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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend ein Bundesgesetz zur .Ergänzung des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht vom 4. Februar 1853.

(Vom 18. Juni 1906.)

Tit.

Die schweizerische Bundesversammlung hat im Jahre 1902 beschlossen, das Bundesstrafrecht vom 4. Februar 1853 zu ergänzen durch die als Art. 48 bis einzufügende Bestimmung : ,,Wer Militärpflichtige zu einer Dienstpflichtverletzung, welche den Tatbestand eines durch die Militärgerichte des Bundes zu beurteilenden Verbrechens oder Vergehens bilden würde, anstiftet oder verleitet oder anzustiften oder zu verleiten versucht, wird, je nach der Schwere des Vergehens, mit Geldbusse oder mit Gefängnis bestraft.

Unter die Bestimmung dieses Artikels fällt auch die im Ausland begangene Handlung. Vorbehalten bleiben die Bestimmungen der Militärstrafgesetze für die denselben unterstellten Personen (Bundesgesetz über die Militärstrafgerichtsordnung vom 28. Juni 1889, Art. 1)." (Siehe Bundesbl. 1902, V, 935.)

Nach der vom 29. November 1901 datierten Botschaft des Bundesrates (Bundesbl. 1901, IV, 1170 ff.) gab zur Vorlage des Entwurfes zu diesem Gesetze in der Hauptsache Veranlassung ein Artikel, der am 17. August 1901 in der in Genf erscheinenden Zeitung ,,Le Peuple" publiziert wurde. Er ist in der eben erwähnten Botschaft in extenso abgedruckt und enthält die direkte Aufforderung an die damals zum Truppenzusammenzug aufgebotenen Genfer Milizen, sich während des bevorstehenden

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Militärdienstes gegenüber ihren Offizieren selbst Recht zu verschaffen, bei dem geringsten Missbrauch, bei der geringsten Ungehörigkeit, insbesondere wenn sie sich durch einen Offizier beschimpft oder beleidigt fühlen, auf der Stelle und ohne Scheu ihr Recht in Anspruch zu nehmen : ,,Äug um Äug, Zahn uni Zahn." Ohne Aufschub müsse eingeschritten, im Moment selbst müsse gezüchtigt werden. ,,Gegen Eure Gewehre, die von Arbeiterhänden getragenen, was werden die Säbel in den von 'Trinkgelagen und galanten Soupers noch fiebernden Händen Euch anhaben können."

Der Bundesrat befürwortete den Erlass einer Strafandrohung gegen derartige Aufreizungen der schweizerischen Milizen zu Ungehorsam und gewalttätigem Widerstand gegen ihre Offiziere, indem er konstatierte, dass wenn einer der Genfer Soldaten sich in der im ,,Peuple de Genève" anempfohlenen Art Recht verschafft hätte, oder wenn gar mehrere nach Verabredung mit Gebrauch ihrer Waffen tätliche Widersetzlichkeil geübt hätten, diese Handlungen nach den Militärgesetzen schwer bestraft worden wären. Die eidgenössischen Behörden hätten die Pflicht, über die Beobachtung der Verfassung, der Gesetze und Beschlüsse des Bundes, über die äussere und innere Sicherheit der Eidgenossenschaft zu wachen und für Handhabung von Ruhe und Ordnung im Innern zu sorgen. Dazu gehöre die Aufrechterhaltung von militärischer Zucht und Ordnung in der vom Schweizervolk gewollten, aus dem Volke hervorgegangenen Armee, die nur unter diesen Bedingungen der hohen Aufgabe genügen könne, die Unabhängigkeit der Schweiz zu wahren.

In der Botschaft wird sodann durch eingehende Untersuchung nachgewiesen, dass die zurzeit geltenden militärischen und bürgerlichen Gesetze keine Strafandrohung enthalten gegen Zivilpersonen, welche Milizen im nicht aktiven Dienst zum Ungehorsam zu verleiten suchen, und zwar deswegen, weil bei der parlamentarischen Beratung der Militärstrafgerichtsordnung von 1888/89 die Befürchtung ausgesprochen worden war und Anklang gefunden hatte, es könnte eine so lautende Bestimmung die bürgerliche Freiheit und die Freiheit der Presse gefährden.

Nun hätten aber die Vorkommnisse der letzten Jahre gezeigt, dass es ein Irrtum gewesen, zu glauben, die neue Fassung der Gesetzesstelle bilde eine Schutzwehr für erlaubte Kritik, für die bundesverfassungsmässig garantierte' Meinungsäusserung des Bürgers in Wort und Schrift. Der Artikel des ,,Peuple de Genève'enthalte etwas ganz anderes, nämlich die Anstiftung zu einem

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Vergehen, das die Auflösung unserer Armee zur notwendigen Folge haben müsste, somit Anstiftung zu einem Verbrechen.

Das erfordere mit Notwendigkeit die Repression solcher Aufreizungen durch gesetzliche Strafbestimmungen, um so mehr als der Artikel des ,,Peuple de Genève" leider nicht allein stehe, sondern eine Publikation ähnlicher Art in der ,,Berner Tagwacht" im Jahre 1897 erschienen sei und Wiederholungen befürchtet werden müssten, wenn eine solche Handlung straflos gelassen würde.

