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Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend die Beteiligung des Militärs an eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen.

(Vom 9. Februar 1906.)

Getreue, liebe Eidgenossen !

Bei der Behandlung der Beschwerde, die gegen die Wahl des Herrn Dr. Mächler zum Nationalrat gerichtet worden war, hat es sich ergeben, daß in zwei Militärschulen die Angehörigen des Kantons St. Gallen die erforderlichen Wahlformularenicht erhalten hatten, obwohl in unserem Kreisschreiben vom 22. September 1905 ausdrücklich bemerkt war, daß es Sache der kantonalen Behörden sei, die nötigen Vorkehren zu treffen, um den- im Militärdienst befindlichen Wählern die Ausübung des Wahlrechtes zu ermöglichen. In Anbetracht dessen sprach, der Nationalrat in seiner Sitzung vom 14. Dezember 1905 die Erwartung aus, es möchte dafür gesorgt werden, daß die Kantone in Zukunft die nötigen Vorkehren treffen, um den im Militärdienste befindlichen Bürgern Gelegenheit zur Ausübung ihres Stimmrechtes zu geben.

Diesem Wunsche nachkommend, sehen wir uns veranlaßt, vorab auf die gesetzliche Bestimmung, welche die Ausübung des Stimmrechts seitens des Militärs behandelt, aufmerksam zu machen.

Nach Art. 4, Absatz l, des Bundesgesetzes betreffend die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen, vom 19. Juli 1872 (A. S. X, 915), modifiziert durch das Bundesgesetz vom 20. Dezember 1888 (A- S. n. F. XI, 60) soll den Stimmberechtigten, die sich im Militärdienst befinden, Gelegenheit geboten werden, sich an den genannten Wahlen und Abstimmungen zu beteiligen.

Ferner ist noch zu erwähnen, daß gemäß dem Bundesgesetze betreffend Erleichterung der Ausübung des Stimmrechtes, vom

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30. Màrz 1900 (A. S. n. F. XVIII, 119), die Kantone ermächtigt sind, bei eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen die Stimm gäbe schon am Vorabend des Wahl- oder Abstimmungstages zuzulassen.

Bei den eidgenössischen Abstimmungen sendet nun das schweizerische Militärdepartement selbst die erforderliche Anzahl Vorlagen, Stimmzettel und Protokolle den Schulen und Kursen zu. Das Verfahren ist in der Hauptsache folgendes: Es bleibt jedem Einzelnen überlassen, an der Abstimmung, die kantonsweise und geheim zu erfolgen hat, sich zu beteiligen oder nicht.

Größere Beurlaubungen auf den Abstimmungstag werden vermiede» und sind, wenn unvermeidlich, den betreffenden Kantonen zur Kenntnis zu bringen. In Fällen, in denen über die Stimmberechtigung Einzelner Zweifel obwalten, hat der Schulkommandant sich vom Betreffenden die nötigen Ausweise geben zu lassen und, wenn erforderlich, die zuständige kantonale Behörde anzufragen, oder weitere Weisungen beim schweizerischen Militärdepartement einzuholen. Über das Ergebnis der Abstimmung der Angehörigen jedes einzelnen Kantons wird ein Protokoll in doppelter Ausfertigung aufgenommen und vom Schulkommandanten sowie von den Stimmenzählern unterschrieben. Unmittelbar nach der Verhandlung ist das eine Doppel mit den ausgefüllten Stimmzetteln der Regierung des betreffenden Kantons, das andere dem schweizerischen Militärdepartemente zuzustellen ; den Kantonsregierungen ist das Ergebnis der Abstimmung ihrer Angehörigen überdies telegraphisch mitzuteilen.

Dieses Verfahren wird vor einer jeden eidgenössischen Abstimmung den Kommandanten der zur betreffenden Zeit im Dienste sich befindenden Truppen von unserem Militärdepartement anläßlich der Zusendung der Sfcimmformulare in Erinnerung gebracht, mit der Weisung, die nötigen Maßregeln zu treffen, dami iden sämtlichen von ihnen befehligten stimmfähigen Militärs die Beteiligung an der Abstimmung gesichert wird. Den Kantonsrcgierungeri ihrerseits bringt die genannte Amtsstelle jeweilen die Weisungen, die sie an die Kommandanten der eidgenössischen Schulen und Kurse erlassen hat, zur Kenntnis mit der Einladung, die nötigen Anordnungen zu treffen, damit bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses in den Kantonen auch die Abstimmungsprotokolle, die ihnen von den Schul- und Kurskommandanteri zugehen werden, Berücksichtigung finden.

Den Stimmberechtigten des Kantons Genf werden vom kantonal en-Departemente des Innern durch Vermittlung des Schul-

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Was anderseits die eidgenössischen Wahlen anbelangt, so müssen hier die Kantone von sich aus die geeigneten Vorkehren treuen, um ihren im Militärdienste befindlichen Bürgern Gelegenheit zur Ausübung des Stimmrechts zu geben. Dies hat in der Weise zu geschehen, daß von den kantonalen Behörden genügend Stimmzettel- und Protokollformulare nebst den Ausweiskarten oder einem nach Wahlkreisen geordneten Verzeichnis der Stimmberechtigten an die militärischen Schulen und Kurse versandt werden. Im übrigen gilt hier ebenfalls, was in bezug auf das Verfahren bei eidgenössischen Abstimmungen vorstehend ausgeführt ist.

Beabsichtigt das Truppenkommando seine Leute an einem Tage, an dem eine eidgenössische Wahl oder Abstimmung stattfindet, früh zu entlassen, so hat es bei den Kanzleien der' in Betracht kommenden Kantone um die Bewilligung einzukommen, die betreffende Verhandlung schon am Vorabend des Wahl- oder Abstimmungstages vornehmen zu können ; unzweifelhaft werden die Kantone in solchen Fällen bereitwillig von der ihnen zustehenden Kompetenz Gebrauch machen und die nachgesuchte Erlaubnis ohne weiteres erteilen.

Wir laden Sie nun ein, soweit an Ihnen, darauf Bedacht zu nehmen, daß den im Militärdienst stehenden Bürgern die Ausübung des Stimmrechtes ermöglicht wird, und benützen diesen Anlaß, um Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 9. Februar 1906.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Ringier.

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