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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Neuordnung der Gebirgsartillerie.

(Vom 20. Februar 1906.)

Tit.

Mit besonderer Botschaft haben wir der Bundesversammlung unsere Anträge betreifend die B e s c h a f f u n g eines n e u e n M a t e r i a l s für die G e b i r g s a r t i l l e r i e unterbreitet. Die Neubewaffnung der Gebirgsartillerie läßt eine R e o r g a n i s a t i o n der G e b i r g s b a t t e r i e n und der zugehörigen P a r k f o r m a t i o n e n als wünschbar erscheinen. Diese bildet daher den Gegenstand der gegenwärtigen Vorlage.

Die getrennte Behandlung der beiden Fragen erfolgt aus den nämlichen Gründen, die bei der Neubewaffnung der Feldartillerie maßgebend waren. Zwar legen wir Ihnen gleichzeitig auch noch den Entwurf einer neuen Militärorganisation vor und es könnte daher scheinen, daß die gegenwärtige Vorlage überflüssig sei. Allein die Behandlung jenes Entwurfs wird längere Zeit erfordern, und die Reorganisation der Gebirgsartillerie ist von höchster Dringlichkeit. Sie sollte mit der Einführung des neuen Materials in Kraft treten können. Deshalb darf sie nicht mit der Revision der gesamten Militärorganisation verknüpft werden. Diese wird nach der Anlage der beiden Entwürfe auch keine neuen Änderungen für die Gebirgsartillerie mit sich bringen.

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Das neue Geschütz, das wir Ihnen für die Gebirgsartillerie \orschlagen, gehört seiner Konstruktion nach zu den Rohrrücklaufgeschützen. Wie für das neue Feldgeschütz empfiehlt sich daher auch für das neue Gebirgsgeschütz eine neue Organisation der Batterie. Namentlich gilt dies mit bezug auf die Zahl der Geschütz«. Der Entwurf'nimmt auch für die Gebirgsartillerie Batterien zu vier Geschützen an Stelle der heutigen sechs Geschütze in Aussicht. Noch tiefer zu gehen erscheint nicht ratsam, da bei der Gebirgsartillerie noch mehr als bei der Feldartillerie die Möglichkeit in Betracht gezogen werden muß, daß einzelne Geschütze verloren gehen oder unbrauchbar werden. Dagegen gestatten die erhöhte Feuerbereitschaft und Feuerwirkung ein Herabgehen von sechs auf vier Geschütze. Der vermehrte Munitionsbedarf und die damit in Verbindung stehende Verlängerung der Marschkolonne lassen diese Reduktion als wünschbar erscheinen.

Weitere Details in der Organisation der Batterie sollten, wenigstens vorläufig, nicht im Gesetze geordnet werden. Es müssen hierüber vorerst noch Erfahrungen gesammelt werden, und es gilt auch mit bezug auf diese Frage alles, was bei der Neuordnung der Feldartillerie gesagt wurde. Dies trifft natürlich auch für die Organisation der Saumkolonnen zu.

Nach reiflicher Erwägung gelangen wir dazu, Ihnen die Bildung von sechs Gebirgsbatterien zu beantragen, die zu vier Geschützen organisiert die gleiche Geschützzahl aufweisen würden, wie die jetzt vorhandenen vier Gebirgsbatterien mit ihren sechs Geschützen, also vierundzwanzig. Wir glauben, nicht höher gehen zu dürfen, namentlich mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten der Rekrutierung von Mannschaften und Kadres. Dagegen halten wir die vorgeschlagene Zahl für das Minimum dessen, was unbedingt gefordert werden muß. Die gleichen Gründe, die dazu geführt haben, in der neuen Militärorganisation besondere Gebirgstruppen vorzusehen, sprechen auch für die entsprechende Ausgestaltung der Gebirgsartillerie. In unserm Gebirgslande müssen wir der Möglichkeit von Kämpfen im Gebirge gebührend Rechnung tragen.