Unter den anzuwendenden Mitteln erachtete der Bundesrat die Ergänzung nicht des militärischen, sondern des bürgerlichen Strafgesetzes deswegen als angezeigt, weil dadurch die Zivilpersonen, um deren Bestrafung es sich handle, dem bürgerlichen Richter nicht entzogen werden. Dieser Weg war vorgezeichnet durch die Beschlüsse einer Expertenkommission, welche schon im Jahre 1890 in einem Entwurfe zur Ergänzung des Bundesstrafrechtes vorgeschlagen hatte, als Art. 48 b eine Strafsanktion gegen die Aufreizung der Milizen zur Verweigerung der angelobten Treue, des Gehorsams, oder zu sonstigen schweren Dienstvernachlässigungen aufzustellen. Dieser Vorschlag wurde im Jahre 1902 vom Bundesrat im wesentlichen wieder aufgenommen, und betreffend die juristische Qualifikation des zu erlassenden Spezialgesetzes bemerkt : ,,Der mit Strafe zu bedrohende Tatbestand bildet ein Vergehen eigener Art, ein delictum sui generis ; er erscheint nicht als Anstiftung zu einem Vergehen oder Verbrechen im strafrechtlich technischen Sinne, wonach von Anstiftung keine Rede ist, wenn auf Seiten des Angestifteten nicht eine strafbare Handlung, wenigstens im Stadium des Versuchs, vorliegt. Denn auch die erfolglos gebliebene Anstiftung wird unter Strafe gestellt. Es handelt sich, wie v. Liszt sagt, in diesen Fällen um ein selbständiges Verbrechen, um eine Handlung, ,,die den Grund ihrer Strafbarkeit nicht aus der Tat eines ändern entlehnt, sondern in sich selbst trägt". Nur dann, wenn auch gegen die versuchte Anstiftung zu militärischer Insubordination, zu militärischem Aufruhr strafrechtlich eingeschritten werden kann, wird dem Unheil vorgebeugt werden können, mit welchem die Anstifter unser Land bedrohen. Darum haben auch unsere militärischen Strafgesetze seit 1851 nicht nur die von Erfolg begleitete, sondern auch die v e r s u c h t e Verleitung zu
Dienstpflichtverletzung als strafbar erklärt. Auf dem gleichen Boden steht die gegenwärtige Militärstrafgerichtsordnung ; sie weist daBundesblatt. 58. Jahr?. Bd. IV.

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gegen den Mangel auf, dass sie die Anstiftung oder deren Versuch bloss dann dem Strafgesetze unterstellt, wenn der Anstifter sich an im a k t i v e n Militärdienste befindliche Wehrmänner gewendet hat.

Der Text der Vorlage (Art. 1) schliesst sich in der Hauptsache genau an den Art. 188 im Entwurf der Strafrechtsexpertenkommission von 1896 an. Wir weichen von demselben nur darin ab, dass wir die alternative Androhung von Geldstrafe nicht aufnehmen. Es will uns scheinen, dass nur Freiheitsentziehung das der strafwürdigen Tat angemessene Strafübel sei.

Die Bezahlung einer noch so hohen Geldsumme würde das begangene Unrecht nicht sübnen.tt Die Vorlage des Bundesrates gelangte in der Junisession des Jahres 1902 zur Behandlung im Nationalrat, im Dezember gl. Js. vor den Ständerat (Stenogr. Bulletin, XII, 225 ff. und 703 ff.) und wurde in der eingangs erwähnten Fassung im Nationalrat mit sehr grosser Mehrheit, im Ständerat einstimmig angenommen. Die Bedenken, welche einzelne Mitglieder des Nationalrates als Grund ihrer ablehnenden Haltung anführten, bestanden hauptsächlich darin, dass durch eine derartige Strafandrohung die verfassungsmässig garantierte Freiheit der Presse verletzt und das Recht zur Kritik von Missständen in der Leitung und Verwaltung der Armee zum Nachteil der militärischen Institutionen geschmälert würde. Es wurde darauf hingewiesen, dass tatsächlich Übergriffe und Ungehörigkeiten von Offizieren begangen worden seien, die zu rügen Recht und Pflicht der Presse gewesen, und der Artikel des ,,Peuple de Genève" wurde als eine Einzelerscheinung bezeichnet, welche den Erlass eines Spezialgesetzes nicht rechtfertige. Die Bestrafung von Zivilpersonen wegen erfolgloser Aufreizung der Milizen zum Ungehorsam sei eine Anomalie gegenüber den gewöhnlichen Grundsätzen, wonach nur Anstiftung bestimmter Personen und auch diese nur dann bestraft werde, wenn sie wirksam gewesen in der anzustiftenden Person. Die Vorlage stelle sich dar als ein Gelegenheitsgesetz, das ganz neue Grundsätze in unsere Gesetzgebung hineintrage und indem es Zivilpersonen mutatis mutandis den Militärpersonen gleichstelle, die ersteren einem Sonderrechte unterwerfe.

Gegen die Gesetzesvorlage wurde das Referendum ergriffen und dieselbe in der Volksabstimmung vom 25. Oktober 1903 mit grossem Mehr verworfen. Herr Ständeratspräsiderit

Hoffmann erklärte am folgenden Tage bei Eröffnung der Herbstsession der eidgenössischen Räte : ,,Man darf die Bedeutung dieses Volksentscheides nicht, übertreiben. Entscheidend war die unseres unmassgeblichen Erachtens unbegründete Befürchtung, als könnte durch die Vorlage ein Attentat auf die verfassungsmässig gewährleisteten Individualrechte, insbesondere die Pressfreiheit, versucht werden, Individualrechte, über deren Respektierung das Volk eifersüchtig wacht. Irrig wäre es dagegen, in diesem Volksentscheide den Ausdruck einer militärfeindlichen Stimmung zu erblicken."

Der Bundesrat hat von diesem Volksentscheide Kenntnis genommen und daraus ersehen, dass die Mehrzahl der Schweizerbürger die Tatsachen, welche zum Vorschlag des Gesetzes im Jahre 1902 Veranlassung gaben, nicht als genügend erachtete, um die Ergänzung des Bundesstrafrechtes zu begründen.

Er ist aber durch Ereignisse der neueren Zeit veranlasst worden, auf die Frage zurückzukommen, die ihn damals beschäftigte und er glaubt sich verpflichtet, als Hüter der Verfassung; und der Gesetze unseres Landes, neuerdings den eidgenössischen Räten den Vorschlag zum Erlass der seinerzeit so hart angefochtenen Strafbestimmung zu unterbreiten. Der Wunsch und die Hoffnung, dass Aufreizungen der schweizerischen Milizen zum Ungehorsam und zur Dienstpflichtverletzung sich nicht wiederholen werden, sind leider nicht in Erfüllung gegangen, im Gegenteil werden solche, als eine Teilerscheinung der auch in ändern Ländern betriebenen antimilitaristischen Propaganda, nunmehr in unserem Vaterland öffentlich und systematisch fortgesetzt, sowohl von Schweizerbürgern als von Ausländern.

