369

# S T #

Bericht des

:

·

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch, des wegen Übertretung des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz bestraften Ulrich Ülliger, Werkführers am Gstaad zu Saanen.

(Vom 20. Februar 1906.)

Tit.

Am 23. Januar 1905 wurde Ulrich Ü l l i g e r beim Regierungsstatthalteramt Saanen polizeilich wegen Jagdfrevels verzeigt, weil er nach Wahrnehmung eines Wildhüters nächtlicherweile im Bannbezirke in einer Hütte Füchsen aufgelauert hatte.

Der Verzeigte gab vor Polizeirichter, ohne Umschweife zu, in verbotener Weise der Fuchsjagd obgelegen zu haben und wurde am 10. April 1905, gestützt auf das Bundesgesetz vom 17. September 1875, zu Fr. 40 Busse und Tragung der auf Fr. 3. 20 bestimmten Kosten verurteilt. Infolge Appellation der Staatsanwaltschaft gelangte die Sache vor die Polzeikammer des bernischen. Obergerichtes, die in richtiger Würdigung des Tatbestandes das am 1. Januar 1905 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 24. Juni 1904 auf den Fall anwendete und gemäss Art. 21, Ziffer 3 &, daselbst den Ülliger wegen verbotener Jagd in einem Bannbezirke mit Fr. 100 Busse bestrafte, unter Umwandlung dieser Busse für den Fall der Unerhältlichkeit in 20 Tage Gefängnis.

Ülliger stellt das Gesuch um Erlass oder Herabsetzung der Strafe. Zur Begründung bringt er vor : Krankheit und Todesfälle, die im vergangenen Winter in seiner Familie eingetreten, hätten ihn ökonomisch zurückgebracht, so dass er kaum im stände Bundesblatt. 58. Jahrg. Bd. I.

27

370

gewesen sei, seine Angehörigen zu ernähren. Dies habe ihn veranlasst, am 20./2l. Januar den Füchsen aufzulauern, deren Pelz damals im Preise hoch gestanden sei. Es sei ihm nicht möglich, die Busse von Fr. 100 zu bezahlen oder bei Umwandlung abzusitzen, ohne für den Unterhalt seiner Familie fremde Hülfe in Anspruch zu nehmen.

Das Gesuch des Ülliger wird vom Gemeinderat von Saanen und dem dortigen Regierungsstatthalter warm befürwortet.

Die erstgenannte Behörde bezeugt, dass der Petent gut beleumdet, solid und arbeitsam sei. Er hat aber trotz spezieller Aufforderung nicht einmal die geringfügigen Gerichtskosten bezahlt und auch an die Busse bisanhin gar nichts geleistet.

Die von der Polizeikammer über den Petenten verhängte Busse entspricht dem Minimum der für das Jagen in den Bannbezirken angedrohten Strafe, und sie könnte daher nur dann auf dem Wege der Begnadigung ermässigt werden, wenn hierfür im einzelnen Falle besondere Gründe vorlägen. Als solcher Grund stellt sich aber die Tatsache alpin nicht dar, dass ein Frevler sich in ungünstigen ökonomischen Verhältnissen befindet, besonders wenn er, .wie Ülliger, auch gar keinen Versuch gemacht hat, seine Verpflichtung teilweise zu erfüllen.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag: Es sei das Begnadigungsgesuch des Ulrich Ülliger abzuweisen.

B e r n , den 20. Februar 1906.

Im Namen des Schweiz. Bundcsrates, Der Bundespräsident: L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch, des wegen Übertretung des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz bestraften Ulrich Ülliger, Werkführers am Gstaad zu Saanen. (Vom 20. Februar 1906.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1906

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

08

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

21.02.1906

Date Data Seite

369-370

Page Pagina Ref. No

10 021 813

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.