Die vorhandenen Bestände an Mannschaften und Kadres werden ausreichen, um die sechs Batterien von Anfang an gefechtsfähig organisieren zu können. Doch ist dann in den ersten Jahren eine verstärkte Rekrutierung trotzdem unerläßlich.

Aus den sechs
Batterien können zwei oder drei Abteilungen gebildet werden, je nachdem man die Abteilung zu zwei oder drei Batterien formiert. Hierin wird auf die spätere Organisation

.350 der Gebirgstruppen (Regimenter oder Brigaden) Rücksicht zu nehmen sein. Voraussichtlich wird die Organisation von Gebirgstruppen die Bildung von drei Gruppen erfordern, dann wird auch die Gebirgsartillerie in drei Abteilungen von je zwei Batterien zu formieren sein. Das Gesetz soll aber auch für andere Kombinationen Spielraum lassen. Von der Vereinigung der sechs Gebirgsbatterien zu einem Gebirgsartillerieregiment sehen wir dagegen ab. Das Regiment würde tatsächlich nie zu gemeinsamer Aktion gelangen.

Saumkolonnen für den Transport von Munition und Lebensmitteln sollen aus den in die Landwehr übergetretenen Mannschaften der Gebirgsartillerie gebildet werden, die nach Bedarf aus Landwehrmannschaften der Feldartillerie und des Trains zu ergänzen sind. Gegenwärtig bestehen vier Saumkolonnen, die aber für den Bedarf nicht genügen. Die Zahl der künftig zu bildenden Saumkolonnen zu bestimmen, dürfte aber zweckmäßigerweise besser dem Bundesrate überlassen werden, da diese Zahl einigermaßen abhängig ist von der verfügbaren Mannschaft und uns überdies auf diesem Gebiete nur ungenügende Erfahrung zur Verfügung steht, um jetzt schon im Gesetze eine nur schwer zu ändernde Grundlage festzulegen.

An Munition sehen wir für jedes Geschütz mindestens 900 Schuß vor. Diese Zahl entspricht dem bisher angenommenen Verhältnisse zur Feldartillerie und den Forderungen, die neuerdings für diese gestellt werden mußten. Ungefähr 250 Schuß per Geschütz würden bei der Batterie und in den Munitionskolonnen nachgeführt, die übrige Munition bliebe in den Depots zur Verfügung nach Bedarf.

Wir sehen vor, daß sämtliche sechs Gebirgsbatterien und die Saumkolonnen vom Bunde gebildet werden sollen. Gegenwärtig sind zwei Batterien kantonal (Graubünden und Wallis), die beiden ändern und die Saumkolonnen sind eidgenössisch. Die Mannschaften der kantonalen Batterien treten beim Übergang zur Landwehr von einer kantonalen in eine eidgenössische Einheit über, was mit bezug auf Kontrollführung u.- s. w. allerlei Mißliches mit sich bringt. Die Verhältnisse der Gebirgsartillerie sind überhaupt so klein und die Rekrutierung dieser Truppe ist so schwierig, daß sich ein Festhalten an der bisherigen Doppelspurigkeit nicht rechtfertigen ließe. Für die Rekrutierung fallen in Betracht:

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io der Westschweiz für zwei Batterien : die Gebirgsgegenden der Kantone Wallis (französisch sprechender Teil), Waadt, Freiburg, Neuenburg und Berner Jura; in der Zentralschweiz für zwei Batterien : das Berner Oberland, Wallis (deutschsprechender Teil), vom Kanton Luzern das Entlebuch, Ob- und Nidwaiden, eventuell Uri und Schwyz ; in der Ostschweiz, ebenfalls für zwei Batterien : die Gebirgsgegenden des Kantons St. Gallen, und die Kantone Appenzell, Glarus und Graubünden.

Die Bildung der Einheiten aus den diesen Gegenden entnommenen Mannschaften sollte nicht dadurch erschwert werden, daß einzelne dieser Einheiten von einem bestimmten Kanton und nur die ändern vom Bunde gebildet werden.