Wir sind in der Lage, Ihnen über diese Vorgänge des nähern zu berichten, was folgt : Im Mai 1902 erhielten wir die erste Nachricht von einer in Genf bestehenden, vornehmlich aus Anarchisten zusammengesetzten ,,antimilitaristischen Gruppe". Anlässlich des daselbst im Oktober gleichen Jahres ausgebrochenen Generalstreiks, erliess die kantonale Regierung ein Truppenaufgebot, dem eine grössere Anzahl Milizen nicht Folge leisteten. 17 derselben, worunter auch der Adjunkt des Arbeitersekretariates, S i g g , wurden hierauf vom Kriegsgericht zu Gefängnisstrafen verurteilt.

Während des Jahres 1903 entfaltete die a n t i m i l i t a r i s t i s c h e G r u p p e i n G e n f , d e r haxiptsächlich

Schweizerbürger angehören, eine gesteigerte Tätigkeit. Über ihre Absichten spricht sich ein damals verbreitetes Flugblatt u. a. folgendermassen aus : ,,Considérant que les guerres sont condamnées par l'unanimité honnête du genre humain ; que ce qu'on appelle plumet, quincaillerie meurtrière, gloire militaire, a pour envers l'ignorance, la ruine, la misère et tout ce qui s'en suit ; qu'à la Caserne, école de meurtre, seuls la violence, les inimitiés, le mépris de la vie et de la conscience humaines sont enseignés ; qu'il n'y a qu'une conclusion à toutes les guerres, le désarmement général, le refus individuel de se laisser équiper et armer , , Ì1 s'est formé à Genève un ,,Groupe Antimilitariste"1 qui a adopté le programme d'action suivant: I. Propagande antimilitariste par des conférences et publications diverses.

II. Le groupe prêtera, dans la mesure du possible, son concours à toute entreprise de transformation de la société actuelle, à toute activité consciente, tendant à la régénération individuelle et sociale.

III. Le groupe a deux caisses distinctes: 1. Une caisse de propagande en Suisse; 2. Une caisse internationale de secours aux réfractaires et aux victimes du militarisme.

Les membres du groupe sont libres de verser aux deux caisses, ou à l'une des deux seulement. Il n'y a pas de cotisations fixes.

TV. Les adhérents au groupe s'engagent à répandre les principe* antimilitaristes, toujours et partout, et à mettre d'accord leur conduite avec ces principes en toute occasion."Zu Propagandazwecken gab die Gruppe im gleichen Jahre auch eine Broschüre unter dem Titel ,,A bas l'armée'1 heraus.

In das Jahr 1903 fällt auch die antimilitaristische Dienstverweigerung des Advokaten C h a r l e s N a i n e in La Chauxde-Fonds.

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Von besonderer Bedeutung für die a n t i m i l i t a r i s t i s c h e Bewegung ist das J a h r 1 9 0 4 , weil in diesem die antimilitaristische Propaganda auf eine breitere Basis gestellt worden ist.

Infolge der wegen Verweigerung des Militärdienstes erfolgten Verurteilung eines holländischen Anarchisten Namens J e a n T e r w e y zu drei Monaten Gefängnis, bildete sich in den Niederlanden ein Komitee, das den Freispruch Terweys durchsetzen wollte.

Aus diesem Anlasse entspann sich zwischen der sozialdemokratischen und der anarchistischen Presse eine lebhafte Fehde, die erstere verwarf die Dienstverweigerung als zwecklos, in der letztern betonte man dagegen den Wert und die Notwendigkeit einer derartigen individuellen Auflehnung.

Um diesen Streit zu erörtern und die verschiedenen Fragen, die im Laufe desselben aufgetaucht waren, zur öffentlichen Diskussion zu bringen, berief der bekannte anarchistische Revolutionär D o m e l a N i e u v e n h u i s einen K o n g r e s s ein, der am'26., 27. und 28. Juni 1904 in Amsterdam stattfand.

Die Ziele und Zwecke des Kongresses setzte Nieuvenhuis in seiner Eröffnungsrede auseinander. Sein Gedankengang war ungefähr folgender : Die besitzende Klasse habe Vorteile von dem Militarismus durch die Verteidigung ihrer sozialen Position, durch die Handhabung der Gewalt, durch die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung, welche die grösste Unordnung sei. Der Antimilitarismus bezwecke das gerade Gegenteil. Er müsse international sein oder er könne nicht sein. Ein nationaler Antimilitarismus sei ein Unding. «Wir wollen eine n e u e I n t e r n a t i o n a l e gründen gegenüber der s c h w a r z e n I n t e r n a t i o n a l e , der Internationale der Reaktion, die Unwissenheit und Dunkelheit verbreitet und Hass und Unfrieden stiftet, g e g e n ü b e r der g o l d e n e n I n t e r n a t i o n a l eder Financiers, deren Patriotismus nicht davor zurückschreckt, den Völkern dienstbar zu sein, mit denen ihr eigenes Vaterland im Kriege steht, wenn sie dabei nur ihre Taschen füllen können.

Wir vertrauen auf die r o t e I n t e r n a t i o n a l e der Arb e i t e r , welche die des Friedens sein muss. Denn Arbeit und Krieg stehen sich feindlich gegenüber ; die Arbeit schafft Segen, der Krieg vernichtet ihn. Und die Arbeiter allein kön-

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neu den Krieg, weil er gegen ihr eigenes Interesse sich richtet, abschaffen. Sie werden den aufmarschierenden Armeen einta l l g e m e i n e A r b e i t s e i n s t e l l u n g entgegensetzen.

Von den Beschlüssen, die dieser Kongress fasste, sind zu erwähnen : 1. Es wird eine ,, I n t e r n a t i o n a l e a n t i m i l i t a r i s t i s c h e A r b e i t e r a s s o z i a t i o n " (Association I n ternationale Antimilitariste) errichtet ; als deren Gründungsdatum wird festgesetzt : Amsterdam, 28. Juni 1904.

Ihre Losung ist : ,, K e i n e n M a n n u n d k e i n e n H e l l e r f ü r d e n Milit a r i s m u s ".

