , den S.Dezember 1906.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

L. Eorrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Eingier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Gesuch des Vereins schweizerischer Drahtseilbahngesellschaften um Aenderung der Konzessionsbestimmungen über die Verpflichtung zur Herabsetzung der Transporttaxen. (Vom 8. Dezember 1906....

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12.12.1906

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