Elie Einübung der Mannschaft und der Kadres an dem neuen Material soll in besondern Kadres- und Einführungskursen erfolgen., die in gleicher Weise vorgesehen sind, wie es bei der Feldartillerie geschehen ist. Doch nehmen wir, um die stets mißliche Übergangsperiode möglichst abzukürzen, in Aussicht, daß sämtliche Einführungskurse im gleichen Jahre (voraussichtlich 1907) stattzufinden haben. Die Kosten dieser Einführungskurse werden auf zirka Fr. 195,000, die nachherigen jährlich wiederkehrenden Mehrausgaben für Rekrutenschulen und Wiederholungskurse der Gebirgsartillerie auf zirka Fr. 185,000 veranschlagt.

Dem gegenüber stehen die bedeutende Verstärkung, die unsere Gebirgsartillerie durch die Neubewaffnung und die neue Organisation erhält und die Verbesserungen des Transportdienstes im Gebirge.

Indem wir Ihnen die Annahme des nachfolgenden Gesetzesentwurfes empfehlen, benutzen wir auch diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 20. Februar

1906.

Namens des Schweiz. Bundesrates: Der B u n d e s p r ä s i d e n t : -

L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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(Entwurf.)

Bundesgesetz über

die Neuordnung der Gebirgsartillerie.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 20. Februar 1906, beschließt: Art. 1. Mit der Einführung des neuen 7,5 cm. Materials der Gebirgsartillerie werden an Stelle der bestehenden 7,5 cm. Gebirgsbatterien vom Bunde 6 neue Batterien zu 4 Geschützen gebildet.

Aus 2 bis 3 Gebirgsbatterien wird eine Abteilung gebildet.

Für jedes Geschütz sollen stets wenigstens 900 Schüsse vorrätig sein.

Art. 2. Aus den in die Landwehr übergetretenen Mannschaften der Gebirgsbatterien werden vom Bunde

353 Räumkolonnen für den Transport von Munition und Lebensrnitteln gebildet.

Diese Kolonnen können verstärkt werden durch zurLandwehr übergetretene Mannschaften der Feldartillerie ·oder des Trains.

Art. 3. Der Bundesrat bestimmt vorläufig durch Verordnung : a. die Zusammensetzung der Abteilungen; b. den Bestand an Mannschaft und Pferden, bezw.

Tragtieren der Gebirgsbatterien; ·c. die Zahl der Saumkolonnen und den Bestand an Mannschaft und Pferden, bezw. Tragtieren derselben.

d. die Verteilung der Munition auf die Batterien und die Saumkolonnen.

Art. 4. Zur Einführung des neuen Materials bei der 'Truppe und behufs Organisation der neuen Gebirgsbatterien ·werden Kadreskurse in einer Dauer von 8 Tagen und unmittelbar darauffolgende Binführungskurse in einer Dauer von 18 Tagen angeordnet.

Zu den Kadreskursen haben einzurücken : sämtliche Offiziere der Gebirgsartillerie, die höhern Unteroffiziere, die Kanonierwachtmeister und die Richter der Batterien.

Die Einführungskurse haben außer diesen zu bestehen : die übrigen Unteroffiziere, sowie die Mannschaften der neun jüngsten Jahrgänge.

Die Stabsoffiziere und die den Stäben zugeteilten Offiziere werden auf die einzelnen Kurse verteilt.

Die Einführungskurse sämtlicher 6 neuen batterien haben im gleichen Jahre stattzufinden.

Gebirgs-

Art. 5. Alle mit diesem Gesetze im Widerspruche stehenden Bestimmungen sind aufgehoben.

Bundesblatt. 58. Jahrg. Bd. I.

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Art. 6. Der Bundesrat ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des ßundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben, festzusetzen.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Neuordnung der Gebirgsartillerie. (Vom 20. Februar 1906.)

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21.02.1906

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348-354

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