2. Die Assoziation gliedert sich in n a t i o n a l e und l o k a l e A b t e i l u n g e n , sie hat überdies ein A l l g e m e i n e s K o m i t e e , in das von ,,jedem Volka zwei Mitglieder ernannt werden. Die Mitglieder des ,,Comité général" bilden in ihrem Lande das ,, n a t i o n a l e S e k r e t a r i a t " .

Die einzelnen Gruppen, die hinsichtlich ihrer Zusammensetzung vollständig frei sind, sollen sich mit dem ,,nationalen Sekretariat" in Verbindung setzen die ,,nationalen Sekretariate" werden in beständiger Verbindung mit dem ,, G e n e r a l S e k r e t a r i a t " bleiben.

3. Der monatliche Beitrag der einzelnen Mitglieder beträgt 20 Cts., wovon 10 Cts. für die Lokalgruppe, 5 Cts. für das nationale Sekretariat und 5 Cts. für das Comité général bestimmt sind.

4. Sobald in einem Lande ein für die Entfaltung der antimilitaristischen Agitation günstiges Ereignis stattfindet, wird das Generalsekretariat dieser Nation die notwendigen Summen für diesen Kampf zur Verfügung stellen.

Im Anschluss an die verschiedenen Punkte der Tagesordnung fasste der Kongress noch eine Reihe von Resolutionen, die darauf hinauslaufen, d i e A r b e i t e r z u r B e k ä m p f u n g des Militarismus mit allen zu Gebot stehend e n M i t t e l n aufzufordern.

Die in Amsterdam inaugurierte ,,Antimilitaristische Propaganda" hat sowohl in anarchistischen wie auch in sozialistischen Kreisen lebhaftes Interesse gefunden.

Auch bei uns wird dieselbe eingehend diskutiert, sie bildet aber auch für viele den Gegenstand ernster Besorgnisse.

39 Das von N a i n e gegebene Beispiel militärischen Ungehorsams fand nur allzu zahlreiche Nachahmung. Nach einer Zusammenstellung des Militärdepartementes sind in der Zeit vom Oktober 1902 bis Dezember 1905 mehr als 60 schweizerische Soldaten wegen Dienstverweigerung durch die Militärgerichte bestraft worden. Wie viele von ihnen durch die Propaganda zu ihren Vergehen verleitet wurden, lässt sich natürlich nicht im einzelnen nachweisen, aber der Schluss ist wohl berechtigt, dass sie nicht wirkungslos gewesen sei.

Im J a h r e 1 9 0 5 trat die antimilitaristische Propaganda in den Vordergrund des öffentlichen Interesses unseres Landes und zwar infolge der Diskussion der ,, M i l i t ä r f r a g e " innerhalb d e r S o z i a l d e m o k r a t i s c h e n P a r t e i d e r S c h w e i z , wie auch durch die im Laufe des Monats Oktober in Luzern erfolgte Gründung der a n t i m i l i t a r i s t i s c h e n Liga.

Programm und Statuten dieser Liga sind in Nr. 144 des von dem Anarchisten Luigi B e r t o n i in Genf herausgegebenen ,,Réveil"- d. d. 14. Oktober 1905 abgedruckt und lauten folgendermassen : ,,Programme et Statuts de la Ligue.

I. La ligue antimilitariste a pour but la suppression complète de l'organisation militaire.

Les membres de cette ligue sont persuadés que la plus grande partie des misères sociales, et en particulier des conflits sanglants qui déshonorent l'humanité, ont pour cause l'exploitation d'une classe de la population par une autre classe, l'accaparement des richesses sociales par la classe capitaliste, au détriment de la classe ouvrière et prolétarienne. Or, l'existence de la classe capitaliste et de ses privilèges repose toute entière sur l'organisation militaire du peuple.

Pour supprimer l'exploitation capitaliste et réconcilier l'humanité toute entière dans une seule classe de travailleurs associés, il faut donc s'attaquer à l'armée dans tous les pays et la faire disparaître.

Seule sa disparition empêchera les gouvernements capitalistes de pousser les peuples aux horribles boucheries et d'armer l'ouvrier contre l'ouvrier pour réprimer de justes revendications.

La ligue antimilitariste poursuit son but par tous les moyens, sans en excepter les moyens politiques.

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II. Peut faire partie de la ligue toute personne, sans distinction de sexe ou de nationalité, qui adhère aux présents statuts.

III. On peut adhérer à la ligue collectivement ou individuellement.

IV. Les sections nomment des délégués à raison de un représentant par 20 membres. Les sections de moins de 20 membres ont droit à un représentant. Les adhérents individuels ont voix consultative.

Les délégués se réunissent en congrès au moins deux fois par an. A la demande du quart des membres ou à l'initiative de la section directrice, le congrès se réunira extraordinairement.

V. Le congrès désigne chaque année une section qui a la direction de la propagande et qui est chargée d'exécuter lesdécisions du congrès.

La section directrice nomme un président, un secrétaire et un caissier central.

VI. Les ressources de la caisse centrale sont constituées : a. par les cotisations volontaires des sections ou des membres individuels ; 6. par les dons ; c. par les souscriptions ; d. par les bénéfices réalisés sur la vente des écrits de propagande."

Am 10. und 11. Februar 1906 fand in Olten-Hammer ein ,,ausserordentlicher Parteitag'1 der schweizerischen sozialdemokratischen Partei statt, an der die ,,Militärfrage" behandelt und u. a. folgender Beschluss gefasst worden ist : ,,Die Partei protestiert gegen die Verwendung von Wehrmännern bei Streiks.

Da dieser Missbrauch in den letzten Jahren tatsächlich vorgekommen ist, verlangt sie Garantien gegen dessen Wiederholung.

Solange ihr diese Garantien nicht gegeben sind, r ä t s i e den Soldaten, wenn diesen befohlen wird, streikende Arbeiter anzugreifen, oder gegen sie die Waffen zu gebrauchen, den Gehorsam zu verweigern. Die sozialdemokra-

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tische Partei wird in solchen Fällen nach Möglichkeit die finanziellen Folgen, die denEinzelnen und seine Familie treffen, zu e r l e i c h t e r n s u c h e n und sich zu diesem Zweck mit der gewerkschaftlichen Organisation in Verbindung setzen ...."(,,Basler Vorwärts", Nr. 36 vom 13. Februar 1906.)

Über die antimilitaristischen Deklamationen des in Zürich erscheinenden anarchistischen Blattes ,, D e r W e c k r u f " hatten wir bereits Gelegenheit uns auszusprechen (vgl. die gedruckte Beilage zur Vorlage betreffend die Ergänzung des Bundesstrafrechtes durch Vorschriften über die Bestrafung der Verherrlichung von Verbrechen).

Grössere antimilitaristische Versammlungen wurden im Laufe des Jahres 1905, so viel uns bekannt, abgehalten in G e n f , V i v i s , L a u s a n n e und G e n e v e y s - s u r C o f f r a n e . Am 27. und 28. April fanden antimilitaristische Demonstrationen vor der Kaserne in L a u s a n n e statt. Gleichzeitig gelangte dort ein ,, A n die R e k r u t e n " gerichtetes Flugblatt d e r ,, G r o u p e a n t i m i l i t a r i s t e d e L a u s a n n e " zur Verteilung, in dem u. a. folgendes behauptet wird : ,, Hypocritement, tous les gouvernants disent, que l'armée assure la liberté du travail. C'est faux. Elle assure le triomphe de l'exploiteur contre l'exploité.

En attendant de servir à la guerre étrangère, le soldat, en effet, sert encore et sert surtout à la guerre sociale.

Gouvernants et possédants ne reculent jamais devant l'emploi de la force quand ils craignent pour leur pouvoir ou pourleur argent. Notre histoire comme celles de tous les pays, est toute sanglante des preuves de cette vérité. Dès que lèsenfants du peuple réclament un peu plus de bien-être et un peu plus de liberté, c'est à coup de fusil qu'on leur répond.

Chaque fois que les travailleurs tentent d'obtenir par la grève quelques maigres avantages, c'est à la troupe qu'ils ont affaire.

A chaque pas le gréviste se heurte au soldat. Du jour où la majeure partie des travailleurs, les conscients voudront réclamer leur part des richesses sociales dont ils sont les producteurs, fusils, bajonnettes seront envoyés contre eux.

Camarade, réfléchis à ce que tu dois faire: Si tu crois ne pas pouvoir supporter toutes les vexations, les insultes et, les punitions qui t'attendent à la caserne, refuse de marcher.

42 Cela vaut encore mieux que de servir d'automates à tes chefs. Mais si tu crois d'y rester un homme, fais-y de la propagande et saches que ta raison doit t'interdire de tirer sur d'autres hommes, tes semblables.

Tu refuseras à obéir si l'on veut faire de toi un meurtrier.

Ta conscience de travailleur te défend de tirer sur d'autres travailleurs. Et si l'on t'envoie dans les grèves

Tu ne tireras pas !

L'on veut faire de toi ime machine à tuer ? Révolte toi ! Et que tremblent enfin ceux qui osent t'armer contro tes frères, car ton ennemi, s'est seulement celui qui t'opprime, qui t'exploite, te commande et te trompe ! Si l'on veut absolument que tu sois un meurtrier avec les armes mises entre tes mains, ne sois pas un fratricide."

Auf den 1. Mai 1905 wurde in Genf qnd wohl auch an ändern Orten der welschen Schweiz ein Flugblatt verbreitet, dem wir folgende Stellen entnehmen : ,,La paix nécessite la suppression des armées et des frontières, mais celles-ci ne peuvent disparaître à leur tour que par la chute de la propriété et de l'autorité, car toutes les deux intimement liées nécessitent le sanctionnement de la force brutale érigée en droit pour assurer le maintien de l'exploitation et de la domination dont les travailleurs sont victimes.

Et en effet on ne pourrait en aucune façon concevoir un gouvernement quel qu'il soit, qui ne ferait sanctionner ses lois sans le concours de l'armée. Ce n'est donc pas aux mains des partisans de celui-ci que l'immense foule de ceux qui subissent toutes les souffrances, toutes les tortures du misérable état de choses actuel, doit remettre la solution de la question sociale en général et du désarmement en particulier.

C'est par son action propre, puisqu'elle en est la seule intéressée que dépendra le succès de sa cause.

Et cette action ne petit s'accomplir que par un acte de révolte collective se manifestant contre l'armée, appelée à la défense -des intérêts bourgeois dans les giierres et dans les grèves.

La révolte individuelle des réfractaires est un aclieminemcnt vers cette révolte collective.

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Réfléchissez-y soldats, et vous tous frères travailleurs, et sous peu vous serez des nôtres et crierez : Vive la Paix et la Liberté universelles par la Révolution sociale.

Groupe antimilitariste et Jeunesse Révolutionnaire.

Die ,,Studiengruppe des Arbeiterzirkels St. I m m e r " hat ·sine antimilitaristische Broschüre veröffentlicht unter dem Titel : -,,La Troupe et les Grèves'-' mit dem Schlusssatz : ,, . . . . Nous terminons en invitant tous les prolétaires conscients de leurs intérêts de classe, tous les socialistes avides de justice sociale de mettre en pratique et d'organiser dans tous les milieux le refus collectif des ouvriers appelés sous les armes pour lutter contre leurs frères de misère.

La grève est un droit naturel!

L'armée contre le peuple, est un crime !

S'y soustraire devient le plus saint des devoirs!"

Zu erwähnen sind ferner folgende antimilitaristischen Schriften : ,,Nouveau Manuel du Soldat", herausgegeben von der Fédération des Bourses de travail de France et des colonies.

,,La Grosse en l'Air", von Ernest Girault, schliesst mit den Worten : ,,A bas la Patrie, la Guerre et l'Armée".

,,Der Hofhund des Kapitals", veröffentlicht von der ,,antimilitaristischen Liga Zürich" und die am 1. Mai 1905 er·schienene, von dem Dienstverweigerer Mischler in Neuenburg herausgegebene einzige Nummer der anarchistischen Zeitung ,,L'Aube Nouvelle" mit den Devisen: ,,Ni Ì>ieu, ni Maître" und ,,Plus un .Jiomme, plus un sou pour le militarisme^.

Die antimilitaristische Propaganda bedient sich ferner kleiner, mit entsprechenden Sätzen bedruckter Zettel, die überall mit Leichtigkeit angeklebt werden können.

Die bis jetzt zur Verbreitung gelangten Zettel tragen u. a.

.folgende Aufschriften : 1. Plus pas un homme pas un centime pour servir au militarisme.

2. L'armée est la grande gendarmerie nationale.

3. L'armée a pour but la répression des justes révoltes.

4. L'armée est le chien de garde du capital.

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7.

S.

9.

10.

L'armée L'armée L'armée L'armée L'armée L'armée

est est est est est est

l'école de la veulerie.

l'école de l'alcoolisme.

l'école du vice.

l'école de la lâcheté.

la sécurité des coffres-forts.

l'école du crime.

Aus der allerneusten Zeitungsliteratur entnehmen wir folgenden Satz, der enthalten ist in der Tagesordnung einer Versammlung von Arbeitern von La Chaux-de-Fonds, welche am 18. März lfdn. Js. den Jahrestag der Commune feierten. In einer gemeinsamen Resolution drückten die anwesenhen ,,Citoyennes et Citoyens" den festen Willen aus, den Klassenkampf des Proletariates bis zu dessen vollständiger Befreiung durchzuführen mit dem Zusatz : ,,L'assemblée s'engage en outre à faire une active propagande ayant pour but la ruine de l'armée qui n'est que le plus fort soutien de la bourgeoisie spoliatrice."

Das Wort ,,ruine" ist im Referat der ,,Sentinelle" über diese Versammlung fett gedruckt.

Ferner enthält der in Zürich erscheinende ,,Weckruf", Nr. 55 vom April 1906, den Passus : ,,Die Antimilitaristen der Schweiz an die Arbeiter : . . . Der Militärstreik drängt sich aus demselben Grunde auf wie der ökonomische Streik. Solanse als wir noch fortfahren zu arbeiten, hören die Unternehmer unsere Forderungen nicht ; solange wir fortfahren, uns in die Kaserne zu verfügen, wird die Sache der Abrüstung und des Friedens nichts gewinnen. Übrigens ist es lächerlich, eine Sache zu bekämpfen, indem man doch nicht aufhört, ihr die grössten Opfer zu bringen und weiter an ihr Teil zu nehmen.

O

Arbeiter.

Aus diesem Grunde zögern die Antimilitaristen der Schweiz nicht und fordern Euch auf, die militärische Dienstpflicht, wie sie die Verfassung vorschreibt, nicht zu achten und jede Art des militärischen Gehorsams zu verweigern. -- Auf gegen die patriotische Lüge. Nieder mit der Armee.

Vorwärts für die allgemeine Verbrüderung der Völker."

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Im Réveil Bertonis vom 28. April 1906 ist ein Aufruf der schweizerischen Antimilitaristen an die Arbeiter abgedruckt, mit 122 Unterschriften, der sich gegen das Projekt einer neuen Gesetzesvorlage betreffend Aufreizung zu militärischem Ungehorsam richtet und mit den Worten schliesst : ,,Travailleurs !

. . . les antimilitaristes suisses soussignés, ne sauraient qu'approuver le mépris du devoir militaire prescrit par la constitution et le refus de toute obéissance militaire.

Sus au mensonge patriotique ! A bas l'armée ! En avant pour la fraternité des peuples !"

Der Bundesrat kann und darf diese Entwicklung der Dinge nicht gehen lassen, ohne den Versuch zu machen, ihr durch die ihm gesetzlich zustehenden Mittel entgegenzutreten.

Das Volksvotum vom 25. Oktober 1903 bildet in dieser Beziehung kein Hindernis, denn jetzt handelt es sich nicht mehr um eine Einzelerscheinung, nicht mehr um einen vereinzelten Zeitungsartikel, in welchem unsere Milizen zum Ungehorsam und zum tätlichen Widerstand gegen missbeliebige Anordnungen ihrer militärischen Obern aufgefordert werden. Vielmehr tritt in ganz anderer und viel gefährlicherer Form die Tendenz gewisser Agitatoren zu Tage, durch solche Aufreizungen die militärische Disziplin zu untergraben, die durch Verfassung und Gesetz zur Wahrung der Unabhängigkeit des Landes und zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Innern geschaffene Armee zu ruinieren, ihre notwendigsten Grundlagen zu zerstören. Alle ·die Gründe, welche in den Jahren 1902 und 1903 den Bundesrat und die Bundesversammlung bewogen, den Erlass eines Gesetzes gegen solche Umtriebe vorzuschlagen, machen es in noch höherem Masse notwendig, diesen neuern Erscheinungen entgegenzutreten, bei denen nicht davon gesprochen werden kann, dass in ihnen eine blosse Kritik öffentlicher Zustände liege.

Die verfassungsmässig garantierte Pressfreiheit kommt dabei überall nicht in Frage, weil sie sich nicht erstreckt auf die Aufforderung und Anleitung zur Begehung von Verbrechen und solche sind nach den ausdrücklichen Bestimmungen der bestehenden Gesetze die Insubordination und Widersetzlichkeit von Soldaten im militärischen Dienste. Trotz der Abstimmung vom 25. Oktober 1903 kann unmöglich angenommen werden, dass «s der Wille des Schweizervolkes sei, die Armee abzuschaffen und die für ihre Organisation erlassenen Gesetze aufzuheben.

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Solange sie aber bestehen, muss den Versuchen, das Gefüge zu iockern, das ihren Bestand und ihre Wirksamkeit garantiert, entgegengetreten und, wo in der Gesetzgebung die Mittel dazu mangeln, die notwendige Ergänzung geschaffen werden.

Der Bundesrat hat daher vor allem der antimilitaristischc-n Agitation d u r c h A u s l ä n d e r einen Damm gesetzt, indem t-r am 20. Februar 1906 :,in

Anbetracht,

dass die zunehmende, zur Verweigerung der verfassungsmässigen Wehrpflicht der Schweizerbürger auffordernde antimilitaristische Propaganda die innere und äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft gefährdet ; in Anwendung der Art. 70 und 102, Ziffer 9 und 10, der Bundesverfassung," beschloss : ,,1. Ausländer, welche sich an der antimilitaristischen Propaganda beteiligen, indem sie zur Verweigerung der verfassungsmässigen Wehrpflicht oder zur Verweigerung des schuldigen militärischen Gehorsams auffordern, sind gemäss Art. 70 der Bundesverfassung aus dem Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft auszuweisen.

2. Die Bundesanwaltschaft wird eingeladen, diejenigen Ausländer, welche sich in der Schweiz an der antimilitaristischen Propaganda beteiligen, verhaften zu lassen und Bericht und Antrag betreffend deren Ausweisung zu stellen."

Gestützt auf diesen Beschluss wurde der ,,Vortragstournec"> welche der französische Antimilitarist Ernest Louis Girault im März dieses Jahres in verschiedenen Städten der Westschweiz inszenierte, schon an der Schweizergrenze ein rasches Ende bereitet und erfolgte auch die Ausweisung anderer antimilitaristischer Agitatoren. Wir glauben mit Genugtuung konstatieren zu dürfen, dass diese Massnahmen den Beifall des Schweizervolkes gefunden haben mit Ausnahme der geringen Anzahl von Schweizerbürgern, die dem Antimilitarismus anhängen.

Diese selbst aber haben nicht ermangelt, öffentlich zu erklären, dass sie die den Ausländern verbotene Propaganda selbst weiter betreiben wollen. In der in Zürich erscheinenden Tageszeitung ,,Volksrecht", Nr. 46 vom 23. Februar 1906, dessen einer Redaktor ein von den Zürcher Behörden tolerierter Aus-

47 länder ist, veröffentlichte dessen Kollege, der Schweizerbürger Max Tobler, ,,Füsilier beim Bataillon 81a, am 23. Februar 1906 eine Mitteilung an den Bundesanwalt, lautend: ,,Auf Grund des Bundesratsbeschlusses vom 20. Februar habe ich mich mit Vergnügen entschlossen, die aussehliessliche Leitung des Militärdepartementes des ,,Volksrecht" zu.

übernehmen und damit natürlich auch die ausschliessliche Verantwortlichkeit für die Behandlung aller militärischen Angelegenheiten (Gehorsamsverweigerung u. s. w.).a Im ,,Volksrecht", Nr. 45 vom 22. Februar wurde bereits der Bundesratsbeschluss vom 20. gl. Mts. abgedruckt mit dem Zusätze : ,,Die Beteiligung der ausländischen Genossen an der.

antimilitaristischen Propaganda und der Propaganda der Gehorsamsverweigerung war bis jetzt ausserordentlich gering..

Das Verbot dieser Propaganda wird aber den Erfolg haben, die schweizerischen Genossen zu um so eifrigerer Tätigkeit im Sinne des Oltener Beschlusses anzuspornen und so die Gefahren für die ,,innere und äussere Sicherheit" der Schweiz, von welcher der Bundesrat spricht, zu vermehren. Dass dieser Erfolg nicht beabsichtigt war, glauben wir gerne, sicher aber ist, dass er eintreten wird. Der Beschluss des Bundesrates ist also nichts als ein klatschender Schlag ins Wasser.

Nur nebenbei sei auf die Lächerlichkeit hingewiesen, die darin liegt, dass der Bundesrat die ,,bloss theoretische Diskussion" der Abschaffung der Armee auf gesetzlichem Wege nicht bestrafen will. Es wäre doch gar zu schön gewesen, wenn der Bundesrat die Herren Immanuel Kant, J. G. Fichte u. s. w., die sich theoretisch ebenfalls für die Abschaffung der Armee erklärten, eines Tages wegen Gefährdung der innern und äussern Sicherheit der Schweiz des Landes verwiesen hätte.

Unsere ausländischen Genossen fordern wir auf, sich jeder Propaganda 'der Gehorsamsverweigerung zu enthalten.

Unsere Propaganda wird viel erfolgreicher sein, wenn sieausschliesslich von Schweizerbürgern betrieben wird."

Die ausländischen Genossen, die sich nach dieser Ermahnung: ,,jeder Propaganda der Gehorsamsverweigerung" enthalten sollten, beteiligen sich dafür an lärmenden antimilitaristischen Demonstrationen. So fand am 14. April in Zürich III eine zirka 600 Teilnehmer zählende, zum grossen Teil aus Italienern und Russen zusammengesetzte Versammlung statt, an der die be-

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kannten Antimilitaristen Fritz B r u p b a c h e r , Arzt in Zürich, und Luigi G o b b i , gewesener Postcommis in Lugano, als Redner auftraten. In der darauffolgenden Diskussion wurde von einem Deutschen und einem Italiener der Antrag gestellt, einen Demonstrationszug vor die Kaserne auszuführen. Etwas nach 11 Uhr nachts machten sich die mit Stöcken und Knittern bewaffneten ,,Genossen" auf den Weg. Nachdem sie vor der Polizeikaserne gelärmt und gejohlt hatten, zogen sie vor die Militärkaserne, wo, unter gesteigertem Lärm, das Militär aufs heftigste insultiert wurde. Die in der Kaserne anwesenden 24 Mann -- die übrigen Mannschaften befanden sich im ,,grossen Urlaub" -- wurden alarmiert und die verschiedenen Polizeiposten telephonisch von den Vorgängen in Kenntnis gesetzt.

Bevor es zu einem Zusammenstoss kam, zogen die Demonstranten lärmend ab.

Eine Polizeipatrouille, die unterwegs zur Ruhe mahnte, wurde von ihnen umringt und tätlich angegriffen, wobei ein Polizist nicht unerheblich verletzt worden ist.

Das sozialdemokratische ,,Volksrechta, Nr. 89, vom 18. April, berichtet hierüber : ,,. . . es wurde nun der Vorschlag gemacht, zur Demonstration vor die Polizeikaserne zu ziehen. Unter Absingen der Internationale durch die Italiener und lautem Gejohl und Protestrufen der Deutschredenden wurde der Zug ausgeführt.

Als die Demonstranten vor der Kaserne erschienen, trat die Wache mit aufgepflanztem Bajonett heraus und ein aufgeregter Unteroffizier wusste nicht, was er tun sollte, bis ein Offizier erschien und die Leute in die Kaserne zurückbeorderte. Die Demonstration wurde unter gewaltigem Lärm fortgesetzt und fand etwa um 12 Uhr ihr Ende auf dem Bahnhofplatz.''Der anarchistische ,,Weckruf referiert in seiner Mainummer folgendermassen : ,,Eine antimilitaristische Protestversammlung, die von zirka 1200 (!) Mann besucht war, nahm den besten Verlauf.

Redner waren Luigi Gobbi und Dr. Brupbacher. Der nach der Versammlung veranstaltete Demonstrationszug vor die Kaserne muss seine Wirkung getan haben. Unter den Rekruten, denen man im Chöre ,,Hofhund" zugerufen, soll Unzufriedenheit herrschen, seit sie über ihre wirkliche Eigenschaft aufgeklärt wurden. Hoffentlich ziehen sie bei nach-

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ster Gelegenheit die Konsequenzen und verweigern die Dienste.

Im weitern wurde ein uniformierter Eckensteher, der sich anmasste, Ordnung zu machen, derart geprügelt, dass er für 8 Tage der öffentlichen Sicherheit unschädlich wurde."

Alle diese Erscheinungen veranlassen uns, Ihnen den Entwurf zu einem Bundesgesetze, das die Bestrafung der Anstiftung von Militärpersonen zur Dienstpflichtverletzung ermöglicht, neuerdings vorzulegen. Wir schliessen uns bei der Formulierung an den Gesetzesentwurf an, der im Jahre 1904 aus der Beratung der Bundesversammlung hervorgegangen ist mit ganz wenigen Abänderungen, zu deren Begründung wir kurz anführen : Es erscheint uns richtig, nur die ö f f e n t l i c h geschehene Anreizung zu bestrafen, da die Erfahrung lehrt, dass sie von besonders grosser Bedeutung ist und da bei der neulichen Beratung eines Bundesgesetzes betreffend die Verherrlichung von Verbrechen dieses Requisit unbeanstandet geblieben ist.

Die im Schosse der eidgenössischen Räte im Jahre 1902 geäusserten Bedenken, die aus der Unbestimmtheit des Ausdruckes ,,öffentlich" hergeleitet wurden, finden wir nicht stichhaltig; es ist für uns klar, dass darunter die Propaganda in öffentlichen Versammlungen und diejenige durch die Presse zu verstehen ist.

Im weitern möchten wir den schwerfälligen Ausdruck : ,,anstiftet oder verleitet oder anzustiften oder zu verleiten versucht" ersetzen durch ,,aufreizt" mit dem Zusatz : ,,wenn auch die Aufreizung erfolglos geblieben ist". Dies in Anlehnung an den Text des Art. 48 des Bundesstrafrechtes vom Jahre 1853 und in der Überzeugung, dass das Wort ,,aufreizen", das im Gegensatz steht zu ,,anstiften" in Art. 19 desselben Gesetzes, am besten die Einwirkung auf den Willen von Drittpersonen bezeichnet, deren Bestrafung einen Erfolg nicht voraussetzt (vgl.

auch Liszt, Lehrbuch des deutschen Strafrechtes, § 51, Note 6).

Dass aber in diesem Falle auch die erfolglose Aufreizung bestraft werden soll, steht für uns ausser Zweifel. Wir gehen diesfalls durchaus einig mit den Ausführungen des Herrn Nationalrat Zürcher in der Eintretensdebatte vom Juni 1902 (Stenogr.

Bulletin der Bundesversammlung, XII, 45), auf welche wir in dieser Beziehung verweisen.

In dritter Linie halten wir dafür, es stehe im richtigen Verhältnis zur Art und Schwere des in Frage kommenden Deliktes, dass der Täter in allen Fällen mit Gefängnis und niemals mit blosser Geldbusse bestraft werde.

Bundesblatt. 58. Jahrg. Bd. IV.

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In allen übrigen Beziehungen nehmen wir den Gesetzesentwurf von 1902 wieder auf xmd verweisen wir zu der Begründung der Detailbestimmungen auf unsere Botschaft vom 29. November 1901.

Indem wir, gestützt auf obige Auseinandersetzungen, den nachfolgenden Entwurf eines Bundesgesetzes Ihrer Genehmigung empfehlen, benutzen wir den Anlass, Sie unserer Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 18. Juni 1906.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft i Bingier.

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(Entwurf.)

Bundesgesetz betreffend

Ergänzung des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 4. Februar 1853.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaff, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates, vom 18. Juni 1906; in Anwendung von Art. 64bis und Art. 114 der Bundesverfassung, beschliesst: Art. I. In das Bundesgesetz über das Bundesstrafrecht der schweizerischen Eidgenossenschaft, vom 4. Februar 1853 wird folgende Bestimmung aufgenommen : Art. 48bis. Wer Militärpflichtige zu einer Dienstpflichtverletzung, welche den Tatbestand eines durch die Militärgerichte des Bundes zu beurteilenden Verbrechens oder Vergehens bilden würde, öffentlich aufreizt, wird, wenn auch die Aufreizung erfolglos geblieben ist, mit Gefängnis bestraft.

Unter die Bestimmung dieses Artikels fällt auch die im Auslande begangene Handlung.

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Vorbehalten bleiben die Bestimmungen der Militärstrafgesetze für die denselben unterstellten Personen (Bundesgesetz über die Militärstrafgerichtsordnung vom 28. Juni 1889, Art. 1).

Art. II. Der Bundesrat wird beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmungen über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

--~5S~--

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend ein Bundesgesetz zur .Ergänzung des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht vom 4. Februar 1853. (Vom 18.

Juni 1906.)

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Bundesblatt

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Jahr

1906

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4

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25

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20.07.1906

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31-52

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